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L I S TY

FILOLOGICKÉ

FOLIA
PHILOLOGICA

140/2017/3ñ4

00obsah.pm6 309 20.12.2017, 16:20


00obsah.pm6 310 20.12.2017, 16:20
EINGEGRABENER WEIN 315

Listy filologickÈ CXL, 2017, 3ñ4, pp. 315ñ341

EINGEGRABENER WEIN,
GEWINNBRINGENDE SYRINX
ZUM HUMOR DES LONGOS
UND EINEM ‹BERSETZUNGSPROBLEM
(I,19 UND III,29)*

O N D ÿ E J C I K ¡ N (Wien)

Im ersten Teil dieses Beitrags werden wir uns mit dem allgemein ver-
breiteten, irrigen Verst‰ndnis des Ausdrucks wyt¢ kator’ttein im
Roman Daphnis und ChloÎ des Longos befassen (I,19,1 und III,29,2ñ3).
Aus diesen ‹berlegungen ziehen wir sp‰ter den Schluss, dass die eta-
blierte Konjektur von Antoine Kaïris (III,29,2: uer¯zein f¸r das in
beiden Handschriften ¸berlieferte syr¯zein) einer Diskussion bedarf,
die wir im dritten Teil auf uns nehmen. Im zweiten Teil gehen wir zu
diesem Zweck auf einige Aspekte des Humors bei Longos ein.

1. ‹bersetzungsproblem: wyt¢ kator’ttein

An folgenden beiden Stellen ist im Roman Daphnis und ChloÎ also die
Rede davon, dass jemand ÑB‰ume eingr‰btì:

* Viele Ideen zum Humor des Longos habe ich Georg Danek zu verdanken. Der
Artikel entstand w‰hrend unserer Zusammenarbeit an einer neuen ins Deutsche ¸ber-
setzten Ausgabe von Daphnis und ChloÎ, deren Publikation f¸r das Jahr 2018 geplant
ist. Die Besonderheit dieser Ausgabe besteht in einer kolometrischen Gliederung, die
unter anderem die h‰ufigen Homoioteleuta sichtbar macht, welche ebenso wie der
Rhythmus in der ‹bersetzung nachgeahmt werden. Der Autor ist Empf‰nger des
Doc-Stipendiums der ÷sterreichischen Akademie der Wissenschaften. Alle ‹ber-
setzungen stammen, wenn nicht anders angef¸hrt, vom Autor und Georg Danek.

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316 ONDÿEJ CIK¡N

I,19,1: Ò O dÆ DÕrkvn “ boykÕloq, “ t∑q XlÕhq Ørastµq, wyl°jaq


tŒn Dr’anta wytŒn kator’ttonta plhs¯on klµmatoq prÕseisin
a⁄tò ktl.
III,29,2ñ3:  Emo˘ dŒq XlÕhn gyna¡ka∑ Øg‰ ka˘ syr¯zein1 o»da ka-
lÂq ka˘ kl£n •mpelon ka˘ wyt¢ kator’ttein∑ o»da ka˘ g∑n §ro◊n
ka˘ likm∑sai prŒq •nemon.  Ag≠lhn dÆ ”pvq n≠mv m°rtyq XlÕh∑
pentµkonta a»gaq paralab‰n diplas¯onaq pepo¯hka∑ ∞ureca
ka˘ tr°goyq meg°loyq ka˘ kalo’q∑ prÕteron dÆ §llotr¯oiq t¢q
a»gaq fipeb°llomen.  All¢ ka˘ n≠oq e≈m˘ ka˘ ge¯tvn fim¡n •mem-
ptoq∑ ka¯ me ∞urecen a∆j, Íq XlÕhn –¬q. Toso◊ton dÆ tÂn •llvn
kratÂn o⁄dÆ d„roiq ºtthuµsomai∑ ktl.
Im Fall der zweiten Stelle wird das wyt¢ kator’ttein beinahe durch-
wegs unkommentiert mit ÑB‰ume pflanzenì ¸bersetzt.2
Im Fall der ersteren Stelle ist diese Interpretation auch stark vertreten,
und doch lassen sich bei den ‹bersetzern und Kommentatoren gewisse
Zweifel an ihrer Richtigkeit erkennen: Paul-Louis Courier, Jean-RenÈ
Vieillefond und Maria P. Pattoni verstehen die Passage so, dass Dryas
hier einen Baum in der N‰he eines Weinstocks als St¸tze einpflanzt.3
Jeffrey Henderson, Paul Turner, John R. Morgan und Georges Dal-
meyda lassen in ihren ‹bersetzungen die ÑSt¸tzeì weg, wobei die letz-
teren beiden in der Anmerkung ad loc. einen Widerspruch zu der in

1
VF; uer¯zein Kaïris.
2
SCH÷NBERGER 19894 und JACOBS 1832: ÑB‰ume pflanzen bzw. zu setzenì; PASSOW
1811: ÑFruchtb‰ume zu pflanzenì; MORGAN 2004, GILL 1989 und HENDERSON 2009:
Ñplanting bzw. plant treesì; PATTONI 20135: Ñpiantare gli alberiì; LOWE 1908: Ñplant
young fruit-treesì; VIEILLEFOND 1987: Ñplanter des arbresì; AMYOT 1780?: Ñ[besogner
aux vignes] & aux olivesì; COURIER 18212: Ñ[besogner aux vignes] et aux arbresì;
KUTHAN 1926: Ñs·zet stromyì (d.h. ÑB‰ume setzenì). DALMEYDA 19602 geht auf Num-
mer sicher und schreibt nur Ñplanterì, wobei er in I,19,1 doch B‰ume pflanzen l‰sst,
s.u. Anm. 4. MACCAIL 2002: Ñdig-in fruit treesì ¸bersetzt das kator’ttein wˆrtlich.
Dagegen aber THORNLEY ñ EDMONDS 1916: Ñ[I can cut the vines] and plant themì;
KRABINGER 1809: ÑReben zu pflanzenì; WIFSTRAND 1944ñ1945, 9: Ñeinen jungen
Weinstockì. Die drei letzteren verstehen konsequent auch das wytŒn kator’ttonta
in I,19 als das Einsetzen von Weinsetzlingen, s.u. Anm. 10.
3
PATTONI 20135: Ñinterrava un arbusto accanto a un ceppo di viteì; VIEILLEFOND
1987: ÑDryas plantait un arbre contre un cep de vigneì; COURIER 18212: Ñque Dryas
plantoit un arbre pour soutenir quelque vigneì. AMYOT 1780? hatte auch mit Ñarbreì
¸bersetzt, aber das klµmatoq ausgelassen und plhs¯on absolut aufgefasst: Ñque
Dryas plantoit und arbre assez près de luiì. Zum plhs¯on als absolutes Adverb s.u.
S. 319.

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EINGEGRABENER WEIN 317

II,1,3ñ4 erw‰hnten Reberziehungsmethode f¸rchten, derzufolge auf


Lesbos jeder Weinstock auf dem Boden krieche:4
II,1,3ñ4: [XlÕh] tÂn §mp≠lvn dÆ t¢q tapeinot≠raq §petr’ga.
P£sa g¢r kat¢ t∂n L≠sbon º •mpeloq tapeinµ, o⁄ met≠vroq
o⁄dÆ §nadendr°q, §ll¢ k°tv t¢ klµmata §pote¯noysa ka˘ Îs-
per kittŒq nemom≠nh∑ ka˘ pa¡q ¶n Øw¯koito bÕtryoq •rti t¢q xe¡-
raq Øk sparg°nvn lelym≠noq.5
Es wird hier also mit Sicherheit die sogenannte Ñkriechende Erziehungì
beschrieben, bei der sich der Weinstock frei auf dem Boden ausbreitet.6
Georges Dalmeyda f¸hrt jedenfalls dann doch in der Anmerkung an,
dass es sich bei dem von Dryas gepflanzten Baum nur um eine St¸tze
f¸r einen Weinstock handeln kann, w‰hrend John R. Morgan ¸berzeugt
ist, dass Dryas B‰ume und Weinstˆcke nebeneinander pflanzt, um den
Ertrag zu maximieren, und interpretiert gleich weiter, dass es sich bei
dem wytÕn um einen Apfelbaum handeln m¸sse, weil laut Theophrast
Apfelb‰ume daf¸r die beste Wahl seien. Tats‰chlich schreibt Theophrast
an der von Morgan zitierten Stelle aber, dass Apfel- und Granatapfel-
b‰ume benachbarten Weinstˆcken lediglich am wenigsten schadeten.7

4
MORGAN 2004: Ñplanting a tree next to a vine-cuttingì und Kommentar ad loc.,
wobei das Ñvine-cuttingì (wˆrtlich f¸r kl∑ma ñ ÑSetzling bzw. Schnittlingì ñ zur
Terminologie s.u. sowie die Literaturangaben in Anm. 6) eigentlich das Ding w‰re,
wovon man meinen m¸sste, dass es gepflanzt wird. DALMEYDA 19602: Ñqui plantait un
arbuste près díun pied de vigneì und Kommentar ad loc. (sowie Vorwort, S. xiiñxiii).
TURNER 19682 und HENDERSON 2009: Ñplanting a tree beside a vine bzw. a vine slipì.
5
Ñ[ChloÎ] pfl¸ckte die niedrigsten Weinstˆcke ab: Es sind ja auf Lesbos alle
Weinstˆcke niedrig, weder hochsprieflend noch an B‰ume gerankt, sondern sie
strecken die Reben nach unten aus und greifen um sich wie Efeu. Selbst ein Kind
w¸rde die Trauben erreichen, sobald seine H‰nde aus dem Wickeltuch befreit sind.ì
6
Eine andere Art der Reberziehung ohne St¸tze w‰re die Strauch- oder Kopf-
erziehung (Bockschnitt). Zu Reberziehungsmethoden und technischen Termini des
Weinbaus in der Antike siehe mit zahlreichen Verweisen auf antike Quellen insb.
ISAGER ñ SKYDSGAARD 1992, 26ñ33; vgl. AMOURETTI 1988 und AMOURETTI 1992, 80ñ83;
zu lateinischen Begriffen siehe MAGERSTEDT 1858, 92ñ102; WHITE 1970, 231ñ239;
FLACH 1990, 274ñ282, jeweils mit zahlreichen Verweisen auf Columella und Plinius.
Zu Reberziehungsmethoden im neuzeitlichen Weinbau siehe DOCHNAHL 1855, 51ñ52;
DORNFELD 1864, 190. Ich pflege mich bei der Recherche der landwirtschaftlichen
Realien oft an alte Handb¸cher zu halten, weil im 20. Jahrhundert viele alte Techni-
ken bei uns in Vergessenheit geraten sind. Abgesehen davon bieten alte Handb¸cher
oft das f¸r ‹bersetzungen nˆtige Vokabular.
7
THEOPHRASTUS, De causis plantarum, III,10,7; vgl. z.B. Geoponica, V,11, wo es
heiflt, dass der Wein mˆglichst nicht von anderen Pflanzen gestˆrt werden soll. Wenn

