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9 Bordfunker XF

XF-90 € 6,50
Die verkannte Je
Jet-Ikone Sep. 2020
FLUGZEUGCLASSIC
Österreich € 7,15
Elite der de
der 1950er- Schweiz sFr. 12,20
Luxemburg € 7,70
Luftwaffe Ja
Jahre Italien € 8,50
Dänemark DKK 70

FLUGZEUG
CLASSIC
Luftfahrt
tf
itge
Zeitgeschichte
O ldtim
Oldtimer
Grumman F8F Bearcat
US-Bolide wieder flügge

Über der Schweiz:


Messerschmitt gegen Messerschmitt

Görings Rache

Jets wie beim Discounter Wellington-Nachfolger Vickers Warwick


Hier können Sie Ihre eigene MiG kaufen Warum sie ihre Vorgängerin nie erreichte
Anzeige

Leserreisen an geschichtsträchtige Orte

Auf nach Frankreich!


Die Grenzen zu unserem westlichen Nachbarland sind wieder offen und damit der Weg frei
für unsere vierte Leserreise zu den Schlachtfeldern und Befestigungsanlagen von Verdun.
Außerdem bieten wir in diesem Jahr eine neue Reise zu den Schauplätzen des D-Day in der
Normandie an. Lassen Sie sich das nicht entgehen – seien Sie mit dabei

Infos & Preis


Normandie Termin: 11.–15. Oktober 2020
Reiseziele (Auswahl):
• Museum der Tapisserie
• Arromanches 360-Grad-Kino
• Mémorial von Caen
• deutsche Artilleriebatterie in Longues-sur-mer
Reisepreis (Doppelzimmer): 985 Euro pro Per-
son bei mindestens 20 Teilnehmern, 895 Euro
pro Person bei mindestens 25 Teilnehmern,
Einzelzimmerzuschlag 210 Euro pro Person
Leistungen:
• Busanreise nach Bayeux ab Flugh. Düsseldorf
• Vier Übernachtungen im Vier-Sterne-Hotel
Foto Archiv GeraMond Verlag

(Landeskategorie)
• Täglich Frühstücksbuffet & Abendessen im
Restaurant des Hotels
Die einzige deutsche Küstenbatterie des Atlantikwalls mit noch • Führung in deutscher Sprache durch
erhaltenem Geschütz in der ganzen Normandie in Longues-sur-mer Jean Lenoir am 12., 13. und 14. Oktober 2020

Infos & Preis Einer der Höhepunkte der Verdunreise:

Termin: 25.–29 Oktober 2020


Verdun das Zwischenwerk Falouse

Reiseziele (Auswahl):
• Ouvrage de la Falouse
• Mémorial de Verdun
• Fort Douaumont, Vauquois und Beinhaus,
Schützengraben von Chattancourt
Reisepreis (Doppelzimmer): 860 Euro pro Per-
son bei mindestens 20 Teilnehmern, 790 Euro
pro Person bei mindestens 25 Teilnehmern,
Einzelzimmerzuschlag 140 Euro pro Person
Leistungen:
• Bus ab/bis Leipzig über Erfurt,
Frankfurt/Main, Karlsruhe
• Vier Übernachtungen im Drei-Sterne Hotel
(Landeskategorie)
• Täglich Frühstücksbuffet & Abendessen im
Foto Skyviewmeuse

Restaurant des Hotels


• Führung in deutscher Sprache durch Pierre
Lenhard am 26., 27. und 28. Oktober 2020

Weitere Infos und Hier können Sie die Reisen buchen:


was Sie alles vor Ort erwartet Intercontact GmbH, In der Wasserscheid 49,
finden Sie unter 53424 Remagen, Tel.: +49 (0) 2642 2009-29,
E-Mail: dbascou-breuer@ic-gruppenreisen.de
www.flugzeugclassic.de
Editorial
Konfliktscheu?
W
er sich mit der Bf 109 auskennt,
der weiß: Die ersten »Bertas«, »Cä-
sars« und »Emils« hatten mit der
Endversion »Kurfürst« nicht mehr wirklich
viel gemein. Aus der Not heraus stand die
»109« vom Anfang bis zum Ende des Kriegs
an der vordersten Front. Das einstige Florett
wandelte sich zur schwerfälligen Streitaxt.
Kürzlich hatte ich dazu ein déjà vu, als ich in
einem Zeitungsbericht über die Modernisie-
rung des Eurofighter las. Denn den eigent-
lich schon abgeschriebenen Hightech-Fighter
katapultieren Airbus-Ingenieure dank eines
ultramodernen Radars zurück an die Welt-
spitze. Mittels eines Superradars wandelt
sich der Jet zur Elektronikplattform und Diese He 111 fiel nicht etwa
kann statt 20 nun 200 Ziele gleichzeitig ver- die Schweizer ihren Luftraum mit einer gera- den Alliierten, sondern
folgen. Doch der feine Unterschied zur Tech- dezu wilhelm-tellschen Verbissenheit und den Eidgenossen zum Opfer
nikgeschichte der Bf 109: Der Eurofighter hat scheuten sich auch nicht, deutsche Bomber Foto Bundesarchiv Bern
sein Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft. abzuschießen. Görings Reaktion ließ nicht
Oder anders gesagt: Totgesagte leben länger. lange auf sich warten … In unserer Titelge-
Unser Bundeswehr-Vorzeige-Jet muss nicht schichte berichten wir über die Luftkämpfe
mehr befürchten, als konfliktscheu zu gelten. zwischen Eidgenossen und Deutschen, ein
Dass »neutral« kein Synonym für »kon- kaum bekanntes Kapitel des Zweiten Welt-
fliktscheu« ist, musste Finanzminister Peer kriegs mit überraschenden Wendungen.
Steinbrück im Jahr 2009 lernen, als er der Stellen Sie sich vor, liebe Leser, Sie gehen
Schweiz metaphorisch mit der »Kavallerie« in verschiedenen Geschäften einkaufen und
drohte. »So än lööli!«, dachten sich die Eid- haken nach und nach ihre Liste ab: Brot, Ei-
genossen und bestellten den deutschen Bot- er, ein Blumenstrauß für die Frau, weil Sie
schafter ein. Die Schweiz dachte offenkun- wieder mal mehr Zeit mit Ihrer Flugzeug
dig nicht daran, vor dem großen Nachbarn Classic verbracht haben als mit der Gattin,
zu kuschen. »Lööli« meint übrigens so viel ein Bilderrahmen, Farbe und … ein Star-
wie »Depp« oder »Einfaltspinsel«. fighter. Im niederländischen Baarlo gibt es
Ähnlich erging es auch Hermann Göring tatsächlich einen Händler für Düsenjäger
im Jahr 1940. Um den französischen Jagdflie- aus der Zeit des Kalten Krieges. Christian
gern zu entgehen, verletzte die deutsche König berichtet ab Seite 72 über diese unge-
Luftwaffe wiederholt den Schweizer Luft- wöhnliche Geschäftsidee und zeigt, was Sie
raum, wo ihr keine Gefahr drohte – so schien für den Gegenwert eines Mittelklassewagens Markus Wunderlich,
es zumindest. Tatsächlich aber verteidigten bekommen können! Ihr Markus Wunderlich Chefredakteur

Mehr zu diesem Thema


Die Umfrage 27%
Nein, über diese hoch-
brisante Angelegenheit
möchte ich mehr erfahren.
ab Seite 14

– Sie haben abgestimmt:


Wussten Sie, dass
Ja, aber einen ausführlichen Sind dann auch die
deutsche Piloten 1940
in Luftkämpfe mit der
Schweizer Fliegertruppe
Bericht darüber habe ich
noch nicht gelesen.
18% »Schweizer« Bf 109 gegen
deutsche Messerschmitt-
verwickelt waren? Maschinen angetreten?

55% www.flugzeug-classic.de

FLUGZEUG CLASSIC 9/2020 3


INHALT
BLIND Flugzeug Classic 9-20

14
An die Maschinen! 1940 kämpften
über der Schweiz Messerschmitts
gegen Messerschmitts

ZEITGESCHICHTE TITELTHEMA
Bf 109 und 110
Görings Rachefeldzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
Ein kaum bekanntes Kapitel des Weltkriegs: Im Mai und Juni
1940 verletzten deutsche Piloten den Luftraum über der
Schweiz. Eidgenössische Bf 109 schossen diese Maschinen ab.
Göring sann nach Rache …

TECHNIK TITELTHEMA
Vickers Warwick
Zwangswechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
Boote statt Bomben: Die Vickers Warwick war urpsrünglich als Für die Warwick stellte man speziell angefertigte Boote her,
schwerer Bomber konzipiert. Doch da sie zu schwach auf der
Brust war, fand sie ihre wahre Bestimmung als Seenotretter.
24 die bei rund 3000 Missionen viele Menschenleben retteten
TECHNIK TITELTHEMA
Lockheed XF-90
Mehr Schein als Sein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
Die XF-90 ging nie in Serie, doch ihre beiden Prototypen
inspirierten Comiczeichner und Automobilhersteller ihrer Zeit.
Warum wurde aus dem Publikumsliebling ein »Pleitegeier«?

TECHNIK – TYPENGESCHICHTE
Junkers J 8 und J 10
Auf dem richtigen Weg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
Die Junkers J 10 beziehungsweise CL.I war 1918 ihrer Zeit Anfang der 1950er-Jahre zierte die schnittige XF-90 häufig die
voraus. Sie war ein Eindecker komplett aus Metall. 30 Titelseiten von Zeitschriften und Illustrierten
4
Gerhard Lenssen kann viel über seine Ausbildungszeit berichten, PS Aero bietet alte Düsenflugzeuge zu teils überraschenden Prei-
66 zum Beispiel über seine Erfahrungen mit der Fw 58 72 sen an. Auch Bundeswehr-Oldtimer wie dieser Alpha Jet sind dabei
TECHNIK – COCKPIT OLDTIMER TITELTHEMA
Harlan-Eindecker Grumman F8F
Überflieger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Bearcat is back . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
Die frühen Harlan-Eindecker waren noch richtige Pionierflugzeu- Militärversionen der Bearcat entstanden einige, zivile Exemplare
ge: karges Cockpit und unbespannter Rumpf. Noch vor dem Ers- dagegen nur zwei. Zweimal verunfallt, hat eine von ihnen nun
ten Weltkrieg standen sie im Kampfeinsatz und brachen Rekorde. eine dritte Chance bekommen und fliegt wieder.

OLDTIMER ZEITGESCHICHTE TITELTHEMA


Zeitzeuge Gerhard Lenssen
Consolidated PBY
Beim Alarmstart abgeschossen . . . . . . . . 48 Bordfunker bei der Luftwaffe . . . . . . . . . . 66
Wie die Ausbildung zum Bordfunker während des Zweiten
Nach fast 80 Jahren und zwei bisher gescheiterten Versuchen
Weltkriegs verlief, durften wir von dem 98-jährigen Veteranen
gelang es Tauchern nun, zu einem Catalina-Wrack an der Ostküste
Gerhard Lenssen erfahren.
Hawaiis vorzustoßen. Das Besondere: Die Maschine wurde noch
vor dem Angriff auf Pearl Harbor von den Japanern abgeschossen!
OLDTIMER TITELTHEMA
Warbird-Händler Piet Smedts von PS Aero
SERIE – DER STRATEGISCHE LUFTKRIEG
Frankreichfeldzug
Düsenjäger zu verkaufen! . . . . . . . . . . . . . . . . 72
Was kostet eigentlich so ein Warbird? Diese und weitere
Überlegen!? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 spannende Fragen klärt Firmengründer Piet Smedts.
Dass die Deutschen 1940 in Frankreich so schnell vorstoßen
würden, damit hatte kaum einer gerechnet. Welche Rolle spielte
FILM
die Luftwaffe bei diesem strategischen Coup?
Catch-22
Entspannter Abgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
Nach fast 50 Jahren ist ein Remake von Catch-22 erschienen –
kann es überzeugen?
Flugzeuge in dieser Ausgabe 9 Bordfunker
Die verkannte
F-90
et-Ikone
€ 6,50
Sep. 2020
FLUGZEUGCLASSIC

Österreich € 7,15
Elite der er 1950er- Schweiz sFr. 12,20
Luxemburg € 7,70
Luftwaffe ahre Italien € 8,50
Dänemark DKK 70

Consolidated PBY...................48 Junkers Ju 52..................12, 71 FLU


UGZEUG
RUBRIKEN CLASS
A SIC
IC
Dewoitine D 520....................52 Junkers J 10..........................36 Grumman F8F Bearcat
US-Bolide wieder flügge

Dornier Alpha Jet...................74 Lockheed F-104.....................72 Editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3


E+K C-35...............................23 Lockheed XF-90.....................30 Bild des Monats . . . . . . . . . . . . 6 Über der Schweiz:
Messerschmitt gegen Messerschmitt

Panorama . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Görings R
Rach
ache
Focke-Wulf Fw 58...................67 Messerschmitt Bf 109...........16
Gotha Go 145........................68 Messerschmitt Bf 110...........22
Unterhaltung . . . . . . . . . . . . . 45
Grumman F8F........................58 Mikojan-Gurewitsch MiG-23....11
Bücher/Leserbriefe . . . . . . . . . 56 Jets wie beim Discounter
Hier können Sie Ihre eigene MiG kaufen
Wellington-Nachfolger Vickers Warwick
Warum sie ihre Vorgängerin nie erreichte

TITELBILD
Background . . . . . . . . . . . . . . 77 He 111: Slg. P. W. Cohausz
Harlan-Eindecker....................42 North American P-51................9
Vorschau/Impressum . . . . . . . 82 XF-90: USAF/Slg. W. Mühlbauer
F8F: Slg. F. Mormillo
Hawker Hurricane...................10 Supermarine Spitfire..............12
Bf 109: Bundesarchiv Bern
Heinkel He 111............9, 18, 71 Vickers Warwick.....................24 TITELSEITE: Schweizer Bf 109 schossen Bf 110: Slg. K. Hänggi
MiG-21: PS Aero
deutsche Bf 110 ab (Collage) Warwick: RAF/Slg. W. Mühlbauer

FLUGZEUG CLASSIC 9/2020 5


BILD DES MONATS

■ »Lizzie« am Boden
Wegen der Corona-Pandemie mussten dieses Jahr viele Airshows nach Kanada. Nach dem 30. Oktober 1944 abgestellt, gelangte »Lizzie«
in Großbritannien abgesagt werden, unter anderem die Flying Legends in die USA, wo sie 2013 die Aircraft Restoration Company Duxford
Airshow in Duxford. Gezwungenermaßen blieb so auch die seit zwei erwerben konnte. In den folgenden 15 Jahren wurde der Hochdecker
Jahren in Duxford stationierte Westland Lysander Mk.III, V9312, restauriert und wieder in einen flugfähigen Zustand versetzt. Nach
am Boden. Die »Lizzie« gehört der Aircraft Restoration Company in 74 Jahren Pause war er am 28. August 2018 wieder in seinem Ele-
Duxford und ist erst seit zwei Jahren wieder flügge. Ende 1940 bei ment. Sobald es die Corona-Beschränkungen zulassen, sollen künftig
Westland gebaut, trat sie am 4. Januar 1941 in der Royal Air Force auch Passagiere in der »Lizzie« mitfliegen dürfen. Das gezeigte Foto
ihren Dienst an und flog unter anderem bei der 225 Squadron, in deren entstand am 3. August 2019 auf der East Kirkby Airshow. Der nächste
Bemalung sie sich auch heute wieder präsentiert. Ende 1942 kam die öffentliche Auftritt ist bei der 80th Anniversary Duxford Battle of Britain
V9312 für die Flugausbildung des Commonwealth Air Training Plan Air Show im September 2020 geplant. Text Andreas Metzmacher/Foto Martin Keen

6
FLUGZEUG CLASSIC 9/2020 7
PANORAMA

■ MESSERSCHMITT BF 109

Gustav kommt voran

Fahrwerk, Rumpf und Tragfläche der


Bf 109 G-6, W.Nr. 410077, sind jetzt
bei Midwest Aero Restorations vereint.
Der Motor soll bald folgen Foto Midwest Aero

ichael Vadeboncoeur und sein Team von Midwest Aero Resto- Überholung zurück sind, sollen auch sie eingebaut werden. Der Jäger,
M rations in Danville, Illinois, sind bei der Restaurierung der
Bf 109 G-6, W.Nr. 410077, einen gehörigen Schritt vorangekommen.
der zum Stab IV/JG 54 gehörte, musste 1944 wegen Kampfschäden
auf dem Swiblo See an der estnisch-russischen Grenze notlanden.
Das Fahrwerk und die Tragflächen sind jetzt am Rumpf angebaut, Der Pilot ließ ihn zurück. Später beharkte man ihn mit MG-Feuer,
um verschiedene Systeme zu installieren und zu überprüfen. Danach bevor er sank. Nach der Bergung im Jahr 1990 ging die Bf 109 zu-
soll der Motor folgen. Dieser entsteht gerade in Mike Nixons Werk- nächst nach Nordamerika und später nach Australien, bevor ein
statt Vintage V-12s in Kalifornien. Sobald die Instrumente von der privater Eigner in den USA die Maschine erwarb. Dave McDonald ■

■ DOUGLAS SBD/GRUMMAN TBM Auf


A dem Grund der Truk
Lagoon
La in Mikronesien
Nach 75 Jahren entdeckt! fand
fa man unter ande-
rem
re auch den Propeller
Project Recover ist auf Wracks einer
e TBM/F-1 Avenger
von drei US-Flugzeugen aus Foto Bob Hess/Scripps
dem Pazifikkrieg gestoßen. Institution of Oceanography
Hier sind die gestanzten Löcher
der Sturzflugbremsen einer japanischen Stützpunkt auf Truk (heute
SBD-5 Dauntless zu erkennen Chuuk) am 17./18. Februar 1944. Von April
2018 bis Dezember 2019 führten die Partner
er Universität Delaware und des Project Recover vier Expeditionen nach
D dem Scripps Institution of
Oceanography, beides Partner des
Chuuk durch, um die Vermissten zu finden.
Schlussendlich stießen sie auf die Wracks der
Project Recover zur Lokalisierung drei Maschinen in 30 bis 65 Meter Tiefe. Das
und Repatriierung vermisster US- Team möchte nun erreichen, dass die sieben
Soldaten seit dem Zweiten Welt- Crewmitglieder identifiziert und geborgen
Foto University of Delaware/mit Genehmigung von Dr. Mark Moline
krieg, gelang bis zum Dezember werden. Damit ist die Arbeit von Project
2019 eine Sensation: Sie entdeckten Revocer vor Ort aber noch längst nicht getan:
drei Weltkriegsmaschinen in einer Lagune in- trepid starteten und zusammen mit sieben US- »Unsere Recherchen deuten an, dass noch
nerhalb der Föderierten Staaten von Mikro- Soldaten rund 75 Jahre lang vermisst waren. 28 weitere Flugzeuge aus dem Zweiten Welt-
nesien. Dabei handelt es sich um zwei Dou- Die Mannschaften und ihre Maschinen krieg in Truk Lagoon verschollen sind«, so
glas SBD-5 und eine Grumman TBM/F-1, die gingen während der Operation »Hailstone« Derek Abbey, Geschäftsführer von Project
von den Trägern USS Enterprise und USS In- verloren, dem Angriff der US-Marine auf den Recover. Alexander Müller ■

8
■ NORTH AMERICAN P-51

Klassiker
in Kalifornien
m Mai dieses Jahres bezog die P-51D Mus-
I tang »Man O’War« (N44727/44-72739) des
verstorbenen Elmer Ward ihr neues Heim im
Palm Springs Museum in Kalifornien. Nach-
dem sie am 15. Februar 1945 bei North Ame-
rican in Inglewood vom Band gelaufen war,
ging 44-72739 nach Stanstead in England,
blieb aber von Einsätzen im Zweiten Welt-
krieg verschont. Nach Kriegsende kam sie Ist nun Teil des Palm Springs Museum: die North American P-51 »Man O’War« Foto Frank Mormillo
zur Air National Guard in New Jersey. 1950
forderte die United States Air Force sie für tang« ging die P-51 dann an Elmer Ward. Die- bis seine Alzheimerkrankheit die Überhand
den Einsatz im Koreakrieg zurück. Nachdem ser lackierte sie um und versah sie mit der gewann. Familie Ward verlieh die P-51 für die
sie erneut nicht in den Kampf musste, kauften Identität von »Man O’War«, der P-51D Mus- statische Ausstellung und Flugshows an das
die Universal Studios die Maschine 1950 für tang des Fliegerasses Lieutenant Colonel Western Museum of Flight in Kalifornien.
Dreharbeiten zum Film Battle Hymn. Clairborne Kinnard, der sie bei der 334th Elmer verstarb am 20. September 2007 und
Im August 1970 ersteigerte Asher Ward Fighter Squadron, 4th Fighter Group, flog. hinterließ die Mustang seiner Familie, die sie
(nicht verwandt mit Elmer Ward) die Mustang Ward, der 1984 die Firma Pioneer Aero kaufte für fast zehn Jahre vertraglich dem Southern
bei einer Auktion, der sie durch die Firma und 1995 in Chino ein weiteres Unternehmen Wing der Commemorative Air Force in Ca-
Aerosport restaurieren ließ. Mit der zivilen mit dem Namen Square One Aviation gründe- marillo auslieh, bevor sie jetzt Teil des Palm
Zulassung N44727 und dem Namen »Poon- te, flog »Man O’War« fast drei Jahrzehnte lang, Springs Museum wurde. Frank Mormillo ■

■ 80 JAHRE LUFTSCHLACHT UM ENGLAND

Knapp daneben ist auch vorbei!


