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J.

Fræmke n Standardoperationen in der Gefåûchirurgie


Johannes Fræmke

Standardoperationen
in der Gefåûchirurgie
Mit 186 çberwiegend farbigen Abbildungen
und 55 Tabellen
Johannes Fræmke
Klinik fçr Herz-, Thorax- u. Gefåûchirurgie
St. Johannes-Hospital
Johannesstraûe 9±15
44137 Dortmund

ISBN 3-7985-1460-7 Steinkopff Verlag Darmstadt

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Satz: K+V Fotosatz GmbH, Beerfelden
Druck und Bindung: Stçrtz GmbH, Wçrzburg
SPIN 10992609 85/7231-5 4 3 2 1 0 ± Gedruckt auf såurefreiem Papier
Vorwort

Eine groûe Zahl von Erkrankungen der arteriellen und venæsen Gefåûe låsst sich heu-
te prinzipiell durch chirurgische oder interventionelle Techniken behandeln, wenn
auch Abteilungen fçr interventionelle Eingriffe noch weniger verbreitet sind als gefåû-
chirurgische Zentren. Mit der Mæglichkeit, den stationåren Aufenthalt zu verkçrzen,
einem geringeren Behandlungsrisiko sowie ihrer minimalen Invasivitåt liegen die in-
terventionellen Verfahren jedoch voll im Trend, gegen den sich die chirurgischen
Techniken abzugrenzen haben. Im Zeitalter des informierten Patienten muss man
in einem modernen Therapiekonzept diesem Umstand Rechnung tragen. Soweit es
sich um etablierte Verfahren auf entsprechend hohem Evidenzniveau handelt, wird
die Interventionstechnik mit ihren Komplikationen und Spåtresultaten der jeweiligen
chirurgischen Therapie gegençbergestellt und mit dem Patienten besprochen.
Der Schwerpunkt dieses Buches liegt auf der chirurgischen Therapie von Gefåû-
krankheiten einschlieûlich Diagnostik, Spontanverlauf, OP-Technik und Ergebnissen.
Die Therapie von Aneurysmen und Dissektionen der thorakalen und abdominalen
Aorta, die vor 10 Jahren noch eine Domåne der Chirurgie war, ist durch Entwicklung
und Einsatz so genannter endoluminaler Prothesen (stentgraft), heute auch auf wenig
invasivem Weg mæglich, wenn auch nicht im Gesamtverlauf der Aorta anwendbar.
Operationen an der thorakalen Aorta bedçrfen meist des Einsatzes der Herz-Lungen-
Maschine und werden somit der Herzchirurgie zugeordnet. Korrekturen des abdomi-
nellen Verlaufs erfordern eine andere Vorgehensweise, die sich an einer rein gefåûchi-
rurgischen Technik orientiert. Daher nimmt die chirurgische Therapie der Aorta eine
Sonderstellung zwischen Herz- und Gefåûchirurgie ein. Aus Grçnden der Gesamtdar-
stellung werden die Operationen an der thorakalen und abdominellen Aorta in die-
sem Band beschrieben.
Fçr die Gesamtgestaltung des Buches bin ich dem Steinkopff Verlag/Darmstadt
sehr zu Dank verpflichtet und hier insbesondere der kompetenten und geduldigen
Betreuung durch Frau Dr. A. Gasser. Nicht weniger herzlich bedanke ich mich bei
unserer Sekretårin, Frau B. Junghåhnel, die unermçdlich såmtliche Zeichnungen in
ihrer Freizeit gefertigt und damit zum optischen und inhaltlichen Erscheinungsbild
ganz entscheidend beigetragen hat.
Das Buch ist den Ørzten, Schwestern und Pflegern im St.-Johannes-Hospital, Dort-
mund gewidmet, die mich çber die vielen Jahre begleitet und unterstçtzt haben.

Dortmund, im Januar 2006 Johannes Fræmke


Inhaltsverzeichnis

n
1 Bedeutung und Funktion 3.2 Apparative nichtinvasive
Gefåûdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . 27
des Kreislaufs . . . . . . . . . . . . . . . 1
3.2.1 Auskultation . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
1.1 Anatomie des Kreislaufsystems . . 1 3.2.2 Blutdruckmessung
1.1.1 Groûer und kleiner Kreislauf . . . . 2 (indirekte Methode) . . . . . . . . . . . 27
1.1.2 Gefåûe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 3.2.3 Ultraschallverfahren . . . . . . . . . . . 28
1.2 Physiologie der Homæostase . . . . 7 3.2.4 Lichtreflexionsrheographie (LRR) . 38
1.2.1 Thrombozyten . . . . . . . . . . . . . . . 7 3.2.5 Verschlussplethysmographie . . . . . 39
1.2.2 Blutgerinnung und Fibrinolyse . . . 8 3.2.6 Laufbanduntersuchung . . . . . . . . . 40
1.2.3 Gefåûwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 3.2.7 Magnetresonanztomographie . . . . . 40
1.3 Physiologie der Blutstræmung . . . 11 3.3 Apparative invasive
1.3.1 Erhaltung (steady flow) . . . . . . . . 11 Gefåûdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . 42
1.3.2 Stræmungsgesetze . . . . . . . . . . . . . 12 3.3.1 Arteriographie . . . . . . . . . . . . . . . . 42
1.3.3 Auftreten von Turbulenzen . . . . . . 12 3.3.2 Venographie . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
1.3.4 Bedeutung der Scherkraft . . . . . . . 13 3.3.3 Phlebodynamometrie . . . . . . . . . . 44
1.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . 13
n
4 Einsatz und Wirkung
von Medikamenten . . . . . . . . . . . 47

n
2 Risikofaktoren und Atherogenese 15 4.1 Medikamente mit Wirkung
auf die Blutgerinnung . . . . . . . . . . 47
2.1 Risikofaktoren . . . . . . . . . . . . . . . 15 4.1.1 Heparin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
2.1.1 Arterielle Hypertonie . . . . . . . . . . 15 4.1.2 Danaparoid . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
2.1.2 Hyperlipidåmie . . . . . . . . . . . . . . 16 4.1.3 Protamin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
2.1.3 Nikotinkonsum . . . . . . . . . . . . . . . 18 4.1.4 Cumarol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
2.1.4 Diabetes mellitus . . . . . . . . . . . . . 18 4.1.5 Streptokinase/Urokinase . . . . . . . . 55
2.1.5 Ûbergewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 4.1.6 Azetylsalizylsåure (ASS) . . . . . . . . 56
2.1.6 Alter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 4.1.7 Ticlopidin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
2.2 Atherogenese . . . . . . . . . . . . . . . . 20 4.1.8 Weitere antithrombozytåre
Substanzen . . . . . . . . . . . . ...... 57
2.3 Atherosklerose 4.1.9 Empfehlungen . . . . . . . . . . ...... 58
und Lebenserwartung . . . . . . . . . 22
4.2 Vasoaktive Medikamente
und Lipidsenker . . . . . . . . . . . . . . 58
4.2.1 Vasodilatatoren . . . . . . . . . . . . . . . 58
n
3 Gefåûdiagnostik . . . . . . . . . . . . . 25
4.2.2 Rheologische Substanzen . . . . . . . . 58
4.2.3 Prostaglandine . . . . . . . . . . . . . . . . 59
3.1 Nichtapparative Gefåûdiagnostik . 25
4.2.4 Lipidsenker . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
3.1.1 Anamnese . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
3.1.2 Inspektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 4.3 Infektionsprophylaxe
3.1.3 Palpation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 mit Antibiotika . . . . . . . . . . . . . . . 59
VIII n Inhaltsverzeichnis