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318 ONDÿEJ CIK¡N

Bei genauerem Hinsehen zeigt sich jedenfalls, dass dieser bef¸rchtete


Widerspruch nicht sonderlich viel zur Sache tut. Erstens kann der Leser
in I,19 noch gar nicht wissen, was ¸ber die Reberziehung in II,1 gesagt
werden wird, also sollte I,19 auch ohne II,1 verst‰ndlich sein. Zweitens
ist das in II,1 Gesagte gar nicht so in Stein gemeiflelt: Die F¸gung •m-
peloq [Ö] Îsper kittŒq wiederholt sich in der Umkehrung kittŒq
[Ö] Íq •mpeloq in III,5,1, wo davon die Rede ist, dass der Efeu im
Garten des Dryas sich wie Wein an zwei Myrten rankt und seine Dolden
so grofl wie Weintrauben sind: kÕrymboq [Ö] ”soq bÕtryq klhm°-
tvn. Diese Verbindung von Wein und Efeu wird sp‰ter in der Beschrei-
bung des Gartens des Lamon noch weiter gesteigert. Hier rankt sich
Wein an Obstb‰ume und wetteifert in seiner dunklen Farbe mit den
Birnen und ƒpfeln (IV,2,2). Auf die anderen B‰ume rankt sich wie-
derum Efeu, dessen Dolden in ihrer Schw‰rze Weintrauben nachahmen:
kÕrymboq [Ö] melainÕmenoq bÕtryn Ømime¡to (IV,2,3). Am Altar
und am Tempel des Dionysos sind beide Pflanzen dann endlich
verbunden: perie¡xe tŒn mÆn bvmŒn kittÕq, tŒn ne‰n dÆ klµmata
(IV,3,1). In der Beschreibung des Weins (I,19) sowie in derjenigen des
Efeus (III,5,1) und weiter in der Verbindung von Efeu und Wein
(IV,2ñ3) werden die Wˆrter kl∑ma, •mpeloq, kittÕq und bÕtryq, an
letzteren beiden Stellen auch noch kÕrymboq wiederholt, was ein Signal
daf¸r ist, dass diese Passagen zusammengehˆren. Auflerdem streicht
Longos die Bedeutung des Dionysos heraus, der viel ˆfter mit Efeu als
mit Wein dargestellt wird,8 und vollzieht eine Entwicklung von un-
schuldiger Wildheit hin zu geordneter Schˆnheit.9 Andererseits handelt
es sich auch schlicht und einfach um einen Witz, weil die Behauptung

Longos gewollt h‰tte, dass der Leser an Apfelb‰ume denkt, dann h‰tte er auch einen
Apfelbaum genannt: s.u. ¸ber die Querverweise mithilfe von Wortwiederholungen
und zum Humor. Gleichwohl war die Ertragsmaximierung durch den Anbau unter-
schiedlicher Nutzpflanzen beieinander auf fruchtbaren Bˆden nicht un¸blich, vgl.
WHITE 1970, 237; FLACH 1990, 280; ferner SALVIAT 1993, 154ñ156, ¸ber die Kom-
bination von Wein, Getreide und Feigenb‰umen.
8
BLECH 1982, insb. 209ñ211. Nicht von ungef‰hr heiflt der tats‰chliche Besitzer
des Gartens, der am Ende des Romans erscheint, Dionysophanes, siehe HUNTER 1996,
384ñ385.
9
Vgl. IV,32,1: ˆ Hn o›n maue¡n oÃÕn Østi tŒ k°lloq, ”tan kÕsmon prosl°bÉ
ñ ÑDa haben sie erst gelernt, was Schˆnheit ist, wenn sie Schmuck (und Ordnung)
anlegt,ì gemeint ist ChloÎ, die nun u.a. mit geflochtenen Haaren daherkommt. Ferner
z.B. III,18, wo beim Liebesakt mit Lykainion t≠xnh vonnˆten ist, damit sich die

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EINGEGRABENER WEIN 319

aus I,19,2 in III,5,1 in ihr Gegenteil verkehrt wird. Drittens ist I,19 f¸r
sich allein schon sehr scherzhaft: ChloÎ arbeitet nicht gerade hart, weil
sie nur die niedrigsten Trauben abliest, zugleich wird aber pseudo-
wissenschaftlich dargelegt, dass alle Trauben niedrig wachsen. Wie
passend zu einem Roman, in dem jede Drohung und jede M¸he sich in
Wohlgefallen auflˆst. Wir werden im mittleren Teil dieses Artikels noch
Gelegenheit haben, auf den Humor des Longos n‰her einzugehen.
Otto Schˆnberger und Albert Wifstrand sind unter den von mir ge-
fundenen ‹bersetzern und Kommentatoren der Nachkriegszeit die ein-
zigen, die eine vollkommen andere Lˆsung f¸r die ‹bersetzung des
wytŒn kator’ttonta in I,19,1 finden, gleichwohl diese Lˆsung bis zum
Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts auch von vielen andern vorge-
schlagen wurde. Sie lassen Dryas nicht einen ÑBaum in der N‰he eines
Weinstocks pflanzenì, sondern Ñin der N‰he einen neuen Weinstockì.
Das plhs¯on verstehen sie als absolut gebrauchtes Adverb und ziehen
wytŒn klµmatoq zusammen, wobei Albert Wifstrand eine ƒnderung
der Wortstellung von tŒn Dr’anta wytŒn kator’ttonta plhs¯on
klµmatoq prÕseisin auf tŒn Dr’anta wytŒn kator’ttonta klµ-
matoq plhs¯on prÕseisin vorschl‰gt.10
Tats‰chlich befriedigt mich die letzte der genannten Interpretationen
am meisten, und zwar nicht nur deshalb, weil Dionysos und folglich der
Wein eine wichtige Rolle in unserem Roman spielen,11 sondern auch

w’siq entfalten kann. Vgl. HUNTER 1983, 45ñ46; ZEITLIN 1990 430ñ436; insb. TESKE
1991, 29ñ41; dagegen CZAPLA 2002, 19ñ20; zu ChloÎs Schˆnheit vollkommen ein-
seitig EFFE 1982, 83. Zu Lykainion s.u. Anm. 33 und 42; zu den G‰rten s.u. Anm. 56.
10
Vgl. durchwegs Anm. 2 und siehe wieder WIFSTRAND 1944ñ1945, 9; SCH÷N-
BERGER 19894: Ñals dieser in der N‰he einen jungen Weinstock einsetzteì; MACCAIL
2002: Ñdigging in a vine nearbyì. Dar¸ber hinaus LOWE 1908 und GILL 1989: Ñplan-
ting vineshoots bzw. a vine plant near byì; P ASSOW 1811: Ñdass Dryas in seiner
Nachbarschaft einen Rebenschˆssling pflanzteì; JACOBS 1832: Ñals Dryas in der N‰he
Weinf‰chser [Weinsetzlinge] legteì mit Verweis auf PASSOW 1811 in der Anm. ad
loc.; K UTHAN 1926: Ñkdyû nedaleko vysazoval odnoûe rÈvyì (d.h. Ñals er unweit
Rebschˆsslinge pflanzteì); THORNLEY ñ EDMONDS 1916: Ñplanting the scions of his
vines near byì; KRABINGER 1809: Ñals dieser in der N‰he Reben pflanzteì. Der inter-
pretativ ¸bersetzte Plural (insb. Ñvineshoots, scions, Schˆsslingeì) ergibt sich, weil
die betreffenden ‹bersetzer davon ausgehen, dass Dryas hier Stecklinge pflanzt, die
nicht eingegraben werden m¸ssen, und es somit komisch w‰re, wenn er nur einen ein-
zigen Steckling einsetzte, was ungef‰hr zwei Sekunden Arbeit erforderte. Dazu s.u.
11
So weit, wie MERKELBACH 1988, der beinahe in jedem Wort ein Mysterium des
Dionysos vermutet, wollen wir freilich nicht gehen.

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320 ONDÿEJ CIK¡N

schon aus dem einfachen Grund, dass kator’ttein Ñeingrabenì, also


Ñvollst‰ndig mit Erde bedeckenì bedeutet. Einen Baum (wie wir das
Wort heute verstehen) gr‰bt man aber niemals vollst‰ndig ein, weshalb
auch kator’ttein im Zusammenhang mit der Baumpflanzung, soweit
ich sehe, nirgends belegt ist. Das ¸bliche Wort f¸r das Pflanzen welcher
Pflanze auch immer ist wyte’ein, f¸r einen Setzling kl∑ma oder gleich
wytÕn. Das Wort wytŒn bedeutet auch Weinstock, der in der Antike als
Baum angesehen wurde.12 Im Gegensatz zu Baumsetzlingen wird der
Setzling des Weinstocks beim Einpflanzen fast vollst‰ndig eingegraben.
Deshalb ist auch kator’ttein in Verbindung mit dem Pflanzen von
Weinsetzlingen selten, aber doch belegt.13 In den Geoponica wird zu-
dem zwischen Ñbewurzelten Setzlingen ñ W¸rzlingenì (tÂn Ønr¯zvn
wytÂn) und Ñunbehandelten Setzlingen ñ Schnittlingenì (tÂn §pŒ klµ-
matoq [sc. wytÂn]) unterschieden.14
Als W¸rzlinge wurden fr¸her treffend diejenigen Setzlinge bezeich-
net, die vor dem Einpflanzen f¸r eine gewisse Zeit an einem proviso-
rischen Ort eingegraben worden sind, um Wurzeln auszutreiben. In
Dochnahls Katechismus des Weinbaues finden sich dazu Abbildungen,
die wir hier wiedergeben.15

