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Startseite » Mathematik » Sonnenblumenvermutung fast gelöst

Hintergrund KOMBINATORIK
05.11.2019
Lesedauer ca. 4
Minuten
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Mathematiker auf der Suche
nach Sonnenblumen
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Wie viele Punkte muss man willkürlich verteilen und gruppieren, um garantiert
ein Sonnenblumenmuster zu erzeugen? Ein Ansatz aus der theoretischen
Informatik bringt Mathematiker einer Lösung dieses 60-jährigen Problems näher
denn je.
Kevin Hartnett

© FRENTA / STOCK.ADOBE.COM (AUSSCHNITT)

ÜBERSETZUNG AUS

Wenn man Punkte zufällig in einer Ebene verteilt und gruppiert, kann man nach
genauem Hinsehen sicherlich gewisse komplizierte Muster erkennen. Doch wie
viele gruppierte Punkte braucht man mindestens, damit garantiert eine
bestimmte Struktur entsteht? Dieses »Sonnenblumenproblem« formulierten die
berühmten Mathematiker Paul Erdős und Richard Rado 1960, was etliche ihrer
Kollegen fast sechs Jahrzehnte lang in Schach hielt.

Doch nun sind Ryan Alweiss von der Princeton University, Kewen Wu von der
Universität Peking sowie Shachar Lovett und Jiapeng Zhang, beide an der
University of California in San Diego, einer Lösung erstaunlich nahegekommen.
In ihrer kürzlich auf dem Preprint-Server ArXiv veröffentlichten Arbeit
beantworten die Forscher die Frage von Erdős und Rado zwar nicht vollständig,
doch dank einer gängigen Methode aus der theoretischen Informatik haben sie
erstaunliche Fortschritte gemacht.

Versteckte Sonnenblumen
Beim Sonnenblumenproblem geht es um willkürlich verteilte Punkte in der Ebene,
die man in Mengen gruppieren kann. Zuerst legt man eine Anzahl an Punkten
fest, die jede Menge enthalten soll, und grenzt dann zufälligerweise Bereiche ab,
in der sich jeweils die gewünschte Anzahl an Punkten be nden. Die Bereiche
können sich dabei auch überlappen, so dass einige Punkte in der gleichen Menge
landen. Je mehr Bereiche und Punkte man zeichnet, desto häu ger
überschneiden sie sich. Dadurch ergeben sich wirre Muster verknoteter
Abgrenzungen, die sich über die Ebene erstrecken.

Doch sie sind nicht so chaotisch, wie sie auf den ersten Blick erscheinen – das
vermuteten zumindest Erdős und Rado. Gibt es genügend Punkte und
abgesteckte Mengen, taucht den zwei Mathematikern zufolge immer eine
gewisse Struktur auf, die der Blüte einer Sonnenblume ähnelt: Drei oder mehr
Bereiche überlappen sich dabei in der gleichen Teilmenge, ohne weitere Bereiche
zu schneiden.

Entfernt man die gemeinsame Teilmenge, dann sind die Mengen völlig getrennt
voneinander in der Ebene angeordnet, so wie die Blütenblätter um das dunkle
Zentrum einer Sonnenblume. Findet man drei oder mehr abgesteckte Bereiche,
die sich mit keinen anderen Mengen überlappen, stellt auch diese Konstellation
eine Sonnenblume dar. Solche einsamen Inseln nennen Mathematiker »disjunkt«.

© SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT (AUSSCHNITT)

Sonnenblumen

Erdős und Rado wollten heraus nden, wie viele Mengen gewisser Größe
mindestens nötig sind, damit garantiert eine Sonnenblume entsteht. Ihnen
gelang es, zu beweisen, dass unter ww Mengen der Größe w (also jeweils w
Punkte enthalten) immer eine solche Struktur aus drei Mengen auftaucht. Wenn
jeder Bereich also 100 Punkte enthält, braucht man etwa 100100 Mengen, um
sicher eine Sonnenblume zu nden.

Aber Erdős und Rado gingen davon aus, dass ihre Abschätzung nicht wirklich gut
war. Sie vermuteten, dass die tatsächliche Anzahl benötigter Mengen viel kleiner
ist als ww – es sollte sich dabei eher um eine Konstante potenziert mit w handeln
(wie 3w, 80w oder 5 000 000 000w). Ihr Verdacht fällt in den Bereich der
Ramseytheorie, die untersucht, wie geordnete Strukturen in zufälligen
Konstellationen entstehen. Die beiden Mathematiker fanden allerdings keinen
Weg, um die »Sonnenblumenvermutung« zu beweisen.