n
5 Arterielles System . . . . . . . . . . . . 63 6.4 Chronisch venæse Insuffizienz
(CVI) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
5.1 Arterielle Gefåûkrankheiten ± 6.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . 158
Einteilung und Therapie-
prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
5.1.1 Bedeutung der Gefåûstenose
und Stadieneinteilung . . . . . . . . . . 63
n
7 Lungenembolie . . . . . . . . . . . . . . 161
5.1.2 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 7.1 Klinik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
5.2 Arterielle Verschlusskrankheit . . . 69 7.2 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
5.2.1 Hirnkreislauf . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 7.2.1 Labor und Ræntgen . . . . . . . . . . . 161
5.2.2 Erkrankungen der A. carotis . . . . . 77 7.2.2 EKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162
5.2.3 Vertebrobasilare Insuffizienz . . . . . 85 7.2.3 Bildgebende Verfahren . . . . . . . . . 162
5.2.4 Erkrankungen der A. subclavia . . . 86 7.2.4 Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162
5.2.5 Nierenarterienstenose . . . . . . . . . . 89
5.2.6 Andere Viszeralarterienverschlçsse 92 7.3 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162
5.2.7 Becken-Bein-Typ . . . . . . . . . . . . . . 94 7.3.1 Thrombolyse . . . . . . . . . . . . . . . . 162
5.2.8 Popliteaaneurysma . . . . . . . . . . . . 104 7.3.2 Pulmonalarterienembolektomie . . 163
5.3 Arterielle Embolie . . . . . . . . . . . . 106
5.3.1 Diagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
5.3.2 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
n
8 Niereninsuffizienz . . . . . . . . . . . . 167

5.4 Aneurysma und Dissektion . . . . . . 108 8.1 Epidemiologie


5.4.1 Thorakale Aorta . . . . . . . . . . . . . . 108 und Øtiopathogenese . . . . . . . . . . 167
5.4.2 Abdominale Aorta . . . . . . . . . . . . . 124 8.2 Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . 167
8.3 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
n
6 Venæses System . . . . . . . . . . . . . . 141 8.3.1
8.3.2
Shuntanlage . . . . . . . . . . . . . . . . .
Alternative Zugånge . . . . . . . . . . .
167
170
6.1 Aufbau und Funktion . . . . . . . . . . 141
6.1.1 Anatomie der Beinvenensysteme . . 141
6.1.2 Physiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 n
9 Thoracic-outlet-Syndrom . . . . . . . 171
6.2 Varizen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 9.1 Klinik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
6.2.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
6.2.2 Lokalisation und Stadieneinteilung 146 9.2 Diagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
6.2.3 Klinik und Diagnose . . . . . . . . . . . 146 9.3 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
6.2.4 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147
9.4 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
6.3 Tiefe Venenthrombose (TVT) . . . . 149
6.3.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
6.3.2 Øtiopathogenese . . . . . . . . . . . . . . 149
6.3.3 Klinik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
6.3.4 Diagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 n Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175
6.3.5 Prophylaxe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
6.3.6 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 n Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . 183
1 Bedeutung und Funktion
des Kreislaufs

300 Jahre v. Chr. beschrieb Erasistratus drei Lei- lenden Verbindung zwischen arteriellen und
tungsbahnen des menschlichen Kærpers: Arte- venæsem System, fçhrte Malpighi schlieûlich im
rien, Venen und Nerven. Man ging von der Vor- Jahr 1661 und schloss damit endgçltig den
stellung aus, dass das Blut in den Venen flieût, Kreislauf.
wåhrend das Herz den Lebensgeist (Pneuma)
enthålt und durch Wårme in Bewegung gesetzt
wird.
Galen griff diese Ideen auf und entwickelte
sie weiter. Er hielt die Leber fçr das zentrale
1.1 Anatomie des Kreislaufsystems
Kreislauforgan. Nåhrstoffe wçrden auf venæsem
Weg herantransportiert, wåhrend die Arterien Seit der Entdeckung des Kreislaufs ist bekannt,
dem Herzen das verbrauchte Blut zurçckfçhr- dass das Blut in einem geschlossenen Ræhren-
ten. Dieser Irrglaube blieb çber 1500 Jahre die system (Gefåûsystem) zirkuliert. Dieses System
medizinische Lehrmeinung. versorgt die Organe entsprechend ihres Funk-
Um 1600 sprach Cesalpino von Arezzo zum tionszustands mit Blut und besteht aus unter-
ersten Mal von einer Blutzirkulation. Im Jahr schiedlichen Anteilen:
1628 beschrieb schlieûlich William Harvey n Das Herz ist mit seiner Pumpfunktion der
(Abb. 1.1) ein geschlossenes Kreislaufsystem, in Motor der Blutbewegung. Durch die Ventil-
dem das Blut zirkuliert. Durch das Herz ange- funktion der Herzklappen wird die Strom-
trieben wird Blut çber die Arterien in die Peri- richtung festgelegt.
pherie fortgeleitet, um dann durch die Venen n Die Arterien bilden ein vom Herzen fortfçh-
zurçck zum Herzen zu flieûen. Der letzte Ab- rendes Verteilersystem. Sie versorgen einzelne
schnitt, die Mikrozirkulation, blieb jedoch noch Kærperorgane u. a. mit sauerstoffreichem Blut.
unklar. Den Nachweis von Kapillaren, der feh- n Die Arteriolen, als Fortsetzung der Arterien,
regulieren den Blutfluss zu den einzelnen Or-
ganen und bestimmen als Widerstandsgefåûe
die Verteilung des vom Herzen gelieferten
Blutvolumens.
n Die Kapillaren mit ihrer groûen Oberflåche
vollziehen die eigentliche Aufgabe des Kreis-
laufsystems, den Stoffaustausch mit den ein-
zelnen Gewebezellen. Auf 1 cm3 Muskelgewe-
be kommen etwa 2000 m Kapillarlånge.
n Die Venen bilden ein zum Herzen hinfçhren-
des Ræhrensystem, in dem sauerstoffarmes,
verbrauchtes Blut zurçckflieût. Sie zeichnen
sich durch niedrigen Blutdruck (Nieder-
drucksystem) und groûe Kapazitåt (kapaziti-
ves Gefåûsystem) aus.

Abb. 1.1. William Harvey (1578±1657)


2 n 1 Bedeutung und Funktion des Kreislaufs

1.1.1 Groûer und kleiner Kreislauf Wåhrend der Lungenpassage wird das aus
dem groûen Kærperkreislauf stammende, venæse
Der groûe Kreislauf (Abb. 1.2, 1.3) dient der (sauerstoffarme) Blut im Bereich der Alveolen
Durchblutung såmtlicher Organe. Er setzt sich (alveolokapillare Strecke) mit Sauerstoff auf-
aus den einzelnen Organkreislåufen (Hirnkreis- gesåttigt, wåhrend gleichzeitig der im Stoff-
lauf, Nierenkreislauf, Extremitåtenkreislauf usw.) wechsel angefallene Kohlensåureanteil (CO2)
zusammen. çber die Ausatmung eliminiert wird (Abb. 1.6).
Im kleinen Kreislauf (Abb. 1.3, 1.4) wird das Dieser Vorgang wird auch als åuûere Atmung
Blut wåhrend der Lungenpassage im Kapillar- bezeichnet.
bereich der Alveolen mit Sauerstoff aufgesåttigt.
Er wird daher auch als Lungenkreislauf bezeich-
net.
Die Versorgung aller Gewebe mit Sauerstoff
ist die Hauptaufgabe des groûen Kreislaufs. Be-
dingt durch den hohen Sauerstoffpartialdruck
in den arteriellen Kapillaren und den erheblich
niedrigeren in der Zelle entsteht ein hoher Kon-
zentrationsgradient, der den O2-Ûbertritt in die
Zelle ermæglicht. Ein Vorgang, der auch als in-
nere Atmung (Gewebeatmung) bezeichnet wird
(Abb. 1.5).