Fotos (2) Sammlung Christian König

Die Heinkel He 111


bildeten unter anderem Nach 1945 entstand diese Zielraumkarte
das Rückgrat der mittleren vom Borough of Dover. Sie zeigt, dass die Luft-
Bomber der Luftwaffe waffe militärische Ziele jahrelang verfehlte
und stattdessen die Altstadt von Dover traf

ie Luftschlacht um England, die vor Calais in der Region Hauts-de-France


D 80 Jahren am Himmel über den Kreide-
felsen von Folkestone und Dover tobte, hatte
zusammengezogen hatte. Nur knapp
40 Kilometer trennten die beiden Gegner g er von-
gn Bomben
Bomb
m en schlug nicht etwa im Hafen oder in
viele verschiedene Aspekte. Heute denkt einander. den Festungen Western Heights und Castle of
man vor allem an den Schlagabtausch der 113 Angriffe verzeichnete Dover zwischen Dover ein, sondern in der Altstadt zwischen
Jagdflugzeuge. Weniger präsent sind die er- dem 1. September 1939 und dem 8. Mai 1945. St. Mary’s Church und Pencester Gardens.
bitterten Duelle zwischen den Bordschützen Insgesamt 185 Bomben und 23 Granaten Die Reihenwürfe am rechten Bildrand liefen
in ihren Bombern und den angreifenden schlugen in der Stadt ein, 23 Tote und 71 Ver- zwar unbeirrt auf das Castle zu, endeten aber
Spitfires und Hurricanes. letzte waren zu beklagen. Eine nach Kriegs- jeweils vor dessen Gartenzaun.
Und natürlich ging die Luftschlacht mit ende angelegte Zielraumkarte vom Borough Die beiden Volltreffer auf dem nur zehn
Bombardements einher. Das Hafenstädtchen of Dover zeigt, wie schwierig es der Luftwaffe Meter breiten Admiralty Pier südwestlich der
Dover zog Bomber ebenso magisch an wie die fiel, Punktziele zu treffen. Jeder rote Punkt auf Stadt erscheinen vor dem Hintergrund der
Projektile der schweren Artilleriegeschütze, dem hier gezeigten Ausschnitt symbolisiert Punktwolke im Stadtzentrum fast wie
die die Wehrmacht im Département Pas-de- einen Einschlag. Interessant: Die Masse der Zufallstreffer! Christian König ■

FLUGZEUG CLASSIC 9/2020 9


PANORAMA

Eine Hurricane, die in sowjetischen


Diensten stand, präsentiert sich
nun frisch restauriert im Brooklands
Museum Foto Brooklands Museum

■ HAWKER HURRICANE

»Sowjet« in Brooklands
as Brooklands Museum in Weybridge, taurierte Hurricane jetzt auch lackiert ist. reste der Maschine und brachten sie 1996 nach
D Surrey, feierte kürzlich den Rollout seiner
vollständig restaurierten Hurricane Mk.IIA,
Z2389 kam im Mai 1942 nach Murmansk und
gehörte dort zum Luftwaffenregiment 767 auf
Sankt Petersburg. Am 14. Oktober 1997 kam
sie als erster Erwerb aus Mitteln des Heritage
Z2389. 1940 bei Hawker Aircraft Limited in der Halbinsel Kola. Am 20. Juni 1942 griff ihr Lottery Fund nach Brooklands. Was danach
Kingston-on-Thames gebaut, wurde der Jä- Pilot, Leutnant Iwan Kalaschnikow, mehrere folgte, waren 60 000 freiwillige Arbeitsstun-
ger entweder in Brooklands oder Langley Bf 109 F und Bf 110 an und wurde zusammen den, die zu dem jetzigen Resultat führten. Da-
endmontiert. Daraufhin flog er im Jahr 1941 mit zwei weiteren Hurricanes abgeschossen. bei kam es zu manchmal erstaunlichen Teile-
bei fünf verschiedenen RAF-Geschwadern, Kalaschnikow überlebte die Notlandung, funden, unter anderem bot ein Museums-
darunter auch der American Volunteer 71 die Hurricane musste er zurücklassen. 50 Jahre besucher dem Team einen Merlin-Mk.II-Motor
»Eagle« Squadron, in deren Farben die res- später fanden russische Historiker die Über- aus seiner Garage an! Dave McDonald ■

Ein Leben für einen Rekord


Über den Simplonpass und schinen am Fuße der Sim- sich mehrere Tage »mit der ganzen Zähig-
somit über die Alpen fliegt plonpasshöhe im kleinen keit eines jungen athletischen Körpers ge-
vor 110 Jahren erstmals ein Schweizer Ort Brig. Chàvez’ gen den grausamen Tod«, vergießt angeb-
Mensch mit seinem Flugap- erster Versuch am 19. Sep- lich sogar Freudentränen, als man ihm das
parat. Jorge Chàvez Dart- tember scheitert allerdings. volle Preisgeld zuerkennt.
nell heißt der 23-Jährige. Er Keiner weiß annähernd von Doch am 28. September 1910 ist Chà-
ist Sohn eines nach Frank- den Risiken des Bergflie- vez’ junges Leben schon vorbei. Frankreich
reich emigrierten peruani- gens; der Föhnsturm etwa nimmt ihn posthum in die Ehrenlegion auf,
schen Millionärs. Kurz zu- ist eine böse Überraschung. die Schweiz setzt ihm ein Denkmal, in Peru
vor hat er bereits über Paris Erst am 23. scheint das Wet- ziert sein Porträt bald einen Geldschein.
mit einer Flughöhe von ter gut genug, sodass Chà- Jahrzehnte später trägt dort schließlich
2650 Metern eine neue Welt- vez erneut den Start riskiert. auch der internationale Flughafen von Li-
bestmarke aufgestellt. Nun Tatsächlich übersteigt er ma seinen Namen. Wolfgang Mühlbauer ■
will Chàvez sich in seinem mit seiner Bleriot XI unter
Bleriot-XI-Eindecker über Flugpionier mit abenteuerlichen Bedingun-
den Simplonpass wagen, peruanischen Wurzeln: gen den Pass. Nach 42 Mi-
um das im Juli des Jahres Jorge Chàvez Fotos (2) DEHLA nuten Flugzeit, ausgefroren
1910 ausgelobte Preisgeld und durchgeschüttelt, will
von 70 000 Lire für den ersten Flug über er im italienischen Domodossola vor Tau-
die Alpen nach Mailand einzuheimsen. senden Zuschauern landen – und wird
Er sowie seine weiteren Mitkonkurren- unglücklicherweise »infolge eines Wind-
ten Charles Weymann und Pierre Emile stoßes aus geringer Höhe auf die Erde ge-
Taddéoli treffen sich mit ihren Flugma- schleudert«. Schwer verletzt stemmt er Tragisches Ende: Bruch in Domodossola

10
■ MIKOJAN-GUREWITSCH MIG-23
■ NORTH AMERICAN T-28
DDR-MiG in Tschechien
Trojaner in Dijon
as niederländi-
Vorübergehend
D
Fotos (2) Pierre Schmitt

bei Dijon Aero sche Unterneh-


Services einge- men PS Aero hat nun
lagert: die North seine Mikojan-Gure-
American T-28 C, witsch MiG-23UM
c/n 252-50 … nach Tschechien ver-
wei North American kauft. Neben derr
Z T-28 Trojan sind
Anfang 2020 bei Dijon
… und die MiG-21 war das
T-28 D, c/n Schwenkflügel-
Aero Services in Frank- 174-51 flugzeug MiG-23 Lange Jahre in den
reich eingetroffen, um das erfolgreichste Niederlanden ausge-
sie dort zu überholen.
von der UdSSR ex- stellt, ist diese MiG
Beide Trainer stammen
aus den USA und sind portierte Kampfflug- Das Emblem der jetzt in Tschechien
gut erhalten, weswegen zeug. Der einstrah- Luftstreitkräfte der beheimatet
der Arbeitsaufwand lige Jet rollte von NVA und des JG 9 Fotos (2) Slg. Christian König
ch Abschluss möchte man sie dann ihren
überschaubar bleibt. Nach 1967 bis 1985 insge-
neuen Eigentümern übergeben. Der eine Trainer, eine D-Variante samt 5047 Mal aus den Werkhallen. Nach einer A-Baureihe folgte
mit der c/n 174-51, trägt das US-Kennzeichen NX 9868. Bei dem eine erste Serienversion, bezeichnet als MiG-23M. Sie war ein Top-
anderen handelt es sich um eine T-28 C, c/n 252-50, mit dem seller. Mit der MiG-23U bot die Firma dann einen zweisitzigen
Kennzeichen N-28 YM, Marines-Markierungen und der Squadron- Trainer an. Es folgte die MiG-23UM als kampftauglicher Übungs-
Nummer VMFA-323. In den USA versehen wie in diesem Fall Vete- zweisitzer. Das Seitenleitwerk der hier abgebildeten MiG-23UM
ranen ihre Flugzeuge gerne mit den eigenen ehemaligen Einhei-
ziert noch das verblassende Wappen des NVA Jagdfliegerge-
tenaufschriften, weshalb diese oft nicht dem Vorbild entsprechen.
Es entstanden 1948 T-28. Bei der französischen Armée de l’Air schwaders 9 »Heinrich Rau«. Bevor PS Aero die Maschine über-
waren 148 modifizierte T-28 A im Einsatz. Pierre Schmitt ■ nahm, diente sie einige Jahre als Attraktion für das Kasteel De
Hoogenweerth, ein Schlösschen bei Maastricht. Christian König ■

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PANORAMA

YELLOW SUN
A-Bomb-Attrappe

Down To Earth Promotions


Foto Howard Heeley,
Die HB-HOS befindet sich zurzeit in
der Grundüberholung und ist wohl
erst 2022 wieder am Himmel zu
Attrappe einer Yellow-Sun-Atom- sehen Foto ETHZ CC by sa 2.0
bombe in Newark

Im Herbst 2019 machte sich Philip Wardell, ein ■ JUNKERS JU 52


Freiwilliger des Newark Air Museum (NAM) in
Nottinghamshire, an die anspruchsvolle Auf- Ju-Air erfindet sich neu
gabe, einen Leitwerkkonus für eine Yellow-Sun-
ie Junkers Flugzeugwerke haben angefan- vorgerufenen Turbulenzen geführt hat, wird
Atombombe nachzubauen. Die Yellow Sun war
die erste einsatzfähige britische Nuklearwaffe
mit strategischem Einsatzspektrum. Im Oktober
D gen, die Ju 52, HB-HOS, der Schweizer
Vereinigung Ju-Air zu überholen. Die Arbeiten
seinen Posten aufgeben. Die Junkers Flug-
zeugwerke überholen die HB-HOS zurzeit
2019 begann Wardell in der Museumswerkstatt sollen wohl bis 2022 andauern. Nach dem Ab- nicht nur, sie haben sie auch in ihr Eigentum
einen Satz Holzformer auszusägen, Mitte No- sturz ihrer Junkers Ju 52, HB-HOT, im Sommer übernommen. Sobald das Flugzeug überholt
vember konnte er den nachgebauten Leitwerk- 2018 hatte sich Ju-Air entschlossen, ihre ver- ist, überlassen sie es der Ju-Air. Was mit der
konus erstmals an die originalen Befestigungs- bleibenden Ju-52 überholen zu lassen und zweiten Maschine (HB-HOP) geschieht, ist
punkte des Waffengehäuses anpassen. Als die dann wieder an den Start zu gehen. So hatte noch nicht bekannt. Sie bleibt im Besitz der
Passung stimmte, ging es weiter mit dem Ver- sie ihren Wartungsbetrieb geschlossen und Eidgenossenschaft. Man bereitet sie derzeit
nieten der Metallverkleidungen und der Leit- dessen Aufgaben an die Junkers Flugzeug- zur Ausstellung im Flieger Flab Museum
werkflächen. Die letzten Arbeiten und die La- werke sowie die Grundüberholung der Moto- Dübendorf vor. Hinsichtlich ihres Einsatzes im
ckierung fanden gerade noch ein Ende, bevor ren an einen externen Betrieb übergeben. Flugbetrieb gibt es allerdings noch keine kon-
das Museum wegen der Covid-19-Maßnahmen Es sollen zudem neue Antriebe zum Ein- kreten Pläne.
schließen musste. Howard Heeley satz kommen: Wasp-Sternmotoren von Pratt & Die dritte Ju-52 (HB-HOY), die ja eigentlich
Whitney. Auch in personeller Hinsicht ändert eine Casa 352 ist, befindet sich bei dem Verein
sich jetzt etwas – der bisherige Geschäftsführer Freunde historischer Flugzeuge in Mönchen-
SOPWITH SNIPE Kurt Waldmaier, der die Gesellschaft sicher gladbach; die Junkers Flugzeugwerke sollen
durch die nach dem Absturz der HB-HOT her- auch diese Ju 52 überholen. Werner Fischbach ■
Australiens Einzige

■ SUPERMARINE SPITFIRE Ein Star aus dem Film


Luftschlacht um England ist
Berühmtheit
Foto Paul Hastings

wieder restauriert und in


Europa: die Spitfire MH415
ie Spitfire LF.IXb, MH415, die

Nicht nur im Flug eine Augenweide:


D im Film Luftschlacht um Eng-
land von 1969 zu sehen ist, ist von
Sopwith-Snipe-Nachbau VH-SNP Australien nach England gebracht

Foto VFR
worden. Der Manager und Pilot
Das Royal Australian Air Force Museum (RAAFM) der Firma Air Leasing, Richard
konnte ein weiteres Flugzeug zu seiner Samm- Grace, wartet nun darauf, den
lung von flugfähigen Jägernachbauten aus dem Erstflug mit ihr zu unternehmen. Im Frühjahr Squadron in Hornchurch ausgeliefert worden.
Ersten Weltkrieg hinzufügen. Eine Sopwith Snipe, 2016 kam die Maschine aus den USA zu Vin- Er flog regelmäßige Einsätze über Europa, auch
die einzige in Australien, wechselte ihre Heimat tage Fighter Restorations (VFR) ins australi- nach seiner Überstellung an die 222 (Natal)
von ihrem Erbauer und Eigner Nick Cauldwell in sche Scone. Dort bauten die Restauratoren das Squadron im Oktober desselben Jahres. 1945
New South Wales zum Museum am westlichen originale und im eigenen Hause überholte außer Dienst gestellt, war die Maschine nach
Stadtrand von Melbourne. Nach ihrer Fertig- Merlin-66-Triebwerk erstmals nach 50 Jahren dem Krieg Teil der niederländischen und belgi-
stellung im Jahr 2014 und zirka 10 000 Arbeits- wieder in eine Zelle ein und brachten die schen Luftstreitkräfte. MH415 nahm an den
stunden erhielt die Replik, für deren Bau Cauld- MH415 zum Laufen. Nach weiteren Tests und Dreharbeiten zum Film Luftschlacht um England
well auch ein paar originale Snipe-Teile wie zum Rollversuchen gelangte die Spitfire nach Eng- teil. Im Anschluss übernahm Connie Edwards
Beispiel die Instrumente verwendet hatte, den land. Sie ist jetzt eine von mehreren Zeit- die Spitfire als Gegenleistung für seine Arbei-
Anstrich einer Maschine von Elwin »Bo« King von kapseln auf der Ranch des verstorbenen Con- ten am Film und brachte sie 1969 nach Texas.
der 4 Squadron Australian Flying Corps (AFC). Er nie Edwards. Mit dem zivilen Kennzeichen N415MH war
war das zweiterfolgreichste australische Flieger- Der Jäger war im August 1943 mit dem sie lediglich 36 Stunden in der Luft.
ass des Ersten Weltkriegs. Paul Hastings Kennzeichen DV-G an die RAF 129 (Mysore) Dave McDonald ■

12
Wussten Sie, dass …
… die Heinkel He 70
Blitz (Erstflug 1932),
ein auf Wunsch von Luft-
hansa und Swissair kon-
struierter einmotoriger
Tiefdecker, mit 362 km/h
für eine Weile das
schnellste Verkehrsflug-
zeug der Welt war?

… beim Verlust des Kabi-


nendrucks in 35 000 Fuß
(etwa 10 600 Meter)
Höhe ohne Sauerstoff nur
etwa 20 Sekunden bis
zur Ohnmacht vergehen?

… Flugzeugmotoren bei der Royal Air Force ab


1920 nicht mehr per Hand, sondern durch Hucks-
Starter angeworfen wurden, also Ford T-Laster
mit mechanischer Verbindung zur Propellernabe?

… der letzte britische Doppeldecker-Bomber,


Fotos Sammlung Wolfgang Mühlbauer (3); Oliver Jordan via Peter W. Cohausz; DEHLA; Airbus Heritage

Zahl des Monats die zweimotorige Handley Page H.P.50, 1934


zur Royal Air Force kam und diese schon
nach drei Jahren nur noch für Ausbildungs-
und Testzwecke im Einsatz war? Ein mögli-
cher Grund: Er besaß einen außergewöhnlich
hohen Rumpf und war schwer zu landen.

… US Navy-Pilot
Kenneth Whiting,
ein Flugschüler
Orville Wrights, am
18. November 1922
als erster Flieger
Messerschmitt
M esserschhmiitt B
Bf 109 der Varianten

115
einen Katapultstart
F G flogen von
D, E, F, v 1938 bis 1949
von einem Flug-
für die Schweizer Luftwaffe (mehr
zeugträger (USS Langley
l ) vollbrachte?
näch
dazu ab der nächsten Doppelseite).

FLUGZEUG CLASSIC 9/2020 13


ZEITGESCHICHTE Bf 109 und 110

LUFTKÄMPFE ÜBER DER SCHWEIZ

Görings
Rachefeldzug
Während der Blitzkrieg im Westen tobte, holten eidgenössische Bf 109 ab Mitte
Mai 1940 wiederholt deutsche Flugzeuge vom Himmel, die den Schweizer Luftraum
verletzten. Göring sann nach Vergeltung und schickte seine »Kavallerie« los
Von Hans-Heiri Stapfer

14
Auch wenn es keine Aufnahmen davon gibt, so ist diese Szenerie keine Fantasie, sondern
hat sich wirklich so zugetragen. Schweizer Bf 109 lieferten sich 1940 über ihrer Heimat
erbitterte Gefechte in der Luft gegen deutsche Bf 110. Wie kam es zu diesem heute kaum
mehr bekannten »Kleinkrieg« zwischen Deutschland und der Schweiz?
Zeichnung Anastasios Polychronis

FLUGZEUG CLASSIC 9/2020 15


ZEITGESCHICHTE Bf 109 und 110

Alarmstart: Eine Szene, die sich im Mai und Juni 1940 Dutzende Male auf den Einsatz-
basen der Schweizer Fliegertruppe wiederholte. Das Adleremblem auf dieser Bf 109 E-3a
(Werknummer 2403), J-346, verrät die Zugehörigkeit zur Fliegerkompanie 15, die zum Zeit-
punkt der großen Duelle mit deutschen Bombern in Olten stationiert war Foto Bundesarchiv Bern

A
ls die Wehrmacht am 10. Mai 1940 ge-
gen Frankreich und die Benelux-Staa-
ten aufmarschierte, stand die Schwei-
zer Fliegertruppe vor der bislang größten
Herausforderung ihrer Geschichte. Denn so
manche deutsche Bomberbesatzung, die fran-
zösische Industrieanlagen und Städte atta-
ckierte oder attackieren sollte, wählte auf
ihren Strecken mit Absicht eine Abkürzung
über die Schweiz, um sich so französische Jä-
ger vom Leib zu halten. Es sollte sich jedoch
als kolossaler Irrtum erweisen, zu glauben,
die Schweiz ließe sich das einfach so bieten.
Die wehrhaften Eidgenossen waren näm-
lich durchaus gewillt, ihre Neutralität mit bra-
chialer Waffengewalt durchzusetzen. Im Mai
1940 registrierte der Flieger-Meldedienst ins-
gesamt 113 Grenzverletzungen durch fremde
Flugzeuge – mehr als doppelt so viele wie im
Vormonat. Nicht weniger als 31-nal starteten
Jagdpatrouillen zu Abfangeinsätzen gegen
die ausländischen Eindringlinge.
Pikanterweise bemächtigte sich die Schwei-
zer Fliegertruppe dabei der Bf 109 E-3a, dem
damals neben der Supermarine Spitfire wohl
modernsten Jagdflugzeug, das ein Staat in sei-
nem Arsenal halten konnte. Die Messerschmitt
GmbH in Regensburg-Prüfening lieferte zwi-
schen Mai 1939 und April 1940 insgesamt
80 Einheiten. Es war freilich kein Liebesdienst
des »Dritten Reichs«: Die E-3a konnten sich
die Eidgenossen im Gegenzug zu Präzisions-
werkmaschinen, Devisen sowie für Deutsch-
Pingelige Eidgenossen: Jeder Einschuss am Heck der bei Kemleten land schwer zu beschaffende Rohstoffe wie
abgeschossenen He 111 P, 1G+HT, der 9./KG 27 wurde mit einem Aluminium oder Kupferwalzdraht sichern.
Kreis markiert Foto Bundesarchiv Bern Am 10. Mai 1940 – dem Beginn der deut-
schen Westoffensive und dem Tag der zweiten

16
Um den Luftraum über ihrer Heimat
zu schützen, setzten die Schweizer
Bf 109 E-3a, wie diese J-346 (siehe Foto
links), ein Zeichnung P. Dobrijevic/D. Frka

Generalmobilmachung – feuerten Schweizer


Bf 109 E-3a erstmals auf einen einfliegenden
deutschen Bomber. Die Maschine drang bei
Les Brenets westlich von Bern in den Schwei-
zer Luftraum ein. Hauptmann Hörning und
Oberleutnant Ahl der Fliegerkompanie 21
stellten den Eindringling über Bütschwil im
Toggenburg (östlich von Zürich). Mit stark
rauchendem Triebwerk verließ das weidwund
geschossene Flugzeug in der Gegend von
Altenrhein am Bodensee die Schweiz.