12
Auch Longos schreibt in I,31,3, wo eindeutig von B‰umen die Rede ist, voll-
kommen verst‰ndlich wyt¢ dÆ Ωmera poll¢ Øw’teysan. Zu den wyt¢ als Wein-
stˆcke vgl. z.B. POMEROY 1994, 333 (Komm. zu XENOPHON, Oeconomicus, 19).
13
Geoponica, V,8,4: ©ma tò §waireu∑nai t¢ klµmata, xr∂ ta◊ta kator’t-
tein e≈q g∑n. Geoponica, XII,19,1: die Zweige von K¸rbissen oder Melonen kat-
Õryjon e≈q t∂n g∑n, Îsper t¢ klµmata t∑q §mp≠loy. Vgl. Geoponica, V,12,1,
¸ber die Tiefe des Lochs (bÕuroq): Ñnicht weniger als vier Fuflì. Dazu XENOPHON,
Oeconomicus, 19,3 (und P OMEROY 1994, ad loc.). Ferner siehe J OANNES ELEEMO -
SYNARIUS, Vita Tychonis, 11,22ñ23: Øke¡no tŒ kl∑ma ‘ dií ≤ayto◊ katvr’jato und
19,6ñ7: Øke¡no tè gè kator’ttonti tŒ •gonon ka˘ nekrŒn klhmat¯dion. Vgl.
auch ATHENAEUS, Dipnosophistae, II,1b; PAUSANIAS, Graeciae Descriptio, X,38,1.
STRABO, Geographica, VII,3,18,22ñ24, beschreibt, wie am Bosporos der Wein f¸r den
Winter eingegraben wird, um vor Frost gesch¸tzt zu werden. Das kann von Longos
trotz seiner Beschreibung des strengen lesbischen Winters nicht gemeint sein, weil
Dryas im Fr¸hling arbeitet. ‹ber das heute un¸bliche ÑZudeckenì der Weinstˆcke f¸r
den Winter, auch wenn es mit Longos nichts zu tun hat, siehe VON HEINTL 1831, 111.
14
Geoponica, V,14.
15
DOCHNAHL 1855, 23ñ24: die Abbildungen sind auf den S. 23, 24 und 33 (Fig. 3:
Setzling als Schnittling; Fig. 4: Setzling als W¸rzling; Fig. 11: ein korrekt einge-
pflanzter Setzling). Vgl. z.B. FLACH 1990, 277.

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EINGEGRABENER WEIN 321

Von wytŒn §pŒ klµmatoq zu wytŒn klµmatoq ist es nicht weit, so-
dass es noch wahrscheinlicher wird, dass die folgende ‹bersetzung die
geeignetste ist: ÑDorkon passte Dryas ab, als dieser in der N‰he (abs.
adv. plhs¯on [sc. –nta]) einen Weinsetzling (wytŒn klµmatoq) ein-
grubì. Aber auch wenn wir plhs¯on klµmatoq als zusammengehˆrig
fassen wollten, ‰nderte das an dem eingegrabenen Gegenstand wenig,
da wytÕn, wie gezeigt wurde, kein Baum sein kann: dann gr¸be Dryas
seinen Setzling eben Ñin der N‰he einer (anderen) Rebeì ein, was sich
freilich auch eleganter ausdr¸cken liefle.
Der Vollst‰ndigkeit halber muss noch gesagt werden, dass die F¸-
gung wytŒn kator’ttonta dar¸ber hinaus impliziert, dass Dryas hier
tats‰chlich einen Setzling eingr‰bt und nicht etwa einen Ableger oder
einen Steckling. Stecklinge (Pfeilreiser) sind kleine Sprˆsslinge, die
einfach in die Erde gesteckt und also nicht eingegraben werden. Ableger
(Senker) sind wiederum Reben, die eingegraben werden, um Wurzeln
auszutreiben, w‰hrend sie noch mit dem Mutterstock verbunden sind.
Ableger zu pflanzen bedeutete mosxe’ein, das in Verbindung mit kat-
or’ttein meines Wissens nicht belegt ist und nicht gemeint sein kann,
weil es dann nicht heiflen d¸rfte, dass ein ganzes wytÕn eingegraben
wird: in diesem Fall wird ja gewissermaflen nur ein Teil des Stocks
eingegraben.16

16
Siehe die Literaturangaben in Anm. 6. Und zu den Stecklingen vgl. die ‹ber-
setzungen in Anm. 10.

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322 ONDÿEJ CIK¡N

Dass es sich bei dem eingegrabenen wytÕn hier um einen Weinsetz-


ling handelt, legt auch die zweite Stelle nahe (III,29,2ñ3): Daphnis
r¸hmt sich zun‰chst mit drei Fertigkeiten: Øg‰ ka˘ syr¯zein (oder ue-
r¯zein?) o»da kalÂq ka˘ kl£n •mpelon ka˘ wyt¢ kator’ttein.
Dann folgen zwei weitere: Er ist gut im Pfl¸gen und im Worfeln gegen
den Wind: o»da ka˘ g∑n §ro◊n ka˘ likm∑sai prŒq •nemon. Pfl¸gen
und Worfeln stehen in enger Verbindung zueinander, und beide be-
treffen den Anbau und die Verarbeitung von Getreide. Das Pfl¸gen ist
dar¸ber hinaus die erste Arbeit, die in einem Zyklus des Getreideanbaus
verrichtet wird, da es noch vor der Aussaat stattfindet. Das Worfeln, also
das Trennen der leeren H¸lsen vom Korn, findet hingegen nach dem
Dreschen statt.17 Es ist mehr als wahrscheinlich, dass die Fertigkeiten,
die Daphnis zuvor angef¸hrt hat, auf ‰hnliche Weise verkn¸pft sind.
Kl£n •mpelon ist eindeutig und bedeutet Ñden Weinstock beschnei-
denì. Wenn wir wyt¢ kator’ttein hier wieder als ÑWeinsetzlinge ein-
grabenì verstehen, ergibt sich abermals ein Paar von Fertigkeiten, die
beide auf demselben Gebiet vonnˆten sind, und die, ‰hnlich wie im Fall
von Pfl¸gen und Worfeln, chronologisch angeordnet sind: Zuerst wird
der Weinstock beschnitten, dann werden die Setzlinge eingepflanzt.
W¸rden wir wyt¢ kator’ttein mit ÑB‰ume pflanzenì ¸bersetzten,
ginge diese Komposition verloren.18

2. Aspekte des Humors bei Longos

Seit der Ausgabe von Antoine Kaïris ist etabliert, dass die erste Fer-
tigkeit in III,29,2ñ3 nicht als syr¯zein, sondern als uer¯zein gelesen
wird. Da sich durch unsere Erkl‰rung des wyt¢ kator’ttein doch etwas
an der Stelle ver‰ndert hat und da auch Otto Schˆnberger, Paul Turner
und Ronald MacCail das syr¯zein beibehalten,19 erscheint es mir not-
wendig, die Konjektur bei dieser Gelegenheit ausf¸hrlich zu diskutieren.

17
Vgl. III,3,3.
18
Im dritten Teil des Artikels werden wir die Werbungsrede des Daphnis n‰her
interpretieren und u.a. darauf eingehen, welche scherzhaft-erotischen Implikationen
das kator’ttein verbirgt.
19
Vgl. o. Anm. 2: SCH÷NBERGER 19894; MACCAIL 2002; TURNER 19682. KRABINGER
1809 und T HORNLEY ñ EDMONDS 1916, die in ihrer ‹bersetzung von wyt¢ kato-
r’ttein richtiglagen, lesen naturgem‰fl noch syr¯zein. WIFSTRAND 1944ñ1945, 9,
¸bernimmt ohne Diskussion uer¯zein.

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EINGEGRABENER WEIN 323

Vorher gehe ich aber kurz auf einige Aspekte des Humors des Longos
ein, den ich in meine Argumentation einbeziehen will, und der bisher
noch nicht ausreichend analysiert worden ist.20
Das letzte Zusammentreffen von Dryas und Daphnis im Winter
(III,6ñ7) ist ja bereits zum Schreien komisch gewesen: Daphnis hatte
Vˆgel gejagt und gewartet, ob nicht vielleicht ChloÎ aus dem Haus
k‰me. Es kam aber nicht einmal ein ÑVogel des Hausesì heraus, bis ein
Hund sich St¸ck Fleisch Ñschnappteì, Dryas sich einen Stock Ñschnap-
pteì und dem Hund Ñwie ein Hundì hinaus zu Daphnis nachjagte.21 Der
Spafl wurde an dieser Stelle noch durch eine virtuose formale Gestal-
tung mit zahlreichen Homoioteleuta unterst¸tzt.
ƒhnlich wie die beschriebene Hunde-Szene leben auch die pseudo-
wissenschaftlichen Ausf¸hrungen von Umkehrungen der Aussagen und
Ver‰nderungen der Bedeutungsnuancen wiederholter Wˆrter. Wir ha-
ben das bereits oben an der Passage gesehen, in der ChloÎ die niedrig-
sten Trauben abpfl¸ckt, w‰hrend ja alle Trauben selbst f¸r Kleinkinder
niedrig genug w‰ren (II,1,3ñ4). Nicht viel anders verh‰lt es sich bei der
Beschreibung des Ph‰nomens des Echos (III,21ñ22): Hier setzt Longos
die Wˆrter wvnµ und a⁄l„n als Fachbegriffe ein. Der a⁄l„n der Land-
schaft (sonst ÑGebirgssattelì, ÑKanalì), der die ÑStimmeì der Ruderer
wie ein Musikinstrument in sich aufnimmt und wiederholt, kann auch
als ÑLuftrˆhreì verstanden werden.22 Dass Longos das Wort wvnµ hier
nicht nur als ÑStimmeì, sondern als terminus technicus f¸r Ger‰usch,
also f¸r §∂r peplhgm≠noq (Ñgeschlagene Luftì) verstanden wissen
will, wird (obwohl an der Stelle wˆrtlich von ÑSchlagenì nirgends die
Rede ist) von der mehrfachen Erw‰hnung des Ruderschlagens (Ør≠t-

20
BRETHES 2007 l‰sst in seiner Analyse der Komik der antiken Romane Longos
aus und BRETZIGHEIMER 1988 behandelt nicht die Aspekte, die mir wichtig erscheinen.
21
III,6,2: –rniueq mÆn ka˘ økon pollo˘ [Ö] o⁄ katoik¯dioq –rniq; III,7,1ñ2:
k’vn [Ö] kr≠aq ®rp°jaq [Ö] Dr’aq j’lon ®rpas°menoq Ød¯vke katí ∆xnoq
Îsper k’vn. Zu ®rp°jaq Ñversuchsweise [Ö], um die Reimstruktur zu unterstrei-
chenì und zu ®rpas°menoq siehe CIK¡N ñ DANEK 2016, ad loc.
22
Fvnµ wird in III,21,2ñ4 sechsmal wiederholt (siebenmal mit “mow„nvq, vgl.
Anm. 23) und dann noch einmal als §ntiwvno◊ntaq in III,22,2; a⁄l„n zweimal in
III,21,4 und III.22,3. Zu a⁄l„n vgl. LSJ, s. v. mit Verweisen auf ARISTOTELES, De
partibus animalium, III,3, 664a27 (ÑLuftrˆhreì), und G ALENUS , De usu partium,
IV,315,12 (ÑSpeiserˆhreì). Zu wvnµ vgl. z.B. DIOGENES LAÀRTIUS, Vitae philoso-
phorum, VII,55; GALENUS, De usu partium, VIII,644,12; SUDA und LSJ, s. v. mit
weiteren Verweisen in Unterscheidung zum cÕwoq. Zur Stimme und zum Echo vgl.
ferner LUCRETIUS, De rerum natura, IV,524ñ614 (insb. 526, 530ñ532, 577).