Abb. 1.3. Teilkreislåufe und ihre Græûenordnung

Abb. 1.2. Bestandteile des groûen Kreislaufs Abb. 1.4. Bestandteile des kleinen Kreislaufs
1.1 Anatomie des Kreislaufsystems n 3

Der Kreislauf ist ein weit verzweigtes Gefåû-


system (Abb. 1.7±1.12), in welchem zur Erfçl-
lung der Transportaufgaben Blut zirkuliert. Es
hat verschiedene Funktionen. Die Versorgung
der Zellen mit Sauerstoff ist die wichtigste, zu-
dem spielen Wårmeaustausch und Verteilung
von Hormonen im gesamten Organismus eine
wichtige Rolle. Das vom Gewebestoffwechsel
stammende CO2 wird vom Kreislauf zur Lunge
transportiert und dort eliminiert (abgeatmet).
Das ebenfalls an Ræhren gebundene Lymph-
system mit der Gewebeflçssigkeit und den
Abb. 1.5. Sauerstoffkonzentrationsgefålle zwischen arteriellen Lymphgefåûen, die zu groûen Ståmmen ver-
Kapillaren und Zelle einigt in die herznahen Venen mçnden, hat
ebenfalls einen Kreislaufcharakter.

1.1.2 Gefåûe

Arterien, Venen und Kapillaren haben einen


charakteristischen Wandaufbau, der nach Ge-
fåûabschnitt und physiologischer Bedeutung va-
riiert. Der Grundaufbau von Arterien und Ve-
nen ist einheitlich und besteht aus 3 Schichten
(Abb. 1.13; Tabelle 1.1):
n Intima (einschichtiges Endothel)
n Media (glatte Muskulatur)
n Adventitia (Bindegewebe mit kleinen Gefå-
ûen)

Abb. 1.6. Pulmonaler Gasaustausch Zwischen den einzelnen Schichten der Arterien-
wand befindet sich elastisches Gewebe, das in
der Venenwand aufgrund ihrer geringeren

Abb. 1.7. Abschnitte des arteriellen Gefåûsystems


des Rumpfs, beachte asymmetrische Anlage der su-
praaortalen Gefåûabgånge aus dem Aortenbogen
4 n 1 Bedeutung und Funktion des Kreislaufs

Abb. 1.8. Abschnitte des arteriellen Gefåûsys-


tems des Arms, beachte asymmetrische Anlage
im proximalen Anteil

Druckbelastung fehlt. Wegen ihrer physiologi-


schen Bedeutung besitzen die Kapillaren nur
noch eine einzige Zellschicht: das Endothel,
durch dessen dçnne Wånde der Stoffaustausch
mit der Umgebung vollzogen wird. Abbildung
1.14 zeigt eine mikroskopische Aufnahme der
Endothelzellschicht, wobei die longitudinale
Ausrichtung der Zellen in Stræmungsrichtung
zur Darstellung kommt.
Bezogen auf ihren Wandaufbau kænnen ver-
schiedene Arterientypen unterschieden werden:
n Arterien elastischen Typs (mit Windkessel-
funktion)
Beispiele: Aorta, Truncus brachiocephalicus,
A. carotis communis, A. subclavia, A. iliaca
communis
n Arterien muskulåren Typs (mit mindestens 4
Muskelzellschichten)
Beispiele: Hirnarterien, Mesenterialarterien,
A. radialis, A. ulnaris, Unterschenkelarterien

Obwohl die Venen ebenfalls einen dreischichti-


gen Wandaufbau haben, unterscheidet sich die-
ser jedoch erheblich von demjenigen der phy-
siologisch stark beanspruchten Arterien: Die Ve-
nenwand ist deutlich dçnner und weitlumiger.
Die Media, als muskelstarke Schicht der Arte-
rien, ist bei Venen deutlich schmaler und ent-
Abb. 1.9. Abschnitte des arteriellen Gefåûsystems des Beins hålt kaum Fasern.
1.1 Anatomie des Kreislaufsystems n 5

Abb. 1.10. Abschnitte des venæsen Gefåûsystems


des Rumpfs

n Bedeutung der Faseranteile

Die elastisch-muskulåren Fasersysteme dienen


der Kompensation rhythmischer Druckschwan-
kungen.
Kollagene Fasersysteme bilden eine Ûberdeh-
nungsbremse.

n Innervation

Das Gefåûsystems wird durch das vegetative,


sympathische Nervensystem versorgt. Jede glatte
Gefåûwandmuskelzelle wird motorisch vom
Sympathikus innerviert.
Eine Verstårkung der Nervenimpulse fçhrt
zur Gefåûverengung (Vasokonstriktion), eine
Abschwåchung zur Gefåûerweiterung (Vasodila-
tation). Dieser physiologische Effekt wird in der
Behandlung peripherer arterieller Durchblu-
tungsstærungen ausgenutzt und in der Sym-
pathektomie angewendet.

Abb. 1.11. Abschnitte des venæsen Gefåûsystems des Arms


6 n 1 Bedeutung und Funktion des Kreislaufs

Abb. 1.12. Abschnitte des venæsen Gefåûsystems des Beins

Abb. 1.14. Rasterelektronenmikroskopaufnahme der Endo-


thelzellschicht, weiûe Balken 1 lm (10±3 mm); mit freundli-
cher Genehmigung aus: Betz E. (1991)

Abb. 1.13. Anatomischer Aufbau der Gefåûwand, a Aufbau


der Arterienwand, b Aufbau der Venenwand 1 Intima; 2 Me-
dia; 3 Adventitia; mit freundlicher Genehmigung aus: Akker-
man et al. (1987)
1.2 Physiologie der Homæostase n 7

Tabelle 1.1. Aufbau und Funktion der Gefåûwand

n Intima Aufbau Endothelschicht: einschichtiger Verband flacher Zellen


Subendotheliales Bindegewebe: enthålt zarte Kollagene und elastische Fasernetze
Funktion Grenzschicht zum Blutstrom
Aufrechterhaltung der Flieûfåhigkeit des Bluts (Endothelfunktion mit hochaktiver
Syntheseleistung)
Ernåhrung der Gefåûwand
n Media Aufbau glatte Muskelfasern
kollagene und elastische Fasern
Funktion Aufnahme der durch den Blutdruck erzeugten Druckschwankungen und Regulierung
der Gefåûweite
Festigkeit und Elastizitåt
n Adventitia Aufbau kollagene Långsfaserbçndel
Funktion Verschiebe- und Verankerungsschicht gegen die Umgebung
Ernåhrung der Gefåûwand durch ein spezielles, in der Wand befindliches Gefåûsystem
(Vasa vasorum)

Begriff der Blut-Gefåûwand-Homæostase zusam-


1.2 Physiologie der Homæostase mengefasst.
Im Folgenden soll die Bedeutung der einzelnen
Blut und Gefåûwand bilden eine Funktionsein- Faktoren, die fçr die Aufrechterhaltung der Blut-
heit. Die Gefåûwand sorgt dafçr, dass das Blut Gefåûwand-Homæostase verantwortlich sind, be-
flçssig bleibt, wåhrend das stræmende Blut si- sprochen werden.
cherstellt, dass die Gefåûwand intakt bleibt und
im Verletzungsfall repariert wird (Abb. 1.15).
Blutgefåûe kænnen durch Trauma oder diag- 1.2.1 Thrombozyten
nostische und therapeutische Maûnahmen ver-
letzt werden. Da Blut auûerhalb der Gefåûe ge- Normalerweise befinden sich die Thrombozyten
rinnt, sind Mechanismen notwendig, die die In- im stræmenden Blut in einer nicht aktiven Ru-
tegritåt, also die Unversehrtheit der Gefåûwand heform. Zu einer Anhaftung (Adhåsion) an der
einerseits und die Flieûeigenschaften des Bluts Gefåûwand kommt es nur, wenn Endotheldefek-
andererseits erhalten bzw. nach deren Stærung te (Ablæsung, Lçcken) entstehen und sub-
wiederherstellen. endotheliales Bindegewebe (das unterhalb der
Das physiologische Zusammenwirken zwi- Endothelschicht gelegene Gewebe) mit dem Blut
schen Blut und Gefåûwand zur Erhaltung eines in Berçhrung kommt (Abb. 1.16), z. B. nach
funktionsfåhigen Blutkreislaufs wird unter dem Punktionen und bei Operationen. Die dabei
stattfindende Aktivierung der Thrombozyten ist
bereits seit langem ± als wesentlicher Mechanis-
mus nicht nur der Håmostase, sondern auch
der Arteriosklerose ± bekannt. Auslæser sind ei-
ne Reihe prokoagulatorischer Faktoren des sub-
endothelialen Gewebes u. a. der so genannte Ge-
webefaktor (tissue factor) und der Von-Wille-
brand-Faktor (vWF). Liegt das subendotheliale
Gewebe zum Gefåûlumen frei, vermittelt ins-
besondere der V.-Willeband-Faktor die Throm-
bozytenanheftung in diesem Gefåûwandteil.
Nach der Adhåsion setzen die Thrombozyten
Abb. 1.15. Schematische Darstellung der Blutstræmung unter eine Reihe aktiver Substanzen frei (Freisetzungs-
physiologischen Verhåltnissen, Gefåûlumen mit zellulåren Be- reaktion), sowohl in das Lumen als auch in die
standteilen: Erythrozyten (rot), Leukozyten (weiû), Thrombozy- Gefåûwand. Diese færdern und verstårken die An-
ten (hellbraun), Endothelzellen (grçn) mit darunter befindli- lagerung weiterer Plåttchen. An der Gefåûwand
chem Subendothel und Muskulatur wirken diese Substanzen vasokonstriktorisch.
8 n 1 Bedeutung und Funktion des Kreislaufs

