Zuberbühler
E. Haefliger
R. Menapace
Th. Neuhann
Kataraktchirurgie
B. Zuberbühler
E. Haefliger
R. Menapace
Th. Neuhann
Kataraktchirurgie
Mit 252 Abbildungen und 43 Tabellen
123
Herr Dr. med. Bruno Zuberbühler
Moorfields Eye Hospital
City Road, London, EC1V 2PD, England
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Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer
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B. Z.
VII
Vorwort
Liebe Leserin, lieber Leser, herzlich willkommen.
Sie operieren Katarakte, oder Sie befinden sich in der Ausbildung zum Kataraktchirurgen.
Sie kennen schon die Freuden und Schwierigkeiten dieses operativen Gebietes, oder Sie
stehen noch am Anfang und ahnen erst die Genugtuung einer gelungenen Operation und
die Tücken im Detail. Auf jeden Fall suchen Sie eine fundierte Quelle der Information und/
oder Inspiration.
Informationen zusammenzusuchen ist mühsam. Wir sprechen da aus eigener Erfah-
rung. Genau hierbei soll das Buch eine Hilfe sein. Daher haben wir einige nützliche
Komponenten zusammengestellt: Zum einen kompakte, praxisnahe Informationen in der
Art eines Handbuchs. Desweiteren eine Vorstellung der verschiedenen, derzeit gängigen
Alternativen für jeden Operationsschritt illustriert durch klare Schemazeichnungen. Und
schließlich eine das Buch begleitende DVD mit über 100 hochauflösenden Videos, großteils
mit Audiokommentar.
Die Kapitel folgen dem chronologischen Ablauf einer Kataraktoperation. Zur raschen
Orientierung im Buch haben wir ein Doppelseitenkonzept gewählt, mit einem kurzen und
prägnanten Text auf der linken Seite und den dazugehörigen Tabellen und Abbildungen
rechterhand. Die Tabellen beinhalten dabei Schlüsselinformationen zu wichtigen Maßnah-
men und Entscheidungen.
Ein besonderes Augenmerk haben wir auf die Auswahl der Videos gelegt. Neben den
Grundtechniken werden auch kompliziertere operative Techniken der Kataraktchirurgie
gezeigt. Diese können dem erfahrenen Kataraktchirurgen als Ideenpool dienen und zeigen
dem Anfänger, dass das Thema »Kataraktchirurgie« weit mehr ist als eine einfache Routine-
operation.
Speziell für den Operateurnachwuchs haben wir ein »Wetlab«-Kapitel geschrieben mit
einigen Übungen, die auch zu Hause durchgeführt werden können. Mit deren Hilfe kann
zum einen ein erstes realitätsnahes Gefühl für die Basistechniken entwickelt, aber auch die
Fingerfertigkeit- und koordination trainiert werden.
Wir haben in dieses Buch das aktuellste Wissen zum Thema Kataraktchirurgie integriert.
Sicherlich ein Vorteil für die Leser ist, dass darin die konzentrierte Erfahrung etablierter
Chirurgen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und England zusammengeführt werden
konnte.
Selbstverständlich sind wir dennoch jederzeit dankbar für alle Anmerkungen und Ver-
besserungsvorschläge, die uns zugeschickt werden. Gerne werden wir diese bei einer Neu-
auflage berücksichtigen.
Nun hoffen wir, dass die »Kataraktchirurgie« eine ideale Ergänzung oder Erstausstattung
zur persönlichen chirurgischen Büchersammlung sein wird und wünschen diesem Buch
und seinen Lesern gutes Gelingen und einen schönen Erfolg.
Inhaltsverzeichnis
4 Übungen im Wetlab
Videoverzeichnis kompletter
Operationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
Stichwortverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . 133
1
1 Vorbereitung
1.2 Voruntersuchung – 6
1.3 Biometrie – 10
1.7 Anästhesie – 42
1.8 Abdeckung – 48
2 Kapitel 1 · Vorbereitung
Für eine erfolgreiche Kataraktoperation sind ausgezeichnete anatomische Kenntnisse und eine gute
technische und mentale Strategie unerlässlich. Eines der ältesten anatomischen Diagramme des Auges
1 stammt aus dem 11. Jahrhundert (⊡ Abb. 1.1.1). Die Linse wurde dort im Zentrum des Auges eingezeich-
net, inkorrekterweise, weil Dissektion verboten war. Dies hatte aber auch mit der Interpretation der Linse
zu tun. Es wurde angenommen, dass die Linse das eigentliche Sehorgan darstellt, und somit die wich-
tigste Struktur im Auge ist.
Die Augenlinse ist eine transparente, bikonvexe Struktur, die durch die Zonulafasern am Ziliarkörper fi-
xiert ist. Embryologisch gesehen stammt die Linse vom Ektoderm ab. Die Formation von neuen Linsen-
fasern erfolgt zeitlebens. Die Fasern werden vom einreihigen Linsenepithel gebildet, das sich unter der
vorderen Kapsel und in der Region des Äquators der Linse befindet (transitionale Zone). Die neuen Lin-
senfasern lagern sich auf die älteren Fasern. So ergibt sich eine permanente Dickenzunahme. Während
die Linse mit 30 Jahren etwa 4 mm dick ist, kann sie mit 80 Jahren bis zu 6 mm dick sein. Im Zentrum be-
finden sich die ältesten Fasern, die primäre Linse, auch Embryonalkern genannt. Weiter außen folgen der
Fetalkern, der infantile und adulte Nukleus, der Kortex und schließlich die Linsenkapsel (⊡ Abb. 1.1.2).
Die Linsenkapsel ist am Äquator am dicksten und im Bereich des hinteren Pols am dünnsten. Bei der
Kapsulorrhexis wird die anteriore Kapsel partiell entfernt. Eine Ruptur der hinteren Kapsel ist eine ge-
fürchtete Komplikation bei der Phakoemulsifikation. Die Linse besitzt keine sensible Innervation und ist
nicht vaskularisiert.
Die Linse fokussiert zusammen mit der Hornhaut das einfallende Licht auf die Retina. Die Brechkraft
der (konvergenten) Linse variiert mit dem Alter. Bei einer erwachsenen Person beträgt die Brechkraft der
Linse etwa 20 dpt, und macht somit einen Drittel der totalen Brechkraft des Auges aus (⊡ Abb. 1.1.3). Die
willentliche Fokussierung auf verschiedene Distanzen heißt Akkommodation. Sie wird durch parasym-
pathische Fasern des N. oculomotorius (III. Hirnnerv) via Kontraktion des M. ciliaris gesteuert. Die Ak-
kommodation wird hauptsächlich durch eine Änderung des Radius der vorderen Linsenfläche erreicht.
Nach der Helmholtz-Theorie wird der Radius bei der Akkommodation kleiner. Bei der Relaxierung der
Zonulafasern wird die unter Druck stehende Linsenmasse in eine kugelige Form gedrängt, weil die Kugel
das größere Volumen pro Oberfläche ermöglicht.
Die anatomischen Verhältnisse der Vorderkammer sind für die Kataraktchirurgie sehr wichtig. Der
Raum, in dem die Operation stattfindet, wird durch die Vorderkammertiefe und die Ausdehnung
des Kapselsacks bestimmt (⊡ Abb. 1.1.4). Dieser Operationsbereich wird von 2 leicht verletzbaren
Strukturen begrenzt: anterior das korneale Endothel und posterior die hintere Linsenkapsel. Kleine
Augen (kurze Achsenlänge) sind in der Regel mit flachen Vorderkammern assoziiert. Dagegen zei-
gen myope Augen oft eine sehr tiefe Vorderkammer und einen großen Kapselsack, was dazu führen
kann, dass die Instrumente währen der Operation besonders senkrecht gehalten werden müssen.
Genaue Kenntnisse über den Kammerwinkel sind notwendig für die sichere Durchführung der
Inzisionen.
> Im Allgemeinen gilt: Je peripherer die Inzision erfolgt, desto flacher muss der Schnittkanal sein.
1.1 · Anatomie und mentale Strategie
3 1
,PSOFB
⊡ Abb. 1.1.1. Altertümliche Ansicht der Anatomie des Auges
(Hunain ibn Ishak, Kronfeld 1943)
7PSEFSLBNNFS
,BNNFSXJOLFM
ÊRVBUPSJBMFS
,FSOCPHFO -JOTF
&NCSZPOBMLFSO
'FUBMLFSO
JOGBOUJMFS/VLMFVT
USBOTJUJPOBMF BEVMUFS/VLMFVT
;POF ,PSUFY IJOUFSF,BQTFM
-JOTFOLBQTFM
⊡ Abb. 1.1.4. Anatomische Lokalisation der Linse, des Ziliar-
⊡ Abb. 1.1.2. Querschnitt durch eine Linse körpers und des Kammerwinkels
6MUSBTDIBMM"DITFOMÊOHF 6MUSBTDIBMM"DITFOMÊOHF
NN
NN
LPSOFBMFO NN
&QJUIFMT &QJUIFMT
N
N
FõFLUJWF
-JOTFOQPTJUJPO
7PSEFS 7PSEFS
NN
LBNNFS LBNNFS
UJFGF %JDLF UJFGF %JDLF
NN
EFS NN
EFS
3FUJOB 3FUJOB
N
N
EàOOF
-JOTF *OUSBPLVMBS
NN
MJOTF
,PSOFB ,PSOFB
5%
⊡ Abb. 1.1.3a,b. Vergleich des natürlichen phaken mit dem pseudophaken Auge
4 Kapitel 1 · Vorbereitung
Das Kompetenzmodell (conscious competence learning model, ⊡ Abb. 1.1.5) erklärt den Prozess und die
Stadien beim Erlernen und beim Anwenden von Wissen und Fertigkeiten, hier am Beispiel einer Opera-
1 tion. Die 4 Stadien des Kompetenzmodells können dynamisch ineinander übergehen und sind für jede
Fertigkeit unterschiedlich.
Es ist wichtig, dass der Operateur weiß, in welchem Stadium er sich bezüglich der vorgesehenen
Operation befindet. Die realistische Selbsteinschätzung des Wissens und Könnens kann verhindern, dass
Risikogrenzen überschritten werden. Dadurch kann das Operationsrisiko verringert werden.
Organisiertes Operieren
Jede Operation sollte nicht spontan, sondern geplant erfolgen. Folgende 6 Schritte (und Fragen) sind die
Grundelemente für organisiertes Operieren, und können auch als ein Zyklus verstanden werden:
1. Denken (Wann habe ich welche Operation?)
2. Planen (Welches sind die Operationsschritte? Welche Instrumente brauche ich?)
3. Vorbereiten (Wie kann ich im Wetlab die wichtigsten Schritte üben?)
4. Durchführen (Folge ich meiner Planung?)
5. Analysieren (Wo hatte ich Schwierigkeiten? Welche Schritte können optimiert werden?)
6. Optimieren (Hat sich meine Technik verbessert? Bin ich bereit für die nächste Operation?)
1.1 · Anatomie und mentale Strategie
5 1
Inkompetenz Kompetenz
(incompetence) (competence)
1.
Unbewusste Inkompetenz.
4.
Unbewusste Kompetenz.
Der Lernende weiß nicht, was Durch die Routine werden die
er nicht weiß. Er ist sich nicht chirurgischen Fähigkeiten auch
bewusst, was es an relevantem unbewusst vollständig kompe-
Wissen für die zu erlernende tent eingesetzt. Prozesse werden
Unbewusst
Fähigkeit gibt. Der Lernende hat vom Hirn automatisiert, instink-
(unconscious)
auch noch nicht die Fähigkeit, tiv ausgeführt. Viele Schritte der
das zu Erlernende kompetent Operation werden ‚automatisch‘
zu praktizieren. Der Lernende richtig durchgeführt.
kennt die Methoden und die
Risiken der Kataraktchirurgie
nicht, und hat nicht die Fähig-
keit, sie durchzuführen.
Bewusst
2.
Bewusste Inkompetenz.
3.
Bewusste Kompetenz.
(conscious) Der Lernende wird sich der Die Person hat das nötige Fach-
relevanten Methoden und des wissen bezüglich der Opera-
Fachwissens bewusst, und kennt tion erlangt. Sie ist fähig, den
auch seine Defizite. Er hat aber Eingriff vom Willen gesteuert,
nicht die Fähigkeit erlangt, die- kompetent und bewusst, und
ses Wissen auch umzusetzen. ohne Assistenz durchzuführen.
Das weiss er auch.
⊡ Abb. 1.1.5. Kompetenzmodell
6 Kapitel 1 · Vorbereitung
1.2 Voruntersuchung
Die Voruntersuchung ist oft der erste Kontakt zwischen dem Patienten und dem operierenden Arzt. Die-
ser Kontakt ist sehr wichtig. Er ermöglicht dem Patienten eine Vertrauensbasis aufzubauen, und erlaubt
1 ihm, die wichtigsten Fragen zu klären. Dem Augenarzt dient die Voruntersuchung v. a. der Evaluation
der Indikation und des Operationsrisikos. Bei der Voruntersuchung kann die wichtigste Entscheidung
der Operation, nämlich die korrekte Indikation, geklärt werden. Stimmt das Risiko-/Gewinn-Verhältnis
für einen bestimmten Patienten? Ist der Patient wirklich durch die nachlassende Sehleistung gestört? Ist
die Linsentrübung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Grund für die Störung? Diese
Fragen müssen mit dem Patienten geklärt werden. Der Entschluss zur Operation ist letztlich eine Ent-
scheidung des Patienten.
Symptome
Der wichtigste Faktor für die Entstehung einer Katarakt ist das Alter. Viele weitere Faktoren könne für
die (verfrühte) Entstehung von Linsentrübungen verantwortlich sein (⊡ Tab. 1.2.1 und ⊡ Tab. 1.2.2). Das
klassische Zeichen einer Linsentrübung ist eine Sehverschlechterung. Die Kernsklerose kann zusätzlich
zu einer Myopisierung führen, eine hintere Schalentrübung zu starken Blendungen und eine Rindentrü-
bung zu Streulicht und monokulären Doppelbildern.
Befunde
Risikofaktoren
Die Voruntersuchung hilf auch abzuklären, ob es Faktoren gibt, die eine Operation erschweren können.
Zu den systemischen Faktoren zählen v. a. die Blutverdünnung und der Bluthochdruck. Anhand der
Patienten- und Augen-bezogenen Risikofaktoren kann der Operateur die technische Schwierigkeit der
bevorstehenden Kataraktoperation einschätzen (⊡ Tab. 1.2.4).
Die Kataraktoperation wird bei erweiterter Pupille durchgeführt. Ein häufig verordnetes Schema für
die Mydriasis ist die Gabe von Cyclopentolat-1%- und Phenylephrin-2,5%-Augentropfen, jeweils 4-mal
in der letzten Stunde vor der Operation. Einige Chirurgen verwenden zusätzlich Diclofenac-1 mg/ml-
Augentropfen, um den Patientenkomfort zu verbessern. Zudem hat sich gezeigt, dass durch eine präope-
rative topische Applikation von Ofloxacin (oder Fusidinsäure) das Risiko einer mikrobiellen Kontamina-
tion der Bindehaut reduziert werden kann.
Ursache Erscheinungsform
Primär altersbedingte Katarakt
Senile Katarakt Kortikal, nukleär, subkapsulär
Systemerkrankungen
Galaktosämie Anterior und posterior subkapsulär, nukleär
Mannosidose Posteriore Speichen, »Flecken«-artig
Fabry-Syndrom »Speichen«-artig
Stickler-Syndrom Kortikal
Alport-Syndrom Kongenital, Lentikonus, Mikrospherophakie
Lowe-Syndrom Totale Trübung, wenig differenziert
Hauterkrankungen
Auf das Auge bezogene Faktoren Auf das Auge bezogene Faktoren
Auf den Patienten bezogene Faktoren Auf den Patienten bezogene Faktoren
kortikale hintere
Kernsklerose subkapsuläre
Trübung
Trübung
++
+++
e
++++
b
g
1.3 Biometrie
Videos auf DVD: Ï Biometrie mit dem IOLMaster (Zeiss), Ï Ultraschall-Biometrie (Accutome)
1
Konzept
Mit der Entfernung der Katarakt wird dem Auge ein optisches Element genommen, das das einfallende
Licht sammelt und auf die Makula fokussiert. Dieser Verlust an refraktiver Stärke kann durch die Im-
plantation einer künstlichen Linse kompensiert werden. Die Stärke der künstlichen Linse bestimmt den
refraktiven Zustand nach Kataraktoperation.
> In den meisten Fällen ist die Zielrefraktion Emmetropie für das führende, und eine leichte
Myopie (–0,25 dpt bis –0,5 dpt) für das nichtführende Auge.
Die Stärke der natürlichen Linse kann technisch nicht gemessen werden. Sie wird anhand von Ach-
senlänge und Hornhautkrümmung berechnet. Unter Biometrie versteht man in der Augenheilkunde
das Vermessen des Auges (v. a. Achsenlänge und Hornhautkrümmung) und die Berechnung der Lin-
senstärke anhand von Biometrieformeln, die zum Erreichen der gewünschten Zielrefraktion mit einer
bestimmten Linse (Linsenkonstante) führt (⊡ Abb. 1.3.1).
Achsenlänge
Die Achsenlänge kann bei klaren Medien optisch, und bei stark eingetrübten Medien mittels Ultraschall
vermessen werden. Bei der optischen Messung ist die Achsenlänge um 0,2 mm länger (⊡ Abb. 1.1.3).
Dieser Unterschied kommt dadurch zustande, dass das optische Messgerät die Länge zwischen der Rück-
fläche der Hornhaut und dem retinalen Pigmentepithel angibt, während beim Ultraschall-Verfahren die
Länge durch die Distanz von der Vorderfläche der Hornhaut zur retinalen Nervenfaserschicht berechnet
wird. Eine zusätzliche Messung der Achsenlänge mit Ultraschall empfiehlt sich auch bei stark myopen
Augen, die oft ein Staphyloma aufweisen. Eine Differenz in der Achsenlänge von 0,3 mm kann zu einer
Abweichung von 1,0 dpt führen.
Hornhautkrümmung
Die Hornhautkrümmung wird mit dem Keratometer gemessen und in Radius (mm) oder Brechungs-
stärke (dpt) angegeben.
> Um die Messungen nicht zu verfälschen, sollten Kontaktlinsenträger ihre rigide Kontaktlinsen
während mindestens 2 Wochen, und ihre weichen Kontaktlinsen während mindestens 3 Tagen
vor der Biometrie nicht tragen.
Inkorrekte keratometrische Messungen kann es auch bei Augen nach refraktiver Laserchirurgie geben.
Linsenkonstanten
%RGEBNIS DAS
FàR DIE /PERATION ,INSENSTËRKE
GENUTZT WIRD
Erste Generation
Binkhorst Empirisch – –
SRK I Empirisch – –
Zweite Generation
SRK II Empirisch – –
Dritte Generation
Vierte Generation
die Berechnung der Linsenstärken benötigt. Die Konstanten basieren auf empirischen Daten und hängen
vom Design und Material der künstlichen Intraokularlinse ab (⊡ Tab. 1.3.1 und ⊡ Tab. 1.3.2). Bei der Her-
stellung der Linse werden die Konstanten vom Hersteller angegeben. Die meisten Patienten profitieren
von einer späteren Optimierung der Linsenkonstanten.
1
Biometrieformeln
Die Details der am meisten verwendeten Biometrieformeln (SRK/T, Hoffer-Q, Haigis) wurden in oph-
thalmologischen Zeitschriften bekannt gemacht. Die Biometrieformeln basieren auf theoretischen Be-
rechnungsmodellen. Durch die Eingabe von Achsenlänge, Hornhautkrümmung und Linsenkonstante
können die Formeln die Stärke der künstlichen Linse berechnen, die das Erreichen einer bestimmten
Zielrefraktion ermöglicht. Verschiedene Studien haben die Formeln bezüglich der Genauigkeit der Be-
rechnung miteinander verglichen.
> Die Hoffer-Q-Formel zeigte eine überragende Genauigkeit bei Augen mit einer Achsenlänge von
weniger als 22 mm. Bei allen anderen Augen zeigten die SRK/T-Formel und die Haigis-Formel
die beste Genauigkeit.
Generell gilt, dass bei allen Berechnungen am Ende des Biometrie- und Auswahlprozesses immer die
Plausibilität der Datenwerte überprüft werden sollte. Mit Vorsicht muss die Biometrie bei stark myopen
Augen durchgeführt werden, v. a. wenn die berechnete Intraokularlinse eine negative Dioptrie aufweist
(Minus-Stärke-Linse, z. B. –3,0 dpt). Es hat sich gezeigt, dass bei diesen Linsen das refraktive Endresultat
meistens hyperop abweicht. Deshalb wird eine Modifikation der Linsenkonstanten für diese Linsenstär-
ken empfohlen. Alternativ kann eine Linse ausgewählt werden, die eine Zielrefraktion von etwa –2,0 dpt
hat (im myopen Bereich). Die hyperope Abweichung der Minus-Stärke-Linse wird das Resultat dann in
die Nähe von Emmetropie bringen.
Die Genauigkeit der Berechnung ist bei stark hyperopen Augen ebenfalls reduziert, weil die Genau-
igkeit der Produktion von stark positiven Linsen (z. B. +35,0 dpt) bei etwa ±1,0 dpt liegt. Dies muss bei
der Auswahl der Linsenstärke berücksichtigt werden.
Dieses Gerät hat sich zum Standardgerät in der Biometrie entwickelt (⊡ Abb. 1.3.2 und ⊡ Abb. 1.3.3).
Es misst u. a. die Hornhautradien, die Vorderkammertiefe, die optische Achsenlänge und die Weiß-zu-
Weiß-Distanz (wichtig für die Implantation von Vorderkammerlinsen und bei der Holladay-2-Formel).
Die Messwerte und Resultate der Berechnungen können grafisch und tabellarisch ausgedruckt werden
(⊡ Abb. 1.3.4).
Alcon OcuScan
Dieses Gerät ermöglicht eine Vermessung der Achsenlänge des Auges mittels Ultraschall. Nach separater
Eingabe der Werte für die Hornhautkrümmung berechnet das Gerät die Intraokularlinse auf Basis der
oben genannten Biometrieformeln (⊡ Abb. 1.3.5).
1.3 · Biometrie
13 1
⊡ Tabelle 1.3.2. Optimierte Linsenkonstanten einiger Intraokularlinsen (ULIB Datenbank, Würzburg 2008)
AMO ReZoom NXG1 118,4 118,3 5,20 1,40 a0=0,920; a1=0,400; a2=0,100
AMO Tecnis Z9001 119,0 119,2 5,71 1,94 a0=1,500; a1=0,400; a2=0,100
AMO Tecnis ZA9003 119,1 119,0 5,61 1,82 a0=-0,879; a1=0,252; a2=0,220
B&L Akreos Adapt 118,0 118,4 5,14 1,40 a0=0,960; a1=0,400; a2=0,100
Hoya AF-1 YA-60BB 118,7 118,9 5,50 1,75 a0=1,300; a1=0,400; a2=0,100
Rayner C-Flex 570C 118,0 118,8 5,46 1,68 a0=1,270; a1=0,400; a2=0,100
⊡ Abb. 1.3.5.
Ultraschallbiometriegerät (Alcon)
16 Kapitel 1 · Vorbereitung
> Jeder Operateur sollte in regelmäßigen Abständen eine Analyse seiner refraktiven Ergebnisse
durchführen.
1
Oft lassen sich die Ergebnisse verbessern, indem die Linsenkonstanten angepasst werden. Der Prozess
der Konstantenoptimierung sollte in regelmäßigen Intervallen für jeden Linsentyp und jede Biometrie-
formel separat erfolgen.