Sie taten sich nicht als Einzige schwer damit. Nach Erdős und Rados erstem
Ergebnis machten bloß zwei Mathematiker 1997 und Anfang 2019 sehr
bescheidene Fortschritte in dieser Frage. Die aktuelle Arbeit stellt dagegen eine
gewaltige Entwicklung dar. Dafür unterteilten die vier Forscher das Problem in
zwei Fälle, die sie mit Werkzeugen aus der theoretischen Informatik behandelten,
um darin Sonnenblumen zu identi zieren und ihre Existenz zu beweisen.

Informatik hilft Mathematikern


Im ersten – und einfacheren – Szenario betrachten sie Mengen, die sich stark
überlappen. Zunächst identi zieren die Wissenschaftler Punkte, die in möglichst
vielen Bereichen vorkommen. Anstatt das gesamte System zu durchstöbern,
suchen sie dann lediglich unter diesen Mengen nach Sonnenblumen. Die
Prozedur wiederholen sie und verfeinern dabei ihre Suche, indem sie sich auf
immer weniger Mengen mit gemeinsamen Punkten konzentrieren – bis sie
irgendwann eine Sonnenblume nden.

Im zweiten Fall untersuchen sie, was passiert, wenn sich die Bereiche kaum
überlappen. Dann besteht eine Sonnenblume am wahrscheinlichsten aus drei
disjunkten Mengen ohne gemeinsamen Kern. Allerdings ist es sehr schwierig zu
beweisen, dass sich drei einsame Inseln unter extrem vielen leicht
überlappenden Mengen verstecken.

Hier kommt die Verbindung zur Informatik ins Spiel. Lovett und Zhang
untersuchten seit einigen Jahren das Sonnenblumenproblem mit Methoden, die
Informatiker für so genannte boolesche Funktionen nutzen. Übergibt man
solchen Funktionen eine Folge von Bits, spucken sie am Ende ein einzelnes Bit
aus: Eins, wenn die Rechenanweisung wahr ist, ansonsten ist sie null. Zum
Beispiel kann man eine boolesche Funktion programmieren, die eine Eins
ausgibt, wenn die Eingangsbits eine Eins enthalten.

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Vor drei Jahren erkannten Lovett und Zhang dann, dass man die Frage, ob drei
disjunkte Mengen in einem System leicht überlappender Mengen auftauchen, in
die theoretische Informatik übersetzen kann. Zuerst weist man jedem Punkt in
einer bestimmten Menge eine Bezeichnung zu: Eins, wenn er ausschließlich in
dieser Menge vorkommt, und null sonst. Die boolesche Funktion gibt dann eine
Eins (wahr) aus, wenn jeder Eingabepunkt eine Eins ist – was bedeutet, dass die
Menge disjunkt ist. Ein »wahres« Ergebnis zeigt also an, dass die richtigen
Bedingungen für eine Sonnenblume gegeben sind.

Damit verfrachteten die Forscher das Problem in die theoretische Informatik.


Dieser Bereich enthält eine Fülle an Methoden, die es ermöglichen, erstaunliche
Fortschritte zu erzielen. So konnten die vier Wissenschaftler beweisen, dass
bereits (log w)w Mengen ausreichen, um garantiert eine Sonnenblume zu nden.
Ihr Ergebnis bestätigt zwar nicht die Vermutung von Erdős und Rados, wonach
man bloß eine Konstante hoch w Mengen braucht, dennoch verbesserten sie die
ursprüngliche Abschätzung von ww um eine Größenordnung.

© QUANTA MAGAZINE (AUSSCHNITT)

Von »Spektrum der Wissenschaft« übersetzte und redigierte Fassung des


Artikels »Mathematicians Begin to Tame Wild Sun ower Problem« aus »Quanta
Magazine«, einem inhaltlich unabhängigen Magazin der Simons Foundation, die
sich die Verbreitung von Forschungsergebnissen aus Mathematik und den
Naturwissenschaften zum Ziel gesetzt hat.

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Kevin Hartnett
Kevin Hartnett ist Wissenschaftsjournalist in Columbia
(South Carolina).

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