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Jahrgang 5 1991, Nr.

Informationsdienst der Internationalen Bibliothek für Zukunftsfragen


Robert-Jungk-Stiftung, Salzburg

In haltsverzeichnis

Im Blickpunkt 1
In dieser Rubrik stellen wir Neuerscheinungen vor, auf Editorial 2
die wir ganz besonders hinweisen wollen, 3
Rezensionen
Ausblicke - Rückblicke 3
Neues Denken 6
491
Wachstumskritik 8
Jahrbuch Ökologie 1992. Hrsg, v. Günter Altner ." 11
Okologie
München: Beck, 1991.3835" DM 15,-/sFr12,50/öS
Okonomie - Gewerkschaften 16
115,-
Pädagogik 18
In der Reihe einschlägiger Publikationen und Reihen- Krieg - Frieden 21
titel, die von diversen Verlagen im ebenso verdienst- Politik 22
vollen wie einträglichen Bemühen um ökologische 23
Diverses
Bewußtseinsbildung aufgelegt werden, nimmt dieser
Blick über die Grenzen 25
erstmals publizierte Band in mehrfacher Hinsicht eine
Weitere wichtige Titel 28
Sonderstellung ein:
Weitreichende, tragfähige Perspektiven einer global Graues Material 32
orientierten Umweltpolitik werden schon zu Beginn Zeitschriftenrundschau 33
skizziert. Unter dem Titel .Umvveltpolitik 2000" macht Zitate 35
u.a. Martin Jänicke darauf aufmerksam, daß Entwick- 36
Termine
lungshilfe primär die Änderung des (Staats-)Verhaltens
Zukunft in der Diskussion 36
bedeuten muß: Solange von 80 Mrd, DM an öffentli-
chen Geldern nur marginale 1,5% in den Umwelt- Autoren- und Schlagwortregister 38
schutz, hingegen 33 % in die Strukturerhaltung fließen Leseprobe 40
(1987), entpuppt sich der Aktionismus der staatstra- Impressum 40
genden Politstrategen als wortreiche Vernebelung
langfristig unumgänglicher Veränderung. Den Dimen-
sionen des Öko-Kolonialismus unter besonderer Be-
rücksichtigung der weltweiten Klimaproblematik wid- Sei es der Beitrag H.-J, Luhmanns zur Geschichte
met sich Klaus M. Meyer-Abich; nebst einem profun- öffentlicher Verdrängung und publizistischer Sensibili-
den Beitrag Thea Bauriedls zur Psychologie der Gewalt sierung im Kontext Waldsterben, seien es die Vielzahl
gegen Menschen und Natur postuliert Johan Galtung interessanter "Erfahrungen - Exempel - Initiativen",
fünf Prinzipien ökologischen Überlebens und gibt Rolf denen ein eigener Abschnitt gewidmet ist, oder die
j

P. Sieferle unter dem Titel "GlobaI2050, einen (derzeit Appelle zur ökologischen Selbstverpflichtung: Die Zu-
noch) fiktiven Bericht, gegen den sich die Aussichten sammenstellung dieses Bandes, in dem etablierten
Orwells und Huxleys wie Ammenmärchen lesen, Fachleuten und engagierten Bürgerinnen und Bürgern
Als Schwerpunktthemen des Jahres haben die Her- gleichermaßen Raum gegeben wird, ist hoch zu schät-
ausgeber gewählt: Golfkrieg, Klimapolitik, Europa '92 zen. Bleibt zu wünschen, daß die geweckten Erwar-
und Mülldiskurs, Daß sich, um nur ein Beispiel zu nen- tungen auch in Zukunft erfüllt werden können und es
nen, das Volumen des Hausmülls im Ostteil Berlins mit engagierten Publikationen wie dieser doch gelingt,
(derzeit 280 kg/Einw. und Jahr) seit 1989 verdoppelt den latenten Verdrängungsmechanismen entgegenzu-
hat, muß zu denken geben. . wirken, Okologie
Rezensionen
493
Tough, Allen: Crucial Questions About The Future.
Lanham (u.a.): University Press of America, 1991. 133
S., US$ 16,75/ ca. DM 28,- / sFr 22,- / öS 200,-
Ausblicke - Rückblicke Die hier anzuzeigende Publikation ist deutlich von päd-
agogischem Interesse geprägt: Am Ontario Institute
for Studies in Education und an der Universität von
492 Toronto lehrend, stellt Tough 'zunächst dar, daß die
Möglichkeit, positiv wie negativ auf die Zukunft einzu-
Zukunftsforschung und Politik in Deutschland,
wirken im Lauf der Menschheitsgeschichte noch nie
Frankreich, Schweden und der Schweiz. Rolf Krei-
so groß war wie heute. Schon deshalb ist es von zen-
bich ... (Mitarb.) Wein heim (u.a.): Beltz, 1991.410 S.
traler Bedeutung, sich mit ihr zu beschäftigen und sie
(ZukunftsStudien; 3) DM 30,- / sFr 25,40 / öS 234,-
bewußt zu gestalten. Als primären Wert definiert
Tough, den Fortbestand und das Wachsen der
In der BRD gibt es gegenwärtig an die 1000 Institutio-
menschlichen Zivilisation zu sichern, und stellt, von die-
nen, die sich der wisse_nschaftlichen Analyse von Ver-
ser Prärnisse ausgehend, Risiken und Chancen der
gangenheit und Gegenwart widmen, hingegen nur ein
kommenden vierzig Jahre zur Debatte. Mit Blick auf die
öffentlich gefördertes Institut für Zukunftsforschung
Vernachlässigung langfristig verantwortbarer Entschei-
(ZF). Kaum verwunderlich also, daß Rolf Kreibich die
dungen wird u.a. die Einbindung einer .Zukunttslob-
aktuelle Lage der ZF als" katastrophal" bezeichnet. Die
bv" in alle politischen Entscheidungsprozesse gefor-
vielfältigen, im internationalen Vergleich jedoch alle-
dert.
samt kurzlebigen Bemühungen um eine Etablierung
Von einem nicht näher begründeten Szenario ausge-
der Disziplin, die Kreibich in einem ersten (und zu ver-
hend~das die RI~lk~n einer total negativen Entwicklung
tiefenden) Uberblick bietet, verweisen nicht zuletzt auf
mit einem Verhältnis von 3 : 10, die Aussicht auf eine
das gesellschaftspolitische Klima, das offensichtlich
"goldene" Zukunft hingegen mit 1 : 10 beziffert, wer-
langfristigen und sozial innovativen Zukunftsentwürfen
den als Voraussetzung einer wünschenswerten Zu-
keinen Raum gibt. Während Kreibich ZF als übergrei-
kunftsentwicklung fünf Bereiche genannt: Die Zu-
fend-vernetzend, gestaltungs- und handlungsorien-
nahme des Wissens über Weltprobleme, wachsender
tiert.' gesellschaftsbezogen und normativ-spekulativ
Druck auf Entscheidungsträger, sich diesen Agenden
charakterisiert, lehnt der Politiker Christoph Zöpel das
zu Widmen, Verbesserung von politischer Entschei-
"unhistorische Malen neuerZukünfte" mit Verweis auf
dungsfindung, Planung und Verwaltung, die Vermei-
die Notwendigkeit staatlicher Handlungsfähigkeit ab.
dung globaler Katastrophen sowie die gezielte Suche
Den Abschnitt zur "deutschen Lage" ergänzt eine
nach Alternativen. Die. Einrichtung von "Instituten für
von Weert Canzler durchgeführte Befragung von 27
eine positive menschliche Zukunft" an allen Universi-
Experten aus dem deutschen Sprachraum. Kaum ver-
täten und die Berücksichtigung dieses Aspekts in der
wunderlich, daß das weite Spektrum der Wünsche
Schul- und Erwachsenenbildung ist eine wichtige An-
den Eindruck bestätigt, daß Zukunftsorientierung dem
regung.
vielfältigen Angebot eines Gemischtwarenladens
Nach einer knappen, allenfalls summarischen Dar-
gleicht, dem jeder entnimmt, was ihm gefällt.
stellung globaler Risiken (Dritter Weltkrieg, Umweltzer-
Methodische Vielfalt verbunden mit pragmatischer
störung) plädiert Tough für die Erforschung des
Ausrichtung kennzeichnet hingegen die Situation der
außerirdischen Raums, der s. E. entscheidende Lö-
Zukunftsforschung in der Schweiz. Die Vernetzung der
sungskapazitäten für unsere Probleme bereithalten
"Szene", die staatliche Nachfrage, universitäre Einbet-
könnte. Mit einem ,engagierten Votum für den Einsatz
tung, private und wirtschaftliche Aktivitäten umfaßt
jedes Einzelnen, sich im Privaten wie auch in der Ge-
verweist auf die hohe Akzeptanz der ZF in diese~
sellschaft für die Zukunft zu engagieren, schließt dieser
Land .. Mit einer knapp gehaltenen Darstellung der
sympathische, über weite Strecken aber doch auch
wichtigsten (Regierungs-)Programme und -Kommis-
kursorisch gehaltene Essay. Prognose
sionen sowie bedeutender und international anerkann-
Zukunftsforschung
ter Institutionen (Duttweiler-Institut, PROGNOS AG
u.a.) bietet der Abschnitt auch Adressen und Literatur-
hinweise.
Peter H_Moll gibt eine entsprechende Übersicht zur
494
Geschichte und aktuellen Situation in Frankreich und
Schweden, wobei schwerpunktmäßig die Aktivitäten Evo/utionäre Wege in die Zukunft. Wie lassen sich
von .Futuribles" bzw. des "Sekretariats/Instituts für komp/~xe Systeme managen? Hrsg. v. Henning Balck
Zukunftsstudien" beschrieben werden. ". Weinheim (u.a.): Beltz, 1991.320 S. (ZukunftsStu-
Ein über 60 Einträge umfassender Adressenteil mit dien ; 4) DM 24,-/ sFr 20,30 / öS 187,-
Kurzbeschreibungen wichtiger Einrichtungen aus aller
Welt und ein Votum Ossip K. Flechtheims für die At- Auf der Suche nach dem Wesen des Komplexen sind
traktivität der Utopie eines humanen Sozialismus be- fachliche Grenzüberschreitungen ebenso charakteri-
schließen den Band. Deutschland stisch wie die Offenheit des Erkenntnisprozesses. So
Zukunftsforschung nimmt es nicht wunder, daß die Beiträge dieses Ban-
des - ihm liegt ein 1990 in Berlin durchgeführtes Sym- Wer sich darauf einläßt, die weitreichenden und mu-
posion zugrunde - Physiker, Systemtheoretiker, Unter- tigen Visionen führender Zukunftsdenker zu studieren,
nehmensberater und Manager zusammenführte. dem wird verdeutlicht, wie kurzsichtig tagespolitisches
Vier Beiträge erschließen zunächst Grundlagen: Rolf Agieren häufig ausfällt, wie zahlreich dagegen die teils
Kreibich beschäftigt sich mit der globalen Dynamik der schon sehr konkreten Projektionen einer anderen Zu-
Wissenschaftsgesellschaft. Dabei weist er insbeson- kunft sind. Sei es Ökologie, Kreativität, ganzheitlich-
dere auf die negativen Folgen zweiter Ordnung.hin, die vorsorgende Gesundheitspolitik, sanfte Energienut-
eindimensional rationales Handeln bis hin zur Selbst- zung und Technologie, "civii democracv", Ansätze zu
zerstörung zur Folge hat. Grundsätze einer ökologi- einer menschengerechten Stadtplanung, die Bedeu-
schen Ökonomie werden in zehn "Elementen eines tung international organisierter Konfliktlösung oder die
neuen Fortschrittsmusters " zusammengefaßt. H. Bereicherung einer .planetaren Gesellschaft" durch
Balck beschäftigt sich mit dem Thema .Projekthan- kulturelle Vielfalt - der Bogen, den international renom-
dein als Bewegungsform des Wandels" und H. Haken mierte Zukunftsdenker aus den USA und einige Fach-
erläutert den von ihm geprägten Begriff der Synergetik leute auch aus der "Dritten Welt" spannen, ist mit
und deren Bedeutung u.a. anhand des .Oroner-Be- Gewinn zu rezipieren. Daß die meist nur knappen Bei-
griffs. B.-O. Küppers schließlich betont die Rolle der träge zuvor an anderer Stelle publiziert wurden, ist aus
Strukturwissenschaften hinsichtlich neuer Allianzen europäischer Perspektive kaum als Nachteil anzuse-
von Natur- und Geisteswissenschaft. hen.
Beispiele und Praxis und Forschung bietet Teil B: Von vielleicht noch größerer Bedeutung und prakti-
F. Boos beschäftigt sich mit den .Leitdifferenzen" scher Relevanz ist indes der zweite Teil des Bandes:
Teil/Ganzes, System/Umwelt, Identität/Differenz. Der. Vier aufeinander bezogene Register (3300 Personen /
Hinweis auf die .Intransparenz" als wesentliche Ei- Projekte / Organisationen / Schlagwörter) gewährlei-
genschaft komplexer Systeme ist F. Reither zu verdan- sten neben raschem Zugriff auch den Zugang zu wei-
ken. H. Durstberger gibt im folgenden Einblick in die teren Informationen. Nicht zuletzt ist der Nachweis
Erfahrungen der Unternehmensberatung .conqena". umfassenden Engagements für ein besseres Morgen
wobei die Unterscheidung von vier Ansätzen zur Un- dazu angetan, die persönliche Bereitschaft zum Mit-
ternehmensentwicklung (technokratisch, organisa- machen zu fördern. (Adresse: Visionlink - Shelton
tionstheoretisch, systemisch/ganzheitlich, chaotisch) Cove Rd. #185 - Waynesville, NC 28786)
hervorzuheben ist. Einem Beitrag zum Konzept
.Selbstorcanisation und Verteilte Intelligenz" bei der
Daimler-Benz AG folgen zwei Referate zur Zukunft des Dieser parallel zu unserer Publikation in den USA er-
Automobils bzw. zur europäischen Verkehrsforschung. schienene "Katalog der Hoffnung" ist unentbehrlich
So skizziert P. Niedener die Grundzüge eines realisier- für jene, die sich professionell mit Zukunftsfragen be-
baren "Autos der 2. Generation", das gegenüber ei- schäftigen, und nicht minder wichtig für alle, die dies
nem derzeit verfügbaren Modell an Ressourcen und berufshalber sollten. Daß aus transatlantischer Sicht zu
Abfall pro 100 km nicht 58,3 kg, sondern nur 9,7 kg ausschließlich Augenmerk auf Autoren und Adressen
benötigen würde. des amerikanischen Kontinents gelegt wurde, sei
ebenso angemerkt wie die Absicht des Herausgebers,
im Jahresabstand weitere Bände folgen zu lassen.
Ein überzeugender Tagungsband, der die stilistischen Adressen
Defizite vergleichbarer Publikationen vor allem dank re- Visionen
daktioneller Sorgfalt vermeidet. Der Frage, in we/r.:;hem
Maß evolutionstheoretische Erkenntnisse auch zur
Veränderung der ökonomischen Zwecksetzung beitra-
gen können, wird vor allem im praxisorientierten Teil 496
zuwenig Aufmerksamkeit geschenkt. King, Alexander; Schneider, Bertrand: Die globale Re-
Systemforschung volution. Bericht des Rates des Club of Rome 1991.
Management Hamburg: Spiege/-Verl., 1991. 130 S. (Spiegel Spezial;
211991) DM 6,-1 sFr 6,-löS 50,-

495 Die neue Bestandsaufnahme der "Weltproblematik"


des Club of Rome stieß gleich nach Veröffentlichung
11Who Is Who" in Service to the Earth. People, Pro- auf enormes Medienecho. Denn die durch eine Fülle
jects, Organizations, Key Words & 41 Visions of a alarmierender Tagesinformationen erschreckten und
Positive Future by Marilyn Ferguson ... Ed.: Hans J. verwirrten Zeitgenossen wollen mehr Übersicht und
Keller. Waynesville, N. c.: VisionLink Education. Foun- Zusammenhänge erfahren.
dation, 1991.522 S., US $ 19,95Ica. DM 32,-lsFr 25,- Der Bericht zeigt auf, spricht aus, was wir längst
/ öS 230,- wissen, aber anscheinend immer wieder hören müs-
sen. Als eine der größten Herausforderungen gilt die
Die Fülle der hier verzeichneten Ideen kann als starkes Bevölkerungsexplosion. Nach Schätzung der UNO
Argument dafür ins Treffen geführt werden, daß es mit wird die Weltbevölkerung bis zum Jahr 2000 auf
der Welt zwar übel bestellt ist, daß es indes nicht min- 6,2 Mrd., bis 2025 sogar auf über 8,5 Mrd. Menschen
der starke Zeichen begründeter Hoffnung gibt. gestiegen sein. "Die Weltbevölkerung wächst gegen-
wärtig alle vier bis fünf Tage um eine Million". Ganz Einzelne Problemfelder können verständlicher
besonders wird die Schädigung der Umwelt mit zum Weise nicht erschöpfend abgehandelt werden. Zurück-
Teil irreversiblen Folgen in den Blick genommen. Die haltend bleiben die Autoren bei ihren Zukunftsprogno-
Autoren hinterfragen die Zukunft einer Weltwirtschaft, sen. Auf Grund bisheriger Erfahrungen werden die
"die ihre Dynamik aus der stimulierten Verbraucher- Weltmodelle noch vorsichtiger ausfallen als bisher.
nachfrage bezieht". Es wird bemerkenswerterweise Zwar wird der wissenschaftliche Fortschritt in der Bi-
nicht eingestimmt in den Jubel über den "Sieg der lanz nicht mehr als uneingeschränkt positiv bewertet,
Marktwirtschaft", denn unkontrollierte Marktmecha- doch verirren sich die Mitarbeiter dann doch noch in
nismen können, wie nachgewiesen wird, langfristig technizistisch-euphorischen ErYvartungen. In den Be-
unsere Zukunft nicht sichern. Eindrucksvoll werden die reichen Lebensverlängerung, Krankheitsbekämpfung,
Defizite der repräsentativen Demokratie aufgezeigt. Unsterblichkeit, Zeitreisen u.a. werden Wunder erwar-
Unsere Volksvertreter sind außerstande, zukunfts- tet. Andererseits gibt es wiederholt Hinweise auf wich-
orientierte Entscheidungen zu treffen, denn die Aktivi- tige soziale Projekte. Hinsichtlich der drängenden
täten politischer Parteien sind kurzfristig auf Wahlter- Gegenwartsprobleme (Klimaänderung, Abfallentsor-
mine ausgerichtet. gung, Autoverkehr) kommt man bei Vorschlägen zu
Im zweiten Teil wird eine Weltlösungsstrategie ent- ihrer Bewältigung nicht über Gemeinplätze hinaus.
wickelt. Vorgestellt werden Aktionen für 3 Bereiche, Trotzdem ist dieser großzügig konzipierte Band als In-
die sofort in Angriff genommen werden müßten: Um- formationsquelle ein brauchbares Nachschlagewerk
wandlung der Rüstungswirtschaft, Eindämmung der und aufgrund der Berücksichtigung zukunftsrelevanter
globalen Erwärmung und Lösung des Energiepro- Inhalte anderen Lexika vorzuziehen. Geschichte
blems sowie eine neue Entwicklungspolitik. Trotz der Zukunftsperspektiven
damit verbundenen Gefahren halten sich die Autoren
überraschenderweise die Optionen Atomenergie und
schneller Brüter offen. Gleichzeitig wird aber eine mas- 498
sive und weltweite Kampagne zur Energieeinsparung
und zum effektiven Einsatz von Energie gefordert. Ein Horx, Matthias: Das Wörterbuch der 90iger Jahre.
Energie-Rat unter Schirmherrschaft der UNO sollte auf Hamburg: Hoffmann und Campe, 1991.304 S., DM
nationaler Ebene entsprechende Maßnahmen koordi- 32,-1 sFr 27,101 öS 249,60
nieren und überwachen. In bezug auf das Nord-Süd-
Gefälle und die Weltarmut wird die Schaffung nationa- Aus der Traum. Mit dem Fall der DDR zerfiel gewis-
ler Entwicklungskapazitäten und Wirtschaftshilfen sermaßen auch die alte Bundesrepublik. Das "Wörter-
durch vermehrte Kooperation vorgeschlagen. Wesent- buch ", begonnen vor dem Fall der Mauer, wurde zum
licher Teil der Weltlösungsstrategie ist die Verbesse- Schwanengesang auf die bundesdeutsche Generation
rung der "Gouvernanz" abseits von periodischem der 68iger, auf Revolte und erneuter Stagnation, auf
Krisenmanagement - dem "Taumeln von einem Not- Beziehungskisten, Selbsterfahrungsgruppen und die
fall in den anderen". Dazu werden von Politikern neue "Wonnen der Wehleidigkeit". Horx hat ein Gesell-
Qualitäten verlangt, die nicht erst künftigen Generatio- schaftspanorama in Form eines "Breviers" verfaßt -
nen vorbehalten sein sollten. ein Alphabet der Post-Moderne in 25 Kapiteln von
Die gebotenen Visionen einer anderen Zukunft, mö- "Aberglaube" über "Ficus Benjamini" bis "Zivilisa-
gen sie in den meisten Fällen auch utopisch sein, sind tion".
dringend notwendig und werden hoffentlich die Dis- Die 68iger haben, und das gründlich, mit Wertvor-
kussion beleben, wie dies nach dem ersten Bericht an stellungen und gesellschaftlichen Strukturen ihrer EI-
den Club of Rome (1972) der Fall war. tern aufgeräumt. Sie haben dies mit deutscher
Club of Rome Gründlichkeit getan, haben hartnäckig alles hinterfragt
Weltlösungsstrategie und durchdiskutiert, unermüdlich auf der Suche nach
der letzten gesellschaftlichen Wahrheit. Dieser "deut-
sche Idealismus hat mit der nicht ausrottbaren Stimme
in unserem Innern zu tun, die unaufhörlich nur einen
497 einzigen Satz von sich gibt: Wir sind tiefer". Und jetzt?
Die Bilanz des 20. Jahrhunderts. Hrsg. v. Sodo Ha- Welche .pax emanzipatorica" wurde in all den Kämp-
renberg. Dortmund: Harenberg-Verl., 1991. 511 S., fen errungen? Emanzipation ohne Ende, konstatiert
DM 98,-1 sFr 83,-1 öS 764,40 Horx trocken, wird zu einem "ziel- und sinnlosen ,Wei-
ter', zu einer ewigen Flucht".
Zeitenwenden bieten sich für Rück- und Vorschau ge- Diese Suche um ihrer selbst willen fand 1989 ein
radezu an. Die Bilanzierung unseres Jahrhunderts auf jähes Ende, als auf einmal 20 Millionen "Ossis" an die
500 Seiten scheint auf den ersten Blick großspurig und verrammelte Tür klopften: ein häßliches Erwachen, zu-
unmöglich. Was hier gelingt, ist ein Kaleidoskop an In- gleich aber auch eine Chance. "Warum das neue
formationen über Entwicklungen Lind Ereignisse nicht Deutschland hart, ehrlich und hoffnungslos sein wird
nur in ihrer historischen Bedeutung, sondern auch für und die Mission der kritischen Querulanten beendet
die Zukunft. In mehr als 200 Kapiteln und 1195 EinzeI- ist", überschreibt der Autor das letzte Kapitel, in dem er
artikeln bietet sich dem Leser ein Netzwerk an Wissen eine Sylvesterfeier zur Jahrtausendwende beschreibt,
und interdisziplinärer Zusammenschau sowohl von in der sie alle, alle noch einmal gemeinsam das Glas
Fortschritt als auch Rückschritt dar. erheben: M., der Ex-Klassenkämpfer gegen die bur-
6
gerliehe Kultur, G., die den "Untergang des Patriar- ziehtbare Komponente eines ökologischen Generatio-
chats" herbeischrieb, und S., der die "real herrschende nenvertrages werden die Fehlerfreundlichkeit und Re-
Entfremdung im Kapitalismus durch die Kraft der Erde" versibilität genannt. "Es ist immerhin nicht prinzipiell
transzendieren wollte. Horx, selbst einer der ihren, be- ausgeschlossen die Zukunft durch veränderte gesell-
schreibt sie ironisch, mitunter sarkastisch, rechnet schaftliche Praxis wieder zu öffnen."
schonungslos mit ihnen ab, doch nie ohne Mitgefühl. Zeitbewußtsein
Sein Buch ist ein sensibles Portrait einer unaufhaltsam Zukunftsorientierung
zu Ende gehenden Epoche. Rückblickend wird man
von diesem .neuen Deutschland" am 31.12.99 sa-
gen: "Es ist eine ganz normale, hoffnungslose, ver-
quere, bunte, unlösbare Gesellschaft geworden, wie
sie auf einem entsprechenden Planeten heute sein
muß". Gesellschaftskritik: BRD
Neues Denken