Normalerweise folgt die Biometrie der Frage: Welches ist die ideale Linsenstärke, um eine bestimmte
Zielrefraktion bei gegebenen Linsenkonstanten zu erreichen? Beim »Haigis Simulator«, einer Microsoft-
EXCEL-Softwareapplikation zur Konstantenoptimierung bei der Haigis-Formel (Forschungsprojekt Vista
Klinik), werden die »Parameter« vertauscht, wobei die folgende Frage entsteht: Welches sind die idealen
Linsenkonstanten, um bei gegebener Linsenstärke eine bestimmte Zielrefraktion zu erreichen? Der Si-
mulator berechnet nun für jedes Auge die Differenz zwischen der postoperativen Refraktion (dem effek-
tiven Resultat), und der berechneten Zielrefraktion. Die Differenzen werden in einer Verteilungswolke
in einem Scattergram dargestellt (⊡ Abb. 1.3.6). Das Ziel der Anwendung besteht nun in der Anpassung
der Linsenkonstanten (und somit der Zielrefraktion), so dass die Differenzen immer kleiner werden und
dadurch eine kleinste Verteilungswolke im emmetropen Bereich entsteht (⊡ Abb. 1.3.7). Die so ermittel-
ten, optimierten Linsenkonstanten können dann für die Biometrie bei zukünftigen Kataraktoperationen
verwendet werden. Gleichartige Konstantenoptimierungen lassen sich auch für die SRK/T-Formel und
die Hoffer-Q-Formel durchführen.
Eine genaue Bestimmung der Linsenstärke bei Kindern mit Katarakt ist schwierig, weil sich durch das
Wachstum des Auges die Achsenlänge und die Keratometrie ständig verändert. Diese Veränderungen
finden v. a. in den ersten 5 Lebensjahren statt (⊡ Abb. 1.3.8). Zur Berechnung der Linsenstärke wurden
verschiedene Schemata vorgeschlagen. Bei den meisten Methoden wird das Auge postoperativ in einen
hyperopen Zustand versetzt, aus dem es dann in die Emmetropie hineinwachsen kann (⊡ Tab. 1.3.3). Bis
zum Erreichen einer stabilen Refraktion werden Kontaktlinsen oder Brillen für die Korrektur des refrak-
tiven Fehlers verwendet.
> Routinemäßige Nachkontrollen und Anpassungen sind nötig, damit sich keine Amblyopie
entwickeln kann.
Bei der refraktiven Laserchirurgie, wie z. B. der Laser-in-situ-Keratomileusis (LASIK), wird Hornhaut-
stroma abgetragen. Diese Verdünnung der Hornhaut führt zu einer Abnahme der Hornhautbrechkraft,
die inkorrekt (unterschätzt) durch die Post-LASIK-Keratometrie wiedergegeben wird. Die bei der Ke-
ratometrie gemessenen Werte sind zu hoch, der Hornhautradius hat nicht proportional zur Abnahme
der Brechungsstärke zugenommen. Dies führt dazu, dass bei der Biometrie eine Intraokularlinse mit zu
geringer Stärke für die zu erreichende Zielrefraktion berechnet wird. Das refraktive Endresultat liegt im
hyperopen Bereich.
1.3 · Biometrie
17 1
Um die Genauigkeit der Berechnung der Linsenstärke zu optimieren, wurden verschiedene Metho-
den vorgeschlagen: Aramberri-Doppel K-Methode, BESTt-Methode, Haigis-L-Formel und die Kontakt-
linsenmethode (⊡ Abb. 1.3.9). Bei diesen Methoden wird versucht, anhand von zusätzlichen Informatio-
nen und Parametern, die Hornhautbrechkraft so zu berechnen, dass sie der »effektiven« Hornhautbrech-
1 kraft entspricht. Dieser berechnete Wert kann dann in die Biometrieformeln für die Linsenberechnung
eingesetzt werden. Für eine einfache Anwendung der Methoden wurden diese in kommerzielle Software
(IBRA Software, ⊡ Abb. 1.3.10) und in den Zeiss IOLMaster (Version 5) integriert.
> Um refraktive Ausreißer zu vermeiden, müssen alle Patienten mit Zustand nach refraktiver
Laserchirurgie bei der Voruntersuchung erkannt werden (Anamnese und Spaltlampenunter-
suchung).
Die Patienten müssen hinsichtlich der Biometrie und der reduzierten Genauigkeit vor der Operation
informiert sein.
»Spectacle »Corneal
plane« plane«
K-Wert
Linsenstärke
⊡ Abb. 1.3.9. Auswahl einiger Methoden zur Berechnung der Linsenstärke nach refraktiver Laserchirurgie (Zuberbühler)
⊡ Abb. 1.3.10. IOLCalc-Softwareapplikation zur Berechnung der Linsenstärke nach refraktiver Laserchirurgie (Zubisoft)
20 Kapitel 1 · Vorbereitung
1 Akryl ist eine Sammelbezeichnung für chemische Substanzen, die sich durch die Akrylgruppe (CH2=CH-
COR) auszeichnen (⊡ Abb. 1.4.1) bzw. Polymere dieser Stoffe sind. Hydrophobe Akryllinsen sind trocken
verpackte Linsen aus Akrylaten und Methakrylaten mit einem refraktiven Index von 1,47 (z. B. AMO
Sensar AR40e) bis 1,55 (z. B. Alcon AcrySof SA60AT). Vorteile dieser Linsen sind die im Vergleich zu
hydrophilen Akryllinsen geringere Nachstarrate, der hohe refraktive Index und das langsamere Ent-
falten der Linsen bei der Implantation. Der Nachteil ist das gelegentliche Auftreten von feindispersen
glitzernden Einlagerungen (»Glistenings«). Populär sind heute Linsen mit einem »Single-piece-Design«
mit Haptiken aus Akryl (⊡ Abb. 1.4.2). Sie haben eine hohe Flexibilität und einen bleibenden »Memory-
Effekt«. Dadurch produzieren sie weniger Kapselspannfalten als 3-Piece-Linsen mit PMMA-Haptiken.
Hydrophobe Akryllinsen haben meistens eine bikonvexe Optik. Die Konvexität ist entweder zu gleichen
Teilen auf Vorder- und Hinterfläche verteilt, oder auf der Rückseite der Optik fixiert und nur auf der
Vorderfläche entsprechend der Linsenstärke variabel (⊡ Tab. 1.4.1).
Hydrophile Akryllinsen
PMMA-Linsen
Diese Linsen bestehen aus Polymethylmethakrylat (PMMA) und haben einen refraktiven Index von
1,49. Dieses Material ist sehr stabil und wird bereits seit fast 60 Jahren verwendet. Der wesentliche Nach-
teil liegt in der großen Inzision, die nötig ist, um diese nichtfaltbaren Linsen zu implantieren.
Silikonlinsen
Diese Linsen bestehen aus einem Silikonpolymer und haben einen refraktiven Index von 1,41–1,46. Der
Vorteil dieser Linsen ist die hohe optische Reinheit, die niedrige Langzeit-Nachstarrate, und die geringe
Neigung zur Zellbesiedelung, v. a. in Augen mit Entzündungen. Die Linsen sind einfach faltbar. Die
Entfaltung erfolgt bei Pinzettenfaltung ruckartig, mit geeigneten Injektoren jedoch sehr kontrolliert. Der
Nachteil ist ein schlechtes Handling in nassem Zustand. Die Linsen sind zudem adhärent zu Silikonöl
und deshalb nicht geeignet bei Augen, bei denen zuvor ein vitreoretinaler Eingriff mit Silikonöl-Endo-
tamponade durchgeführt wurde.
1.4 · Intraokulare Linsen
21 1
/ / / / // // // // /
a
2
b
( )
N c
Normale künstliche Linsen haben eine UV-Absorption im Bereich von 200-400 nm. Intraokulare Linsen
mit einem Blaulichtfilter (gelbe Linsen, ⊡ Tab. 1.4.2) absorbieren in einem Bereich von 200–550 nm. Un-
1 geschützte Exposition der Augen gegenüber UV-Licht führt zu Schäden der Makula. Es wird vermutet,
dass dieser Schaden für die Entstehung der altersabhängigen Makuladegeneration mitverantwortlich
ist. Durch den zusätzlichen Schutz im ultravioletten und sichtbaren Violett- und Blaubereich wird eine
makulaschonende Transmissionskurve erreicht (⊡ Abb. 1.4.3). Untersuchungen zwischen gleichen Lin-
sentypen mit und ohne zusätzlichen Blaulichtfilter zeigten keinen Unterschied im Visus, der Kontrast-
sensitivität und der Farbperzeption. Jüngst wurden Chromophore entwickelt, die eine steile Absorptions-
kante im Violettbereich aufweisen (»Violet Shield», Bausch&Lomb). Diese lässt längerwellige Blauanteile
durch, die für das Dämmerungssehen eine Rolle spielen könnten, während sie die kurzwelligen, potenzi-
ell makulaschädlichen Blau- und Violettanteile des Spektrums vollständig absorbieren.
Torische Linsen
Durch eine torische Linse kann neben dem sphärischen auch der astigmatische refraktive Fehler korri-
giert werden. Verschiedene Linsen mit unterschiedlichen Designs sind erhältlich. Wichtige Punkte bei
diesen Linsen sind eine einfache Handhabung, eine gute Zentrierung und v. a. eine hohe Rotationsstabi-
lität der Linse. Beispiele: Die Alcon AcrySof SN60TT (⊡ Abb. 1.4.4) gibt es in 3 Zylinderstärken: 1,5 dpt,
2,25 dpt und 3 dpt; die Dr. Schmidt MicroSil hat Z-förmige Haptiken und wird in Zylinderstärken von
2–12 dpt angeboten (3,2 mm faltbar mit Pinzette); die torische STAAR ICL Intraokularlinse.
Asphärische Linsen
In einem normalen Auge hat die Hornhaut eine positive sphärische Aberration. Diese bleibt das ganze
Leben über gleich. Bei jungen Menschen wir diese positive Aberration mit einer negativen sphärischen
Aberration der Linse ausgeglichen. Mit zunehmendem Alter verschiebt sich die negative sphärische
Aberration der Linse in den positiven Bereich. Die zunehmende positive Aberration kann Blendungen
und eine Reduktion des Kontrastsehens verursachen. Asphärische Linsen können diese Veränderung da-
durch korrigieren, dass die Brechkraft der Optik gegen die Peripherie hin abnimmt, während sie bei ih-
ren sphärischen Pendants gleich bleibt. Im Gegensatz zu diesen sog. »aberrationskorrigierenden« asphä-
rischen Linsen, deren Kurvatur die durchschnittliche Aberration der menschlichen Hornhaut zugrunde
gelegt ist, sind »aberrationsfreie« asphärische Linsen so gerechnet, dass sie in sich keine neuen Aberrati-
onen erzeugen. Während die Wirkung der ersteren von möglichen Dezentrierungen und Verkippungen
der Optik im Auge abhängig ist, ist letztere davon weitgehend unabhängig. Diese Abhängigkeit wird
mit zunehmender Brechkraft der Hornhaut und der Kunstlinse deutlicher. Aberrationsfreie Linsen sind
daher vor dem Hintergrund nichtvorhersagbarer postoperativer Dezentrierung und Verkippung eine
sichere Option.
Die Vorderfläche einer refraktiven Multifokallinse besteht aus multiplen, asphärischen, refraktiven Zo-
nen mit unterschiedlicher Brechkraft. Dadurch wird eine »echte« Multifokalität mit mehr als einer Foku-
sebene erzielt. Der Vorteil von refraktiven Linsen ist der bessere Fernvisus unter photoptischen Bedin-
1.4 · Intraokulare Linsen
23 1
gungen. Aufgrund der geringen Lichtausbeute in den intermediären Brennpunkten ist der intermediäre
Visus hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Die ReZoom (AMO) ist eine refraktive Intraokularlinse
der 2. Generation. Sie besitzt 5 optische Zonen (⊡ Abb. 1.4.5). Bei einer engen Pupille treten ca. 80% des
Lichtes durch den zentralen Fernanteil der Optik, während 20% durch den Nahanteil ins Auge gelangt.
1 Dieses Verhältnis verändert sich mit zunehmender Pupillenweite, was das Lesen bei schlechter Beleuch-
tung erleichtern soll.
Viele der heute verwendeten Multifokallinsen sind diffraktive Linsen. An jeder Stelle der Optik wird das
einfallende Licht auf 2 Brennpunkte verteilt, ein geringer Anteil geht als Streulicht verloren. Die Vorteile
von diffraktiven Linsen sind die Unabhängigkeit des Nahvisus gegenüber der Pupillengröße, die bessere
Lichtausschöpfung unter mesoptischen Bedingungen und der geringere Einfluss einer Dezentrierung der
Linse.
Die ReSTOR-Intraokularlinse (Alcon, ⊡ Abb. 1.4.6) ist eine diffraktive Intraokularlinse. Das einfal-
lende Licht wird im Wesentlichen auf 2 fokale Ebenen fokussiert; Ferne und Nähe mit je 41% des Lichtes.
Die Apodisierung, eine graduelle Abnahme der Stufenhöhe und damit der Stärke der Diffraktion vom
Zentrum zur Linsenperipherie, optimiert das Restlicht. Das einfallende Licht wird so auf multiple fokale
Ebenen fokussiert. Der intermediäre Visus bleibt jederzeit auf etwa 60%. Die Tecnis-Intraokularlinse
(AMO) besitzt ein ähnliches multifokales Design (⊡ Abb. 1.4.7). Sie besitzt diffraktive Ringe mit gleicher
Stufenhöhe, die bis in die Peripherie der Linsenoptik reichen. Sie erzeugte in entsprechenden Untersu-
chungen überraschenderweise einen im Vergleich zu refraktiven Linsen besseren Intermediärvisus.
Irisfixierte Linsen
Diese Vorderkammerlinsen werden nach der Implantation an der Iris durch Enklavation fixiert. Sie wer-
den heute bevorzugt in der refraktiven Linsenchirurgie verwendet, um bei jungen und phaken Patienten
eine hohe Myopie, eine Hyperopie oder einen starken Astigmatismus zu korrigieren. Die Linsen haben
sich bewährt bei Patienten, die eine Unverträglichkeit bezüglich Kontaktlinsen haben oder bei denen die
Hornhaut für einen Eingriff mit dem Excimer-Laser nicht geeignet ist. Die Linsen können auch bei Pa-
tienten (sekundär) implantiert werden, bei denen wegen einem Defekt in der Linsenkapsel währen der
Kataraktoperation auf die Implantation einer Hinterkammerlinse verzichtet wurde.
Akkommodative Linsen
Diese Intraokularlinsen haben ein Design, das theoretisch unter Akkommodationsanstrengung eine
Vorwärtsbewegung der Linsenoptik auslösen und damit die natürliche Akkommodation teilweise wie-
derherstellen soll. Messungen haben allerdings gezeigt, dass bei den am Markt befindlichen Linsen eine
nur sehr geringe, in Ausmaß und Richtung sehr unterschiedliche axiale Bewegung stattfindet. Als Folge
von gelegentlich massiven Kapselfibrosen wurden Refraktionsverschiebungen und Linsenastigmatismen
durch Verschiebung und Verkippung der Optik beobachtet. Die YAG-Laserrate lag nach 4 Jahren mit ca.
40–50% deutlich über der bei herkömmlichen Monofokallinsen üblichen Rate.
In jüngerer Zeit sind Kapselsackimplantate in Entwicklung und in klinischer Erprobung, deren Ak-
kommodationswirkung durch die Verschiebung einer vorderen Optik gegenüber einer zweiten der Hin-
terkapsel anliegenden Basisoptik erzielt wird (Dual-optic-Linsen). Deren Akkommodationswirkung ist
1.4 · Intraokulare Linsen
25 1
⊡ Abb. 1.4.5. Refraktive multifokale Linse (AMO ReZoom) ⊡ Abb. 1.4.6. Diffraktive multifokale Linse (Alcon ReSTOR)
im Vergleich zu den vorgenannten Single-optic-Linsen theoretisch deutlich höher. Diese durch federnde
Brückenhaptiken im Äquatorbereich verbundenen 2-Linser füllen den Kapselsack aus und verhindern
dadurch die übliche Verschmelzung der Kapselblätter außerhalb der Optik. Eine Funktion im Kapselsack
wurde nachgewiesen, allerdings sind das Erreichen der geplanten Basisrefraktion und die Langzeitent-
1 wicklung des Nachstars noch ungelöst oder ungewiss.
Photosensitiv-akkommodative Linsen
Diese Intraokularlinsen befinden sich noch in Entwicklung. Sie ändern in Abhängigkeit vom einfallen-
den Licht (UV; Pupillenweite, Umgebungslicht) die Brechkraft im zentralen Anteil der Optik und ermög-
lichen dadurch eine (Pseudo-)Akkommodation.
Lichtadjustierbare Intraokularlinsen
Diese Intraokularlinsen befinden sich in klinischer Erprobung. Bei diesen Linsen wird die definitive
Stärke der Linse einige Wochen nach Implantation mittels eines ultravioletten Laserstrahls festgelegt.
Durch das ultraviolette Licht werden photosensitive Silikonuntereinheiten in der Linsenoptik einmalig
und irreversibel modifiziert, was zu einer Veränderung der Linsenstärke führt (z. B. Calhoun Vision:
LAL = light adjustable lens).
28 Kapitel 1 · Vorbereitung
Instrumente
Ein minimales Set zur Durchführung einer Kataraktoperation besteht aus etwa 12 Instrumenten
(⊡ Tab. 1.5.1 und ⊡ Abb. 1.5.1).
Mikroskop
> Die Sitzposition und der Komfort am Mikroskop sind sehr wichtig.
Die Höhe des Mikroskops und die Pupillendistanz müssen individuell vor der Operation eingestellt wer-
den. Die Position sollte bequem und entspannt sein, so dass ein ganzer Tag problemlos operiert werden
kann. Eine aufrechte Haltung ist dabei anzustreben. Die Blickrichtung in die Okulare sollte etwa 25° nach
unten gerichtet sein, was der natürlichen Haltung des Kopfes entspricht (⊡ Abb. 1.5.2). Die Vorderarme
sollten etwa horizontal sein, leicht gebeugt, die Ellbogen am Körper anliegend (Kontraktion des M. latis-
simus dorsi). Gut sind auch Armstützen, die eine ruhige Handführung gewähren.
Die Pedale für die Steuerung des Mikroskops und die Bedienung des Phakogeräts liegen links und
rechts vom Kopf des Patienten (⊡ Abb. 1.5.3), so dass die Füße des Chirurgen die Pedale gut erreichen
können. Der Operateur muss vor der Operation abklären, welche Taste am Pedal für welche Funktion
zuständig ist (⊡ Abb. 1.5.4).
Empfehlenswert ist ein Stuhl, der keine Rollen hat, oder der sich fixieren lässt, damit der Operateur
nicht durch unnötige Bewegungen des Stuhls abgelenkt wird.
1.5 · Instrumente und Mikroskop
29 1
a b
Instrument Verwendung
a b
⊡ Abb. 1.5.3a,b. Pedale für die Steuerung des Mikroskops (Leica) und des Phakogeräts (Alcon Infinity)
Funktionstaste 2
X/Y Joystick
Fokusierung Funktionstaste 3
Fußraste dual-lineare
Funktion
Zoom in/out
Funktionstaste 3 Funktionstaste 4 Reflux Funktionstaste 4
a b
⊡ Abb. 1.5.4a,b. Tasten und Funktionen der Pedale (a Mikroskop, b Phakogerät, Oertli OS 3)
32 Kapitel 1 · Vorbereitung
1
Phakogerät
Ein modernes Phakogerät ist eine Grundvoraussetzung für die Phakoemulsifikation (⊡ Abb. 1.6.1). Das
Gerät steuert die Irrigation von Flüssigkeit in die Vorderkammer, die Aspiration von Kernfragmenten
und Flüssigkeit aus der Vorderkammer und die Stärke und Frequenz des Ultraschalls (Phakostärke), der
zur Phakoemulsifikation der Linsenfragmente nötig ist.
Die Grundeinstellungen können am Gerät via Touchscreen oder Funktionstasten eingegeben wer-
den (⊡ Abb. 1.6.2). Die unterschiedlichen Funktionen werden mit Hilfe des Pedals (oder Fußschalters)
abgerufen und ggf. dynamisch gesteuert. Einige Geräte erlauben eine unabhängige dynamische Kontrolle
zweier Parameter (in der Regel Aspiration und Phakoamplitude) durch die Verwendung eines Fußschal-
ters/Pedals, das sich in 2 Hauptrichtungen (vertikal und seitlich) bewegen lässt (dual linear system).
a b
⊡ Abb. 1.6.1a–f. Moderne Phakogeräte (a Alcon Accurus, b Alcon Infinity, c Alcon Legacy, d Bausch&Lomb Millenium, e Oertli
OS3, f AMO Signature)
1.6 · Phakogerät und Einstellungen
33 1
c d
f
34 Kapitel 1 · Vorbereitung
Phakohandstück
Der Aufbau der meisten Phakohandstücke (phaco tips) ist gleich (⊡ Abb. 1.6.3). Im Korpus des Hand-
stücks ist das Schwingungssystem untergebracht (heute überwiegend piezoelektrische Kristalle, gelegent-
1 lich auch magnetostriktiv). Der Schwinger ist mit einer Titanhohlnadel an der Spitze des Griffes verbun-
den, mit der die Phakoemulsifikation durchgeführt wird. Die Spitze wird in longitudinale Schwingungen
von 40–50 kHz und einer Amplitude zwischen 0,01 und 0,1 mm versetzt. Durch ihr Lumen wird die
»Emulsion« aus Linsenfragmenten und Kammer-/Spülflüssigkeit abgesaugt. Es bestehen viele Variati-
onen des Phakoendstücks hinsichtlich des Durchmessers (1,6–3,2 mm), der Abwinkelung (0–45°) und
schließlich der Formgebung – gerade, gekrümmt, trichterförmig (flared).
Die Phakokanüle ist von einer koaxialen Kunststoffhülle umgeben, die die Phakospitze gerade hervor-
ragen lässt. Sie besitzt üblicherweise 2 seitliche Öffnungen und liegt mit ihrem vorderen Ende der Phako-
spitze relativ eng an. Durch diese koaxiale Hülle (infusion sleeve) wird die Spülflüssigkeit ins Auge geleitet.
> Der überwiegende Anteil der Spülflüssigkeit soll durch die seitlichen Öffnungen geleitet
werden, ein untergeordneter Anteil fließt nach vorne.
Damit wird vermieden, dass die Spülung das zu emulsifizierende Material von der Spitze wegspült und
der Ansaugung entgegenwirkt.
Neben koaxialer Anordnung der Spülung und Saugung werden in jüngster Zeit auch biinstrumen-
telle Systeme erprobt, die die Infusion einerseits und die Aspiration und Emulsifikation andererseits auf
2 Instrumente aufteilen.
OZil (Alcon)
Neben der herkömmlichen Ultraschallmethode gibt es weitere Technologien, mit denen die Linse effizi-
ent und schonend entfernt werden kann. Beim OZil-Handstück (⊡ Abb. 1.6.4) wird durch eine zusätzliche
seitliche Oszillation der Spitze des Handstücks eine effektivere Nutzung der vorhandenen Ultraschall-
energie ermöglicht. Das Risiko von thermischen Schäden kann dadurch verringert werden.
0°
Silikonschlauch 30°
45°
Öffnung für
Irrigation Aspi
ratio
n
Ultra
a Handstück scha b
ll
Irrig
ation
⊡ Abb. 1.6.3a–c. a Aufbau eines Phakohandstücks mit unterschiedlichen Endstücken und Silikonschlauch (»sleeve«), b Co-mics-
Spitze (Oertli), c Phakohandstück (Oertli)
AquaLase (Alcon)
Bei dieser Technologie wird anstelle von Ultraschall ein erwärmter Wasserstrahl für die Zerkleinerung
der Linse verwendet (⊡ Abb. 1.6.5).
1
Irrigation
Die Irrigation, also der Einstrom von Flüssigkeit, wird meistens passiv durch die Höhe der Flasche
bestimmt, die die Irrigationsflüssigkeit enthält. Je höher die Flasche gesetzt wird, desto stärker ist der
Druck, der in der Vorderkammer erzeugt wird (⊡ Tab. 1.6.1). Der Druck in der Vorderkammer wiederum
hat einen Einfluss auf die Tiefe der Vorderkammer.
Die Irrigationsflüssigkeit besteht meistens aus BSS (z. B. Alcon) und kann medikamentöse Zusätze
zur antibiotischen Prophylaxe (z. B. Gentamicin) oder zur Reduktion von Blutungen und zur besseren
Mydriasis enthalten (z. B. Adrenalin).