Der erste Abschuss


Sechs Tage später holte die im Jahr 1914 ins
Leben gerufene Schweizer Fliegertruppe erst-
mals in ihrer Historie ein fremdes Flugzeug Die vom 26-jährigen Feldwebel Artur Nöss gesteuerte He 111 H-2, A1+DM, des I./KG 53
vom Himmel. Die auf die Bahnanlagen im explodierte nach ihrem Aufschlag bei Lignières Foto Bundesarchiv Bern
nordostfranzösischen Troyes angesetzte Hein-
kel He 111 P der 9. Staffel des Kampfgeschwa- zurückkehren. Mit Ausnahme von Alfred Her- he von rund 2500 Metern in den Schweizer
ders 27 (9./KG 27) wählte auf dem Rückflug zig fanden alle Crewmitglieder bei ihren wei- Luftraum ein. Hauptmann Roubaty sowie
zur Heimatbasis Baltringen-Freifeld in Ober- teren Einsätzen den Tod. Leutnant Wachter der Fliegerkompanie 6 nah-
schwaben eine Abkürzung über die Schweiz Als Folge dieser Zwischenfälle versetzte der men mit ihren beiden Bf 109 E-3a die vom
und passierte über dem Jura bei Montfaucon Schweizer Generalstab sämtliche Einheiten der 26-jährigen Feldwebel Artur Nöss gesteuerte
die Grenze. Auf der Höhe des Greifensees Fliegertruppe in eine erhöhte Bereitschaft: Sie He 111 H-2, A1+DM, über dem Lac de Joux
aufs Korn. Nach zwei Angriffen zerschellte der
Die Explosion war so heftig, dass einzelne Teile brennende Heinkel-Bomber der 4. Staffel auf
einem bewaldeten Gelände bei Lignières, wo-
bis zu 200 Meter durch die Luft wirbelten. bei die Besatzung den Tod fand. Die Explosion
der Treibstofftanks war so heftig, dass einzelne
griffen Oberleutnant Streiff und Oberleutnant mussten jeweils eine Stunde vor Sonnenauf- Trümmerteile bis zu 200 Meter durch die Luft
Kisling der Fliegerkompanie 21 die vom gang bis 60 Minuten nach dem Eindunkeln ih- wirbelten. An Bord der Heinkel befanden sich
23-jährigen Leutnant Joachim Rieker gesteu- re Jagdflugzeuge kampfbereit halten. neben dem Piloten der Bombenschütze Feld-
erte He 111, 1G+HT, an. Das geballte Kano- webel Hans Kaltenbach, Bordfunker Gefreiter
nen- und MG-Feuer der eidgenössischen Grab für die He 111 Otto Müller, Bordmechaniker Emil Heimann
Messerschmitt durchsiebte die He 111 P und Im Juni 1940 registrierte der Flieger-Melde- sowie Heckschütze Gefreiter Engelbert Plotz.
verletzte den Bordschützen Feldwebel Ger- dienst insgesamt 84 Grenzverletzungen. Die Besatzung wurde am 3. Juni 1940 auf dem
hard Hobbie und den Bordfunker Unteroffi- Zehnmal starteten Schweizer Jagdpatrouillen Friedhof von Neuenburg beigesetzt.
zier Alfred Herzig gravierend. Beide konnten zu Abfangeinsätzen gegen die mehrheitlich Eine Formation von He 111 passierte am
jedoch noch mit dem Fallschirm abspringen. deutschen Bomber. gleichen Tag kurz nach 17 Uhr bei Le Brassus
Leutnant Rieker verstauchte sich während Bereits der erste Tag im neuen Monat be- im Waadtländer Jura auf 3500 Meter Höhe die
der Bruchlandung bei Kemleten in der Nähe gann für die Fliegertruppe äußerst heiß: Meh- Schweizer Grenze. Leutnant Schenk der Flie-
von Winterthur seine Rückenwirbel schwer. rere mit Heinkel He 111 ausgerüstete Kampf- gerkompanie 6 sowie Hauptmann Lindeker,
Lediglich Bombenschütze Unteroffizier Hans verbände verletzten den Schweizer Luftraum. Oberleutnant Homberger sowie Oberleutnant
Scholler entstieg dem Wrack unverletzt. Die in- Auf dem Hinflug drang die 1. Gruppe des Kuhn und Leutnant Aschwanden der Flieger-
ternierte Besatzung durfte nach Ende des Kampfgeschwaders 53 (I./KG 53) kurz vor kompanie 15 stürzten sich über Les Rangiers
»Frankreichfeldzugs« wieder in ihre Heimat 16 Uhr bei Basel mit 36 Bombern auf einer Hö- mit ihren Bf 109 E-3a auf die letzte Maschine

FLUGZEUG CLASSIC 9/2020 17


ZEITGESCHICHTE Bf 109 und 110

Schweizer Bf 109 E-3a beschädigten diese He 111 P-2 (Werknummer 1705),


G1+HS, des Kampfgeschwaders 55 so stark, dass der 26-jährige Pilot Unteroffizier
Horst Mahnert zur Notlandung bei Ursins gezwungen war Foto Bundesarchiv Bern

der Formation. Der geballte Bordwaffen-


beschuss zeigte Wirkung: Die Heinkel fing
Feuer und musste bei Oltingen in Frankreich
notlanden. Mit größter Wahrscheinlichkeit
handelte es sich dabei um die von Leutnant
Siegfried pilotierte He 111 der I. Gruppe des
Kampfgeschwaders 53 (I./KG 53).
Die restlichen Heinkel-Bomber verließen
um 17:43 Uhr bei Kleinlützel im Laufental die
Schweiz. Es blieben nicht die einzigen Verluste
für das Kampfgeschwader 53: Bei Luftkämp-
fen über Besançon mit französischen Jagdflug-
zeugen verlor die 9. Staffel vier He 111.

Eine tödliche Abkürzung


Am 2. Juni 1940 machte sich die in Stuttgart-
Echterdingen stationierte 3. Gruppe des
Kampfgeschwaders 55 (III./KG 55) auf, den
bei Lyon gelegenen französischen Militär-
Getarnt zwischen Bäumen: flugplatz Bron zu bombardieren. Auf dem
Die Bodenmannschaft betankt Rückflug – noch über französischem Gebiet –
diese Bf 109 E-3a der Fliegerkom- beschädigte ein zweimotoriger Potez-63-Jä-
panie 15 auf dem Flugfeld von Olten ger das linke Triebwerk der vom 26-jährigen
im Sommer 1940 Foto Bundesarchiv Bern Unteroffizier Horst Mahnert gesteuerten
He 111 P-2 (Werknummer 1705), worauf sich
die Heinkel aus ihrem Verband löste. Die
G1+HS nahm Kurs Richtung Schweiz und
überflog um 9:39 Uhr bei Bernex die Grenze.
Dank dieser Abkürzung über der vermeint-
lich sicheren Schweiz wollte sich Mahnert
weiteren französischen Angriffen entziehen.
Doch die der 8. Staffel des Kampfge-
schwaders 55 (8./KG 55) zugeteilte Heinkel
geriet vom Regen in die Traufe: Hauptmann
Lindeker und Leutnant Aschwanden der
Fliegerkompanie 15 nahmen den waidwun-
den Bomber über Yverdon ins Visier. Weil
der Heckschütze für kurze Zeit seinen Platz
verließ, traf der Angriff der Eidgenossen die
deutsche Besatzung völlig überraschend.
Das schwere Feuer der Bf 109 E-3a verwun-
dete den bereits über Frankreich leicht ver-
letzten Bordschützen Gefreiten Hans Lind-
ner schwer. Um das Leben des knapp 20-Jäh-
rigen zu retten, entschloss sich der Flugzeug-
führer zur unverzüglichen Bauchlandung
auf einem offenen Wiesengelände bei Ursins.
Die Luftkämpfe über der Schweiz kosteten im Mai und Juni 1940 sowohl deutschen als Es war vergebene Liebesmüh: Hans Lindner
auch eidgenössischen Besatzungen das Leben KGS Kartographie und Grafik Schlaich verstarb noch in der folgenden Nacht im Spi-

18
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ZEITGESCHICHTE Bf 109 und 110

Bf 109 E-3a (Werknummer 2176), J-328, im April 1940


auf einem Patrouillenflug im Großraum Zürich. Am 8. Juni
beschädigen Bf 110 des Zerstörergeschwaders 1 die
Maschine schwer Foto Bundesarchiv Bern

Bei der Auseinandersetzung mit deutschen Bf 110 des


Zerstörergeschwaders 1 erlitt Oberleutnant Rudolf Hom-
berger zwei Lungendurchschüsse. Das zerschossene
Cockpit lässt das Drama erahnen Foto Bundesarchiv Bern

Während der Luftkämpfe mit deutschen Bf-110-Zer-


störern und He-111-Bombern waren die Bf 109 E-3a
der Fliegerkompanie 15 praktisch ausnahmslos mit
dem Adleremblem bemalt Foto Bundesarchiv Bern

tal von Yverdon. Die restliche Besatzung, fangenschaft – haben alle Mitglieder dieser Be- Deutschland gelieferte Bf 109 E-3a – nicht wei-
neben dem Piloten Horst Mahnert Bomben- satzung den Krieg und seine Folgen überlebt. ter hinnehmen wollte.
schütze Unteroffizier Hans Söhner, Bordfun- Zwischen 14:22 Uhr und 15:55 Uhr dran-
ker Unteroffizier Max Volkmer und Bordme- Erster Eidgenosse stirbt gen mehrere Formationen deutscher Heinkel
chaniker Unteroffizier Willi Schubert, wurde Nachdem die Schweizer Fliegertruppe am He 111 – eskortiert von Bf-110-Zerstörern –
interniert. Sie durfte nach Ende des »Frank- 1. und 2. Juni 1940 mehrere deutsche He-111- über dem Neuenburger Jura und den Freiber-
reichfeldzugs« wieder in ihre Heimat zurück- Bomber aufs Korn nahm, eskalierte die Si- gen in den Schweizer Luftraum ein. Die Ma-
kehren. Mit Ausnahme von Unteroffizier tuation am 4. Juni. Auslöser war eine Straf- schinen stammten vom Kampfgeschwader 55
Hans Söhner – er verstarb nach Ende des aktion des »Dritten Reiches«, das die wieder- sowie der 2. Gruppe des Zerstörergeschwa-
Zweiten Weltkriegs am 29. März 1947 in Ge- holten Abschüsse – wohlgemerkt durch von ders 1 (II./ZG 1). Um diese zu bekämpfen,

20
Fiel Schweizer Bf 109 E-3a zum Opfer:
starteten insgesamt fünf Zweierpatrouillen Insgesamt 32 Bf 110 der 2. Gruppe des Diese He 111 P-2 musste am 2. Juni
der mit Bf 109 E-3a ausgerüsteten Fliegerkom- Zerstörergeschwaders 1 (II./ZG 1) drangen 1940 bei Ursins notlanden (siehe Foto
panien 6 und 15 sowie eine Patrouille der mit zwischen 11:39 und 12:53 Uhr in den Prunt- Seite 18 oben) Zeichnung P. Dobrijevic/D. Frka
D-3800 ausgerüsteten Fliegerkompanie 13. ruterzipfel ein. Dies mit der Absicht, die zur
Die wehrhaften Eidgenossen machten den Abwehr aufsteigenden Bf 109 E-3a auf franzö-
Abschuss zweier gegnerischer Flugzeuge gel- sisches Gebiet zu locken, um sie dort hinter- Während dieser Luftkämpfe mit den
tend. In Wahrheit büßte die deutsche Luft- hältig in Luftkämpfe zu verwickeln und vom Schweizer Bf 109 E-3a büßte das Zerstörer-
waffe lediglich eine Bf 110 der 6. Staffel des Himmel zu holen. geschwader 1 zwei weitere »110« ein, die al-
Zerstörergeschwaders 1 (6./ZG 1) ein. Die Die Bf 109 E-3a gehörten zu den Flieger- lerdings in der Gegend von Morteau auf fran-
Messerschmitt stürzte nördlich von Morteau kompanien 6, 15 und 21. Oberleutnant Streiff, zösisches Gebiet stürzten. Feldwebel Otto Bei-
in Frankreich ab, wobei Pilot Unteroffizier Al- Leutnant Köpfli sowie Leutnant Mühlemann ter der 4. Staffel fand dabei den Tod, während
bert Killermann und sein Bordfunker Unter- der Fliegerkompanie 21 zerstörten westlich der mit dem Fallschirm abgesprungene Bord-
offizier Gottfried Wöhl den Tod fanden. von Zürich über Triengen eine gegnerische funker Obergefreiter Robert Hink in französi-
Erstmals seit Bestehen der Schweizer Flie- Messerschmitt. Die zur 4. Staffel des Zerstö- sche Kriegsgefangenschaft geriet. Oberleut-
gertruppe ließ an jenem 4. Juni 1940 ein Ange- rergeschwaders 1 (4./ZG 1) gehörende Bf 110 nant Gerhard Kadow zog sich während seiner
höriger dieser Waffengattung im Luftkampf C-4 (Werknummer 2124) lief nur wenige Wo- Bruchlandung schwere Verwundungen zu,
sein Leben. Leutnant Rudolf Rickenbacher star- chen zuvor als eines der ersten Exemplare für seinen Bordfunker Unteroffizier Fritz
tete von Olten aus zu einem Abfangeinsatz. Da der brandneuen C-4-Version bei der Gothaer Wunnicke kam jede Hilfe zu spät. Kadow war
zu diesem Zeitpunkt Kommandant der
6. Staffel. Nachdem er wieder auf den Beinen
Vier Tage später ließ Göring seine war, übernahm er die 9. Staffel des Zerstörer-
›fliegende Kavallerie‹ erneut losreiten. geschwaders 76 (9./ZG 76) und geriet am
11. Juli 1940 nach einer Bruchlandung wäh-
alle der modernen Bf 109 E-3a der Fliegerkom- Waggonfabrik vom Band. Beim Abschuss fan- rend der »Luftschlacht um England« in briti-
panie 15 bereits in der Luft waren, musste der den Pilot Unteroffizier Alois Scholz und sein sche Kriegsgefangenschaft.
25-jährige Offizier auf die Bf 109 D-1 (Werk- Bordfunker Obergefreiter Walter Hofmann
nummer 2305) J-310 zurückgreifen. Zehn der den Tod. Das Territorial Kommando 8 über- Zerstörung eines Zerstörers
viel leistungsschwächeren und lediglich mit gab ihre sterblichen Überreste einen Tag spä- Gemäß im Bundesarchiv in Bern lagernder
MG ausgestatteten Bf 109 D-1 waren vor dem ter auf dem Luzerner Friedhof Friedental der Dokumente ging die Notladung einer Bf 110
Zweiten Weltkrieg als Fortgeschrittenen-Trai- deutschen Gesandtschaft. C-1 (Werknummer 2831) der 5. Staffel des Zer-
ner beschafft worden. Über dem jurassischen
Boécourt griffen drei Bf 110 den ahnungslosen
Rickenbacher aus erhöhter Position an. Seine
»109« fing sofort Feuer und stürzte ab. Dabei
fand er den Tod. Heute erinnert ein Gedenk-
stein an der Absturzstelle an dieses Drama.
Viel glimpflicher zog sich der ebenfalls der
Fliegerkompanie 15 zugeteilte Oberleutnant
Rufer nach Beschuss durch Bf 110 aus der
Affäre: Der Offizier war in der Lage, seine mit
zehn Treffern zugepflasterte Bf 109 E-3a in
Biel-Bözingen aufzusetzen.

Heimtückische Lockvögel
Bereits vier Tage später ließ Generalfeldmar-
schall Hermann Göring seine »fliegende Kaval-
lerie« erneut gegen die wehrhaften Eidgenos-
sen losreiten. Niemals zuvor und nachher sind
an einem einzigen Tag während der Luftkämp-
fe über der Schweiz mehr Piloten gefallen oder Maschinengewehrfeuer der deutschen Bf-110-Zerstörer zerfetzten das mit Stoff bespannte
verwundet worden wie an diesem 8. Juni 1940. Querruder der Bf 109 E-3a, J-328 Foto Bundesarchiv Bern

FLUGZEUG CLASSIC 9/2020 21


ZEITGESCHICHTE Bf 109 und 110

Opfer eidgenössischer Bf 109 E-3a: Diese Bf 110 C-1 (W.Nr. 2831)


musste am 8. Juni 1940 in Oberkirch bei Nunningen notlanden.
Das Verbandskennzeichen 2N+GN weist auf die Zugehörigkeit zur
5. Staffel des Zerstörergeschwaders 1 hin Foto Sammlung Karl Hänggi

Hier ist die 2N+GN vor ihrem Abschuss in einer


frühen Phase des »Westfeldzugs« vom Frühling
1940 zu sehen Foto Sammlung John Vasco

störergeschwaders 1 (5./ZG 1) bei Nunningen Klinke weiter ausführt: »Drei Schweizer Jäger England« vom Himmel. Erst 41 Jahre später
im Kanton Solothurn auf das Konto des Flab griffen uns immer wieder von hinten her an. gab der morastige Boden in der Nähe der Tat-
(Fliegerabwehrtruppen) Detachements 80. Da auch der zweite Motor nicht mehr wollte, ton House Farm in Buckland Ripers (Graf-
Der 22-jährige Flugzeugführer Feldwebel mussten wir in ziemlich bergigem Gelände schaft Dorset) seine sterblichen Überreste und
Manfred Dähne sowie sein gleichaltriger, eine Bauchlandung ausführen.« jene des Bordfunkers Unteroffizier Fritz Müller
durch den Aufprall während der Landung Nach dem Ende des »Westfeldzugs« hän- frei. Herbert Klinke hingegen musste ein Heer
leicht verwundeter Funker Unteroffizier Her- digte die Eidgenossenschaft die Bf 110 C-1, von Schutzengeln als Eskorte für den Rest des
bert Klinke wurden nach kurzer Flucht durch 2N+GN, am 19. Oktober 1940 dem »Dritten Krieges an seiner Seite gehabt haben: Er über-
die Kantonspolizei festgesetzt. Reich« aus. Dieser Zerstörer lief 1939, mit dem lebte Einsätze über Stalingrad genauso wie
fünf Bruchlandungen. Bei Kriegsende geriet er
Er musste ein Heer von Schutzengeln in Zeltweg in amerikanische Gefangenschaft.

an seiner Seite gehabt haben. Zwei Tote, ein Schwerverletzter


Doch auch »Görings Adler« hinterließen töd-
Anders hat Herbert Klinke in einem im Stammkennzeichen KS+AD versehen, bei der liche Spuren über der Schweiz. An jenem
April 1991 verfassten Brief an den britischen Mühlenbau und Industrie Aktiengesellschaft 8. Juni 1940 befanden sich Leutnant Rodolfo
Historiker John Vasco diese Ereignisse in (MIAG) in Braunschweig vom Band. Meuli und sein Beobachter Oberleutnant Emi-
Erinnerung: »Beim Luftkampf mit den Die Besatzung kehrte bereits am 28. Juni lio Gürtler mit ihrem C-35-Doppeldecker auf
Schweizer Messerschmitt bekamen wir ein 1940 wieder in ihre Heimat zurück. Der 8. Staf- einem Grenzüberwachungsflug im Raum
paar Treffer in den Motor. Dies zwang uns, fel des Zerstörergeschwaders 76 (8./ZG 76) zu- Pruntrut. Zwei Bf-110-Zerstörer griffen die mit
das Triebwerk abzustellen, den Luftkampf ab- geteilt, holten britische Jäger Manfred Dähne dem Kennzeichen C-125 versehene C-35 von
zubrechen und in Richtung Freiburg im Breis- am 25. August 1940 in seiner Bf 110 C-4 (Werk- hinten aus erhöhter Lage an. Gegen das Trom-
gau zu fliegen.« Daraus wurde nichts, wie nummer 3532) während der »Luftschlacht um melfeuer der Zerstörer hatten die beiden Eid-

22
Bf 110 C-1, 2N+GN, am
8. Juni 1940. Die Besat-
zung musste in hügeligem
Gelände notlanden. Der
Heckgefechtsstand ist
geöffnet, das Seiten-
leitwerk durchschossen
Fotos (3) Sammlung Karl Hänggi