499 500
Matzen, Jörg: Zeitbewußtsein und sozialer Wandel. Capra, Fritjof: Steindl-Rust, David: Wendezeit im
Anmerkungen zur Geschichte des Zukunftsbewußt- Christentum. Perspektiven für eine aufgeklärte Theo-
seins. In: dialog. Nr. 8, 1991. S. 9-60, DM 10,-/ sFr logie. In Zusammenarbeit mit Thomas Matus. Bern
8,501 öS 78,- (u.a.): Scherz-Ver/., 1991.286 S., DM 38,-1 sFr 32,20/
öS 296,40
Die aktuelle "Krise der Zeiterfahrung " veranlaßt den
Autor, in der historischen Rekonstruktion von Verände- Folgende fünf Kriterien neuen Denkens in den Natur-
rungsprozessen die wesentlichen Motive und Ent- wissenschaften hatte Fritjof Capra anläßlich eines
wicklungsschübe darzustellen. Ausgehend von der Symposions an dem von ihm geleiteten Elmwood In-
Selbstverständlichkeit von Zeit im Alltagsleben werden stitute (Berkeley) zur Diskussion gestellt: Den Wechsel
objektive, subjektive und psychologische Kategorien vom Teil zum Ganzen, von der Struktur zum Prozeß,
des Zeiterlebens beschrieben. Das Zeitbewußtsein hat von der objektiven zur "epistemischen" Naturwissen-
für Matzen v.a. eine intersubjektive Qualität, es reflek- schaft, vom Gedankengebäude zum Netzwerk als
tiert die kollektive zeitbezogene Befindlichkeit einer Struktur des Erkennens und schließlich den Wechsel
bestimmten Kulturepoche. von der Wahrheit zur annähernden Beschreibung.
Nach einem Blick auf das Zeitbewußtsein bei archai- Daß er damit frappierende Entsprechungen im Be-
schen Völkern, die Zeiterfahrung des Vorher und Nach- reich der aufgeklärten Theologie jenseits konfessionel-
her im Mittelalter bis hin zur Vorstellung einer linearen ler Beschränkung ansprach, ist der faszinierende Be-
Zeit mit offener Zukunft in der Neuzeit kommt der Au- fund eines Dialogs mit Pater Steindl-Rust und dem
tor auf die gegenwärtige Krise des Zeitbewußtseins zu Theologiehistoriker Thomas Matus, der in Big Sur, Ka-
sprechen. Zwar gibt es "keinen Weg zurück aus der lifornien, geführt wurde und hier im Wortlaut wieder-
möglicherweise selbstbestimmten Zukunft", doch gegeben ist. Wenn beispielsweise die Offenbarung
wird durch Ausbeutung, Kolonialisierung und Bewirt- nicht weiter als zeitlose Wahrheit, sondern als histori-
schaftung der Zukunft (Ökodesaster, Ressourcenver- sche Manifestation verstanden wird, so sind - gerade
schwendung) "das Spektrum alternativer Handlungs- auch hinsichtlich des naturwissenschaftlichen Paradig-
und Entwicklungsmöglichkeiten zukünftiger Genera- menwechsels - zentrale Gemeinsamkeiten angespro-
tionen z. T. erheblich eingeschränkt". Die Zukunft als chen. Sie werden jedoch - auch das verbindet - vom
prekäre Zeitausdehnung verkürzt" Planungshorizonte jeweiligen Establishment nur zögernd zur Kenntnis ge-
entwerfenden Denkens". Durch diese Entwicklung nommen. Die tiefe Verbundenheit des Fragens nach
sieht Matzen eine erneute Transformation des Zeitbe- dem "Wie" (Naturwissenschaft) und nach dem "War-
wußtseins nahen, die er als das .Antinornische der um" (Theologie) offenbart sich im grenzüberschreiten-
Zukunft" bezeichnet. Gemeint ist damit eine Zukunft, den Suchen nach Wahrheit (Ökologie / Ökumene) wie
die gleichzeitig offen und vorentschieden ist. Offen mit in der Einsicht, daß neues Denken vielfach die Wie-
negativen Vorzeichen durch beschleunigte Verände- derentdeckung alter Traditionen bedeutet. Die Komple-
rungsgeschwindigkeit, vorentschieden durch die Fol- xität und tatsächlich neue Wege weisende Dimension
gen der Dynamik technisch-ökonomischer Entwicklun- dieses Diskurses, bei welchem Capra die Rolle des
gen. Er sieht darin ein Hinbewegen auf die Zeitper- gestaltenden Moderators einnimmt, sei an einer ver-
spektive des christlichen Mittelalters (lineare Zeit mit blüffenden These festgemacht: Das Mysterium gött-
geschlossener Zukunft) in säkularisierter Variante. licher Dreifaltigkeit findet seine Entsprechung im Kon-
Schließlich werden Handlungsmöglichkeiten beschrie- zept der Selbstorganisation. Deren zentralen Aspekte
ben, die eine erneute Transformation des Zeitbewußt- Muster, Struktur und Prozeß lassen Capra von einer
seins in Richtung reflexive Behutsamkeit hervorbrin- "dreifaltigen" Natur sprechen. Die sich abzeichnende
gen könnten. Dazu wäre Diskursivität, Reflexivität, Verschiebung vom Rationalen hin zum Intuitiven öffnet
rationale Zukunftsorientierung und Abkehr von zentral- nicht zuletzt auch den Blick für gemeinsame Verant-
geleiteten Veränderungsideen notwendig. Als unver- wortung im Sozialen. Es geht nicht zuletzt dar-
um, "Wissen zu verbreiten, damit die Menschen sich überzeugen, ist das Votum für die weitere Nutzung und
selbst helfen können und sich nicht auf andere verlas- Erforschung der Atomenergie gerade auch in Hinblick
sen müssen". auf die eingeforderte Zukunftsverantwortung mensch-
lichen Handeins kaum nachvollziehbar. Ethik
Jonas, Hans
Der Glücksfall eines Dialogs, der als Prozeß wechsel-
seitigen Verstehens und Einverständnisses für Dritte
nachvollziehbar ist. Neues Denken
Theologie ..
502
Hübenthai, Ursula: Interdisziplinäres Denken. Ver-
such einer Bestandsaufnahme und Systematisierung.
501 Stuttgart: F. Steiner, 1991. 190 S., DM 58,-/ sFr49,20
/ öS 452,40
Jonas, Hans: Erkenntnis und Verantwortung. Ge-
spräch mit Ingo Hermann in der Reihe "Zeugen des Dem "diffusen Gebrauch" des Begriffs entgegenzu-
Jahrhunderts". Hrsg. v. Ingo Hermann. Red.: Jürgen wirken, Facetten interdisziplinärer Forschung abzuklä-
Voigt. Göttingen: Lamuv-Ver/., 1991, 1515., DM 18,-/ ren sowie Chancen und Grenzen der weiteren Ent-
sFr 15,30 / öS 140,40 wicklung fächerüberschreitender Wissenschaft zu
diskutieren, ist Ziel dieser Arbeit, die 1989 an der Uni-
1903 in Mönchengladbach geboren, ist Hans Jonas versität als Dissertation vorgelegt wurde.
schon aufgrund der Zeitspanne, die er kritisch reflek- Die Autorin reflektiert einleitend den allgemein als
tierend durch sein Denken beeinflußt hat, ein bedeu- notwendig erachteten Brückenschlag zwischen den
tender Chronist dieses Säkulums. Wissenschaften, der in Anbetracht von weltweit täg-
Der sensiblen Art des Gesprächs, zu dem vor allem lich mehr als 17000 Veröffentlichungen (1986) der
auch Ingo Hermann wesentlich beiträgt, verdankt der Zersplitterung der Wahrheit (C. F. v. Weizsäcker) ent-
Leser Einsichten in das geistige Umfeld eines liberal gegenwirken soll. Dabei wird nicht die Überwindung
geprägten jüdischen Großbürgertums, in welchem des Spezialistentums, sondern das gemeinsame Inter-
Jonas durch seine zionistische Grundhaltung zunächst esse am "Gesamtgegenstand " als Zielvorgabe ge-
auf Widerstand, doch auch auf Verständnis des Vaters nannt. Der Erörterung einiger Systematisierungsvor-
stieß. Den Studienjahren in Marburg, Freiburg und Ber- schläge von Interdisziplinarität (Jantseh, Lenk, Voss-
lin, u.a. bei Husserl und Heidegger, sowie der lebens- kamp) läßt Hübenthai den Vorschlag zur Unterschei-
langen Freundschaft zu Hannah Arendt, den religions- dung von "Ergänzung" und "Verflechtung" folgen.
geschichtlichen und -philosophischen Arbeiten sowie Der umfassendste Teil der Untersuchung ist dem
dem akademischen Werdegang Jenas' über Palästina, Bemühen um den Nachweis interdisziplinärer For-
Kanada und die USA wird ausführlich Raum gege- schung in der Praxis gewidmet. Dabei werden "supra-
ben. disziplinäre" Wissenschaften (Philosophie, Logik, Ma-
Die tiefe Suche nach der Verbindung von Wahrheit thematik und strukturelle Ansätze), Interdisziplinarität
und Menschlichkeit sowie die Sympathie für die im engeren Sinn (Bionik, Ökologie, Politologie u.a.) so-
Schwachen der Gesellschaft sind durchgehend prä- wie transdisziplinäres Denken (die Verbindung von Gei-
gende Elemente seines Denkens, das sich folgerichtig, stes- und Naturwissenschaften) unterschieden und im
wenn auch durch den Zufall mitbestimmt, über Fragen einzelnen knapp dargestellt. Derart wird zwar deutlich,
einer "philosophischen Biologie" hin zu einer Ethik ent- daß Einzeldisziplinen immer wieder auf Kenntnisse an-
wickelt, die den Erfordernissen des technologischen derer Bereiche zurückgreifen, doch sind die Erwartun-
Zeitalters gerecht zu werden sucht. Im Diskurs über gen und Forderungen an das Konzept fächerüber-
Eliten und politische Chancen autoritärer Regime fällt schreitender Diskurse damit noch nicht eingelöst. In
das Votum zugunsten der Demokratie aus, da "eine der Einsicht, daß u. a. sprachliche und institutionelle
größere Unabhängigkeit im Verstehen und Einsehen Barrieren der" Entwicklung eines theoretisch bis ins
(der) Verantwortung (gegenüber der natürlichen Um- letzte Detail ausgearbeiteten integrierenden Ansat-
welt) dauernd erzeugt wird". Kapitalistisch orientierten zes" entgegenstehen, wird die verstärkte "Bereit-
Fortschrittsglauben und marxistische Utopie weist Jo- schaft zur Auseinandersetzung" gefordert.
nas gleichermaßen zurück. Als "anthropologischen
Grundirrtum" Blochs bezeichnet er die Verwechslung
von "Gnade und Fluch menschlicher Schöpfungskraft Bezeichnenderweise sind der Zukunftsforschung an
mit einem süßen, elysischen Dasein"; an die Stelle dieser Stelle nur einige Zeilen gewidmet. In Richtung
einer politisch-gesellschaftlichen Utopie von univer- einer prospektiven Bestandsaufnahme wären gerade
saler Fülle gelte es, bescheidenere Ziele zu setzen und auch deren Vorschläge hinsichtlich schulischer und uni-
die Hoffnung darauf zu richten, "daß sich der Mensch versitärer Reformen zu reflektieren, auch wenn dies
selbst Einhalt gebieten kann". Während die abschlie- nicht im Rahmen dieser Arbeit geleistet werden
ßenden Gedanken zu Tod und Alter in Zusammenhang konnte und sollte. Interdisziplinarität
mit den ambivalenten Errungenschaften der Medizin Wissenschaft
503 weise für eine Großzahl unsere heutigen Probleme völ-
lig ungeeignet ist". Hazel Henderson setzt sich mit den
Oe Bono, Edward: Der Klügere gibt nicht nach. Düs-
Paradigmen traditioneller Ökonomie auseinander und
seldorf(u.a.): Econ-Verl., 1991. 286S., DM 42,-lsFr
stellt dem Nullsummenspiel eine auf kooperativer Stra-
35,601 ÖS 327,60
tegie beruhende neue Wirtschaft gegenüber, die allen
Beteiligten Gewinn zubilligt. Der Wechsel von der
Nicht weniger als unsere Denkgewohnheiten über
"Hardware" zur natur- und sozialverträglichen "Soft-
Bord zu werfen, uns von den Gesetzen der traditionel-
ware" -Technologie ist i. E. keine Illusion, sondern findet
len Logik zu verabschieden fordert de Bono in diesem
in den Entscheidungen der politisch Sensiblen ihren
streitbaren Buch, das sich von den Gepflogenheiten
ersten Niederschlag. Die Tiefenpsychologin Eva Wer-
wissenschaftlicher Argumentation absetzt, und sie zu-
tenberg-Birkhäuser beschäftigt sich mit der Bedeutung
gleich als untaugliche Mittel der Problemlösung ent-
des Unbewußten in der Naturwissenschaft, Herbert
larvt: Nicht Spekulation, sondern die in groben Zügen
Pietschmann erläutert Probleme der Realität aus Sicht
vorliegende Einsicht in die selbstorganisierende mu-
der Physik und Paul W. Müller gibt Einblick in eine
sterbildende Funktion des Gehirns weist auf die Un-
Facette "utopischen Denkens" anhand der Zukunfts-
tauglichkeit nur argumentativen und kritischen Den-
planung bei Ciba-Geigy.
kens hin, das der Autor als .Tischplatten- oder
Psychosoziale Grundlagen der Welt von morgen
Gesteinslogik" bezeichnet. Die Praxis abendländi-
stellen in Teil zwei u.a. Binswanger ("Geld und Magie-
schen Denkens, in der Dichotomien wie "richtig" -
die Utopie der modernen Zeit") sowie E. Rosenbertl P.
"falsch", "entweder" - "oder" von zentraler Bedeu-
Binz zur Debatte. Nach Ansicht der letzteren wird die
tung sind, läßt Ambivalenzen (sowohl- als auch) außer
allgemeine Verfügbarkeit zukunftsrelevanter Informa-
Betracht - und verstößt damit gegen die Struktur un-
tionen einen .Dernokratieschub" zur Folge haben. Im
serer Wahrnehmung.
Umfeld der trotz der behandelten Komplexität durch-
An die Stelle der "Gesteinslogik", als deren wichtig-
wegs allgemein verständlich formulierten Beiträge
ste Ursache eine "Enzyklopädie der Unwissenheit"
zeichnen sich die Gedanken Christina Thürmer-Rohrs
namens Sprache auszumachen ist, setzt de Bono auf
zur Patriarchatskritik gleichermaßen durch persönli-
konstruktives, von "Operabilität" und "Design" ge-
ches wie politisches Engagement aus. David Steindl-
prägtes Denken. Die Grundsätze einer solchen wahr-
Rust schließlich gibt eine Zusammenfassung seines
nehmungs- und systemadäquaten "Wasserlogik" sind
Gesprächs mit F. Capra (s. dazu in diesem Heft
nach Ansicht des Verfassers erlernbar.
Nr. 500) Neues Denken
Die kaum zu widerlegende Einsicht, daß wir zwar
Wissenschaft und Technik vorangetrieben, zur Verbes-
serung sozialer, rechtlicher, im weitesten Sinne kultu-
reller Bereiche aber sehr wenig beigetragen haben, ist
ein starkes Indiz für die Notwendigkeit einer .neuen
Renaissance", zu der de Bono beitragen möchte. De-
Wachstumskritik
ren Wegbereiter ist weder die von Gewalt begleitete
Revolution noch die an starre Strukturen gebundene
Evolution, sondern die kreative, Denkmuster wech- 505
selnde .Provolution". Neues Denken
Wachstum und Wohlstand. Neuere Konzepte zur Er-
Kreativität
fassung der Sozia/- und Umweltverträglichkeit. Hrsg. v.
Hans Diefenbacher ... Marburg: Metropolis-Verl.,
1991. 144 S. (Ökologie u. Wirtschaftsforschung; 3) DM
504
22,-lsFr18,60/öS 171,60
Im Einvernehmen mit der Natur. Die Zukunft von
Ökologie, Wirtschaft, Gesellschaft. Mit Beitr. v. Hans- Das Bruttosozialprodukt gilt seit langem wegen seiner
Peter Dürr ... Hrsg. v. Pier L. Luisi. Stuttgart (u.a.): mangelnden Aussagekraft über die tatsächlichen Fol-
Verlag Bonn Aktuell (u.a.), 1991.264 S., DM 39,-1 sFr gen des Wirtschaftens als unzulänglicher Parameter.
33,- / öS 304,20 Auf der Suche nach genaueren Indikatoren ist in den
letzten Jahren eine Vielzahl von Konzepten entwickelt
Daß die Überwindung fragmentarischen Denkens und worden, die Sozial- und Umweltverträglichkeit zu er-
Handeins ernsthaft nur auf Grundlage fundierten Fach- fassen und zu bewerten suchen. Die neuesten Ent-
wissens zu leisten ist, verdeutlicht einmal mehr dieser wicklungen auf diesem Gebiet, aber auch Möglichkei-
Band, der Referate der jüngsten Cortona-Tagung zu- ten der praktischen Umsetzung werden im vorliegen-
sammenfaßt. den Sammelband vorgestellt.
"Auf der Suche nach neuen Welten" - so das Motto Christian Leipert beschäftigt sich mit den Folgenko-
des ersten Abschnitts - findet der Leser prominente sten des Wirtschaftens. Er sieht das Hauptdefizit der
Reiseführer: Hans-Peter Dürr gibt Auskunft über das Bruttosozialprodukt(BSP)-Rechnung darin, daß das Na-
ergänzungsbedürftige "Weltbild des Naturwissen- turvermögen als Grundlage jeglicher Produktion und
schaf tlers". Wissenschafts-Technikfeindlichkeit ist jeglichen Konsums ausgeblendet bleibt. Nach seiner
nicht in einer Ablehnung forschenden Bemühens als Rechnung stieg das BSP zwischen 1970 und 1988 um
solehern begründet, sondern folgt der Erkenntnis, rund 565 Mrd. DM und ging in diesem Zeitraum mit
"daß die mechanische und statische Betrachtungs- einem Anstieg der defensiven Ausgaben von über
117 Mrd. DM einher: ,,21 % des Wachstums des BSP richtige Weg führt über den Ausbau des Rechtsrah-
werden mithin durch den Anstieg der kompensatori- mens für die Regelung der Umweltnutzung."
schen Kosten der Schadensregulierung ,aufgefres- H. Binswanger spricht sich für eine Vermeidungs-
sen'". Mit der Frage, wie das BSP unter Umwelt- Strategie im Kontext erweiterter Umweltschutzmaß-
aspekten modifiziert werden könnte, bzw. wie Um- nahmen aus. J. Priewe beschreibt den Entwurf des
weltberechnungen in den Rahmen der Volkswirt- "Gesetzes für eine ökologisch-soziale Marktwirt-
schaftlichen Gesamtrechnung eingefügt werden schaft , in dessen Zentrum der Abschied vom Wachs-
könnten, beschäftigt sich C. Stahmer. Er hält für ab- tumsmythos steht. Schließlich skizziert Stratmann-
sehbare Zukunft die traditionellen Berechnungen, er- Mertens Elemente einer mittelfristigen Rahmenpla-
weitert um ein Rechenwerk für die Darstellung der nung zur Errichtung einer "Ökologischen Wirtschafts-
ökonomisch-ökologischen Zusammenhänge in einem demokratie" . Ökologie
"Umwelt-Satellitensystem" für ausreichend, wie es Ökonomie
seit einigen Jahren vom Statistischen Bundesamt vor-
geschlagen wird. Es hätte die Aufgabe, umweltrele-
vante Kosten in der VGR zu identifizieren, die Auswir-
507
kungen des Wirtschaftsprozesses auf die Umwelt mit
Daten der VGR zu verknüpfen, gesamtwirtschaftliche Zur Lage der Welt 91/92. Daten für das Überleben
Indikatoren für die Umweltbelastung durch die Wirt- unseres Planeten. Wor/dwatch Institute Report. Lester
schaftstätigkeit zu entwickeln und .Modellrechnun- R. Brown ... (Mitarb.) Deutschspr. Ausg. hrsg. v. Gerd
gen zu ermöglichen, in denen die herkömmlichen Michelsen. FrankfurUM.: S. Fischer, 1991, DM 29,801
Wirtschaftsmodelle um ökologische Fragestellungen sFr 25,30 1 öS 232,40
erweitert werden können".
Hans Diefenbacher stellt die wichtigsten Ergebnisse Die herkömmliche Sichtweise ökonomischer Prospe-
und methodischen Probleme des von Clifford Cobb in rität, die Fortschritt an Pro-Kopf-Einkommen oder BSP
den USA erstellten "Index of Sustainable Economic bemißt, ist irrational. Sie handelt die Erde als unver-
Welfare" im Vergleich zwischen den USA und der Bun- buchte Konkursmasse und trägt so zum Ausverkauf
desrepublik dar. Die Würdigung des Konzepts der der Zukunft bei. Zu diesem Schluß kommt Lester R.
Produktlinienanalyse als möglichem zentralen Mosaik- Brown im einleitenden Beitrag über Ansätze und Per-
stein einer ökologisch und sozial orientierten Wirt- spektiven einer .neuen Weltordnung". Er verweist
schaftspolitik, die Bewertung der Umwelt in Form von zugleich auf alternative Bemessungsgrundlagen ökolo-
Makro-Indikatoren in den Niederlanden und die Ökolo- gischen Wirtschaftens, den "Human Development
gische Buchhaltung als innovatives Instrument kom- Index" und den "Index of Sustainable Economic Wel-
munaler Kostenbilanzierung. Bruttosozialprodukt fare". Weitere Themen und Thesen des Bandes:
Ökosteuer - Entwurf eines umweltverträglichen Energiesy-
stems: Das Öl-Zeitalter geht zu Ende, schon heute
wird weltweit 20% der Energie aus erneuerbaren
Quellen gedeckt.
- Vermeidung von Abfall: Bis zu 90 % des derzeiti-
gen Müllaufkommens könnten durch Recycling wie-
506
dergewonnen werden, einzig unüberwindliches Hin-
Wachstum. Abschied von einem Dogma. Kontroverse dernis dafür ist der Bau von Müllverbrennungsanla-
über eine ökologisch-soziale Wirtschaftspolitik. Hrsg. gen.
v. Eckhard Stratmann-Mertens ... FrankfurUM.: S. Fi- - Verbesserung des Verkehrs in den Städten: Durch
scher, 1991. 277 S., DM 29,80 1 sFr 25,30 1 ÖS die den Straßenbau fördernde Kreditpolitik der Welt-
232,40 bank verschlechtert sich die Verkehrssituation in den
Metropolen der Dritten Weltzusehends. Die Infrastruk-
Das Ziel eines stetigen Wachstums, wie es im Stabi- tur osteuropäischer Städte ist richtungsweisend: in
litäts- und Wachstumsgesetz (StWG) von 1967 formu- Moskau deckt der öffentliche Verkehr 88% des Be-
liert wurde, soll durch das Konzept einer ökologisch- darfs.
sozialen Marktwirtschaft ersetzt werden. Ein entspre- - Heform der Forstwirtschaft: "Während noch dar-
chender Gesetzesentwurf wurde von den GRÜNEN über diskutiert wird, wieviel Urwald erhalten werden
im Bundestag im Juli 1990 eingebracht. Die Autoren soll, werden die letzten Bestände gerade abgeholzt."
des Bandes setzen sich kontrovers mit den Leitideen Die verstärkte Nutzung von Sekundärwäldern, nach-
dieses Gegenentwurfes auseinander. Zunächst be- haltiges Wirtschaften, die Senkung des Schnittholzver-
schreiben Hickel/Priewe die Notwendigkeit einer Alter- brauchs und der Einsatz neuer Verarbeitungstechnolo-
native zum Stabilitätsgesetz. Die Kritik der Kritiker an gien sind zu forcieren.
diesem Gesetz nimmt O. Schlecht vor und plädiert für - Wiederherstellung der Umwelt in Osteuropa: Die
eine sachgemäße Sichtweise und angemessene Sanierung der Umwelt ist Voraussetzung der wirt-
Handhabung des StWG anstelle eines neuen Geset- schaftlichen Entwicklung. Osteuropa könnte von den
zes. Reformüberlegungen für die SPD entwirft W. Fehlern des Westens lernen und diesen in Umweltbe-
Roth. Für einen gänzlich ungeeigneten Weg zur Ver- langen politisch und technologisch überholen .. Eine
besserung des Umweltschutzes hält H. Schneider das Kopie des "verantwortungslosen Kapitalismus" wäre
Abbremsen des wirtschaftlichen Wachstums. "Der verhängnisvoll.
- Ökologische Folgen der Kriegsführung : In Kriegs- Wachstums-Philosophie gilt als unerläßlich. "Nicht
wie in Friedenszeiten zählen die Armeen der Welt zu Schulmeistern, was zu unterlassen sei und welche
den größten Zerstörern der Umwelt In den USA sind Fehler nicht wiederholt werden sollen, ist gefragt, son-
300000 Menschen - mehr als die Hälfte derer, die im dern das Vorbild: wir müssen unseren überzogenen
Bereich der Atomproduktion gearbeitet haben - radio- Wohlstand freiwillig zurückschrauben, bevor wir durch
aktiver Belastung ausgesetzt gewesen. Eine welt- weltweite Verteilungs kämpfe gewaltsam dazu ge-
weite Allianz der Umwelt- und Friedensbewegungen zwungen werden." Umwelt
bahnt sich an. Naturwissenschaft