Für das Produzieren der Aspiration und des Vakuums haben sich 2 verschiedene Techniken etabliert. Bei
einer peristaltischen Pumpe pressen rotierende Räder die Flüssigkeit in einem Schlauchsystem konti-
nuierlich in die gleiche Richtung, was zu einem Flüssigkeitsstrom und einer entsprechenden Aspiration
führt (⊡ Abb. 1.6.6 und ⊡ Abb. 1.6.7). Die Aspirationsrate wird durch die Geschwindigkeit der Rotation
der Räder kontrolliert. Beim Venturi-Pump-System wird der Unterdruck durch ein schnell vorbeiströ-
mendes Gas erzeugt (⊡ Abb. 1.6.8). Die Aspiration hängt vom erzeugten Vakuum ab und kann über ein
zusätzliches Ventil kontrolliert werden (⊡ Tab. 1.6.2, ⊡ Abb. 1.6.9).
60 44 48
80 59 58
100 73 68
120 88 78
100 25
150 32
200 38
250 44
1.6 · Phakogerät und Einstellungen
37 1
a b c
Aspiration Gas
Aspiration
Unterdruck
Drainage
Phakostärke
Der Ultraschall (Power) wird durch die Frequenz und Stärke der Auslenkung einer Nadel im Phako-
handgriff gesteuert. Ein Mikroprozessor kontrolliert die Bewegungen und optimiert sie, so dass mög-
1 lichst wenig Wärme erzeugt wird.
Einstellungen
Für jeden Schritt bei der Phakoemulsifikation haben sich unterschiedliche Einstellungen bezüglich Aspi-
ration und Phakostärke etabliert, kontrollierbar via Fußpedal (⊡ Tab. 1.6.3 und ⊡ Abb. 1.6.10).
Fluidics
Unter Fluidics versteht man das Zusammenspiel zwischen Aspiration (Vakuum) und Irrigation
(⊡ Abb. 1.6.11 und ⊡ Abb. 1.6.12).
> Nur ein gute Kontrolle dieser beiden Parameter gewährleistet eine stabile Vorderkammer-
situation und somit eine sichere Durchführung der Kataraktoperation.
Nur dann kann er einerseits die Parameter am Gerät differenziert nach Situation und persönlicher Vor-
liebe einstellen, andererseits intraoperativ situationsgerecht handeln, um das Risiko und ggf. das Ausmaß
der »surges« zum minimieren.
Die »Fluidics« folgen dem Hagen-Poiseuille-Gesetz bzw. noch einfacher dem Ohm-Gesetz, und zwar
jeweils auf der Infusions- und auf der Aspirationsseite (R = U/I).
> Sollen Volumen, und idealerweise Druck, in der Vorderkammer konstant bleiben, darf zu kei-
nem Zeitpunkt (nennenswert) mehr Abfluss stattfinden, als dem maximalen Zufluss entspricht.
Auf der Irrigationsseite sind der Widerstand, nämlich die engste Stelle im Zuflusssystem (üblicherweise
der Auslass an der Phakospitze) plus der Druck in der Vorderkammer und der Gradient (Flaschenhöhe:
hydrostatischer Druck) konstant, nicht dynamisch variabel. Deshalb ist auch der maximale Zufluss, bei
1.6 · Phakogerät und Einstellungen
39 1
Flüssigkeit
bewegliche
Metallspange
a b c
Phako-Modus I/A-Modus
I I
0 0
I/A 1 I/A 1
2 2
3
Fußpedal Fußpedal
I/A/US
a b
Wegfall des Vorderkammerdrucks, konstant und limitiert. Auf der Aspirationsseite ist der Widerstand
variabel, nämlich je nach Ausmaß der Okklusion durch die Linsenfragmente. Die Aspiration muss so be-
grenzt werden, dass sie bei Vollokklusion nur so weit ansteigen kann, dass ihr plötzliches ungehindertes
Anliegen an der Vorderkammer nach plötzlicher Desokklusion (durch Passage des Linsenteils durch die
1 Aspirationsöffnung), einschließlich des zusätzlich durch »Schlauch-Compliance« entstehenden Unter-
drucks, nicht einen Abfluss erzeugen kann, der den maximalen Zufluss übersteigt. Mit reiner Parame-
tereinstellung ist dies auch bei modernsten Maschinen nicht für alle Situationen zu bewerkstelligen. Der
Operateur muss zusätzlich antizipativ die Aspirationshöhe kurz vor der Desokklusion so steuern, dass
die genannten Bedingungen möglichst nahe erzielt werden. Dazu dient in modernen Phakogeräten die
hilfreiche akustische Information über die Sogstärke.
Aus dem oben unter Fluidics ausgeführten lässt sich auch gut verstehen, wie es sich mit den beiden in
der praktischen Chirurgie wichtigen Begriffen »holdability« und »followability« verhält und was ihre
physikalischen Korrelate sind. »Holdability« bezeichnet die Fähigkeit des Systems, ein an die Phakospitze
angesaugtes Linsenfragment so festzuhalten, dass es emulsifiziert werden kann. Parameter die der Hal-
tekraft an der Spitze entgegenwirken, sind die Phako-Amplitude, die mit jeder Vorwärtsbewegung auch
eine Repulsion des Fragments erzeugt, sowie die Stärke des nach vorn gerichteten Spülstroms. Für die
Haltekraft bestimmend ist die Höhe des (negativen) Saugdrucks. Sie muss so hoch sein, dass sie die re-
pulsive Komponente der Vorwärtsbewegung des Tips in eine Penetration umwandelt (Presslufthammer-
Prinzip), und dass sie ein Wegspülen verhindert.
»Followability« bedeutet die Fähigkeit des Systems, die Linsenfragmente an die Phakospitze heran
zu schwemmen. Sie ist von der Höhe der Flussrate (»flow«) abhängig. Diese Flussrate wiederum wird
durch das Verhältnis von Widerstand (Öffnungsgröße) und Sog bestimmt. Deshalb braucht ein System
mit kleinem Spitzendurchmesser einen höheren Sog für die gleiche Flussrate, als ein System mit größe-
rer Öffnung. Wenn also intraoperative Haltekraft vermisst wird, muss der Sog erhöht werden, ggf. die
Amplitude erniedrigt. Wenn die Linsenfragmente nicht bereitwillig genug angesogen werden, muss die
Durchflussrate erhöht werden.
1.6 · Phakogerät und Einstellungen
41 1
⊡ Abb. 1.6.11a,b. a Fluidics bei Venturi-Pumpe (Fluss=Abfluss), b Fluidics bei Venturi-Pumpe mit Surge-Kompensation (Vakuum-
reduktion)
Vakuum Vakuum
surge (mmHg) (mmHg)
Flache
Flache VK
VK
200 200
surge
Fluss
100 100
Fluss
Vakuum
Vakuum
a 0 b 0
Komplette Zeit Okklusions- Komplette Zeit Okklusions-
Okklusion abbruch Okklusion abbruch
⊡ Abb. 1.6.12a,b. a Fluidics bei peristaltischer Pumpe (Fluss=Abfluss), b Fluidics bei peristaltischer Pumpe mit Surge-Kompen-
sation (Vakuumreduktion)
42 Kapitel 1 · Vorbereitung
1.7 Anästhesie
1
Lokalanästhetika (LA)
Alle Lokalanästhetika haben eine ähnliche chemische Struktur. Sie besteht aus einer aromatischen
Ringstruktur, einer Zwischenkette und einer Aminogruppe. Nach der Zwischenkette unterschei-
det man die beiden Haupttypen: Den (historischen) »Ester-Typ« und den (modernen) »Amid-Typ«
(⊡ Tab. 1.7.1 und ⊡ Abb. 1.7.1).
Lokalanästhetika wirken an der Zellmembran von Nervenzellen. Hier blockieren sie die Natriumkanäle
(von innen) und verhindern dadurch den Einstrom von Natriumionen in die Zelle und somit die Bildung
von Aktionspotenzialen. Eine Nervenfaser mit dicker Markscheide benötigt eine höhere Anzahl von Wirk-
stoffmolekülen. Deshalb hängt die Wirkung der Lokalanästhetika hauptsächlich von der Konzentration ab.
Zu Unverträglichkeiten kommt es relativ häufig, v. a. beim Gebrauch der Lokalanästhetika vom
Ester-Typ. Eine richtige Allergie zeigt sich hingegen selten. Da es keine Kreuzallergie zwischen den bei-
den Typen gibt, kann bei einer Allergie gegen den Ester-Typ auf den Amid-Typ ausgewichen werden.
Gelangt das Lokalanästhetikum in den Kreislauf, kann dies zu einer Intoxikation führen, die in 4
Stadien eingeteilt werden kann:
▬ Das Prodromalstadium (Taubheit, metallischer Geschmack),
▬ das präkonvulsive Stadium (Tremor, Tinnitus, Nystagmus, Somnolenz),
▬ das konvulsive Stadium (generalisierte tonisch-klonische Anfälle) und
▬ das Stadium der ZNS-Depression (Koma, Apnoe, Kreislaufkollaps).
Alle Patienten mit einer Intoxikation sollten vorübergehend auf einer Intensivstation behandelt und
überwacht werden.
Ester-Typ
Amid-Typ
Mepivacain 2% 60 s 15 min
b c d e
f g h i
Tropfanästhesie
Die Tropfanästhesie eignet sich gut für erfahrene Chirurgen mit kurzen Operationszeiten. Das Ver-
fahren ist einfach in der Anwendung, kann auch von Krankenschwestern durchgeführt werden, und
ist nicht mit einer Chemosis oder einem roten Auge nach der Operation verbunden. Als Anästheti-
kum kann Proxymetacain oder Tetracain verwendet werden. Ein häufig gebrauchtes Schema ist eine
3-malige Applikation des Anästhetikums in den letzen 30 min vor dem Eingriff. Tetracain kann das
Hornhautepithel leicht beschädigen, was mit einer Trübung verbunden ist, die die Kataraktoperation
stören kann. Oft ist es hilfreich, intraoperativ nochmals einen Tropfen des Anästhetikums zu applizie-
ren, oder bei ungenügender Wirkung zusätzlich intrakameral konservierungsmittelfreies Lidocain 1%
zu injizieren.
Sub-Tenon-Block
Der Sub-Tenon-Block wird erzielt durch eine Injektion von 4–5 ml Anästhetikum (z. B. Lidocain 2%
mit Adrenalin 1:200.000) unter die nasal-inferiore Tenonkapsel. Verwendet wird dabei eine stumpfe, ge-
krümmte Sub-Tenon-Kanüle (⊡ Abb. 1.7.2). Die Bindehaut sollte an der Injektionsstelle vorher mit einer
Schere über 5 mm eröffnet werden. Für einen länger andauernden Block kann Lidocain mit Bupivacain
0,5% im Verhältnis 3:2 kombiniert werden. Eine Akinesie wird in etwa 80% der Fälle erzielt. Häufig be-
steht eine partielle Chemosis.
Unruhige und ängstliche Patienten, die eine Kontraindikation für eine Intubationsnarkose haben, kön-
nen in Lokalanästhesie operiert werden, wenn gleichzeitig eine intravenöse Sedation, z. B. mit 1-2 mg
Midazolam, erfolgt.
Peribulbärer Block
Die Injektion von 4–6 ml Anästhetikum (z. B. Lidocain 2%) erfolgt in der Regel inferotemporal, entweder
transkutan oder transkonjunktival. Bei der Injektion sollte das Auge in Primärposition sein. Die Kanüle
sollte bis zum Äquator des Bulbus reichen (⊡ Abb. 1.7.3). Eine bessere Akinesie kann durch eine 2. Injek-
tion inferomedial erzielt werden. Die Injektion ist gelegentlich schmerzhaft, dies auch wegen dem großen
Volumen, das injiziert wird. Eine Erwärmung der Injektionslösung (37°) wird als angenehm empfunden.
Das gefährlichste Risiko dieser Technik ist die Bulbusperforation.
> Die Testung der Augenbewegung vor der Injektion zeigt an, ob die Kanüle frei in der Orbita
liegt.
1.7 · Anästhesie
45 1
Einstichstelle
a b c
Retrobulbärer Block
Diese Technik ist der des peribulbären Blocks sehr ähnlich (⊡ Abb. 1.7.4). Der retrobulbäre Block bietet
eine hervorragende Anästhesie und Akinesie, hat aber diverse Risiken (⊡ Tab. 1.7.2). Eine Überwachung
1 der Herzfrequenz, des Blutdrucks und der Sauerstoffsättigung wird empfohlen (⊡ Abb. 1.7.5).
Intubationsnarkose (ITN)
Die Intubationsnarkose wird verwendet, wenn die Operation mehr als 1 h dauert, wenn der Patient sehr
ängstlich ist oder eine schlechte Mitarbeit (Compliance) zeigt; gelegentlich auch bei einäugigen Patienten.
⊡ Tabelle 1.7.2. Vorteile und Nachteile der Lokalanästhesie und Narkose in der Kataraktchirurgie
Topisch Keine Verletzung durch die Injektionsnadel Mögliche Ablenkung durch sprechende
Keine periokuläre Chemosis oder Blutung oder unruhige Patienten
Systemische Antikoagulation kann Keine Akinesie
beibehalten werden Unzureichende Anästhesie wenn Operation
Funktioneller Visus bleibt erhalten länger wird, oder komplizierter, z. B. beim
Keine postoperative Diplopie oder Ptosis Auftreten von Komplikationen
Allergie oder Effekt der Tropfen auf das
Epithel (verzögerte Heilung, Stippung) und
das Hornhautendothel (bei Benzalkonium-
Gehalt der Tropfen)
Sub-Tenon Weniger schmerzhaft als retrobulbärer Block Häufig Chemosis und Hyposphagma
Keine schweren Komplikationen Oft keine gute Akinesie (20–30%)
Schneller Wirkungseintritt
Wirkung bis zu 60 min
Einstichstelle
a b c
1.8 Abdeckung
Augenreinigung
1 Das Auge muss vor der Operation mit Povidonum iodinatum (z. B. Betadine) oder Polyvidon-Iod (z. B.
Braunol) desinfiziert werden. Dabei sollten hauptsächlich die Augenwimpern und der Lidrand gut ge-
reinigt werden, da sich dort die meisten Bakterien und Toxine befinden (⊡ Abb. 1.8.1). Für eine gute Des-
infektion benötigt Betadine 3–5 min Einwirkzeit. Bei Iod-Allergie sollte ein iodfreies Desinfektionsmittel
(z. B. Octenisept oder Dodesept) verwendet werden.
Abdeckung
Wenn das Auge nach der Desinfektion mit einem sterilen Tupfer gut abgetrocknet wird, gelingt es besser,
die Augenwimpern mit der klebrigen Seite der Abdeckung zu fassen und so effektiv aus dem Operations-
feld zu halten.
> Die Abdeckung ist ein wesentlicher Bestandteil der perioperativen Asepsis.
Sinnvollerweise ist sie mit einem Auffangbehälter/-sack verbunden, der die ablaufende Spülflüssigkeit
auffängt (⊡ Abb. 1.8.2). Die Abdeckung sollte immer so erfolgen, dass mit ihr die Wimpern auf die Lider
zurückgeklappt werden und ein Folienüberstand verbleibt, der um die gesamte Lidkante herum auf die
Lidinnenseite geklappt werden kann. Nur so ist eine effektive Abdeckung der Lidkante mit ihrem Konta-
minationspotenzial gewährleistet.
> Beim Eröffnen von Inzisionsfolien mit einer Schere muss insbesondere darauf geachtet werden,
dass nicht die Haut oder Hornhaut des Patienten verletzt werden (⊡ Abb. 1.8.3).
Bei klaustrophoben Patienten kann eine transparente Abdeckung angebracht werden, so dass der Patient
mit dem anderen Auge etwas sehen kann.
a b
c d
e f
g h
Spekulum
Nach dem Abdecken erfolgt das Anbringen des Spekulums (⊡ Abb. 1.8.4). Es sollte nicht zu weit geöffnet
werden, weil dies für den Patienten durch Druck auf die Augenlider und die Orbita unangenehm und
1 schmerzhaft ist. Gleichzeitig kann dies den Druck auf den Bulbus erhöhen, was zu einer anterioren Be-
wegung des Glaskörpers und der Katarakt führen kann. Durch das Hineinragen der Linse in die Vorder-
kammer wird die Durchführung der Kapsulorrhexis erschwert.
2 Operation
2.1 Inzisionen – 52
2.2 Viskoelastika – 58
2.3 Kapsulorrhexis – 60
2.4 Hydrodissektion – 66
2.5 Phakoemulsifikation – 68
2.7 Linsenimplantation – 86
2.1 Inzisionen
Videos auf DVD: Ï Parazentese mit MVR-Blade (Tupfer), Ï Parazentese mit MVR-Blade (Pinzette),
Ï Inzision und Parazentesen mit Keratom, Ï Zweistufige Inzision, Ï Dreistufige Inzision,
Ï Skleraler Tunnelschnitt, Ï Stabilisierung des Auges mit dem Haltering, Ï Temporale Inzision
bei superiorem Filterkissen, Ï Hintere Kapselperforation bei der Inzisionserweiterung
Die »Clear-cornea-Inzision« ist eine häufig verwendete, schnelle Hauptinzision, bei der die Schnittführung
anterior der Insertion der konjunktivalen Gefäße erfolgt. Die Architektur der Wunde ist selbstschließend
und entweder gerade oder gestuft (⊡ Abb. 2.1.1). Die Stufe kann mit einem kalibrierten Diamantmesser
oder direkt mit dem abgewinkelten Keratom hergestellt werden (⊡ Abb. 2.1.2). Wenn die Schnittführung
2 weiter posterior durch die limbalen Gefäße geht, wird von einer limbokornealen Inzision gesprochen.
Inzisionen noch weiter posterior des Limbus werden als sklerokorneale Inzisionen bezeichnet. Bei der
Durchführung der Inzision sollte der Bulbus an der gegenüberliegenden Seite stabilisiert werden, ent-
weder mit einer Pinzette, einem Wattetupfer oder einem Haltering (⊡ Abb. 2.1.3). Das Einschneiden der
Hornhaut erfolgt zuerst mit einem sehr flachen Winkel des Keratoms, so dass die Klinge etwa 1–2 mm
innerhalb der Hornhaut einen Tunnel schneiden kann. Dann wird das Keratom angewinkelt, damit die
Penetration in die Vorderkammer erfolgen kann. Der Widerstand wird im Zuge der Penetration geringer.
Eine gute Kontrolle der Vorwärtsbewegung des Keratoms ist sehr wichtig, um nicht die Linsenkapsel
oder die Iris zu beschädigen (⊡ Tab. 2.1.1).
> Auf alle Fälle sollte während der Inzision kein Druck auf das Auge oder die Wunde ausgeübt
werden, so dass die Vorderkammer bei der Eröffnung des Auges nicht kollabiert.
Die Stelle der Inzision sollte so gewählt werden, dass eine natürliche und komfortable Haltung der Hand
bei der Phakoemulsifikation gewährleistet wird. Auf diese Art werden auch Verzerrungen der Hornhaut
minimiert. Von am Kopfende sitzenden Rechtshändern wird die Inzision daher oft bei etwa 120° angelegt
(⊡ Abb. 2.1.4). Die Hauptinzision sollte temporal erfolgen,
▬ wenn die Augen sehr tief sind,
▬ bei starker Vaskularisation der superioren Hornhaut oder Bindehaut,
▬ bei großen superioren Filterkissen nach Glaukomchirurgie oder
▬ bei Zustand nach marginaler Keratitis der superioren Hornhaut.
Temporale Hauptinzisionen werden von vielen Chirurgen generell gerne eingesetzt, v. a. bei der gleich-
zeitigen Durchführung von »limbal relaxing incisions«, weil diese wegen des größtmöglichen Abstandes
von der Hornhautmitte den geringsten Einfluss auf den Hornhautastigmatismus haben. Die Breite
der Inzision (z. B. 3,2 mm) richtet sich i. Allg. nach dem Phakohandstück und der zu implantierenden
Linse.
Skleraler Tunnelschnitt
Diese Inzisionen werden nicht selten bevorzugt, wenn größere Schnittbreiten in Sonderfällen erfor-
derlich sind, z. B. bei Implantation einer nichtfaltbaren Linse. Die Inzision mit einem skleralen Tunnel
ist zeitaufwändiger als die clear-korneale Inzision, und benötigt oft eine Diathermie. Diese Inzisionen
2.1 · Inzisionen
53 2
a b c
30°
60° 120°
90°
Komplikation Maßnahme
Perforation der anterioren Linsenkapsel Dieser Defekt oder Lappen der Kapsel für die Kapsulorrhexis
verwenden
Verletzung und Abhebung des Endothels Kontrolle, evtl. eine Luftblase am Ende der Operation in der
Vorderkammer belassen
54 Kapitel 2 · Operation
werden bevorzugt superior angelegt, häufig bei 75° oder 120°. Hauptvorteile dieser Technik sind die hohe
Deformationsstabilität und die rasche Wundheilung (⊡ Tab. 2.1.2).
Die limbale Bindehaut wird mit einer Schere über 5 mm eröffnet. Die Sklera wird freigelegt und eine
eventuelle Blutung wird mit der Diathermie gestillt. Etwa 2 mm hinter dem Limbus erfolgt die limbus-
parallele oder im Gegensinn gekrümmte (frown), partielle Sklerotomie (⊡ Abb. 2.1.5). Eine bogenförmige
Klinge (crescent blade oder pocket knife) wird verwendet, um einen Tunnel unter dem Limbus parallel
zur Sklera bis in die klare Hornhaut zu lamellieren. Mit einem Keratom wird dann die Vorderkammer in
der gewünschten Breite (z. B. 3,2 mm) eröffnet.
Diese ist ein entscheidendes Kriterium für die Güte der Wundarchitektur. Die Deformationsstabilität
muss so sein, dass die Wunde nicht nachträglich durch Manipulationen am Auge intermittierend wieder-
2 eröffnet wird. Dies gilt v. a. für seitlich platzierte Wunden, die dem Risiko einer digitalen Manipulation
im Bereich der seitlichen Lidspalte ausgesetzt sind. Die Deformationsstabilität der Wunde ist umso höher,
je schmäler und länger sie ist, wobei ein quadratisches (square) Design angestrebt werden sollte. Liegt
der Tunneleingang im Bereich des Limbus oder der Sklera, ist die Deformationsstabilität aufgrund der
dortigen speziellen Gewebeeigenschaften höher. Zudem erfolgt die Wundheilung wesentlich schneller
(Tage) gegenüber einem rein kornealen Schnitt (Monate). Eine Eröffnung des Wundeinganges wird bei
kornealem Schnitt nur durch die deckende Epithelschicht, bei limbalem und skleralem Schnitt hingegen
durch die deckende Bindehaut und Wundheilung im proximalen Tunnelabschnitt verhindert.
Ein weiteres Kriterium für die Güte der Wundarchitektur ist die Astigmatismusneutralität. Auch kleine
Schnitte erzeugen eine sektorielle Abflachung der Hornhaut innerhalb des Schnittes, die umso zentraler
reicht, je kornealer der Schnitt lokalisiert ist. Korneale Schnitte erzeugen bereits bei einer Breite von 3 mm
eine bleibende sektorielle Abflachung innerhalb der 5-mm-Pupillarzone, während dies bei retrolimbal
angelegten Inzisionen bis zu einer Breite von 4 mm nicht nachweisbar ist. Aufgrund der chirurgischen
Einfachheit und der Vermeidung von Bindehautblutung und Fremdkörpergefühl sind korneale Inzisio-
nen postoperativ jedoch sehr populär.
> Daher wird zur Gewährleistung optimaler Deformationsstabilität und Astigmatismusneutralität
bei kornealen Inzisionen eine weitere Reduktion der gängigen Wundbreite von ca. 3 mm auf
Werte unter 2 mm angestrebt.
Derzeit liegen die minimalen Wundbreiten je nach Phakotechnik (koaxial > biaxial) und Linsentyp
(3-piece mit Schlaufenhaptik > single-piece mit Plattenhaptik) bei 1,8–1,6 mm.