Thrombin, Adrenalin, Serotonin, Vasopressin,


Fibrinogen und Blutfette. Die Reaktion tritt in-
nerhalb von Sekunden ein und beeintråchtigt
die Flieûfåhigkeit des Bluts (Abb. 1.17).
Befindet sich der Thrombozyt in seiner akti-
vierten Form, kommt es nicht nur zur Freiset-
zungsreaktion, sondern durch Ønderung seiner
åuûeren Form (Morphologie) mit Ausbildung
Abb. 1.16. Endotheldefekt mit Anlagerung und Aktivierung
von Pseudopodien auch zu einer verstårkten
der Thrombozyten Aggregation.
Dieser Effekt wird noch durch die Fåhigkeit
der Blutplåttchen verstårkt, das im Blut befindli-
che Fibrinogen çber spezielle Rezeptoren an der
aktivierten Thrombozytenoberflåche zu binden.
Die Entdeckung spezifischer Rezeptoren der
Thrombozytenoberflåche fçhrte zum erweiter-
ten Verståndnis der Adhåsions- und Aggregati-
onsvorgånge, die eng an das Vorhandensein so
genannter Glykoproteinrezeptoren (GP-Rezep-
toren) geknçpft sind.
Eine besondere Bedeutung stellt der Glyko-
protein-IIb-IIIa-Rezeptor dar, der infolge seiner
Bindungsfåhigkeit von Fibrinogen auch als Fib-
rinogenrezeptor bezeichnet wurde. Seine phar-
makologische Beeinflussung (Inhibition) durch
spezifische Medikamente erbrachte einen we-
sentlichen Fortschritt in der Unterdrçckung der
Aggregationsreaktion v. a. nach interventionellen
Maûnahmen (Angioplastieverfahren) und konn-
te so zur deutlichen Senkung sowohl akuter als
auch spåter thrombotischer Ereignisse (Resteno-
sen) beitragen (Abb. 1.18).

1.2.2 Blutgerinnung und Fibrinolyse

Die Blutgerinnung (Koagulation) fçhrt zum Er-


starren des flçssigen Bluts. Sie schçtzt den
Kærper nach einer Gewebeverletzung vor dem
Verbluten. Durch kærpereigene Substanzen kæn-
nen Blutgerinnsel wieder aufgelæst oder eine
çberschieûende Gerinnung aufgehoben werden.
Dieser Prozess wird als Fibrinolyse oder Throm-
bolyse bezeichnet.
An der Blutgerinnung sind etwa 30 verschie-
Abb. 1.17. Beeinflussung des Thrombozyten dene Faktoren beteiligt. Einen besonderen Stel-
lenwert nehmen die Gerinnungsfaktoren I±XIII
ein.
Auch ohne Plåttchenanheftung als Folge eines Ein vereinfachtes Schema soll die Situation
Gefåûwanddefekts kann diese Reaktion zustande veranschaulichen (Abb. 1.19, 1.20). Es gibt im
kommen. Ausgelæst wird sie, wenn Thrombozy- menschlichen Kærper verschiedene Eiweiûe, die
ten durch bestimmte Substanzen im stræmen- in der Leber gebildet und in das stræmende
den Blut aus ihrem Ruhezustand in die aktive Blut, teilweise auch in das Interstitium, abge-
Form çberfçhrt werden. Dazu zåhlen ADP, geben werden. Da sie fçr die Blutgerinnung
1.2 Physiologie der Homæostase n 9

Abb. 1.18. a Ruhender Thrombozyt mit


nicht aktivem Fibrinogenrezeptor: GP IIb-IIIa,
b aktivierte Thrombozyten mit Fibrinogen-
bindung, T Thrombozyt, R Rezeptor, F Fibri-
nogen

Abb. 1.19. Gerinnungsaktivierung

Abb. 1.20. Kontrolle der Håmo-


stase, PF3 Plåttchenfaktor 3,
TF Tissue factor (Gewebefaktor),
C Kalzium, ræmische Zahlen in
Klammern einzelne Gerinnungs-
faktoren, z. B. IIa aktiviertes
Thrombin
10 n 1 Bedeutung und Funktion des Kreislaufs

Das Gefåûwandendothel eines 70 kg schweren


Menschen hat:
n eine Gesamtflåche von 720 m2,
n eine Zellzahl von 6,3 ´ 1013,
n ein Gesamtgewicht von 1,5±2 kg (* Leberge-
wicht).
Abb. 1.21. Lyseaktivierung
Tabelle 1.2 fasst die Funktionen des Gefåûwand-
bzw. fçr deren Auflæsung (Lyse) eine entschei- endothels çbersichtlich zusammen.
dende Rolle spielen, heiûen sie auch Gerin- Auf die Flieûeigenschaften des Bluts nehmen
nungseiweiûe. Hierzu gehæren Prothrombin verschiedene, vom Gefåûendothel gebildete Sub-
(Faktor II), Fibrinogen (Faktor I) und Plasmino- stanzen entscheidend Einfluss. Eine wesentliche
gen. Alle 3 Substanzen liegen zunåchst als inak- Rolle spielt die Fåhigkeit zur Prostaglandinsyn-
tive Vorstufe vor. these. Weitere Endothelfaktoren, die zur Anti-
Nach Auftreten einer Gewebeverletzung wer- thrombogenitåt beitragen, sind Plasminogen-
den in einer Vorphase eine Reihe von Gerin- aktivatoren, Heparinproteoglykane und Throm-
nungsfaktoren kaskadenartig aktiviert. Mit ihrer bomodulin.
Hilfe wird Prothrombin in Thrombin umgewan- Im Hinblick auf ihre physiologische Bedeu-
delt. Letzteres aktiviert die Umwandlung von tung und der Mæglichkeit einer hoch wirk-
Fibrinogen in Fibrin. Diese wiederum bildet samen medikamentæsen Therapie ist die Pro-
durch Zusammenballung (Retraktionsphase) ein staglandinsynthese zu nennen.
Fibrinnetz (Fibrinpolymere), welches das Skelett Blutplåttchen und Gefåûwandzellen kænnen
des Gerinnsels darstellt. Durch Anhaften von gefåûaktive Substanzen bilden, die starke Verån-
Thrombozyten entsteht das vollståndige Blut- derungen an der Gefåûmuskulatur und dem
gerinnsel. Thrombozytenverhalten bewirken. In erster Li-
Dieses kann vom Kærper mit Hilfe bestimm- nie sind dies die Prostaglandine.
ter Enzyme (Lysokinasen aus Fibroblasten und Aus einer gemeinsamen Vorstufe, der Arachi-
Leukozyten), die inaktives Plasminogen in Plas- donsåure, und dem Enzym Zyklooxygenase
min çberfçhren, wieder aufgelæst werden wird in den Blutplåttchen zum græûten Teil
(Abb. 1.21). Thromboxan, in den Endothelzellen vorwiegend
Prostazyklin gebildet (Abb. 1.22). Beide Sub-
stanzen gehæren zur Gruppe der Prostaglandine.
1.2.3 Gefåûwand