509
Ein weiteres Mal besticht dieser Report durch pro-
Tatort Erde. Menschliche Eingriffe in Naturraum und
funde Analyse und konstruktive Lösungs\(orschläge.
Klima. Hrsg. v. Günter Warnecke ... Berlin (u. a.): Sprin-
Deren Umsetzung wäre vor allem auch Aufgabe der
ger, 1991.2925., DM 48,-1 sFr 40,70 1 öS 374,40
Ersten Welt, die unter Führung der USA eine" Globale
Ecological Initiative" ins Leben rufen könnte, anstatt
Zwar haben Teilbereiche der Geowissenschaften in
nach wie vor horrende Mittel in.militärische Abschrek-
Folge des ökologischen Krisengemenges das Inter-
kung zu investieren. Umwelt: global
esse breiter Öffentlichkeit erlangt, doch fehlen weitge-
Zu kunftsperspektiven
hend Darstellungen, die dem" Naturraumpotential " in
seiner Gesamtheit Rechnung zu tragen suchen. Hier
schließt dieser Band einige Lücken. Wesentliche, bis-
508
her viel zu wenig beachtete Dimensionen anthropoge-
Porritt, Jonathan: Rettet die Erde. Mit e. Vorw. v. H R H ner Verletzungen des Ökosystems werden vor allem
The Prince of Wales. Hamburg-Remseck: RVG-/nter- im ersten Abschnitt (vorwiegend mit Bezug auf die
book, 1991. 208 5., DM 49,- 1 sFr 41,50 1 öS Situation der "alten Bundesrepublik") beleuchtet.
382,20 Der Abwägung von Nutzungsinteressen in Anbe-
tracht des exorbitanten Verbrauchs an Trinkwasser und
Nicht bescheiden auf Recyclingpapier, sondern in einer mineralischen Rohstoffen widmet sich einleitend P.
gelungenen Mischung aus Wort und Bild in Großfor- Wycsik. Am Beispiel Niedersachsen werden hier, und
mat wird hier für die Rettung der Erde geworben. vertiefend in einem Beitrag von J. D. Becker-Platen,
Erklärtes Ziel ist die Vermittlung von Erkenntnis und Grundzüge eines zukunftsorientierten Planungsverfah-
Emotion. So finden sich neben beeindruckenden Bei- rens zur Bestandsaufnahme des Naturraums Boden
spielen der Schönheit der Erde auch solche von Leid beschrieben. Das Ausmaß der Schadstoffbelastungen
und Zerstörung. 18 Wissenschaftler und Umweltex- durch Schwermetalle und die durch kurzsichtige Rück-
perten geben in kurzen Einzelbeiträgen einen Überblick sichtnahme auf Produktionsintensitäten nur bedingt
über anhaltende Belastungen des Ökosystems. Über wirksamen Ansätze zur Bodenregeneration sind Ge-
100 Autoren, Künstler und Politiker steuern ihren per- genstand eines weiteren Beitrags. Auf das vernachläs-
sönlichen Kommentar zum Zustand dieser Welt bei. sigte Gefahrenpotential nichtradioaktiver Sonderab-
In seiner Bestandsaufnahme zeigt Porritt, daß uns fälle und Probleme langfristig sicherer Lagerung in
nur noch wenig Zeit bleibt, die Dinge wieder in Ord- Deponien macht A. G. Hermann aufmerksam. Vor den
nung zu bringen. Einzelne Lichtblicke wie etwa der
"Right Livelihood Award" und zahlreiche Aktivisten
"an der grünen Front" werden als positive Beispiele
genannt. Eine neue Grundsatzdiskussion über unsere

Pro-Kopf Verbrauch von Pappe und Papier in Europa


1922-1988, S. 176
Tonnen- pro Tausend
Einwohner
150-,----------------,

100

Verb'atJ,h an I(~s. Sand uruf H... lsl.inon pro Jahr


in der Bundesr.publl

50
Abb. 1. Der Jährliche Verbrauch von Kies, Sand und Hartstein im
Westteil der Bundesrepublik Deutschland kann in sehr guten Kon-
junkturzeiten bis zu 1 Mrd. t betragen. Diese Menge entspricht der
200fachen größe der Cheopspyramide. Ca. 80% davon verbraucht
2(MMI
die "öffentliche Hand" großenteils für den Verkehrswegebau, dies
1920 1940 IW~) IYXO
wird also durch den Steuerzahler finanziert, deshalb müssen wir alle
Quellen:
starkes Interesse an einer kostengünstigen Versorgung mit diesen
FAO,
EG-Kommission Rohstoffen haben
unabsehbaren und somit unvertretbaren Risiken des und diskutiert einige Modelle ökologischer Besteue-
Meeresbergbaus warnt schließlich J. Schneider. rung. Sein Resümee: Solange die externen Vermei-
Die vier Texte des zweiten Abschnitts wenden sich dungs- und Schadenskosten nicht im Preis berücksich-
Aspekten der atmosphärischen Umweltbelastung zu: tigt werden, "wirtschaften wir permanent über unsere
Neben den Themen Ozon und Treibhauseffekt ma- Verhältnisse", dessen Folge eben auch-die Umwelt-
chen P. Cruzen und G. Warnecke auf die Gefahren und krise ist.
Folgen eines Atomkrieges aufmerksam, der selbst als Ulrich Petschow bietet eine Bestandsaufnahme der
regionaler Konflikt verheerende Folgen zeitigen würde. Situation in den neuen Bundeslandern und äußert sich
Einer Erörterung des Zusammenhangs von Vulkanis- zu Recht sehr kritisch über Entwicklungstrends infolge
mus und klimatischen Störungen folgt im abschließen- der neuen politischen Rahmenbedingungen. Ein aus-
den dritten Abschnitt eine kritische Darstellung über führliches Interview mit Brandenburgs Umweltmini-
die begrenzte Aussicht auf mittel- und langfristige Wet- ster Matthias Platzeck rundet das Spektrum ab.
tervorhersagen. Trotz beachtlicher Fortschritte in Folge
der Weltraumforschung überwiegt die Einsicht, daß
die Komplexität des Systems zuverlässige Prognosen Wer gleichermaßen fundierte und kritische Informatio-
nicht zuläßt. Wie H.-~. Lange verdeutlicht, läßt sich nen zum Thema regelmäßig einsehen möchte, wende
selbst unter der nur theoretisch denkbaren Berücksich- sich an J Radloff, Verlag für Politische Ökologie, Cosi-
tigung aller relevanter Parameter keine verläßliche mastr. 4, 0-8000 München 81.
Aussage treffen: Die Eigenheiten des "deterministi- Umweltbilanz: Deutschland
schen Chaos" stellen - wie es scheint - nicht weniger
als die Grundsätze unseres (naturwissenschaftlichen) 511
Weltbildes ein weiteres Mal zur Diskussion.
Geowissenschaften Natur denken. Eine Genealogie der ökologischen
Chaosforschung Idee. Hrsg. v. Peter Corne/ius Mayer- Tasch. Frank-
furt/M.: Fischer 1991 (fischer perspektiven 4195,
4196) Bd. 1: Von der Antike bis zur Renaissance. 215
Ökologie S., Bd. 2: Vom Beginn der Neuzeit bis zur Gegenwart.
235 S., je Band DM 19,80/ sFr 16,80/ öS 154,40

"Natur denken" - das heißt für den Herausgeber im


510 Muster der Verknüpfung denken, der Verknüpfung des
Umweltbilanz Deutschland. Schwerpunktthema der Ganzen mit seinen Gliedern, des Menschen mit seiner
"Politischen Ökologie ", 9. Jg. (1991), H. 23. 58 S., DM Um- und Mitwelt. Nachdenken darüber, daß wir - um
8,- / sFr 6,80/ öS 62,40 mit Albert Schweitzer zu sprechen - "Leben inmitten
von Leben sind, das leben will", hat es schon lange
Neben den wie immer informativen und vor allem gegeben, bevor vom Begriff Ökologie die Rede war.
durch umfassende Literatur- und Adressenangaben Historische Zeugnisse solchen Denkens sind in den
auf vertiefende Eigeninitiative abzielenden Rubriken vorliegenden Bänden zusammengestellt. Abschnitts-
(Spektrum, Forum, Netzwerk) bietet das Heft auf mehr und Autorenkommentare geben wichtige Aufschlüsse
als vierzig Seiten sechs Beiträge, die in Anbetracht der über den jeweiligen geistesgeschichtlichen Hinter-
Komplexität des Gegenstandes kaum hoch genug zu grund der Texte und verhelfen zu deren leichterem
veranschlagen sind, Verständnis.
Unter dem Titel "Reagieren statt Agieren" skizziert Mayer-Tasch zeigt auf, daß jemand, der die Ge-
Helmut Weidner, Mitarbeiter am WZB Berlin, einlei- schichte ökologischen Denkens schreibt, nicht zuletzt
tend die Entwicklungslinien staatlicher Umweltpolitik eine Geschichte der Verliererverfaßt: Die naturwissen-
der letzten 20 Jahre. Trotz wechselnder Koalitionen schaftskritischen und ganzheitlichen Gedanken haben
und wachsendem Umweltbewußtsein wird die Domi- sich gegen Cartesianismus und mechanistisches Welt-
nanz problemverschiebender Entsorgungstechniken bild bisher nicht durchsetzen können. Gerade darauf
vor "echten umweltpolitischen Innovationen" bemän- aber setzt Mayer-Tasch heute, da die Sieger selbst
gelt. auch den Destruktionen ausgesetzt sind, die sie be-
Die in Teilbereichen attestierte Spitzenstellung im wirkt haben und bewirken. Seine Hoffnung: Ganzheits-
europäischen Vergleich hat, wie Michaele Schreyer in wahrnehmung und -empfinden als "Beruf unserer
ihrem Beitrag über Umsetzungsprobleme einer ökolo- Zeit". Ökologie: Geschichte
gisch orientierten Politik nachweist, zu einer .Sanie-
rungsgläubigkeit" geführt. Die Erörterung rechtlicher,
512
institutioneller und gesellschaftlicher Hemmnisse auf
dem Weg zu einer ökologisch orientierten Wirtschaft Burgbacher, Günter; Roth, Karlheinz: Neuordnung
mündet in der Forderung, daß der Staat als öffentlicher der Abfallwirtschaft. Ehningen bei Böblingen: Expert-
Auftraggeber umweltverträgliche Alternativen forcie- Veri., 1991. 247 S. (Innovative Abfallwirtschaft; 1)
ren sollte. DM 68,- / sFr 57,60 / öS 530,40
Dieter Teufel vom UPI Heidelberg berechnet die öko-
logischen und sozialen Kosten des Fortschritts mit In der BR Deutschland wie in Österreich wird der Man-
horrenden 475 Mrd, DM jährlich (Tendenz steigend!) gel an Abfallbehandlungs- und Ablagerungskapazitäten
12C=~~~~==================================~
zu einem immer größeren Problem. Auf der Basis der
Neuordnung des Abfallrechts auf Bundes- und Länder-
ebene in der BRD muß nun die bisher übliche Abfall-
beseitigung auf eine marktwirtschaftlichen Grundsät-
zen folgende Abfallwirtschaft umgestellt werden.
Baden-Württemberg etwa verpflichtet alle Entsor-
gungsträger zur Erstellung eines Abfallwirtschaftskon-
zeptes. in dem Ziele, Methoden und Anlagen der
Verwertung und Entsorgung dargestellt sein müs-
sen.
Ein entscheidender Punkt aller Strategien ist die _Sral1Cgfllährdfll