01cikan.pm6 323 20.12.2017, 16:33


324 ONDÿEJ CIK¡N

tein, πretton), des Schlagmeisters (keleystµq, keleystÂn), des Takts


(kat¢ kairÕn) und schliefllich der Luft (xeom≠nhq t∑q wvn∑q e≈q
pol÷n §≠ra) angedeutet. Die vibrierende Luft wird zudem durch die
H‰ufung von Plosiven in III,21,2ñ3 klanglich nachgebildet (zuerst x / k,
dann p / t / u): o… dÆ loipo˘ kau°per xorŒq “mow„nvq kat¢ kairŒn
t∑q Øke¯noy wvn∑q ØbÕvn. ºn¯ka mÆn o›n Øn §napeptam≠nÉ tè
ual°ttÉ ta◊tí ∞pratton ktl.23 Die gelehrt komplizierten Beschrei-
bungen m¸nden in die erste Pointe, als der Erz‰hler das Ph‰nomen des
Echos zusammenfasst: ÑW‰hrend die Stimme vom Meer her n‰mlich
fr¸her eintraf, verhallte die Stimme vom Land her mit derselben Ver-
zˆgerung, mit welcher sie eingesetzt hatte.ì24 Das h‰tte man sich auch
ohne die Wissenschaft denken kˆnnen. Die zweite Pointe folgt gleich
auf die Wiederholung des Wortes a⁄l„n: ChloÎ kennt das Ph‰nomen
des Echos nicht und vermutet hinter dem Vorgebirge (œp¯sv t∑q
•kraq ñ III,22,3, auch das eine Wortwiederholung aus III,21,3), an dem
die Seeleute offenbar vorbeigefahren sind, ein anderes Schiff, fragt
dabei aber vˆllig perplex, ob dort auch ein Meer sei, was nat¸rlich
naheliegend ist.

23
ÑDie ¸brigen lieflen wie ein Chor, einstimmig, zum Takt seiner Stimme laute
Rufe ertˆnen. Und dieweil sie das auf dem weiten, offenen Meere taten etc.ì Zum
Beibehalten des ual°ttÉ (VF) gegen¸ber ual°ssÉ (Reeve) aus lautmalerischen
Gr¸nden siehe CIK¡N ñ DANEK 2016, ad loc. Am angef¸hrten Ort ad loc. (III,21,2)
haben Georg Danek und ich die Tilgung von “mow„nvq vorgeschlagen, womit ich
jetzt nicht mehr einverstanden bin. Der Pleonasmus von kau°per xorŒq “mow„nvq
erscheint zwar tats‰chlich stˆrend, und die Annahme, dass “mow„nvq eine in den
Text eingedrungene Randglosse sein kˆnnte, ist verlockend, zumal das adverbiale
“mow„nvq erst etwa seit dem dritten Jahrhundert n. Chr. regelm‰flig die Bedeutung
Ñmit einer Stimmeì annimmt. Doch ist das Wort in eben dieser Bedeutung etwa schon
bei PLUTARCHUS, Galba, 5,1 belegt, und auflerdem wird es adjektivisch in ‰hnlicher
Bedeutung (Ñunisonoì) in musikalischem Zusammenhang gebraucht, vgl. die Wˆrter-
b¸cher LSJ, LAMPE und KRIARAS, s. v. “mÕwvnoq, bzw. “mow„nvq. Die weiteren
Argumente f¸r die Beibehaltung des “mow„nvq illustrieren zugleich den Humor des
Longos. Erstens bildet die F¸gung “mow„nvq kat¢ kairŒn zwei Joniker, was den
Rhythmus des Ruderns unterstreicht. Zweitens passt es in dieser pseudowissen-
schaftlichen Passage sehr gut, dass der h‰ufig wiederholte terminus technicus wvnµ
um eine weitere Bedeutungsnuance erweitert wird, wodurch sich der Pleonasmus mit
kau°per xorÕq als Witz erkl‰rt. Die F¸gung kau°per xorÕq kann anstatt des
“mow„nvq wegen des Hiats eher nicht getilgt werden. Der Text sollte meines Erach-
tens also beibehalten werden.
24
III,21,4: wuano’shq g¢r t∑q §pŒ t∑q ual°sshq wvn∑q º Øk t∑q g∑q wvn∂
toso◊ton Øpa’eto br°dion, ”son πrjato.

01cikan.pm6 324 20.12.2017, 16:33


EINGEGRABENER WEIN 325

Extrem ist die Kombination aus Pseudowissenschaft und scherzhafter


Naivit‰t bei der Piratenentf¸hrung des Daphnis und seiner Errettung
durch Dorkons Rinder (I,28 und 30). Die Beschreibung der Piraten
klingt auf den ersten Blick hochtrabend, zugleich offenbart sie aber,
dass es sich tats‰chlich um Strolche aus der auf Lesbos gelegenen Stadt
Pyrrha handelt, die sich als karische, also echte und archetypische See-
r‰uber erst verkleiden m¸ssen.25 Das passt konsequent zur sonstigen
Handlung des Romans, die sich ausschliefllich auf Lesbos abspielt und
somit im starken Gegensatz zu den anderen antiken Liebesromanen
steht, die ja zugleich auch Reiseromane sind. Dar¸ber hinaus verr‰t die
angsteinflˆflende Ausr¸stung der Piraten, dass sie in Wahrheit halbe
Portionen sind. Sie kommen in einer ºmiol¯a daher (typisches Piraten-
schiff, ÑEineinhalbrudererì),26 tragen ºmiuvr°kia (Panzer, der die

25
I,28,2: Pyrra¡oi lÉsta˘ Karik∂n ∞xonteq ºmiol¯an, Íq ¶n doko¡en b°r-
baroi. Zur Verteidigung der Konjektur Pyrra¡oi (Young, Reeve) gegen P’rrioi (F)
und insb. T’rioi (V) sowie f¸r die Beibehaltung des Íq ¶n doko¡en b°rbaroi statt
der Kopistenkorrektur Íq m∂ ktl. (V2) siehe CIK¡N ñ DANEK 2016, 193ñ194, ad loc.,
FAKAS 2005, 187; vgl. MORGAN 2006, ad loc. Tyrische Barbaren m¸ssten sich nicht als
Karer verkleiden, Ñum (oder um nicht) wie Barbaren zu wirkenì. Ein zus‰tzlicher
Witz besteht darin, dass es in Karien gegen¸ber von Milet ein Fischernest gegeben
hat, das ebenfalls den Namen Pyrrha trug: STRABO, Geographica, XIV,1,8. Die Karer
waren neben den Phˆnikern gleichsam die Urpiraten: THUCYDIDES, Historiae, I,4 und
I,8,1; HERODOTUS, Historiae, II,152 und VII,99 ¸ber die ber¸hmte karische Prinzessin
Artemisia; ferner STRABO, Geographica, XIV,2,27; MENANDER, Sicyonius, 3ñ7. Die
Argumente f¸r T’rioi von MERKELBACH 1988, 161, Anm. 2, laufen im Kreis: indem er
n‰mlich behauptet: Ñdie Seer‰uber werden als ÇBarbarenë bezeichnetì, bedient er sich
der Kopistenkorrektur Íq m∂, um diese sp‰ter als Beweis daf¸r anzuf¸hren, dass sie
richtig sei. Vgl. MACCAIL 2002, ad loc., der f¸r Tyrrhno˘ argumentiert, was sich aber
recht weit von den Handschriften entfernt und den armen Tyrrhenern eine ziemlich
weite Reise abverlangt. Das Íq ¶n doko¡en b°rbaroi bzw. Íq m∂ ktl. erg‰be dann
zudem wirklich nur noch sehr wenig Sinn. Tyrrhenische Piraten haben Dionysos
entf¸hrt und wurden von ihm dann in Delphine verwandelt (Hymnus Homericus VII
[In Bacchum], Verse 7f. und 53), vgl. LONGUS, IV,3,2 mit einer Erw‰hnung der Tyr-
rhno¯, ferner II,26,2; II,29,3 und III,27ñ28 zu den Delphinen; vgl. A NYTE in der
Anthologia Graeca, VII,215 (zu ANYTE vgl. u. Anm. 40). Allerdings hat MERKELBACH
1988, 161, richtig erkannt, dass sich eine Anspielung auf die Tyrrhener allein schon
aus dem Klang der Herkunftsbezeichnung unserer Piraten ergibt, und insofern passt
Pyrra¡oi sogar besser als T’rioi. Tyrische Piraten w‰ren n‰mlich als Topos des
antiken Romans (ACHILLES TATIUS, Leucippe et Clitophon, II,17,3; XENOPHON EPHE-
SIUS, Ephesiaca, I,14,6, und Erw‰hnungen von Tyros jeweils passim) so eindeutig,
dass sie kaum Raum f¸r Anspielungen bˆten. Zu Karern vgl. u. Anm. 26 und 28.
26
Wˆrtlich ÑHalbganzschiffì: Es handelt sich um ein schnelles und schlankes
Schiff mit eineinhalb Ruderreihen, Segel und Stauraum. Die Ruderer der halben

