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Es ergab sich, das wir unser Hôtel particulier in Versailles verlassen mussten.

Wi
e es der Zufall so will, wußten wir gerade von einem Haus in Haut-Buc, in Fußwegnähe z
um Lycée Franco-Allemand gelegen, bis dato bewohnt von einem Lehrer derselben, das
zu vermieten war. Über den Zustand dieses Hauses zu sprechen ist eine andere Gesc
hichte, hier soll uns nur interessieren, das es weder über Gas- noch Ölheizung verfügt
e, sondern, für jeden umweltbewußten Deutschen ein Graus, über eine Elektroheizung.
Elektroheizung. Wer kennt so etwas noch? Die Nachbarn erzählten uns Horrorgeschich
ten über Stromrechnungen, die dem Staatshaushaltes eines mittleren südamerikanischen
Landes entsprachen, oder Innentemperaturen, die uns blaugefroren und schlottern
d, Untoten gleich, nach der Wärme menschlichen Blutes suchen lassen. Es gab den fr
eundlichen Hinweis unseres Vormieters doch nachts das Haus auf Volldampf zu heiz
en, weil der Nachtstrom billiger ist, und am Tage die Heizung abzuschalten und d
arauf zu hoffen, das niemand ein Fenster offen läßt, damit die kostbare Wärme nicht ve
rloren gehe. So sahen wir unserem ersten Winter entgegen.
Billiger Nachtstrom, ein Punkt der mich hoffen ließ. Schon in unserem ersten französ
ischen Haus in Garches hatten wir diesen Stromzähler mit zwei Zählwerken, wo von22:3
0 Uhr von der EDF (dem französischen Stromversorger) bis 6:30 Uhr der Strom billig
er war. Schon dort regte ich mehrfach (ziemlich vergebens) an, die großen Stromver
braucher wie Trockner, Spül- und Waschmaschine nachts zu betreiben. Ich hatte ja V
erständnis dafür, das Sabine nicht nach halb elf noch bügeln wollte, aber das es ohne
weiteres machbar ist, die Waschmaschine dann erst einzuschalten, sich den Wecker
auf Mitternacht oder so zu stellen um dann die Wäsche von der Waschmaschine in d
en Trockner zu räumen, und wieder zu Bett zu gehen, bewies ich in manchen Ferien,
die ich alleine in dem Haus verbrachte. Aber ich konnte mich nicht durchsetzen.
Nun, mit dem Schreckensgespenst der drohenden Verarmung durch die EDF im Rücken, h
atte ich Oberwasser. Sie hielt sich wirklich daran, die Spülmaschine erst ab 22:30
Uhr einzuschalten. Zwar tat sie manchmal so, als ginge sie früher schlafen, wenn
sie nicht noch auf den Nachttarif warten müßte, aber ich halte das für unrealistisch.
Abends wurden auch die Heizungen im Hause eingeschaltet und ein großes Hinweisschi
ld "Heizung abschalten" auf dem Frühstückstisch plaziert. Der Warmwasserbereiter wur
de sowieso über einen von dem EDF-Impuls gesteuerten Schalter betrieben. Die vorha
ndene Warmwassermenge mußte also für den Tag reichen, ein Problem anscheinend besond
ers Dienstags, wenn die Putzfrau kam. Ich habe keine Ahnung, was sie machte, abe
r Dienstags abends, wenn ich den Warmwasserhahn berührte, hieß es sofort: "Ist kein
heißes Wasser mehr da, Anna war da!". Also wurde das fällige Bad auf Mitternacht ver
schoben (ein Grund mehr etwas länger am Computer zu sitzen).
Ein direkter Erfolg dieser Maßnahmen ließ sich nicht nachweisen, da keine Vergleichs
werte für den Verbrauch bekannt waren und die erste EDF-Rechnung ein Jahr nach Ein
zug kommen sollte. Der monatliche Abschlag war jedenfalls auf 350 Euro festgestz
t, 70 Euro mehr als in Versailles für ein doppelt so großes Haus mit Gasheizung und
Strom. Außer frieren (sehr effizient, was den Energieverbrauch angeht) fiel mir no
ch etwas zur Heizung ein.
Das nächtliche Aufheizen und tägliche Abschalten war bei dem kalten Winter, den wir
02/03 hatten, eher mäßig erfolgreich und angenehm. Aber das Prinzip erinnerte mich a
n etwas, wovon ich wohl mal gehört aber es nie selber gesehen hatte: die Nachtspei
cherheizung. Sie besteht aus einer großen (1. Knackpunkt) Kiste mit einer Isolieru
ng (2. Knackpunkt) und innendrin elektrische Heizelemente und ein Wärmespeicher (3
. Knackpunkt). Einer ihrer Vorteile ist, das man sie sogar geschenkt bekommt. Da
s hat mit ihrem 3. Knackpunkt zu tun und damit das man sie meistens selber abhol
en muß.