Abfallvermeidung. Im als Modell vorgestellten Land- sChWllchgelä/1rder

kreis Böblingen (Baden-Württemberg) konnte alleine


durch einen auf die Abfallmenge abgestimmten Müll-
behältertarif eine Reduktion von 12% des Haus- und Verbreitung der desertifikationsgefährdeten Gebiete in Afrika
Sperrmülls erreicht werden. Die größten Vermeidungs- Asien, Australien und Europa (Mensching 1990) ,
quoten liegen jedoch im gewerblichen Bereich. Daher
läßt Baden-Württemberg derzeit die wichtigsten Ab-
fallarten, aufgeteilt nach Branchen, untersuchen. Die Unverstand und Profitgier sind, die die Desertifikation
dabei entwickelten Möglichkeiten der Vermeidung und ausgelöst haben. Zunächst belegen drei Berichte -
VefVI/ertung werden der Wirtschaft und den Vollzugs- über die Buschleute der Kalahari, die Tuaregs im Sahel
behorden mitgeteilt. und die Subsistenzbauern in Südäthiopien, daß Natur-
Neben der Vermeidung wird auf Mehrfachverwen- völker sehr wohl imstande waren, mit den kargen
dung und Recycling größtes Augenmerk gelegt. So Ressourcen extrem arider Gebiete für sich und ihr Vieh
sollen langlebigen und wiederverwertbaren Produkten auszukommen. Die nächsten Beiträge spüren den Ur-
neue Marktchancen eröffnet werden. Breiten Raum sache~ nach, wie es zur zunehmenden Ausbreitung
geben die Autoren der Verwertung und Entsorgung der Wusten kam. Dabei wird deutlich, daß es sich um
von Verpackungen in Industrie und Gewerbe. Diese kein lineares Vorrücken handelt, sondern daß die Wü-
haben einen Anteil von 50 Volums- bzw. 30 Gewichts- ste wie eine Hautkrankheit überall dort entsteht wo
prozent am Siedlungsabfallaufkommen. Als zukunfts- ~.uvordie Oberfläche des Planeten mißhandelt w~rde.
weisendes Instrument stellt das Buch eine produktbe- Ubernutzung, Zurückdrängung der nomadischen Le-
zogene Umweltverträglichkeitsprüfung vor. Diese be- bensweise, Zerstörung jahrhundertealter ökono-
leuchtet die Produktions-, die Nutzungs- und die mischer und kultureller Strukturen durch blinden Fort-
Nachnutzungs- bzw. Abfallphase eines Produkts im schrittsglauben, allzuoft getragen von falscher Ent-
Hinblick auf die jeweils entstehenden Umweltbela- w!cklungshilfe, und schließlich die anthropogenen
stungen. Weitere Kapitel widmen sich der thermi- KlImaänderungen sind einige der Gründe für die sich
schen Abfallbehandlung, versicherungstechnischen weltweit abzeichnende Ausbreitung der Dürre. Sechs
Fragen und Problemen bei bestimmten Abfallgruppen. Beiträge am Schluß des Buches stellen Forderungen
Im Anhang werden die in der Praxis engagierten Initia- und Strategien auf, wie der Desertifikation Einhalt ge-
tiven im Landkreis Böblingen dokumentiert und ein boten werden könnte: neben globalen Notwendigkei-
Katalog der besonders überwachungsbedürftigen Ab- ten zur Eindammunq der zivilisationsverursachten AII-
fälle wiedergegeben. Abfallwirtschaft gemeinerwärmung tut da vor allem eine Rückbesin-
Umweltverträglichkeitsprüfung
nung auf traditionelle Lebensformen not: eine diversi-
fizierte Wirtschaft, ein hohes Maß an (nomadischer)
Mobilität, Vorratshaltung, Heimgewerbe, lokale statt
513 großtechnischer Bewässerungssysteme und viele an-
dere der kleinen, in Jahrhunderten gelernten Formen
WüstenErde. Der Kampf gegen Durst, Dürre und De- der Anpassung. Auch vielversprechende moderne An-
sertifikation. Hrsg. v. Peter E. Stüben ... Gießen: Fo- sätze wie Ecofarming und Risikostreuung werden be-
cus-Verlag 1991. 240 S. (ökozid; 7) DM 29,80/ sFr schrieben. Angaben über einschlägige Initiativgruppen
25,30 / öS 232,40 und zahlreic.he .grafische Darstellungen ergeben zu-
sammen mit einem. Vorwort, in dem die spirituell-
D.ie Medien liefern uns regelmäßig Bilder von ausge- theologische Dimension von Wüste und Wüstenerfah-
dorrten, geplatzten Böden, von verdurstetem Vieh von rung angesprochen wird, ein Buch von hohem Infor-
Kindern mit vor Hunger aufgedunsenen Bäuchen: Die mationswert. Desertifikation
Wüsten seien weltweit im Vormarsch, heißt es - und
da könne man zwar Not lindern, derNatur sei aber kein
Einhalt zu gebieten.
Das vorliegende Buch rückt mit einer Fülle an Ma- 514
terial und detaillierten Analysen diesem pauschalen
Vorurteil zu Leibe. 17 Autoren, größtenteils ausgewie- Grefe, Christiane; Bernstorff, Andreas: Zum Beispiel
sen durch langjährige Studien oder Projektbegleitun- Giftmüll. Göttingen : Lamuv-VerJ., 1991. 96 S. (Süd-
gen vor Ort, zeigen auf, daß es vor allem menschlicher Nord) DM 7,80/ sFr 6,60 / öS 60,80
.Jvlüllexport ist die schäbigste Variante von Wirt- Zukunft, sondern erst recht ins Verderben führen". Die
schaftsbeziehungen. " Unter diesem von Greenpeace besondere Stärke dieses Buches besteht nun darin,
stammenden Motto widmen sich Ch. Grefe und A. daß der Autor sich seine Antwort nicht eben leicht
Bernstorff diesem zunehmend wichtigen Thema im macht, und den Leser an seinen Zweifeln, am kaum
Spektrum der Umweltdiskussion. Um "Sondermüll" abwägbaren Für und Wider teilhaben läßt. Mehr noch,
loszuwerden, nützen die Industrieländer die Devisen- er stellt die unauflösbaren Verknüpfungen (welt)wirt-
knappheit der Dritten Welt, wie bis vor kurzem auch schaftlicher Abhängigkeiten, drohender Überbevölke-
des Ostens, um ein Problem beim Schwächeren ab- rung, planetarer Umweltzersterunq und politischer
zuladen. Mindestens 170 Mio. Tonnen hochgiftiger Ab- Verantwortlichkeit in all ihrer Komplexität in den Mit-
fälle wurden nach einer Greenpeace-Schätzung alleine telpunkt seiner Betrachtungen. Eine klare Absage an
seit 1986 auf die Reise geschickt: Farben, Lacke, Me- verheißungsvolle Rhetorik und billige Polemik in bezug
dikamente, Öl, Flugasche, Dioxin, Arsen und Asbest, auf ein Thema, das in seiner Tiefe niemand völlig durch-
Klärschlamm und Schwermetalle aus den Konsumpa- schaut.
radiesen landen in Wüsten und Sümpfen, auf Inseln Einer Analyse wichtiger entwicklungspolitischer Pro-
und in Meeren, in Vorstadt-Slums und Hinterhöfen wu- bleme und ihrer Ursachen folgt die Auseinanderset-
chernder Dritte-Welt-Metropolen. Händler, Makler, zung mit Nutzen und Risiken der Gentechnik für die
Reeder und Konsulenten profitieren von Armut und Dritte Welt. Keine wissenschaftliche Faktensammlung
Informationsmangel der Entwicklungsländer, die oft kommt dabei heraus, sondern eine Untersuchung aus
nicht wissen, welche Zeitbomben sie sich da einhan- dem Blickwinkel des interessierten Soziologen, der
deln. Reicht das angebotene Geld nicht aus, werden den Überblick wahren möchte. Damit ist sein Buch
Waffen offeriert. Trotzdem wächst das Problem be- sehr laienfreundlich, es sei aber gerade deshalb Wis-
wußtsein der armen Länder: also verschleiert man mit senschaftlern dringend anempfohlen. Denn ein we-
einer beschämend euphemistischen Sprache oder bie- sentlicher Bestandteil sind Leisingers Überlegungen
tet zugleich Giftmüll-Verbrennungsanlagen an und zum gesellschaftlichen Wertewandel, der den ehe-
macht damit noch einmal ein Geschäft. Das Buch be- mals unerschütterlichen Glauben an den wissen-
legt diese Situation mit zahlreichen Beispielen aus schaftlich-technischen Fortschritt nachhaltig erschüt-
verschiedenen Weltgegenden und informiert über viel- tert. Er stellt unmißverständlich klar, daß die Gentech-
fach kaum beachtete Rechtsvorschriften. An Lösungs- nologie immer nur Bestandteil einer weitaus umfas-
ansätzen werden Müllvermeidung, Recycling, neue senderen Strategie sein kann, die die vernetzten
reststoffarme Produktionsverfahren sowie ein grund- Ursachen der Probleme der Dritten Welt zum Aus-
sätzliches Verbot jeglichen Müllexports genannt. gangspunkt nimmt. "Prävention ist, zumindest auf
In dieser informativen Reihe, die in erster Linie dem lange Frist, billiger und umweltverträglicher als die gen-
Bedürfnis nach übersichtlicher Erstinformation nach- und biotechnologische Reparatur einer zerstörten Na-
kommt und neben Adressen auch weiterführende Li- tur." .
teratur verzeichnet, kürzlich erschienen: Das Buch beschließt ein Kapitel über" Desiderata" -
Zum Beispiel Kaffee. Red.: Günter Neuberger ... Wünsche, Hoffnungen bezüglich der weiteren wissen-
Göttingen: Lamuv-Verl., 1991. 128 S., DM 7,80/ sFr schaftlichen Entwicklung, die ohne ethische Grundla-
6,60 / öS 60,80 gen nicht auskommen wird. Von der Entwicklung
Hoering, Uwe: Zum Beispiel Umweltzerstörung. neuer Rechtsnormen bis zur .Neubewsrtunq von Sitte
Göttingen: Lamuv-Verl., 1991. 127 S., DM 9,80/ sFr und Sittlichkeit" entwickelt Leisinger eine ganze Reihe
8,30 / öS 76,40 bedenkenswerter Überlegungen zu einem anderen
Dieser Band thematisiert einen neuen Typ von Umgang mit Mensch und Natur. Unbestritten bleibt für
Flüchtlingen der als solcher (noch?) nicht in den Stati- ihn, daß dies eine Entwicklung mit der, nicht gegen die
stiken auftaucht: die .Umweltflüchtlinqe ", Ihre Zahl Wissenschaft sein muß.
wird heute auf 500 Mio. geschätzt und betrifftv.a. Län- Gentechnologie: Dritte Welt
der der Dritten Welt; bei Andauern der Trends könnten Wissenschaft: Ethik
bis zum Jahr 2000 doppelt so viele Menschen betrof-
fen sein. Dritte Welt
Müllexport
516

Fortschritt vom Auto? Umwelt und Verkehr in den


90er Jahren. Kongreß des Umwelt Forum Frankfurt
515
a. M. am 5./6. Oktober 1990 / Stadt Frankfurt a. M.,
Leisinger, Klaus M.: Gentechnik tür die Dritte Welt. Umweltdezernat. Hrsg. v. Tom Koenigs ... München:
Basel: Birkhäuser-Ver/., 1991. 1745., DM 39,80/sFr Raben-Ver/., 1991. 309 5., DM 28,- / sFr 23,70 / öS
33,70/ es 310,40 218,40