01cikan.pm6 325 20.12.2017, 16:33


326 ONDÿEJ CIK¡N

Brustseite sch¸tzt, wˆrtlich aber ÑHalbpanzerchenì) und sind nicht mit


echten Schwertern, sondern (nur) mit maxa¯raiq (Ñgroflen Messernì)
bewaffnet (I,28,1). Nach der Versenkung des Schiffes (I,30) sind sie im
Gegensatz zu Daphnis dem Untergang geweiht, weil ihre Ñhalbeì Be-
waffnung zu schwer ist, wobei ihre ÑHalbpanzerchenì nun tats‰chlich
als lepid„ta (Ñbeschupptì) beschrieben werden und dadurch Asso-
ziationen zu Fischen wecken. Hier erfahren wir im krˆnenden Abschluss
eines Trikolons, dass ihre ÑBeinschienen bis zur Mitte des Schienbeinsì
reichen, als ob diese halbe L‰nge etwas ganz Grofles w‰re. Die Komik
der Sache wird wieder durch Homoioteleuta unterst¸tzt.27 Daphnis ist
jedoch ºm¯gymnoq (Ñhalbnacktì), sodass er sich leicht ausziehen kann,
tut sich aber schwer mit dem Schwimmen, oÃa prÕteron nhxÕmenoq Øn
potamo¡q mÕnoiq (Ñweil er bisher nur in Fl¸ssen geschwommen warì),
also angesichts der Geographie von Lesbos nicht gerade in tiefen Ge-
w‰ssern. Das kˆnnte wiederum eine Anspielung auf die mˆchtegern
karischen Seer‰uber sein: Nastes, einer der beiden Anf¸hrer der Karer
vor Troja, wird von Homer als besonders weibisch beschrieben, da er
mit viel Gold geschm¸ckt in die Schlacht zieht, was ihm nicht viel n¸tzt.
Achill tˆtet ihn Øn potamò (Ñim Flussì).28 Jedenfalls wird nun aus der
Halbheit des Daphnis eine Doppelheit: Er packt Ñzwei Rinder an zwei
Hˆrnern mit zwei H‰ndenì, erinnert an den kleinen Herakles bei Pindar,
der mit zwei H‰nden zwei Schlangen w¸rgt, und f‰hrt von den K¸hen
gezogen wie ein Wagenlenker davon.29 Darauf folgt die pseudo-wissen-
schaftliche Erkl‰rung (I,30,6): Ein Rind schwimme n‰mlich, Ñwie es
nicht einmal der Mensch vermagì (gerade sind aber alle Piraten und

Ruderreihe konnten sich nach erfolgreicher Verfolgungsjagd mit dem f¸r den Angriff
notwendigen Einholen des Segels befassen. Zur Rekonstruktion und Entstehung vgl.
insb. CASSON 1971, 128ñ132; ferner MORRISON 1995, 73ñ75; MORRISON 1996, 317ñ
319, mit einem aufschlussreichen Plan. Vgl. wieder FAKAS 2005, 188ñ189: dieser
zitiert ein von ALPERS (1996a, 46ñ47) im Etymologicum Genuinum, s. v. ºmiol¯aq,
gefundenes Fragment des verschollenen Protagoras-Romans (Fr. 20 Alpers), in dem
die karik∂ ºmiol¯a sprichwˆrtlich gebraucht und homoerotisch aufgeladen ist. Vgl.
schliefllich SCHUMACHER 2001, 36ñ37.
27
I,30,3: o… mÆn g¢r lÉsta˘ t¢q maxa¯raq parµrthnto ka˘ t¢ ºmiuvr°kia
lepid„ta Øned≠dynto ka˘ knhm¡daq e≈q m≠shn knµmhn fiped≠dento.
28
HOMERUS, Ilias, II,868ñ875; vgl. LAVELLE 1997, 241ñ243.
29
I,30,5: ka˘ d’o boÂn d’o ker°tvn ta¡q d’o xers˘ labÕmenoq ktl. Vgl.
PINDARUS, Nemea, I,44ñ45: dissa¡si doio÷q a⁄x≠nvn / m°rcaiq §w’ktoiq xers˘n
≤a¡q –wiaq.

01cikan.pm6 326 20.12.2017, 16:33


EINGEGRABENER WEIN 327

beinahe auch Daphnis untergegangen), und stehe nur den Wasservˆgeln


und Fischen nach (letztere sind oft ebenso beschuppt, wie die ºmi-
uvr°kia lepid„ta, die den Piraten den Untergang beschert haben).
Weiters d¸rften Rinder aber nicht zu nass werden, sonst falle ihnen das
Horn von den Hufen ab (deswegen sind sie also so selten im Meer unter-
wegs). Von dieser Wahrheit zeugten bis heute zahlreiche Meeresstellen,
die boŒq pÕroi (Bosporos oder ÑRinderfurtì) hieflen (viel mehr als eine
gibt es nicht).30 Dieser pseudo-wissenschaftlichen Passage ging schon
eine andere voraus, in der der Erz‰hler den Schiffsuntergang physi-
kalisch erkl‰rt hat: Die Rinder springen alle gleichzeitig heraus und Ñda
dabei ein heftiger Ruck zu der einen Seite [durch das Wechselwirkungs-
prinzip auf die eine Seite oder durch die Gewichtsverlagerung auf die
andere?] des Schiffes entstand, und da das Meer beim Aufprall der K¸he
einen Hohlraum bildete, kippte das Schiff [also kippte das Schiff in den
Hohlraum oder durch die Wellen vom Hohlraum weg?], und als die
Woge sich wieder schloss, ging es unter [also kippte das Schiff doch in
den Hohlraum?].ì31 Diese scherzhaft hochtrabende Erkl‰rung l‰sst uns
¸ber den physikalischen Ablauf des Untergangs tats‰chlich im Unkla-
ren, und die Rinder sind, genauso wie die mˆchtegern karischen Piraten
aus Pyrrha, etwas ganz Auflergewˆhnliches.
Wir haben gesehen, dass sich Longos in seinem Humor der Wieder-
holung von Signalwˆrtern bedient, deren Bedeutung er in gespielter
Naivit‰t verkehrt, steigert und ¸bertreibt. Nun mˆchte ich n‰her darauf
eingehen, mit welcher Ironie er im Dienst seiner kindlichen Bukolik aus
den homerischen Epen zitiert.
Dorkon kleidet sich in das Fell eines Wolfs, der von einem Stier prŒ
tÂn boÂn maxÕmenoq (I,20,2) getˆtet worden ist, und ebenso Ñim
Kampf f¸r die Rinderì ist auch Dorkon selbst gestorben (I,29,1). Die
Stellen erinnern an Agamemnon, der in der Nekyia von Odysseus ge-
fragt wird, ob er Ñbei der Entf¸hrung von Schafen und Rindern oder im
Kampf um eine Stadt und die Frauenì gefallen sei.32 Der Wolf, der Stier

30
Zum Bosporos MORGAN 2006 und zu dem abfallenden Horn der Hufe CIK¡N ñ
DANEK 2016, jeweils ad loc.
31
I,30,2: bia¯oy dÆ phdµmatoq e≈q ≥na to¡xon t∑q ne‰q genom≠noy ka˘ Øk t∑q
Ømpt„sevq tÂn boÂn ko¯lhq t∑q ual°sshq diast°shq str≠wetai mÆn º na◊q
ka˘ to◊ kl’dvnoq syniÕntoq §pÕllytai ktl.
32
HOMERUS, Odyssea, XI,402ñ3: bo◊q peritamnÕmenon ∏dí o≈Ân p„ea kal¢ /
∏Æ per˘ ptÕlioq maxeo’menon ∏dÆ gynaikÂn. Vgl. zudem ChloÎ als kuh‰ugige
Hera in I,17,3.

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328 ONDÿEJ CIK¡N

und Dorkon werden also zu epischen Helden stilisiert, und durch die
Verschiebung des m°xomai vom Vieh zur Stadt und den Frauen kommt
es auflerdem, wenn man es im antiken Sinn so sagen darf, zu einer
Erhˆhung der Rinder auf das Wertvollste und am meisten Besch¸tzens-
werte, was es in einer belagerten Stadt gibt: Frauen. Ein Stier und ein
liebevoller Rinderhirte d¸rfen und m¸ssen solche Vergleiche ziehen.
Lykainion wiederum lockt Daphnis in den Wald, indem sie von ihm
verlangt, eine von ihren zwanzig G‰nsen zu retten, die ihr ein Adler
geraubt hat. Bei der Gelegenheit soll Daphnis den Adler gleich auch
umbringen (III,16). Damit vergleicht sich die Verf¸hrerin mit der treuen
Penelope, die von einem Adler getr‰umt hat, der zwanzig G‰nse tˆtet,
sich sodann als Odysseus zu erkennen gibt und sich anschickt, unter den
Freiern ein Blutbad anzurichten.33 Zugleich erinnert die Passage auch an
den Adler, der am Hof des Menelaos eine Gans raubt, was die weniger
treue Helena als Omen der R¸ckkehr des Odysseus deutet.34 Der Adler
bei Longos ist freilich so schw‰chlich, dass er mit der Gans im nahen
Wald notlanden muss. Gleichsam als eine mit Helena kontaminierte
Penelope verlangt nun Lykainion von Daphnis, ihr zwanzigster Freier
zu werden und ihren Ehemann, den Adler, umzubringen.
Die Landleute st¸rzen sich auf die Methymn‰er Ñwie Stare oder Doh-
lenì (II,17,3), was das homerische Bild umkehrt, demzufolge die
schreienden Stare und Dohlen vor einem Helden, dem Falken, fl¸chten.35
Solcher Beispiele lieflen sich viele anf¸hren, daher hier nur noch ein
Homer-Witz, der bisher, soweit ich sehe, noch nicht erkannt worden ist:
Die Ziegen des Daphnis sind piÕterai tÂn œ√vn (Ñnoch fetter als
Schafeì, IV,4,3). Sp‰ter kommt zwar eine Erkl‰rung, dass ChloÎ ihrem
Daphnis bei der Ziegenpflege hilft und somit ihre eigenen Schafe ver-
nachl‰ssigt (IV,4,5). Diese Erkl‰rung dient aber nur zum Schein, weil
der Vergleich vorher zwischen den Ziegen des Daphnis und den Schafen
im Allgemeinen gezogen worden ist. Da gleich auf diesen Vergleich
eine Anspielung auf Polyphem folgt, indem Daphnis epische Hirten-
ger‰tschaften vorbereitet: skaw¯dvn kainÂn ka˘ gaylÂn pollÂn ka˘
tarsÂn meizÕnvn (IV,4,4),36 ist es naheliegend, dass sich in dem Ver-

