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JAP [ Juristische Ausbildung & Praxisvorbereitung ]

must know Freiheitsstrafe als ultima ratio?


Krankengeld und Wochengeld in der gesetzlichen
Krankenversicherung nach ASVG und GSVG
Beschlussfassungen
Gerichtsgebühren- und Insolvenzrechts-Novelle 2006

Studienspiegel Neu: Masterstudium Recht und Wirtschaft


an der Universität Salzburg

Judikatur Höchstrichterliche Entscheidungen


aus den zentralen Prüfungsfächern

Musterfall Strafrecht, Römisches Recht, Verwaltungsrecht


und Bürgerliches Recht

Redaktionsleitung
Alexander Reidinger

Redaktion
Ulrike Frauenberger-Pfeiler
Thomas Klicka
Roman Alexander Rauter
Susanne Reindl
Gert-Peter Reissner
Eva Schulev-Steindl
2006/2007

04
Korrespondenten
Martin Binder
Friedrich Harrer
Ferdinand Kerschner
Willibald Posch

ISSN 1022-9426
JAP
MUSTERFALL [R Ö M I S C H E S RECHT]

0 Meine Notizen: Von Philipp Klausberger

Ulpian zum pretium-


Erfordernis bei der emptio
venditio – Musterexegese
zu D 18.1.37
Schwerpunkte: Preisbestimmung beim Kauf; uneigentliche Bedingung;
Rückabwicklung.

D 18.1.37
Ulpianus libro tertio disputationum
Si quis fundum iure hereditario sibi delatum ita vendidisset: „erit tibi emptus tanti,
quanti a testatore emptus est“, mox inveniatur non emptus, sed donatus testatori,
videtur quasi sine pretio facta venditio, ideoque similis erit sub condicione factae
venditioni, quae nulla est, si condicio defecerit.
Ulpian im dritten Buch seiner Erörterungen
Wenn jemand ein Landgut, das er geerbt hat, folgendermaßen verkauft hat: „Es soll dir
für so viel verkauft sein, um wie viel es der Erblasser gekauft hat“, und wenn sich bald
darauf herausstellt, dass der Erblasser das Grundstück nicht gekauft, sondern ge-
schenkt erhalten hatte, so wird der Kauf so angesehen, als wäre er ohne Preis geschlos-
sen worden; und daher ist der Fall ähnlich einem unter einer Bedingung geschlossenen
Kauf, der nichtig ist, wenn die Bedingung nicht eintritt.
Schreiben Sie eine Exegese.1)

I. Sachverhalt
A verkauft B ein Landgut, das A zuvor von E geerbt hat, zu jenem Preis, um den E sei-
nerzeit das Grundstück gekauft hat. Dieser Preis ist den Parteien vorerst unbekannt.
Später stellt sich heraus, dass E das Grundstück nicht gekauft, sondern geschenkt er-
halten hat.

II. Rechtsfrage
Ist der Kauf des Grundstücks zwischen A und B wirksam?

III. Entscheidung des Juristen


Nein.

Mag. Philipp Klausberger ist Assistent bei Prof. Benke am Institut für Römisches Recht und Antike Rechtsge-
schichte der Universität Wien.
1) Sowohl im Rahmen der Teilprüfung „Römisches Privatrecht“ nach der (Wiener) Studienordnung 1999 als
auch im Rahmen der Fächerübergreifenden Modulprüfung I (Teilbereich Romanistische Fundamente europäi-
scher Privatrechte und Technik der Falllösung) nach der (Wiener) Studienordnung 2006 ist eine Exegese zu
verfassen. Dabei steht die Auslegung und Erörterung eines Quellentextes im Mittelpunkt. Zur Aufgabenstel-
lung bei einer Exegese s Benke/Meissel, Übungsbuch Römisches Sachenrecht8 (2004) 238.
Diese Musterexegese behandelt die von der Quellenstelle aufgeworfenen Sachprobleme aus didaktischen
Gründen weit ausführlicher, als dies den Studierenden im Rahmen der beschränkten Prüfungszeit möglich
ist. Die Zitate beschränken sich auf gängige, aktuelle Studienliteratur. Für weiterführende Hinweise können
die Handbücher von Kaser, Römisches Privatrecht I2 (1971), II2 (1975); Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches
Recht4 (1987) und Zimmermann, The Law of Obligations (1990) aufgesucht werden.