Die Titel-Frage berührt eine der drängendsten wissen- In kaum einem Bereich ist die Diskrepanz zwischen
schaftlichen und ethischen Fragestellungen. Klaus M. Schadensbeschreibung/Handlungsanleitungen und
Leisinger hält mit seiner Antwort nicht hinter dem "Chrom-Schaustellungen" diverser Autosaloons so
Berg: "Eine Ablehnung der Gentechnik aufgrund ihrer groß wie in der Verkehrsfrage. "Und wie kann man von
Risiken würde die Dritte Welt mit ihren schier unvor- Bürgerinnen und Bürgern ökologisch verantwortliches
stellbar großen Problemen nicht in eine risikolosere Handeln verlangen, wenn zugleich die Verkehrspolitik
in den neuen Bundesländern die alten Fehler wieder- zugeteilt; Autos übernehmen die Rolle von Turnier- und
holt." Schlachtrössern, Renn- und Militarypferden und die-
Die Grenzen zeigen sich im täglichen Verkehrsin- nen professionellen Killern ebenso als Waffe, wie Ama-
farkt. In der BRD haben in den 40 Jahren des teuren zum Totschlag oder zum Suizid.
Bestehens mehr als 500000 Menschen den Tod bei Einmal zum Filmstar geworden und bis zum denken-
Verkehrsunfällen gefunden, mehr als 10 Mio. wurden den, sprechenden und handelnden Kid mutiert, kann
schwer verletzt. Die prognostizierten Wachstumsraten sich das Auto auf die Psychologie der Autobesitzer
zeigen sich von diesen Grenzen unbeeindruckt. Die verlassen. Das Elektroauto hat neben einer solchen
Liberalisierung des Transportmarktes der EG soll allein Konkurrenz keine Chance.
im Straßenschwerlastverkehr 50% mehr Belastung
bringen.
In den einzelnen Beiträgen finden sich wieder eine Ein von den Autoren gleichermaßen amüsant wie in-
Fülle von Vorschlägen zu einer neuen Verkehrspolitik, teressant geschriebenes Buch, dessen entlarvender
Sie reichen von der Forderung nach einer "Verkehrs-
Inhalt durchaus geeignet ist, auf den einen oder ande-
wissenschaft" und Anerkennung von Umweltrechten ren Leser auch therapeutisch zu wirken, Automobil
über Vorschläge zur Vermeidung von Verkehr zur Än-
Psychologie
derung der Verkehrsstruktur und der technischen Op-
timierung bis hin zur Verhaltensänderung. Beeindruk- 518
kend wird mit neuesten Erkenntnissen dargestellt,
welche Folgen das Auto für unsere Städte, speziell für Krawinkel, Holger: Für eine neue Energiepo'itik. Was
das Wohnen, für die Urbanität hat. Die externen Kosten die Bundesrepublik Deutschland von Dänemark lernen
des Autoverkehrs werden mit etwa 200 Mrd. DM pro kann, FrankfurtlM.: 5. Fischer, 1991. 1555" DM 12,80
Jahr angegeben, zu deren Deckung der Liter Benzin / sFr 10,80/ öS 99,80
um etwa 4-5 DM pro Liter erhöht werden müßte,
Weitere Beiträge beschäftigen sich mit Mobilität, mit Seit zehn Jahren geht man in Dänemark ökologisch
Grundsätzen einer demokratischen und umwelt- gangbare Wege in der Energiepolitik: durch Förderung
freundlichen Verkehrsphilosophie, mit dem neuen Kon- der Windenergie, Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung
zept einer Stadtverkehrsorganisation aus der Sicht von und Energieeinsparung, Seit 1979 besteht auch eine
VW, mit der Verkehrspolitik der Schweiz und mit dem gesetzliche Grundlage für "systematisch abgeleitete
schlechten Image des öffentlichen Personennahver- energiepolitische Entscheidungen auf regionaler und
kehrs. Festgehalten wird auch, daß neue Verkehrskon- kommunaler Ebene". "Die Anforderungen der däni-
zepte an die Bedürfnisse der Menschen angepaßt sein schen Wärmeschutzverordnung liegen etwa 60% hö-
müssen, Die Kinder als die schwächsten Verkehrsteil- her als die der bundesdeutschen Verordnung." Däne-
nehmer sind Gegenstand einer vom Verkehrsclub mark betreibt die erfolgreichste Energiepolitik inner-
Österreich herausgegebenen Broschüre: halbder EG. Entscheidend für diese Bewertung ist die
Vom Verkehrsgerechten Kind zum kindergerechten Entwicklung der Niedertemperaturwärmeversorgung
Verkehr. Wien: VCÖ, 1991. 40 S, (Wissenschaft und durch Optimierung des Versorgungssystems und Ge-
Verkehr) öS 60,- Verkehrspolitik bäudeisolierung, Zur Zeit existieren im Land etwa 300
Windkraftanlagen mit einer Leistung von ca. 300 MW
(1989).
517 Nach Darstellung dieser zukunftsweisenden Ener-
Marsh, Peter; Collett. Peter: Der Auto-Mensch. Zur giepolitik prüft Krawinkel, ob und wie sich dieses auf
Psychologie eines Kulturphänomens, Olten (u.a.): Wal- die Bundesrepublik übertragen ließe. Bedauert wird
ter-Verlag, 1991, 290 S" DM 42,50 / sFr 36,00 / ö5 zunächst, daß die Empfehlungen der Enquete-Kom-
331,20 mission des deutschen Bundestages "Zukünftige
Kernenergiepolitik" nicht realisiert wurden. Die Ener-
Das für die Beförderung von Mensch und Gütern kon- gieversorgung in der BRD wird heute noch durch das
zipierte Automobil, vor dreitausend Jahren schon von Energiewirtschaftsgesetz des "Dritten Reichs" aus
den Chinesen - und Ende des neunzehnten Jahrhun- dem Jahr 1935 geregelt. Es müßten neben einer
derts, mit nachhaltigeren Folgen noch einmal erfun- neuen gesetzlichen Regelung auch weitere Rahmen-
den, ist inzwischen zu einem multifunktionellen Kult- bedingungen (Elektrizitätswirtschaft, Energiesteuer)
gegenstand geworden. Ob unterbewußt als Ersatz für geschaffen werden, Bei der künftigen Energiepolitik
die, mit Verlassen der Gebärmutter verloren gegan- sollte den Ländern eine wichtige Rolle zugewiesen
gene Geborgenheit erlebt, oder bewußt als Chambre werden. Die Versorgungsunternehmen müßten end-
separee genützt, ist das Auto für den Gegenwartsmen- lich ihrer Informationspflicht verstärkt nachkommen.
schen weniger seiner Funktion als Fortbewegungsmit- Schließlich sind die Folgekosten von Umweltschäden
tel wegen, denn ob seiner Svmbolträchtiqkeit, schier stärker zu berücksichtigen (etwa durch Energieabga-
unverzichtbar geworden. benl. Die in Dänemark erfolgreich praktizierte Energie-
Autos werden wie Kleidung wahlweise "von der planung in Form der Zusammenarbeit von Verwaltung
Stange" gekauft oder bei der .Haute Couture" in Auf- und Bürgern zur Verminderung der Umweltbelastung,
trag gegeben, werden wie eine Uniform als Signum wäre auch in Deutschland zu verwirklichen, Bei ent-
sozialer Kastenzugehörigkeit erworben oder als Rang- sprechendem Willen der politischen und der wirt-
abzeichen innerhalb einer institutionellen Hierarchie schaftlichen Führungsgremien wären also durchaus
markante Veränderungen der Energiepolitik realisier- sten, der Flughafen erlebt pro Wochenende oft bis zu
bar, ja sogar längst überfällig und dringend notwendig, 1000 Starts und Landungen. Als Hauptmotiv gilt das
wobei der Weg des nördlichen Nachbars wertvolle An- "Weg-von", das Reisen als Flucht aus dem Alltag in
regungen liefern könnte. Deutschland den Gegenalltag, und nicht das" Hin-zu". Eine Kritik der
Energiepolitik: Dänemark Kritik am Massentourismus nimmt E. Aschenbrenner
vor. Seiner Ansicht nach müssen auch die gesellschaft-
lichen Ursachen und Hintergründe und nicht nur die
519 Folgen des Reisens berücksichtigt werden. Er fordert
unterstützende Bildungsarbeit für Touristen.
Wiedlich, Wolfgang: Kiwis aus Sibirien? Treibhausef-
M. Trensky liefert bekannte Stichworte einer Neu-
fekt, Ozonloch und Umweltpolitik. Basel: Birkhäuser,
orientierung. Im Sinne der Wahrnehmung einer ge-
1991. 270 S., DM 39,801 sFr 33,70 I öS 310,40
meinsamen Zukunftsverantwortung spricht er von
Mitweltpolitik anstelle von Umweltpolitik. Für eine Be-
Das Klima der Erde und dessen Veränderung gibt den
schränkung in der Reiseentscheidung bringen Klingen-
Forschern Rätsel auf. Im Computerzeitalter erkennt die
berg/Aschenbrennereinige Beispiele. Die Grenzen des
Wissenschaft, daß die Lufthülle der Erde einer fein-
Wachstums werden angesichts von 124,1 Mio. Reisen
gliedrigen Puppe gleicht. Sie hängt an Tausenden von
im Jahr 1989 deutlich. "Der Tourismus zerstört, was er
Fäden, die zudem noch untereinander verbunden sind.
sucht, indem er es findet." W. Koeppen nennt fünf
Der Mensch zieht an mehreren dieser Fäden gleich-
Kriterien eines Prinzips Verantwortung: menschen-
zeitig, ohne die dazugehörigen Bewegungen zu ken-
und demokratiegemäß, ökologisch, soziale- und inter-
nen. Das sensible Gleichgewicht der Gase in der
nationale Verträglichkeit. Die Umsetzung solcher Prin-
Atmosphäre - entstanden über Jahrmilliarden - wurde
zipien soll in Unterricht und Erwachsenenbildung pro-
durch die Menschen in einem Zeitraum ins Wanken
pagiert werden. Gefordert sind der Verzicht auf
gebracht, der erdgeschichtlich nicht mehr als ein Wim-
schnelle, kurzfristige und einseitige Bedürfnisbefriedi-
pernschlag ist. Um das Jahr 2000 werden auf der Erde
gung, Rücksicht auf die Belange von Mensch und
6 Mrd. Menschen leben. Jeder einzelne muß mit Nah-
Natur sowie die Übernahme von Verantwortung nicht
rung und Energie versorgt werden. Heute verbraucht
nur für die Motive des Handeins, sondern auch für
ein Amerikaner 32 mal soviel Energie wie ein Inder im
dessen Folgen. Tourismus
Durchschnitt. In Nordrhein-Westfalen fahren ebenso-
viele Autos wie auf dem gesamten afrikanischen Kon-
tinent. Nur rund 10% des gesamten Energiever-
521
brauchs stammen aus nichtfossilen Quellen. Fazit:
Längst reicht die Atmosphäre nicht mehr aus, um un- Strey, Gernot: Freizeit - auf Kosten der Natur? An-
sere Gasabfälle hinreichend zu verdünnen. Die Folgen dere Formen, Umwelt ·zu erfahren. FrankfurtlM.: S.
sind nicht mehr zu übersehen, spekulieren kann man Fischer, 1991. 137 S. (fischer alternativ) DM 12,801 sFr
nur noch über die Entwicklung in der Zukunft. Umwelt- 10,801 öS 99,80
politik muß (ein-)greifen, muß Weltpolitik werden.
Doch davon ist kaum etwas zu erkennen.
Wiedlich, Geograph und Wissenschaftsjournalist, 522
gelingt es, diese komplexe Thematik anschaulich und
Müller, Hansruedi; Egger, Mark: Achtung Stein-
spannend zu schildern, wenngleich zuweilen die Ge-
schlag! Wechselwirkungen zwischen Wald und Tou-
nauigkeit darunter leidet: Literaturhinweise und Quel-
rismus - Strategien zu einer waldverträglichen Touris-
lenangaben sind Mindestanforderungen auch wissen-
muspolitik. Bern: Forschungsinst. f. Freizeit u. Touris-
schaftsjournalistischen Arbeitens. Das gilt auch hier,
musd. Univ. Bern (FIFI), 1991. 64S., DM 15,-lsFr 15,-
zumal manche Zahlen und Fakten unglaublich erschei-
1 öS 117,-
nen. Treibhauseffekt
Strey geht verschiedenen Ausprägungen des Um-
gangs mit der Natur in der Freizeit nach. Er beschreibt
520
zunächst an konkreten Beispielen verschiedene Bezie-
Wende im Tourismus. Vom Umweltbewußtsein zu hungen zwischen Mensch und Umwelt. Gestellt wer-
einer neuen Reisekultur. Hrsg. v. Karl-H. Klingenberg ... den aber auch Fragen nach dem Warum dieses
Stuttgart: Evang. Arbeitskreis Freizeit-Erholung-Touris- Verhältnisses, nach den Grundmustern unseres
mus in d. EKD, 1991. 196 S., DM 14,-1 sFr 11,901 öS Selbstverständnisses. Der Autor macht deutlich, "daß
109,20 die meisten Menschen ein Bedürfnis haben, Natur zu
erleben", diesem Verlangen aber heute zahlreiche Stol-
Dem Arbeitskreis geht es neben der Erörterung theo- persteine im Wege stehen. Deshalb sei es notwendig,
logisch-ethischer Aspekte des Heisens um die Umset- festgefügte Vorstellungen aufzubrechen und die Be-
zung einer neuen, umwelt- und sozialverträglichen reitschaft zu entwickeln, Natur neu zu erleben. Zu-
Reisepraxis. Die Voraussetzung für eine solche Wende gleich werden Möglichkeiten der Freizeitgestaltung
ist eine Einstellungsänderung auf breiter Basis. ausgelotet, die nicht auf Kosten der Natur gesche-
Zunächst werden Boomfaktoren des Tourismus als hen.
Folgewirkung des Fortschritts (H. Müller) beschrieben: Präziser geht es bei Müller/Egger um die Einwirkun-
In Mallorca tummeln sich jährlich über 8 Mio. Touri- gen des Tourismus auf den Wald, die Auswirkungen
neuartiger Waldschäden auf den Tourismus sowie um Von der eingebackenen Kakerlake in der Brotkrume
entsprechende Gegenmaßnahmen. Basis dieser Bro- über eine Packung Wainußkerne mit menschlichem
schüre ist ein umfassender wissenschaftlicher Grund- Backenzahn bis hin zum Frucht joghurt mit Schimmel-
lagenbericht zum Thema Bergwald. Nach einer Be- befall, zerbrochenem Eisennagel und holzigen Bana-
schreibung der Schäden (Verlichtung der Baumkrone, nenfruchtstücken: Es wäre in der Tat ein leichtes, aus
Wuchsstörungen und Wuchsanomalien) wird ein Über- der Liste der hier zusammengefaßten Beanstandun-
blick über die Hypothesen der Ursachenforschung ge- gen der Chemischen und Lebensmitteluntersuchungs-
geben. In einer großen .Tourisrnus-vvald-vernetzunq" ämter ein Horrormenu samt Giftcocktail der allerersten
wird überblickartig dargestellt, welche Verantwortung Güte zu komponieren. Der Hinweis darauf, daß "die
dem Tourismus zukommt. Schließlich werden Maß- detaillierten Ergebnisse der Überprüfungen von Betrie-
nahmen/Strategien zur Walderhaltung aus tourismus- ben und Untersuchungen von Lebensmitteln eine Ne-
politischer Sicht erörtert. Im Vordergrund stehen Kau- gativauswahl darstellen und nicht als repräsentativ für
sal-Strategien und das abgewandelte Prinzip "lokal die Gesamtsituation gewertet werden können", ver-
Denken und global Handeln". Ökologie: Freizeit steht sich von selbst, ist aber wenig tröstlich. Denn die
Tourismus: Waldschäden Analyse von 84 Lebensmittelgruppen und Bedarfsge-
genständen (Spielzeug, Kosmetika, Putzmittel) vor al-
lem hinsichtlich verbotener bzw. bedenklicher chemi-
523 scher Zusätze erhärtet den Verdacht vielfach bewußter
Täuschung des arg- und kenntnislosen Verbrauchers.
"Des muaß amol wieda aundas werdn!" Kittel,
Die Vielzahl irreführender Produktdeklarationen und
Günther ... (Mitarb.). München (u.a.): Profil-Ver/., 1991,
unsachgemäßer Produktionsmethoden ist hier im ein-
345 S., DM 36,- / sFr 30,40 / öS 280,- . zelnen ebensowenig nachzuweisen wie die Schwer-
fälligkeit politisch administrativer Verfahren (etwa im
Hinter dem rührigen Titel verbirgt sich ein dreijähriges
Bereich der Grenzwertbestimmung), doch ist zumin-
Forschungs- und Bildungsprojekt der Abteilung "Bil-
dest das Bemühen um eine Offenlegung der Erkennt-
dung und regionale Entwicklung" des Interuniversitä-
nisse von seiten staatlicher Einrichtungen positiv anzu-
ren Forschungsinstitutes für Fernstudien (lFF) in St.
merken.
Pölten. Das Buch faßt dessen Ergebnisse zusam-
Neben der Darstellung aktueller lebensmittelrechtli-
men.
cher Probleme und der abschließenden Erörterung
Wohl kaum eine Berufs- bzw. Gesellschaftsgruppe
ausgewählter Untersuchungsschwerpunkte (Defini-
wird durch eine technokratische Vertretungs- und Ver-
tion von Vollwertkost, Risiko biogener Amine, Stand
marktungsmaschinerie derart fremdbestimmt wie die
der Diskussion zur Zulassung der Lebensmittelbe-
bäuerliche. Nicht allein deshalb stand die Möglichkeit
strahlung in der EG u.a. rn.) wären jedoch im Sinne
eigenen Handeins bedrohter Betriebe für landwirt-
eines präventiven Konsumentenschutzes Produk-
schaftliche Alternativen im Mittelpunkt des Projektes.
tempfehlungen und Richtlinien für Verbraucherinitiati-
Dabei blieb es nicht bei der Erklärung von Zusammen-
ven ebenso wünschenswert und dringlich. Mit dem
hängen, sondern das "Innovationspotential" der Be-
Nachweis quasi legalisierter Vergiftung im Zeichen des
troffenen sollte gefördert, Lernprozesse und die Ent-
"Lebens-Mittels" ist es nicht getan. Ernährung
wicklung von Alternativen durch Bildungsmaßnahmen
Lebensmittel
unterstützt werden.
Der Bericht beinhaltet daher eine Palette von Pro-
jektteilen: von der Erforschung der bäuerlichen Le-
benswelten und der Entwicklung konkreter Bildungs-
maßnahmen (Direktvermarktung, Kreislaufwirtschaft)
Ökonomie - Gewerkschaften
bis zur Durchdringung des Dickichts des österr. Agrar-
systems und der Konzeption von Aufgaben einer For-
schung und Bildung für die Landwirtschaft. 525
Die Studie weist wesentliche innovative Aspekte
Zieg/er, Armin: Deutschland 2000. Annahmen über
auf, die sich in einem interdisziplinären und handlungs-
zukünftige Entwicklungen in Wirtschaft, Management,
orientierten Ansatz verschränken: Einerseits wird ver-
Marketing, Technologie, Gesellschaft. Schönaich: Ei-
sucht, einen .rnissinq link" zwischen der Realität der
genverl., 1991. 179 S.
Landwirtschaft und möglichen Alternativen für und mit
Betroffenen herzustellen. Andererseits werden wert-
Die neue Auflage der "zukünftigen Entwicklungen"
volle Ansätze für eine praktische und gesellschaftlich
(vgl. dazu PZ 2/87*60) verspricht in plakativer Aufma-
relevante Alternative sichtbar.
chung optimistische Annahmen für Manager und Fir-
Österreich: Landwirtschaft
menchefs. Die Aussichten scheinen rosig, glaubt man
Ziegler und beachtet seine Empfehlungen (u.a. Inter-
nationalisierung, Kundenorientierung, Flexibilisie-
524 rung).
Lebensmitfelreport '91. Mißstände, Rückstände, Ver- Prognostisch wagt sich Ziegler an ein heißes Eisen,
stöße. Zusammengest. v. Dieter Schenker ... Hrsg. v. indem er Ergebnisse der nächsten Bundestagswahlen
Günter Vollmer. Berlin (u.a.): Springer, 1991 225 S., vorlegt. 1994 folgt eine große Koalition zwischen CDU
DM 29,70/ sFr 25,20 / öS 232,- und SPD, 1998 wird die SPD mit 42% stärkste Partei,
die CDU erreicht nur noch 29,5%, die alternativ De- leichtdarum sehr aufwendig ausgestattet; auch ohne
mokratische Partei (GRÜNE; PDS) 12% und die FDP diesen Aufwand würde es seinem Anspruch gerecht,
wird nicht mehr im Bundestag vertreten sein. Die An- eine solide, vielseitige und praxisbezogene Einführung
nahmen über die Energieversorgung in den 90er Jah- in das Sponsoring sowohl für Firmen als für denkbare
ren sind gekennzeichnet von gestiegenen Energieprei- Empfänger zu geben. Sponsorlnq
sen und einer weiteren Zunahme des Güterverkehrs
auf der Straße. "In den 90er Jahren ist kein technolo-
gischer Durchbruch in Sicht, der den Anteil alternativer '"
527
Energiequellen so steigert, daß sich die heutigen Ab-
hängigkeiten wesentlich verändern." Eingeräumt wird, Platzer, Hans-Wolfgang: Gewerkschaftspo'itik ohne
daß die Sonnenenergie aber eine zunehmende Rolle Grenzen? Die transnationale Zusammenarbeit der Ge-
spielen wird. werkschaften im Europa der 90er Jahre. Bonn: Dietz,
Der Arbeitsmarkt ist gekennzeichnet durch lang- 1991. 2165., DM 19,80/ sFr 16,80/ öS 154,40
same Abnahme der Arbeitslosigkeit und dem Mangel
an Fachkräften in ganz Deutschland. Flexibilisierung Die Notwendigkeit einer Neurorientierung gewerk-
der Arbeitszeiten und Teilzeitarbeit sind die wesentlich- schaftlicher Politik ist insbesondere aufgrund zweier
sten Veränderungen der Arbeitswelt, die 32-Stunden- Phänomene evident geworden: zum einen die neuen
Woche ist terminiich zurückgestellt. Herausforderungen an die Arbeitspolitik im engeren
Die EG bleibt trotz vieler Absichtserklärungen in ab- Sinne durch Entwicklungen wie Flexibilisierung, De-
sehbarer Zeit nur eine Wirtschaftsunion, das WeItwäh- regulierung und technologischen Fortschritt. Zum an-
rungssystem ist nicht mehr funktionsfähig, die Ent- deren erfordert vor allem die Internationalisierung des
wicklungsländer stehen vor Chaos und größter Armut. Kapitals ein Nachziehen seitens der Gewerkschaf-
ten.
Das Potential transnationaler Gewerkschaftspolitik
Die Zielgruppe Zielgers wird in seinen Aussagen be- untersucht Platzer sowohl anhand bestehender for-
sonders deutlich. Er geht zwar davon aus, daß die meller und informeller Einbindungen und insbeson-
Zukunft durch menschliches Handeln und Unterlassen dere des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB)
im Sinne wünschenswerter Zukunftsentwicklungen in unterschiedliche Institutionen wie die EG-Kommis-
beeinffußbar ist - dies jedoch fast ausschließlich in sion, den EG-Ministerrat, das Europäische Parlament
Richtung Technisierung und Marketing. Prognosen etc., als auch anhand der Binnenstruktur des EGB. Das
Zu ku nftsperspektiven ernüchternde Hauptergebnis dieser Studie ist, daß Ge-
werkschaftspolitik immer noch vor allem nationale
526
Politik ist, obwohl von seiten des Kapitals die Interna-
Jahrbuch Sponsoring '91. Hrsg. v. Peter Strahlen- tionalisierung massiv vorangetrieben wird. Die einzel-
dorf. Düsseldorf (u.a.): Econ 1991. 1925., DM 98,-/ nen Mitgliedsgewerkschaften des EGB sind höchst
sFr 94,- / öS 764,- unterschiedlich strukturiert, ihre Positionen in der je-
weiligen staatlichen Entscheidungsfindung unter-
An "Sponsoring" von Sportveranstaltungen ist man schiedlich verankert, auch Organisationsgrad und
schon geraume Zeit gewöhnt, in den letzten Jahren Selbstverständnis differieren stark. Darüber hinaus ha-
werden aber auch Beispiele für kulturelles oder Sozio- ben gerade die wirtschaftlichen und sozialen Krisener-
Sponsoring immer zahlreicher und setzen beträchtli- scheinungen der letzten Jahre die unterschiedlichen
che Summen in Bewegung. Dennoch herrscht bei nationalen Interessen gegenüber den gemeinsamen
vielen Firmen eher Ungewißheit vor, während mögli- transnationalen Strategien eindeutig in den Vorder-
che Empfänger oft illusionäre Vorstellungen hegen. grund treten lassen.
Der Hamburger PR-Consultant und Fachjournalist In der Überwindung dieses Dilemmas liegt damit
Peter Strahlendorf will nun mit seinem Buch sowohl auch der Ansatzpunkt für die zukünftige Gestaltung
für potentielle Sponsoren als für interessierte "Spon- internationaler Initiativen. Gewerkschaftspolitik
sorpartner" grundlegende Informationen über dieses
relativ neue Kommunikationsinstrument vermitteln.
Die ersten drei von insgesamt 18 Beiträgen 19 ver-
528
schiedener Autoren geben einen theoretischen Abriß
über das Sponsoring, Auskunft über rechtliche Dimen- Gewerkschaftsjahrbuch 1991. Daten-Fakten-Ana-
sionen und Verfahren der Ergebniskontrolle. Einige lysen. Hrsg. v. Michael Kittner. Köln: Bund-Ver/., 1991.
weitere Abschnitte berichten über konkrete Beispiele 6965., DM 28,-/ sFr 23,70 / öS 218,40 .
aus Sport-, Kunst-, Wissenschaft- und Umwelt-Spon-
soring. Andere Artikel befassen sich mit dem Verhält- Das Gewerkschaftsjahrbuch des DGB 1991 ist eine
nis von Sponsoring und Journalismus, der Problematik Dokumentation der wesentlichen gewerkschafts- und
von Auftragskunst und stellen die verschiedenen Ty- allgemein politischen Ereignisse des Jahres 1990.
pen von Sponsoring-Agenturen mit ihren Vorzügen und Nach einer Chronologie bedeutender Entwicklungen
Nachteilen vor. Ein Anhang enthält u. a. 16 Agenturpor- werden einzelne zentrale Themenbereiche in Form
träts sowie zahlreiche weitere Adressen. von selbständigen Artikeln behandelt, die meist von
Das Buch steht offenbar in Zusammenhang mit ei- Mitarbeitern verschiedener Abteilungen des DGB ver-
nem Kongreß "Sponsorship Europe '91" und ist viel- faßt wurden.
18
Hauptgegenstände sind neben allgemeinen politi- 530
schen Rahmenbedingungen, der Entwicklung der Par-
Unterbruner, Ulrike: Umweltangst - Umwelterzie-
teien und dem europäischen Binnenmarkt naturge-
hung. Vorschläge zur Bewältigung der Ängste Jugend-
mäß Themen wie Sozialpolitik, Humanisierung der
licher vor Umweltzerstörung. Linz: Veritas-Verl. 1991.
Arbeit, Mitbestimmung, Tarifpolitik, Probleme des Ar-
1275., DM 29,20/ sFr 25,- / öS 228,-
beits- und Sozialrechts etc., aber auch Umweltschutz
und Neue Technologien.
In Österreich wurde "Umwelterziehung" vor 15 Jah-
Selbstverständlich sind besondere Ereignisse des
ren zum Unterrichtsprinzip erhoben; um so interessan-
Jahres wie die Bundestagswahl und die deutsche Ein-
ter ist nunmehr die Klärung der Frage, welchen
heit in die Überlegungen eingeflossen. Aus Sicht des
Stellenwert Kinder und Jugendliche heute ihrer Um-
DGB ist es allerdings die tarifliche Vereinbarung der
welt beimessen. Wieviel bedeuten ihnen Bäume Blu-
35-Stunden-Woche, die das "gewerkschaftspolitische
men und Tiere im Vergleich zu Computer, Fernseher
Großereignis des Jahres 1990" (Kittner) darstellt.
oder Auto? Ulrike Unterbruner (Institut für Didaktik der
Aufgrund der konzentrierten Themenauswahl und
Naturwissenschaften in Salzburg) wollte es genau wis-
der relativen Kürze und Übersichtlichkeit, in denen
sen, entwickelte eine Untersuchungsmethode und be-
überwiegend neuestes empirisches Material präsen-
~chäftigte sich eingehend mit den Vorstellungen von
tiert wird, bildet dieses Jahrbuch ein interessantes
Insgesamt 1100 Jugendlichen im Alter von 13 bis 18
Nachschlagewerk, dessen Qualität durch umfangrei-
Jahren. Vorüberlegungen zur Untersuchung, Untersu-
che Literaturangaben noch erhöht wird.
chungsmethode und -ergebnisse sowie die aus letzte-
Gewerkschaft
ren zu ziehenden Konsequenzen sind in der spannend
zu lesenden Dokumentation wiedergegeben. Im er-
Pädagogik sten Teil beschreibt die 'ßiologin eingehend die von ihr
angewandten Methoden, u.a. die Phantasiereise, zu
der sie die Jugendlichen einlud. Diese Reise in die Zu-
kunft führt nach Anleitung zu einem Tor - 20 Jahre ist
529 die Zeit hinter dem Tor der unseren schon voraus. Die
Zustände hinter dem Tor wurden von den Jugendli-
Ökologische Verantwortung. Klaus Berger ... (Mit-
chen in der Folge beschrieben und gemalt, die Aus-
arb.) Bad Heilbronn/Obb.: Klinkhardt, 1991. 1525., DM
wertung ihrer Visionen brachte folgende Ergebnisse:
18,- / sFr 15,30/ öS 140,40
Die Jugendlichen sehen ihre (und unsere!) Zukunft
sehr "schwarz", eingehüllt vom Rauch der Fabriken-
In der Reihe "Theorie und Praxis der Erwachsenenbil-
"Keine Welt zum Leben!" Die Ängste der Heranwach-
dung" sind sieben Beiträge zum Thema "Ökologische
senden vor Atomkriegen, Zerstörung ihres nahen und
Verantwortung" zusammengefaßt, die nicht nur Pla-
fernen Lebensraumes sind nicht nur im Elternhaus
nungsvorschläge beinhalten, sondern zudem versu-
ernstzunehmen, sie müssen auch - im Sinne eines
chen, die Wurzeln der angesprochenen Probleme zu
ganzheitlichen Unterrichts - Eingang in eben diesen
erkennen sowie Begründungszusammenhänge herzu-
Unterricht finden. Nach Darlegung der grundlegenden
stellen. Klaus Berger analysiert die ethischen, psycho-
Gedanken und Vorgangsweisen gibt die Autorin Anre-
logischen und politischen Aspekte, ausgerichtet auf
gungen für die schulische und außerschulische Praxis
die Bildungspraxis Erwachsener; Hermann Busch-
mit Kindern und Jugendlichen; sie geht dabei von der
meyer setzt sich mit der Förderung ganzheitlicher
unerläßlichen Selbsterfahrung des/der Pädagogen wie
Bewußtseinsbildung als Aufgabe der politischen Bil-
von der Erkenntnis aus, "daß der erste Schritt in der
dung auseinander; die Umsetzung von sogenannten
Erziehung bei uns selbst beginnt", d. h. im vorliegen-
.Jvleditationsverfahren s in der Bildungsarbeit ist das
t