Die abgedeckte Bugpar-


tie der Bf 110 C-1 (W.Nr.
2831) 2N+GN zeigt, wie
die Bewaffnung der an
der Strafaktion gegen
die Schweiz beteiligten
Messerschmitt-Zerstörer
angeordnet war

Gruppenbild mit Offizieren der Ortswehr von Nunningen: Flugzeugführer Feldwebel Manfred Dähne
(ganz links), daneben sein verletzter Funker Unteroffizier Herbert Klinke

genossen nicht den Hauch einer Chance. Der


Überraschungsangriff ließ den zwei Offizieren
der Fliegerkompanie 10 nicht einmal Zeit, ihre
Waffen zu entsichern. »Sie waren auf der Stelle
tot«, wie Autor Peter Brotschi in seinem Buch
Gebrochene Flügel festhält. Die C-35 stürzte ein-
einhalb Kilometer von Pruntrut entfernt auf
den Loretto-Hügel.
Die Bordwaffen der Bf 110 richteten Ober-
leutnant Rudolf Homberger schwer zu: Der
Angehörige der Fliegerkompanie 15 erlitt zwei
Lungen- sowie einen Schenkeldurchschuss.
Dem schwer verletzten, mit dem Bewusstsein
ringenden Homberger gelang eine Notlan-
dung in Biel-Bözingen, wo die Warte über
30 Treffer in Rumpf und Tragflächen seiner
Bf 109 E-3a (Werknummer 2176) J-328 zählten.
Mit der Kapitulation Frankreichs am 22. Ju- In einer solchen C-35 fanden Leutnant
ni endete der Spuk der Grenzverletzungen – Rodolfo Meuli und sein Beobachter Ober-
genauso wie Görings Strafaktionen gegen die leutnant Emilio Gürtler am 8. Juni 1940
Eidgenossen. Damit fand die bis dato turbu- den Tod, nachdem zwei Bf 110 sie atta-
lenteste Phase in der Geschichte der Schweizer ckiert hatten Foto Bundesarchiv Bern
Luftwaffe ihr Ende. ■

FLUGZEUG CLASSIC 9/2020 23


TECHNIK Vickers Warwick

SEENOTRETTER STATT SCHWERER BOMBER

Zwangswechsel
Ihren ursprünglichen Zweck kann die Vickers Warwick nie erfüllen. Dafür hat sie genug
Potenzial zum erfolgreichen Rollentausch. Hier glänzt sie vor allem mit der Rettung ab-
geschossener Flugzeugbesatzungen auf hoher See Von Wolfgang Mühlbauer

A
uch wenn es optisch so wirkt: Die Vi- wovon ein Haufen glücklich heimgekehrter xen und letztendlich wieder aufgegebenen
ckers Warwick ist nicht die größere Besatzungen ab Herbst 1939 ihr Liedchen Rolls-Royce-Vulture-Motor. Er treibt auch den
Nachfolgerin der Wellington, sondern singen kann. ersten Prototyp an, der am 13. August 1939
vielmehr eine Parallelentwicklung, konzipiert Erstflug feiert, seines Zeichens aber nie über
als schwerer Bomber in der ersten Jahreshälf- Knackpunkt Motor den Status eines puren Entwicklungsträgers
te 1935. Was beide jedoch teilen, ist die geodä- Wie unschwer zu erkennen, entspricht die hinauskommt.
tische Bauweise – eine Fachwerkstruktur mit Warwick baulich einer größeren Wellington. Der zweite Prototyp, alternativ mit den
teils formgebenden Elementen, die einer in Die Fachwerkstruktur ihres Vorderrumpfes zukunftsträchtigeren Bristol-Centaurus-Dop-
sich steifen tragenden Schale aus Diagonalrip- hat man um zwölf, die ihrer Bugnase um fünf pelsternmotoren ausgerüstet, gelangt nicht
pen und -stringern gleicht. und die ihrer beiden Innenflügel um jeweils vor 5. April 1940 in die Luft. Obwohl er gute
Das eigenwillige Knochengerüst ist zu- sieben Frame Stations ausgedehnt. Bleibt die Leistungen verspricht, ist es zu spät, um die
gleich unverwechselbares Markenzeichen Frage, weshalb sie nie mit ähnlichem Erfolg Warwick noch ernsthaft als den einst geplan-
von Barnes Wallis, seit dem Jahr 1930 Chief wie ihre kleinere Schwester zum Zuge kom- ten schweren Bomber an den Mann zu brin-
Designer (Structures) bei der Firma Vickers. men kann. Als schwerer Bomber bleibt die gen. Die Karten sind bereits unwiederbring-
Spötter bezeichnen seine geodätisch aufge- Warwick nämlich ein Flop. Schuld daran ist lich zugunsten der neuen viermotorigen
bauten Konstruktionen gerne als »einen Hau- das Gezerre um die Triebwerkwahl; beson- »Heavies« gemischt. Trotzdem bleibt die
fen Löcher, zusammengehalten vom Stoff«. ders auf amtlicher Seite wendet man sich hier Warwick als Kampfflugzeug von Interesse.
Umso unempfindlicher sind jene Flugzeug- lange den falschen Pferden zu. In erster Linie Schließlich kann sie bei ganz ähnlicher Perfor-
muster dafür gegenüber Beschussschäden … dem flüssigkeitsgekühlten, reichlich komple- mance wie die Wellington mehr Bombenlast

24
Im Schatten ihrer kleineren Schwester: Vickers Warwick. Ursprünglich
konzipiert als schwerer Bomber, fehlt lange Zeit der passende Antrieb.
Die wichtigste Nische findet die Warwick letzten Endes als Seenot-
rettungsflugzeug. So wie diese ASR Mk.I der No 282 Squadron RAF,
stationiert 1944 in Saint Eval, Cornwall. Unter ihrem Rumpf hängt ein
Mk.IA Lifeboat Foto RAF/Sammlung WM

über eine weitere Entfernung tragen. Davon Markt« zu sein. Unabhängig davon kämpft Frontflugzeug verschenken und sie einzig in
abgesehen lässt sie sich im eingespielten Um- die große Zweimotorige mit einer zum Teil die Rolle des Transporters zwängen? Wohl
feld ihrer kleineren Schwester praktisch ne- bedenklichen Richtungsstabilität im Fluge, nicht, denn im Januar 1943 fällt die Entschei-
benher mitproduzieren. besonders mit nur einem Motor. Anfang 1941 dung, die Warwick als Seenotretter heranzu-
Entscheidender Knackpunkt: die kritische werden trotz allem 250 Serienmaschinen in ziehen. Über mehrere Zwischenstufen hinweg
Liefersituation bei den Centaurus-Motoren. Auftrag gegeben: 150 Warwick B Mk.I mit reift so die Air-Sea-Rescue-, kurz ASR-Version
Es dauert erheblich länger als gedacht, genau- Double Wasp sowie 100 B Mk.II mit Bristol- als wichtigste und meistgebaute Ausführung
er bis ins Jahr 1942 hinein, ehe Bristol mit de- Centaurus-Motoren. Letztlich aber bleibt es des verhinderten schweren Bombers heran.
Den Anfang machen 40 überzählige, eher
provisorisch umgerüstete Mk.I-Zellen, sper-
Letztlich findet sich für die Warwick keinerlei rig als Warwick Bomber/A.S.R. bezeichnet.
Platz mehr beim RAF Bomber Command. Sie können zwei sogenannte Lindholme
Gears, abwerfbare Rettungspakete, mit sich
ren Massenherstellung beginnen kann. Vi- bei ganzen 16 B Mk.I, deren erste im Frühjahr führen. Hinter Letzteren steckt maßgeblich
ckers schlägt deshalb im Juli 1940 erstmals 1942 abhebt, sowie einer einzigen B Mk.II. Group Captain E. F. Waring, der Station Com-
vor, ersatzweise die schwächeren amerikani- Zu viel Zeit ist bis dahin ins Land gezogen; mander der RAF-Bomberbasis Lindholme. Er
schen Pratt & Whitney R 2800 Double Wasp für die Warwick ist mittlerweile keinerlei Platz hat die erweiterten Rettungssätze ausgetüf-
für die Warwick ins Auge zu fassen. Sie schei- mehr beim RAF Bomber Command. Doch soll telt, die aus je fünf Containern bestehen, zu-
nen damals in ausreichender Zahl »auf dem man deshalb wirklich ihr ganzes Potenzial als sammengehalten von schwimmfähigen Lei-

FLUGZEUG CLASSIC 9/2020 25


TECHNIK Vickers Warwick

Der Blick in die Fertigung der Wellington verdeutlicht


die geodätische Bauweise Foto Vickers/Sammlung WM

nen. Im ersten und zugleich größten Behälter Mk.I Lifeboat unter dem Bombenschacht – ein Uffa Fox, bekannt unter anderem als Erfinder
– er ist nichts anderes als das Heckteil einer abwerfbares Rettungsboot, das an Fallschir- der gleitfähigen Rennjolle, springt hingegen
500-lb-Bombe (rund 227 Kilogramm) – befin- men auf die Wasseroberfläche niedergeht. Er- nach einer Unterhaltung mit Robb sofort auf
det sich ein selbst aufblasendes Schlauchboot. neut hat hier Waring die Finger mit im Spiel ge- die Idee an. Fox nimmt gleich danach den ers-
Die übrigen vier kleineren Behältnisse enthal- habt, diesmal im Zusammenwirken mit einem ten eigenen Entwurf für ein Airborne Lifeboat
ten Trinkwasser, Proviant, Schutzkleidung,
medizinische Ausstattung und andere Über-
lebensausrüstung. Die ersten 100 Lindholme
Soll man wirklich das ganze Potenzial der
Gears stellt man noch direkt auf der Basis zu- Warwick als Frontflugzeug verschenken?
sammen, danach geht der Rettungssatz in die
kommerzielle Produktion. gelernten Bootsbauer und Navy-Lieutenant in Angriff, und er sichert sich zeitnah die nötige
Zu den 40 besagten Umbauflugzeugen, von namens Robb. Beide legen schon im September Beachtung durch Lord Brabazon, damals Mi-
denen das erste Anfang Juli 1943 bei der Trup- 1941 das erste praktikable Konzept für das Air- nister für Flugzeugproduktion.
pe eintrifft, gesellen sich zehn serienmäßig ge- borne Lifeboat vor, rufen mit ihren Plänen aber Im Januar 1942 erhält Fox grünes Licht,
fertigte Warwick ASR Stage A. Sie tragen neben keine weitere Resonanz im Air Ministry hervor. muss aber bald erkennen, dass er sich von sei-
den zwei Lindholme-Paketen zusätzlich ein Der renommierte Segler und Jachtkonstrukteur nen bisherigen Konstruktionsvorlieben ver-
abschieden darf … ein Fallschirmrettungs-
boot ist definitiv kein Sportgerät. Zwar muss
es gleichermaßen leichtgewichtig sein, doch
im Gegenzug weit stabiler ausfallen. Schließ-
lich gibt es nur einen zentralen Befestigungs-
punkt, an dem es unter dem Flugzeug im
über 300 km/h schnellen Luftstrom hängt.
Das Boot im Bombenschacht unterzubringen,
hätte seine Abmessungen, und damit den
Nutzwert, zu stark eingeschränkt. Erst nach
mehreren, teils frustrierenden Anläufen hält
Fox mit dem Mk.I Lifeboat einen rundum
Kommt als schwerer Bomber zu spät: Warwick B Mk.I. Sie wird stattdessen Ausgangsbasis für praktikablen Entwurf parat, in dem sich auch
die ASR- und diverse Transportversionen Foto MAP/Sammlung WM viele der vorausgegangenen Ideen von Wa-

26
Warwick ASR Mk.I, BV411. Die
Maschine brennt am 14. September
Schutz und Rettung gewährt das 1944 nach einer Notlandung aus, die
Airborne Lifeboat Mk.IA, für dessen Insassen überleben Zeichnung Juanita Franzi
Entwurf der bekannte Segler Uffa
Fox verantwortlich zeichnet
Foto RAF/Sammlung WM men offenbar ab Anfang Juli 1943 den Trup-
pendienst auf. Im baugleichen Nachfolger
ASR Stage B lässt sich zusätzlich ein Air-to-
Surface-Vessel-Radar (ASV) einrüsten, um da-
mit Seeziele aufzuspüren. 20 solcher Flugzeu-
ge verlassen die Werkhallen, bevor mit der
ASR Stage C die endgültige Standardausfüh-
rung des Warwick-Seenotretters zur Verfü-
gung steht. Später allgemein als Warwick
ASR Mk.I bezeichnet, liefert Vickers davon
205 Stück aus. Die ersten gelangen offenbar
kurz nach der Jahreswende 1943/44 in den
aktiven Dienst.

Suchen, retten, aufklären


Bereits seit Frühjahr 1942 hat Fox das zehn
Meter lange Mk.II Lifeboat mit zwei Hilfsmo-
toren und längerer Fahrdauer in Entwick-
lung. Es bietet zehn Personen Platz, wiegt gut
1630 Kilogramm und schwebt an nur mehr
drei großen Fallschirmen aufs Wasser. Aller-
dings dauert es seine Zeit, ehe das Boot aus-
gereift genug ist. Seine Erprobung zieht sich
bis Januar 1944 hin. 150 Stück davon stellt
man speziell zur Verwendung mit der War-
wick ASR her. Mehrheitlich von Stützpunkten
entlang der englischen Ostküste aus unter-
nehmen die Flugzeuge ihre oft ausgedehnten
Such- und Rettungsmissionen – gut 3000 sol-
cher Einsätze kommen von dort aus über der
Nordsee oder der Biskaya bis Kriegsende zu-
sammen. Gleichfalls vertreten sind die War-
wick ASR auf den Azoren, im Mittelmeer-
raum sowie im Fernen Osten.
ring und Robb wiederfinden. Konzipiert, um bereit – obschon sie zu jenem Zeitpunkt be- Dagegen taucht die ASR-Mk.VI-Version,
es unter einer Lockheed Hudson mitzufüh- reits als reine Übergangslösung auf dem Weg ausgeliefert in 95 Exemplaren, angeblich so
ren, wiegt das selbstaufrichtende Boot 770 Ki- hin zur Warwick ASR gelten. Folglich werden gut wie gar nicht an der Front auf. Es heißt,
logramm und ist etwas mehr als sieben Meter nur 24 Stück des Mk.I Lifeboats in seiner ur- im Regelfall sind die Flugzeuge nur nach-
lang. Mehrere Fallschirme bremsen es beim sprünglichen Form in Auftrag gegeben. Ihnen geordneten Verbänden zugeteilt. Der einzig
Herabsinken; sobald es aufgesetzt hat, kata- folgen zum Herbst des Jahres 50 modifizierte nennenswerte Unterschied zur direkten Vor-
pultieren Feststofftreibsätze Halteleinen auf Boote des Typs Mk.IA, von Fox der Vickers läuferin sind geringfügig abgeänderte Moto-
das Wasser. Das Boot selbst bietet sieben Men- Warwick auf den Leib geschneidert. Zwi- ren. Anscheinend hält man einen Teil der Ma-
schen Platz und hat unter anderem Besege- schenzeitlich hat er ferner die Baupläne opti- schinen als Reserve zurück, sollten sich die
lung sowie einen vier PS starken Hilfsmotor. miert, sodass sich das Mk.IA Lifeboat im Ver- Briten tatsächlich noch verstärkt am End-
Die ersten ASR Hudson Mk.III stehen mit bund kleiner Betriebe herstellen lässt. Die kampf gegen Japan beteiligen müssen … was
ihren Rettungsbooten im Januar 1943 einsatz- ersten Warwick-ASR-Stage A-Maschinen neh- bekanntermaßen nie passiert.

FLUGZEUG CLASSIC 9/2020 27


TECHNIK Vickers Warwick Vorbereiten zur Paraderolle als Rettungsflug-
zeug: Bodenpersonal der No 269 Squadron
in Lagens bereitet ein Fallschirmrettungsboot
zum Unterhängen an einer der Warwick-ASR-
Mk.I-Maschinen vor Foto RAF/Sammlung WM

Als Seeaufklärer findet die Warwick beim


RAF Coastal Command ebenfalls breitere Ver-
wendung. Als 1943 endlich Centaurus-Moto-
ren in ausreichender Menge verfügbar wer-
den, will man das beachtliche militärische
Potenzial der B Mk.II ebenso wenig ungenutzt
lassen und strickt sie für die General-Recon-
naisance-Rolle (Aufklärung und U-Boot-
Bekämpfung) zur Warwick GR Mk.II um.
Jene Maschinen, insgesamt 118 an der Zahl,
lassen sich unter anderem mit Wasserbomben
oder Torpedos bestücken; frühe Produktions-
exemplare können zudem ungelenkte Rake-
ten unter den Tragflächen mitführen. Ende
1944 gibt man ferner die GR Mk.II MET als
Abwurf eines Mk.II Lifeboats aus einer Vickers Warwick Foto RAF/Sammlung WM meteorologisches Forschungsflugzeug und
Trainer für die Höhennavigation in Auftrag.
Letztlich entstehen 14 Stück davon.

Späte Abhilfe
Kurz nachdem die GR Mk.II in der Fertigung
steht, konzipiert Vickers die verbesserte
GR Mk.V. Sie fliegt erstmals im April 1944
und gelangt ab Anfang Dezember zum Ein-
satz. In insgesamt 211 Exemplaren hergestellt,
ist die GR Mk.V stärker bewaffnet sowie von
vorneherein mit Leigh-Light-Suchscheinwer-
fer ausgerüstet. Unabhängig davon krankt
die Warwick nach wie vor an ihrer unausge-
gorenen Richtungsstabilität. Erst zum Früh-
jahr 1945 gibt es akzeptable Abhilfe in Form
Diese Warwick ASR Mk.I trägt das größere, zehn Meter lange Mk.II Lifeboat unter dem einer zusätzlichen Rückenflosse, die rasch in
Bombenschacht und fungiert als Erprobungsträger Foto RAF/Sammlung WM die laufende Produktion der GR MK.V ein-

28
Macht auch als Seeaufklärer und als U-Boot-Jäger im Dienste des RAF Coastal
Command eine gute Figur: Vickers Warwick GR Mk.V Foto RAF/Sammung WM

fließt, welche noch bis Mai 1946 läuft. Bei


Technische Daten – Vickers Warwick ASR Mk.I älteren Maschinen wird die Leitwerkfinne
Länge 22,26 m oftmals nachgerüstet.
Höhe 5,66 m Zum Abschluss sei kurz auf die 114 regu-
Spannweite 29,50 m lär gelieferten und unbewaffneten Warwick-
Tragflügelfläche 93,46 m² Transportflugzeuge hingewiesen. Sie alle ent-
Antrieb 2 luftgekühlte Pratt-&-Whitney-R-2800/S1A4-G-18-Zylinder- stehen auf Basis der B Mk.I – 14 davon als
Doppelsternmotoren mit je 1850 PS Startleistung
C Mk.I für die British Overseas Airways Cor-
Max. Startmasse 20 860 kg
Höchstgeschwindigkeit 360 km/h in 1980 m poration (BOAC), der Rest als reine Militär-
Max. Reichweite 3700 km transporter C Mk.III. Während ihre aktive
Dienstgipfelhöhe 5800 m Dienstzeit im März 1946 endgültig vorbei ist,
Bewaffnung 8 x 7,7-mm-MG in 3 drehbaren Waffentürmen fliegen die letzten GR Mk.V noch bis Novem-
Besatzung 6 Mann ber 1947 bei der RAF. Danach wartet aus-
schließlich der Schrottplatz. ■

Als Transporter leistet die Warwick passable Dienste, ohne einen nen-
nenswerten Eindruck zu hinterlassen. Mit Abstand zahlreichste Vertreterin
ist die C-Mk.III-Version Foto Vickers/Sammlung WM

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TECHNIK Lockheed XF-90

INSPIRIEREND, ABER MILITÄRISCH ERFOLGLOS

Mehr Schein
Optisch vermittelt die Lockheed XF-90 seinerzeit ein Bild vom rasanten
Düsenjäger schlechthin. Doch der Schein trügt. Dem schnittigen Jet fehlt
nämlich Entscheidendes … Von Wolfgang Mühlbauer

30
als Sein
Mutet schnittig an: Lockheed XF-90. Aerodynamisch
hervorragend durchgestaltet, kann der gleichermaßen
robuste wie schwergewichtige Langstreckenbegleitjäger
seine anspruchsvollen militärischen Vorgaben nie erfüllen

FLUGZEUG CLASSIC 9/2020 31


TECHNIK Lockheed XF-90

Die Gegenüberstellung mit einer Lockheed F-80C


(links) verdeutlicht eindrucksvoll die Ausmaße und
die fortschrittliche Formgebung der XF-90

A
merikas strategischer Luftkrieg gegen Sommer 1945 aber vom Penetration Fighter sentriebwerke, in Betracht zu ziehen. Sechs
die Achsenmächte ist vor allem dank Program erwarten, grenzt an Utopie, nämlich Flugzeughersteller reichen Vorschläge ein, da-
passender Begleitjäger von umstrit- einen zweistrahligen Langstreckenjäger mit runter die Lockheed Corporation.
tenem Erfolg gekrönt. Muster wie die P-51 965 km/h Höchstgeschwindigkeit, 1450 Kilo- Dort, unter Aufsicht des Chefentwicklers
Mustang oder die P-47 Thunderbolt ersparen meter Kampfreichweite sowie einer Steigleis- Clarence »Kelly« Johnson, übernimmt ein ei-
den Bomberverbänden ab Ende 1943 zuneh- tung von 35 000 Fuß (10 670 Metern) in zehn genes Projektteam die zugehörigen Entwurfs-
mend oft unverantwortlich hohe Eigenverlus- Minuten. Anforderungen, die mit den damals arbeiten. Erste Ausgangsbasis dafür ist die
te. Selbst die deutschen Strahljäger können gleichsam schwachen wie durstigen Strahl- Lockheed P-80; zügig entsteht eine Vielzahl
daran nicht viel ändern, zeigen jedoch klar triebwerken kaum zu erreichen sind. Oben- von Entwurfskonzepten, manche davon recht
die Notwendigkeit für moderne Nachfolger. drein verlangt die Ausschreibung, für den bizarr. Am 15. Oktober 1945 präsentiert Kelly
Was sich die Projektingenieure der US Ar- Penetrator keine Paper Engines, sprich im (frü- in Wright Field Lockheeds ersten offiziellen
my Air Forces (USAAF) in Wright Field im hen) Entwicklungsstadium befindliche Dü- Vorschlag für den Penetration Fighter … und
kassiert eine Abfuhr. Entgegen den Regeln
sieht der Entwurf zwei Lockheed-L-1000-
Strahlaggregate vor. Bereits 1941 in Angriff
genommen, geht die Entwicklung des L-1000
überaus zäh vom Fleck. Mit dem ersten er-
folgreichen Testlauf ist frühestens im August
1946 zu rechnen. Ohne weiter ins Detail zu
Fotos, soweit nicht anders angegeben, Lockheed/Sammlung WM
gehen, bleibt das L-1000 faktisch ein Papierti-
ger. Immerhin darf Lockheed den Penetrator-
Entwurf auf die damals fast serienreifen Ge-
neral-Electric-J35-Triebwerke »umstricken«.