210 Ü Musterexegese zu D 18.1.37 JAP [2006/2007] 04


[RÖMISCHES RECHT] MUSTERFALL

IV. Erörterung 0 Meine Notizen:


A. Zum pretium-Erfordernis beim Kauf
A und B wollen einen Kaufvertrag (emptio venditio) abschließen. Dazu bedarf es der
Einigung über Ware und Preis.2) Die Einigung über die Ware (das Grundstück) ist hier
unstrittig gegeben. Es stellt sich aber die Frage, ob eine Einigung über den Preis (pre-
tium) erfolgt ist, wenn die Parteien vereinbaren, das Grundstück solle für so viel ge-
kauft sein, wie der Erblasser bezahlt hat. Der Preis muss nach Ansicht der römischen
Juristen zumindest teilweise in Geld bestehen, ernst gemeint (pretium verum) und be-
stimmt (pretium certum) sein.3)
Dem Bestimmtheitserfordernis wird bereits Genüge getan, wenn der Kaufpreis im
Zeitpunkt der Einigung zwar noch nicht ziffernmäßig festgesetzt ist, aber objektive
Kriterien bestehen, nach denen sich der Preis bestimmen lässt.4) So ist ein Kauf um
so viel, „wie ich in der Kassa habe“ bzw „um wie viel du deinerseits gekauft hast“,
grundsätzlich wirksam.5) Hätte E im von Ulpian behandelten Fall das Grundstück ge-
kauft, so wäre der Kauf zwischen A und B zum Preis jenes früheren Kaufs abgeschlos-
sen und gültig.
Die Preisfestsetzung durch eine Partei des Kaufvertrags wird dagegen von den Ju-
risten im Allgemeinen als unzulässig angesehen.6) Die Möglichkeit der Preisfestsetzung
durch einen Dritten ist Gegenstand einer Kontroverse: Labeo und Cassius sprechen
solch einer Vereinbarung die Wirksamkeit ab, Ofilius und Proculus bejahen dagegen
einen gültigen Kaufvertrag.7)
Das von den Parteien gewählte Kriterium – das Grundstück soll für so viel verkauft
sein, um wie viel es der Erblasser gekauft hat – würde allerdings im gegenständlichen
Fall einen Preis von null ergeben, weil der Erblasser das Grundstück unentgeltlich er-
worben hat. Damit stellt sich zwischen A und B die Frage nach dem pretium verum,
nämlich ob ein ernst gemeinter (wirklicher) Kaufpreis vorliegt.8) Ulpian betrachtet
den Fall so, als wäre kein Preis vereinbart worden. Die Folge ist, dass der Kauf am Er-
fordernis eines in Geld bestehenden Kaufpreises scheitert.
Die unentgeltliche Zuwendung einer Sache wäre als Schenkung (donatio) zu quali-
fizieren.9) Eine Schenkung von A an B kommt aber nicht in Betracht, weil es den Parteien
am Schenkungskonsens fehlt. A und B haben sich über einen Kauf geeinigt, nicht auf
eine unentgeltliche Überlassung. Darüber hinaus bedürfte ein bloßes Schenkungsver-
sprechen ohne tatsächliche Übergabe zu seiner Durchsetzbarkeit einer Stipulation.10)

B. Zum Vergleich mit der venditio sub condicione


Ulpian vergleicht den Sachverhalt mit dem Fall, dass eine von den Parteien ver-
einbarte (aufschiebende)11) Bedingung nicht eintritt.12) Die Bestimmung des Preises
ist freilich keine Bedingung im technischen Sinn, weil man unter einer Bedingung
den Umstand versteht, dass der Eintritt bzw die Fortdauer von Rechtswirkungen
von einem zukünftigen, ungewissen Ereignis abhängt.13) Dies trifft bei der Preisbe-
stimmung aber gerade nicht zu, weil die Höhe des Kaufpreises bereits im Zeitpunkt
der Einigung über das Kriterium feststeht und den Parteien bloß nicht bekannt ist.14)