den Fall, bei der Umweltangst des/der Erwachse-


Thema des Beitrags von H.J. Fietkau, der sich speziell
nen. Ökopädagogik
auf amerikanische Untersuchungen stützt; ein von
Zukunftsangst: Kinder
Reinhard SeJlnow entwickeltes Seminarmodell, in dem
dieTeilnehmerinnen befähigt werden, selbst eine je-
531
weils angemessene und realisierbare Lösung eines
Problems zu finden, wird ebenso vorgestellt wie das Rogge, KI?!us I.; Klier, Wolfgang; Smail, Ulla: Lernen
Konzept des Medienverbunds "umwelt-handeln im all- vor Ort. Offnung der Schule und Weiterbildung. Das
tag" oder die Sichtweise der Volkshochschulen. Ab- "Kölnberg-Projekt". Soest: Landesinstitut für Schule
schließend führt Wolfgang Beer in die evangelische und Weiterbildung, 1991.93 S. (Soester Materialien zur
Erwachsenenbildung und deren Umgang mit der öko- Weiterbildung; 1) DM 3,- / sFr 2,50 / öS 23,40
logischen Verantwortung ein.
Für die Zukunft wird es, wie Reinhard Sellnow in Mit dem vorliegenden Heft beginnt das NRW-Landes-
se!nem Beitr~g ~ichtungsweisend. formuliert, wichtig institut eine neue Reihe, für die insbesondere Projekt-
sein, weiterhin, Ja, verstärkt auf die ökologische Ver- und Werkstattbenchte vorgesehen sind. Die erste Aus-
antwortung jeder/s einzelnen aufmerksam zu machen gabe löst diesen Anspruch in erfrischender Weise ein.
ohne belehrend zu sein, Hoffnung zu wecken und nicht Das Thema ist Weiterbildung in einer der Architektur-
Schuld zu verteilen. Die hier gesammelten Beiträge wüsten unserer Tage, in Köln-Meschenich. Hier war
sind ein wichtiger Schritt in diese Richtung. unter dem Motto" Urbanität durch Dichte" in den 70er
Ökopädagogik Jahren eine Hochhaussiedlung mit 1300 Wohneinhei-
ten für fast 4000 Bewohner hingeklotzt worden, als die Möglichkeiten einer Technikfolgendiskussion bei
Infrastruktur war den Architekten außer einer Tiefga- einem so komplexen Feld thematisieren.
rage und ein paar bald verwahrlosten "Spieflächen" Die Herkunft der Autoren bringt es mit sich, daß man
nichts eingefallen. Die üblichen sozialen Schwierigkei- geradezu euphorische und technikverliebte Texte
ten ließen nicht lange auf sich warten: hohe Fluktua- ebenso vorfindet wie eher skeptisch-reservierte, wo-
tion, einseitige soziale Schichtung, verstärkt durch bei unter den letzteren sehr gewichtige Überlegungen
einen großen Ausländeranteil, Vandalismus und Krimi- etwa zum Datenschutz und zum Grundrecht der infor-
nalität kennzeichneten bald den Alltag auf dem" Köln- mationeilen Selbstbestimmung, zur Verletzlichkeit in-
berq", Die örtliche Volkshochschule nahm die Heraus- tegrierter Telekommunikationsnetze. zur möglichen
forderung an und versuchte "Lernen vor Ort" - eine Aushöhlung von Arbeitnehmerrechten zu finden sind.
zielgruppenorientierte Arbeit mit intensiver Beratung, So entsteht ein sehr realistisches Bild der Positionen
gemeinsamer Planung, Kinderbetreuung, Deutsch- und Erwartungen der wesentlichen Akteure, für das
und Nähkursen, Herstellung von Öffentlichkeit. Von al- auch gelegentliche Wiederholungen in Kauf genom-
lem Anfang wurde dabei großes Gewicht auf Vernet- men werden können.
zung mit vorhandenen Initiativen gelegt, auch die
örtliche Grundschule wurde in den Prozeß einbezogen.
Noch ist manches nicht erreicht, vor allem die Integra- Ein wertvoller Reader für jeden, der sich über den ak-
tion der neuen mit der alten Siedlung läßt noch zu tuellen Diskussionsstand der europäischen Telekom-
wünschen übrig; aber ein ordentliches Stück Gemein- munikationspolitik orientieren möchte.
wesenarbeit ist angegangen. Telekommunikation
Das Heft beschreibt dieses Projekt, wie es im Rah-
533
men einer Tagung präsentiert wurde: mit allen Vor-
überlegungen, dem Für und Wider der Diskussion, den . Dienstleistung Erwachsenenbildung. Strukturen,
manchmal abrupten Planungsänderungen - und Arbeitsweisen und Möglichkeiten. Hrsg. v. Kurt Auf-
schließlich der Durchführung (inkl. der Wiedergabe der derklamm ... Wien (u.a.): G. Grasl, 1991.248 S. (Schrif-
dazu angefertigten Ausstellungstafeln) und dem Ab- tenreihe des Verbandes Österreichischer Volkshoch-
lauf der Tagung samt den Referaten, durch die die schulen; 8) DM 34,60 I sFr 29,30 / öS 270,-
Theorie zu ihrem Recht kommt. Durch diese "narrati-
ve" Darstellung werden vielleicht besser als in einer Erwachsenenbildung (EB) wird in diesem Sammel-
wohlgesetzt-systematischen Abhandlung die Fragen, band übereinstimmend als Dienstleistung betrachtet.
die Schwierigkeiten und Spannungen, aber auch die Das Spektrum der 29 Beiträge ist überaus breit und
Freude und das Engagement deutlich, die Gemeinwe- umfaßt neben allgemeinen Fragen der EB ausge-
senarbeit kennzeichnen kann. Kölnberg-Projekt wählte Aspekte des Bereichs Volkshochschule. Ange-
Stadtentwicklung sichts der Vielfalt kann hier nur eine Auswahl wieder-
gegeben werden.
532
In seinen Ausführungen über die Aufgaben des Staa-
Perspektiven der Telekommunikationspolitik. tes stellt J. Dvofak u.a. heraus, daß auf lange Sicht nur
Hrsg. v. Edgar Grande ... Op/aden: Westdeutscher eine systematische Strukturpolitik zielführend ist, die
Veri., 1991.264 S., DM 44,- / sFr 37,30 I öS 343,20 neben einem gezielten Personaleinsatz auch die Set-
zung inhaltlicher Schwerpunkte vorsieht. W. Filla weist
Im Oktober 1989 fand an der Universität Konstanz ein darauf hin, daß in Österreich noch nie auf dem Gebiet
Seminar über Telekommunikation statt; in überarbei- der Volkshochschularbeit kontinuierlich und systema-
teter Form und mit einigen ergänzenden Beiträgen tisch Forschung geleistet wurde.
wird dieses Seminar im vorliegenden Band dokumen- Wenn die EB und die Volkshochschule als einer ihrer
tiert. maßgeblichen Teile die dritte Säule im Bildungswesen
17 Artikel bschäftigen sich mit den verschiedenen werden will, muß es ihr auf allen Gebieten um Eigen-
Bereichen der erst relativ kurz als Politikfeld ins Be- ständigkeit und spezifische Qualität gehen.
wußtsein getretenen Telekommunikation. Zunächst Ein weiteres Kapitel ist der Bildungsberatung gewid-
wird eingehend über den geplanten Ausbau des Tele- met, die immer mehr an Bedeutung gewinnt. Mehrere
kommunikationswesens in Deutschland bis hin zum Autoren setzen sich kritisch mit der Situation der Mit-
ISDN-Breitbandnetz informiert. Ein weiterer Bericht arbeiter und der Mitarbeiterfortbildung auseinander.
stellt die Entwicklungen in anderen westeuropäischen
Ländern dar, die zwischen der eher neoliberalen Hal-
tung Englands und der eher neomerkantilistischen Der hohe theoretische Informationswert dieses Ban-
Haltung Frankreichs angesiedelt sind. Akzentuierun- des steht außer Zweifel. Bedeutender jedoch er-
gen aus der Sicht der Deutschen Bundespost, der scheint die Tatsache, daß hier Defizite und Probleme
Postgewerkschaft, der Telekommunikationsindustrie, aus der Praxis zur Sprache kommen und somit gleich-
der deutschen Länder und der Europäischen Gemein- zeitig Perspektiven für die zukünftige Bildungsarbeit
schaft machen einen weiteren Inhaltsblock aus. Ferner eröffnet werden. Erwachsenenbildung
kommen Sozialwissenschaftler zu Wort, die die Pro-
534
bleme einer rationalen Planbarkeit angesichts der mas-
siv tangierten Interessen, die Folgen der geplanten Im Netz der Organisation. Ein Handbuch für Men-
Entwicklungen für Privatsphäre und Arbeitswelt und schen in Kultur- und Weiterbildungseinrichtungen.
Hrsg. v. Landesinstitut für Schule und Weiterbildung menhang mit den neuen Informationstechnologien.
(NRW). Soest: Soester Verlagskontor, 1991. 415 S., Drei einleitende Beiträge liefern Grundsätzliches: Ho-
DM 10,- / sFr 8,40 / öS 78,- bert Jungk fordert bessere Wissensvermittlung und
Phantasie, um die Zukunft gestalten zu können; Hans
Die Wissenschaft von der Organisation ist meist an Lenk sieht im Computer viele Chancen für eine Huma-
betriebswirtschaftlichen Lehrstühlen angesiedelt. Or- nisierung der Arbeitswelt und Befreiung zur Kreativität;
ganisationsfragen und Strukturbedingungen von Non- Ernst Schuberth verweist auf den Zusammenhang
profit-Organisationen kommen aus dem dortigen Blick- zwischen Technikgestaltung und Menschenbild und
winkel fast immer zu kurz. Diese Situation hat das fordert eine Überwindung bloß mechanischer Sicht-
Landesinstitut für Schule und Weiterbildung im Jahr weisen. - Mit Perspektiven der Informationstechnik
1979 bewogen, ein Referat für Organisation im Wei- für Allgemein- und Berufsbildung beschäftigt sich der
terbildungsbereich einzurichten. Das Ergebnis mehr- zweite Abschnitt. U.a. macht H. Faulstich-Wieland ge-
jähriger Diskussionen wird vorgelegt. schlechtsspezifische Haltungsunterschiede zur Infor-
Das Handbuch möchte aus der Not der fehlenden mationstechnik bewußt und forscht nach den Ursa-
erwachsenenbildungsspezifischen Managementtheo- chen, benennen H.-G. Rolff und R. Peschke Anforde-
rie eine Tugend machen und legt einen sehr spezifi- rungen an die Schule der 90er Jahre und plädiert I.
schen Ansatz vor. Für fünf große Abschnitte" Institu- Lisop vor dem Hintergrund der Arbeit der deutschen
tionen", .Proqrarnrnqestaltunq", "Teilnehmer", "Mit- Enquete-Kommission "Bildung 2000" für die Integra-
arbeiter" und "Arbeitstechniken" werden keine tion von Allgemein- und Berufsbildung. Teil drei bietet
systematischen Darstellungen gegeben, sondern reichhaltiges empirisches Material etwa zum Berliner
"Schlüsselsituationen" dargestellt, die in der Art von Weiterbildungsprojekt "Computer und Kreativität" so-
Fallbeispielen ein Problemfeld ansprechen und ver- wie zu Zu ku nftswerkstätten zur sozialverträglichen Ge-
schiedene Handlungsmöglichkeiten und deren Konse- staltung von Informations- und Kommunikationstech-
quenzen beschreiben. Zwischen diesen knapp 40 nik. Im vierten, mit "Vernetzung" überschriebenen Teil
"Schlüsselsituationen" sind etwa 20 "Stichworte" ein- definiert R. Steiner Informationsverarbeitung als neue
gefügt, die die erforderlichen theoretischen Grundla- Kulturdisziplin und erörtert Wege, auch Randregionen
gen zur Verfügung stellen sollen. Einige Beispiele: Im daran teilhaben zu lassen. Anhand des Planspiels "Te-
Abschnitt .Jnstitutionen" gibt es u. a. die Situation lefracht" stellt Lothar Rockstroh die Einsatzmöglichkei-
"Konflikt zwischen Pädagogik und Verwaltung" oder ten, Chancen und Risiken vernetzter Systeme dar.
.Projektarbeit versus Standardprogramm ", dazu wer- Herbert Lauer präsentiert eine Unterrichtseinheit über
den Stichworte zu Rechtsformen und Betriebsstruktu- informationstechnisch gestützte Journalistenarbeit,
ren im Weiterbildungswesen und zur Theorie des und Emil Zopfi schildert seine Erfahrungen als Schrift-
Projektmanagements geliefert. Oder: Im Abschnitt steller im Umgang mit dem Computer. - Im fünften
"Mitarbeiter" stehen u.a. die Situationen "Planungs- Abschnitt geht es um .Lernsoftware und Multimedia",
verhalten tt und "Arbeitsorganisation/Stellenbeschrei- wobei verschiedene Systeme vorgestellt und näher
bunq", dazu gibt es Stichworte wie "Entscheidungs- beschrieben werden. Dem Dilemma zwischen Lernen
strukturen " oder "Zusammenarbeit Hauptberufli- anhand mediatisierter Modellwelten und der Forde-
ehe/Nebenberufliche" . rung nach vernetztem Lernen für die Wirklichkeit ist J.
Der Benutzer des Handbuchs muß zwar auf Rezepte Magenheim auf der Spur. Zwei Beschreibungen von
verzichten, wird aber durch den narrativen Ansatz Computersimulationen beschließen die Darstellung.
meist so intensiv in das jeweilige Problem eingeführt, Bildung
daß er wahrscheinlich selbst und damit besser auf ver- Computer
schiedene Lösungsvarianten kommt. Register und ein
536
ausführliches Verzeichnis weiterführender Literatur
runden den informativen Band ab. Der allgemeine An- Wofür lohnt es sich zu leben. Werte und Wertfindung
spruch des Titels wird durch die Beschränkung auf die in der Erziehung. Internationale Pädagogische Werkta-
Situationen der Volkshochschulen in Deutschland nicht gung. Salzburg: O. Müller, 1991.213 S., DM 30, 10/sFr
eingelöst. Weiterbildung 25,50/ öS 235,- ISBN 3-7013-0814-4