Abgesehen von kollagenen und elastischen Fa- Tabelle 1.2. Funktionen des Gefåûwandendothels
sersystemen der Gefåûe sind zwei Wandstruktu- n Schrankenfunktion Permeabilitåt, Údembildung
ren entscheidend: die Wandmuskulatur und die
Endothelzellschicht. n Synthese von ± Glykoproteinen
± Kollagen
Wåhrend der glatten Muskulatur der Gefåû- ± Fibronektin
wand eine stabilisierende und den Gefåûtonus ± Laminin
regulierende Funktion durch Kontraktionsvor- ± Faktor VIII
gånge zukommt, besteht die wesentliche Auf- ± Prostaglandinen
gabe der dem Blutstrom zugewandten Seite da- ± Stickoxid (NO)
rin, den Inhalt des Gefåûes flçssig zu halten n Stoffwechselleistung Inaktivierung von Noradrenalin,
und damit thrombotischen Prozessen entgegen- Adrenalin
zuwirken. Die hierfçr verantwortliche Struktur Aktivierung von Angiotensin I zu
ist die Gefåûintima, bei der es sich nicht nur Angiotensin II
um eine Grenzschicht zum stræmenden Blut, n Rezeptorfunktion LDL-Rezeptor
sondern um eine Zellschicht mit hoher Synthe- Prostaglandin-E1-Rezeptor
seleistung und damit zahlreichen Funktionen Histamin-H2-Rezeptor
handelt. n Migrations- Endothelisierung von Gefåûprothe-
Proliferations- sen Vaskularisierung von Trans-
Fåhigkeit plantaten
1.3 Physiologie der Blutstræmung n 11

Abb. 1.22. Schema der Prostaglandinsynthese

Abb. 1.23. Blutstræmung in Abhångigkeit vom Druckgefålle


Wåhrend Thromboxan stark aggregationsfær-
dernd und vasokonstriktorisch wirkt, besitzt
Prostazyklin einen genau entgegengesetzten Ef-
fekt: Es fçhrt zur Aggregationshemmung und Druckdifferenz fçhrt zur Flusszunahme, ein
Gefåûerweiterung. Dieser Mechanismus trågt Druckausgleich zum Sistieren der Stræmung.
entscheidend dazu bei, dass das Blut flçssig Neben dem Begriff der Druckdifferenz, die
bleibt. Bei der Regulation des Gefåûwandtonus lediglich das Subraktionsergebnis zweier Druck-
und damit der Gefåûweite hat auch die Produk- messwerte darstellt, existiert der Begriff des
tion von Stickoxid (NO) eine sehr groûe Bedeu- Druckgradienten, der als Differenz zweier unter-
tung. Diese vom Endothel gebildete Substanz schiedlicher Druckmesswerte, dividiert durch
gilt als potentester Vasodilatator, gefolgt vom ihren Abstand, definiert wird.
Prostazyklin. Abbildung 1.23 zeigt das Stræmungsprinzip.
Die biochemischen, endothelialen Funktionen Die Stræmungsrichtung ist abhångig von der
sind sehr wichtig fçr die Bypass-Chirurgie. So Druckdifferenz (dem Druckgefålle): Die bei der
ist seit langem bekannt, dass koronare Bypass- Kammersystole erzeugte Energie treibt das Blut
anlagen mit Arterien (A. mammaria interna, in das Kreislaufsystem und erzeugt so den sys-
Radialarterie) denjenigen mit Venen (V. saphena tolischen Spitzendruck. Infolge Reibungsvorgån-
magna) bezçglich der Langzeitergebnisse (pa- gen zwischen flieûenden Blutteilchen und der
tency rate) deutlich çberlegen sind. Wie Unter- Gefåûwand besteht ein ståndiger Energieverlust,
suchungen zur Biochemie von Arterienwand- der im niedrigen Druck der Kreislaufperipherie
und Venenwandendothel gezeigt haben, liegt seinen Ausdruck findet. Die ståndige Herzarbeit
das Geheimnis der Erfolgsrate von arteriellen gleicht den Energieverlust aus und trågt als Mo-
Bypåssen in der hohen Syntheseleistung von tor zur kontinuierlichen Kreislauffunktion bei.
Stickoxid und Prostazyklin dieser Gefåûe im Ein Teil der vorhandenen Energie wird dabei
Vergleich zur niedrigen Syntheserate im V.-sa- zum Dehnen der groûen Arterien verwendet
phena-Endothel begrçndet. (Windkesselfunktion), die so als Blutvolumenre-
servoir zur Verfçgung stehen. Die gespeicherte
Energie zusammen mit dem Blutvolumen erhal-
ten in der Diastole den Blutfluss aufrecht und
tragen damit zur kontinuierlichen Kreislauf-
1.3 Physiologie der Blutstræmung funktion bei.

1.3.1 Erhaltung (steady flow)

Zwischen zwei Punkten des Kreislaufsystems,


z. B. am Anfang und Ende einer Arterie, folgt
der Blutfluss einem Energiegefålle, das Aus-
druck einer Druckdifferenz ist. Eine steigende
12 n 1 Bedeutung und Funktion des Kreislaufs

1.3.2 Stræmungsgesetze

Beim Durchflieûen des Gefåûsystems unterliegt


das Blut bestimmten Stræmungsgesetzen. Die
vom linken Ventrikel erzeugte pulsatorische
Stræmung wird, in Abhångigkeit von der Græûe
des Schlagvolumens und den elastischen Eigen-
schaften der Arterienwand, derart geglåttet, dass
die zuvor rhythmische Stræmung in eine kon- Abb. 1.24. Kreislaufparameter
tinuierliche, gleichfærmige Stræmung umgewan-
delt wird. Dies fçhrt zur Bildung des laminaren n Kreislaufgesetz
Blutflusses. Fçr ihn gelten folgende Gesetze:
n n Lange Gefåûstrecken und eine Viskosi-
tåtszunahme fçhren zur Abnahme des
n Gesetz nach Ohm
Blutflusses.
n Eine Erweiterung des Gefåûdurchmes-
Die vom Herzen erzeugte Blutstræmung pro
sers von 20% verdoppelt die Durchblu-
Zeiteinheit (Stromzeitvolumen) wird durch den
tung.
Widerstand, den das stræmende Blut çberwin-
n Eine Halbierung des Radius verringert
den muss, und durch den Blutdruck oder Per-
die Durchblutung auf 1/16 des Aus-
fusionsdruck bestimmt:
gangswerts.
_ ˆ Druckdifferenz …DP†
Stromzeitvolumen …V†
Gefaûwiderstand (R)
n Gesetz nach Bernoulli
n n Ein hoher Blutdruck bewirkt einen ho-
Beim Durchstræmen von Gefåûen unterschiedli-
hen Blutfluss. chen Durchmessers, åndert sich die Fluss-
n Ein hoher Gefåûwiderstand fçhrt zur geschwindigkeit. Der gesetzmåûige Zusammen-
Erniedrigung des Blutflusses. hang wird durch das Bernoulli-Gesetz beschrie-
ben, das die Konstanzerhaltung des Stromzeit-
Der Gefåûwiderstand (R) ist wiederum von 3 volumens erklårt:
Græûen abhångig: Stromstarke …J†
n Långe des Gefåûes (L) Geschwindigkeit …v† ˆ
Durchmesser …d†
n Viskositåt des Bluts (g)
n Radius des Gefåûes (r)
n Eine Querschnittverånderung fçhrt zur
Aus diesen Græûen, eingesetzt in die obige Glei- umgekehrt proportionalen Ønderung der
chung zur Berechnung des Stromzeitvolumens, Blutstræmungsgeschwindigkeit:
ergibt sich ein weiteres Gesetz: n schnelle Stræmung in kleinkalibrigen
Gefåûen
n langsame Stræmung in groûkalibrigen
n Gesetz nach Hagen-Poiseuille Gefåûen.