2) Benke/Meissel, Übungsbuch Römisches Schuldrecht7 (2006) 80; Kossarz in Olechowski/Gamauf, Studien-


wörterbuch Rechtsgeschichte und Römisches Recht (2006) 243.
3) Benke/Meissel, Schuldrecht 87 ff; Kossarz in Olechowski/Gamauf, Studienwörterbuch 243; Hausmaninger/
Selb, Römisches Privatrecht9 (2001) 230.
4) Benke/Meissel, Schuldrecht 90 f.
5) Ulpian D 18.1.7.1 (Hausmaninger, Casebook zum römischen Vertragsrecht6 [2002] Fall 54).
6) Gaius D 18.1.35.1 (Hausmaninger, Vertragsrecht Fall 55).
7) Gaius Inst 3.140 (Hausmaninger, Vertragsrecht Fall 56).
8) Zum pretium verum s Benke/Meissel, Schuldrecht 88 ff.
9) Zur Schenkung Feldner in Olechowski/Gamauf, Studienwörterbuch 423 f; Hausmaninger/Selb, Privatrecht
264 ff.
10) Benke/Meissel, Schuldrecht 89; Feldner in Olechowski/Gamauf, Studienwörterbuch 423; Hausmaninger/
Selb, Privatrecht 264 f.
11) Dass es sich um den Vergleich mit einer aufschiebenden Bedingung handelt, geht aus der Quelle hervor, weil
sie vom (endgültigen) Nichteintritt der Bedingung spricht, die den Kauf scheitern lässt. Bei einer auflösenden
Bedingung müsste dagegen vom Eintritt der Bedingung die Rede sein, weil dann der Bedingungseintritt das
entscheidende Moment für die Nichtigkeit des Kaufs ist. Auch passt die Konstruktion der auflösenden Bedin-
gung auf diesen Fall nicht, weil sie zum Zeitpunkt des Kaufabschlusses einen wirksamen Vertrag voraussetzt,
der später bei Bedingungseintritt vernichtet wird. Hier mangelt es aber bereits bei Kaufabschluss am Erfor-
dernis des pretium, weshalb der Kaufvertrag nicht gültig entstehen kann.
12) Allgemein zur Bedingung s Benke/Meissel, Schuldrecht 115 ff; Hausmaninger/Selb, Privatrecht 201 ff.
13) Benke/Meissel, Schuldrecht 115; Hausmaninger/Selb, Privatrecht 201.
14) Solch eine Vereinbarung wird in der modernen Dogmatik auch als „uneigentliche Bedingung“ bezeichnet, weil
sie sich auf die Gegenwart bzw die Vergangenheit bezieht (daher im Gemeinen Recht auch condicio in prae-

JAP [2006/2007] 04 Ü Musterexegese zu D 18.1.37 211


JAP
MUSTERFALL [R Ö M I S C H E S RECHT]

0 Meine Notizen: Die Bestimmbarkeit des Kaufpreises hängt damit von einem vergangenen Ereignis ab,
nämlich davon, wie viel der Erblasser in seinem Kauf vereinbart hat. Es kommt somit
zu keinem Schwebezustand, sondern das Geschäft ist sofort wirksam oder unwirk-
sam.15)
Bei einer aufschiebenden Bedingung soll der Kauf erst mit dem Eintritt der Bedin-
gung wirksam werden. Bis zum Eintritt der Bedingung gibt es einen „Schwebezu-
stand“, der unter anderem bewirkt, dass noch keine causa für Erwerb bzw Behalten-
dürfen der Kaufsache besteht.16) Tritt in der Folge die Bedingung ein, so ist der Kauf
ab dem Zeitpunkt der Vereinbarung wirksam. Tritt die Bedingung nicht ein, so wird
das gesamte Geschäft als nichtig betrachtet.
Paradefall für einen aufschiebend bedingten Kauf ist die emptio rei speratae: Darun-
ter versteht man Kaufvereinbarungen, bei denen die Kaufsache im Zeitpunkt der Ver-
einbarung noch nicht existiert, die Parteien aber damit rechnen, dass die Kaufsache
entstehen wird.17) Die aufschiebende Bedingung ist hier das Entstehen der Kaufsache:
Entsteht die Kaufsache, so entfaltet der Kauf seine Wirkungen; entsteht die Kaufsache
nicht, so wird der Kauf als von Anfang an nichtig betrachtet.
Im hier vorliegenden Preisbestimmungsfall18) ist der Schwebezustand dagegen rein
faktischer Natur, weil der Preis eruiert werden kann und ihn die Parteien bloß noch
nicht kennen. Wird der Preis nach den festgesetzten Kriterien bestimmt und seine
Höhe in Erfahrung gebracht, so entfaltet der Kauf volle Wirksamkeit. Kann der Preis
nicht eruiert werden bzw stellt sich – wie hier – heraus, dass das vereinbarte Kriterium
zu keinem Preis führt, so ist der Kauf von Anfang an nichtig.19)