Wir leben in einer Zeit, in der fast die Hälfte aller Kinder
535
dieser Welt vorn Hungertod bedroht sind, in der zehn-
Computerkri/tur im Umbruch? Hrsg. v. Günther Cy- jährige Mädchen zu Tausenden in fernöstlichen Bordel-
ranek. FrankfurtiM. (u.a.): Diesterweg (u.a.). 1991.398 len auf Freier warten, in den Steinbrüchen Indiens
S., DM 51,-/sFr43,30/öS 398,- zehn- bis zwölf jährige Buben arbeiten, um mit ihrem
Tageslohn von 85 Cents einen Beitrag zum Überleben
Der vorliegende Band ist aus zwei Tagungen des Gott- der Familie zu leisten. Ist es nicht vermessen, in solch
lieb-Duttweiler-Instituts für wirtschaftliche und soziale einer Zeit eine Antwort auf die Frage zu finden, wofür
Studien in Rüschlikon/CH hervorgegangen: "Neue es sich zu leben lohnt?
Technologien und die Zukunft für Schule und berufliche Der Problematik dieser Frage wie der Notwendigkeit
Bildung" und "Computerkultur im Umbruch". Das ihres Unterfangens gleichermaßen bewußt, haben
Buch umfaßt insgesamt 25 Beiträge in 5 Abschnitten. sich die Teilnehmer der größten pädagogischen Ta-
Seine zentrale Fragestellung ist die nach der kritischen gung im deutschsprachigen Raum dieser schwierigen
Zukunftsbewältigung im Bildungswesen im Zusarn- Aufgabe mit der Berufung auf die gleiche Sinnhaftig-
keit gestellt, die ja auch das Werk einer Mutter Theresa Gerade in Anbetracht der derzeitigen Situation ist
nicht in Frage stellt. Mut zu zukunftsweisenden Visionen dringend gebo-
In neun Hauptreferaten, die den Inhalt des vorliegen- ten. Friedensforschung
den Buches bilden, werden dem Leser die verschie- Zukunftsperspektiven
denen Teile der gefundenen Antwort präsentiert. Die in
den sechzehn Workshops vorgestellten didaktischen 538
Modellbeispiele, wie jungen Menschen zur positiven Nachgedanken zum Golfkrieg. Hrsg. v. Georg Stein.
Beantwortung der gestellten Frage geholfen werden Mit e. Vorwort v. Robert Jungk. Heide/berg: Palmyra-
kann, bilden den zweiten Teil des Buches, das damit Ver/., 1991. 300 S., DM 29,90 / sFr 25,30 / öS
nicht nur Standpunkte, sondern auch Anregungen ver- 232,40
mittelt. Pädagogik
Philosophie, praktische "Ein Buch gegen das Vergessen, Verdrängen und Le-
gitimieren des Golfkrieges. Gleichzeitig aber auch ein
Buch gegen den Krieg generell", so der Herausgeber
des umfangreichen, insgesamt 18 Beiträge umfassen-
den Werkes. Neben verschiedenen Erfahrungsberich-
Krieg - Frieden ten u.a. von Mitgliedern der IPPNW, einigen Friedens-
forschern und Umweltexperten sei besonders auf den
Beitrag Johan Galtungs hingewiesen, der insgesamt
537 14 Konfliktbereiche im Nahen Osten auflistet. Sie rei-
chen von den Ressourcen Öl und Wasser über die
Mut zum Frieden. Über die Möglichkeiten einer Frie- Frage der Grenzen und Hegemoniebestrebungen re-
densentwicklung für das Jahr 2000. Hrsg. v. Wolfgang gionaler wie externer Mächte bis hin zu psychologisch-
R. Vogt. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1990. 348 S. kulturellen Faktoren wie religiösen Differenzen (Is-
(WB-Forum; 58) DM 29,80/ sFr 25,30 / öS 232,40 lam/Christentum) und historischen Traumata. Nicht
weniger wertvoll als die Detailanalysen sind die grund-
Mit "Mut zum Frieden" sind handlunqstreibende und sätzlichen Ausführungen. Dazu zählen Ekkehart Krip-
-leitende Energien umschrieben, die den Ubergang pendorffs Epilog über die "Weltmilitärordnung" und
von militärischer Friedenssicherung zur zivilisierten ihre .Cornrnanders" ebenso wie Horst E. Richters so-
Friedensgestaltung ermöglichen. Mut ist notwendig zialpsychologische Analyse über die Verführbarkeit
zur drastischen Reduzierung von Militärpotentialen durch die Politik der Stärke. Unter anderem führt Rich-
und Zivilisierung der Konfliktaustragung. Positiver ter die starken Proteste in Deutschland - ähnlich wie
Friede ist gegen nachhaltige Widerstände zu gestal- Margarete Mitscherlich-Nielsen in ihrem Beitrag - auf
ten. einen "gesunden Lernprozeß" aus der "moralischen
Diesem Anliegen widmen sich zahlreiche Autoren, Katastrophe" der deutschen Geschichte zurück. Be-
wobei historisch-politische, soziokulturelle und -öko- merkenswert sind auch die Ausführungen des Islami-
nomische, militärstrategische und psychosoziale sten Reinhard Schulze über der "Verlagerung des
Aspekte einer solchen Perspektive angesprochen wer- Ostens in den Orient". Zuletzt seien zwei Beiträge aus
den. Der Herausgeber fordert in seinem Beitrag, "die der Friedensbewegung erwähnt: Jörn Böhme erörtert
alten Feindbilder und Denkweisen der Überlegenheit das Verhältnis der deutschen Friedensbewegung zu
hinter sich zu lassen, neue Einsichten in zukunftsorien- Israel, Henning Zierock und Bertram Salzmann von der
tiertes Handeln umzusetzen und den Frieden in breiter, Initiative" Kultur des Friedens" berichten von interna-
kooperativer Zusammenarbeit mit der anderen Seite tionalen Friedenscamps vor und während des Krieges
zu gestalten". Oliver Thränert fragt nach den Grundla- im Irak. Darüber hinaus werden Perspektiven und Kon-
gen und bisherigen Erfahrungen mit einseitigen Abrü- sequenzen für die Friedensarbeit nach dem Golfkrieg
stungsvorleistungen. Er kommt zu dem Schluß, daß erörtert, wobei eine stärkere internationale Vernetzung
die These, "Vorleistungen seien kein sinnvolles sicher- (etwa mit der amerikanischen Friedensbewegung und
heitspolitisches Instrument", jeder empirischen mit Initiativen in den Krisenzonen) sowie konkreter
Grundlage entbehrt. Druck auf die reale Politik (" Vergesellschaftung der Au-
Ein weiterer Beitrag analysiert die Dynamik der ßenpolitik") als vordringlich genannt werden. Eine" Eu-
neuen sozialen Bewegungen als Potential der Frie- ropäische Friedensinitiative" - so die Autoren - wurde
densentwicklung und Zukunftsgestaltung (U. C. Was- in Kooperation mit einigen Euro-Parlamentarierlnnen
muht), ein anderer diskutiert Erfahrungen und Ergeb- bereits gegründet. Die Selbstorganisierung von unten
nisse der Rüstungskonversion (H. Wulf). Ein Modell der ist Thema des Vorworts von Robert Jungk, der im Golf-
Weltfriedensordnung präsentiert Gerald Braun. Als Be- krieg die "bisher gefährlichste Episode" in dem" Kon-
dingungen nennt er eine allgemeine Abrüstung und flikt zwischen der armen Mehrheit und der reichen
den Verzicht auf Luxuskonsum sowie Konversion von Minderheit einer rapide anwachsenden WeItbevölke-
Militärausgaben, einseitige Abrüstungsschritte und rung" sieht.
eine andere Entwicklungshilfe. Braun spricht auch von
organisierter Friedlosigkeit der Weltgesellschaft we-
gen des Defizits an Demokratie und Menschenrechten Eine wertvolle Textsammlung, die dazu anspornt, noch
sowie einer strukturellen Ungleichheit in der Verteilung mehr darüber nachzudenken, warum sich noch immer
der Güter. die vereinfachende Politik der Lösung gordischer Kno-
22
ten durch ,,5chwertgehalt" (Krippendorf) durchsetzt Aufgaben delegiert werden könnten, sofern es den
und nicht etwa Lösungswege, wie sie Johan Galtung Grundsätzen des sozialen Rechtsstaates, der Men-
und andere darlegen. schenrechte und der Friedensfreundlichkeit ent-
spricht. Europa
Weitere Bücher zum Thema: Sicherheitspolitik
Lerch, Wolfgang G.: Kein Frieden für Allahs Völ-
ker. Der Krieg am Golf. Geschichte, Gestalten, Folgen.
FrankfurUM.: S. Fischer, 1991.269 S., DM 34,-/sFr
Politik
28,80 löS 265,20
Jäger, Uli: Rüstung ohne Grenzen. Handbuch g~-
gen Rüstungsexporte. 2. überarb. Aufl. Hrsg. v. Ve~eln 540
f. Friedenspädagogik Tübingen e. V Tüblngen: Verein f. Gruen, Arno: Falsche Götter. Über Liebe, Haß und die
Friedenspädagogik, 1991.214 S., DM 14,-1 sFr 11,901 Schwierigkeit des Friedens. Düsseldorf (u. a): Econ-
öS 109,20 Veri., 1991.1865., DM 36,-/sFr31,-lö5280,80
Wehrdienst, Kriegsdienstverweigerung, Zivil-
dienst. Materialien (nicht nur) für den Unterricht. Hrsg. Allen unseren Kindern" widmet der Autor sein Buch,
v. Verein f. Friedenspädagogik. Tübingen, 1991.37 S., dessen Ausgangspunkt und Grundstein das Schicksal
DM 7,-1 sFr 6,-1 öS 54,60 der Entwicklung der Liebe in unserer Kultur ist. Be-
Lewis, Bernard: Die politische Sprache des Islam. trachten wir unsere gegenwärtigen gesellschaftlichen,
Berlin: Rotbuch-Ver/., 1991. 258 5. politischen und ökonomischen Strukturen, so zeigt
Friedensforschung
sich die dringende Notwendigkeit, den Status quo zu
Golfkrieg
durchbrechen, um all jene gesellschaftlichen Formen
539 einer Umstrukturierung zuzuführen, die die Mensch-
heit von einer Katastrophe in die nächste führten und
Lutz, Dieter S.: Sicherheit 2000. Gemeinsame Sicher- weiter führen werden. An der Spitze unserer histori-
heit im Übergang vom Abschreckungsregime zu ei- schen wie gegenwärtigen Stürze in die Katastrophe
nem System Kollektiver Sicherheit in und für Europa. stehend, ortet der Autor eine lange Kontinuität der
Baden-Baden: Nomos Verlagsges., 1991. 223 S. (Mili- Herrschaft "falscher Götter", unter ihnen Napoleon,
tär, Rüstung, Sicherheit; 70) DM 38,-1 sFr 32,20 löS Bismarck, Hitler, Stalin, Reagan, Saddam Hussein
296,40 u.v. m .. Und immer war und ist die menschliche Suche
nach einem "Erlöser" die große Chance dieser fal-
Krieg ist für einen modernen Industriestaat nicht mehr schen Götter, dauerhaft und sich wiederholend, so-
führbar, er ist zivilisationsfeindlich; aber das war er lange wir glauben, eines "Erlösers" zu bedürfen und
wohl immer, wenn auch nicht ganz so rasant und ra- solange die Geschichte daran festhalten wird, sich an
dikal. Krieg muß also verhindert werden. Man glaubte den sogenannten" Helden" zu orientieren! Gruen ap-
dies nach dem 11. Weltkrieg durch militärische Ab- pelliert an jene, "die noch hören wollen (... ), zweifeln
schreckung, Neutralität u.ä. Strategien zu erreichen. können, die verletzbar sind", den vorhandenen und
Im Interesse des Friedens brauchen wir heute eine allgegenwärtigen Schmerz nicht (mehr) zu verleugnen,
umfassende politische Sicherheitspartnerschaft" , kon- um so letztendlich die bestehende Unmöglichkeit, lie-
statierte Helmut Schmidt bereits 1978 anläßlich der 1. ben zu können, aufzuheben zugunsten einer neuen
UN-Sicherheitskonferenz. Hiermit setzte eine Bewe- Menschlichkeit, sich anlehnend an die Lehre Christi,
gung ein, die bis heute in Entwicklung ist und die die befähigt ist zu zeigen, was uns durch die Liebe
Friedenssicherung in Konzepten von Gemeinsamer SI- möglich sein könnte. Und es würden, so postuliert der
cherheit (GS) sucht. GS zielt prinzipiell auf Kriegsver- Autor abschließend, sodann all die falschen Götter
hütung ab. Um diese zu ermöglichen, sollen struktu- chancenlos werden gegen unsere Liebe, gegen unser
relle Angriffsunfähigkeit (nicht über die Grenzen Bemühen um Frieden, und es könnte doch noch Hoff-
reichende Waffensysteme, die den Schaden im eige- nung geben, uns selbst und somit die Welt zu ret-
nen Lande in jeder Weise begrenzen), "Defensive ten. Gesellschaftskritik
Abhaltung" statt Abschreckung und Rüstungsbegren-
zung bis zur einseitigen Abrüstung realisiert werden.
541
Langfristige Ziele sind die Auflösung der Militärpakte
und -blöcke, die Schaffung einer neuen Europäischen Neumann, Walter G.: Liebe und Politik. Gegen den
Friedensordnung und die Bildung eines Systems Kol- inneren und äußeren Krieg. FrankfurtlM.: Haag + Her-
lektiver Sicherheit. Dieses unterscheidet sich von GS ehen, 1991. 1105.
hauptsächlich dadurch, daß es auch für den Ernstfall
konzipiert ist, also auch dann noch wirksam eingreifen Der Autor versteht sein Buch selbst als gesellschafts-
kann. Wie eine neue Europäische Friedensordnung kritisch, aber "möglichst ideologiefrei". Im ersten Teil
aussehen kann, ist noch weitgehend ungeklärt. Sicher will er zeigen, wie die herrschende Politik unser Wahr-
ist daß man auf militärische Mittel, wenn auch in re- nehmen und Denken zerstört. Dabei unternimmt er
duziertem Ausmaß, nicht verzichten will, um die Sta- einen Streifzug durch nahezu alle gesellschaftlichen
bilität nicht zu gefährden. Möglich ist beispielsweise und privaten Themenbereiche, die gegenwärtig disku-
ein internationales Gremium für diese Belange (mit an- tiert werden: Atomwaffen und Deutsche Vereinigung,
deren Strukturen als UNO und NATO), an das gewisse Tierversuche und Genmanipulation, Arbeitslose und
Behinderte, Rüstung und Dritte Welt etc. In diesem Teil rien bei der Problematik der Technikbewertung. Was
kommt er über seichten Populismus nicht hinaus. weitgehend fehlt, sind mögliche Ansatzpunkte für eine
Der zweite Abschnitt, der sich mit der eigentlichen theoretische Neuorientierung. Soziologie
Themensteilung, dem Verhältnis von Liebe und Politik, Technikkritik
befaßt, gerät dagegen wegen Neumanns interessan-
ter, von Marx, Hegel und Adorno abgeleiteter, dialek- 543
tischer Methodik zu echter Gesellschaftskritik. Aus-
drucksformen von Liebe und Partnerschaft werden auf Buck, Rainer: Bürger machen Politik. Einflußnahme-
Strategien - Bürgerinitiative. Weinheim (u.a.): Beltz,
gesamtgesellschaftliche Entwicklungen übertragen.
1991. 189 S. (Beltz-Quadriga-TE3; 550) DM 13,- / sFr
Zur Erklärung individueller Aspekte von Liebe und Se-
11,- / öS 99,80
xualität werden Prinzipien der Marxschen Ökonomie
herangezogen, wonach die Partner von Gebrauchs-
werten zu Tauschwerten werden und daher eine mit Dieser Ratgeber handelt von den politischen Rahmen-
bedingungen und Möglichkeiten der Einflußnahme auf
sich selbst identische Liebe nur im Rahmen einer
die Kommunalpolitik. Voraussetzung für eine wirksame
neuen Gesellschaftsordnung möglich wäre.
demokratische Partizipation ist das Wissen über Gre-
Darüber hinaus spannt Neumann den Bogen zu zen-
tralen aktuellen Problembereichen wie Emanzipation, mien, die Entscheidungen treffen, und über den Ablauf
Industriekritik und Ökologie, was im Kernsatz dieses von Entscheidungsprozessen. Nicht zuletzt trägt das
Buch der stetigen Aufwertung der Kommunalpolitik im
Buches gipfelt: "Gewalt gegen Frauen ist Mimesis von
politischen Beteiligungsprozeß Rechnung.
Arbeit, die an Natur ausgeübt wird".
Zunächst werden drei Bereiche - Informationen
Gesellschaftskritik
sammeln, Verbündete suchen und Öffentlichkeit her-
Politik: Liebe
stellen - zur Durchsetzung politischer Anliegen als
542 besonders wichtig herausgestellt und anschließend
die gesetzlichen Beteiligungsmöglichkeiten (Gemein-
Berger, Rainer: Politik und Technik. Der Beitrag der
deordnung, Wahlrecht, Mitwirkung in Ausschüssen,
Gesellschaftstheorien zur Technikbewertung. Opla-
Bürgerantrag, Bürgerversammlung u.a.) erörtert. Wei-
den: WestdeutscherVeri., 1991. 486S., DM 68,-/sFr
tere diesbezügliche Chancen liegen bei der Aufstellung
57,60/ ÖS 530,40
des Haushaltsplans, bei der Bauleitplanung und der
Erstellung des Flächennutzungsplans. Auch über das
Angesichts der empirischen Tatsache der Naturzerstö-
Engagement in Parteien, Umweltgruppen und Verei-
rung durch gesellschaftliche Arbeit ist der Satz Jürgen
nen ist Einflußnahme möglich. In einem eigenen Kapi-
Habermas'. die Produktivkräfte hätten ihre Unschuld
tel wird der Umgang mit Behörden ausgeführt.
verloren, in den letzten Jahren geradezu zum Pro-
Schließlich werden anhand zweier Szenarien (Tempo
gramm technik- und industriekritischer sozialwissen-
30 in einem Stadtteil und öffentliche Zuschüsse für
schaftlicher Literatur geworden. Auch Bergers Studie
eine Theater- oder Musikgruppe) die zuvor aufgeliste-
beschäftigt sich mit der Vermittlung von Gesellschaft
ten Vorschläge exemplarisch durchgespielt.
und Technik unter "ökologischen" Prämissen. Er geht
Bürgerbeteiligung
der Frage nach, warum die gegenwärtigen politischen
Kommunalpolitik
Institutionen nicht in der Lage sind, eine materielles
Überleben der Gesellschaft zu sichern. Technik ist
ebensosehr etwas Soziales, wie Gesellschaft tech-
nisch vermittelt ist. Dennoch blieb in der soziologi- Diverses
schen und sozialphilosophischen Forschung die Frage
der Technikbewertung bisher weitgehend ausgeklam-
mert. Der Autor weist anhand der Theorien Spencers, 544
Durkheims und Webers nach, warum die bürgerliche
Soziologie "ökologisch blind" war und ist: eine die Um- Vogt, Werner: Einatmen - Ausatmen. Der Mißstand
welt ignorierende Markttheorie und eine technokrati- als Norm. Wien (u.a.): Europa-Verl., 1991.256 S., DM
sche Systemtheorie führen zur Beschränkung auf die 36,- / sFr 27,- / öS 248,-
Deskription des Bestehenden und nehmen der Politik
ihren utopischen Gehalt. Eine solche Utopie stellt für Der kritische Mediziner versammelt in diesem Buch
Berger dagegen der Marxismus dar, allerdings erweist teils bereits an anderer Stelle publizierte sowie als Vor-
sich auch dieser als nicht technikkritisch, sondern ver- träge gehaltene, teils noch unveröffentlichte Beiträge.
harrt auf der Ebene der Sozialkritik. Ihnen gemeinsam ist das Plädoyer gegen das verord-
Ebenso bieten neuere Metatheorien wie die Sy- nete, von Vorschriften und Scheinzwängen fremdbe-
stemtheorie Luhmanns und die Diskurstheorie Haber- stimmte Leben, für den autonomen Menschen.
rnas' kaum Ansätze zur Überwindung des gesellschaft- Als erster Zeuge dient der berühmte Wiener Arzt
lich-technischen Dilemmas der "ökologischen Kri- Ignaz Semmelweis mit seinen "Offenen Briefen". Er
se". verdankte sowohl seine medizinischen Einsichten als
seine Ächtung durch das damalige Establishment ein
und derselben Wurzel - seinem unkonventionellen
Berger führt ideengeschichtlich schlüssig den Nach- Denken. Indem er Mißstände aufzeigte, setzte er sich
weis des Versagens bestehender Gesellschaftstheo- der Kritik aus. Ähnliches ist Werner Vogt bei zahlreichen
24
Anlässen widerfahren. Er engagierte sich in einem Mo- Klarheit die "heillose Beschränktheit" einer Mentalität,
dellversuch "Sozialambulanz" , in dem die Trennung die der museal verpflichteten Gesellschaft die Funktion
zwischen Sozial- und Gesundheitswesen überwunden des "Sondermüll-Managements" zuweist, anstatt die
werden sollte; erarbeitete an Reformvoschlägen zum "ganze Stadt als Ort der Kunsterfahrung " zu begreifen.
Gesundheitswesen mit und attackierte die Bürokrati- Nicht der Beliebigkeit wird damit das Wort geredet,
sierung, die ungenierte Ausnützung öffentlich-medizi- sondern der Ausbildung eines "kritischen Vermö-
nischer Einrichtungen zur privaten Profitmaximierung gens", das" immer und überall eingreifen soll". Daß
millionenschwerer "Götter in weiß", er wandte sich ein solches Kunstverständnis Wesentliches zur Ausbil-
gegen die parteipolitische Durchdringung aller Lebens- dung von Zukunftsentwürfen beizutragen hätte, wird
bereiche - und erlebte mehr als einmal, wie Entwürfe impliziert, aber nicht näher dargestellt. Ästhetik
in Schubladen verschwanden, Initiativen eingestellt Stadtkultur
wurden, mit Disziplinarverfahren gegen einen Unange-
paßten vorgegangen wurde. Vogt sieht die Tragödie
von Lainz als Fehler des Systems - und wieder beißen 546
die Hunde die Letzten, in diesem Fall die überlasteten,
Girt/er, Roland: Über die Grenzen. Ein Kulturwissen-
mit einer übermenschlichen Aufgabe alleingelassenen
schaf tier auf dem Fahrrad. Linz: Veritas Veri., 1991. 208
Frauen. Papst Wojtyla, Gerd Bacher, Günther Nenning
5., ÖS 268,- / sFr 29,10 1 DM 34,40
entgehen ebensowenig einer scharfen Kritik wie Erwin
Ringel, Rudolf Bahro, Hans Cermak oder der Kirchen-
Der Wiener Soziologe hat vor allem durch seine Form
funk im Fernsehen. Der Widerstand in der Hainburger
der Feldforschung - nicht immer nur wohlwollend -
Au, die internen Grabenkämpfe der Grünen, die politi-
von sich reden gemacht. Als teilnehmender Beobach-
sche Kultur der Alternativen, der Fall Waldheim, die
ter hat er das Leben der Bergbauern und Wilderer, der
Opernballdemonstrationen, die offziellen österreichi-
"feinen Leute" und des Prostituiertenmilieus erkundet
schen Reaktionen auf den Golfkrieg, Nicaragua, eine
und beschrieben. Nun hat er sich selbst zum Außen-
Studienreise mit 140 Gymnasiasten nach Israel oder
seiter, sprich Radfahrer, gemacht. In 16 Tagen radelt er
eine Rumänien-Hilfsaktion sind andere Anlässe für
von Bad Aussee über Salzburg, Tirol und Bayern wie-
Vogts auch durchaus selbstkritische Analysen.
der zurück zu seinem Ausgangspunkt, fröhnt dabei so
In einem Brief an einen jüdischen Freund, über-
richtig der Rolle des Vaganten und bekommt via Rad-
schrieben "Der Traum vom erträglichen Österreich",
Dress seinen Status hautnah zu spüren. Die Grenzen,
sagt Vogt: "Mitunter anstrengende, letztlich aber im-
die Girtler suchte, hat er in vielfältigen Formen gefun-
mer lustvoll ausgelebte Konflikte haben uns dorthin
den: er überwindet Gebirgspässe, Landes- und Staats-
gebracht, wo wir sind. Wir haben uns an den Rand
grenzen, die Stammtischgrenzen im Landgasthaus.
gedacht und geschrieben." Das mag schon stimmen.
Ausführliche kulturkritische Überlegungen stellt er u.a.
Aber wir brauchen diesen Rand, denn von dort sieht
über Männlichkeitsriten, die Buntheit der Gaunerspra-
man schärfer. Gesellschaftskritik
che, verschiedene Trinkkulturen und über die "moder-
Medizin
ne" Grenze der Zeit an. Den noch unter den Vorfahren
545 der Tiroler Bauern üblichen Gruß "Zeit lassen", sieht
Girtler dem touristischen Ausverkauf anheimgefallen.
Gast, Wolfgang: Stadtkultur. Zur Ästhetik des Urba-
"Dem Fahrrad eine Gasse" bzw. "Dem Soziologen ein
nen. Heidelberg: Decker & Humboldt, 1991. 365., DM
Phänomen" könnte als Motto dieses ebenso amüsan-
22,-lsFr 18,70 löS 171,60
ten wie informativen Fahrtenbuches gelten. Fahrrad
Als Jurist, Lektor und Autor philosophischer wie litera-
rischer Texte ausgewiesen, ist der Verfasser vor dem
547
Verdacht fachspezifischer Verengung gefeit. Sein Plä-
doyer für "Die Stadt als Gesamtkunstwerk" und "Für Bitterman, Joan: Rettet die Männer. Frauen machen
die Kultur-Totale" - so die Titel der hier wiedergege- kaputt. München: Nymphenburger, 1991.2215., DM
benen Texte - fällt mithin auch in der beabsichtigten 29,801 sFr 25,-1 öS 232,40
Provokation glaubwürdig aus. Von der Zweckfreiheit
der Kunst ausgehend, die in ihrer Vielfalt seit jeher dem Die Scheidungsrate von 48% im westlichen Teil
Urbanen verbunden ist, definiert Gast die Funktion der Deutschlands bewirkt das Single-Dasein. Das liegt
Kunst als .Ersatzreliqion ", ohne sie auf die Restaura- hauptsächlich an der Emanzipation der Frau, behauptet
tion und Subventionierung des museal gehüteten die amerikanische Autorin anhand einer Studie basie-
"Hochwertigen" zu beschränken. Mit der industriellen rend auf Interviews mit 1191 "emanzipierten Frauen".
Verfügbarkeit gewinnt vielmehr auch die Welt des Kon- Sie zieht daraus folgende Schlüsse: Emanzipation ist
sumierbaren, die Warenästhetik, kulturelle Dimension Rebellion statt Evolution, es geht um einen Macht-
und erweist sich die Unterscheidung von" freier" und wechsel statt Gleichberechtigung, die Frauen erwei-
"angewandter" Kunst als obsolet.' In den architekto- sen sich als Erzegoistinnen, sind rücksichtslos und
nisch wie ästhetisch vielfältig gestalteten städtischen ohne Verantwortungsgefühl, verwenden die Kinder zu-
Passagen wird das Zusammenspiel von Architektur, erst als Kittmittel, um sie dann als Waffe in der Part-
Design und Werbung unmittelbar erfahrbar. nerschaftsbeziehung einzusetzen. Getrennt zu leben
In den "Randbemerkungen über Kulturmeilen und ist für diese Frauen "praktisch" derfinanzielle Rückhalt
andere Holzwege" attackiert Gast mit erfrischender und sichert sozialen Status.
Die Verfasserin warnt vor dieser Entwicklung, deren reicht worden ist. Disneyland bzw. Disneyworld schei-
Folge v.a. psychisch gestörte Kinder sind. Die Lösung nen das Utopia des 20. Jahrhunderts geworden zu
des Dilemmas: "Frau und Mann müssen sich der Wer- sein; Werke wie Huxleys "Brave New World" oder
tigkeit ihrer Beziehung, der Wichtigkeit füreinander Orwells ,,1984" gestalten die utopischen Chiffren der
bewußt sein." Die Gesellschaft gerät ins Chaos, wenn Hoffnung in ihrem Angriff auf dieses, sich als Utopia
die Frauen, die die Männer mit ihrer destruktiven Liebe deklarierende, Gesellschaftssystem um. Utopie wird
kaputtgemacht haben, nicht retten, keine Kompromiß- hier zur Dystopie - zu einer Erzählform also, 'die das Bild
bereitschaft aufweisen und nicht diese Art der Eman- einer noch schlechteren Gesellschaft als der gerade
zipation als Irrweg erkennen. Emanzipation existierenden entwirft. Tom Moylan führt die Ge-
schichte des Genres weiter zur \!erbindung von Scien-
ce-fiction und experimenteller Literatur bis hin zur
kritischen Utopie. Deren Hauptmerkmal ist ihre Ein-
548 sicht in die Grenzen der utopischen Tradition: "Als
Womack, James P.; Jones, Daniel T; Roos, Daniel: Reißbrettentwurf wird die Utopie verworfen, als Traum
Die zweite Revolution in der Autoindustrie. Konse- dagegen bewahrt." Er weiß den Gebrauchswert der
quenzen aus der weltweiten Studie aus dem Massa- Utopie zu schätzen, zeigt am Beispiel von vier kriti-
chusetts Institute of Technology. FrankfurtlM. (u.a.): schen Utopien die Beziehungen zwischen oppositio-
Campus-Verl., 1991. 31"9 S., DM 68,-1 sFr 57,60 1 öS neller Politik, hier vor allem der Frauenpolitik, und der
530,40 utopischen Literatur. Deutlich wird, daß der gegenwär-
tige ideologische Kontext einerseits untersucht, ande-
Das "International Motor Vehicle Program " (lMVP) be- rerseits unterlaufen werden kann.
schäftigt sich detailliert mit der neuen japanischen Fazit: Mit den Mitteln der Phantasie erkundet Sci-
Technik, der" lean production" (schlanken Produktion) ence-fiction Angriffsmöglichkeiten gegen eine als un-
in der Autoindustrie und ihren Chancen in anderen In- zulänglich empfundene Gegenwart. Science-fiction
dustrien und Ländern. Utopie: literarische
Zunächst werden die Entwicklung dieser revolutio-
nierenden Produktionsform nachgezeichnet und ein-
zelne Elemente (z.B. Zuliefersystem, Produktentwick-
lung, Kundenbeziehungen) der Umsetzung beschrie-
ben. Besonders deutlich wird der Unterschied zur
Massenproduktion mit ihren langen Produktzyklen, Ar-
Blick über die
Grenzen
beitsteilung, minderer Qualität, enormen Lagerbestän-
den, riesigen Werken. Die .Jean production" setzt von
allem weniger ein als die Massenfertigung - "die
Hälfte des Personals in der Fabrik, die Hälfte der Pro-
duktionsfläche, die Hälfte der Investitionen in Werkzeu-
ge, die Hälfte der Zeit für die Entwicklung eines neuen Autorisierte Übersetzungen aus Future Survey. Vo/. 13
Produktes". Ziel ist es, bei der Endmontage so viel (1991), Nr.8, 9. Mit freundlicher Genehmigung der
Produktionsleistung wie möglich zu erbringen. Dabei World Future Society (WFS), 4916 St. Elmo Av., Be-
werden die "besten Merkmale der handwerklichen thesda, MD 20814, Tel. 301165618274)
Fertigung und der Massenproduktion - die Fähigkeit,
die Stückkosten zu senken und erheblich die Qualität
zu verbessern, während sie gleichzeitig die Produkt-
550
vielfalt vergrößert und die Arbeit zunehmend an-
spruchsvoller macht" - miteinander verbunden. Rifkin, Jeremy: Biosphere Politics. A New Conscious-
Die Autoren sind überzeugt, daß diese Produktions- ness for a New Century. New York, NYIUSA: Crown
form in allen Bereichen industrieller Fertigung Einzug Publishers, 1991.3885., $ 20,- (= Politik für die Bio-
halten und sich zum Standardproduktsystem des 21. sphäre. Ein neues Bewußtsein für ein neues Jahrhun-
Jahrhunderts entwickeln wird. Lean Production dert)
Japan
Jeremy Rifkin ist Präsident der Foundation on Econo-
mic Trends and Greenhouse Crisis Foundation in
Washington und hat als Autor von "Time Wars" und
549 neun anderer provokanter Bücher aus dem Themen-
Moylan, Tom: Das Unmögliche verlangen. Science kreis Technik und Politik aufhorchen lassen. In seinem
Fiction als kritische Utopie. Hamburg: argument-Verl., neuen Buch vertritt er die Anschauung, daß eine Reihe
1991. 240 S., DM 28,-1 sFr 24,-1 öS 218,40 neuer Umweltprobleme aufgetreten sind, deren Wir-
kungen den ganzen Globus betreffen und die die
Die Utopie als erzählerische Form entwickelt sich in Zukunft der Zivilisation insgesamt gefährden. Die welt-
Zeiten sozialen Wandels, ihre Blütezeit fällt in Epochen weite Erwärmung, das Ozonloch, der saure Regen, die
gesellschaftlichen Umbruchs. Utopien haben stets Abholzung der Regenwälder, die Ausbreitung der
"Diskurs-Charakter": hier wird in Erwägung gezogen, Wüsten und das Aussterben von Arten zwingen die
was erreicht werden könnte und abgewogen, was er- Menschheit dazu, sich endlich ernsthaft Gedanken
um ein globales Umweltsicherheitssystem zu ma- scheidung für das Leben ... Wir stehen heute vor die-
chen. Politik für die Biosphäre faßt das Denken dreier ser Entscheidung ... ", Ein ehrgeiziges Werk, das weit
großer gesellschaftlicher Strömungen der Zeit nach in Zeit und Raum ausholt. Rifkins bestes Buch.
dem Zweiten Weltkrieg zu einer gemeinsamen Vision Ökologie
zusammen: 1) die Bewegungen für eine partizipatori-
sche Demokratie und ökonomische Gerechtigkeit (inkl. 551
der Frauenrechtsbewegung, der Menschenrechts-
gruppen und der Initiativen für mehr Demokratie); 2) Warren Ziegler: Envisioning the Future. In: Futures
die Bewegungen zum Schutz und zur Erhaltung der 23/5, Juni 1991, S. 516-527. (= Visionen für die Zu-
Umwelt (mit den Tierschutzgruppen und den Initiati- kunft entwickeln)
ven für eine alternative Landwirtschaft); und 3) die
Bewegungen, die sich um heilende Erfahrungen und Visionen der Zukunft hängen immer mit dem Kontext,
eine Politik des Übergangs gruppieren (mit den Strö- den Aktivitäten und Anliegen derer zusammen, die
mungen für mehr Menschlichkeit, für ein ganzheitli- diese Visionen entwickeln. Positivistische Verhaltens-
ches Gesundheitswesen und dem neuen spirituellen wissenschaft und quantifizierende Vorhersagemetho-
Wiedererwachen in vielen Religionen). Breiten Raum den sind dabei wenig hilfreich. Warren Ziegler, gegen-
widmet der Autor Überlegungen über den Zerfall der wärtig Präsident der Future-Inventing Associates in
ideologischen Fundamente, die das Denken der Mo- Denver, Co./USA., baut in diesem Artikel auf Zukunfts-
derne bestimmten: er identifiziert als solche zum einen studien auf, die am Forschungszentrum für Bildungs-
die Weitsicht der Aufklärung, die philosophisch die politik in Syracuse Ende der 60er und Anfang der 70er
Trennung des Menschen von der Natur begründete; Jahre durchgeführt wurden (wo er Co-Direktor war)
zum anderen das Abgrenzungsdenken, das im 16. und plädiert für eine neue - und gleichzeitig sehr alte-
Jahrhundert begann und die Menschen voneinander Methode der Annäherung an die Zukunft. Einige Bei-
absonderte, indem es u.a. den Begriff des Gemeinguts spiele für Zukunftsvisionen: die Entwicklung eines
auflöste - damit wurde etwa das Land eine Ware und neuen Stadtplans, die Planung der Strategie eines Un-
heute sind wir bei Bestrebungen angekommen, auch ternehmens, die Artikulation einer wünschbaren Zu-
das genetische Gemeingut kommerziell auszuschlach- kunft des Bildungswesens durch eine Gruppe Lehrer.
ten. Die globale Erwärmung ist der letzte Konflikt im Einige geistige Vorläufer: Gabors "Die Zukunft erfin-
Krieg gegen die Natur - damit trifft die Rechnung ein den", die "Mutmaßungsforen" von de Jouvenel, die
für das Maschinenzeitalter, für das monströse Wachs- "Gewissensbildung" Freires. Polaks "soziale Phanta-
tum des militärisch-industriellen Komplexes, für die sie" und Deweys Glaube an die "demokratische Er-
Ausbeutung jeglicher strategischer Ressourcen des fahrung". Einige Grundsätze: Die Zukunft ist kein
Planeten. Weitere Abschnitte befassen sich mit der Bereich des Wissens, sondern einer der Aktion; "Zu-
Enteignung der Familie von ihren Aufgaben durch In- kunft ist eine Metapher für die menschliche Phanta-
dustrie und Kommerz, mit den Wohn- und Arbeitsstät- sie" und beginnt mit ent-Iernen; die Teilnehmer an
ten der US-Amerikaner als unersättliche Verbraucher einer Visionswerkstatt bilden eine Gemeinschaft Ler-
von Rohstoffen und Energie, mit unserem Mobilitäts- nender. Die fünf Phasen bei der Entwicklung einer
wahn, mit dem Kreuzzug zur Unterdrückung des ani- Vision: Erkennen der Anliegen, konzentrierte Veran-
malischen Teils der menschlichen Existenz, mit der schaulichung unwiderstehlicher Visionen, Erarbeitung
Flucht aus der Natur in künstliche Umgebungen und gemeinsamer Visionen, Verbindung der Zukunft mit
der damit einhergehenden Desensualisierung des der Gegenwart, Suche nach Strategien und Aktivitä-
menschlichen Körpers. Rifkin diskutiert das Aufeinan- ten, die in die Zukunft führen. Der Prozeß ist den von
derprallen des mechanistischen Bewußtseins der Car- Robert Jungk in Europa initiierten .Zukunftswerkstät-
tesianischen Ära mit den neuen Heilsbewegungen und ten" sehr ähnlich.
plädiert für einen Bewußtseinswandel von einer" Geo- (Aus derselben Ausgabe von "Futures" sind noch
sphärenkultur" (beherrscht von Expansion und Zentra- zwei andere themenverwandte Beiträge erwähnens-
lisierung) zu einer .Biospharenkultur" (deren steu- wert: Richard A. Sioughters "Changing Images of
ernde Prinzipien die Ideen des Gleichgewichts und der Futures in the 20th Century" 499-515 und Elise Boul-
dezentralen Strukturen sind, was einen völlig neuen dings .The Challenge of Imaging Peace in Wartime"
Denkansatz der Wirtschaftswissenschaften erfordert). 528-533). Zukunftsperspektiven
Der multinationale Konzern ist das Haupthindernis für
eine neue biosphärische Orientierung in Zeit und 552
Raum. Die neue Ordnung schafft dagegen die Waffen
ab, sie öffnet die globalen Gemeingüter für alle, indem Henk Hobbelink: Biotechnology and the Future of
sie Ökosysteme in die Obhut öffentlicher Treuhand- World Agriculture. The Fourth Resource. London und
schaft stellt und die Ressourcen unserers Planeten At/antic Highlands, N.J./USA: Zed Books 1991. 1595.,
gerecht zwischen den lebenden und den künftigen Ge- $ 49.95 i= Biotechnik und die Zukunft der WeItland-
nerationen teilt. So wird auch ein neu es WeItsicher- wirtschaft. Die vierte Lebensgrundlage)
heitssystem möglich, das nicht mehr auf dem Todes-
trieb beruht, sondern als biosphärische Sicherheit den Henk Hobbelink ist ein Agronom und Gründer von
Todestrieb mit dem Lebenstrieb versöhnt. "Wenn wir GRAIN (= Genetic Resources Action International) in
uns entschließen, uns wieder als Teil der Natur zu ver- Barcelona (Apartado 23398, E-08080 Barcelona).
stehen, treffen wir als einzelne und als Art eine Ent- GRAIN tritt für genetische Vielfalt sowie die Interessen
von LDCs (Less Developed Countries) und kleinen "postmoderne" Architektur - die des Zweiten Maschi-
Bauern ein. Hobbelink warnt, daß die drei fundamen- nenzeitalters - durch die zentralen Themen unserer
talen natürlichen Lebensgrundlagen - Boden, Wasser Zeit bestimmt. Aber während Umweltverschmutzung,
und Luft - gefährdet sind. Eine vierte und gleich wich- Erschöpfung der Ressourcen, die Lähmung der Städte,
tige Lebensgrundlage ist das genetische Inventar, der die Herrschaft einer neuen globalen Informationsöko-
Grundstein für jegliche Bemühung um Erhaltung oder nomie maßgebliche Auswirkungen auf die Praxis der
Verbesserung von Pflanzen oder Tieren in der Land- Architektur haben, gibt es bis jetzt keine entspre-
wirtschaft. Die genetische Vielfalt der Welt nimmt in chende Architekturtheorie. Die heutigen Architekten
einem nie dagewesenen Tempo ab, insbesondere in sind weit davon entfernt, neue lösungen zu verlangen,
LDCs. Saatgut und genetische Grundlagen sind zuneh- sondern begnügen sich überwiegend mit der Rolle von
mend zu Waren geworden - darüber handelt dieses Wehrdienstverweigerern im Krieg um das Überleben
Buch. Ein Kapitel vergleicht die Grüne Revolution der urbanen Zivilisation. Pawley versteht sein Buch als
(meist im öffentlichen Sektor, auf einige wenige Sorten Folgeband zu Reyner Benharn's .Theorv and Design in
in ein paar Ländern beschränkt) mit der biotechnischen the First Machine Aqe " (1960) und behauptet, "die
Revolution (überwiegend privat, potentiell alle Nutz- Architektur ist 1990 verbraucht". Im Vergleich mit den
pflanzen auf der ganzen Welt betreffend) Ein anderes großen Tagen der "modernen" Architektur ist heute
Kapitel beschreibt den Werkzeugkasten der Biotech- die Rolle des Architekten tragisch reduziert. Die "mo-
nologie, ein weiteres ihre Dominanz in den transnatio- derne" Neigung zu mutigen Neuerungen wurde ange-
nalen Gesellschaften. Es folgt ein Bericht über die sichts mißlungener Bauten und hoher Versicherungs-
Zucht schädlingsresistenter Pflanzen, wodurch viel- forderungen gezügelt und ist heute durch eine
leicht der Trend zu empfindlichen, nur mit massivem konservative Risikoscheu ersetzt. Nach dem Ende des
Einsatz von Pflanzenschutzmitteln aufzubringenden öffentlichen Investitionsbooms der Nachkriegszeit und
Züchtungen umgekehrt werden kann. Weitere Ab- dem Tod der großen Architekten gibt es keine gleich-
schnitte beschreiben die Möglichkeiten der künstli- wertigen Nachfolger; vielmehr arbeitet eine wach-
chen Saatguttechnik nach 2000 (wie etwa die Massen- sende Zahl braver Konstrukteure auf einem eng um-
vermehrung von Pflanzenembryos in Fermentation- grenzten Gebiet. Die Wirklichkeit der Stadt des
stanks) oder überlegen mögliche Effekte der Biotech- Zweiten Maschinenzeitalters ist gegenläufig: während
nik für Güter der Dritten Welt (z.B. der Ersatz von sich die informationellen Strukturen integrieren, verfällt
Zucker durch künstliche Süßstoffe oder die Produktion die konkrete Architektur und verkommt zu gleichförmi-
von Ersatzstoffen für Kakaobutter oder Versuche, Öl- gen Gehegen provisorischer Fassaden neben ausge-
palmen zu klonen, was dramatische Auswirkungen für räumten Feuerschutzzonen, wo Straßenräuber und
die Weltpflanzenölproduktion hätte). Ferner untersucht Bettler ihr Unwesen treiben und die gepanzerten Divi-
der Autor die Vorstöße zum Patentschutz für Lebens- sionen des Verkehrs einander lähmen . .Zusarnrnenqe-
formen; sollte sich diese Auffassung durchsetzen, sehen ergeben diese zwei Ansichten ein stereoskopi-
müßten Bauern Lizenzgebühren zahlen, Züchter hät- sches Bild dessen, was ehemals der öffentliche Raum
ten keinen freien Zugang zu Keimmaterial mehr, die war." In ähnlich bildungsbürgerlich-vollmundiger
Konsumenten würden bei höheren Preisen landen und Weise diskutiert der Autor die Fluchtrouten aus der
die Marktkonzentration weiter zunehmen. "Nach ge- "Moderne": den Klassizismus, den Postmodernis-
genwärtigem Stand der Dinge wird der Einzug der mus, High-Tech und die autodidakte Architektur von
Bio-Revolution zu einer neuen internationalen Arbeits- Gemeinschaftsprojekten, weiters die Lektion der Mo-
teilung führen, einem noch geringeren Wert der land- torisierung, Reaktionen auf die Energiekrise, die Infor-
wirtschaftlichen Endprodukte und einer noch größeren mation als Gesamtlösung und den Technologietransfer
Abhängigkeit der Dritten Welt", während die Vor- in der Architektur. (Von Pawley stammtauch .The Pri-
machtstellung des Nordens weiter gestärkt würde. Als vate Future" C,Die private Zukunft") 1974, wo erfürdie
Alternative zu dieser Entwicklung bieten sich For- westliche Gesellschaft trübe Aussichten vertritt: die
schungsprogramme der Dritten Welt an, bei denen es soziale Atomisierung und der Rückzug ins Private hät-
um "angemessene Biotechnik" gehen sollte, die der ten sie an den Rand des Zusammenbruchs ge-
armen Landbevölkerung zugute käme und die Bauern bracht.) Architektur
(die ursprünglichen .Biotecnniker") und genossen-
schaftliche Organisationen direkter beteiligen sollte.
554
. Biotechnologie
Amory B. Lovins: The Negawatt Revolution. In:
553 Across the Board 27/9, Sept. 1990, S. 18-23.
Martin Pawley: Theory and Design in the Second
Machine Age. Oxford/GB und Cambridge, Amory B. Lovins ist Forschungsdirektor des Rocky
Mass./USA: Basil B/ackwe/l Juni 1990. 189 S., $ 31,95. Mountain Instituts (RMI) in Snowmass, Co./USA. Auf
(= Theorie und Praxis der Architektur im Zweiten Ma- den wenigen Seiten eines Zeitschriftenartikels präsen-
schinenzeitalter) tiert er außerordentlich wichtige Ideen.
Nach ihm wenden US-amerikanische Unternehmen
Der Architekturkritiker des Guardian vertritt folgende jährlich 93 Mrd. $ für Elektrizität auf, wovon 25-45%
These: Ebenso wie die "moderne" Architektur - die für Beleuchtung verbraucht werden (etwa %direkt, das
des Ersten Maschinenzeitalters - durch die zwei Welt- restliche Viertel benötigen Gegenmaßnahmen gegen
kriege geprägt war, wird auch unsere gegenwärtige die durch die Leuchtquellen erzeugte Wärme). Zwi-
sehen 80 und mehr als 90% dieser Energie könnte nen gekappt werden, die die Motoren antreiben (z. B.
eingespart werden, wenn man auf die effizienteste indem man von Keilriemen auf Synchronriemen um-
heute verfügbare Beleuchtungstechnik umrüstete stellt).
(wie vom Computer entworfene Reflektoren oder Eine andere RMI-Studie weist darauf hin, daß "die
neue Lampen, die mehr Licht pro Watt und bessere Einführung der an die 1000 besten gegenwärtig auf
Farben abgeben). Allein der Ersatz von Glühlampen dem Markt befindlichen stromsparenden Innovationen
durch kompakte Leuchtstofflampen - die außerdem 4 allein im öffentlichen Gebäude- und Maschinenpark
bis 13mal so lang halten - könnte die Beleuchtungs- ungefähr %des Gesamtelektrizitätsverbrauchs einspa-
rechnungen um 75 bis 85% reduzieren. "Insgesamt ren könnte, wobei die durchschnittliche Amortisations-
haben diese auf dem Markt bereits erhältlichen Be- zeit etwas mehr als ein Jahr betrüge und dieselben
leuchtungsinnovationen das Potential, ungefähr ein oder verbesserte Dienstleistungen möglich wären".
Viertel des nationalen Stromverbrauchs zu sparen - zu Zu den Hindernissen, warum diese Möglichkeiten
Nettokosten von knapp Null." In den USA würde das nicht realisiert werden, zählen die Gleichgültigkeit oder
120 Kraftwerke der Größe von Tschernobyl ersetzen die Gegnerschaft etwa eines Drittels der ausrüstenden
können, deren Bau 200 Mrd. $ erforderte und deren Industrie, ferner ein Mangel an Anreizen für Beschaf-
Betrieb mehr als 30 Mrd. $ pro Jahr kostet. "Das ist fungsverantwortliche, sich die Effizienz angelegen sein
wahrscheinlich die größte Goldmine in der ganzen zu lassen sowie die zehnfache Amortisationsschere
Wirtschaft. " zwischen Verbrauchern mit einem Horizont von 2 Jah-
Neben der Beleuchtung stellen wahrscheinlich die ren und Gütern mit einer Einsatzdauer von 20 Jahren.
Motoren die nächstgünstige Einsparungsgelegenheit Viele Hersteller versuchen, diese Diskrepanz durch
dar. Motoren stehen für zumindest 2hdes industriellen Kreditpläne, Rabatte und Geschenke auszugleichen.
Stromverbrauchs und für etwa 53-60% des gesam- Eine andere Möglichkeit Effizienzbewußtsein zu för-
ten Stromverbrauchs der USA. Zwei Maßnahmen, die dern, wäre die Schaffung von .Neqawatt-Märkten".
bereits breite Anerkennung gefunden haben, sind wo .Neqawatts" (= eingesparte Watts) in Ausschrei-
neue hocheffiziente Motoren, die mit der halben bungen und Sekundärmärkte Eingang fänden. Der Au-
Strommenge auskommen, wie noch vor zehn Jahren tor zieht den Schluß, daß Technologien zur effizienten
nötig war, indem sie u.a. elektronische Regler nutzen, Energienutzung global einen Markt in der Dimension
die die Geschwindigkeit an die Produktionserforder- von Billionen Dollar jährlich darstellen und daß US-
nisse anpassen. Weitere 33 Verbesserungen in der amerikanische Unternehmen hier das Zeug zur Markt-
Motortechnik wurden vom RMI erfaßt; würden sie alle führerschaft hätten. Lovins zitiert auch noch eine an-
eingeführt, könnte der Stromverbrauch durch Motoren dere Studie des RMI, wonach ,,1 Dollar, der für
um die Hälfte reduziert werden, was wiederum einer Nuklearenergie ausgegeben wird, weniger als ein Sie-
Einsparung von 80-190 großen Kraftwerken entsprä- bentel an kalorisch gewonnener Energie ersetzen
che. Nochmals 50% des verbleibenden Stromver- kann, als wenn er für möglichst effiziente Energienut-
brauchs könnten durch Verbesserungen der Maschi- zung ausgegeben würde". Wer steigt in den Ring?
Stromverbrauch