Das Problem der Speicherung von Wärme ist bis heute noch nicht zufriedenstellend g
elöst. Große Mengen heißen Wassers oder gar geschmolzene Salze werden zwar technisch a
ngewandt, sind aber nicht wirklich heimwerkerfreundlich. Worin kann man noch Wärme
speichern, möglichst viel, was hohe Temperaturen voraussetzt? In Stein.
Also besteht der größte Teil der Nachtspeicherheizung aus einer Art Schamottestein,
einzeln entnehmbar, damit die Heizung transportiert werden kann, denn diese Stei
ne sind schwer und zwar wirklich schwer. Das führt dann zu Zeitungsannoncen wie di
eser: "Nachtspeicherheizung an Selbstabholer abzugeben. E. Mustermann, Musterweg
1, 5. Etage". Da knackt dann das Rückgrat.
Der 2. Knackpunkt ist die Isolierung, dazu bestimmt, das die Wärme auch im Stein b
leibt bis man sie braucht. Sie kann bei alten Geräten Asbest enthalten und hier möch
te ich gar nicht weiterschreiben, sonst kommen noch diese Männer in den weißen Plast
ikanzügen und verkleben das ganze Haus mit Folie.
Dann ist darin noch ein wenig angewandte Elektrotechnik und einige kilowattstark
e Heizelemente.
Das ganze hat leider nicht die einrichtungsfreundlichen Maße der Elektroheizkörper,
so das sie nicht für jedes Zimmer in Frage kommen.
Nachdem ich etliche Fühler nach solchen Geräten ausgestreckt hatte, bekam ich von ei
nem Kollegen und Freund aus Münster eine Annonce übermittelt, ähnlich der obigen. Wege
n des Tüv-Terminus meines Motorrades musste ich eh mit fast leerem (mit Motorrad)
Anhänger nach Münster und meldete mich zur Abholung dieser Geräte an.
Auf dem Hof des im Umbau befindlichen Hauses hatte ich meine erste Begegnung mit
diesen Geräten. Ich wußte es nur nicht und wunderte mich bloß über diesen Stapel merkwürd
ig geformter Steine. Die dort tätigen Leute mußten nach kurzer Zeit erkannt haben, d
as eine kleine Annonce viel Schweiß ersparen kann, und baten mich in die 1. Etage.
Dort stand ich nun vor einer großen, weißen Kiste mit einem Drehknopf daran, ca. 12
0 cm breit, 60 cm hoch, 40 cm tief, an der Wand stehend. Also erst mal vorziehen
und reinschauen. Einmal gezogen und... Oh, was ist das? Möglicherweise festgeschr
aubt? Genau nachgeschaut aber nichts, also noch mal gezooogen und... sie bewegte
sich. Aber nicht viel. Also den Deckel geöffnet und siehe da, nach Abnehmen einer
Schicht Steinwolle (juck, juck) sah ich diese Steine, die schon auf dem Hof ges
tanden hatten. Die mußten raus. Beinahe Stein für Stein, mehr als zwei waren nicht z
u tragen, 18-mal die Treppe herunter und wieder hinauf. Dann konnte man die Kist
e auch bewegen, abklemmen und heruntertragen.
Damit hatte ich eigentlich genug. So teuer konnte der Strom doch gar nicht sein.
Aber andererseits war es mir zu peinlich mit fast leeren Händen wiederzukommen, s
o daß das Gerät aus der 2. Etage auch noch daran glauben mußte. Es gab noch andere, me
ine Rettung war mein Anhänger, auf dem nur diese beiden Platz fanden, weil auch no
ch das Motorrad da stehen mußte. Die anderen waren nämlich noch größer mit noch mehr Ste
inen darin und 5 kW Anschlußleistung wäre sowieso zuviel gewesen. So räumte ich die Ki
sten auf den Hänger, die Steine wieder in sie hinein (der Hänger war jetzt nämlich vol
l) und kehrte nach Frankreich zurück.
Dort standen sie erst einmal geraume Zeit. Ich wußte ja, was mir bevorstand. Irgen
dwann mußte ich es aber angehen. Steine raus, in die Garage gestapelt, und Kisten
zum Streichen.
Dort traf Sabine das erste Mal auf die Vorboten moderner Heizungstechnik. Mit ei
nem lauten Schrei tat sie ihre Freude kund:" Martiiin, bist Du jetzt völlig übergesc
hnappt? Du sammelst doch schon jeden Scheiß, aber Ziegelsteine zu sammeln, muß das s
ein?" Es gelang mir, sie zu beruhigen und ihr zu erklären, daß das alles seine Ordnu
ng habe, und das wir das bräuchten, und das jetzt auch die Jahrzehnte alten Kabelr
este ihrer Bestimmung zugeführt werden könnten und so weiter und so fort.