2.1 · Inzisionen
55 2
a b c d
e f
⊡ Abb. 2.1.5a–f. Skleraler Tunnelschnitt mit geradem (a) oder »Frown-Schnitt« (e)
⊡ Tabelle 2.1.2. Vorteile und Nachteile der clear-kornealen Inzision und des skleralen Tunnelschnitts
Parazentesen
Parazentesen werden als zusätzliche Seitenzugänge neben der Hauptinzision für zusätzliche Instrumente
angelegt. Je nach Operationstechnik sind 1–3 Parazentesen nötig. Für die Ausführung können unter-
schiedliche Klingen (Federmesser), Lanzen (MVR-Blade) oder Diamantmesser (1,0 mm) verwendet
werden (⊡ Abb. 2.1.6). Die Instrumente, die via Parazentesen gebraucht werden, müssen oft mit der nicht-
dominanten Hand geführt werden. Es ist dabei auf eine gute Handposition zu achten.
Die Anzahl der Parazentesen richtet sich nach den geplanten Operationsschritten. Eine Parazentese
wird benötigt, wenn der Operateur Hilfssubstanzen, wie z. B. ein Viskoelastikum oder Vision Blue inji-
zieren möchte. Dabei spielt es keine Rolle, wo diese Parazentese gesetzt wird. Auch bei der Phakoemul-
sifikation wird eine Parazentese für das »zweite Instrument« (Spatel, »Push-pull-Instrument«, Chopper,
Cleaver) benötigt. Diese Parazentese wird idealerweise etwa 60° von der Hauptinzision gesetzt, damit das
Teilen des Nukleus (Choppen) durch eine Zugbewegung und nicht durch eine Rotation erfolgen kann
(⊡ Abb. 2.1.7). Bei der »Divide-and-conquer-Technik« ist ein Winkel von 80–90° oft geeigneter. Zwei
2 Parazentesen sind nötig, falls die Irrigation und Aspiration bimanuell erfolgt. Die Zugänge sollten sich
idealerweise im Abstand von etwa 180° befinden, damit der Kapselsack überlappend durch die Kanülen
erreicht werden kann (⊡ Abb. 2.1.8). Einer der Zugänge kann für die Manipulation der Linse verwendet
werden. Es spielt dabei keine Rolle, welcher der vorhandenen Zugänge gewählt wird.
2.1 · Inzisionen
57 2
Aspirationskanüle Irrigationskanüle
60°
180°
⊡ Abb. 2.1.7. Inzisionen für ideales »Choppen« ⊡ Abb. 2.1.8. Inzisionen für ideale Irrigation und Aspiration
58 Kapitel 2 · Operation
2.2 Viskoelastika
Videos auf DVD: Ï Füllen der Vorderkammer mit einem Viskoelastikum, Ï Füllen der
Vorderkammer mit Healon (AMO), Ï Erste Schritte der Kataraktoperation, Ï Anfärben der
Linsenkapsel mit Vision Blue (Trypan Blue), Ï Anfärben der Linsenkapsel mit Vision Blue (Luftblase),
Ï Die »Soft-shell-Technik« (Arshinoff), Ï Dehnung der Pupille, Ï Einsetzen von Irishaken,
Ï Entfernen der Irishaken
Viskoelastika (»ocular viscoelastic device« oder »ophthalmic viscoelastic device«, OVD) werden auf
Grund ihrer Viskosität in viskoadaptive, kohäsive und dispersive Viskoelastika eingeteilt (⊡ Tab. 2.2.1 und
⊡ Abb. 2.2.1). Die meisten Viskoelastika bestehen aus einer Kombination der folgenden 3 Substanzen in
unterschiedlicher Konzentration: Natrium-Hyaluronsäure, Chondroitinsulfat und Hydroxypropylme-
thylcellulose.
2
Natrium-Hyaluronsäure (NaHa)
Natrium-Hyaluronsäure ist ein Mukopolysaccharid (⊡ Abb. 2.2.2 und ⊡ Abb. 2.2.3), das natürlicherweise
im Körper bei der Wundheilung, beim Zellwachstum, in Muskeln, im Glaskörper und im Kammerwinkel
gefunden wird. Natrium-Hyaluronsäure findet sich in geringen Konzentrationen auch am Endothel, wo
es entsprechende Rezeptoren hat. Eine Interaktion mit den Endothelzellen hat sich bisher nicht gezeigt.
Chondroitinsulfat (CDS)
Chondroitinsulfat ist ein Mukopolysaccharid, das v. a. in der Hornhaut gefunden wird. Die Chondroitin-
sulfatketten (⊡ Abb. 2.2.4) haben negative Ladungen und können daher mit den positiv geladenen Endo-
thelzellen elektrostatisch interagieren, was zu einer besseren Anhaftung an diese führt.
Viskoadaptiv
Kohäsiv
Dispersiv
HPMC ist modifizierte Methylcellulose, die hydrophiler ist und natürlicherweise nicht im menschlichen
Körper vorhanden ist. HPMC ist günstig in der Herstellung, kann sterilisiert und 2 Jahre aufbewahrt
werden (⊡ Abb. 2.2.5).
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a
⊡ Abb. 2.2.5. Hydroxypropylmethylcellulose
60 Kapitel 2 · Operation
2.3 Kapsulorrhexis
Videos auf DVD: Ï Kapsulorrhexis mit Zystotom und Pinzette, Ï Kapsulorrhexis mit der Pinzette,
Ï Herstellen eines Zystotoms, Ï Kapsulorrhexis mit dem Zystotom, Ï Einschneiden der Linsenkapsel
mit dem MVR-Blade, Ï Drohender Ausriss bei der Kapsulorrhexis, Ï Erweitern der Kapsulorrhexis,
Ï Sekundäres Anfärben der Linsenkapsel mit Vision Blue, Ï Primäre posteriore Kapsulorrhexis
Die Kapsulorrhexis hat sich heute als übliche Technik für die Eröffnung der dünnen vorderen Linsenkap-
sel (⊡ Abb. 2.3.1) mittels Nadeltechnik und/oder Pinzettentechnik etabliert. Sie hat frühere Formen der
vorderen Kapsulotomie ersetzt, z. B. die Weihnachtsbaumkapsulotomie oder die Kapsulotomie nach der
Büchsenöffnertechnik (⊡ Abb. 2.3.2). Der bevorzugte Durchmesser der Kapsulorrhexis ist etwas kleiner
2 als der Durchmesser der jeweils verwendeten Linsenoptik. Hierdurch überlappt der Rand der vorderen
Kapselöffnung die Linsenoptik zirkulär, was in einigen Studien ein positives Verhalten bezüglich der
Nachstarbildung gezeigt hat.
> Die Kapsulorrhexis ist einer der wichtigsten Schritte in der Kataraktoperation.
Wird sie falsch durchgeführt oder misslingt sie, so kann dies erhebliche Konsequenzen haben (⊡ Tab. 2.3.1).
Eine, auch partiell, zu große Kapsulorrhexis kann seitliche oder anteriore Dezentrierungen der Kunstlinse
bewirken und einen Verlust der Nachstarbarriere bedeuten. Eine zu kleine Kapsulorrhexis erschwert die
Schritte der Kataraktentfernung. Nicht selten wird dann wegen den engen Verhältnissen der Rand der
Kapsulorrhexis gedehnt, was zum Einreißen führen kann. Ein solcher Riss kann sich nach posterior über
den Äquator hin ausbreiten und die hintere Linsenkapsel ebenfalls aufreißen (⊡ Tab. 2.3.2).
Klein anfangen, dann spiralförmig größer werden (kleinere Gefahr des Ausrisses)
Darunter liegender Linsenkortex nicht zerstören (bessere Sicht für Hydrodissektion und Kapsulorrhexis)
Bulbusbewegungen reduzieren (Akinesie bei der Anästhesie, Halten mit der Pinzette)
Kein Druck auf die Wunde (kein Verlust von Viskoelastikum und somit bessere Vorderkammerstabilität)
2.3 · Kapsulorrhexis
61 2
Kapsulorrhexis Komplikation
Riss in der vorderen Linsenkapsel Radiäres Ausreißen der Kapsel nach posterior kann zu einem Riss in der
posterioren Kapsel führen, mit der Gefahr des Verlusts von Linsenmaterial
in den Glaskörperraum
Spitzes Enden der Kapsulorrhexis Radiäres Ausreißen der Kapsel bei erhöhter Spannung (Druck auf die Linse
bei der Phakoemulsifikation)
anteriorer Pol
14 μm
21 μm 21 μm
Büchsenöffner-
technik D-förmig U-förmig
17 μm 17 μm
23 μm 23 μm
4 μm
Quadrat Weihnachtsbaum vertikal oval
posteriorer Pol
Als Zystotom werden heute überwiegend Einmalkanülen verwendet. Das verwendete Kaliber entspricht
der Präferenz des Chirurgen (25–27 G). Zystotome gibt es gebrauchsfertig (⊡ Abb. 2.3.3a); sie können
aber auch leicht selber hergestellt werden. Einmalkanülen lassen sich mit kräftigen Nadelhaltern in die
gewünschte Form biegen. Empfehlenswert ist die Abbiegung der Spitze der Kanüle um 45–90°, in höchs-
tens der halben Länge des Schliffs. Der besseren Handhabung kann eine Biegung oder Abwinkelung der
Kanüle dienen (⊡ Abb. 2.3.3b und ⊡ Abb. 2.3.4).
Verschiedene Kapsulorrhexispinzetten wurden speziell für die Kapsulorrhexis entwickelt (⊡ Abb. 2.3.5).
Damit die Inzisionsbreite die Öffnung der Pinzette nicht behindert, sind rohrgeführte Pinzetten oder
solche mit gekreuzter Aktion besonders geeignet und können auch via Parazentese verwendet werden.
Je nach Spitze der Instrumente kann diese auch für das Einschneiden der Kapsel zu Beginn der Kapsul-
orrhexis verwendet werden.
2
Nadeltechnik
Die Vorderkammer kann durch kontinuierliche Spülung durch die Kanüle oder durch ein Viskoelastikum
stabilisiert werden. Die Einführung durch eine Parazentese hat den Vorteil einer besseren Abdichtung
gegenüber der Hauptinzision. Die Spitze des Zystotoms sticht ins Kapselzentrum und wird nach peri-
pher gezogen, so dass die scharfe Kante der Spitze die Kapsel aufschneidet. Kurz vor dem Erreichen des
gewünschten Radius hebt man mit der Spitze den Einschnitt der Kapsel an, so dass dieser in einer Kurve
in die gewünschte Ausrissbahn einschwenkt (⊡ Abb. 2.3.6a). Der so entstandene kleine Lappen wird um-
gelegt, so dass er auf der Kapseloberfläche flach zu liegen kommt. Der Lappen wird dann am peripheren
Ende mit dem Zystotom so gestoßen, dass der Riss in eine kreisförmige Bahn gelenkt wird (⊡ Abb. 2.3.6b).
Nach mehrmaligem Ansetzen mit Schieben und Ziehen des Lappens (spiralförmig, ⊡ Abb. 2.3.7) wird
schließlich eine kontinuierliche runde Kapsulorrhexis erzeugt (⊡ Abb. 2.3.6c).
Die Verbindung, an der sich Start und Ende der Kapsulorrhexis vereinigen, sollte für eine gute Sta-
bilität »apfelförmig«, oder »herzförmig« sein (⊡ Abb. 2.3.8). Dies kann am besten dann erreicht werden,
wenn am Schluss der Lappen zum Zentrum hin gezogen wird.
> Spitze Vereinigungen (V-förmig, ⊡ Abb. 2.3.8) haben eine Tendenz zum späteren, radialen Ausriss
in die Peripherie.
Pinzettentechnik
Bei der Pinzettentechnik gelten die gleichen Prinzipien wie bei der Nadeltechnik (⊡ Tab. 2.3.1). Die
Kapsel wird zuerst mit einer Nadel oder mit der Spitze der Pinzette zentral punktiert und ein Läpp-
chen, wie oben beschrieben, wird hergestellt. Mit der Pinzette fasst man den Riss am peripheren Ende
des Lappens und führt ihn im Kreis, so dass eine runde Kapsulorrhexis entsteht. Die Kontrolle der
Rissrichtung des Lappens gelingt mit der Pinzette oft besser, als es mit dem Zystotom möglich ist. Des-
halb wechseln viele Chirurgen zur Pinzette, wenn bei der Nadeltechnik der Lappen in die Peripherie
auszureißen beginnt.
2.3 · Kapsulorrhexis
63 2
8 mm
a b
60°
2.
⊡ Abb. 2.3.3a,b. Vorgefertigtes Zystotom, b Herstellen/Biegen eines Zystotoms
90°
1.
b
a b c
⊡ Abb. 2.3.4a,b. a Insulinnadel, b grober Nadelhalter ⊡ Abb. 2.3.6a–c. Runde, kontinuierliche Kapsulorrhexis (CCC)
korrekt
b inkorrekt
⊡ Abb. 2.3.5a,b. Kapsulorrhexispinzetten ⊡ Abb. 2.3.8. Korrekte (oben) und inkorrekte (unten) Endung
64 Kapitel 2 · Operation
RF-Kapsulotomie (Oertli)
Diese bipolare Methode der Kapseleröffnung hat sich v. a. bei schlechter Sicht, z. B. bei hypermaturer
Katarakt, bewährt. Die Linsenkapsel wird dabei diathermisch mittels einer schmalen bipolaren Nadel
eröffnet. Der koagulierte Rand der Kapsulotomie ist zwar erheblich zugbelastbar, jedoch nicht mehr
elastisch, so dass er bei Überdehnung rascher einreißt.
Wenn der Riss nicht kreisförmig verläuft, sondern nach radial hin abdriftet, dann besteht die Gefahr eines
Auslaufens desselben. Verschiedene Schritte sind nötig, um das weitere Auslaufen zu verhindern und die
Rissrichtung des Lappens wieder in die korrekte Bahn zu lenken (⊡ Tab. 2.3.3).
2 > Ganz wichtig ist dabei die rechtzeitige Prävention: Die wichtigsten Faktoren sind eine gute
Vorderkammerstabilität (Viskoelastikum!) und eine gute Visualisierung des Prozesses. Bei
drohendem Auslaufen des Risses muss die Vorderkammer mit einem möglichst kohäsiven
Viskoelastikum vertieft und der Zugvektor zentralwärts gelenkt werden.
Der erste Schritt bei der Erweiterung der Kapsulorrhexis ist das tangenziale Einschneiden des Rands der
Kapsulorrhexis mit einer Kapselschere oder der Spitze des Zystotoms. Dieser Einschnitt sollte nicht radial,
sondern leicht bogenförmig bis parallel zum Rand erfolgen. So entsteht ein kleiner Lappen (⊡ Abb. 2.3.9),
der nach der kreisförmigen Erweiterung – parallel zum bestehenden Rand der Kapsulorrhexis – in diese
überführt wird (stumpfe Vereinigung!).
Bei starken kortikalen Trübungen, bei ganz jungen Patienten mit klaren Linsen, bei Hornhautnarben,
bei Hornhautödem (z. B. endotheliale Dystrophie) und bei sehr enger Pupille kann die Kapsel schlecht
sichtbar sein. In diesen Situationen hilft ein Anfärben der Kapsel mit Vision Blue. Als positiver Neben-
effekt wird die Elastizität der Kapsel selbst verändert, wodurch die Kontrolle der Rissführung erleichtert
wird. Vision Blue wird bevorzugt über eine Parazentese in die Vorderkammer gespritzt (mit oder ohne
Luftblase) und dort für ca. 20 s belassen. Danach wird der Farbstoff mit BSS ausgespült und die Vorder-
kammer mit einem Viskoelastikum gefüllt. Dank dem bläulichen Anfärben der Kapsel kann die Kapsul-
orrhexis deutlich kontrollierter erfolgen. Negative Konsequenzen durch die Verwendung des Farbstoffs,
z. B. Schädigung des Endothels, wurden bisher keine publiziert.
2.3 · Kapsulorrhexis
65 2
1. Frühes Erkennen (Akzeptieren, dass es passiert ist), alle Aktivitäten stoppen, Ruhe bewahren
3. Evtl. weitere Parazentese an der Stelle, die das beste Einreißen der Kapsel erlaubt
4. Re-Direktion der Kapsulorrhexis: Lappen der Kapsel entfalten und flach auf die Linsenoberfläche ablegen
5. Gebrauch der Pinzette und Anpacken des Lappens so nahe wie möglich an der Wurzel des Ausrisses
6. Zurückziehen des Lappens, zirkumferent, auf der horizontalen Kapselebene (dorthin, wo er herkam) unter
anschließend mehr zentral gerichtetem Zug
7. Fortfahren mit der Standardtechnik, wenn die Situation unter Kontrolle ist
Alternativen:
Vervollständigen der Kapsulorrhexis von der Gegenseite her
Anbringen eines Entlastungsschnittes mit einer Nadel oder Schere am Rand des Flaps
Wechsel zur »Büchsenöffnermethode«
2.4 Hydrodissektion
Videos auf DVD: Ï Hydrodissektion und Rotation der Linse, Ï Luxation der Linse bei der
Hydrodissektion, Ï Hydrodissektion bei maturer Katarakt
Für die nachfolgende Kernaufarbeitung muss die Rinde möglichst vollständig von der Kapsel gelöst sein.
Dies wird erreicht, indem der Rand der Kapsulorrhexis mittels Flachkanüle angehoben und Flüssigkeit
unter die Kapsel gespritzt wird (⊡ Abb. 2.4.1 und ⊡ Abb. 2.4.2). Die erfolgreiche »Hydrodissektion« wird
durch eine Dissektionswelle angezeigt, die wie eine Flutwelle um den Äquator herum und dann in der
Gegenrichtung über die hintere Kapsel läuft.
2 > Dabei muss der Linseninhalt wiederholt zart nach unten gedrückt werden, damit die Flüssig-
keit wieder über den Äquator in die Vorderkammer entweichen kann. Andernfalls kann das
sich hinter dem Linseninhalt ansammelnde Flüssigkeitsdepot die hintere Kapsel zum Platzen
bringen.
Bei einer bruneszenten und maturen Katarakt ist die Dissektionswelle nicht sichtbar. Hilfreiche Zeichen
für eine gute Hydrodissektion sind in diesem Fall das Anheben (Höhertreten) der Linse und ein zirku-
läres Hervortreten von Flüssigkeit unter dem Rand der Kapsulorrhexis. Bei der maturen Katarakt ist der
Kortex oft verflüssigt, weshalb eine minimale Hydrodissektion ausreichend sein kann.
> Es empfiehlt sich in jedem Fall, die Rotation der Linsen vor dem Beginn der Phakoemulsifikation
zu testen. Dies kann direkt mit der Kanüle der Hydrodissektion erfolgen.
Unvollständige Hydrodissektion
Leider gelingt die Ablösung der Rinde von der Kapsel nicht immer. Die Hydrodissektion muss dann
wiederholt werden, bis die Linse frei beweglich ist. In der Praxis wird die Hydrodissektion oft durch eine
Injektion zuerst bei 3 Uhr und dann eine weitere bei 9 Uhr durchgeführt. Durch diese 2-malige Injektion
wird die Ablösung in den meisten Fällen erzielt.
Oft bleibt die Linse superior, d. h. unter der Inzision, fixiert. In diesem Fall kann eine zusätzliche Pa-
razentese inferior bei 6 Uhr gesetzt werden, über die die Flachkanüle unter die superiore Kapsel gebracht
werden kann. Die anschließende Injektion von Flüssigkeit unter die Kapsel befreit den Nukleus vom
Kortex vollständig (⊡ Tab. 2.4.1).
Hydrodelineation
Gewollt, oder oft ungewollt, entsteht die Dissektionswelle nicht zwischen Kapsel und Kortex, sondern
im zentralen Kortex, oder zwischen Kortex und Epinukleus (⊡ Abb. 2.4.3), was als Hydrodelineation be-
zeichnet wird. Die Phakoemulsifikation kann wie gewohnt durchgeführt werden. Nach der Entfernung
der Kernfragmente bleibt posterior oft eine dicke Epinukleusplatte übrig. Diese lässt sich nur schlecht bei
der Irrigation und Aspiration mitentfernen. Es empfiehlt sich diese »Platte« mit dem Phakohandstück
bei niedriger Aspirationsrate, hoher Infusionsrate und minimaler Phako-Power (Epinukleus-Modus) zu
entfernen.
2.4 · Hydrodissektion
67 2
Kortex
Epinukleus
Nukleus
Nukleus
Epinukleus
c
Kortex
Hydrodissektion Komplikation
Unvollständig Nukleus lässt sich nicht rotieren
Zu schnell, zu stark Einreißen der hinteren Kapsel, Konversion zu ECCE nötig
Zu viel Druck auf den Nukleus Einreißen der hinteren Kapsel, Konversion zu ECCE
Zu viel Volumen Hydrierung des Nukleus und Prolaps in die Vorderkammer, dabei kann die
vorder Kapsel einreißen
Im Epinukleus (Hydrodelineation) Erschwerte Irrigation und Aspiration wegen einer Kortex-/Epinukleusschale,
Gefahr des hinteren Kapselrisses
2.5 Phakoemulsifikation
Beim Grooven wird eine spaltförmige Vertiefung im Zentrum der Linse hergestellt. Diese Rinne erstreckt
2 sich von einem Rand der Kapsulorrhexis bis zum gegenüberliegenden und ist etwa 1,5–2 Phakoendstücke
breit. Die Tiefe sollte mindestens den posterioren Anteil des Nukleus umfassen, i. Allg. gilt, je tiefer desto
besser.
> Die hintere Rinde der Linse sollte aber nicht vollständig entfernt werden, weil sie die hintere
Linsenkapsel während der Phakoemulsifikation schützen kann.
Die Phako-Power wird beim Grooven nur bei der Vorwärtsbewegung gebraucht. Sie wird mit dem Pedal
kontrolliert, und sollte für den Nukleus hoch, und für den peripheren, dünneren und feineren Linsen-
anteil geringer sein. Technisch ist das Grooven ein Mix aus Druck, der auf die Linse wirkt, und Phako-
Power, die per Fußpedal gesteuert wird (⊡ Abb. 2.5.1).
> Dabei sollte die Phako-Power gewählt werden, die nötig ist, um bei minimalem Druck auf die
Linse das Linsenmaterial bei der Vorwärtsbewegung effizient zu entfernen, ohne dabei die Linse
als Ganzes zu bewegen.
Starker Druck auf die Linsen kann bei schwachen Zonulafasern oder bei Zonuladialyse zu einem Ausrei-
ßen der Befestigung der Linse und somit zur Luxation der Linse führen.
Je nach Linsendichte und Erfahrung des Operateurs sind mehr oder weniger Wiederholungen dieser
»Schürfgänge« nötig, um die gewünschte Tiefe und Breite der Rinne zu erhalten. Anfänger benötigen bei
einer normalen Katarakt etwa 8 Wiederholungen. Bei einer ganz weichen Linse (z. B. clear lens extraction,
CLE) kann die Linse bereits nach 1–2 Durchgängen ausreichend gegroovt sein.
Für die Rotation der Katarakt muss die Rinde möglichst vollständig von der Kapsel gelöst sein (gute Hyd-
rodissektion). Den physikalischen Gesetzen folgend gelingt die Rotation besser, wenn die rotierende Kraft
möglichst entfernt vom Drehpunkt des Objektes ansetzt. Eine Rotation mit dem Chopper (⊡ Abb. 2.5.2)
nahe dem Zentrum der Linse gelingt sehr selten (⊡ Abb. 2.5.3), und übt zudem starke Kräfte auf die hin-
tere Kapsel aus, mit der Gefahr des Einreißens. Wird der Chopper zu weit in die Peripherie gedrückt, so
kann er die periphere Linsenkapsel aufschlitzen. Eine Konversion zur extrakapsulären Kataraktextraktion
(ECCE) mit Vectis (⊡ Abb. 2.5.4) kann dann unter Umständen nötig sein.