C. Folgen der Nichtigkeit des Kaufs


Die Nichtigkeit des Kaufvertrags führt zunächst zur Rückabwicklung allfälliger
Leistungen zwischen den Parteien mittels rei vindicatio bzw condictio indebiti.
Dabei ist zu fragen, ob B am Grundstück Eigentum erworben hat. Der Text selbst
gibt freilich keinen Hinweis darauf, dass A das Grundstück bereits an B übertragen hat.
Der derivative Eigentumserwerb durch traditio erfordert die Besitzübertragung auf-
grund einer iusta causa vom dinglich Berechtigten bzw Verfügungsbefugten.20) Unter-
stellt man in diesem Text eine traditio von A an B, so fehlt es am Erfordernis einer iusta
causa traditionis, denn der Kauf ist nichtig. Da die traditio somit am causa-Erfordernis
scheitert, ist A Eigentümer des Grundstücks geblieben und könnte es daher vindi-
zieren.21)
Ein anderes Szenario würde sich ergeben, wenn A das Grundstück an B im Weg ei-
nes abstrakten Verfügungsgeschäfts (mancipatio oder in iure cessio) übertragen hätte.
Ein abstraktes Verfügungsgeschäft erfordert nämlich für den Eigentumsübergang im
Gegensatz zur kausalen traditio keine iusta causa, sondern bloß die dingliche Berech-
tigung des Veräußerers sowie den korrekten Vollzug des Formalakts.22) Im Fall, dass A
das Grundstück dem B manzipiert oder im Rahmen einer in iure cessio übertragen hat,
würde B somit Eigentümer.
Obwohl die Übereignung wirksam ist, wäre der Verbleib des Grundstücks bei B
aber nicht gerechtfertigt, zumal B keine causa für das Behaltendürfen der Sache hat.
In diesem Fall ist daher zu prüfen, ob A das Grundstück zurückfordern kann. Dabei
kommt vor allem die condictio indebiti als Rechtsbehelf infrage.23) Diese Klage zielt da-
rauf ab, Vermögensverschiebungen, die durch irrtümliche Leistung einer Nichtschuld

sens vel in praeteritum collata – auf die Gegenwart oder Vergangenheit abstellende Bedingung – genannt)
und ihr der für die eigentliche Bedingung typische Schwebezustand fehlt. Siehe dazu Ehrenzweig, System
des österreichischen allgemeinen Privatrechts I/12 (1951) 241 f; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I13 (2006)
194.
15) Hausmaninger/Selb, Privatrecht 204.
16) Benke/Meissel, Schuldrecht 116.
17) Benke/Meissel, Schuldrecht 95 f; Kossarz in Olechowski/Gamauf, Studienwörterbuch 244.
18) Eine ähnliche Phase der Unsicherheit tritt auf, wenn die Preisbestimmung einem redlichen Dritten überlassen
wird. Justinian hat die klassische Kontroverse (vgl oben bei FN 7) dahingehend entschieden, dass die Mög-
lichkeit der Preisfestsetzung durch einen Dritten anzuerkennen sei. Der Kauf steht nach der justinianischen
Lösung unter der Bedingung, dass der Dritte den Preis bestimmt. Legt der Dritte den Preis fest, so muss
der Käufer diesen Preis bezahlen und kann die Übergabe der Kaufsache fordern. Kommt es dagegen zu kei-
ner Preisbestimmung, so ist der Kauf nichtig, als ob überhaupt kein Preis vereinbart worden sei (Iust Inst
3.23.1). Vgl dazu Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht19 (2005) 206.
19) Hausmaninger/Selb, Privatrecht 204.
20) Benke/Meissel, Sachenrecht 83 ff; Filip-Fröschl in Olechowski/Gamauf, Studienwörterbuch 477; Hausmanin-
ger/Selb, Privatrecht 151 ff.
21) Dazu Benke/Meissel, Sachenrecht 83 ff, 138 ff; Gamauf in Olechowski/Gamauf, Studienwörterbuch 245.
22) Benke/Meissel, Sachenrecht 81 f; Gamauf in Olechowski/Gamauf, Studienwörterbuch 2.
23) Siehe dazu die vorige FN.