33
HOMERUS, Odyssea, XIX,535ñ551. Zu Lykainion vgl. Anm. 9 und Anm. 42.
34
HOMERUS, Odyssea, XV,159ñ177.
35
HOMERUS, Ilias, XVI,583 und XVII,755.
36
HOMERUS, Odyssea, IX,219ñ223: gaylo¯ te skaw¯deq te sind typische Glossen-
wˆrter. Eine andere Passage mit homerischem Hirtenvokabular ist III,3,4: die Rinder

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EINGEGRABENER WEIN 329

gleich piÕterai tÂn œ√vn eine Anspielung auf Homer verbirgt. Die
Verse, die Polyphems nat¸rlich ¸beraus fette Schafe betreffen, enden
regelm‰flig mit p¯ona m∑la.37 Nun gebraucht Longos f¸r Schafe nie
das Wort m∑la, sondern immer prÕbata oder –¬eq. M∑la und a∆geq
werden bei Homer wiederum nie gemeinsam erw‰hnt, vielmehr enden
die Formelverse, in denen von Schafen und Ziegen die Rede ist, immer:
–¬q ka˘ p¯onaq a»gaq.38 Ziegen sind bei Homer, wenn sie gemeinsam
mit Schafen aufgez‰hlt werden, also immer fett, die Schafe nicht, daher
ist es kein Wunder, dass auch die Ziegen des Daphnis fetter sind als
(alle) die Schafe. Soviel also zu den Sp‰flen mit Zitaten aus Homer.39
Anhand des Vergleichs von Wein mit Efeu haben wir oben bei der
Besprechung der Stelle II,1 bereits gesehen, dass Longos auch selbst
Signalwˆrter einf¸hrt, deren Bedeutungsvariationen r‰umlich sehr weit
voneinander entfernt sein kˆnnen. In dem bereits besprochenen Fall hat
er zuerst Wein mit Efeu (II,1), dann Efeu mit Wein (III,5) verglichen,
um schliefllich am Tempel des Dionysos beide Pflanzen miteinander zu
vereinen (IV,2ñ3).
Hier noch ein paar Beispiele. ƒhnlich wie mit dem Wein und dem
Efeu verh‰lt es sich mit den Grillen und Zikaden.40 Zuerst wird der
Gesang der Zikaden und das Blˆken der Herden als lieblich beschrieben
(I,23,1), dann f¸rchtet der inzwischen liebeskranke Daphnis, dass die
Zikaden mit ihrem L‰rm und die Bˆcke mit ihren Zweik‰mpfen die
arme ChloÎ nicht schlafen werden lassen, wobei er sich ¸ber die Feig-
heit der Wˆlfe beschwert, die sich nicht trauen, die Bˆcke zu reiflen
(I,25,3). Gleich darauf sorgt eine Zikade f¸r einige Erotik, als sie (bzw.
er, t≠ttij ist ja m‰nnlich) in ChloÎs Intimsph‰re41 herumzirpt und, von

fressen Øp˘ w°tnaiq (wie z.B. Odyssea, IV,535 und XI,411), die Ziegen und Schafe
Øn to¡q shko¡q (z.B. Odyssea, IX,319) und die Schweine Øn to¡q syweo¡q (z.B.
Odyssea, X,320), und zwar fressen die letzteren •kylon ka˘ bal°noyq (ÑEicheln
und Eckernì) wie die in Schweine verwandelten Gef‰hrten des Odysseus bei Kirke
(Odyssea, X,242).
37
HOMERUS, Odyssea, IX,217.237.312.315.337; dazu noch XII,319.
38
HOMERUS, Odyssea, II,56; XVII,180.535 und XX,250; XX,186 kommt ohne
Schafe aus.
39
Vgl. CZAPLA 2002, 36ñ37, zu Zitaten die ins Gegenteil verkehrt sind.
40
Vgl. HUNTER 1983, 56ñ57. Zu diesen beiden Tierchen als Kinderspielzeug vgl.
ANYTE in Anthologia Graeca, VII,190; zur Grille auch THEOCRITUS, Idyllia, I,52. Zu
Anyte auch s.o. Anm. 25.
41
Obwohl mit kÕlpoq sowohl hier als auch in III,34,3 der ÑGewandbauschì (LSJ,
s. v. II) gemeint ist, schwingen bei solch erotischer Aufladung doch auch die Be-

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330 ONDÿEJ CIK¡N

Daphnis befreit, von ChloÎ einen Kuss bekommt (I,26). ChloÎ bastelt
einen Grillenk‰fig (I,10,2) und fragt sich dann in ihrer Liebeskrankheit,
wer ihre Grille umsorgen wird, die sie sich gefangen hat, um von ihr in
den Schlaf gesungen zu werden (I,14,4). Viel sp‰ter, als sich Daphnis
und ChloÎ schon nackt zueinanderlegen, machen sich die beiden in
einem schˆnen Parallelismus auf die Jagd nach Zikaden und Grillen,
sodass beide Insektenarten endlich zusammenkommen (III,24,2): Øuµ-
rvn §kr¯daq l°loyq, Øl°mbanon t≠ttigaq ∏xo◊ntaq.
Von der Gefahr, die von Wˆlfen ausgeht, ist st‰ndig die Rede, tat-
s‰chlich kommt im ganzen Roman aber kein einziger Wolf zum Zug.
Weder hat Daphnis je eine Ziege an einen Wolf verloren (II,22,2 und
IV,4,3) noch sonst jemand. Bei Entf¸hrungen von Menschen und Vieh
waren nur die Methymn‰er (ChloÎ) und die Piraten (Daphnis) kurzfristig
erfolgreich, sodass es ganz lustig ist, dass Daphnis auf seine Herde
achtet, damit nicht ein Wolf Ñdie Werke der Feindeì vollbringe
(II,31,1), also Werke, zu denen kein Wolf, sondern eben nur die genann-
ten Feinde in der Lage sind. Im Gegensatz zu den Wˆlfen erreichen die
zwei Wˆlfinnen des Romans ihr Ziel. Die Wˆlfin, die in ihrer F¸rsorge
mit dem Schaf und der Ziege von Daphnis und ChloÎ vergleichbar ist,
kann ihre Welpen wohlgen‰hrt weiterstillen, l‰sst sich von den gegen sie
gegrabenen Fallen nicht ¸berlisten und initiiert dar¸berhinaus indirekt
die Liebe der ChloÎ. Diese hat zuerst noch ohne erotische Hinterge-
danken ihr Brustband aufgekn¸pft, um Daphnis aus der Wolfsfalle zu
retten, doch dann hilft sie ihrem verletzten Freund beim Baden, sieht
und f¸hlt seine Schˆnheit, bis es um sie geschehen ist (I,11ñ13). Ly-
kainion wiederum gelingt es, Daphnis zu verf¸hren und einzuschulen,
wof¸r dieser sehr dankbar ist (III,18ñ19, vgl. IV,40,3), wobei er zu-
gleich Angst hat, ChloÎ gegen¸ber bei der schmerzhaften Defloration
gleichsam selbst zu einem Wolf zu werden.42

deutungen ÑSchoflì, ÑVaginaì, Ñweibliche Geschlechtsteile insgesamtì mit (LSJ, s. v.


I und I.2); vgl. HUNTER 1996, 376, Anm. 42.
42
Zu den Wˆlfen bei Longos siehe ausf¸hrlich EPSTEIN 1995 und vgl. CZAPLA
2002, 36ñ37. Zu Lykainion BRETZIGHEIMER 1988, 548ñ554; vgl. o. Anm. 9 ¸ber t≠xnh
und w’siq, sowie WINKLER 1990, 121ñ123, der insb. auf S. 117 und passim einen
Widerstreit und zugleich eine Harmonie zwischen Ñnatureì und Ñcultureì sucht,
wobei er Ñcultureì mit Ñrealityì gleichsetzt, die in Phallozentrismus und sexueller
Gewalt bestehe: obwohl WINKLER 1990, 115ñ116, anerkennt, dass ChloÎ anfangs die
aktivere Rolle ¸bernimmt, suggeriert seine Analyse, dass es sich bei Daphnis und
ChloÎ um einen Vergewaltigungsroman handelt, was freilich ¸berzogen ist; zusam-

01cikan.pm6 330 20.12.2017, 16:33


EINGEGRABENER WEIN 331

Dorkon h‰lt Daphnis vor, schwarz wie ein Wolf zu sein und sich nicht
einmal einen Hund leisten zu kˆnnen, wobei er dann selbst in seiner
Wolfsverkleidung von den Hunden des Daphnis beinahe gerissen wird,
aber dem sprichwˆrtlichen Wolfs-, in dem Fall Hundsmaul doch noch
entgeht (I,16,2 und I,20ñ22).43 Die Ziege hat Mutterdienste (mhtrŒq
∞rga) verrichtet, w‰hrend Daphnis in der Stadt f¸r Frauendienste (gy-
naikÂn ∞rga) eingespannt werden soll (IV,19,4ñ5). Lamon bietet an,
sich unter Folter befragen zu lassen, Dionysophanes foltert in Gedanken
lieber sich selbst (IV,20).44 Zudem arbeitet Longos oft mit Schein-
etymologien. Die Ñunbeschuhten F¸fleì der Nymphen sind pÕdeq §n-
ypÕdetoi mit einer Wiederholung des Silbenpaars pÕde, als ob §n-
ypÕdetoi von pÕdeq abgeleitet w‰re (I.4,2). Die Wendung palaiÂn
poim≠nvn poiµmata (ÑGedichte der Hirten von einstì) suggeriert einen
etymologischen Zusammenhang zwischen Hirten und Gedichten
(II,31,2). Der Zorn (œrgµ) des Pan ist scheinetymologisch mit seinem
Produkt, dem Musikinstrument (–rganon) Syrinx verbunden (II,34,3). 45
Wir sehen also, dass der Witz des Longos unter anderem in einem
Spiel mit der Erwartungshaltung des Publikums besteht. Dieses Spiel
‰uflert sich in der Umkehr der Bedeutung von Zitaten oder vom Autor
selbst eingef¸hrten Signalwˆrtern, und zwar immer vor dem Hinter-
grund der Mischung aus dem kindlich-bukolischen locus amoenus, in
dem keine Gefahr von Bestand ist, auch nicht die Topoi des antiken
Romans. Die topischen Piraten, die Daphnis entf¸hren, sind halbe Por-
tionen, deren Halbheit in einer hochtrabenden Beschreibung ihrer
schweren Bewaffnung verborgen ist.46 Die Wiederholung von Signal-
wˆrtern geschieht in Form von Variationen ihrer Bedeutung und ihrem
Zusammenhang mit der sie umgebenden Handlung sowie, sofern sie wie
der Wein und der Efeu oder die Grille und die Zikade in Gruppen auf-
treten, ihrem Zusammenhang zueinander.