2.5 · Phakoemulsifikation
69 2
0 0
1 1
2 2
3 3
Fußpedal Fußpedal
a b c d
⊡ Abb. 2.5.2a–d. Chopper (a, b), Iris-Manipulator (c) und »Zweites Instrument« (d)
korrekt
inkorrekt
a b
Wenn der Graben tief genug ist, kann die Linse aufgespalten werden. Für das Cracken können ge-
genläufig arbeitende Pinzetten mit schaufelartigen Branchen, oder ein Chopper/Cleaver zusammen
mit dem Phakoendstück verwendet werden. Die Instrumente müssen möglichst tief in der Rinne
angesetzt und dann in der gleichen Ebene auseinander gedrückt werden (⊡ Abb. 2.5.5a). Dadurch
wirkt die Kraft vorwiegend auf die Seitenwände und führt zu einem erfolgreichen Aufreißen der
noch bestehenden »Linsenbrücke« im posterioren Anteil der Rinne, und somit zur Teilung der Linse.
Werden die Instrumente nicht tief genug angesetzt, so bewirkt die trennende Kraft nur ein Ausein-
anderklappen der beiden Kernhälften, und die in der Tiefe gelegene Substanzbrücke agiert nur wie
ein Scharnier. Der Druck, der dann auf die Linse wirkt, kann zu einer hinteren Kapselruptur führen
(⊡ Abb. 2.5.5b).
Für die Aspiration von Kernfragmenten ist zunächst wichtig, dass das Kernfragment fest an der Phakos-
pitze angesaugt, durch den Sog an die Phakospitze gedrückt wird (»holdability«). Nur dadurch wird der
notwendige »Kraftschluss« erreicht, der dazu führt, dass die Phakospitze das Fragment emulsifiziert, statt
es nur wegzustoßen (Repulsion).
Eine erfolgreiche Aspiration setzt die Kenntnis der physikalischen Zusammenhänge und die Ana-
lyse der Phakoinstrumente voraus. Je nach Vorlieben des Operateurs können verschiedene Endungen
(»Tips«) am Phakohandstück zur Anwendung kommen. Der wesentliche Unterschied liegt im Winkel
(»Anschliff«) der Aspirationsöffnung. Er kann zwischen 0° und 45° gewählt werden.
> Damit durch die Aspiration ein Linsenfragment gut fixiert und durch den resultierenden
Kraftschluss effizient emulsifiziert werden kann, muss die ganze Aspirationsöffnung durch
das Linsenfragment okkludiert werden.
Dazu muss der Anschliff der Aspirationsöffnung mit der Spitze oder der Seitenfläche des Linsenfragments
zur Deckung gebracht, an dieses »angedockt« werden (⊡ Abb. 2.5.6 oben). Nur so kann das Phakogerät
ein stabiles und hohes Vakuum aufbauen, das für das spätere Choppen benötigt wird. Meistens müssen
die Linsenfragmente mit dem Chopper in die richtige Stellung rotiert werden, damit das Ansetzen des
Phakoendstücks optimal erfolgen kann. Es spielt auch eine Rolle, auf welcher Tiefe das Phakoendstück
angesetzt wird. Ziel ist es, den Druck auf die hintere Kapsel zu reduzieren, und die Fragmente nach ante-
rior zu bewegen. Dies gelingt am besten, wenn das Fragment in seiner Mitte oder im posterioren Drittel
aspiriert wird (⊡ Abb. 2.5.7e,f ).
Eine weitere Möglichkeit das Linsenfragment zu fixieren besteht darin, dass sich die Spitze des Pha-
koendstücks durch leichte Phakoemulsifikation (»Anschallen«) an einer beliebigen Stelle in das Fragment
»hineinfrisst« (⊡ Abb. 2.5.6 jeweils untere Endstückposition). Weil das Endstück nach dem Anschallen
von Linsenmaterial umgeben ist, kann eine gute Okklusion aufgebaut werden.
Den Flüssigkeitsstrahl der Irrigation aus den Öffnungen des Überwurfschlauches (sleeve) proximal
der Phakospitze kann man sich auch für die Bewegung der Linsenfragmente zu Nutze machen. Erfolgt
die Irrigation in der Vorderkammer, so werden die Fragmente v. a. von anterior nach posterior gespült.
2.5 · Phakoemulsifikation
71 2
0° 45°
0° 45°
a gute Okklusion
⊡ Abb. 2.5.4. Vectis für ECCE
45° 0°
45° 0°
b schwierige Okklusion
schlecht
a
a b
akzeptabel
inkorrekt
c d
gut
b
Erfolgt die Irrigation tief im Kapselsack, so können umgekehrt die Linsenfragmente nach anterior zum
Rand der Kapsulorrhexis oder in die Vorderkammer gespült werden, wo sie dann leichter phakoemulsi-
fiziert werden können.
Für das Choppen muss das Linsenfragment gut fixiert (aspiriert) werden. Die ideale Aspirationsstelle
ist in der Mitte oder im Bereich des lateralen Drittels des Linsenfragments (⊡ Abb. 2.5.8a). Gelegentlich
gelingt die Fixation des Linsenfragments besser, wenn durch leichte Phakoemulsifikation das Phakoend-
stück in das Fragment »eingegraben« (»angeschallt«) wird. Dann wird der Chopper unter und hinter den
Rand der Kapsulorrhexis geführt (⊡ Abb. 2.5.8a), ohne dabei das Fragment nach peripher oder nach unten
zu drücken (Loslösen der Fixation). Der Chopper wird anschließend in direkter Richtung auf das Phako-
endstück hin gezogen, entweder zu dessen Spitze oder zu dessen Seite (⊡ Abb. 2.5.8b). Dadurch entsteht
2 eine Rinne im Linsenfragment. Der Chopper wird dann auf die linke Seite und das Phakoendstück auf
die rechte Seite bewegt, wodurch sich die Rinne zu einem Spalt erweitert (⊡ Abb. 2.5.8c). Der Spalt teilt
das Fragment in ein größeres (2/3) und in ein kleineres Linsenstück (1/3). Das kleine Linsenstück wird
emulsifiziert, wodurch etwas Platz im Kapselsack frei wird. Das größere Linsenstück wird um 60° (im
Uhrzeigersinn) rotiert, so dass es senkrecht zum Phakoendstück zu liegen kommt. Der oben beschrieben
Spaltprozess wird wiederholt, bis alle Teilstücke emulsifiziert werden konnten. Für die vollständige Ent-
fernung einer Hälfte einer Linse sind je nach Katarakt 3–4 Spaltungen nötig.
Bei der Phakoemulsifikation nach dem Prinzip von »Divide and Conquer« wird der Nukleus in 4 Teile
(»Quadranten« oder »Tortenstücke«) zerlegt (divide). Jedes der Teile wird anschließend einzeln aufge-
arbeitet (conquer) und entfernt. Bei Beginn wir das Phakogerät auf Programm 1 gestellt (Grooving).
Ein erster, tiefer Graben vom proximalem bis zum distalen Rand der Kapsulorrhexis wird hergestellt
(⊡ Abb. 2.5.9a). Danach wird der Kern um 90° rotiert (⊡ Abb. 2.5.9b). Ein zweiter Graben wird im rech-
ten Winkel zum ersten erstellt. Dieser beginnt im Zentrum des Kerns und reicht bis an den Rand der
Kapsulorrhexis. Der Kern wird dann um 180° gedreht und ein dritter Graben, analog zum zweiten, wird
hergestellt. Alle 3 Gräben zusammen weisen die Form eines »Schweizer Kreuzes« auf (⊡ Abb. 2.5.9d), das
die Linse in 4 Quadranten aufteilt. Die Quadranten werden dann durch das Cracken, das Sprengen der
posterioren Linsenbrücken, separiert (⊡ Abb. 2.5.9e,h). Für die anschließende Entfernung der Quadran-
ten wird am Phakogerät auf das Programm 2 umgestellt (Nucleus Removal). Die Phakoemulsifikation
der Quadranten sollte auf der Ebene des Diaphragmas (Iris/Kapsulorrhexis) stattfinden (⊡ Abb. 2.5.9i),
wodurch das Endothel und der Kapselsack gleichermaßen geschützt sind. Solange ein Linsenfragment im
Kapselsack verbleibt, ist die hintere Linsenkapsel in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt und kann, v. a. bei
Okklusionsbruch (surge), nicht aspiriert und verletzt werden.
> Bei der Phakoemulsifikation des letzten Fragmentes wird der Chopper zwischen die hintere
Kapsel und das Phakoendstück platziert, um eine mögliche anteriore Bewegung der hinteren
Kapsel einzuschränken.
Nach der Entfernung aller 4 Quadranten verbleibt oft eine Epinukleusschale. Diese kann durch sorgfäl-
tiges Aspirieren mit dem Phakoendstück entfernt werden. Dazu muss das Phakogerät auf Programm 3
(Epinucleus Removal) umgestellt werden. Mit zunehmender Erfahrung lassen sich die möglichen Schwie-
rigkeiten während der Phakoemulsifikation (⊡ Tab. 2.5.1) gut meistern.
2.5 · Phakoemulsifikation
73 2
1/3
2/3
⊡ Abb. 2.5.8a–c.
Prinzip des »Choppen« bei der
a b c Technik »Stop and Chop«
Iris
Pupille
Kapsulorrhexis
a b
d e
f g
Die Technik des »Stop and Chop« eignet sich v. a. bei Linsen mit fortgeschrittener Kernsklerose und
soliden Linsenfragmenten. Zu Beginn wird ein (erster) tiefer Graben erzeugt, wie bei »Divide and
Conquer« (⊡ Abb. 2.5.10a). Der Graben teilt die Linse in 2 Hälften. Diese beiden Hälften werden durch
direktes, oder gekreuztes Cracken voneinander getrennt (⊡ Abb. 2.5.10b). Für die anschließende Rotation
der Hälften um 40–60° wird eine gute Hydrodissektion vorausgesetzt. Nach der Rotation verlässt man die
Technik nach »Divide and Conquer«, es erfolgt sozusagen ein »Stop«.
Die verbleibenden Linsenfragmente werden nun durch »Choppen« entfernt. Dafür wird das Phako-
gerät auf Programm 2 umgestellt (Nucleus Removal). Jede der beiden Hälften wird mehrmals mit dem
Chopper/Cleaver aufgespalten (⊡ Abb. 2.5.10c). Die kleinen Linsenfragmente werden nacheinander emul-
sifiziert. Der entstehende Freiraum ist hilfreich bei der Rotation und Manipulation der verbleibenden
Fragmente. Bei der Phakoemulsifikation der letzten Fragmente (⊡ Abb. 2.5.11) kann der Chopper wieder
zum Schutz der Kapsel hinter das Phakoendstück platziert werden.
2
Technik »Direct Chop«
Bei der Technik des »Direct Chop« wird vollständig oder beinahe vollständig auf die Grabenbildung
(Grooven) verzichtet. Das Phakoendstück wird im Phakoprogramm 2 (Nucleus Removal) tief in das
Zentrum der Linse »eingegraben«. Dies sorgt für eine Fixation der Linse am Phakoendstück. Der Chop-
per oder Cleaver wird hinter das Phakoendstück, unter den distalen Rand der Kapsulorrhexis geführt,
die Linse quasi gegen peripher-posterior »umfasst«. Dann wird der Chopper in einer geraden Linie zum
Linsenzentrum (Phakoendstück) hin gezogen, was zu einer Rinne in der Linse führt (⊡ Abb. 2.5.12). Wenn
der Cleaver beim Phakoendstück angelangt ist, wird der Cleaver nach links und das Phakoendstück nach
rechts bewegt. Diese gegenseitige Bewegung führt zu einem zuerst distalen Aufspalten der Linse entlang
der vorher produzierten Rinne. Durch ein weiteres, tieferes und proximaleres Spreizen der beiden ent-
standenen Hälften wird sichergestellt, dass die Trennung der Linsenhälften vollständig ist (⊡ Abb. 2.5.10c).
Anschließend erfolgt eine Rotation um 40–60° im Uhrzeigersinn. Der Vorgang des Choppens wird wie-
derholt, bis alle Linsenfragmente emulsifiziert werden konnten.
Bei sehr jungen Patienten und bei der »clear lens extraction« versinken die Instrumente beim Cracken
und Choppen in den weichen Linsenfragmenten, wodurch die Technik nach »Divide and Conquer« sehr
schwierig anzuwenden ist. Diese sehr weichen Linsen können meistens ohne Phakoemulsifikation, ledig-
lich durch Aspiration entfernt werden, wozu das Phakoendstück (Phakoprogramm 2, Nucleus Removal)
oder die Aspirationskanüle verwendet werden kann. Dabei entsteht oft ein zentraler Krater mit einer
»Kortexschale«, die vorsichtig gewendet und entfernt werden kann. Der großzügige Einsatz von Visko-
elastikum wird empfohlen bei der Drehung der »Kortexschale« sowie bei der Aspiration.
2.5 · Phakoemulsifikation
75 2
a b c
⊡ Abb. 2.5.11. Technik »Stop and Chop« (letzte Fragmente) ⊡ Abb. 2.5.12 Technik »Direct Chop«
76 Kapitel 2 · Operation
Die Häufigkeit eines intraoperativen Kapselrisses liegt bei 5–10% bei ECCE (extrakapsulärer Katarak-
textraktion), bei 1–3% bei Phakoemulsifikation, und bei weniger als 1% bei erfahrenen Operateuren.
Bei maturer Katarakt sind die kapsulären Komplikationen häufiger: In 10% der Fälle bei erfahrenen
Chirurgen bei gleichzeitig bestehender Pseudoexfoliation, und in 3–4% der Fälle, wenn keine weiteren
Schwierigkeiten vorhanden sind. Kapselrisse sind häufiger beim hinteren Polstar (30%), weil dort präfor-
mierte Löcher in der hinteren Kapsel bereits bei der Hydrodissektion zum Einreißen der Kapsel führen
können. Kapselrupturen sind häufiger beim »Grooven« (33%) und »Cracken« (33%), seltener bei der Ent-
fernung von Linsenfragmenten (24%); und relativ selten bei der Hydrodissektion (2%). Vorbestehende
Kapseldefekte (⊡ Tab. 2.5.2) finden sich bei intrauterinem Insult, bei penetrierenden Augenverletzungen
und bei stumpfem Augentrauma. Eine sorgfältige (Trauma-)Anamnese kann dieses Operationsrisiko bei
der Voruntersuchung erfassen.
2 > Es gibt viele Zeichen, die auf einen Riss in der hinteren Kapsel (posterior capsular ruptur,
PCR) während der Operation hinweisen, oder einen solchen beweisen (⊡ Tab. 2.5.3). Diese
Zeichen müssen frühzeitig erkannt werden, so dass die notwendigen Maßnahmen recht-
zeitig und in der richtigen Reihenfolge getroffen werden können.
Etwa bei jedem zweiten hinteren Kapselriss kommt es zu einem Glaskörperverlustes. Damit ist ein Glas-
körperprolaps in den Kapselsack und in die Vorderkammer gemeint. Durch einen Glaskörpervorfall kann
die Operation deutlich erschwert werden. Oft blockieren Glaskörperstränge die Aspirationsöffnung und
machen die Phakoemulsifikation und Irrigation/Aspiration unmöglich.
Ein vorgefallener Glaskörper muss meistens entfernt werden. Dies erfolgt durch eine vordere Vit-
rektomie. Durch die Zugwirkung am Glaskörper bei der Phakoemulsifikation und bei der Vitrektomie
erhöht sich das Risiko von Netzhautrissen, die zu einer Netzhautablösung führen können.
Eine zusätzliche Komplikation nach hinterem Kapselriss ist der Verlust von Linsenfragmenten in den
Glaskörperraum (bei 0,3% aller Kataraktoperationen). Dabei sollte nicht versucht werden, das Fragment
mit dem Phakoendstück oder einem anderen Instrument aus dem Glaskörperraum »herauszufischen«.
Die Entfernung eines tief abgesunkenen Linsenfragments sollte dem retinalen Chirurgen überlassen
werden, der dazu eine Pars-plana-Vitrektomie durchführt.
Die noch vorhandenen Kernfragmente sollten alle entfernt werden, ebenso der Kortex.
> Die Aufgabe des Kataraktchirurgen zum Zeitpunkt des Verlustes besteht darin, die Situation
so gut wie möglich »aufzuräumen« und zu »sichern«.
Eine vordere Vitrektomie ist nötig, um die Glaskörperstränge zu durchtrennen und den vorgefallenen
Glaskörper aus der Vorderkammer zu entfernen. Einige Netzhautchirurgen ziehen es vor, dass gleich
primär eine Intraokularlinse implantiert wird (in den Sulkus). Die Wunde sollte durch eine Nylon-10/0-
Naht gesichert werden. Es darf kein Glaskörper in der Wunde eingeklemmt bleiben.
Noch am gleichen Tag sollte mit dem Netzhautspezialisten das weitere Vorgehen geplant werden. In
der Regel wird innerhalb einiger Tage die Vitrektomie durchgeführt. Nach der Operation sollten groß-
2.5 · Phakoemulsifikation
77 2
Dynamik bei der Vergrößert sich bei der Irrigation und Aspiration Bleibt stabil bei der Irrigation und
Irrigation und Aspiration
Aspiration
Veränderte Fluidics in der Vorderkammer 1. Stopp der Phakoemulsifikation und der Aspiration
Pupillenerweiterung, gefolgt von Verengung 2. Fußpedal auf Position 1 (nur Irrigation), Senken der
(pupil-snap sign; Yeoh 1996) Infusionsflache
Plötzliches Tieferwerden der Vorderkammer 3. Entfernen des zweiten Instruments und Injektion
Linsenfragmente werden aus dem Kapselsack gespült eines (dispersiven) Viskoelastikums über den Kapsel-
Kernfragmente bewegen sich in einem »erweiterten defekt zur Stabilisierung der VK und Tamponade des
Raum« Glaskörpers
Schwierigkeiten bei der Aspiration und Phako- 4. (Senken der Irrigationsflasche auf 20–40 cm)
emulsifikation von Nukleusfragmenten (Glaskörper- 5. Entfernen des Phakoendstücks
inkarzeration) 6. Alle Manöver vermeiden, die am Glaskörper ziehen
Plötzlicher Verlust des Rotreflexes (Risiko des Netzhautrisses)
Intraokulare Linse kann im Kapselsack nicht richtig 7. Evaluieren der Situation und des weiteren Vorgehens!
zentriert werden
78 Kapitel 2 · Operation
zügig topische Steroide, z. B. Dexamethason 1% 6-mal/Tag bis 2-stündlich, sowie nichtsteroidale An-
tiphlogistika, z. B. Ketorolac 0,5% 4-mal/Tag, getropft werden. Ebenso ist eine sorgfältige Kontrolle des
Augendrucks nötig. Bei Bedarf sollten neben topischen auch orale Antiglaukomatosa, z. B. Acetazolamid
bis 3-mal 250 mg/Tag, verabreicht werden (⊡ Tab. 2.5.4).
Vordere Vitrektomie
Durch die vordere Vitrektomie wird der Glaskörper aus der Vorderkammer und dem Kapselsack ent-
fernt. Verschiede Techniken sind möglich. In Europa hat sich v. a. die bimanuelle vordere Vitrektomie
mit Aspiration und Irrigation via 2 separate Parazentesen etabliert (wegen der Irrigation auch »feuchte
Vitrektomie« genannt, ⊡ Tab. 2.5.5 und ⊡ Tab. 2.5.6).
Bei kleinen Rissen mit minimalem Glaskörperverlust kann auch eine »trockene« vordere Vitrektomie
durchgeführt werden (Füllen der Vorderkammer mit einem dispersiven Viskoelastikum, Entfernen des
2 Glaskörpers mit dem Cutter ohne Infusion). In den USA führen erfahrene Kataraktchirurgen oft eine
Pars-plana-Vitrektomie durch. Dabei wird die Infusion durch eine der Parazentesen in die Vorderkam-
mer geleitet, während der Cutter via pars plana (3,5 mm hinter dem Limbus) eingeführt wird. Diese
Technik erlaubt einen geregelten Fluss der Irrigationsflüssigkeit von der Vorderkammer in Richtung
Glaskörperraum.
Kontrolle Maßnahmen
Augendruck Acetazolamid (Diamox) Tbl. 250 mg 3-mal/Tag für die ersten 2 Tage
(erhöht?)
Bemerkung:
Der Augendruck kann erhöht sein wegen Verbleiben von Viskoelastikum in der Vorderkammer,
Entzündungen oder nach Injektion von Steroiden
Netzhaut In Mydriasis
(Risse?) Früh postoperativ (idealerweise am 1. postoperativen Tag) und vor Abschluss der Behandlung
Ganze Peripherie untersuchen
2.5 · Phakoemulsifikation
79 2
⊡ Tabelle 2.5.5. Überlegungen und Maßnahmen, die eine vordere Vitrektomie begleiten
Erste Reaktion: wie bei »Zeichen und erste Maßnahmen beim hinteren Kapselriss« (⊡ Tab. 2.5.3)
Situation einschätzen: Wie viel Kern ist noch übrig? Wo ist der Riss? Sind Fragmente in den Glaskörper entwichen?
Management der restlichen Fragmente: Schmale Fragmente sollten vom Riss durch Injektion eines Viskoelastikums
wegbewegt werden; wenn möglich gleich aus dem Auge heraus durch die (erweiterte) Inzision. Es ist sicherer, nur den
vorderen Abschnitt zu behandeln (kein Einfangen von nach posterior entwichenen Fragmenten), und dann den hinteren
Abschnitt einem vitreoretinalen Chirurgen zu überlassen
Die Implantation einer Linse kann in den Kapselsack erfolgen, wenn der Riss in der hinteren Kapsel mit Hilfe einer Utrata-
Pinzette in eine (stabile) posteriore Kapsulorrhexis umgewandelt werden konnte. Ansonsten sollte die Linse bei intakter
vorderer Kapsulorrhexis in den Sulkus implantiert werden (evtl. eingeklemmt; captured). Für eine Sulkusfixation sollte die
Linsenstärke neu angepasst werden. Für die neue Linsenstärke wird vom berechneten Wert für die alte Linse ein Wert von
0,5 dpt abgezogen (20,0 dpt wird zu 19,5 dpt). Bei ausgedehnten Kapseldefekten sollte die intraokulare Linse sekundär
implantiert werden
Entfernen des Viskoelastikums aus der Vorderkammer, nicht aber des Anteils, der hinter der Linse ist. Dann Injektion von
Acetylcholin (Miochol) in die Vorderkammer. Sollte die Pupille nicht eng und rund werden, ist dies ein Hinweis für weitere
Glaskörperstränge, die mit dem Cutter entfernt werden müssen. Kontrolle auf Glaskörperstränge auch im Bereich der
Inzisionen
Infusion vom Vitrektomie-Cutter separieren. Separate Irrigation via Parazentesen mit Fluss in Richtung des Kammer-
winkels, dadurch weniger Turbulenzen in der Vorderkammer, bessere Dichtigkeit und geringeren anteriore-posteriore
Bewegungen der hinteren Linsenkapsel
Phakogerät-Einstellungen: geringer Fluss, geringe Aspiration (150–200 mmHg), hohe Cutter-Frequenz (600–700 cuts/
min, dadurch geringere retinale Traktion), cut-I/A-Modus
Glaskörper visualisieren, evtl. mit Triamcinolon (Burke SE, JCRS, 2003: Kenalog 1:1 mit BSS)
Der Cutter wird durch den Riss in den Glaskörper gebracht und auf den Sehnnerv ausgerichtet. Die Cutteröffnung zeigt
nach anterior und liegt posterior der hinteren Kapsel. Dadurch wird der prolabierte Glaskörper aus der Vorderkammer
entfernt und zurück in den Glaskörperraum versetzt
Ganzer vorderer Glaskörper entfernen. Restliche Linsenfragmente im Kapselsack können ebenfalls mit dem Cutter ent-
fernt werden (300 cuts/min, Vakuum erhöht, I/A-cut-Modus). Entfernen des Epinukleus durch Aspiration mit dem Cutter
oder mit den Irrigationsinstrumenten
Kontrolle auf Glaskörperfäden in der Vorderkammer: Kanüle durch die Vorderkammer schwenken; mit Tupfer die
Wunde kontrollieren. Bei Glaskörperresten Wiederholen der Vitrektomie
Videos auf DVD: Ï Bimanuelle Irrigation und Aspiration, Ï Bimanuelle Irrigation und
Aspiration (Seitenansicht), Ï Irrigation und Aspiration mit der Simcoe-Kanüle, Ï Irrigation und
Aspiration einhändig via Inzision, Ï Irrigation und Aspiration mit gekrümmter Kanüle, Ï Politur
der anterioren Linsenkapsel, Ï Irrigation und Aspiration bei Augen nach Vitrektomie, Ï Hintere
Kapselruptur bei der Irrigation und Aspiration, Ï Vordere Kapselruptur nach der Irrigation und
Aspiration
Nach der Phakoemulsifikation des Nukleus folgt die Entfernung des verbleibenden Kortex mit der Tech-
nik der Irrigation und Aspiration (I/A). Nicht vollständig entfernter Kortex kann den Visus beeinträch-
tigen und zu starken Vorderkammerreizungen führen. Für die Durchführung der I/A gibt es verschiedene
Techniken mit unterschiedlichen Instrumenten (⊡ Tab. 2.6.1).