212 Ü Musterexegese zu D 18.1.37 JAP [2006/2007] 04


[RÖMISCHES RECHT] MUSTERFALL

zustande gekommen sind, wieder rückgängig zu machen.24) Mit der Übereignung des 0 Meine Notizen:
Grundstücks findet eine bewusste Vermögenszuwendung und damit eine Leistung von
A an B statt, die aufgrund der Nichtigkeit des Kaufvertrags nicht geschuldet wird. Hat
A irrtümlich geleistet, also im Glauben, eine bestehende Verbindlichkeit zu erfüllen, so
kann er das Geleistete mit der condictio indebiti zurückfordern.
Etwaige Anzahlungen auf den Kaufpreis könnte B seinerseits mittels condictio inde-
biti zurückverlangen, weil es sich dabei in der Regel auch um eine irrtümliche Leistung
einer Nichtschuld handeln wird.25)
Neben der Rückabwicklung stellt sich noch die Frage, ob zwischen den Parteien
Schadenersatzansprüche bestehen, weil sich der Kauf letztlich als unwirksam heraus-
gestellt hat. Hat der Käufer im Vertrauen auf die Gültigkeit des Kaufvertrags bereits
Aufwendungen getätigt, so sind diese Aufwendungen frustriert, wenn der Kauf nicht
zustande kommt, und der Käufer erleidet damit einen Vertrauensschaden.26)
Der Vertrauensschaden (= negatives Interesse) wird dem Käufer etwa dann ersetzt,
wenn er vom Verkäufer über etwaige Vertragshindernisse nicht aufgeklärt und dadurch
getäuscht worden ist.27) Da kein Kaufvertrag zustande gekommen ist, kann der Käufer
streng genommen nicht mit der actio empti gegen den Verkäufer vorgehen; als An-
spruchsgrundlage kommt freilich die actio de dolo bzw eine actio in factum in Frage.28)
Manche römische Juristen geben dem Käufer allerdings trotz der Tatsache, dass es sich
um einen nichtigen Kauf handelt, eine actio empti auf das Interesse, beim Vertrags-
schluss nicht getäuscht worden zu sein.29)
Ob ein Ersatz des Vertrauensschadens selbst dann infrage kommt, wenn auch der
Verkäufer die Unmöglichkeit nicht kennt, geht aus den Quellen nicht eindeutig hervor.
Einige Juristen dürften bei den Unmöglichkeitsfällen eine verschuldensunabhängige
Haftung des Verkäufers auf den Vertrauensschaden vertreten haben.30)
In jedem Fall wird dem Käufer nur der Vertrauensschaden ersetzt.31) Das Erfül-
lungsinteresse, das hier im Wert der nicht geleisteten Sache besteht, kann B somit nicht
von A fordern. Dies erklärt sich aus einer Kausalitätsüberlegung: B hätte diesen Scha-
den selbst dann erlitten, wenn A ihn rechtzeitig über die Ungültigkeit des Kaufvertrags
aufgeklärt hätte,32) weil auch in diesem Fall mangels Preis kein Kaufvertrag zustande
gekommen wäre. A hat somit bloß den Vertrauensschaden verursacht, für einen darü-
ber hinausgehenden Schaden ist er nicht verantwortlich.

24) Dazu Benke/Meissel, Schuldrecht 292 ff; Gamauf in Olechowski/Gamauf, Studienwörterbuch 70; Haus-
maninger/Selb, Privatrecht 271 f.
25) Siehe dazu die vorige FN.
26) Dazu Benke/Meissel, Schuldrecht 101 ff; Gamauf in Olechowski/Gamauf, Studienwörterbuch 216 f.
27) Benke/Meissel, Schuldrecht 103.
28) Benke/Meissel, Schuldrecht 103 f.
29) ZB Modestin D 18.1.62.1 (Hausmaninger, Vertragsrecht Fall 67).
30) Benke/Meissel, Schuldrecht 105.
31) Halbwachs in Olechowski/Gamauf, Studienwörterbuch 484 f.
32) Benke/Meissel, Schuldrecht 102.

JAP [2006/2007] 04 Ü Musterexegese zu D 18.1.37 213

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