mengefasst bei GOLDHILL 1995, 30ñ42. Dagegen KONSTAN 1994, 81ñ90, der die Sym-
metrie der Geschlechter und die respektvolle gegenseitige Liebe unseres Heldenpaars
betont, vgl. u. Anm. 51. Vgl. auch DANEK ñ WALLISCH 1993, insb. 54.
43
Sprichwˆrtliches Wolfsmaul: I,22,1: svue˘q Øk kynÕq, wasin, o⁄ l’koy stÕ-
matoq.
44
Vgl. CIK¡N ñ DANEK 2016, ad loc.
45
Die Hinweise verdanke ich Georg Danek. Zu ‰hnlichen Beispielen siehe HUNTER
1983, insb. 89.
46
Zu dieser unbeschwerten Naivit‰t vgl. z.B. HUNTER 1996, 375; BRETZIGHEIMER
1988, 518, 523ñ524.

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332 ONDÿEJ CIK¡N

3. Textkritik: uer¯zein oder syr¯zein?

Nun zur¸ck zu unserer Stelle III,29 und der Konjektur uer¯zein f¸r das
¸berlieferte syr¯zein.47 Qer¯zein bedeutet ÑGetreide erntenì, das im
Sommer (tŒ u≠roq) stattfindet, nicht aber ÑObst erntenì und schon gar
nicht ÑWein lesenì, das bei Longos und auch sonst als tryg£n be-
zeichnet wird, wobei die Weinlese in den Herbst f‰llt.48 Ein Argument
f¸r uer¯zein w‰re zun‰chst, dass das Getreide in Griechenland sofort
nach beziehungsweise eigentlich w‰hrend der Ernte gedroschen wurde
und Daphnis Dryas am Dreschplatz antrifft (III,29,1).49 Uer¯zein w‰re
also eine praktische F‰higkeit, die Daphnis als guten Ehemann quali-
fiziert und noch dazu zur Situation passend ist. Gegen syr¯zein scheint
zu sprechen, dass Dryas von des Daphnis musikalischen K¸nsten l‰ngst
weifl und dass es sich dabei auf den ersten Blick um keine gewinn-
bringende T‰tigkeit handelt.
Zun‰chst ist zu sagen, dass das Syrinxspiel im Rahmen unseres Ro-
mans durchaus hˆchst praktisch ist, da sich die Tiere von den Syrinx-
kl‰ngen leiten lassen, was st‰ndig thematisiert wird.50 Die exponierte
Stelle des fraglichen Wortes am Anfang der Aufz‰hlung macht ferner
wahrscheinlich, dass es sich um einen Witz handelt, und tats‰chlich f¸gt
sich syr¯zein hier gut ins Bild, weil es einerseits das kindlich naive
Wesen unseres Helden unterstreicht und zudem in einem neuen Zu-
sammenhang auftritt: als scheinbar unpraktische T‰tigkeit unter m¸hsam
praktischen. Uer¯zein hingegen w‰re, wie sich im Folgenden best‰tigen
wird, ziemlich witzlos. Da das Schicksal des Heldenpaars bekanntlich
sehr fest in den H‰nden des Eros und der anderen helfenden Gottheiten
liegt, ist es schliefllich ¸berhaupt nicht notwendig, dass Longos Daphnis
ausschliefllich von ernstzunehmender harter Arbeit sprechen l‰sst.

47
S.o. Anm. 19.
48
Vgl. insb. III,25,4: Erntezeit, die Hochzeit soll in den Herbst auf die Weinlese
verschoben werden; sowie IV,33,2, wo beide Begriffe nebeneinanderstehen. Zur
Weinlese und Obsternte im Garten: I,28,1; II,1; II,4; IV,2,6.
49
NILSSON 19673, 468 [439]. Zum Dreschplatz vgl. III,30,2. Es wurde mit einem
Schlitten gedroschen, der im Kreis gezogen wurde, daher w‰re auch, nebenbei gesagt,
die ‹bersetzung mit ÑTenneì unpassend, mit der wir eine Scheune und Dreschflegel
assoziieren.
50
Vgl. BOWIE 2006, 69ñ76, und insb. II,35, ferner I,13,4; I,22,2; I,29ñ31; I,32,3;
II,3,2; II,24,2; II,26,3; II,28ñ29; II,38,1; IV,14,3; IV,15,2; IV,25,1; IV,32,4 und

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EINGEGRABENER WEIN 333

Dass Dryas von der Kunst des Daphnis bereits weifl, ist kein ernst-
zunehmendes Argument gegen syr¯zein, sondern spricht in Wahrheit
f¸r seine Beibehaltung: Daphnis nennt als erstes die T‰tigkeit, f¸r die er
weithin ber¸hmt ist, und schlieflt seine Aufz‰hlung mit einem Umstand
ab, der auch l‰ngst bekannt ist: ka¯ me ∞urecen a∆j, Íq XlÕhn –¬q.51
Die Ersatzm¸tter unseres Heldenpaars werden im Roman oft erw‰hnt,
von Daphnis selbst aber nur an dieser Stelle und beim Schˆnheitswett-
bewerb mit Dorkon (I,16,3ñ5). Dort hat er seine Rede mit den m¸t-
terlichen Tieren aber gerahmt, w‰hrend Schaf und Ziege hier neben-
einanderstehen. ƒhnliche Vereinigungspointen haben wir anhand der
Beispiele von Wein und Efeu sowie Grille und Zikade gesehen.
Dass Longos es mit der humorvoll-kindlichen Naivit‰t des Daphnis in
dessen Werbungsrede ernst meint, erkennen wir sofort, wenn wir die
Erw‰hnung von Schaf und Ziege im Zusammenhang lesen: ÑF¸nfzig
Ziegen habe ich ¸bernommen und ihre Zahl verdoppelt. Bˆcke habe ich
aufgezogen (∞ureca), die grofl und schˆn sind, denn zuvor lieflen wir
die Ziegen von fremden Bˆcken bespringen. Und auflerdem bin ich jung
und als euer Nachbar tadellos. Und mich hat eine Ziege aufgezogen
(gestillt ñ ∞urecen) genauso wie ChloÎ ein Schaf.ì52 Daphnis vergleicht
sich also, freilich unabsichtlich, mit einem Bock. Er ist jung, daher
zeugungsf‰hig,53 und er ist kein fremder Bock, sondern ein tadelloser
Nachbar. Und wie einen Bock hat ihn eine Ziege aufgezogen (gestillt),
wobei er selbst wiederum wie eine Ziege die Bˆcke aufgezogen hat.
Diesen Vergleich mit den Bˆcken unterst¸tzt die Verbindung Ñgrofl und
schˆnì, mit der im Roman kein anderer Mensch beschrieben wird als
Daphnis, und zwar gleich zweimal.54

passim. Zum Syrinxspiel in Verbindung mit Vieh und Wein s.u. Zur Bedeutung der
Musik vgl. auflerdem ZEITLIN 1990, 452ñ455.
51
Die Elision mí ∞urecen ergibt zudem einen vollkommen parallelen Rhythmus
der beiden Glieder, wodurch Daphnis und ChloÎ im Sinne von KONSTAN 1994 Ñsym-
metrischì nebeneinanderstehen, s.o. Anm. 42.
52
III,29,2ñ3: pentµkonta a»gaq paralab‰n diplas¯onaq pepo¯hka∑ ∞ure-
ca ka˘ tr°goyq meg°loyq ka˘ kalo’q∑ prÕteron dÆ §llotr¯oiq t¢q a»gaq fip-
eb°llomen. §ll¢ ka˘ n≠oq e≈m˘ ka˘ ge¯tvn fim¡n •memptoq∑ ka¯ me ∞urecen a«j,
Íq XlÕhn –¬q.
53
In Wahrheit sind ‰ltere Bˆcke ertragreichere Samenspender, aber das tut hier
nichts zur Sache.
54
I,2,3 und I,28,2. Sonst noch Mytilene (I,1,1), die Nymphen (II,23,1) und der
Apfel (III,33,4).