2
Einhändige I/A mit Simcoe oder Ogawa Handstück (18 G, 1,2 mm)
Diese Technik ist in den angelsächsischen Ländern sehr verbreitet. Für die Entfernung des Kortex wird
eine gekrümmte Kanüle verwendet, die an der Spitze eine seitliche Öffnung für die Irrigation und eine
nach oben gerichtete Öffnung für die Aspiration besitzt (⊡ Abb. 2.6.1). Die Irrigation ergibt sich passiv via
Infusionsflasche (Stärke der Irrigation durch Höhe bestimmt) oder aktiv via Phakogerät. Die Aspiration
wird durch das manuelle Zurückziehen des Kolbens einer 10-ml-Spritze erzeugt. Die I/A mit Simcoe
kann über die Hauptinzision und/oder über die Parazentese erfolgen. Nur eine einzige Parazentese ist
nötig, wenn diese etwa 120° von der Hauptinzision entfernt ist. Damit kann der ganze Kapselsack gut
erreicht werden.
Bei diesem Instrument erfolgt die Aspiration über eine Öffnung an der Spitze, die je nach Instrument
gerade, 45° oder 90° abgewinkelt ist. Die Infusion erfolgt über das gleiche Instrument via Überwurf-
schlauch aus Silikon oder Überwurfrohr aus Metall, jeweils aus 1–2 seitlichen Öffnungen (⊡ Abb. 2.6.2).
Das Instrument hat einen Durchmesser von ca. 1,6 mm und muss über die Hauptinzision in das Auge
eingeführt werden. Weil das koaxiale I/A-System schmaler als das Phakoendstück ist, kommt es gele-
gentlich zu einem Flüssigkeitsstrom aus dem Auge, links und rechts am Instrument vorbei. Dies kann
zum Kollabieren des Kapselsacks führen, wodurch die I/A erschwert wird. Weil das Instrument nur
durch einen Eingang ins Auge gelangt (meistens superior), kann zudem die I/A des wundnahen Kortex
schwierig sein. Die Verwendung einer Spitze mit 90°-Krümmung erleichtert in diesem Fall die I/A
(⊡ Abb. 2.6.3).
Bei der bimanuellen Technik wird die Irrigation und Aspiration auf 2 separate Kanülen aufgetrennt.
Dafür müssen 2 Parazentesen, am besten gegenüberliegend, jeweils 90° von der Hauptinzision entfernt,
gesetzt werden. Diese Parazentesen können sehr schmal sein (0,6 mm, z. B. via MVR-Blade). Ein großes
Sortiment von Kanülen mit verschiedenen Handstücken und Endungen ist erhältlich, z. T. mit aufgerau-
2.6 · Irrigation und Aspiration (I/A) des Kortex
81 2
Prinzip Irrigation passiv aus Flasche Irrigation und Aspiration Irrigation und Aspiration
(Gravitation) oder aktiv via werden durch das werden durch das
Phakogerät, Aspiration von Phakogerät gesteuert Phakogerät gesteuert
Hand via Spritze (automatisiert) (automatisiert)
Vorteile Braucht keine Geräte Irrigation und Aspiration via Feinere Instrumente
Gute Aspiration, auch ohne Hauptinzision Aspirationskanüle z. T. mit
Irrigation möglich Keine Parazentesen nötig rauer Spitze für das Polieren
Nur eine Parazentese nötig Verschiedene, austausch- der Kapsel
bare Spitzen erhältlich
(z. B. 45° oder 90°)
Nachteile Weite Parazentese, schlech- Nur via Hauptinzision Zwei Parazentesen nötig
terer Wundverschluss verwendbar Aspirationskanüle oft
Kontrolle der Aspiration via Kollabieren des Kapselsacks sehr fein, kann deshalb
Spritze wegen Flüssigkeitsausstrom verstopfen
bei Undichtigkeit
Aspiration bei der Seite der
Inzision schwierig
Spitze
von oben
Spitze
von unten
Öffnung
⊡ Abb. 2.6.2. Koaxiales I/A-Handstück mit auswechselbaren ⊡ Abb. 2.6.3. Koaxiales, automatisiertes I/A-Handstück
Spitzen (Oertli)
82 Kapitel 2 · Operation
ter Spitze, die eine Kapselpolitur ermöglicht (⊡ Abb. 2.6.4, ⊡ Abb. 2.6.5 und ⊡ Abb. 2.6.6). Nach der Aspi-
ration einer Kortexhälfte werden die Kanülen gegeneinander vertauscht, so dass die zweite Hälfte des
Kortex besser aspiriert werden kann.
Die Irrigation und Aspiration (I/A) wird ermöglicht durch das Zusammenspiel von 5 Hauptfaktoren: Sta-
bile Vorderkammer, Ansatzpunkt der Kanüle am Kortex, Zugrichtung, Zuggeschwindigkeit und Aspira-
tionsstärke (Pedale). Für eine optimale I/A gilt es, dieses Zusammenspiel zu perfektionieren (⊡ Tab. 2.6.2).
Wird nur einer der Faktoren schlecht kontrolliert, so gelingt die I/A schlecht. Ein Beispiel: Ist die Zugge-
schwindigkeit zu schnell, reißt die Verbindung zum Kortex ab; ist sie zu langsam, so lässt sich der Kortex
nicht von der Kapsel ablösen.
2
I/A bei hypermaturer Katarakt
Bei der hypermaturen Katarakt ist ein großer Anteil des Kortex verflüssigt, so dass eine I/A überflüssig
sein kann.
Bei Patienten mit hinterer, subkapsulärer Katarakt bleibt nach der Entfernung des Nukleus oft eine
»Kruste« auf der hinteren, zentralen Kapsel übrig. Diese kann mit der rauen Spitze der bimanuel-
len Aspirationskanüle, oder durch einen speziellen »Polisher« vorsichtig entfernt (poliert) werden
(⊡ Abb. 2.6.6.). Dabei ist eine stabile Vorderkammer sehr wichtig (evtl. Injektion eines Viskoelastikums).
Alternativ können adhärente Linsenfasern auch mit dem scharfen Strahl aus einer Kanüle aufgespritzt
und dann unter gleichzeitigem Ansaugen der umgebenden Kapsel zwecks Erreichen der Okklusion
mit niedrigem Vakuum abgeschält werden (cortex peeling). Einige Trübungen lassen sich sehr schwer
entfernen. Erfahrene Chirurgen können eine primäre hintere Kapsulorrhexis (PCCC) durchführen.
Diese entfernt die Trübungen zusammen mit der Kapsel. Grundsätzlich kann aber auch zugewartet
werden. Eine störende axiale Kapseltrübung lässt sich im späteren Verlauf durch eine Nd:YAG-Laser-
Kapsulotomie entfernen.
Viele Patienten wissen oft nicht, ob sie eine Vitrektomie hatten. Suspekt sind die Patienten, die in ihrer
Anamnese eine Netzhautchirurgie (Amotio retinae), Makulachirurgie (Makulaloch) oder Glaskörperchi-
rurgie (Blutung bei diabetischer Retinopathie) angeben. Durch die Entfernung des Glaskörpers, der nor-
malerweise v. a. in jungen Jahren durch das Wieger-Ligament eine Verbindung zur hinteren Linsenkapsel
hat, kommt es zu einer frei nach anterior flatternden hinteren Linsenkapsel. Diese stülpt sich gerne in den
Kapselsack und wird daher leicht versehentlich mit der Kanüle aspiriert oder sogar perforiert.
> Die I/A sollte bei Patienten nach Vitrektomie mit Vorsicht durchgeführt werden.
2.6 · Irrigation und Aspiration (I/A) des Kortex
83 2
Öffnung
⊡ Abb. 2.6.4. Kanüle für die Irrigation bei bimanueller I/A ⊡ Abb. 2.6.5. Kanüle für die Aspiration (mit rauer Spitze) bei
bimanueller I/A
⊡ Tabelle 2.6.2. Fünf Faktoren für eine gute Technik der Irrigation und Aspiration
Faktoren Technik
Vorderkammerstabilität Instrumente nicht auf das Auge oder die Parazentesen drücken, keine
Querbewegungen
Regulation der Irrigation durch Bestimmen der Flaschenhöhe
Zugrichtung Die primäre Zugrichtung ist zum Zentrum des Kapselsacks, zuerst leicht nach
posterior, dann nach anterior gerichtet
Eine bogenförmige Zugrichtung, im Kapselsack entlang der Kapsulorrhexis, ist
auch sehr effizient
Die meisten Schwierigkeiten lassen sich durch eine korrekte Technik umgehen oder durch die richtige
Maßnahme beheben (⊡ Tab. 2.6.3).
Komplikationen
Die schwerste Komplikation bei der I/A ist die Perforation der hinteren Kapsel. Gelegentlich wird die
Kapsel bei der I/A in die Aspirationsöffnung gesogen. Dies alleine führt meistens noch nicht zu einer
Beschädigung der Kapsel.
> Die Kapselruptur entsteht erst, wenn bei aspirierter Kapsel die Kanüle weggezogen wird. Dies
muss unbedingt verhindert werden.
2 Die korrekte Vorgehensweise ist: Ruhe bewahren, Instrumente nicht bewegen, Aspiration herunterfah-
ren, evtl. auf Reflux umschalten, die Aspirationskanüle langsam in die Vorderkammer ziehen und die
Kapsel auf Schäden kontrollieren. Perforationen können auch entstehen, wenn die Instrumente wegen
falscher Handhabung die Kapsel durchstechen, oder druckbedingt einreißen. Weiter Komplikationen
sind Beschädigungen der Iris (Blutung in die Vorderkammer; Aussetzen der Operation und Ausspülen
mit Irrigationslösung bis die Blutung sisitiert), Einreißen der vorderen Linsenkapsel (vorsichtiges Wei-
terführen der I/A, um Ausdehnung des Risses nach posterior zu vermeiden), Zonuladialyse (selten; vor
Fortführung der Operation den Kapselsack mit Irishaken stabilisieren) und Verbleiben von Kortexresten
(⊡ Abb. 2.6.7; verstärkte postoperative Vorderkammerreizung; bei anhaltendem Entzündungszustand
oder Sehbeeinträchtigung Durchführung einer Pars Plana Vitrektomie).
2.6 · Irrigation und Aspiration (I/A) des Kortex
85 2
⊡ Tabelle 2.6.3. Schwierigkeiten und Maßnahmen bei der Irrigation und Aspiration
Schwierigkeiten Maßnahmen
Verstopfte Kanüle Entfernen aller großen und soliden Linsenfragmente mit dem Phakoendstück
(via Phakoemulsifikation)
Reflux via Phakopedal oder mittels Spritze und BSS
Wechseln der Kanüle
2.7 Linsenimplantation
Videos auf DVD: Linsenimplantation Standard: Ï Erweitern der Inzision vor Linsenimplantation,
Ï Laden des Monarch-II-Injektors (Alcon), Ï Implantation einer SA60AT-Intraokularlinse (Alcon),
Ï Implantation einer SN60AT-Intraokularlinse (Blaufilter, Alcon), Ï Implantation einer SN60AT-
Intraokularlinse (Alcon, Seitenansicht), Ï Laden des Unfolder-Injektors (AMO), Ï Implantation
einer AR40e-Intraokularlinse (AMO), Ï Laden des Akreos-Injektors (B&L), Ï Implantation einer
Akreos-Adapt-Intraokularlinse (B&L), Ï Implantation einer SA60AT-Intraokularlinse (Alcon) via
2,2-mm-Inzision, Ï Linsenimplantation nach der Technik »Button Holing« (Menapace), Ï Falten
einer Intraokularlinse mit der Pinzette, Ï Implantation einer Intraokularlinse mit der Pinzette,
Ï Implantation einer Intraokularlinse in den Sulkus
Linsenimplantation Spezial: Videos auf DVD: Ï Implantation einer Artisan-Intraokularlinse (Ophtec),
Ï Implantation einer Artiflex-Intraokularlinse (Ophtec), Ï Linsenimplantation bei der Verwendung
von Irishaken, Ï Implantation einer torischen Intraokularlinse, Ï Implantation einer phaken
2 Intraokularlinse (ICL, Staar), Ï Sklerales Einnähen einer nichtfaltbaren Intraokularlinse, Ï Austauschen
einer Intraokularlinse, Ï Implantation einer Irisblende, Ï Implantation eines Kapselspannringes
Die Linsenimplantation wird bestimmt durch den Verlauf der Operation (Kapselriss, Verlust von Linsen-
material, Blutungen), durch den Ort der Implantation (Kapselsack, Sulkus, Vorderkammer, ⊡ Tab. 2.7.1)
und den Linsentyp (faltbare Linse, Injektorsystem, Linse mit künstlicher Iris).
> Auf eine Linsenimplantation sollte primär verzichtet werden, wenn im Moment der Katarakt-
operation keine Garantie für eine stabile Fixation der Intraokularlinse gegeben werden kann.
Vor der Linsenimplantation muss der Kapselsack und die Vorderkammer mit einem Viskoelastikum ge-
füllt werden. Dann erfolgt die Vergrößerung der Hauptinzision mit dem Keratom auf die benötigte Weite.
Diese Weite entspricht entweder der Weite des Injektorsystems (z. B. 3,2 mm beim Monarch-II-Injektor
mit B-Cartridge), etwas mehr als der Hälfte des Optikdurchmessers bei gefalteten Linsen und Pinzetten-
implantation (ca. 3,5–4 mm), oder dem Optikdurchmesser bei Linsen, die nicht gefaltet werden können
(z. B. 6–7 mm bei B&L-L121UV-Vorderkammerlinse oder 11 mm bei der Morcher-PMMA-Linse mit
künstlicher Iris, ⊡ Abb. 2.7.1). Einige Chirurgen erweitern die Inzision nur an der superioren Seite, damit
die Wunde nach der Operation besser durch das Oberlid verdeckt wird (geringeres Infektionsrisiko).
Die Linsenimplantation mit dem Injektor in den Kapselsack ist der Standard. Alle Haptiken (2–4, je nach
Linse) müssen im Kapselsack zu liegen kommen. Dies benötigt gelegentlich eine nachträgliche Mani-
pulation. Dafür sollte die Vorderkammer vollständig mit einem Viskoelastikum gefüllt sein. Mit einem
Linsenmanipulator (Sinskey, Kuglen oder Drysdale) oder den Kanülen der I/A kann die Linse vorsichtig
rotiert und die Haptik implantiert werden.
> Die Linsenoptik sollte wegen möglichen Kratzern durch keines der Instrumente berührt werden.
Beim Manipulieren der Haptiken muss darauf geachtet werden, dass die Iris und vordere Kapsel
nicht verletzt werden.
2.7 · Linsenimplantation
87 2
Vorderkammer Hinterer und vorderer Kapselriss Meist nichtfaltbare Linse (z. B. Artisan)
Refraktive Chirurgie: Erweiterte Inzision
– Phaker und myoper Patient Spezielle Instrumente
– Astigmatismuskorrektur
Die Implantation in den Sulkus kann erfolgen, wenn bei einem hinteren Kapselriss eine stabile und
intakte vordere Kapsel vorhanden ist (⊡ Abb. 2.7.2). Nach der Injektion eines Viskoelastikums in die
Vorderkammer und hinter die Iris (Darstellung des Sulcus ciliaris) erfolgt die Platzierung der Linse hinter
die Iris, aber anterior der vorderen Linsenkapsel. Im Vergleich zur Lage im Kapselsack liegt die Linse im
Sulkus weiter anterior. Für das gleiche refraktive Resultat muss deshalb die Linsenstärke um ca. 0,5 dpt
reduziert werden. Beispiel: Eine Linse mit der Stärke 21,5 dpt wird in den Sulkus implantiert, anstelle
der geplanten Linse mit der Stärke 22,0 dpt (Biometrie für Emmetropie und Kapselsack). Für die Linsen-
implantation in den Sulkus werden häufig faltbare Linsen verwendet, die mit der Pinzette oder einem
speziellen Injektor implantiert werden.
Bevor der Injektor gebraucht werden kann, muss die Linse in eine Cartridge geladen werden. Es gibt auch
einige Systeme, bei denen die Linse bereits in der Cartridge vorgeladen ist (»preloaded« Linsensysteme).
Das Laden kann durch die Operationsassistentin erfolgen, wobei der Mechanismus für jeden Linsentyp
und Injektor unterschiedlich ist. Die beiden am häufigsten verwendeten Injektoren sind der Monarch II
von Alcon und der Unfolder Emerald von AMO (⊡ Abb. 2.7.3 und ⊡ Abb. 2.7.4). Die nötige Inzisionsweite
wird durch die Spitze der Cartridge bestimmt, und liegt zwischen 3,2 mm und 2,7 mm für den Unfol-
der, und zwischen 3,2 mm und 2,2 mm für den Monarch-II-Injektor. Bei der Inzision verwenden die
meisten Chirurgen ein Keratom, dessen Inzisionsweite sowohl auf die Phakoemulsifikation, als auch auf
die Linsenimplantation abgestimmt ist (keine Erweiterung der Inzision nötig). Die Spitze der Cartridge
wird dann entweder nur an die Inzision außen angesetzt (Andockverfahren), oder vollständig ins Auge
eingeführt. Durch das Drehen einer Schraube oder das direkte Vorschieben eines Kolbens am hinteren
Ende des Injektors wird die Linse in die Vorderkammer oder direkt in den Kapselsack injiziert. Einige der
Injektoren benötigen eine Drehbewegung des Injektors während der Injektion, damit sich die Linse im
Auge korrekt entfaltet. Diese Technik sollte vom Operateur vor der ersten Anwendung im Wetlab geübt
werden. Die Hersteller der Systeme sind gerne bereit, die korrekte Technik bei individuellen Präsentati-
onen zu vermitteln.
2.7 · Linsenimplantation
89 2
Für die Implantation der Linse mittels Pinzette werden spezielle Implantationspinzetten verwendet
(⊡ Abb. 2.7.5). Dabei wird die gefaltete Linse in »D-Form« vollständig durch die Inzision eingeführt
(⊡ Abb. 2.7.6). Im Auge wird die Implantationspinzette aufgerichtet, wodurch sich die gefaltete Linse im
Uhrzeigersinn dreht (Rücken des »D« kommt nach oben zu liegen). Nun wird die Pinzette langsam ge-
öffnet, so dass sich die Linse entfalten und nach unten aus den Branchen gleiten kann. Dieses Entfalten
kann in der Vorderkammer oder im Kapselsack erfolgen.
> Silikonlinsen entfalten sich ruckartig, was bei mangelnder Sorgfalt zu einer Verletzung der
Kapsel führen kann.
Linsen aus Akryl entfalten sich langsamer, v. a. wenn sie noch kalt sind. Einige Linsen besitzen einen Win-
kel zwischen der Ebene der Optik und der Ebene der Haptiken, was bei der Implantation berücksichtigt
werden muss (korrekte Seite nach oben!).
2
Sekundäre Linsenimplantation
Gelegentlich kann die Kapselsituation nach Kapselruptur während der Operation nicht vollständig
beurteilt werden. In diesem Fall empfiehlt es sich, auf eine primäre Linsenimplantation zu verzichten.
Nach der Operation kann eine sorgfältige Untersuchung des Auges an der Spaltlampe durchgeführt
werden. Ohne Zeitdruck können dann die Optionen evaluiert, die Biometrie wiederholt und nötigenfalls
eine spezielle Linse beim Hersteller für eine sekundäre Linsenimplantation bestellt werden. Es stehen
folgende Optionen zu Verfügung: Bei intakter vorderer Kapsel wird die Linse in den Sulkus implantiert
(z. B. AcrySof MA60AC), bei defekter Linsenkapsel in die Vorderkammer (kammerwinkelfixiert: B&L
SU121L, oder irisfixiert: Artisan). Eine weitere, technisch anspruchsvolle Option ist die Implantation
einer Hinterkammerlinse, die durch Nähte an der Sklera fixiert wird (⊡ Abb. 2.7.7). Dafür werden am
besten faltbare Linsen verwendet, da sonst für die Implantation einer nichtfaltbaren Linse eine große
Inzision von 6–7 mm notwendig wird, was gerade bei vitrektomierten Augen ungünstig ist. Idealerweise
wird eine Linse mit Ösen an beiden Haptiken verwendet. Das Fixieren der Naht an der Haptik erfolgt
außerhalb des Auges, wozu es verschiedene Techniken gibt.
> Die Naht im Bereich der Sklera muss von einem etwa 300 μm dicken Skleralappen gedeckt
werden, damit die Nahtenden die Bindehaut nicht perforieren und somit das Risiko einer
Endophthalmitis deutlich erhöhen.
2.7 · Linsenimplantation
91 2
2/3
b
D-Form
2 a
c d e
f g h
b d
c e
⊡ Abb. 2.7.7a–e. Implantation einer sklerafixierten Hinterkammerlinse. e Variation der Nahtfixierung an der Haptik
94 Kapitel 2 · Operation
Videos auf DVD: Ï Hydrierung der Hornhaut, Ï Intrakamerale Injektion von Cefuroxim,
Ï Subkonjunktivale Injektion von Gentamicin, Ï Subkonjunktivale Injektion von Betamethason,
Ï Nylon-10/0-Einzelknopfnaht
Mit der Entfernung des Viskoelastikums, dem Wundverschluss, der Gabe von antibiotischen Substanzen
und der Entfernung des Spekulums und der Abdeckung wird die Kataraktoperation abgeschlossen.
Die Entfernung von kohäsivem Viskoelastikum ist einfacher, da es sich »als Ganzes« entfernen lässt.
Für die Entfernung werden in der Regel die gleichen Instrumente wie für die Irrigation und Aspiration
verwendet (mit dem gleichen Programm am Phakogerät). Einige Chirurgen entfernen auch das Visko-
elastikum, das sich hinter der Linse befindet.
Wenn der Wundverschluss ohne Naht erfolgt, kann eine Hydrierung der Parazentesen und der Haupt-
inzision hilfreich sein. Der Schliff der Kanüle (Lacrimal oder Rycroft) wird in die Wunde geführt, am
Rand der Wunde angesetzt und in Richtung des Hornhautstromas gerichtet (tangenzial zur Wunde).
Durch die Injektion von BSS in die Hornhaut entsteht ein lokales Hornhautödem, das die Wunde ab-
dichten kann.
Einige Wunden sind trotz Hydrierung nicht dicht. Dies ist v. a. bei jungen Patienten der Fall. Dort emp-
fiehlt sich ein Wundverschluss mit einer Einzelknopfnaht (⊡ Abb. 2.8.1). Meistens wird dafür eine Nylon-
10/0-oder Vicryl-10/0-Naht verwendet, die 1–2 Wochen später wieder entfernt werden kann. Wird die
Naht zu straff gelegt, kann diese einen starken kornealen Astigmatismus induzieren, der vorübergehend
den Visus reduziert.
> Ein Wundverschluss mit Naht wird grundsätzlich empfohlen bei allen Kinderaugen, bei Augen
nach Kapselruptur mir Glaskörperverlust und vorderer Vitrektomie und bei allen Inzisionen, die
größer als 4 mm sind (Vorderkammerlinse).
2.8 · Abschluss und Hydrierung der Hornhaut
95 2
d
⊡ Abb. 2.8.1a–d. a Vicryl-10/0-Nahtmaterial (Ethicon), b feiner Nadelhalter, c Fadenpinzette, d Übersicht Nahtmaterial (Ethicon)
96 Kapitel 2 · Operation
Es hat sich gezeigt, dass die Gabe von Cefuroxim 1 mg intrakameral (IC) im Vergleich zu anderen Anti-
biotika und Injektionsorten (subkonjunktival) das geringste Endophthalmitisrisiko birgt (ESCRS-Studie).