Es beschreibt das Verhalten des Stromzeitvolu-


mens in Abhångigkeit von der Viskositåt, dem
Radius sowie den auf das stræmende Blut ein- 1.3.3 Auftreten von Turbulenzen
wirkenden Scherkråften
Die laminare Blutstræmung (Lamina = Schicht;
_ ˆ
Stromzeitvolumen …V† Schichtenstræmung als Arbeitsmodell mit zentra-
lem schnellem Fluss und wandnahem niedrigen
Radius …r†4  p Flussanteil im Gefåûrohr) ist abhångig vom Ge-
Druckdifferenz …DP†
Gefaûlange …L†  Viskositat …g†  8 fåûdurchmesser, der Geschwindigkeit und der
Viskositåt des Bluts. Beim Ûberschreiten einer
1.5 Literatur n 13

kritischen Flussgeschwindigkeit, z. B. in Steno- Tabelle 1.3. Physiologische Græûen einzelner Kreislaufab-


sen, entsteht eine Turbulenz. Diese wird durch schnitte
die Reynolds-Zahl (Re) berechnet, deren Græûe
das Verhåltnis von Trågheits- und Zåhigkeitskråf- Region Arterien Kapillaren Venen
ten beschreibt. Sie ist eine wichtige Græûe der n Flåche [%] 1 95 4
Kreislaufphysiologie und dient der Einschåtzung n Volumen [%] 15 5 80
einer pathologischen Stræmung und damit des n Widerstand [%] 66 27 7
Risikos von Gefåûwandverånderungen. n Flussgeschwindigkeit [cm/s] 50 0,07 10
Sie ist mathematisch ein dimensionsloser
Zahlenwert, der nach folgender Gleichung be-
rechnet wird:
Tabelle 1.4. Flusscharakteristika des arteriellen Systems
Geschwindigkeit …v†  Durchmesser …d† Herzmuskel Zentraler Kreislauf Peripherer Kreislauf
Re ˆ
Viskositat …g†
n Antrieb mit n Umformung n gleichmåûige
Fçr die normale Blutstræmung liegt der Wert rhythmisch- ± Windkessel- laminare
von Re zwischen 100 und 800. Eine Turbulenz pulsatiler funktion Stræmung
tritt auf, wenn ein Wert von 1100 çberschritten Stræmung ± Reibungs-
verluste
wird. ± Durchmesser-
Zur Verwirbelung (Turbulenz) fçhren: ånderung
n hohe Flussgeschwindigkeit
n groûer Querschnitt
n geringe Viskositåt.
1.4 Zusammenfassung
1.3.4 Bedeutung der Scherkraft
Die ungestærte Kreislauffunktion wird durch die
Im Gegensatz zum Blutdruck, der auf die ge- Herzleistung als treibende Kraft, die Eng- oder
samte Gefåûwand wirkt, çbt die Scherkraft Weitstellung der Gefåûe durch hormonelle,
(Schubspannung) nur eine Druckbelastung auf nervæse und lokale Reize sowie das Flieûverhal-
das Endothel aus (in Form einer tangentialen ten des Bluts bestimmt.
Belastung). Die physiologischen Græûen im arteriellen,
Unter laminaren Flussverhåltnissen ist die venæsen und kapillaren Gefåûsystem und deren
Scherkraft direkt proportional zum Blutfluss Bedeutung fçr die Kreislaufregulation sind in
und der Viskositåt, sowie umgekehrt proportio- Tabelle 1.3 zusammengestellt, die charakteristi-
nal zum Radius. schen Flussmerkmale des arteriellen Systems ge-
Die Formel lautet: hen aus Tabelle 1.4 hervor.
V_  4g

p  r3
s = Scherkraft, V_ = Stromvolumen, g= Viskositåt, 1.5 Literatur
r = Radius

Der Normalwert betrågt: 10±70 dyne/cm2. Hohe Akkerman JWN, Nieuwenhuistik, Sixma JJ (1987)
Scherkråfte bewirken durch den Endothelreiz Thrombose und Arteriosklerose. Thomae, Bibe-
rach (Thromboseforschung)
eine Steigerung der Stickoxidsynthese (NO) und Berne RM, Levy MN (1992) Cardiovascular physiol-
damit eine Thrombozytenaggregationshem- ogy, 6th edn. Mosby Year Book, St. Louis
mung. Betz E (1991) Herz und Blutkreislauf. Spektrum der
Niedrige Scherkråfte (z. B. Gefåûbifurkatio- Wissenschaften, Heidelberg
nen) senken die NO- und PGI2 (Prostaglandin)- Busse R (1982) Kreislaufphysiologie. Thieme, Stutt-
Produktion. Damit kommt es zur gesteigerten gart New York
Plåttchenadhåsion und Aktivierung. Eichhorn M, Lçtjen-Drecoll E (1985) Vorkommen
und funktionelle Bedeutung der Carboanhydrase
in den Gefåûendothelien. Med Welt 36: 697±702
14 n 1 Bedeutung und Funktion des Kreislaufs

Jang IK, Gold HK, Fuster V (1992) Basic studies on Pasch T, Bauer RD (1974) Dynamik des Arteriensys-
thrombosis and fibrinolysis. Curr Opin Cardiol 7: tems. Verh Dtsch Ges Kreislaufforschg 40: 25±40
546±552 Perktold K (1989) Mathematische Modellierung von
Lang J (1974) Feinstruktur der Arterienwand. Verh Sekundårstræmungsphånomenen in Abschnitten
Dtsch Ges Kreislaufforsch 40: 1±14 groûer Arterien. Håmostaseologie 9: 66±81
Mammen EF (1996) Stærungen der Håmostase. Rosenberg RD, Aird WC (1999) Vascular-bed speci-
Gelbe Hefte 26: 145±155 fic hemostasis and hypercoagulable states. N Engl
Malek AM, Alper SL, Izum S (1999) Hemodynamic J Med 340: 1555±1564
shear stress and its role in atherosclerosis. JAMA Schrey A (1991) Endotheliale Mechanismen der Va-
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Monroe DM, Hoffman M, Roberts HR (2002) Platelets Håmostaseologie 1: 19±23
and thrombin generation. Arterioscler Thromb Weismann RE (1983) Plaques and platelets ± The
Vasc Biol 22:1381±1389 vascular surgeon's challenge and dilemma. Arch
Surg 118: 1019±1023
2 Risikofaktoren und Atherogenese
2.1.1 Arterielle Hypertonie
2.1 Risikofaktoren
Unter physiologischen und pathologischen Be-
Das Auftreten einer degenerativen Gefåûerkran- dingungen herrscht ein gewisser Fçllungs-
kung wird wesentlich vom Vorhandensein so ge- zustand im Gefåûsystem, zu dessen Charakteris-
nannter atherogener Risikofaktoren beeinflusst. tika ein bestimmter Blutdruck gehært. Er wird
Bezçglich der Håufigkeit einer Atherosklerose als derjenige Druck definiert, den die Blutsåule
muss, je nach Anzahl der vorliegenden Risiko- auf die Gefåûwand ausçbt, und wird bestimmt
faktoren, von einem sich potenzierenden Effekt durch:
ausgegangen werden. n Herzminutenvolumen
Abgesehen von unbeeinflussbaren Faktoren n Gefåûwiderstand
wie dem Alter, teils auch spekulativen Faktoren, n venæsen Rçckfluss
wurde durch den wissenschaftlichen Nachweis
in sorgfåltig durchgefçhrten Langzeitstudien
der Zusammenhang zwischen bestimmten, im- Kommt es zu Stærungen des Gleichgewichts die-
mer wiederkehrenden Risikofaktoren und der ser variablen Græûen entstehen Hoch- oder Nie-
Atherosklerose erbracht. derdruck:
n Bei der Atherosklerose erhæht sich infolge
Zu den bekanntesten Studien zåhlen: von organischen Verånderungen der Arterien
n Framingham-Studie mit einer Laufzeit von 16 der Widerstand. Das Blut wird vor dem Ka-
Jahren (1949±1965) und einem Umfang von pillarbett aufgestaut, mit daraus resultieren-
5209 Patienten, die in einem 2-jåhrigen Tur- der Blutçberfçllung des arteriellen Systems.
nus untersucht wurden Die Folge ist eine arterielle Drucksteigerung.
n Baseler Studie mit einer Laufzeit von 17 Jah- n Im Schockzustand, der sich letztlich als Re-
ren (1959±1976) und einem Umfang von 6400 gulationsproblem der Mikrozirkulation dar-
Patienten stellt, wird das Blutvolumen zuungunsten des
Es wurden 7 Risikofaktoren nachgewiesen, die arteriellen Gefåûsystems verlagert. Es kommt
aufgrund ihrer atherogen wirksamen Potenz in zum Blutdruckabfall.
2 Gruppen unterteilt werden (Tabelle 2.1). Die 5 n Bei der Herzinsuffizienz wird infolge des
Hauptrisikofaktoren werden nachfolgend erlåu- Kontraktilitåtsverlusts ein geringes Herz-
tert. minutenvolumen gefærdert. Dadurch entsteht
ein Rçckstau vor dem rechten Herz in das
Tabelle 2.1. Atherogene Risikofaktoren venæse Gefåûsystem. Wåhrend der venæse
Druck ansteigt (venæse Hypertonie), sinkt
Risikofaktoren 1. Ordnung Risikofaktoren 2. Ordnung der arterielle Blutdruck.
(primår aus sich heraus (nur in Verbindung mit der
atherogen wirksam) ersten Gruppe atherogen
wirksam) n Nach der Weltgesundheitsorganisation wird
als Blutnormdruck definiert:
n arterieller Bluthochdruck n Ûbergewicht n Bis 40 Jahre: systolisch bis 140 mmHg;
n Fettstoffwechselstærungen n Bewegungsarmut diastolisch bis 90 mmHg
n Nikotin n Stress n Ab 40 Jahre: systolisch bis 160 mmHg;
n Diabetes mellitus diastolisch bis 95 mmHg
16 n 2 Risikofaktoren und Atherogenese