Hervorragende Aerodynamik
Die abschließende Bewertung durch die
USAAF Mitte Januar 1946 stuft das Design als
aerodynamisch hervorragend, seine Leis-
tungsfähigkeit jedoch als fragwürdig ein. Man
lehnt ab. Wohl schweren Herzens, denn keine
zwei Wochen später regt Wright Field an, den
Entwurf auf Westinghouse-24C-Triebwerke
Freiflugmodelle, die mithilfe einer P-38 Lightning zum Abwurf kommen, helfen bei der Gestaltung (militärische Bezeichnung J34) umzuarbeiten.
des Penetrators Eine politisch motivierte Entscheidung. Ver-

32
Lockheed XF-90, s/n 46-687. Mitte Mai 1950 schließt der erste Prototyp die
Herstellererprobung nach 94 Testflügen ab Zeichnung Juanita Franzi

einfacht dargestellt, scheint der Penetration


Fighter zu jener schwierigen Nachkriegszeit
die einzig längerfristige Aussicht zu bieten,
Lockheeds Know-how und Kapazität im
Jagdflugzeugbau zu erhalten. Die Kassen sind
klamm, der Kalte Krieg dämmert erst fahl am
Horizont. Ende März ist man wieder offiziell
mit im Rennen; drei Monate später steht der
Auftrag für zwei Prototypen der XP-90, wie
Lockheeds Penetrator nun amtlich heißt.

Achillesferse J34
Bis in den Herbst hinein verfolgt Lockheed
die Entwurfsreihe L-153 mit Pfeilflügeln,
daneben lässt Kelly mit dem Design L-167
parallel einen Deltaflügler untersuchen. Zwi-
schenzeitlich ändert das Militär die Vor-
gaben, will etwa 2414 Kilometer Reichweite,
um diese wenig später auf 965 Kilometer
einzudampfen. Oder träumt zeitweise von
50 000 Fuß (15 240 Meter) Steigleistung in
fünf Minuten. Während sich Lockheed zu-
nehmend auf die L-167-Reihe konzentriert,
nähren Windkanaluntersuchungen plötzlich
ernsthafte Zweifel am generellen Leistungs-
potenzial des Deltaflüglers. Als Kelly und
sein Chef Hall Hibbard Mitte Juli 1947 zer-
knirscht in Wright Field antreten, bleibt man
dort wohlwollend gelassen. Die L-167 ist da-
nach zwar gestorben, doch dafür kommt un-
eingeschränkt grünes Licht für einen konven-
tionellen Jäger mit gepfeilten Tragflächen. Burbank, Kalifornien: Am 17. Mai 1949 stellt Lockheed die XF-90 erstmals der Presse bei einem
Basierend auf einem späten Entwurf der »Media Day« vor; erste Rollversuche finden in den Tagen zuvor statt
L-153-Reihe, beginnt Lockheed mit der end-
gültigen Gestaltung des Penetrators. In der
Folge nimmt auf Reißbrettern, in Windkanälen
und anhand von Freiflugmodellen die XP-90
ihre schnittige Form an. Spitze lange Nase,
Vollsichtkanzel und seitliche Lufteinläufe
verschmelzen mit gepfeilten Flügeln und Leit-
werken zu einem Sinnbild für Fortschritt und
Tempo … zumindest visuell. Denn in Wirk-
lichkeit rauben die schwachbrüstigen Westing-
house-Triebwerke, für die noch dazu vorerst
Nachbrenner fehlen, dem Jäger viel Potenzial.
Freilich sind sie als einzige schmal genug, um
nebeneinander im schlanken Rumpf Platz zu
finden – alles andere brächte zu viel Aufwand
mit sich. So bleibt das J34 Stolperstein wie
Achillesferse, zumal das Militär die XP-90 zu-
sätzlich als Jagdbomber in Betracht gezogen
und Lockheed sie entsprechend stabil ausge- Je nach Bahnlänge braucht die XF-90 Starthilfsraketen – meist dann, wenn sie für längere
legt hat, unter anderem mithilfe einer deutlich Testflüge mehr als nur halbvoll betankt ist

FLUGZEUG CLASSIC 9/2020 33


TECHNIK Lockheed XF-90

Lockheed schafft es bei der XF-90 erstmals,


die aerodynamischen Probleme zu lösen,
die Flächenspitzentanks an einem Pfeilflügel
verursachen Foto USAF/Sammlung WM

Ganz zu schweigen von der konkurrierenden


XF-88, die allerdings die Hälfte wiegt.
Davon abgesehen läuft die Erprobung
weitgehend reibungsfrei. In erster Linie zieht
das leichte Schütteln im Leitwerkbereich eini-
ges an Feinarbeit und Messaufwand nach
sich; ferner kranken die J34 an kleinen, aber
lästigen Unzulänglichkeiten. Im September
kann Westinghouse endlich einen Satz Trieb-
werke mit Nachbrennern liefern, die umge-
hend in die 46-687 eingebaut werden. Im Ge-
gensatz zu vielen Behauptungen ändert sich
die Bezeichnung des Jägers danach nicht in
Direkte Konkurrentin: McDonnell XF-88 – sie wird später zur F-101 Voodoo weiterentwickelt XF-90A. Die besagte Nachrüstung ist von An-
Foto McDonnell/Sammlung WM fang an vorgesehen und rechtfertigt keine
Neubezeichnung.
stärkeren Aluminiumlegierung als im Normal- fen im Werk unterordnen. Das kostet zusätz- Der zweite Prototyp (s/n 46-688) hat schon
fall üblich sowie durch Verwendung schwerer lich Zeit und Aufwand. Nebenher rutschen die zu Beginn Nachbrenner; er feiert am 12. April
Schmiedeteile. All das hat seinen Preis: Die USA Anfang 1948 in eine Rezession, schmerz- 1950 Erstflug. Doch selbst mit nachgerüstetem
XP-90 krankt chronisch am unzureichenden hafte Budgetkürzungen bleiben nicht aus. Antrieb kommt Lockheeds Penetrator im
Schub-Gewichts-Verhältnis. Mit Gründung der US Air Force im Juni des Geradeausflug nicht durch die Schallmauer.
Jahres wird aus der XP-90 schließlich die XF-90. Das klappt nur beim Sturz aus großer Höhe,
Mach 1 im Sturzflug Knapp ein Jahr später, am 3. Juni 1949, kann der allem Anschein nach zum ersten Male am
Losgelöst davon hat der Jäger manch kon- erste Prototyp (s/n 46-687) endlich Erstflug 1. Mai 1950. An jenem Tag steigt LeVier mit der
struktive Besonderheit. Hingewiesen sei spe- feiern – sieben Monate später als die direkte 46-687 zunächst auf 40 000 Fuß (12 200 Meter).
ziell auf die verstellbare Seitenflosse, mit der Konkurrentin XF-88 von McDonnell. Im Cock- Dann senkt er die Nase der Maschine steil
sich neben dem eigenen Anströmwinkel zu- pit sitzt Tony LeVier, Chef-Testpilot bei Lock- nach unten. Problemlos nähert sich die XF-90
gleich der Anstellwinkel des Höhenleitwerks heed. Er zeigt sich angetan vom robust-schwer- rasch dem transsonischen Geschwindigkeits-
um bis zu acht Grad verändern lässt. Beides gewichtigen Penetrator, wenngleich dieser eine bereich, um schließlich die Schallmauer zu be-
soll helfen, die Maschine bei hohen Ge-
schwindigkeiten besser zu stabilisieren. Eine
weitere Eigenheit: Die Lockheed XF-90 nutzt
Die XF-90 inspirierte damals
als erstes Pfeilflügelflugzeug Zusatztanks an Comiczeichner wie Automobilhersteller.
den Flächenspitzen.
Für Kelly unverständlich, reift Lockheeds hohe Überzieh- und Landegeschwindigkeit zwingen, wie das Machmeter bestätigt. Bei
Penetrator im Gegensatz zur P-80 nicht im her- hat. Außerdem braucht die XF-90 beim Start 27 000 Fuß (8230 Meter) will LeVier wieder ab-
metisch abgeschlossenen Umfeld der Skunk- viel Anlauf, um vom Boden abzuheben. Wenn fangen. Er betätigt wie gewohnt den Schalter
Works (Sonderabteilung für fortgeschrittene nötig, verwendet man deshalb zusätzlich Start- der Höhenrudertrimmung, doch nichts pas-
Entwicklungsprogramme) heran. Vielmehr hilfsraketen. Die gesamte Performance der siert, der Steuerknüppel ist wie festzementiert.
müssen sich Konstruktion und Bau den allge- XF-90 bleibt enttäuschend – ohne Nachbrenner Was er nicht weiß: Mechaniker haben vor dem
meinen, eher unflexiblen Organisationsabläu- ist sie kaum leistungsfähiger als eine F-86 Sabre. Flug die Trimmwirkung des Höhenruders auf

34
Ihre insgesamt 15 Schallmauer-
durchbrüche führt die XF-90 in
sogenannter Clean Condition ohne
Zusatz- oder Außenlasten durch

ein Zehntel verringert. Den Anlass dazu hatten


seine eigenen Rückmeldungen geliefert, wo- Technische Daten – Lockheed XF-90 (2. Prototyp)
nach er die bisherige Wirkrate für übertrieben Länge 17,12 m
hielt. Folglich betätigt LeVier den Schalter viel Höhe 4,84 m
zu kurz, die XF-90 stürzt weiter ungehindert in Spannweite 12,19 m
die Tiefe. Erst als die Luftdichte hoch genug Tragflügelfläche 32,05 m²
wird, spricht sie auf die Trimmänderung an. Antrieb 2 Westinghouse-J34-WE-15-Strahltriebwerke mit jeweils 1632 kp*
Schubleistung ohne beziehungsweise 1904 kp* mit Nachbrenner
Max. Startmasse 14 088 kg
Publikumsliebling Höchstgeschwindigkeit 1075 km/h in 330 m*
Zwischenzeitlich hat die Bodenmannschaft Reichweite 1690 km*
den Blickkontakt zum Flugzeug verloren, als Dienstgipfelhöhe 11 885 m*
es in eine Dunstschicht eintaucht. Sekunden Bewaffnung 6 x 20-mm-Kanonen
später folgen zwei laute Detonationen in kür- 907 kg Bombenlast
Besatzung 1 Mann
zestem Abstand, unmittelbar danach steigt am
* Angaben je nach Quelle teilweise stark schwankend
Horizont eine braune Staubwolke auf. Die
Nervosität wächst von Augenblick zu Augen-
blick, bis LeVier zu aller Erleichterung über
Funk meldet, dass er die Maschine wohlbehal- Beide XF-90 durchlaufen von
ten abgefangen habe. Was war nun wirklich Mitte Mai bis in den Juli 1950
am Boden zu hören beziehungsweise zu se- hinein noch ein erstes Testpro-
hen gewesen? Der markante Doppelknall gramm bei der USAF, wo sie
rührte vom Schallmauerdurchbruch der XF-90 letztlich der XF-88 unterliegen
her, die Staubwolke von einem Übungsangriff
mit Bomben, den die USAF praktisch zeit-
gleich etwa zehn Kilometer vom Standort der
Bodencrew entfernt durchführte. Insgesamt
14 weitere Male durchbricht eine XF-90 da-
nach noch die Schallmauer. Die höchste Ge-
schwindigkeit, die man dabei erreicht, beträgt
Mach 1,12. Dazwischen, am 10. Mai 1950,
muss LeVier die 46-688 auf dem Bauch lan-
den, als deren Bugfahrwerk nicht ausfährt. Es
bleibt der einzige ernsthafte Zwischenfall im
ganzen XF-90-Erprobungsprogramm.
Zu dieser Zeit ist das Schicksal des Pe-
netrators indessen besiegelt. Nachdem die
UdSSR im Vorjahr die erste Atombombe ge-
zündet und mit der Tupolew Tu-4 das passen- Die Öffentlichkeit schließt die XF-90 dafür zeuge. Der genaue Verbleib der 46-687 ist un-
de Trägerflugzeug hat, setzt ein massives Um- umso mehr ins Herz. Mit ihren futuristischen gewiss, wahrscheinlich wurde sie zerstört.
denken bei der Air Force ein. Mit einem Mal Linien sieht sie in vielen Augen exakt so aus, Kaum minder destruktiv wird mit der 46-688
genießen Allwetterabfangjäger höchste Prio- wie ein rasantes Düsenflugzeug damals eben umgegangen: Sie dient 1952 als Bodenziel bei
rität. Abschließend tritt die XF-90 vom 29. Ju- aussehen muss. Sie ziert oft genug Titel von Atomwaffentests in Nevada, die sie arg in
ni bis 7. Juli 1950 zum Vergleichsfliegen mit Zeitschriften und Illustrierten; Form und Mitleidenschaft ziehen. Erst 1990 erkennt je-
der Konkurrenz an. Wie erwartet, erreicht kei- Erscheinung inspirieren Comiczeichner wie mand den historischen Wert des verstrahlten
ner der Bewerber die vorgeschriebenen Ziele, Automobilhersteller – was wenig hilft. Am Wracks. 2002 wird es dekontaminiert und
wobei die XF-88 noch am besten davon- 6. September 1950 ist das XF-90-Programm danach ins USAF Museum nach Dayton ver-
kommt. Trotzdem kommt die Produktion beendet, weder Lockheed noch USAF haben bracht. Dort wartet es seitdem auf die Wieder-
auch dieses Flugzeugs nie infrage. danach ernsthaft Verwendung für die Flug- herstellung als Exponat. ■

FLUGZEUG CLASSIC 9/2020 35


TECHNIK Typengeschichte

JUNKERS J 8 UND J 10

Auf dem
richtigen Weg
Schon im Laufe des Ersten Weltkriegs stach Hugo Junkers mit seinen Ganzmetall-
konstruktionen im Flugapparatebau hervor. Mit dem Schlachtflugzeug CL.I schuf er
1918 das wohl modernste derartige Einsatzgerät seiner Zeit Von Herbert Ringlstetter

B
ereits im Jahr 1913 und damit sehr früh blech gefertigten, freitragenden Eindecker J 1, baute Typ nicht gegen die Konkurrenz durch-
in der internationalen Entwicklung des das erste Ganzmetallflugzeug der Welt. setzen. Zwar mit bis zu 200 km/h sehr
Motorflugs unternahm man bei der Ap- In der Folge entwickelte die Jco-Mann- schnell, machte dem J 2 besonders sein Ge-
paratefabrik Junkers & Co. (Jco) erste prakti- schaft unter der Leitung von Junkers-Chefin- wicht von 920 Kilogramm zu schaffen.
sche Versuche im Metallflugzeugbau. Wert- genieur Otto Mader im Auftrag der Inspekti- Daraufhin wechselte Junkers beim J 3 auf
volle theoretische Arbeiten hatte hierfür im on der Fliegertruppen (Idflieg) den ebenfalls die später typische, sehr stabile Gerüstbauwei-
Vorfeld die Junkers Forschungsanstalt geleis- aus Eisenblech gefertigten Eindecker J 2 mit se unter Verwendung von Duralumin (auch
tet. Als Ergebnis dieser immensen Bemühun- Mercedes-D.III-Motor. Doch konnte sich der Dural), das 1914 bei Zeppelin beim Luftschiff-
gen präsentierte Junkers 1916 den aus Stahl- in sechs Exemplaren zu Frontversuchen ge- bau zum Einsatz kam. In der Junkers-Lehrschau

36
von 1939 heißt es zum Wechsel von Eisenblech
auf Leichtmetall und der damit verbundenen,
teils neuen Konstruktionsweise: »Das beim Ei-
senbau verfolgte Prinzip, die Außenhaut als
selbsttragende Schale auszubilden, fand aber
auch hier Anwendung, nur mit dem Unter-
schied, daß man eine gewellte Haut auflegte;
an die Stelle der Schweißung traten Nietung
und Verschraubung. Als Bauform wählte man
endgültig den freitragenden Tiefdecker. Bei
Durchbildung der Konstruktion suchte man
eine weitgehende Austauschbarkeit aller Bau-
elemente zu erreichen. Auf diese Weise erziel-
te man gleichzeitig den ersten Groß-Vorrich-
tungsbau in sogenannten ›Baulehren‹, der
eine Serienproduktion leicht gestattete.
Ein weiterer Vorteil dieser ›aufgelösten Erstflug im Dezember 1915: Junkers J 1, das erste flugfähige Ganzmetallflugzeug der Welt
Konstruktion‹ war, daß im Falle von Beschä-
digungen und Schußverletzungen Reparatu- als tragende Außenhaut, während die Innen- waren, sind die Charakteristika der J 3. Das
ren leicht durchgeführt werden konnten. konstruktion ein Fachwerk mit geschlossenen erste Versuchsflugzeug als freitragender Tief-
Während noch die in Auftrag gegebenen Seri- Profilen (Rohre) bildete. Daraus entwickelte decker in Leichtmetall war geboren.«
en des Eisenflugzeugs J 2 in den Fabrikations- sich die spätere Bauweise. Das auf dieser Ba-
Über den J 4 zum Ziel
Der Bedarf der Luftstreitkräfte verschaffte der Die 1916 entstandene, jedoch nie geflogene
Maschine enthielt bereits alle wesentlichen
außergewöhnlichen Idee den Durchbruch. Konstruktionselemente des folgenden Jun-
kers-Tiefdecker-Patents aus dem Jahr 1918.
stätten liefen, begann man bereits in der For- sis gebaute Versuchsgerippe ist ein freitragen- Zwar technisch und praktisch erfolgreich,
schungsanstalt mit den ersten Einzelver- der Tiefdecker mit der Typenbezeichnung J 3. finanzierte Junkers die aufwendigen Arbeiten
suchen neuer Bauelemente aus Leichtmetall. Rohrholme, Rohr- und Z-Streben, Flügelmit- teilweise selbst. Der Bedarf der Luftstreitkräfte
Diesmal nahm man – wie bereits erwähnt – telstück und Außenflächen, die durch Kugel- an einem aufgrund seiner Metallbauweise
dünnes Blech in gewölbter Form (Wellblech) verschraubungen miteinander verbunden weitestgehend beschusssicheren zweisitzigen

Junkers J 10 während der Erprobungsphase im Frühjahr 1918. Das


überwiegend aus Leichtmetall gefertigte Mehrzweckflugzeug über-
zeugte die Vertreter der Idflieg, sodass der Typ rasch in Serie ging

FLUGZEUG CLASSIC 9/2020 37


TECHNIK Typengeschichte

Der J 2 entstand noch aus herkömmlichem schwerem


Eisenblech mit glatter tragender Außenhaut

Infanterieflugzeug in Form der J 4 verschaffte


Jco bald darauf auch den wirtschaftlichen
Durchbruch mit seiner außergewöhnlichen
Metallflugzeugidee.
Den militärisch als J.I beziehungsweise I.I
(damals J.I geschrieben) bezeichneten Metall-
flugapparat musste Junkers jedoch auf
Wunsch der Militärvertreter als Anderthalb-
decker auslegen, was natürlich ganz und gar
nicht den Vorstellungen von Hugo Junkers
entsprach, der nach wie vor im verstrebungs-
losen Eindecker die optimale Auslegung sah.
Die Ansichtssache renkte sich jedoch im De-
zember 1916 wieder ein, als die Idflieg den
Entwicklungsauftrag für drei experimentelle
Ganzmetalleindecker erteilte. Die Arbeiten
führten über den lediglich projektierten Tief-
decker J 5 und den nahezu fertiggestellten
Hochdecker J 6 zum daraus resultierenden J 7,
Das Infanterieflugzeug J 4/J.I, bekannt geworden als »Fliegender Panzerwagen«. einem wiederum als Tiefdecker ausgelegten
Beim J 4 ließ Junkers notgedrungen vom Eindeckerkonzept ab Kampfeinsitzer (Jäger), der im Frühjahr bis
Sommer 1917 entstand.