Weitere
555 gionalpolitik zwischen Tourismus und
Landwirtschaft und Berichte über Sa-
Adreßbuch Umweltschutz. Hand- nierungsmaßnahmen, wobei Vertreter
buch für Presse, Behörden, Wirtschaft, aller Alpenländer zu Wort kommen.

wichti e
Wissenschaft, Verbände, Bürgerinitiati- Alpen: Europa
ven. Hrsg. v. d. Deutschen Umweltstif-
tung. 2. Aufi., Wiesbaden: Bauveri.,
1991.395 S.
557

Titel
Erweitert und durch Beiträge aus den
neuen Bundesländern ergänzt,faßt der Andreas-Grisebach, Manon: Eine Ethik
Band Anschriften relevanter Behörden für die Natur. Zürich: Ammann, 1991.
aus Bund und Ländern, kommunalen 232 S.
Verbänden, Umweltverbänden (thema- Von einer Analyse des anthropozen-
tisch geordnet), Umweltstiftungen so- trischen Denkens bei Kant, Hegel und
Hinweise auf zukunftsbezogene wie aus den Bereichen Forschung, Bil- Jonas über Reflexionen bedeutender
Neuerscheinungen aus dem um- dung und Beratung zusammen. Dünn Künstler (Hesse, Hundertwasser) bis
fangreichen Angebot der Verlage. ausgefallen ist indes der abschließende hin zu Vorschlägen zu Änderungen un-
Teil mit internationalen Adressen. seres Rechtssystems (am Beispiel der
Umweltschutz: Adressen Einstellung zur Arbeit) reichen die The-
men dieses Bandes, womit eine der
556 zentralen Fragenunserer Zeit interdiszi-
plinär betrachtet wird. Ethik
Die Alpen im Europa der neunziger
Jahre. Hrsg. v. Werner Bätzing ... Bern:
Geogr. Inst. der Univ. Bern, 1991. 558
315 S. (Geographica Bernensia; P 22)
Die Themen der Vortragsreihe glei- Auf dem Weg zur "Guten Schule".
chen Titels umfassen sozialgeographi- Schulinterne Lehrerfortbildung. Be-
sche Szenarien, Fragen endogener Re- standsaufnahme, Konzepte, Perspekti-

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