Grundsåtzlich wird ein niedriger Blutdruck als Im Rahmen der Atherogenese erlangt der
protektiver Faktor im Hinblick auf atherosklero- chronische Blutfettanstieg eine entscheidende
tische Erkrankungen angesehen. pathogenetische Bedeutung. Auf der Suche nach
In etwa 80% der Fålle bleiben die Ursachen aussagekråftigen Daten hierzu wurden die Plas-
eines Bluthochdrucks unerkannt (essenzielle malipoproteine in 2 Hauptklassen zerlegt und
Hypertonie). Bei Nierenarterienstenose (renaler laborchemisch analysiert. Dabei fand man ein
Hochdruck) und Aortenisthmusstenose sind Lipoprotein geringer und eines hoher Dichte:
Blutdrucksteigerungen (v. a. im jugendlichen Al- n LDL: Low-density-Lipoprotein
ter) eine mægliche Folge dieser Erkrankungen n HDL: High-density-Lipoprotein
und sollten unbedingt behandelt werden. Im-
merhin gehen etwa 5% aller Hypertonieformen Das Konzentrationsverhåltnis von Gesamtcho-
auf eine renovaskulåre Ursache zurçck. lesterin zu HDL wird zur Berechnung des Athe-
Gemåû dem Kreislaufgesetz von Ohm bedeu- roskleroserisikos herangezogen. Ein Wert von
tet eine Druckerhæhung die Zunahme der Fluss- çber 5 gilt als prognostisch ungçnstig. Dabei
geschwindigkeit, wodurch die Gefåûwand einer kann trotz normalem Gesamtcholesterin, jedoch
hæheren Belastung ausgesetzt wird. Eine direkte erniedrigtem HDL-Wert ein deutlich pathologi-
Folge sind zunehmende Turbulenzen in der scher Quotient und umgekehrt bestehen. Ent-
sonst laminaren Blutstræmung. Besonders an scheidend ist der HDL-Wert, welcher mæglichst
Gefåûaufzweigungen (Bifurkationen) und im hoch sein sollte. Hohe LDL-Spiegel gehen mit
Bereich stårkerer Krçmmungen kommt es zu einem deutlich erhæhten Risiko fçr kardiovasku-
nachteiligen Auswirkungen. Die schnelle Kern- låre Ereignisse einher.
stræmung wird aus der Mitte des Gefåûes gegen Als prognostisch gçnstig im Sinne einer Pro-
die Wand gelenkt. Die Blutteilchen treffen ver- phylaxe der Arterienverkalkung (man spricht
stårkt gegen die zarte Intima der Gefåûwand. auch vom vasoprotektiven Effekt) haben sich
Dabei kommt es zu Schåden an der Endothel- folgende Blutfettwerte erwiesen:
schicht, wodurch sich vermehrt arterielle n Triglyzeride £ 150 mg/dl
Thromben ausbilden. n Gesamtcholesterin £ 200 mg/dl
Als Risikofaktor kommt dem Bluthochdruck ± LDL-Cholesterin < 150 mg/dl
ein besonderer Stellenwert in der Entstehung ± HDL-Cholesterin > 55 mg/dl
von Hirndurchblutungsstærungen zu. Der
Schlaganfall durch intrazerebrale Blutungen
oder viel håufiger durch extrakranielle Karotis-
stenosen ist pathogenetisch v. a. einem dauer- n Studien
haft erhæhten Blutdruck anzulasten.
In Deutschland wird die Zahl der Patienten Die enge Beziehung zwischen Serumcholesterin-
mit Bluthochdruck auf 5±8 Mio. geschåtzt. Etwa wert und Risiko von koronaren Erkrankungen
12±15% der Gesamtbevælkerung bzw. 20±25% zeigen mehrere klinische Studien.
der Erwachsenen sind betroffen, von denen et- Sowohl bei der LRC(lipid research clinics co-
wa 20% behandelt werden. ronary priming prevention trial)- als auch der
MRFIT(multiple risk factor intervention trial)-
Studie fand sich eine Verdopplung des Herz-
2.1.2 Hyperlipidåmie infarktrisikos beim Anstieg der Cholesterinwer-
te auf 220±240 mg/dl (ausgehend von einem
Verånderungen des Fettstoffwechsels sind eng Normalwert £ 200 mg/dl).
verknçpft mit der Hæhe des Blutfettgehalts, der Die Studie 4S (Scandinavian Simvastin survi-
Konzentration an Cholesterin und Triglyzeriden val study) mit 4444 KHK-Patienten mit måûig
(Neutralfett). Dieses im Blut zirkulierende Fett erhæhten Cholesterinwerten ergab eine um 30%
wird, an bestimmte Transporteiweiûe (Lipopro- hæhere Todesrate unter der Plazebogruppe, was
teine) gekoppelt, den Kærperzellen zugefçhrt. zum Studienabbruch aus ethischen Grçnden
Cholesterin und Triglyzeride gelangen v. a. fçhrte. Neben diesen ålteren Studien existieren
durch die Nahrungsaufnahme ins Blut. Krank- zahlreiche neue, deren wichtigste Aussage lautet:
haft erniedrigte oder erhæhte Spiegel dieser eine konsequente Senkung der LDL-Werte im
Substanzen bezeichnet man als Hypo- bzw. Hy- Blut reduziert das Risiko kardiovaskulårer Er-
perlipoproteinåmie. krankungen um 30±45%.
2.1 Risikofaktoren n 17