Geteilte Meinungen
Konstruktiv hielt sich Otto Mader beim J 7 an
die inzwischen bewährte Leichtmetallbau-
weise: Das Flügelmittelstück bildete das zen-
trale Bauelement, an das sich der ohne Längs-
gurte ausgelegte Rumpf, der Motorträger
sowie die Außentragflächen anschlossen. Ein
Gerüst aus Duralrohr in Verbindung mit Du-
ralwellblech als Außenhaut verlieh der Kon-
struktion ein sehr hohes Maß an Torsions-
und Biegefestigkeit. Ebenfalls am Mittelgerüst
angeschlossen war das gedämpfte Fahrwerk,
das auch harte Landungen gut wegsteckte.
Dank ausgiebiger Windkanalversuche
Fotos Sammlung Herbert Ringlstetter

brillierte der freitragende Eindecker zwar


in aerodynamischer Hinsicht, zog jedoch
gleichzeitig viele kritische Blicke von Zweif-
lern auf sich. Während sich Hugo Junkers
von seiner Tiefdeckeranordnung überzeugt
zeigte und sie sich patentrechtlich schützen
Parallel zum J 8/J 10 entwickelt, wirkt der Kampfeinsitzer J 9/D.I wie ließ, taten sich zahlreiche andere Fachleute
der kleine Bruder des Schlachtflugzeugs schwer mit dem Metalltiefdecker, den man

38
Junkers CL.I

Junkers CL.I
1806/18

Farbgebung spekulativ,
es existieren unter-
schiedliche Farbangaben

© Herbert Ringlstetter/Aviaticus

FLUGZEUG CLASSIC 9/2020 39


TECHNIK Typengeschichte

als D.I bezeichnet. Angetrieben von einem


Mercedes-Daimler D.IIIa, flog der Tiefdecker
erstmals am 12. Mai 1918.

Zweisitzer J 8
Was als Einsitzer funktionierte, sollte auch als
Zweisitzer machbar sein. Die überaus positi-
ven praktischen Erfahrungsberichte, die von
der Front nach Einsatzflügen mit dem Infan-
terieflugzeug J.I seit August 1917 kamen, be-
stärkten Junkers auf seinem Weg. Zwar hatte
man dort die Blechkiste zunächst argwöh-
nisch betrachtet, wusste dann jedoch rasch ih-
re außergewöhnlichen Qualitäten zu schät-
zen. Die Robustheit der Junkers-Maschine,
Direkter Vorläufer der Serienausführung J 10: das Schutzflugzeug J 8 Anfang 1918. die klaglos auch länger im Freien stehen
Der aerodynamische Querruderausgleich entfiel beim J 10 konnte, galt als revolutionär. Die Metallkon-
struktion zeigte sich als erstaunlich beschuss-
unempfindlich, die stählerne Rumpfpanzer-
wanne des Junkers J.I schützte Besatzung und
Motor ausgezeichnet und vermittelte – für ein
Militärflugzeug – ein hohes Maß an Sicher-
heit. Da Professor Junkers die Doppeldecker-
Anordnung des J.I im Grunde ablehnte, lag es
nur allzu nahe, aus dem J 7/J 9 eine zweisitzi-
ge Variante abzuleiten und die Tauglichkeit
seines Tiefdeckerkonzepts auch als Infanterie-
flugzeug unter Beweis zu stellen. Dies führte
praktisch zum Schutzflugzeug J 8, einem un-
bewaffneten Versuchsmuster, das am 10. De-
zember 1917 zum Erstflug abhob. Die Maschi-
ne glich dem J 9, erhielt jedoch zur Aufnahme
eines zweiten Besatzungsmitgliedes einen
von 6,70 Meter auf 7,90 Meter verlängerten
Rumpf. Die Flügelspannweite lag bei
12,25 Metern und maß damit über drei Meter
mehr als beim J 9.
Die folgenden Erprobungs- und Ver-
gleichflüge verdeutlichten rasch die hohe
Ein fabrikneuer J 10 mit Tarnanstrich und sämtlichen Einbauten im Sommer 1918. Leistungsfähigkeit des J 8, die in der Gesamt-
Lediglich das Maschinengewehr auf dem Drehkranz ist nicht installiert betrachtung kein anderes zweisitziges
Kampfflugzeug erreichte. Die Vertreter der
wegen der ungünstigen Schwerpunktlage weitestgehend zufriedenstellend verlief. Idflieg zögerten nicht lange und beauftragten
für instabil hielt. Nach zahlreichen Änderungen und Erpro- noch in der Erprobungsphase des in nur vier
Am 17. September 1917 führte Werkflug- bungsflügen entstand in der Folgezeit bei der Exemplaren gefertigten J 8 den Serienbau
zeugführer Arved von Schmidt mit der Jagd- Apparatefabrik Junkers & Co. in Dessau in des Tiefdeckers, der weisungsgemäß als
maschine J 7 den Jungfernflug durch, der Eigenregie der Kampfeinsitzer J 9, militärisch Mehrzweckflugzeug auszulegen war. Dem-

Zur Abnahme bereiter J 10, militärisch Junkers CL.I mit der


Baunummer 1802/18. Die Aufnahmen verdeutlichen die schlanke,
aerodynamisch sauber gestaltete Ausführung des Tiefdeckers,
der konstruktiv und konzeptionell seiner Zeit um Jahre voraus war

40
nach musste die Wellblechmaschine vorran-
gig als Schlacht- und Beobachtungsflugzeug
einsetzbar sein.

Der CL.I geht in Serie


Unter der Bezeichnung J 10 erarbeitete die
Junkers-Mannschaft die Mustermaschine für
die Serienfertigung des militärisch als Junkers
CL.I bezeichneten Typs.
Die beim J 8 über das Flügelende hinaus-
ragende Querruderausgleichsfläche entfiel
beim J 10, der damit auf 12,02 Meter Spann-
weite kam. Außerdem veränderte man die
Fahrwerkverstrebung.
Direkt vor dem Flugzeugführer verfügte
der J 10 rechts oberhalb des Motors über ein Serienbau des J 10/CL.I bei der Junkers-Fokker Werke AG.
LMG 08/15, Kaliber 7,92 Millimeter, mit Rechts im Hintergrund ist ein J 4/J.I zu sehen
500 Schuss Munition. Der hinter dem Piloten
in einer extra Kanzel sitzende Beobachter und
Bordschütze bediente ein LMG 14/17 dessel- Technische Daten – Junkers J 8 und J 10/CL.I
ben Kalibers mit ebenfalls 500 Schuss. Instal- Junkers J8 CL.I CL.I
liert auf einer Drehringlafette, tat sich dank der Bauzeit 1917/18 1918/19 1918/19
Tiefdeckerbauweise ein enorm großes Schuss- Einsatzzweck 2-sitziges Mehrzweckflugzeug
feld auf. Zudem ließen sich Abwurflasten in Antrieb Mercedes D.IIIaü Mercedes D.IIIaü BMW D.IIIa
Form von verschiedenen Sprengkörpern für flüssigkeitsgekühlter stehender 6-Zylinder-Reihenmotor
Startleistung 185 PS 185 PS 225 PS
den Erdkampf mitführen. Der zwischen den
Dauerleistung 160 PS 160 PS 185 PS
beiden Kanzeln aufragende Bügel sollte bei ei- Spannweite 12,25 m 12,15 m 12,02 m
nem Überschlag die Besatzung schützen. Länge 7,90 m 7,90 m 7,90 m
Als Antrieb dienten die Aggregate Mer- Höhe 3,10 m 3,10 m 3,10 m
cedes D.IIIaü oder BMW IIIa, beides Sechszy- Flügelfläche 23,40 m² 23,70 m² 23,00 m²
linder-Reihenmotoren. Die spürbar bessere Leergewicht 708 kg 735 kg 735 kg
Zuladung 342 kg 420 kg 400 kg
Höhenleistung des BMW IIIa mit einer Dienst-
Abfluggewicht 1050 kg 1155 kg 1135 kg
gipfelhöhe von bis zu 6500 Metern spielte im Höchstgeschwindigkeit in Meereshöhe 180 km/h 190 km/h 190 km/h
J 10 kaum eine Rolle, da einsatzspezifisch vor- Marschgeschwindigkeit in Meereshöhe 160 km/h 175 km/h 175 km/h
rangig die Leistungen in geringen Flughöhen Landegeschwindigkeit 80 km/h 80 km/h 85 km/h
gefragt waren. Steigleistung ca. 4,5 m/s 4,3 m/s 4,5 m/s
Am 4. Mai 1918 und damit bereits knapp Reichweite ca. 500 km 525 km 525 km
zwei Wochen vor dem Kampfeinsitzer J 9 hob Flugzeit max. 3h 3h 3h
Dienstgipfelhöhe ca. 5000 m 5200 m 6500 m
der erste J 10, beschleunigt von einem bis zu MG-Bewaffnung keine 1 x LMG 08/15 – 7,92 mm
200 PS leistenden, überkomprimierten Merce- 1 x LMG 14/17 – 7,92 mm auf Lafette
des D.IIIaü, zum Jungfernflug ab. Nach weite- Abwurflast keine 50 kg 50 kg
ren Verbesserungen erteilte die Idflieg im Juni
1918 den ersten Bauauftrag über zehn CL.I.

Zweckgemeinschaft
Nachdem die Idflieg kurzzeitig die Serienfer-
tigung bei der Firma Linke-Hoffmann erwo-
gen hatte, die jedoch keine Erfahrung im Me-
tallflugzeugbau aufwies, sollte die Junkers-
Fokker Werke AG (Jfa) die CL.I-Fertigung
übernehmen. Bei der am 20. Oktober 1917 ge-
gründeten Jfa handelte es sich um eine
Zweckgemeinschaft zur Fertigung des J.I, da
sich Junkers außerstande gezeigt hatte, diesen
in angemessener Zeit zu produzieren. Also
brachte die Idflieg Anthony Fokker ins Spiel,
der über hinreichende Erfahrung im Flug-
zeugserienbau verfügte – zum Leidwesen
von Hugo Junkers, der dem Firmenverbund
notgedrungen zustimmen musste. Einer der ersten Serien-CL.I, die im Sommer bei Jfa entstanden. Gleich motorisiert, ermöglichte
Lesen Sie in der nächsten Ausgabe mehr die freitragende Tiefdeckerbauweise im Vergleich zur herkömmlichen Doppeldeckerausführung
über die J 10, ihren zivilen Einsatz sowie die eine höhere Geschwindigkeit. Weitere Vorteile der Metallbauweise lagen in der Unempfindlichkeit
Wasserflugzeugversion J 11. ■ gegen Beschuss und Witterungseinflüsse

FLUGZEUG CLASSIC 9/2020 41


TECHNIK Cockpit

Historische Farbaufnahme eines


frühen Harlan-Eindeckers. Obwohl
der Flugapparat noch kein echtes
Cockpit besaß, gehörte er zu den
erfolgreichsten deutschen Mustern
vor dem Ersten Weltkrieg

HARLAN EINDECKER

Überflieger
Wolfgang Harlans frühe Eindecker waren noch echte Pionierflugzeuge mit unbespann-
tem Rumpf und minimaler Ausrüstung. Ihre hohe Zuladung ermöglichte entsprechende
Rekorde und hochdotierte Fernflüge. Bereits im Balkankrieg von 1913 standen Harlan-
Eindecker und deutsche Piloten im harten Einsatz Von Peter W. Cohausz

E
xperimentierfreude, Optimismus, Mut – zahlte er das Geld an Schüler nur mit der Auf- ter Flug mit diesem Muster war zuvor jedoch
diese Eigenschaften sind oft der Schlüs- lage aus, dass ihm bei einer nicht terminge- »wider Willen« zustande gekommen.
Fotos, soweit nicht anders angegeben, Sammlung Peter W. Cohausz
sel zum Erfolg. Carl Wolfgang Harlan rechten Rückzahlung des Betrags das gebaute
(1882–1951) vereinte sie alle drei. 1906 baute Flugzeug überlassen werden müsse. Dazu Unfreiwilliger Flug
er in Berlin eines der ersten Autodroschken- kam es dann auch, und Harlan ließ das Flug- Grulich wollte eigentlich nur einen Rollver-
Unternehmen auf. Bald fand er auch Interesse zeug durch seinen Konstrukteur Karl Grulich such machen und hatte sich dafür eine Gashe-
an der aufkommenden Fliegerei und gründe- verbessern und fertigstellen. belstellung überlegt. Während er noch glaub-
te 1910 die Harlan Flugzeugwerke, für die er
am aufstrebenden Flugplatz in Johannisthal
einen Schuppen mietete.
Harlans Eindecker avancierten zum Erfolg
Daneben finanzierte er den Bau eines Ein- und es wurden mehrere Versionen verkauft.
deckers in der ebenfalls in Johannisthal behei-
mateten Aeroplan-Fabrik von Max Schüler. Das Flugzeug war ein Eindecker mit ei- te, das Flugzeug gut im Griff zu haben, fand
Schüler war nach dem Bau eines fluguntaug- nem offenen, unverkleideten Rumpf, Flächen- er sich schließlich in 30 bis 40 Meter Höhe
lichen Doppeldeckers praktisch pleite gewe- verwindung und einem 50 PS starken Argus- wieder. Erschrocken stellte er den Motor ab
sen und suchte einen Geldgeber. Harlan ließ Motor. Grulich erflog damit am 29. Dezember und versuchte einen Gleitflug, um zu landen.
sich überreden, aber um sich abzusichern, 1910 seine Flugzeugführererlaubnis. Sein ers- Da er die Steuerung noch nicht vollkommen

42
beherrschte, kam es dabei zum Bruch, aber
Grulich kam mit ein paar Blutergüssen noch
glimpflich davon.
Im August 1911 transportierte Pilot Hoff-
mann mit seinem Begleiter Leutnant Steffen
ein Paket Zeitungen der Berliner Morgenpost
mit einem Harlan-Flugzeug von Johannisthal
nach Frankfurt/Main. Sie waren eine Stunde
schneller als der Zeitungstransport mit der
Bahn. Beim Besteigen des Flugzeugs zum
Rückflug holte sich Steffen eine Zerrung, und
so folgte auf den ersten Zeitungstransport der
erste Krankentransport mit dem Flugzeug!
Harlans Eindecker avancierten zum Erfolg,
und es wurden mehrere Versionen mit unter-
schiedlichen Argus-Motoren zwischen 50 und
100 PS verkauft, zum Teil mit Doppelsteuer.
Die letzten Muster hatten einen mit Sperrholz
verkleideten Rumpf. Die Benzinanlage be-
stand üblicherweise aus einem Falltank an den
Streben über dem Rumpf, von dem aus das
Benzin über ein natürliches Gefälle in den Mo-
tor floss und aus einem Tank im Rumpf oder
unter dem Rumpf zwischen dem Fahrwerk. Versuche als Militärflugzeug. Unter dem Rumpf hängt ein Bombenbehälter. Der Tank wechselte
Auch mehrere Rekorde erreichten Piloten deshalb in den Rumpf vor den Piloten. Am Steuer sitzt Oberleutnant Jahnow Foto www.BillerAntik.de
mit Harlans Flugzeugen. Am 22. Januar 1912
flog Karl Grulich mit zwei Passagieren einen
Dauerrekord von zwei Stunden und zwei Mi-
nuten und am 8. März 1912 Siegfried Hoff-
man sogar 32 Minuten mit vier Passagieren!
Im September 1913 gelang Hermann Reichelt
mit einem Harlan-Eindecker ein Etappenflug
über 1025 Kilometer von Johannisthal nach
Villacoublay.

Harlan im Militäreinsatz
Die deutschen Fliegertruppen erhielten bis
1912 mindestens neun Harlan-Eindecker. Im
Balkankrieg 1913 flogen Harlan-Eindecker
auf osmanischer Seite, für die gegnerischen
Bulgaren flogen drei Albatros-Doppeldecker.
Damit gehörten diese Typen zu den ersten
deutschen Flugzeugen im Kriegseinsatz. Be-
reits 1912 war auf der Allgemeinen Luftfahrt-
ausstellung ALA in Berlin ein früher Harlan-
Eindecker mit einem Bombenmagazin zu
sehen. Die Harlan-Militärtype war jedoch üb- Pilot Leo Roth auf einem späteren Harlan-Eindecker mit verkleidetem Rumpf
licherweise die spätere, robustere und ver-
stärkte Version mit verkleidetem Rumpf und flugfähigen Nachbau einer Harlan-Militär- Falltank und direkt hinter dem Kühler. Die
zwei Radpaaren. type. Seine Familie versucht seitdem die Re- Bedienelemente beschränkten sich auf einen
Anfang 1913 belegte die Firma noch meh- plik in die Luft zu bringen. Als Antrieb dient rastbaren Gashebel links am Rumpf, Luft-
rere Schuppen am Flugplatz Johannisthal, ein umgebauter 130-PS-Mercedes-Automotor. pumpe und Benzinhahn rechts am Rumpf so-
und auch eine Flugschule war angegliedert. wie einen Zündschalter.
Der Höhepunkt war jedoch überschritten. Die Luftiger Pilotensitz Zur Steuerung gab es die Fußhebel für das
Aufträge ließen nach und auch Fördermittel Ein echtes Cockpit war der Pilotensitz eines Seitenruder und eine Säule mit großem Steu-
blieben aus. Wolfgang Harlan war schließlich frühen Harlan-Eindeckers noch nicht. Der Pi- errad für Höhenruder und Flächenverwin-
finanziell am Ende und musste Ende 1913 lot saß zwischen den Tragflächen im offenen dung. Am Rad war auch der Hebel für die
sein Werk schließen. Rumpf zwischen Holzstreben und Spann- Zündverstellung angebracht.
Ein originales Harlan-Flugzeug ist nicht drähten. Instrumente und Ausrüstung waren Für die wenigen Instrumente gab es noch
erhalten geblieben, aber der Enthusiast Horst neben und vor ihm verteilt. Der Blick nach kein Gerätebrett. Der Morell-Drehzahlmesser
Hintzke arbeitete bis zu seinem Tod 2003 im vorne war durch Kühler und Motor beein- bis 1600 oder 2000 U/min saß rechts am
brandenburgischen Eggersdorf mit viel Mühe trächtigt. Der Beobachter oder bei Rekordver- Rumpf, und für die Benzinanlage war ein
und großem finanziellen Aufwand an einem suchen die Passagiere saßen davor unter dem Druckmesser vorhanden.

FLUGZEUG CLASSIC 9/2020 43


TECHNIK Cockpit

Motorlauf bei Hintzkes


Harlan-Nachbau
Foto Stefan Bartmann

Der Morell-Höhenmesser bis 5000 Meter Das Ledergehäuse des Höhenmessers ließ sich öffnen

Ein früher Morell-Drehzahlmesser bis Anzeige für den Phylax-Drehzahlmesser von Morell. Ein früher Benzindruckmesser von
1600 U/min Foto Oliver Jordan Die ersten Modelle zeigten noch bis 2000 U/min an I. C. Eckardt Foto Oliver Jordan

Zur Flugüberwachung zeigen die meisten es lederne Armbänder, mit denen die Flug- Neumann, Paul: Die internationalen Luft-
historischen Bilder nur einen Morell-Höhen- zeugführer die Uhr am Steuerrad befestigen schiffe und Flugdrachen. Oldenburg 1912
messer in einem Ledergehäuse, vermutlich konnten. ■ Kroschel, Günter/Stützer, Helmut: Die
bis 5000 Meter, der an Gummischnüren oder deutschen Militärflugzeuge 1910–1918.
Drähten am Spannturm über dem Rumpf Quellen (Auswahl): Wilhelmshaven 1977
aufgehängt war. Manche Piloten nahmen au- Lange, Bruno: Das Buch der deutschen Schmitt, Günter: Als die Oldtimer flogen.
ßerdem eine Taschenuhr mit. Für diese gab Luftfahrttechnik. Main 1970 Berlin 1987

44
UNTERHALTUNG

Bilderrätsel
Hundert Jahre
Luftfahrtgeschichte –
erkennen Sie die hier
abgebildeten Typen?

Lösung:
Dornier Do 212 5
Bell P-39Q Airacobra 4
Fairey Fulmar Mk.I 3
IMAM Ro.43 2
Fairey Flycatcher 1

»
Fundstück
Als einer der ersten und in beruflicher
Hinsicht erfolgreichsten Flugpioniere
Deutschlands habe ich (…) viel zur
schnellen Entwicklung unserer Flugtechnik
und unseres Flugzeugbaues beitragen können.
So die von Bescheidenheit ungetrübte Selbsteinschätzung von Max Schüler aus
dem Jahr 1971. Der Berliner Motorflugpionier ist heute eher Historikern ein Begriff.