Cefuroxim ist ein Penicillin, das trotz Penicillinallergie ins Auge injiziert werden kann. Gut bewährt hat
sich auch die Injektion von Gentamicin 20 mg subkonjunktival. Einige Chirurgen verwenden Gentamicin
sogar in der Infusionslösung (⊡ Abb. 2.8.2).
> Bei der Entfernung des Spekulums sollte nicht auf das Auge gedrückt werden.
Dies könnte zu einem Kollabieren der Vorderkammer führen (Eröffnen der Wunde) und dies wiederum
2 zu einer Luxation der Linse. Korrekterweise wird das Spekulum beim Entfernen leicht angehoben. Die
Abdeckung klebt oft fest im Gesicht des Patienten, weshalb sie mit Vorsicht entfernt werden sollte.
2.8 · Abschluss und Hydrierung der Hornhaut
97 2
c b
Enge Pupille
Die häufigsten Ursachen für eine enge Pupille sind Pseudoexfoliation und hintere Synechien nach in-
traokulären Entzündungen. Die Pupillenweite steht in direktem Zusammenhang mit der Möglichkeit,
eine gute Kapsulorrhexis durchführen zu können. Dies wiederum ist wichtig für eine komplikationslose
Phakoemulsifikation und Linsenimplantation. Die vormals gefürchtete Situation der engen Pupille hat
seit der Einführung von hochviskösen Viskoelastika, sowie von Irisretraktoren, Irishaken (⊡ Abb. 2.9.1)
und Pupillenexpansionsringen (⊡ Abb. 2.9.2) an Schrecken verloren. Durch diese Instrumente können die
meisten Pupillen auf eine gute Weite vergrößert werden. Ein schrittweises Vorgehen bei enger Pupille
2 ist zu empfehlen (⊡ Tab. 2.9.1). Komplikationen beim Dehnen und Erweitern der Iris (⊡ Abb. 2.9.3) sind
Irisverletzungen (monokuläre Diplopie), Vorderkammerblutung, Pigmentausschwemmung und Verlet-
zungen der vorderen Linsenkapsel.
Durch nichtdurchgreifendes Inzidieren des Sphincter pupillae mittels Mikroschere lässt sich die
Pupille bereits vorab erweitern, ohne dass sie ihre Kontraktionsfähigkeit verliert. Bei einer engen, dezen-
trierten Pupille ist eine Erweiterung durch radiale Iridotomien/Sphinkterotomien nötig (⊡ Abb. 2.9.4), so
dass die Operation einfacher durchgeführt und gleichzeitig die Pupille ins Zentrum verschoben werden
kann.
1. Lösen von vorhandenen Synechien durch Injektion eines Viskoelastikum unter die Iris, danach manuelle Synechiolyse
mit einer stumpfen Kanüle (Lakrimal oder Rycroft) oder mit einem Iris-/ Linsenmanipulator
3. Langsame Injektion eines Viskoelastikums auf die Iris und an den Irisrand
4. Gebrauch von Irishaken (⊡ Abb. 2.9.3 c) oder Irisexpansionsringen. Um die Irishaken einführen zu können sind in der
Regel 4 schmale, periphere Parazentesen nötig, die jeweils im Abstand von 90° zueinander gesetzt werden. Die Lokalisa-
tion der Parazentesen ist sehr wichtig. Sie muss mit der Hauptinzision abgestimmt werden, und darf die Phakoemulsifika-
tion nicht behindern. Das Einführen der Haken gelingt am besten bimanuell mit 2 flachen Pinzetten. Nachdem alle
4 Haken an der Iris fixiert sind, kann ein Spannen bis zur benötigten Weite erfolgen. Das Entfernen erfolgt durch Loslösen
von der Iris und gerades Herausziehen
5. Weitere Option: Radiale Iridotomie oder Sphinkterotomie (⊡ Abb. 2.9.4 a,b), v. a. bei engen und dezentrierten Pupillen
2.9 · Spezielle Fälle
99 2
a b c
⊡ Abb. 2.9.3a–c. Dehnen der Pupille, manuell (a, b) und mit Irishaken (c)
a b
Mature Katarakt
Die Besonderheiten bei der maturen Katarakt sind ein fehlender Rotreflex (schwierige Kapsulorrhexis),
ein kaum vorhandener Epinukleus (schwierige Phakoemulsifikation) und eine oft verdünnte und elasti-
sche hintere Linsenkapsel (Perforation). Die operative Erschwerung führt zu einer höheren Komplika-
tionsrate. So kommt es dabei selbst bei erfahrenen Chirurgen in 3–4% der Fälle zu einer hinteren Kap-
selverletzung, wenn keine weiteren Schwierigkeiten vorhanden sind. Um die Operation zu vereinfachen
und die Zonularbelastung zu minimieren, sollte die Kapsulorrhexis eher groß bemessen sein. Der Einsatz
von Vitalfarbstoffen zur Anfärbung der Vorderkapsel (Vision Blue) und eines geeigneten Viskoelastikums
(dispersiv, z. B. Viscoat, oder hochkohäsiv, z. B. Healon5) zum Endothelschutz wird empfohlen. Da der
Epinukleus verflüssigt ist, fehlt diese Schutzschicht bei der Phakoemulsifikation. Das Grooven ist daher
mit höherem Risiko verbunden. Es sollte eine Technik des (direkten) Choppens verwendet werden. Eine
Irrigation und Aspiration ist oft nicht notwendig. Wegen der dünneren Kapsel muss die Linsenimplanta-
tion sehr sorgfältig erfolgen.
2
Hinterer Polstar
Augen mit einem hinteren Polstar sind oft kleiner im Vergleich zum Partnerauge und zeigen einen erhöh-
ten Astigmatismus. Diese Augen haben sehr oft einen Defekt in der hinteren Kapsel. Dieser Defekt kann
sich bei der Operation ausdehnen, so dass die Hinterkapsel v. a. bei forcierter Hydrodissektion einreißen
und der Linseninhalt oder Fragmente davon während der Phakoemulsifikation in den Glaskörperraum
absinken können. Diese Komplikation kann durch vorsichtige Planung und Durchführung der Operation
vermieden werden. Folgende Maßnahmen haben sich als hilfreich gezeigt:
▬ Vorsichtige Hydrodissektion sowie anschließende bimanuelle Rotation des Linseninhaltes unter sorg-
fältiger Sichtkontrolle,
▬ Phakoemulsifikation nach »Chop-Technik«,
▬ Einsatz geringer Fluss- und Vakuumraten während der Phakoemulsifikation und Aspiration,
▬ Erweitern eines etwaigen radiären Kapseleinrisses zu einer runden hinteren Kapsulorrhexis und Im-
plantation der Linse in den Sulkus im Fall eines weiter ausgreifenden Einrisses.
Flache Vorderkammer
Bei der Biometrie wird immer auch die Vorderkammertiefe ausgemessen. Bei einer Vorderkammertiefe
von weniger als 2,5 mm und/oder einer Achsenlänge von weniger als 22 mm muss mit einer Erschwerung
der Operationstechnik durch die Vorderkammerverhältnisse gerechnet werden. Beim Operieren von
Augen mit flachen Vorderkammern gibt es einige Maßnahmen, die die Operation erleichtern können
(⊡ Tab. 2.9.2). Komplikationen, die bei flachen Vorderkammern auftreten können, sind: Ein Verletzen
der Iris durch das Phakoendstück, ein Verletzen des kornealen Endothels durch das Instrument oder die
Ultraschallwellen und ein Irisprolaps durch die Inzision.
2.9 · Spezielle Fälle
101 2
1. Eine bessere Abdichtung und somit tiefere Vorderkammer wird erreicht, wenn für die Hauptinzision ein kurzer
kornea-limbaler Tunnel, ca. 1 mm vom Limbus entfernt, hergestellt wird
2. Wenn die Kapsulorrhexis mit Nadel via schmale Parazentese durchgeführt wird, kann dies wegen der besseren Dichtig-
keit den Ausfluss des Viskoelastikums verringern, wodurch die Vorderkammertiefe besser aufrecht erhalten wird
3. Hydrodissektion mit geringer BSS-Menge, dadurch geringere Vorwärtsbewegung der Linse und geringeres Quellen
der Linse
4. Inizieren eines Depots eines Viskoelastikums an der Innenseite der Inzision, bevor das Phakoendstück eingeführt wird
5. Phakomodus beim Einführen des Phakoendstücks auf Reflux stellen, damit ein vorwärts gerichteter Wasserstrahl die
Vorderkammer besser aufrecht erhält
Intraoperatives Floppy-Iris-Syndrom
Von einem »intraoperative floppy iris syndrome« (IFIS) spricht man, wenn die Iris so elastisch ist, dass sie
sich in die Vorderkammer wölbt und in Hauptinzision und Parazentesen einlegt oder durch diese prola-
biert. Typischerweise wird die Pupille im Laufe der Operation zunehmend enger (Miosis). IFIS tritt nach
längerer Einnahme von Tamsulosin (Flomax, Pradif) und anderen systemischen α1(A)-Blockern auf. Der
Einsatz dieser Medikamente kann bei Prostatahyperplasie die glatten Muskeln der Prostata relaxieren,
und somit den Durchfluss und Ausfluss von Urin verbessern, führt jedoch zur irreversiblen Atrophie des
M. dilatator pupillae mit Erschlaffung des Irisstromas.
> Bei der Voruntersuchung sollte unbedingt nach der Einnahme von Tamsolusin gefragt werden.
Die Häufigkeit von IFIS wird in der Literatur mit etwa 2% angegeben. Das vorübergehende Stoppen der
Einnahme von Tamsulosin (bis 2 Monate vor dem Eingriff) ist in der Regel wirkungslos.
Hilfreich bei der Operation von Patienten mit IFIS sind die Injektion von verdünntem Epinephrin
2 oder Phenylephrin (⊡ Tab. 2.9.3), die Verwendung eines hoch-viskösen Viskoelastikum (Healon5), und
die Verwendung von Irisretraktoren. Das Phakogerät sollte auf niedrige Aspiration und Irrigation gestellt
werden, damit das Viskoelastikum möglichst lange in der Vorderkammer bleibt und das Ansaugen und
Anschallen von Irisgewebe vermieden wird.
Hoher Hornhautastigmatismus
Ein Hornhautastigmatismus kann durch verschiedene Techniken zum Zeitpunkt der Kataraktoperation
mitkorrigiert werden. Eine Möglichkeit ist die Implantation von torischen Intraokularlinsen (z. B. Alcon
AcrySof SA60T5: bis 2 dpt auf Brillenniveau; Dr. Schmidt MicroSil Toric, Modell 6116 TU: für höhere
Astigmatismen). Eine weitere Möglichkeit der Astigmatismuskorrektur besteht in der Durchführung von
limbalen Inzisionen (Limbal Relaxing Incisions, LRI). Diese Schnitte werden im Bereich des Meridians
mit dem kleineren Hornhautradius (steilere Achse, rote Bereiche auf dem Orbscan-Ausdruck) gesetzt.
Verschiedene Nomogramme haben sich etabliert. Leider bleibt trotz Nomogrammen die Vorhersagbar-
keit gering. Komplikationen nach LRI sind Wundklaffungen, die durch eine Naht verschlossen werden
müssen.
Nach Louis D. Nichamin wird bei einem »Against-the-rule-Astigmatismus« mit einer steileren Achse
bei 0–30°/150–180° die Hauptinzision temporal gesetzt (3-stufig), am Ende der Operation erweitert
und durch eine gegenüberliegende Inzision (600 μm Tiefe) der gleichen Weite, je nach Zylinder, er-
gänzt (⊡ Tab. 2.9.4 oben). Beim »With-the-rule-Astigmatismus« mit einer steileren Achse bei 45–145°
wird eine »neutrale« temporale clear-korneale (oder limbal-korneale) Inzision gemacht, und dann
durch auf die steile Achse einzentrierte bogenförmige periphere Inzisionen nach Nomogramm ergänzt
(⊡ Tab. 2.9.4 unten und ⊡ Abb. 2.9.5b).
Nach James P. Gills werden die Inzisionen am Limbus, anterior der Vogt-Palisaden platziert. Eine
6-mm-Inzision ist nötig für jede Dioptrie von Astigmatismus (bis 2 dpt Korrektur). Die Korrektur von
Astigmatismen zwischen 2 und 3 dpt erfordern LRI von 8 mm Länge. Die Platzierung der LRI sollte
anhand der Hornhauttopografie erfolgen. Bei einem regulären, aber asymmetrischen Astigmatismus
(A–B>1 dpt, ⊡ Abb. 2.9.6) kann die eine LRI im Bereich der steileren der beiden steilen Achsen etwas ver-
längert werden, während die andere Inzision bei der weniger steilen Achse der beiden steilen Meridiane
2.9 · Spezielle Fälle
103 2
⊡ Tabelle 2.9.4. Nomogramme nach L. D. Nichamin für die Durchführung von »limbal relaxing incisions« in der Katarakt-
chirurgie bei einer Astigmatismus-neutralen, temporalen, clear-kornealen Hauptinzision. Die Tiefe des Keratoms wird auf
600μ gestellt.
Obere Tabelle: Nomogramm für korneale »against-the-rule« Astigmatismen (Astigmatismus inversus, steilere Achse 0-30°
oder 150-180°).
Untere Tabelle: Nomogramm für korneale »with-the-rule« Astigmatismen (Astigmatismus rectus, steilere Achse 45-145°).
etwas verkürzt wird. Bei gepaarten LRI müssen die beiden Inzisionen nicht unbedingt in einer Achse sein.
So können z. B. bei einem irregulären Astigmatismus (Winkel α >20°, ⊡ Abb. 2.9.6) die jeweiligen LRI im
Bereich der steilsten Abschnitte platziert werden.
Jüngere Patienten brauchen längere Inzisionen, um den gleichen reduzierenden Effekt zu erzielen.
Für die Korrektur von mehr als 4 dpt werden die LRI mit Hornhautinzisionen (corneal relaxing incisions,
CRI) kombiniert oder durch diese ersetzt. Mit den LRI werden die ersten 4 dpt korrigiert, mit den CRI
die noch verbleibenden Zylinderdioptrien.
Bemerkung: Bei einem Hornhautdurchmesser von 11 mm ist der limbale Umfang 34,5 mm lang, bei
einem Hornhautdurchmesser von 12 mm ist der Umfang 37,7 mm. Daraus ist ersichtlich, dass 1 mm
Länge (Umfang) am limbalen Rand ca. 10° ausmachen. Mit der gleichen Überlegung entsprechen 6 mm
lange limbale Inzisionen 60°, und somit 2 Stunden.
> Eine sorgfältige präoperative Abklärung mit umfangreichen Tests (⊡ Tab. 2.9.5), in Absprache
mit den Kinderärzten, wird dringend empfohlen. Die Besonderheiten des wachsenden Auges
hinsichtlich Achsenlänge, Hornhautbrechkraft und Refraktion verlangen eine sorgfältige Vorbe-
reitung und Berechnungen der Linsenstärke.
Die Kataraktoperation bei Kindern sollte von einem erfahrenen Chirurgen durchgeführt werden, da
sich Hornhaut (elastisch, Inzisionen oft undicht), Linsenkapsel (gummiartig und zäh) und Nukleus (sehr
weich) von denen eines Erwachsenen deutlich unterscheiden. Für die Operation gibt es einige Prinzipien
und Tricks, die den Eingriff sicherer machen können (⊡ Tab. 2.9.6). In jedem Fall sollten neben der Inzi-
sion auch die Parazentesen mittels Naht abgesichert werden.
Tests
»Against-The-Rule« »With-The-Rule«
B
X1
LRI LRI
X2
Limbus Limbus
a b
⊡ Abb. 2.9.5a,b. Limbal Relaxing Incisions (LRI) und Cataract ⊡ Abb. 2.9.6. Einteilung des Astigmatismus
Incision (CRI)
Für die Inzision sollte ein skleraler Tunnel konstruiert werden (weniger anteriore Synechien)
Langsame und vorsichtige Kapsulorrhexis. Die Kapsel ist noch sehr elastisch und kann leicht ausbrechen (drohender Ausriss)
Keine oder nur vorsichtige Hydrodissektion, da oft Defekte in der hinteren Kapsel vorhanden sind (häufiger bei
asiatischen Kinder)
Phakoemulsifikation mit sehr wenig Energie. Meistens reicht eine Aspiration aus, um die weiche Linse zu entfernen.
Dafür eignen sich die Instrumente für die Irrigation und Aspiration am besten
Nach der Linsenentfernung wird eine hintere Kapsulorrhexis mit Pinzette durchgeführt (kein Nachstar). Die hintere
Kapsel ist dünner und weniger elastisch als die vordere
Vordere Vitrektomie bei Kindern im Vorschulalter. Die trockene Vitrektomie wird bevorzugt
Implantation der Linse in den Kapselsack. Eine bilaterale Linsenimplantation kann bereits ab dem 1. Lebensjahr, unilateral
sogar noch früher, erfolgen. Residuelle refraktive Fehler werden mit einer Brille und Kontaktlinsen korrigiert. Evtl. hinteres
Einklemmen der Linse durch die posteriore Kapsulorrhexis, dies ermöglicht eine gute Stabilisierung und Zentrierung
der Linse (optic capturing). Für Capturing besser eine 3-piece-Linse verwenden, evtl. mit Blaulichtfilter
3 Nachkontrolle
Zur postoperativen Nachkontrolle gehören die Visusbestimmung mit Refraktion, die Spaltlampenunter-
suchung (mit Fundus) und die Augendruckmessung. Basierend auf dem intra- und postoperativen Ver-
lauf, dem Endresultat und der Zufriedenheit des Patienten kann das 2. Auge für die Operation geplant
werden.
Postoperative Refraktion
Die Zielrefraktion (das sphärische Äquivalent) sollte in 80–90% der Operationen innerhalb 1,0 dpt
liegen. Das Wissen, ob das operierte Auge über- oder unterkorrigiert wurde, kann für die Operation
des 2. Auges verwendet werden. Je nachdem wird eine Linsenstärke gewählt, die näher oder ferner der
gewünschten Zielrefraktion liegt.
Bei einer deutlichen Abweichung der postoperativen Refraktion von der Zielrefraktion muss nach
den Ursachen gesucht werden. Die nächsten Schritte bestehen in einer 2. Refraktion 2–4 Wochen später
(Stabilisierung der Refraktion?), kombiniert mit Autorefraktion (Fehler bei der subjektiven Refraktion?)
und Hornhauttopographie (irregulärer Astigmatismus?). Wichtig ist auch die Fundusuntersuchung, da
ein Makulaödem zu einer Hyperopisierung führen kann. Ultima ratio ist der Linsenaustausch.
Spaltlampenuntersuchung
3 Die Spaltlampenuntersuchung zeigt oft eine leichte Vorderkammerreizung innerhalb der ersten 2 Wochen.
> Eine verstärkte (prolongierte) Vorderkammerreizung kommt in etwa 3% der Fälle vor und muss
von einer Endophthalmitis abgegrenzt werden.
Bis zur Wundheilung sollte v. a. die Hauptinzision nach Dichtigkeit überprüft werden. Undichte Wun-
den (<1%) sind Eintrittspforten für Bakterien (Endophthalmitis!), können zu einem Abflachen der Vor-
derkammer und zu einem Irisprolaps führen. Je nach Situation muss das Auge im Operationssaal saniert
werden.
Fundusuntersuchung
Eine kurze Kontrolle der zentralen Netzhaut wird nach jeder Kataraktoperationen empfohlen (Maku-
laödem?). Bei komplizierten Kataraktoperationen muss zusätzlich die Netzhautperipherie untersucht
werden (Netzhautloch? Traktionen? Amotio?).
Augendruck
Die kurzfristige Erhöhung des Augendrucks ist eine häufige Erscheinung (2–8%) und steht im Zusam-
menhang mit der postoperativen Entzündung und dem Verbleiben von Viskoelastikum in der Vorder-
kammer (unvollständige Entfernung) nach der Operation.
Bei Augendruckwerten um 30–40 mmHg besteht die Therapie in der Gabe von drucksenkenden Au-
gentropfen (z. B. Cosopt 2-mal/Tag für 3 Tage) und/oder der Verschreibung von Acetazolamid (Diamox
250 mg Tabletten 3-mal/Tag für 3 Tage). Bei höheren Augendruckwerten sollte immer eine Kombinati-
3.1 · Die Nachuntersuchung
109 3
onstherapie verschrieben werden. Einige Chirurgen lassen bei sehr hohen Werten und starken Schmer-
zen via Parazentese etwas Vorderkammerflüssigkeit ab.
Medikamentöse Therapie
Die postoperative Therapie besteht in der Verschreibung von antibiotischen und antiinflammatori-
schen Augentropfen, jeweils 4-mal/Tag für 4 Wochen. Das Antibiotikum sollte ein breites Spektrum,
mit Schwergewicht im grampositiven Bereich, haben. Als Substanzen haben sich Chloramphenicol
(z. B. Spersadex), Tobramycin (z. B. Tobradex), Neomycin (z. B. Maxitrol) und Ofloxacin (z. B. Floxal)
bewährt. Für die Kontrolle der Entzündungsreaktion wird meistens Dexamethason 1% verwendet. Viele
dieser Medikamente sind auch in konservierungsmittelfreier Form erhältlich. Auf die Verträglichkeit
sollte unbedingt geachtet werden (Allergieanamnese!). Nichtsteroidale Antiphlogistika sind nach dem
Ergebnis einiger Studien bei Regelverläufen den Steroiden ebenbürtig, haben ihren Platz aber v. a. bei
»Steroidrespondern«.
110 Kapitel 3 · Nachkontrolle
Akute Endophthalmitis
Die Konsequenzen einer Endophthalmitis können verheerend sein (Blindheit, Enukleation). Deshalb
sind eine frühe Erkennung und eine adäquate Therapie unerlässlich.
> Die häufigsten Symptome einer Endophthalmitis sind Visusbeeinträchtigung (94%), rotes Auge
(82%) und Schmerzen (75%).
Das Auftreten dieser Beschwerden findet bei 24% der Patienten innerhalb der ersten 3 Tage, bei 61%
innerhalb der ersten Woche, bei 78% innerhalb von 4 Wochen und bei 88% innerhalb von 6 Wochen
statt. Die klinische Untersuchung zeigt oftmals ein Hypopyon (86%), einen reduzierten Funduseinblick
(79%), einen fehlenden Fundusreflex (68%, Ultraschall!), eine reduzierte Pupillenaffarenz (RAPD), eine
Chemosis und gelegentlich ein Ringinfiltrat der Hornhaut mit Ulzeration.
Insgesamt liegt die Häufigkeit einer Endophthalmitis bei weniger als 0,1%. Der am häufigsten iden-
tifizierte Mikroorganismus bei der akuten Endophthalmitis ist Staphylococcus epidermidis (70%).
Infektionen mit diesem Erreger zeigen sich meistens zwischen dem 4. und 10. postoperativen Tag.
Weitere häufig isolierte Mikroorganismen sind Staphylococcus aureus (10%) mit früher Manifestation
innerhalb von 1–3 Tagen, verschiedene Streptokokkustypen (9%) und selten Pseudomonas aeruginosa
(gramnegative Stäbchen). Eine Endophthalmitis, die später als nach 6 Wochen auftritt, wird als Spät-
3 Endophthalmitis oder chronisch postoperative Endophthalmitis bezeichnet. Sie wird häufig durch den
Propionibacterus-acnes-Erreger verursacht, aber auch durch anbehandelte Staphylococcus-epidermidis-
Bakterien. Eine postoperative Entzündungen, die mehr als 3 Wochen andauert, wird auch als prolon-
gierte intraokuläre Entzündung bezeichnet.
Allgemein ist die Prognose nach Endophthalmitis schlecht, und nur etwa 20% der Patienten errei-
chen eine Visus von 0,5 (dezimal) oder besser. Für die Therapie sind Empfehlungen aus den Resultaten
der EVS (Endophthalmitis Vitrectomy Study) hergeleitet worden. Sie sind aber in Europa nicht unkriti-
siert geblieben.