Die Ausmaße und das Gewicht dieser Geräte verlangen sich den zukünftigen Aufstellungso
rt sehr gut zu überlegen. Wir entschieden uns für Darios Zimmer auf der 1. Etage und
für das Wohnzimmer. Im Flur, den wir bevorzugt hätten, reichte der Platz nicht. Auf
ein Neues hieß es, Kiste tragen und mit den Steinen 18-mal die Treppe hinauf. Das
Wohnzimmer ging einfacher, da konnte man ebenerdig mit der Sackkarre hinein. En
dlich war es geschafft und es ging an den Anschluß.
Unsereins dachte, ist doch ganz einfach, Strom dran und fertig, aber ganz so ein
fach war es nicht. Da gab es eine Unmenge von Bimetallschaltern, die über Widerständ
e und Drehregler wieder andere Bimetallschalter beheizten, einen Lüfter und viel z
u viele Anschlüsse. Es hat einige Überlegung, Ausprobieren und Internetrecherche bed
urft, um dem Prinzip auf die Spur zu kommen. Es gab einmal einen Stromanschluß, 3
Phasen à 1 kW. Das konnte man auch 1-phasig betreiben. Im Original war es allerdin
gs nicht vorgesehen, das man die Heizung einschaltet, wie man will, sondern daß da
s Elektrizitätswerk die Heizung einschalten kann, wenn es Strom über hat. Zum andere
n gab es einen Steuereingang, der die Heizung abschaltete, wenn er Spannung hatt
e. Da mußte man erst mal darauf kommen. Und der Ventilator sollte über einen extra z
u beschaffenden Thermostat die Wärme herausblasen. Dieser Thermostat fehlt bis jet
zt und wird durch manuelles Ein- und Ausstecken eines Stromkabels ersetzt, während
der Steuereingang von einer Schaltuhr bedient wird. Man muß halt selber einstelle
n, in Abschätzung, wie kalt es morgen wohl werden mag, wieviele Stunden nachts auf
geheizt werden soll.
Soweit könnte es gut sein, aber nein. Nach ca. 8 Monaten in diesem Haus kam es mei
ner Frau in den Sinn, das die Kleinen unten doch besser das größere Zimmer haben könnt
en (wir hatten uns vorher dagegen entschieden, weil man durch dieses Zimmer zum
Bad kommt), sie würden nicht so leicht aufwachen, und das Schlafzimmer so groß wäre d
och Quatsch. Diesen Argumenten unterstützt durch geduldiges gutes Zureden (man könnt
e es nerven nennen, wäre man mißgünstig) konnte ich mich nicht lange verschließen, vor a
llem, da in dem jetzigen Kinderzimmer sich die Tapete ablöste. Die darunterliegend
e Schicht, deren Entfernung ich mir sparen wollte, war wohl doch aus Vinyl, aber
aus so dünnem, wie ich es nicht kannte, so das die Tapete nicht hielt. Im Tapezie
ren hatte ich ja noch Übung, lästig ist es nur, wenn gleichzeitig Möbel in den Räumen si
nd und von einem in den anderen geräumt werden müssen. Und wenn man am Abend fertig
sein muß, weil man nicht über Nacht auf beide Räume verzichten kann. Als dann noch die
neue Tapete, nachdem sie frisch auf der Wand war, eher den Eindruck von Transpa
renz statt weiß vermittelte und mich befürchten ließ, ich müsse alles noch überstreichen,
war fast wieder ein Ehekrach fällig. Doch sie konnte mich beruhigen, ich solle doc
h erst mal abwarten, bis es trocken ist. Und sie hatte Recht.
Damit hatte sie sich den Bonus verdient, den sie brauchte. Wir hatten in dem Win
ter schon bemerkt, das es unten viel kälter war als oben und diese Heizung speziel
l für Dario sowieso viel zu warm war. Er hat es lieber kühl. Und jetzt in dem größeren K
inderzimmer, da war ja auch mehr Platz. Mehr Platz für... eine Nachtspeicherheizun
g.
Deckel auf, Steine raus, 18-mal treppab, Kiste runter, Steine rein, Deckel drauf
, dieses Spiel kannte ich nun. Jetzt steht sie auf dem Veloursteppichboden, und
wenn sie da noch mal weg soll, dann hätte man ewig diese häßlichen Abdrücke, also das ge
ht nicht. Ob sie sich diesem Argument verschließen kann? Oder ob ich mal wieder ne
uen Teppichboden legen darf...
Die ganze Muehe hat sich uebrigens gelohnt. Wir erhielten nun unsere Stromrechnu
ng: 800 Euro Rueckzahlung

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