Rückflug
Duktus der Zeit, aus der Nähe be-
Der Aviatiker scheitert haupt- sichtigen. Schü-
Er hat seine Spuren hinterlassen in den sächlich am lers nächster
frühen Jahren des deutschen Motorflugs: Triebwerk aus Wurf, ein ultra-
der umtriebige Pionier und Rekordflieger Schülers eigener leichter Eindecker
Max Schüler (1888–1978). In Chemnitz Fertigung. So im Hans-Grade-
produziert der Berliner bereits im Frühjahr bleibt es bei Roll- Stil, fliegt tat-
1909 einigen Aviatik-Wirbel. Sein erster versuchen auf sächlich (siehe
Eigenbau prescht seiner Zeit um etliches dem Chemnitzer Seite 42). Seine
Fotos (2) Archiv Rydmann

voraus. Der wuchtige Stahlrohr-Doppelde- Exerzierplatz. Die Aeroplan-Fabrik


cker hat 14 Meter Spannweite, ist 360 Kilo mageren 20 PS in Johannisthal-
schwer und bietet eine geschlossene Kabi- sind einfach zu Adlershof, 1909
ne für den Piloten und zwei (!) Passagiere. wenig für das monströse Vehikel. Die stau- gegründet, überlebt nicht lange auf dem
Ein Stoffdach mit Troddeln sorgt für Gemüt- nenden Chemnitzer können das Frühwerk harten Markt. Max Schüler verlegt sich
lichkeit … Doch der »Drachenflieger«, im ihres Flugzeugkonstrukteurs gegen Gebühr danach auf die Existenz als Berufspilot.

FLUGZEUG CLASSIC 9/2020 45


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OLDTIMER Consolidated PBY-5

Nach fast 80 Jahren gelang es endlich,


zu einer der noch kurz vor dem Angriff
auf Pearl Harbor versenkten Catalinas zu
tauchen. Das Foto zeigt den Rumpf von
vorne mit Waffenstand

Zwischen 1936 und 1945 liefen 3727 Seeaufklärer vom Typ


Consolidated PBY Catalina vom Band. Die historische Aufnah-
me zeigt die Bu.No. 1245, aufgenommen im Dezember 1939

LANG GESUCHTES CATALINA-WRACK ENTDECKT

Beim Alarmstart
abgeschossen
Nach zwei gescheiterten Versuchen im Jahr 1994 und 2018, eine der Consolidated PBY-5 Fotos, soweit nicht anders angegeben, NOAA/University of Hawaii
Catalinas aufzuspüren, die die Japaner noch vor dem Angriff auf Pearl Harbor versenkt
hatten, gelang es jetzt, ein Wrack unter Wasser ausfindig zu machen Von Christian König

E
s ist der 7. Dezember 1941, jener reits Seeaufklärer der US Naval Air Station hätten den japanischen Flugzeugen folgen
schicksalhafte Tag, an dem die Japaner an der Ostküste der hawaiianischen Insel und die Position der Flugzeugträger aufklä-
Pearl Harbor angreifen und in den O’ahu. 27 Consolidated PBY-5 Catalinas wur- ren können. Diese Möglichkeit bestand für
Zweiten Weltkrieg eintreten sollten. Ein Er- den dabei an ihren Liegeplätzen in der die US Navy damit nicht mehr, und das Tor
eignis, das heute jeder kennt. Was jedoch we- Ka- ne’ohe Bay oder an Land zerstört, sechs nach Pearl Harbor war für die Japaner offen.
niger bekannt ist: Noch bevor die kaiserli- weitere zum Teil schwer beschädigt. Fast 80 Jahre später gelang es der amerika-
chen Flieger mit ihren Flugzeugträgern die Der Luftschlag war wohlüberlegt: Zwar nischen National Oceanic and Atmospheric
amerikanische Pazifikflotte in jenem mittler- schaffte die Catalina nur knapp 315 km/h, Administration (abgekürzt NOAA, sinnge-
weile weltberühmten Hafen überfielen, atta- dafür kam sie auf eine Reichweite von über mäß Nationale Ozean- und Atmosphärenbe-
ckierten sie am Morgen des 7. Dezember be- 4000 Kilometern. Die neunsitzigen Maschinen hörde) und der University of Hawaii nun bei

48
Die Jahrzehnte unter Backbordansicht des Rumpfs. Links
Wasser sind deutlich unten befindet sich die Ankertasche
erkennbar: Das Cockpit mit dem Anker, rechts darüber sind
ist mit allerlei Pflanzen die Frontscheiben des Cockpits
stark bewachsen
Die fehlende Beplankung der Triebwerkgon-
Blick in den Rumpf. deln deutet darauf hin, dass die Japaner die
Zu sehen ist der Platz PBY-5 beim Start in Brand geschossen haben
des Bordmechanikers

Genaue Wrackkarte der am 7. De-


zember 1941 beim Alarmstart
–ne'ohe Bay abgeschossenen PBY-5. Der
in der Ka
Rumpf liegt neben dem Tragwerk,
etwas abgesetzt befindet sich das Heck

O’ahu, das Wrack einer dieser PBY-5 ausfin- rers erneut; auch diese Expedition führte zu aber als eine startende PBY-5, die von japani-
dig zu machen und fotografisch festzuhalten. keinen Ergebnissen. schen Jagdbombern getroffen wurde. Die ne-
Eine Sensation, wenn man bedenkt, dass dies Den jüngsten Versuch starteten Studenten ben dem Wrack gefundenen .50-cal-Hülsen
trotz zweier Anläufe bisher nicht gelungen des University of Hawaii Marine Option zeigen, dass die Maschine aufmunitioniert
war! Ein Versuch der University of Hawaii, Programs mit Unterstützung durch Hans Van war. Die gesamte Besatzung ist wahrschein-
1994 in der Ka-ne’ohe Bay eine der versenkten Tilburg. Van Tilburg ist ein namhafter Unter- lich gestorben. Zu den Ergebnissen der Unter-
Consolidated PBY-5 (Model 28-5) aufzuspü- wasserarchäologe des NOAA Office of Natio- suchung gehören erstmalig eine genaue
ren und zu dokumentieren, scheiterte. 14 Jah- nal Marine Sanctuaries. Van Tilburg konnte Wrackkarte (siehe Zeichnung in der Mitte)
re später versuchte man es zusammen mit der die Identität der Maschine zwar nicht feststel- und eine fotografische Dokumentation des
Tauchergruppe Hawaii Underwater Explo- len, deutet die Fundlage in zehn Meter Tiefe gesamten Fundorts. ■

FLUGZEUG CLASSIC 9/2020 49


DER »FALL ROT« UND DIE LUFTWAFFE

Überlegen!?
Der schnelle Vorstoß der Deutschen 1940 in Frankreich war ein Schock für die Alliierten,
schließlich hatte man im Ersten Weltkrieg gänzlich andere Erfahrungen gemacht.
Welche strategische und taktische Rolle spielte dabei die Luftwaffe? Von Peter Cronauer

er Verlauf und Ausgang des »Westfeld- rung, viele taktisch-strategischen Überlegun- Seite hatte viel riskiert, doch ihr in den eige-

D zugs« überraschte viele. Auf allen Sei-


ten hatten führende Köpfe am Ersten
Weltkrieg teilgenommen, der hartnäckige
gen waren davon geprägt. Und dann das: Lu-
xemburg, Belgien, Holland und Frankreich
kapitulierten innerhalb weniger Wochen.
nen Reihen durchaus umstrittener Plan ging
auf: Zunächst stieß die deutsche Heeresgrup-
pe B in einer Neuauflage des alten Schlieffen-
Stellungskrieg mit Grabensystemen, Giftgas Vor allem Letzteres war kaum zu glauben, Plans völkerrechtswidrig, aber strategisch
und Trommelfeuer war in kollektiver Erinne- egal, aus welcher Perspektive! Die deutsche vorhersehbar, durch Belgien und die Nieder-

50
Bombenmangel: Deutsche Kampf-
flieger warfen über Frankreich,
Belgien und Holland auch in Polen
erbeutete Bomben ab. Rechts: Bei
Tiefangriffen auf deutsche Marsch-
kolonnen erlitten die französischen
Kampfflieger schwere Verluste. Hier
eine abgeschossene Breguet 693

lande hindurch nach Westen vor und band


auf diese Weise starke Kräfte der Verteidi-
ger. Der hinzukommende Sichelschnittplan
folgte jedoch einem Szenario, das vor allem
Frankreich schlicht für undurchführbar hielt.

Völlig neue Strategie


Der führende Kopf hinter der Idee war Erich
von Manstein, einer der wenigen Militärs, die
nicht in althergebrachten strategischen Kate-
KGS Kartographie und Grafik Schlaich

gorien dachten, und den man deshalb wie-


derholt vorübergehend kaltstellte. Dass sich
die Heeresgruppe A in einem bis zu 250 Kilo-
meter langen Stau durch die zerklüfteten
Ardennen schlängeln würde, die laut franzö-
sischer Doktrin »für Panzer unpassierbar«
waren, war vor allem seine Idee.
Und die Rechnung ging auf: In einer Be-
wegung, die auf einer Karte von oben be-
trachtet wie der namensgebende Sichelschnitt Nachdem die Heeresgruppe B zunächst über die Niederlande und Belgien nach Westen vordrang
aussieht, durchbrachen die deutschen Ver- (Fall »Gelb«), gelang es des Heeresgruppe A, über die Ardennen unerwartet in Frankreich einzufallen

FLUGZEUG CLASSIC 9/2020 51


Die Dewoitine D.520, das modernste
Jagdflugzeug der französischen Luftstreit-
kräfte, konnte der Bf 109 Paroli bieten.
Allerdings gab es davon viel zu wenige

und hinter den Kulissen, die Vorgeschichte


und Folgen werden bis heute erforscht und
KGS Kartographie und Grafik Schlaich

diskutiert. Welche Rolle spielten die beteilig-


ten Luftstreitkräfte?

Die Mission der Luftwaffe


Die Aufgaben, die der Luftwaffe vom Beginn
des »Westfeldzugs« an zukamen, entsprachen
im Wesentlichen denen, die sie auch schon im
Krieg gegen Polen zu erfüllen hatte. Sie sollte
das Heer bei der Umsetzung des Sichel-
schnittplans unterstützen und musste hierfür
zunächst einmal die Lufthoheit erringen.
Trotz heftigem Widerstand gelang dies von
Anfang an. Dafür gab es mehrere Gründe,
zwei waren technischer und taktischer Natur:
Einerseits war die neueste Version der Mes-
serschmitt Bf 109 den meisten alliierten Ty-
pen, die im Mai/Juni in Frankreich zum Ein-
satz kamen, deutlich überlegen. Von den
ebenbürtigen Dewoitine D.520 besaßen die
französischen Jagdgruppen viel zu wenige,
die British Expeditionary Force (BEF) in
Frankreich verfügte nicht über die neueste
Supermarine Spitfire. Darüber hinaus spielte
das Rotte-Schwarm-Prinzip, das weitaus fle-
xibler war als die gegnerischen Formationen,
eine nicht zu unterschätzende Rolle.
Daneben trugen noch weitere Faktoren
zur Dominanz bei, zum Beispiel die Tatsache,
dass zahlreiche deutsche Flieger über Polen
oder im Spanischen Bürgerkrieg praktische
Kampferfahrung gesammelt hatten, die ihnen
auch über Frankreich zugutekam. Und nicht
Die Wehrmacht erbeutete zahlreiche französische Flugzeuge, darunter auch veraltete Typen zuletzt war die dichte Kommunikations- und
wie diese Bloch MB.200. Viele dienten später deutschen Flugschulen Befehlsstruktur, mit der die Wehrmacht die
Luftwaffenverbände untereinander und ihr
bände – allen voran die Panzer – die alliierten ten die deutschen Truppen aus, besetzten Pa- Zusammenwirken mit den Bodentruppen
Verteidigungsstellungen bei Sedan und stie- ris, stießen bis zur Schweizer Grenze und der koordinierte, ein weiterer Vorteil gegenüber
ßen im Rücken der gegnerischen Hauptstreit- Atlantikküste vor. Die als »Fall Rot« bezeich- den Alliierten. Diese hatten mit oftmals un-
kräfte nach Norden bis zur Kanalküste vor. nete zweite Phase des »Westfeldzugs« endete klaren Zuständigkeiten, Kompetenzgerangel
Das Weitere ist bekannt: Die Reste der alliier- mit der Kapitulation und weiträumigen Be- und nicht zuletzt auch mit Sprachbarrieren
ten Truppen wurden bei Dünkirchen einge- setzung Frankreichs. zu kämpfen. Andererseits schöpften sie auch
schnürt, konnten aber zum größten Teil von Aus deutscher Sicht ein unwahrscheinli- nicht das ihnen zur Verfügung stehende
dort aus nach England evakuiert werden, cher Erfolg, aus alliierter Sicht eine unerwar- Potenzial zur Gänze aus: Später entdeckten
wenngleich sie ihre gesamte Ausrüstung zu- tete Katastrophe, aus französischer Sicht ein Untersuchungskommissionen in ganz Frank-
rücklassen mussten. Anschließend schwärm- Trauma. Die vielschichtigen Ereignisse vor reich zahlreiche Maschinen der französischen

52
Luftstreitkräfte, die gar nicht zum Einsatz ge-
kommen waren, weil man mit einem deutlich
längeren Kriegsverlauf gerechnet hatte.

Verlustreiche Einsätze
Ein Spaziergang war es trotzdem nicht: Allein
am 10. Mai 1940, dem ersten Tag des »West-
feldzugs«, verlor die deutsche Luftwaffe mehr
als 300 Maschinen, mehr als 50 weitere wur-
den beschädigt, das fliegende Personal be- Über Dünkirchen traf die Messerschmitt Bf 109 erstmals auf einen rundum
klagte rund 270 Gefallene. Ihren Gegnern ging ebenbürtigen Gegner, die Supermarine Spitfire. Beide Seiten erlitten hohe Verluste
es jedoch nicht besser: Innerhalb von vier Ta-
gen schaltete die Luftwaffe die Luftstreitkräfte
Hollands und Belgiens aus, und auch die RAF Der Sturzkampfbomber Junkers
verlor 206 ihrer 474 in Frankreich stationierten Ju 87 war eine effektive Spezial-
Flugzeuge. Die deutschen Flieger griffen au- waffe, um »Punktziele« wie diese
ßerdem entscheidend in die Bodenkämpfe ein, Eisenbahnbrücke zu bekämpfen
bombardierten systematisch Befehls- und
Kommandostrukturen, Flugplätze, Bahnhöfe,
Verkehrsknotenpunkte, Kreuzungen, Marsch-
kolonnen, Stellungen … Alliierte Berichte
schildern mitunter chaotische Verhältnisse,
dabei waren viele Probleme auch hier hausge-
macht: Häufig verhinderten widersprüchliche
Befehle geplante Gegenmaßnahmen.
Allerdings weist die Luftwaffe auch beim
Einsatz gegen Bodenziele Besonderheiten auf.
So bewährte sich die schon damals altmodisch
anmutende Henschel Hs 123 als Schlachtflug-
zeug im Einsatz gegen Infanteristen und
bespannte Kolonnen, und der Junkers Ju 87,
einer »Präzisionswaffe zur Punktzielbekämp-
fung«, fielen zahlreiche Brücken, Bahngleise,
Bunker, Artilleriestellungen, Fahrzeugkolon-
nen, aber auch einzelne Panzer zum Opfer.
Dies bekam unter anderem General Charles de
Gaulle zu spüren, als er mit seinen Panzern in
den Rücken des weit vorgestoßenen Panzer-
korps Generalleutnant Guderians stieß. Stukas

KGS Kartographie und Grafik Schlaich


vereitelten den Angriff, der größte Teil der
französischen Kampfwagen wurde zerstört.
Die Alliierten besaßen nichts Vergleichbares,
deren Flugzeugtypen fielen bei ähnlichen tak-
tischen Einsätzen regelmäßig deutscher Flak
und Jägern zum Opfer.

Beeindruckende Unternehmen
Einige spektakuläre Kommandounternehmen
begleiteten das allgemeine Kriegsgeschehen.
Neben der Eroberung der Festung Eben-Emael war ein außerordentlich kühnes Unterfangen: Sämtliche derartigen Unternehmungen
durch erstmals eingesetzte Luftlandeeinheiten Vom Bad Zwischenahner Meer aus flogen führten zu erbittert geführten Kämpfen, doch
sind hier auch weniger bekannte Unterneh- zwölf veraltete Doppeldecker-Wasserflugzeu- nicht immer handelte es sich auch tatsächlich
men wie »Niwi« und »Hedderich« zu nennen. ge vom Typ Heinkel He 59 D im Tiefflug ins um Angreifer: Beispielsweise veranstalteten
Dabei transportierten insgesamt knapp ein- Zentrum der Stadt und wasserten bei der Wil- 200 von Junkers Ju 52 im belgischen Hinter-
hundert Fieseler Fi 156 Storch jeweils zwei lems-Brücke. 120 Pioniere und Infanteristen land abgesetzte Fallschirmjäger nach ihrer
Soldaten ins gegnerische Hinterland, um dort gingen an Land, um die Brücken der Stadt im Landung ein Höllenspektakel. Allerdings wa-
Verwirrung zu stiften und wichtige Verbin- Handstreich zu nehmen, ihre etwaige Spren- ren es nicht Soldaten aus Fleisch und Blut,
dungsstraßen zu blockieren. Auch die Beset- gung zu verhindern und bis zum Eintreffen sondern Strohpuppen in Uniformen mit
zung der Maas-Brücken mitten in Rotterdam weiterer deutscher Truppen zu halten. selbstzündenden Sprengsätzen, deren ver-

FLUGZEUG CLASSIC 9/2020 53


meintlicher Gefechtslärm die Aufmerksam-
keit der Verteidiger auf sich zog und von den
wahren Angreifern ablenkte.

Besorgniserregende Verluste
An anderen Orten kamen jedoch auch echte
Fallschirmjäger zum Einsatz, unter anderem
auf diversen holländischen Flugplätzen und
mitunter auch in gegnerischen Uniformen. Um
Die Bloch MB-152 war der deutschen Bf 109 haushoch unterlegen: zu langsam, geringe deren Absetzen vorzubereiten, wurden die
Steigrate, wenig Reichweite, die unbeheizten Kanonen froren in großer Höhe ein … Platzeinrichtungen jeweils auf das Schwerste
bombardiert, doch aufgrund der Kriegsgesche-
hen in Dänemark und Norwegen waren die
Verteidiger gewarnt und trafen entsprechende
Vorkehrungen. Gegen den Absprung von Pa-
rachutists oder die Landung von Transportflug-
zeugen konzentrierte man Flak an den Flug-
plätzen, die Start- und Landebahnen waren
mit Fallen und Hindernissen versehen, gene-
rell wurden manche Regionen sogar gezielt ge-
Aufgrund ihrer hohen Motorleistung war die Messerschmitt Bf 110 auch über Frankreich flutet, und während der deutsche Angriff zum
schneller als die meisten gegnerischen Typen. Erst später traten ihre Schwächen zutage Beispiel auf Waalhaven bei Rotterdam am En-
de erfolgreich verlief, erlitten die Angreifer an
anderen Orten hohe Verluste und mussten sich
vorerst zurückziehen. So zum Beispiel bei den
Flugplätzen Valkenburg, Ypenburg und Ocken-
burg rings um Den Haag.
Dabei erlitten vor allem die deutschen
Transportflieger hohe Verluste. Sie fielen mas-
siver Flak- und Jagdabwehr zum Opfer, wur-
den nach der Landung in Brand geschossen
oder versanken in freiem Gelände in Sand
oder Morast. Von den allein in den Niederlan-
den eingesetzten rund 430 Junkers Ju 52 kehr-
ten zwei Drittel nicht mehr zurück, und dies
blieben nicht die einzigen Verluste während
des »Westfeldzugs«. Zählt man da noch die
ebenfalls nicht unerheblichen Transportflug-
zeugverluste in Polen und bei der Besetzung
Skandinaviens hinzu, ergab sich für die Luft-
waffe bereits in diesem Kriegsstadium ein be-
drohliches Bild: Die »Kampfgruppen zur be-
sonderen Verwendung« rekrutierte man zum
größten Teil von Flugschulen, die Flugzeuge
dienten der C-Ausbildung, die Fluglehrer
saßen auch im Kriegseinsatz am Steuer. Die
bis zum Ende des »Westfeldzugs« erlittenen
hohen Verluste der Transportflieger waren
in der Folge nicht mehr auszugleichen, mit
nachhaltigen Folgen für die deutsche Kampf-
fliegerausbildung. Darüber besorgte Mienen
gab es Mitte 1940 jedoch nur hinter den Kulis-
sen, vordergründig schürte die deutsche Pro-
paganda Siegeseuphorie.
KGS Kartographie und Grafik Schlaich

Luftkrieg gerät außer Kontrolle


Fotos Sammlung Peter Cronauer

Daneben eskalierte der Luftkrieg weiter. Da-


von, dass die vermeintliche alliierte Bombar-
dierung Freiburgs in Wahrheit ein Fehlwurf
verirrter deutscher Kampfflieger war, erfuhr
die Öffentlichkeit nichts. Man forderte Vergel-
tung. Als dann in der Nacht vom 11. auf den
12. Mai RAF-Bomber Mönchengladbach und

54
damit erstmals Ziele in
einer deutschen Stadt
angriffen, kamen vier
Menschen ums Leben, darunter eine dort le-
bende Britin. Doch nur vier Nächte später
führte das Bomberkommando der RAF bereits
den ersten strategischen Großangriff des
Zweiten Weltkriegs durch.
Insgesamt beteiligten sich mehr als 100
Bomber an Angriffen auf verschiedene Ziele in Lange Zeit operierten die deutschen Kampffliegerverbände
Belgien und im Ruhrgebiet, und obwohl die von ihren angestammten Basen in der Heimat aus. Ihre An-
Stadt Münster weder als »Primärziel« noch als und Abflugwege wurden immer länger. Hier He 111 am Himmel
»Ausweichziel« ausgewiesen war, warf man
auch dort sechs Bomben ab. Zwei Menschen
wurden verletzt, der Sachschaden war gering,
allerdings hatte das Ereignis andere unvorher-
gesehene Folgen: In den kommenden Tagen
zog der Ort Tausende Schaulustige an.