> Zur besseren Diagnostik wird bei allen betroffenen Patienten eine Kultivierung des Materials
aus Glaskörperbiopsie und Vorderkammerpunktion empfohlen (⊡ Tab. 3.2.1).
Die antibiotische Therapie sollte intravitreal und möglichst verzögerungsfrei, wenn möglich noch vor
einer Überweisung zum Operateur oder in eine Klinik, erfolgen (⊡ Tab. 3.2.2). Prompte Therapie hat
Vorrang vor diagnostischen Erwägungen. Eine Pars-plana-Vitrektomie wird nach der EVS nur empfoh-
len, wenn der Visus schlechter als »Handbewegung« ist. Die Gabe von topischen Antibiotika (Amikacin
20 mg/ml, Ceftazidim 100 mg/ml, Vancomicin 50 mg/ml) und die Gabe von topischen (Dexamethason
0,1% stündlich), intravitrealen (Dexamethason 0,4 mg in 0,1 ml) und/oder systemischen Steroiden haben
keinen klaren Vorteil für den Visus nach Endophthalmitis gezeigt.
Eine sorgfältige Desinfektion (5 min) des Auges mit 5%-Povidone-Iodine (Betadine) vor der Katarak-
toperation und die intrakamerale Gabe von Cefuroxim 1 mg am Ende der Kataraktoperation (ESCRS-
Studie) haben sich als beste Prophylaxe etabliert.
3.2 · Postoperative Komplikationen
111 3
Intravitreal Um die grampositiven und gramnegativen Bakterien abdecken zu können muss eine
Kombination von Antibiotika verwendet werden. Die Antibiotika können durch die
Apotheke vorbereitet werden. Die Antibiotika sollten nicht in derselben Spritze gemischt
werden, um eine Präzipitation zu verhindern (v. a. bei der Verwendung von Ceftazidim).
Routine:
– Vancomycin 1 mg in 0,1 ml (gram-positive Bakterien)
plus
– Amikacin 0,4 mg in 0,1 ml (gram-negative Bakterien)
Alternative:
– Vancomycin 1 mg in 0,1 ml (gram-positive Bakterien)
plus
– Ceftazidim 2 mg in 0,1 ml (gram-negative Bakterien)
Zystoides Makulaödem
Hornhautdekompensation
Die Dekompensation der Hornhaut nach Kataraktoperation ist die Folge einer Schädigung oder Zerstö-
rung der Endothelzellen (⊡ Abb. 3.2.3). Risikopatienten sind Patienten mit vorbestehender endothelialer
Dystrophie (Fuchs), mit Diabetes, mit intraoperativem Trauma des Endothels (Berühren des Endothels
3 mit den Instrumenten, zu hohe Phakoenergie in Endothelnähe, lange Operation, intensive Irrigation),
sowie Patienten mit kammerwinkelgestützten Vorderkammerlinsen. Die Prophylaxe ist sehr wichtig und
besteht v. a. in einer schonenden Operation. Weitere wichtige Punkte, die beachtet werden sollten, sind
der Schutz des Endothels mit einem dispersiven Viskoelastikum (soft-shell-technique) (⊡ Abb. 3.2.4), eine
schnelle Phakoemulsifikation mit geringer Energie, eine Phakoemulsifikation im Kapselsack sowie eine
sorgfältige Linsenimplantation.
Eine Verbesserung des Visus kann gelegentlich durch die Verordnung von hypertonen Augentropfen
(5%-iges NaCl, v. a. morgens) oder, beträchtlich wirksamer, durch hypertone Augensalben (Glukose,
20%) erreicht werden. Vorübergehend kann bei bullöser Keratopathie eine Kontaktlinse die Sehschärfe
verbessern und die Beschwerden mildern.
Stufe Therapie
Netzhautablösung
Netzhautablösungen sind insgesamt selten (<0,7%), aber leicht erhöht bei myopen Patienten und bei
Patienten mit gittriger Hornhautdystrophie. Das trifft insbesondere dann zu, wenn zum Zeitpunkt der
Operation noch keine hintere Glaskörperabhebung stattgefunden hat. In diesem Fall wurden innerhalb
der ersten 5 Jahre Ablationsraten von über 20% berichtet. Weiter besteht ein erhöhtes Risiko bei allen
Patienten, bei denen es im Verlauf der Kataraktoperation zu einem Glaskörperverlust gekommen ist
(vordere Vitrektomie). Hier wird eine Nachkontrolle des Fundus in den ersten postoperativen Tagen
dringend empfohlen.
3
Hintere Kapseltrübung (Nachstar)
Die Trübung der hinteren Linsenkapsel (posterior capsular opacification, PCO) nach Kataraktchirur-
gie ist eine häufige Komplikation (10–30%) und hängt v. a. von der verwendeten Intraokularlinse ab
(⊡ Abb. 3.2.6). Hauptsymptome sind Abnahme des Visus und Zunahme von Photophobien. Optiken
mit scharfer Hinterkante und schlanker Haptikanbindung (3-stückige Schlaufenhaptiklinsen) stoppen
die Einwanderung von Linsenepithelzellen. Die Ausbildung der Hinterkapselnachtrübung kann zudem
reduziert werden, wenn die hintere Kapsel sorgfältig während der Irrigation und Aspiration von allen
Linsenresten befreit wird. Einige Chirurgen polieren die Kapsel nach der Irrigation und Aspiration
zusätzlich. Hydrophobe Akryllinsen zeigen im Vergleich zu hydrophilen eine geringere Kapseltrübungs-
rate, Silikonlinsen hemmen die Kapseltrübung durch die kollagenöse Verklebung der Kapselblätter ent-
lang des Linsenrandes am nachhaltigsten.
Um die visuelle Achse von der Trübung zu befreien, kann eine hintere Kapsulotomie mit dem
Nd:YAG-Laser durchgeführt werden. Die meisten Chirurgen führen die Kapsulotomie frühestens
6 Monate nach Kataraktoperation durch (⊡ Tab. 3.2.4). Eine Sehverbesserung kann immer dann erwartet
werden, wenn die Einschätzung zutreffend war, dass die Beschwerden auf die Kapseltrübung zurück-
zuführen sind. Unerwünschte Effekte bei der Kapsulotomie sind Linsendefekte (lens impacts, 5–95%),
Vorderkammerreizung (bei Patienten mit Uveitisanamnese), Erhöhung des Augendrucks (innerhalb der
ersten 48 h), zystoides Makulaödem und Netzhautablösung (0–4%).
3.2 · Postoperative Komplikationen
115 3
a b
⊡ Abb. 3.2.5a,b. a Hornhaut nach penetrierender Keratoplastik (PK), b Hornhaut nach posteriorer lamellärer Keratoplastik (DSAEK)
116 Kapitel 3 · Nachkontrolle
Neben der hinteren kann auch eine vordere Kapsulotomie mit dem Nd:YAG-Laser durchgeführt wer-
den. Die ist insbesondere induziert, wenn es infolge exzessiver Schrumpfungstendenz der Vorderkap-
sel (kleine Kaspulorhexis, insbesondere bei Miose, schwacher Zonula, insbesondere bei Pseudoexfolia-
tion) zur exzessiven Schrumpfung des Kapselblattes mit spundlochartiger Verkleinerung der Öffnung
(»Kapselphimose«) kommt (⊡ Abb. 3.2.7).
Schritte Bemerkungen
a b
3.3 Qualitätskontrolle
Qualitätskontrolle gehört zu guter Chirurgie ebenso unabdingbar wie eine fundierte Technik. Die Details
jeder Operation sollten in einem »Logbuch« vermerkt werden. Die wichtigsten Faktoren der Qualitäts-
kontrolle sind die Häufigkeit und Art von Komplikationen (operative Qualität), die Genauigkeit, mit
welcher die Zielrefraktion erreicht werden konnte (biometrische Qualität), und die allgemeine Patien-
tenzufriedenheit (allgemeine Qualität der Dienstleistung).
Die Kontrolle, also die Auswertung der Daten, sollte entweder in bestimmten Zeitabschnitten (1- bis
2-mal jährlich) oder nach einer bestimmten Anzahl durchgeführter Operationen (z. B. alle 200 Operatio-
nen) wiederholt werden. Eine Aufteilung nach Operationsort oder Instrumentarium kann sinnvoll sein,
wenn an verschiedenen Orten mit verschiedenen Geräten operiert wird.
Operative Qualität
Die operative Qualität beurteilt die Qualität des Chirurgen. Hier werden die intraoperativen und post-
operativen Komplikationen gesammelt und analysiert. Eine vorherige Definition der zu erfassenden
Parameter empfiehlt sich. Bei dieser Definition muss man gleichermaßen auf Relevanz und praktische
Durchführbarkeit achten. Die Daten können in Form einer Säulengrafik übersichtlich gemacht werden
(⊡ Abb. 3.3.1).
Biometrische Qualität
3
Zumindest für die Implantate, die in größerer Zahl, beziehungsweise standardmäßig verwendet wer-
den, sollte die Genauigkeit der refraktiven Zielerreichung und die Streuung ermittelt werden. Bei
der Überprüfung der biometrischen Qualität wird die postoperative Refraktion mit der Zielrefraktion
verglichen. Die Abweichung von der Zielrefraktion kann in einer Säulengrafik dargestellt werden
(⊡ Abb. 3.3.2).
> Dabei muss beachtetet werden, dass für die Analyse eines Patientenkollektivs die gleichen Vor-
aussetzungen bestehen (Selektionskriterien: gleiche Linse, gleiche A-Konstante, Implantation in
den Kapselsack).
Eine weitere Analyse der postoperativen Refraktion besteht in der Darstellung eines Histogramms in
Bezug auf Emmetropie (gleiche Selektionskriterien wie oben, ⊡ Abb. 3.3.3).
Eine Patientenbefragung und eine Befragung der nachbetreuenden Augenärzte können wertvolle Auf-
schlüsse darüber geben, wie gut die allgemeine Dienstleistungsqualität ist. Wenn solche Befragungen
aber aussagekräftig sein sollen, müssen sie anspruchsvollen Kriterien der Validität standhalten. Hierfür
gibt es validierte Kataloge (z. B. »Patient Satisfaction Questionnaire«, PSQ-III und PSQ-18, RAND
Corporation).
> Wenn solche Fragekataloge nicht verfügbar sind, empfiehlt es sich, eine möglichst begrenzte
Anzahl sehr relevanter Fragen zu stellen.
3.3 · Qualitätskontrolle
119 3
Inhaltlich können Fragen gestellt werden bezüglich Qualität und Komfort bei der Voruntersuchung
(Wartezeit, Freundlichkeit des Personals, Informierung bezüglich Operation), bei der operativen Vor-
bereitung (Patientenführung, entspannte Situation), bei der Operation selbst (Schmerzen, Blendung,
Rücksichtnahme), bei der früh-postoperativen Phase (Anweisungen zur Medikation, Information bezüg-
lich welche Tätigkeiten erlaubt sind, welche nicht) und bei der Nachkontrolle (Veränderung des Visus,
Erfüllung der Erwartungen, Weiterempfehlung). Die Daten lassen sich auch in einer Grafik präsentieren
(⊡ Abb. 3.3.4).
3
3.3 · Qualitätskontrolle
121 3
4 Übungen im Wetlab
Die vorgestellten Übungen sollen als Grundlage dienen, und können individuell modifiziert und verbes-
sert werden. Besonderer Dank gilt Herrn Dr. Richard Gale für die gemeinsame Erarbeitung der verschie-
denen Übungen und der Dokumentation.
4.1 Mikroskop
Die folgenden beiden Übungen beschäftigen sich mit dem Mikroskop und dem Steuerungspedal. Mit
dem Fuß können je nach Pedal etwa 8 Funktionstasten und ein Joystick bedient werden. Eine korrekte
Bedienung des Mikroskops gilt als Voraussetzung für jede Operation.
▬ Der Schwierigkeitsgrad der vorigen Übung kann erhöht werden, indem die unterschiedlich großen
Zahlen nicht nur in der richtigen Reihenfolge, sondern auch mit einer korrekt wechselnden Vergrö-
ßerung gezeigt werden, so dass die Zahlen alle gleich groß erscheinen.
▬ Auf ein Papier werden 2 unterschiedlich große, ungerade Zahlen geschrieben, z. B. »1« und »3«.
4 ▬ Auf eine CD-Hülle oder Videokassettenhülle werden 2 unterschiedlich große gerade Zahlen ge-
schrieben (z. B. 2 und 4).
▬ Das Papier und die Hülle werden dann nebeneinander unter dem Mikroskop platziert.
▬ Das Mikroskop wird nun so gesteuert, dass die Zahlen in der richtigen Reihenfolge und in jeweils
gleicher Größe dargestellt werden. Dabei muss zwischen dem Papier und der Hülle hin- und herge-
steuert werden und der Fokus und der Zoom müssen ständig angepasst werden.
4.1 · Mikroskop
125 4
4.2 Kapsulorrhexis
Die Kapsulorrhexis ist eine der wichtigsten, aber auch eine der schwierigsten Schritte während der Ka-
taraktoperation. Wetlab-Übungen sind daher sehr hilfreich, um ein gutes Gefühl für das Prinzip und
die Technik der Kapsulorrhexis zu erlangen. Mit der Übung 1 soll herausgefunden werden, in welche
Richtung initial die Kapsulorrhexis am einfachsten und am sichersten durchgeführt werden kann. Mit
der Übung 2 wird die Kapsulorrhexis an einer Tomate geübt.
▬ Auf ein Papier wird (spontan) ein großes »O« geschrieben. Wurde das »O« im Uhrzeigersinn oder im
Gegenuhrzeigersinn gezeichnet?
▬ In der gleichen Richtung sollte im Wetlab die Durchführung der Kapsulorrhexis erfolgen.
▬ Anschließend muss die Kapsulorrhexis auch in die andere Richtung im Wetlab geübt werden. In wel-
cher Richtung konnte die Kapsulorrhexis besser durchgeführt werden?
▬ Die bessere Richtung sollte später bei der Kataraktoperation verwendet werden.
▬ Eine mittelgroße Tomate wird für 30 s in siedendem Wasser gekocht. Die Haut sollte sich dabei nicht
spalten.
▬ Dann wird die Tomate etwas abgekühlt und anschließend auf der oberen Seite etwa 1 min lang mas-
siert. Durch die Massage mit der Fingerspitze wird das unter der Tomatenhaut liegende Mark verflüs-
sigt.
▬ Die Haut sollte am Ende leicht faltbar sein, nicht aber verletzt werden.
▬ Mit einer Inzision wird dann der entstandene Druck entlastet; der herauslaufende Tomatensaft kann
abgetupft werden.
▬ Die Tomate wird nun etwas rotiert und mit einem Universal-Marker wird ein Areal von 2×2 cm auf
der Tomatenhaut (»Kapsel«) schwarz eingefärbt.
4 ▬ Im Zentrum dieses Areals wird mit einer Nadel oder der Kapsulorrhexispinzette die Inzision der
»Kapsel« durchgeführt. Ein kleiner Lappen wird geformt und kreisförmig aufgerissen (Durchmesser
etwa 6 mm), bis eine runde »Kapsulorrhexis« entstanden ist (⊡ Abb. 4.2.1).
▬ Diese Übung kann an verschiedenen Stellen der Tomate wiederholt werden. Entweichender Saft
sollte abgetupft werden.
4.2 · Kapsulorrhexis
127 4
4.3 Phakoemulsifikation
Die Phakoemulsifikation der Katarakt besteht aus verschiedenen Schritten. Die beiden wichtigsten
Schritte sind das vollständige Cracken des Nukleus und das freie Rotieren der Linsenfragmente im
Kapselsack. Werden diese beiden Schritte beherrscht, dann ist die anschließende Entfernung der Linsen-
fragmente in der Regel einfach. Übung 1 konzentriert sich auf das Rotieren, die Übungen 2–4 auf das
Cracken der Linsenfragmente.
▬ Quer über den Verschluss einer Getränkeflasche werden Gummibänder gekreuzt angebracht. Da-
durch kann eine Öffnung hergestellt werden, die der Parazentese entsprechen soll.
▬ Durch diese spaltförmige Öffnung wird ein Chopper oder Cleaver eingeführt, und es wird versucht,
das Instrument im Innenraum zu bewegen, ohne dass der Flaschenverschluss sich mitbewegt.
▬ In den mit Gummibändern bespannten Flaschenverschluss werden Tabletten, die in der Größe redu-
ziert/ geteilt wurden, gelegt.
▬ Durch die spaltförmige Öffnung wird wiederum ein Chopper oder Cleaver eingeführt, und die Tab-
lettenstücke im Kreis herum bewegt, im Uhrzeigersinn und im Gegenuhrzeigersinn, in Analogie zur
Rotation der Linsenfragmente während der Phakoemulsifikation. Dabei kann der Flaschenverschluss
mit der anderen Hand fixiert werden (⊡ Abb. 4.3.1).
▬ In einer Scheibe Toastbrot (getoastet) wird am Rand eine Rinne mit mindestens 50% Tiefe hergestellt.
▬ Mit 2 Instrumenten, z. B. einem Kugelschreiber und einem feinen Nadelhalter, wird das Brot langsam
aufgespalten (⊡ Abb. 4.3.3).
▬ Für eine vollständige Trennung müssen die Instrumente an verschiedenen Stellen angesetzt werden.
4.3 · Phakoemulsifikation
129 4
Übung 5: Cracken überkreuzt
▬ Das Toastbrot wird mit 2 Instrumenten (Kugelschreiber und Nadelhalter) aufgespalten. Die Instru-
mente werden dabei überkreuzt geführt (⊡ Abb. 4.3.4).
Literaturverzeichnis
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Stichwortverzeichnis
134 Stichwortverzeichnis
Diaphragma 72
A B Dienstleistungsqualität 118
diffraktive multifokale Linsen
Abdeckung 48 BESTt-Methode 18 24
Aberration, sphärische 22 bimanuelle I/A 80 Direct Chop 74
Acetazolamid 108 Binkhorst 11 dispersive Viskoelastika 58
Achsenlänge 10 Biokompatibilität 20 Divide and Conquer 72
Against-the-rule-Astigmatismus Biometrie 10 Dual-optic-Linsen 24
102 Biometrieformeln 11, 12
Akinesie 44 biometrische Qualität 118
Akkommodation 2, 24 Blaulichtfilter 22
akkommodative Linsen 24 Block
E
A-Konstante 11 − peribulbärer 44
Akryl 20 − retrobulbärer 46 Einhändige I/A 80
Akryllinsen − sub-Tenon 44 Einstellungen am Phakogerät
− hydrophile 20 Blutverdünnung 6 39
− hydrophobe 20 bruneszente Katarakt 8, 9 Einzelknopfnaht 94
Alport-Syndrom 7 Büchsenöffnertechnik 60 Embryonalkern 2
Amblyopie 16, 104
Bulbusperforation 44 Endophthalmitis 108, 110
Anatomie
− chronisch postoperative
− der Linse 2
110
− der Vorderkammer 2
− späte 110
Anfärben der Kapsel 64 C Endophthalmitis Vitrectomy
Aniridia 8
Study 110
Antibiotika, intraoperative Gabe
Cartridge 88 enge Pupille 98
von 96
Cefuroxim 96 Enklavation 24
Apodisierung 24
Chemosis 44 Epinephrin 43, 102
Aramberri-Doppel K-Methode 18
Chlorpromazin 7 Epinukleusplatte 66
Asepsis, perioperative 48
asphärische Linsen 22 Chondroitinsulfat 58 Epinukleusschale 72
Aspiration 36, 56 Choppen 72 Erscheinungsformen der
− von Kernfragmenten 70 Chopper 69 Katarakt 7
Aspiration Only 74 chronisch postoperative Erweiterung der Kapsulorrhexis
Aspirationsstärke 82 Endophthalmitis 110 64
Astigmatismus 94 Ciprofloxacin 111
− against the rule 102 clear-cornea-Inzision 52
clear lens extraction 74
− with the rule 102
Astigmatismusneutralität der Cracken 70
F
Inzision 54 − des Nukleus 128
Allergie 109 Cutter 78 Fabry-Syndrom 7
Anästhesie 42 Fetalkern 2
atopische Dermatitis 7 Feuchte Vitrektomie 78
Auge flache Vorderkammer 100
− hyperop 12
D Flaschenhöhe 36
− myop 12 Floppy-Iris-Syndrom 102
Augendruck 108 Deformationsstabilität der Fluidics 38
− Kontrolle 78 Inzision 54 Fokus 124
Augenreinigung 48 Demenz 8 Followability 40
Augentropfen, hypertone 112 Dermatitis, atopische 7 Fundusuntersuchung 108
Stichwortverzeichnis
135 A–K
Hydroxypropylmethylcellulose 59
G hypermature Katarakt 82 K
hyperope Augen 12
Galaktosämie 7 Hyperopisierung 108 Kapsel, Anfärben der 64
gefaltete Linse 90 hypertone Augentropfen 112 Kapseldefekte, vorbestehende 76
Gentamicin 96 Hypoglykämie 7 Kapselphimose 116
Glaskörperbiopsie 110 Hypopyon 110 Kapselriss 76
Glaskörperverlust 76 Hypothyreose 7 Kapselsack, Implantation in den 86
Glaskörpervisualisierung 78 Kapseltrübung
Grabenbildung im Kern 68 − hintere 114
Grooven 68 − vordere 116
I Kapsulorrhexis 60, 126
− an einer Tomate 126
I/A − Erweiterung der 64
H − bimanuelle 80 − primäre hintere 82
− einhändige 80 Kapsulorrhexispinzetten 62
Hagen-Poiseuille-Gesetz 38 − mit Simcoe 80 Kapsulotomie, hintere 114
Haigis 11 − System, koaxiales 80 Katarakt
Haigis-Formel 12 Ichthyose 7 − bruneszente 8, 9
Haigis-L-Formel 18 IFIS 102 − Erscheinungsformen 7
Haltering 52 Implantation − hypermature 82
Hauptinzision 52 − in den Kapselsack 86 − Linsenstärke bei Kindern 16
Healon 58 − in den Sulkus 88 − mature 8, 9, 76, 100
Helmholtz-Theorie 2 Implantationspinzette 90 − Rotation 68
hintere Kapseltrübung 114 Index, refraktiver 20 − subkapsuläre 82
hintere Kapsulotomie 114 Instrumente 28 Kataraktchirurgie bei Kinder 104
hinterer Polstar 76, 100 Intermediärvisus 24 Kataraktoperation, Schwierigkeits-
hintere Schalentrübung 6 Intraokularlinsen, torische 102 grade 8
hintere Synechien 8 intraoperative Gabe von Keratom 52
Hoffer Q 11 Antibiotika 96 Keratometer 10
Hoffer-Q-Formel 12 Intubationsnarkose 46 Keratoplastik 114
Holdability 40 Inzision − lamelläre 114
Holladay 1 11 − Astigmatismusneutralität 54 − penetrierende 114
Holladay 2 11 − Deformationsstabilität 54 − posteriore lamelläre 114
Hornhautastigmatismus 102 − clear-korneale 52 Kern, Spaltung 70
Hornhautdekompensation 112 − “limbal-relaxing” 52, 102 Kernfragmente, Aspiration 70
Hornhaut, Hydrierung der 94 − limbokorneale 52 Kernsklerose 6, 9
Hornhautinzision 104 − Stufen der clear-kornealen 53 Kernverlust 76
Hornhautkrümmung 10 Inzisionsweite 88 Kinder
Hornhauttransplantation 114 Iod-Allergie 48 − Kataraktchirurgie bei 104
HPMC 59 IOL Master 12 − Linsenstärke bei 16
Hyaluronidase 43 Iridotomien 98 klaustrophobe Patienten 48
Hydrierung der Hornhaut 94 irisfixierte Linsen 24 koaxiales I/A-System 80
Hydrodelineation 66 Irishaken 98 kohäsive Viskoelastika 58
Hydrodissektion 66 Irisretraktor 98, 102 Kompetenzmodell 4
− unvollständige 66 Irrigation und Aspiration 36, 56, Konstantenoptimierung 16
hydrophile Akryllinsen 20 70, 80 Kontaktlinsenmethode 18
hydrophobe Akryllinsen 20 Irvine-Gass-Syndrom 112 Kontrolle des Augendrucks 78
136 Stichwortverzeichnis