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334 ONDÿEJ CIK¡N

Auch die Fertigkeitspaare ÑWein beschneiden ñ Weinsetzlinge ein-


grabenì und ÑPfl¸gen ñ Worfelnì sind mit derselben Naivit‰t erotisch
aufgeladen. Einmal wird etwas Phallisches tief in der Erde versenkt, das
andere Mal wird die Erde aufgepfl¸gt und dann beim Worfeln der Same
gestreut und dabei gleichsam entkleidet. Die Reihenfolge ergibt sich
jeweils logisch aus der landwirtschaftlichen sowie aus der sexuellen
Chronologie. Bemerkenswert ist jedenfalls, dass die erotische Anspie-
lung versteckt ist, Longos h‰tte Daphnis ja auch gleich von der Aussaat
sprechen lassen kˆnnen.55 Wir verstehen nun also noch besser, warum
Longos hier kator’ttein w‰hlt und nicht wyte’ein: einerseits wird die
sexuelle Anspielung konkreter und dadurch naiver, andererseits weniger
offensichtlich. Das ist auch notwendig, weil ChloÎ gerade nicht mit
irgendeinem Kornfeld assoziiert ist, sondern mit einem Garten.56 Von
saftigen Fr¸chten, vom Weinlesen (tryg£n), von schˆnen G‰rten ist
st‰ndig die Rede, und ¸beraus oft mit erotischer Aufladung. Daher ist es
auch sinnvoll, dass Daphnis sich zun‰chst mit den Fertigkeiten des
Weinbaus r¸hmt und das Pfl¸gen und Worfeln erst nachher erw‰hnt.
Diese erotische Anspielung als Argument f¸r uer¯zein zu nutzen, darin
sich auch eine erotische Aufladung suchen lassen kann,57 w‰re verfehlt.
Daphnis ist noch nicht einmal in ChloÎ eingedrungen, daher ist es f¸r
Gedanken an Ernte an dieser Stelle noch viel zu fr¸h. Die Erw‰hnung
des syr¯zein nimmt den darauffolgenden, von Daphnis unbeabsichtig-
ten Anspielungen hingegen etwas Gewicht und stellt von Vornherein
klar, dass ein naiver Knabe spricht, der nicht versteht, was seine Aus-
sagen in der Welt der Erwachsenen bedeuten kˆnnten. Das Aufgraben
der Erde reicht als erotisches Motiv vollkommen aus, und kehrt auch
w‰hrend der Hochzeitsnacht von Daphnis und ChloÎ wieder, als die
Landleute zur Untermalung des Akts einen so heiseren Gesang anstim-
men, dass es sich anhˆrt, als w¸rden Ñsie mit Stechgabeln die Erde
aufbrechen, und nicht ein Hochzeitslied singen.ì58
55
Zum S‰en (wyte’ein) in die Furche (•royra) im Sinn des Geschlechtsakts vgl.
z.B. SOPHOCLES, Oedipus rex, 1257, 1404ñ1406, ferner 793, 1514 und passim.
56
Vgl. BIERL 2014, 446; HUNTER 1983, 55; MORGAN 2004, 224ñ225 sowie 227 zum
Garten des Lamon (IV,7,1ñ2) im Vergleich zum Garten des Philetas (II,4). Zu den
G‰rten siehe ZEITLIN 1990, 447ñ448; CZAPLA 2002, 29ñ30; DANEK ñ WALLISCH 1993,
insb. 55 zu II,5,4; PANDIRI 1985, 118ñ125. WINKLER 1990, 123, sieht (w.o. Anm. 43)
auch im Garten des Lamon wieder m‰nnliche Gewalt lauern. Vgl. die Zusammen-
fassungen bei ALPERS 1996b, 326ñ327, 331ñ332. Vgl. auch III,33ñ34 samt Sappho-
-Zitat (105 LP) und wieder MORGAN 2004, 221ñ222, ad loc.
57
MERKELBACH 1988, 182.

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EINGEGRABENER WEIN 335

Etwas sinnvoller scheint auf den ersten Blick das Argument zu sein,
dass mit uer¯zein Reichtum assoziiert ist, weil Getreide von Pluton
kommt, und somit freilich im Zusammenhang mit Demeter ChloÎ
steht.59 Sowohl Lamon und Myrtale als auch Dryas und Nape klagen
¸ber eine k‰rgliche Ernte, w‰hrend Daphnis mit 3000 Drachmen daher-
kommt (III,29,1 und III,30,3). Die 3000 Drachmen w‰ren dann als eine
gute Ernte zu verstehen. Allerdings reicht das Worfeln als Anspielung
auf Demeter und Reichtum vollkommen aus60 und das uer¯zein w‰re
unter diesem Gesichtspunkt nur eine sinnlose Doppelung, weil man
notwendigerweise nur das worfelt, was man geerntet hat. Zudem muss
Daphnis gar nicht gut bei der Ernte sein, er muss nicht wie die anderen
Freier Korn schenken, das Ñnicht einmal f¸r H¸hner taugtì (III,29,3),
weil er ja das Geld hat.
Gegen uer¯zein an der exponierten Stelle am Anfang der Aufz‰hlung
spricht ferner die gr¸ndliche Ethopoiie des Daphnis, der mit Getreide
sonst genau gar nichts am Hut hat. ‹berhaupt wird Korn, abgesehen von
unserer Stelle, im gesamten Roman nur der Vollst‰ndigkeit halber neben
dem Wein genannt,61 w‰hrend es in der Umgebung der Werbungsrede
des Daphnis in Verbindung mit Mangel und somit im Kontrast zum
gesch¸tzten locus amoenus steht, in dem unsere zwei Helden ihre Aben-
teuer erleben.62 Das Wort uer¯zein wird erst gegen Ende des Romans
eingef¸hrt, und zwar zuerst wieder der Vollst‰ndigkeit halber: Lamon
erh‰lt den halben Ertrag der G¸ter an Korn und Fr¸chten (IV,33,2:
uer¯zein ka˘ tryg£n). Sp‰ter untermalt das uer¯zein die grobe b‰u-
rische Umgebung bei der Hochzeitsfeier, wobei der S‰nger, der Ñwie bei

58
IV,40,2: ka˘ Øpe˘ plhs¯on ªsan tÂn uyrÂn, ëdon sklhrÜ ka˘ §phne¡ tè
wvnè kau°per tria¯naiq g∑n §narrhgn’nteq, o⁄x fim≠naion àdonteq. Vgl.
ZEITLIN 1990, 458ñ460, zur Untermalung des Ñhappy sexì, bei dem die Frau endlich
mit einem Acker assoziiert werden kann, wobei Daphnis selbst das niemals aus-
sprechen w¸rde. So drastisch und blutig wie WINKLER 1990, 124ñ125, wollen wir die
Hochzeitsnacht nicht sehen, sonst ginge ja auch jeder witzige Kontrast zwischen
grober Umgebung und s¸flem Ehegl¸ck verloren, sondern stellen uns lieber (wie
KONSTAN 1994, 90) angesichts der Angst des Daphnis, ChloÎ wehzutun, eher etwas
Blumiges vor.
59
Vgl. BURKERT 1977, 308 und 398, Anm. 19; MERKELBACH 1988, 32, Anm. 8.
60
HOMERUS, Ilias, V,499ñ501: Íq dí •nemoq •xnaq wor≠hi …er¢q katí §lv¢q /
§ndrÂn likm„ntvn, ”te te janu∂ Dhmµthr / kr¯nhi Øpeigom≠nvn §n≠mvn
karpÕn te ka˘ •xnaq.
61
I,1,2; I,23,1; I,28,2; II,20,1.
62
III,29,1; III,29,4; III,30,3.

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336 ONDÿEJ CIK¡N

der Getreideernte singtì, gar nicht namentlich genannt ist (IV,38,3).


Diese Stelle schl‰gt also in dieselbe Kerbe wie der bereits erw‰hnte
Stechgabelgesang der Landleute w‰hrend der Hochzeitsnacht (IV,40,2)
und dient als Kontrast zum lieblich unbek¸mmerten Eheleben unserer
Helden (IV,39).
F¸r syr¯zein spricht hingegen, dass das Syrinxspiel, ‰hnlich wie in
unserer Werbungsrede des Daphnis, bereits dreimal in Verbindung mit
Wein und Vieh zugleich vorgekommen ist. Philetas steuert das Vieh mit
der Syrinx, und spielt sodann ein Dionysoslied, zu dem Dryas seinen
Keltertanz auff¸hrt (II,35ñ36). Daphnis spielt Syrinx, Philetas taucht mit
Weinreben auf, es folgt ihm sein Sohn Tityros, der wie ein Zicklein
herumh¸pft (II,31,3ñ32,1). Daphnis und ChloÎ spielen auf der Weide
Syrinx und trinken Wein mit Milch vermischt (II,38,3). Somit ergibt
sich, bei Beibehaltung des syr¯zein an unserer Stelle, eine neue Varia-
tion dieser Motive. Dass das Hirtenleben f¸r unser Heldenpaar wichtiger
ist als alles andere, beweist zudem die Namenswahl f¸r ihre Kinder:
Philopoimen und Agele (IV,39,2).
Nicht zuletzt wird die Beibehaltung von syr¯zein schon durch den
Aufbau der Werbungsrede unterst¸tzt: kl£n •mpelon und wyt¢ kat-
or’ttein betreffen beide dasselbe Gebiet der Landwirtschaft, stellen
eine erotische Anspielung dar und sind chronologisch angeordnet. Das-
selbe trifft auf g∑n §ro◊n und likm∑sai prŒq •nemon zu. Nach diesen
vier Fertigkeiten ist davon die Rede, was f¸r ein guter Hirte Daphnis ist.
Da das Syrinxspiel nun eine notwendige Hirtent‰tigkeit ist, ergibt sich
bei Beibehaltung des syr¯zein eine interessante Struktur mit doppeltem
Rahmen, die durch die Konjektur zu uer¯zein, das sich nicht einmal in
die Chronologie von Pfl¸gen und Worfeln einf¸gt, vollkommen zerstˆrt
werden w¸rde:
ChloÎ genannt
Hirtent‰tigkeit
Wein, Wein (Erotik)
Getreide, Getreide (Erotik)
Hirtent‰tigkeit
ChloÎ genannt
Die Konjektur w‰re nur dann sinnvoll, wenn unter wyt¢ kator’ttein
ÑB‰ume pflanzenì zu verstehen w‰re und sich somit eine Trias von
vollkommen unterschiedlichen T‰tigkeiten erg‰be, was wir widerlegt
haben. Unsere ‹berlegungen machen also wahrscheinlich, dass in III,29

01cikan.pm6 336 20.12.2017, 16:33


EINGEGRABENER WEIN 337

die Lesart syr¯zein beibehalten werden sollte und dass an den betref-
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eingegraben werden.

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EINGEGRABENER WEIN 341

Summary:

BURIED VINE, LUCRATIVE SYRINX: ON LONGUSí


HUMOR AND A TRANSLATION PROBLEM IN I,19
AND III,29

This paper argues that wyt¢ kator’ttein in Longusí Daphnis and


Chloe I,19 and III,29 does not mean Ñto plant treesì, but Ñto plant (to dig
in) seedlings of vineì. The thoughts suggest that the established conjec-
ture by Antoine Kaïris uer¯zein for syr¯zein (III,29,2) is unnecessary.
This is discussed together with an analysis of some aspects of Longusí
humor, consisting in the repetition of signal words, whose meaning is
ironized or changed by the changing context.

Keywords: Longus; Daphnis and Chloe; humor; textual criticism;


oenology

O N D ÿ E J C I K ¡ N , Institut f¸r Byzantinistik und Neogr‰zistik der


Universit‰t Wien, Postgasse 7/1/3, 1010 Wien, ondrej.cikan@gmx.net.

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