Bitterer Vorgeschmack
Am Vortag des ersten Großangriffs des RAF
Bomber Command hatte der neue britische
Premierminister, Winston Churchill, das Ver-
bot einer Bombardierung deutscher Städte
aufgehoben. Das kam jedoch auch nicht von
ungefähr. Am Nachmittag des 14. Mai hatten
deutsche Bomber die Altstadt Rotterdams in
Schutt und Asche gelegt. Dass eine tragische
Verkettung unglücklicher Umstände zur Feu-
ersbrunst führte und dass der Angriff eigent-
lich abgeblasen worden war, diese Informati-
on aber nicht mehr alle anfliegenden Bomber
erreichte, änderte nichts an dieser Tatsache.
Warschau, Freiburg, Mönchengladbach, Rot-
terdam und alsbald auch andere Städte waren
jeweils Wendungen einer sich immer schnel-
ler drehenden Eskalationsspirale.
Der »Westfeldzug« gipfelte in der Schlacht
um Dünkirchen, wohin sich die eingeschnür-
ten alliierten Truppen zurückzogen. Doch bei
dem Versuch, diese zu »zerschlagen«, stieß die
deutsche Luftwaffe an ihre Grenzen. Am Ende
gelang die Operation »Dynamo«, die Evakuie-
rung von rund 350 000 Soldaten über den Ka-
nal nach Großbritannien. Dass die Luftwaffe
dies nicht verhindern konnte, lag nicht nur an
einer tagelangen Schlechtwetterphase, an lan-
gen Anflugwegen der Bomber, die immer noch
großenteils von ihren Heimatbasen im Reich
aus operierten, oder an der massierten Flieger-
abwehr. Auch die Tatsache, dass in den Strand-
sand geworfene Bomben ihre Wirkung kaum
KGS Kartographie und Grafik Schlaich

entfalteten, konnte das Scheitern nicht erklä-


ren. Vielmehr lag Dünkirchen innerhalb der
Reichweite von in Südengland stationierten
britischen Jägern, die erstmals von ihren Hei-
matbasen aus agieren konnten; über Dünkir-
chen konnte die Luftwaffe die Luftherrschaft
nicht erringen. Stattdessen trafen die Bf 109
erstmals auf die ebenbürtigen Spitfires. Die
heftigen und für beide Seiten verlustreichen
Luftschlachten über Dünkirchen boten einen Mitte 1940 kontrollierte die Wehrmacht den Zugang zur Ostsee, besetzte die südliche Kanalküste
Vorgeschmack auf das, was später kam. ■ und hatte in Frankreichs Westen direkten Zugang zum Atlantik

FLUGZEUG CLASSIC 9/2020 55


LESERBRIEFE

Leserbriefe
Anmerkung der Redaktion Leserbriefe spiegeln nicht unbedingt die Meinung Sie wollen uns schreiben?
der Redaktion wider. Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe aus Gründen Flugzeug Classic
der Darstellung eines möglichst umfassenden Meinungsspektrums unserer GeraMond Verlag GmbH
Leser sinnwahrend zu kürzen. Infanteriestraße 11a
80797 München

Bf 110 mit dem Leben davongekommen Junkers Ju 86 Modell dieser Maschine im Maß-
»Leserbriefe« in Heft 12/2019 zu sein, hat ihn sehr beschäftigt. »Konservativ modern« stab 1:48 angefertigt.
Er erzählte, dass es hieß, es seien Reinhard Roeser, Langenhagen
in Heft 4/2020
Ich möchte gerne auf den Leser- ein Vater mit seinem Sohn in der
brief von Herrn Ingo Haarman abgestürzten Bf 110 gewesen. Das Sie schreiben gleich zweimal in
aus München reagieren, der in hielt ich lange Zeit nur für eine der Typengeschichte, der Treib- Gloster Meteor
Heft 12/2019 auf Seite 79 abge- Geschichte, die die Leute sich er- stoff des Jumo 205 sei Schweröl »Testpilot in Turbulenzen«
druckt wurde. Er beschreibt da- zählt haben. Nachdem ich aber in gewesen. Schweröl fällt in den
rin sein Erlebnis, als Fünfjähriger den Verlustlisten nachgeforscht Cracktürmen ganz unten an und
in Heft 7/2020
in dem Dorf Schmilau im südli- hatte, konnte ich die passende enthält den ganzen Dreck des Wieder einmal bringt Ihre Publi-
chen Schleswig-Holstein den Ab- Meldung für den Absturz finden. Rohöls. Dazu ist es bei 20 Grad kation einen interessanten Bei-
sturz eines deutschen Nacht- Tatsächlich haben zwei der Celsius so zähflüssig wie Teer. trag zur Jagd nach Geschwindig-
jägers, der einen Schornstein der drei in der Bf 110 abgestürzten Be- Die ölgefeuerten Dampfloko- keitsrekorden in der Zeit un-
Dorfmolkerei gerammt hatte, satzungsmitglieder den gleichen, motiven und auch die alten mittelbar nach 1945. Auf Seite 72
miterlebt zu haben. Ich habe das nicht sehr verbreiteten Nachna- Schleppdampfer hat man bei- ist zu lesen: »In der Tat war das
mit großem Interesse gelesen, da men. Ich vermute, es könnten spielsweise mit Schweröl befeu- Wetter so aussichtslos, dass Duke
ich von diesem Vorfall weiß und auch Brüder gewesen sein: ert. Dazu waren in den Tendern mit meiner Übungs-Meteor nach
es mich doch erstaunt, dass es Datum des Absturzes: Nacht beziehungsweise in den Ölbun- Prag flog, um die Maschine dort
noch andere Menschen gibt, die 11./12. November 1944, 18:45 Uhr, kern Rohrleitungen eingebaut, vorzuführen. Er nahm Prag im
nach der langen Zeit eine eigene 8./NJG 5, Schmilau südl. Ratzeburg die vom Kessel mit Dampf be- Sturm.« Als Mitautor des Buches
Beziehung zu dem Vorfall haben. Feindflug: Ja speist wurden, um das Schweröl »Fliegen, nur fliegen!« Der erste
Ich kenne diese Geschichte Bf 110 G-4 auf 60 Grad Celsius hochzuhei- Nürnberg-Fürther Flughafen auf
gut, da mein Großvater Emil Stü- Werknummer: 180349, C9+NS zen, damit es dünnflüssig und der Atzenhofer Heide. Geschichte –
ben von 1943 bis 1958 Betriebslei- Feldwebel Karl-Heinz Reschke überhaupt pumpbar war! Der Technik – Erinnerungen ist mir die-
ter der betroffenen Molkerei war gefallen Jumo 205 lief mit ganz norma- ser Sachverhalt geläufig, denn
und mit seiner Familie in der Obergefreiter Siegfried Ruffing lem Dieselöl. Neville Duke machte auf dem
Wohnung innerhalb des Gebäu- gefallen Rüdiger Heinze, Hanau Weg nach Prag mit dieser Gloster
des lebte. Er ist selbst 1964, da Gefreiter Robert Reschke gefallen
war ich gerade vier Jahre alt, ver- Ich denke, diese Details sollten Junkers Ju 287
storben, aber mein Onkel (Jahr- für den Einsender der Zuschrift »Cockpit« in Heft 4/2020
gang 1934) hatte zeitlebens (er ist und eventuell auch andere Leser
2011 ebenfalls verstorben) davon interessant sein. Ich habe Ihren Bericht über die
berichtet. Der Umstand, knapp Holger Stüben, Ratzeburg Ju 287 gelesen. Ich habe 1997 ein

Zeitgenössisches Foto der Molkerei


Schmilau. Der Schornstein,
mit dem die Maschine kollidierte, … und oben
ist hier gut zu sehen
Foto Sammlung Holger Stüben
Fotos (2) Reinhard Roeser

Dieses Modell der Ju 287


unseres Lesers Reinhard
Roeser zeigt eindrücklich die
zwei Konfigurationen des Flug-
zeugs. Mit Seitenleitwerk unten …

56
LESERBRIEFE | BÜCHER

In der lokalen Soldatenzeitung The Jet Gazette stand ein ganzer Artikel
mit Zeichnung über die Landung der Gloster Meteor auf dem Fürther
Flugplatz Atzenhof am 14. September 1946. Beachtlich: der große Zu-
satztank unter dem Rumpf Foto Sammlung Heinz-Joachim Neubauer
Wertvolle Erinne-
Meteor (Kennzeichen EE 528) am lokalen Soldatenzeitung The Jet Konrad Pingel rungsstücke für
14. September 1946 Zwischen- Gazette veröffentlicht wurde. Es »›Ich wollte unseren Leser
station auf diesem Fürther Flug- war wohl die erste Landung Flieger werden‹« Reinhard Thaler:
platz, begleitet von einem Avro- eines Strahlflugzeugs in Fürth. in Heft 7/2020 der erste italieni-
Lincoln-Bomber. (Zeitzeugen berichteten aller- sche Flugschein
Der ehemalige Verkehrsflug- dings, dass sie vor Kriegsende Ich lese Ihre Zeit- seines Vaters aus
hafen, ab 1933 nach Eröffnung auch eine oder zwei Me 262 dort schrift als das Ver- dem Jahr 1939, der
des Flughafens Nürnberg Stütz- gesehen hätten.) Bemerkenswert mächtnis meines Luftwaffenflugzeug-
punkt der Luftwaffe, wurde 1945 ist, dass die Zeichnung einen gro- Vaters, habe sie ihm führerschein und
von der USAAF besetzt und fun- ßen Bauchzusatztank unter dem immer gekauft. Im seine Flugzeugfüh-
gierte später bis zum Abzug der Rumpf zeigt, der wohl wegen letzten Heft fand rerurkunde (von
US Army 1993 aus Fürth als Pan- der geringen Reichweite damali- ich im Artikel über links nach rechts)
zerkaserne. Die Landung von ger Strahlflugzeuge nötig war. Es Konrad Pingel auf Seite 16 und
Duke mit einem Jet in Fürth rief ist anzunehmen, dass der beglei- 17 auch einen Bezug zu Bozen. 30 Jahren einen Segelflugschein,
damals bei den Amerikanern tende Bomber neben Personal Mein Vater besaß seit 1939 einen die Zulassung für Touring Mo-
großes Aufsehen hervor, sodass auch Jet-Treibstoff für die Meteor italienischen Flugschein, später torsegler und einen italienischen
ein Offizier eine Zeichnung des Mk.IV mit sich führte. war er Flugzeugführer bei der sowie deutschen UL-Schein.
Flugzeugs anfertigte, die in der Heinz-Joachim Neubauer, Fürth Luftwaffe. Ich selbst habe seit Reinhard Thaler, per E-Mail

BÜCHER
ˇI
MILAN KRAJC PETER E. DAVIES
Über England »Deuce« im Einsatz
Hier liegt nun das erste von drei Heften Als typisches Waffensystem des Kalten
der Wingleader-Photo-Archive-Reihe Krieges sollte die Convair F-102 Delta
vor, die sich den Bf-109-Einheiten in der Dagger vor allem feindliche Atombom-
»Luftschlacht um England« widmen. ber präzise mit radargesteuerten Lenk-
Highlights sind dabei die vielen, teil- waffen zur Strecke bringen. In den übli-
weise kaum bekannten Fotos sowie die chen Rahmen der Heftreihe gepackt,
39 eigens erstellten farbigen Seitenan- führt Davies durch Entwicklung sowie
sichten diverser Bf-109-E-Maschinen aus in erster Linie durch die gesamte Lauf-
Messerschmitt Bf 109 E
den Reihen von JG 2, JG 3 und JG 26. Zu bahn der »Deuce« bei den US-Streitkräf-
Units in the Battle of Britain
Part One. JG2, JG3, JG26 allen davon gibt es aussagekräftiges ten, einschließlich ihrer Rolle im Viet- F-102 Delta Dagger Units
In englischer Sprache Bildmaterial und Informationen vom namkrieg. Gleichfalls streift er den Combat Aircraft 132
80 Seiten, Softcover, 130 Fotos jeweiligen Vorbild nebst einer genauen Einsatz der F-102 über Europa und fer- In englischer Sprache
und 39 Farbprofile. Red Kite. Darstellung von dessen individuellen ner auch das komplexe Forschungspro- 96 Seiten, Softcover, 47 Fotos,
ISBN 978-1-906592-70-7. Markierungen. Nicht zuletzt jene Leser, gramm, an dem der Deltaflügler betei- 30 Farbprofile. Osprey
Preis: 26,80 € die modellbauinteressiert sind, dürften ligt war, alles ansprechend aufbereitet Publishing. ISBN 978-1-4728-
Bezugsquelle: 4067-7. Preis: 18,50 €
diesen üppigen Bildband mit seinen und mit vielen Fotos und 30 Farbprofi-
Fachbuchhandlung Schmidt. Bezugsquelle: Sound.
Tel. 089 703227. 130 zum Teil farbigen Fotos sehr zu len illustriert. Eine rundum gelungene Tel. 0177 2882968.
www.christian-schmidt.com schätzen wissen. WM Zusammenschau zum Thema. WM www.sound-bm.com

FLUGZEUG CLASSIC 9/2020 57


OLDTIMER Grumman F8F

27 Jahre musste sie am Boden


ausharren, am 8. Mai dieses
Jahres war es dann so weit:
Die Grumman G-58A, s/n 739A,
(NL3025), konnte wieder über
dem kalifornischen Chino brüllen

58
ZWEIMAL ZERSTÖRT UND WIEDERAUFGEBAUT

Bearcat is back!
Gerade einmal zwei Exemplare der F8F Bearcat baute Grumman für den zivilen Einsatz.
Ein Exemplar hat nach zwei Unfällen 1949 und 1993 in diesem Jahr endlich wieder den
Sprung in sein Element geschafft Von Frank B. Mormillo

FLUGZEUG CLASSIC 9/2020 59


OLDTIMER Grumman F8F

G-58A Gulfhawk IV, NL3025, im


Vorbeiflug über dem Chino Airport
im Juli 1992. Nur ein Jahr später kam
die restaurierte Maschine zu Schaden

A
usgelegt als Nachfolger der Grumman
F6F Hellcat, war die Konstruktion mit
der Nummer G-58 die kleinste Zelle,
die um den 2100 PS starken 18-Zylinder-
Sternmotor von Pratt & Whitney gebaut wer-
den konnte. Robust, unglaublich schnell so-
wohl im Horizontal- als auch Steigflug und
dabei äußerst wendig absolvierte der G-58-
Prototyp seinen Erstflug am 21. August 1944
mit der Werkbezeichnng XF8F-1 Bearcat. Ei-
gentlich waren die Bearcats die idealen Ab-
fangjäger gegen die japanischen Kamikaze-
Flugzeuge, die der pazifischen US-Flotte 1945
zusetzten, sie kamen jedoch nach der Kapitu-
lation der Japaner nicht mehr zum Einsatz.
Obwohl die Aufträge für Militärflugzeuge
nach Ende des Krieges drastisch zurückgin-
gen, fertigte Grumman zwischen Februar
1945 und Mai 1949 insgesamt 1266 F8F-1 und
Nach etlichen Jahren, in denen die rare G-58A zerstört am Boden verbringen musste, gaben F8F-2 an. Einige davon gingen an die franzö-
Steve Hinton und sein Team der Maschine eine neue Chance. Hier die Zelle im Februar 2016 sische Armée de l’Air und kämpften im Indo-
chinakrieg als Jagdbomber, bevor man sie der
königlich thailändischen und der südvietna-
mesischen Luftwaffe überließ.

Nach Jahrzehnten wieder flügge


Sehr ungewöhnlich war der Bau von zwei
Bearcats für den zivilen Einsatz. Die erste ent-
stand 1947 als G-58A, s/n 739A, und war für
Fotos Sammlung Frank Mormillo

die Gulf Oil Company bestimmt, wo Test-


und Rennpilot Major Alford William sie flog.
Die zivile Bezeichnung war Gulfhawk IV mit

Im Juli 2018 waren Rumpf und Motor


wieder vereint. Bis zum erneuten Erst-
flug dauerte es aber noch zwei Jahre

60
Erster Werkstattflug mit
der G-58A, NL3025

der Zulassung NX1201V. Nach einem Lande-


unfall in New Bern, North Carolina, am
18. Januar 1949 kaufte Elmer Ward die Ma-
schine samt Papieren, um sie 1992 in Chino, Pilot und Muse-
Kalifornien, mit Teilen aus verschiedenen an- umspräsident
deren Bearcats und dem neuen Kennzeichen Steve Hinton
NL3025 wieder flugfähig zu machen. Am bereitet im
1. August 1993 hatte Ward beim Start vom Cockpit von
Wittman Regional Airport in Oshkosh, Wis- G-58A, NL3025,
consin, einen Leistungsabfall, und die Gulf- den Erstflug
hawk IV kam erneut zu Bruch. des 2020 er-
Es dauerte bis zum 9. März 2005, als Steve neut restaurier-
Hinton, (Renn-)Pilot und Präsident des Pla- ten Flugzeugs
nes of Fame Air Museum, das Wrack kaufte, in Chino vor
um es bei Gelegenheit zu restaurieren. Als die
Partner des Restaurierungsprojekts, Steve
und John Hinton, John Maloney und Kevin
Eldridge, die zerstörte Flugzeugzelle beka-
men, waren die äußeren Tragflächenteile zer-
stört, der Holm im linken Flügel gebrochen, Es muss ein überwältigendes Gefühl für Hinton
das Fahrwerk beschädigt und es gab einen gewesen sein, den kräftigen Mehrfachsternmotor
Knick im Rumpf. Da Bearcat-Teile schwer zu Pratt & Whitney R-2800 der G-58A, NL3025,
beschaffen sind und die Restaurierung ein am 8. Mai 2020 warmlaufen zu lassen
Teilzeitprojekt war, dauerte es lange, bis das
Flugzeug wieder abheben konnte.
Während dieser Zeit sammelte Steve Hin-
tons Restaurierungswerkstatt Fighter Rebuil-
ders in Chino jedoch einige zusätzliche Er-
fahrungen mit der Bearcat, weil sie eine F8F
für den Unternehmer Rod Lewis restaurierte.
Zuvor hatte Fighter Rebuilders auch einige
Arbeiten an einer F8F-2 durchgeführt, die
jetzt beim Geschwader Südkalifornien der
Gedenkluftwaffe steht, sowie an der G-58B
Bearcat, die nun im Palm Springs Air Muse-
um ausgestellt ist.

FLUGZEUG CLASSIC 9/2020 61


OLDTIMER Grumman F8F

Schwestermaschine der NL 3025: die Grumman G-58B, NL700A, mit den


Standard-US-Navy-Farben und dem Namen »Bob’s Bear«. Sie befindet sich
zurzeit im Palm Springs Air Museum

Am 8. Mai 2020 waren die Arbeiten dann


abgeschlossen – Hinton saß am Knüppel, als
Das Cockpit der NL3025 zu einem erfolgreichen Werkstattflug
Grumman G-58A NL3025 vom Flugplatz in Chino abhob. Bislang wartet
die Bearcat noch auf einen Anstrich, vermut-
lich in den Farben der US Navy.

Schwestermaschine
Die andere, die sogenannte G-58B, c/n 1262,
schuf Grumman aus Ersatzteilen für den Ei-
genbedarf mit der zivilen Kennung N700A.
Sie hob am 1. Juli 1950 mit dem Vertreter der
Grumman Aircraft Corporation Roger Wolfe
Kahn erstmals ab. Die Maschine diente vor-
nehmlich als Werks-Demonstrationsflugzeug,
von 1959 bis 1966 nutzten aber auch die Cor-
nell Aeronautical Laboratories in Buffalo,
New York, die G-58 für Forschungszwecke.
Später kaufte sie der Airshow-Pilot Bill For-
nof. Die Zeit von 1981 bis 1984 verbrachte die
Bearcat im Champlin Fighter Museum in Me-
sa, Arizona, bevor Robert J. Pond sie 1986 für
sein Planes of Fame Museum in Eden Prairie,
Minnesota, erwarb. Sie erhielt neue US-Navy-
Farben mit Nose art und dem Namen »Bob’s
Bear« auf der Motorverkleidung, und steht im
Moment in der Ausstellung des Palm Springs
Air Museum in Südkalifornien. ■

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