Im Studienvergleich findet man aber auch die Aufklårung der Regulation des Cholesterin-
zahlreiche Publikationen, die einen direkten Zu- stoffwechsels den Nobelpreis fçr Medizin.
sammenhang von KHK und Hypercholesterinå- Bei den LDL-Rezeptoren handelt es sich um
mie verneinen. Man muss wohl davon ausgehen, Glykoproteine (Eiweiûe mit Zuckerketten), die
dass ein erhæhter Messwert nur dann als Risiko an Oberflåchen von Zellmembranen sitzen und
zu bewerten ist, wenn kærpereigene Regulatio- LDL-Partikel aus dem stræmenden Blut binden
nen (LDL-Rezeptoren) ungençgend wirksam kænnen. Danach wird LDL in die Zellen ge-
sind und so zur dauerhaften Hypercholsterinå- schleust (rezeptorgebundene Endozytose), wo es
mie fçhren. von Verdauungsenzymen abgebaut wird.
Das hierbei frei werdende Cholesterin kann
von den Zellen als Baustein verwendet werden
n Regulation des Cholesterinstoffwechsels zur Synthese von:
n neuen Zellmembranen
Das Cholesterin atherosklerotischer Herde n Myelinscheiden der Nerven
stammt aus kugeligen, im Blut zirkulierenden n Steroidhormon (in den Nebennieren)
Partikeln, den Lipoproteinen geringer Dichte n Geschlechtshormon (Ústradiol in den Eierstæ-
(LDL), wobei etwa 75% des Gesamtcholesterins, cken)
an das LDL gekoppelt, auf dem Blutweg trans- n Gallensåuren (in der Leber)
portiert werden. Die LDL-Teilchen (Abb. 2.1)
bestehen aus einem fettigen Kern (Cholesterin- Alle genannten Syntheseleistungen zeigen die
estern), der von Phospholipid- und Cholesterin- physiologische Bedeutung des Cholesterins als
molekçlen umgeben ist. Ein groûes Proteinmo- wichtigem Strukturbestandteil aller Zellen.
lekçl (Apoprotein-B100) dient als Andockstelle Die Gallensåurebildung in der Leber ist ein be-
am LDL-Rezeptor der Zelloberflåchen. Die Hæhe deutender Schritt im Cholesterinstoffwechsel.
des LDL-Blutspiegels steht in direktem Zusam- Dort wird der prozentual græûte Anteil zur Aus-
menhang mit dem Atheroskleroserisiko: je mehr scheidung gebracht: Etwa 75% des Gesamtcholes-
LDL, desto schneller entwickelt sie sich. terins werden von der Leber aufgenommen.
Das genaue Verståndnis des Cholesterinstoff-
wechsels begann mit der Entdeckung der LDL-
Rezeptoren im Jahr 1973 (durch amerikanische n Stellenwert der Rezeptoren
Forscher aus Texas). 1985 erhielten die beiden in Bezug auf das atherogene Risiko
Amerikaner M. S. Brown und J. L. Goldstein fçr
Die Zellen nehmen Cholesterin çber eine groûe
Zahl von LDL-Rezeptoren an ihrer Oberflåche
auf, was çber einen Feed-back-Mechanismus ge-
steuert wird. Bei Reduktion der Rezeptoren
oder bei angeborenen Stærungen (funktions-
unfåhige Rezeptorproteine) wird, hauptsåchlich
in der Leber, zu wenig Cholesterin in die Zellen
geschleust, woraus eine Ûberladung des Bluts
mit Cholesterin resultiert.
Seit 1939 kennt man die familiåre Hypercho-
lesterinåmie, eine angeborene Stoffwechsel-
krankheit, die in 2 Formen auftritt.
n Die mischerbige (heterozygote) Form kommt
in einer Håufigkeit von 1 : 500 vor und zeigt
bereits bei Neugeborenen doppelt so hohe
LDL-Blutwerte. Diese Menschen erleiden be-
reits in ihrem 3. Lebensjahrzehnt die ersten
Herzanfålle.
n Die reinerbige (homozygote) Form mit einer
Abb. 2.1. Schematische Darstellung eines LDL-Teilchens, Håufigkeit von 1 : 1 Mio. zeigt LDL-Spiegel,
Durchmesser: etwa 22 nm (1 nm = 1/106 mm), Masse: etwa 3 die bis zum 6-fachen çber der Norm liegen.
Mio. Molekçle; aus Goldstein u. Brown (1985) Hierbei treten die ersten Herzanfålle schon
18 n 2 Risikofaktoren und Atherogenese

im Alter von 10 Jahren auf und sind mit 20 Tabelle 2.2. Verånderungen unter Nikotinaufnahme
Jahren fast immer obligat.
Effekte
Insbesondere bei der reinerbigen Form der Hy-
n Nervensystem Erhæhung des Sympathikotonus
percholesterinåmie zeigt sich der kausale Zu- (akute Verån- Freisetzung von Katecholaminen
sammenhang von Risikofaktor und Atheroskle- derungen)
rose.
Bei der Aufklårung des Cholesterinstoffwech- n Kreislaufsystem Ûberbeanspruchung des Kreislaufs
durch erhæhten Sauerstoffverbrauch;
sels, speziell bei der familiåren Hypercholeste- nichtinhalierendes Rauchen einer hal-
rinåmie, fand man, dass die Kærperzellen ent- ben Zigarette fçhrt zu einem O2-Ver-
weder keine oder nur sehr wenige LDL-Rezep- brauch, der einer kærperlichen
toren besitzen und somit eine Verstoffwechse- Anstrengung von 20 W çber 20 min
lung des Cholesterins in nur ungençgendem entspricht. 20 Zigaretten/Tag belasten
Maû gewåhrleistet ist. das Herz genauso stark, wie 8 h Rad-
Ein zusåtzlicher pathogenetischer Aspekt der fahren gegen leichten Wind
Atherosklerose sind die Senkung der Prosta- n Blutfluss (chro- Erhæhung des Håmatokrits
zyklinsynthese durch LDL (vasoaggressiver nische Verån- Erhæhung des Fibrinogens (dadurch
Aspekt) und ihre Erhæhung durch HDL (vaso- derungen) Erhæhung der Blutviskositåt)
protektiver Effekt).
In zahlreichen Studien ist die pathophysiolo-
gische Bedeutung des Cholesterinstoffwechsels
untersucht und die Effektivitåt von Fettsenkern Stoffwechselaktivitåt verbrannt werden, bleiben
(Statinen) belegt worden. Eine groûe Metaanaly- sie beim Rauchen (stiller Stress) im zirkulieren-
se (38 Studien mit 83 161 Patienten) hat z. B. ei- den Blut, wo sie auf Dauer zum atherogenen Ri-
ne eindeutige Reduktion von Schlaganfållen un- siko beitragen (Tabelle 2.2).
ter aggressiver Cholesterinsenkung nachgewie- Zu den weiteren Effekten des Nikotins zåhlt
sen (Corvol et al. 2003). die Aktivierung des Enzyms Elastase. Diese
fçhrt zum verstårkten Abbau von Bindegewebe
und kann so die Entwicklung eines Arterien-
2.1.3 Nikotinkonsum aneurysmas bewirken. Des Weiteren wird die
Hautalterung (Faltenbildung) beschleunigt.
Ein Raucher geht 3 gesundheitliche Risiken ein: Rauchen steigert das Risiko fçr eine pAVK
n Nikotin ist ein kardiovaskulårer Risikofaktor. mit Auftreten einer Claudicatio intermittens um
n Teer ist ein kanzerogener Risikofaktor. das 8- bis 10-fache.
n Darçber hinaus besteht eine allgemeine Ge- Beim Rauchen werden aus einer Zigarette,
fåhrdung durch den breiten Einsatz von die etwa 10 mg Nikotin enthålt, 1±2 mg auf-
Pflanzenschutzmitteln im Tabakpflanzenan- genommen. Die tædliche Aufnahmedosis liegt
bau. bei 50 mg Nikotin.

Zu den Gesundheitsrisiken kommt als weiterer


wichtiger Gesichtspunkt das Suchtverhalten hin- 2.1.4 Diabetes mellitus
zu. Die Sucht wird durch die geringen Erfolge
belegt, die Entwæhnungskliniken erzielen. Mit Nach der WHO werden die in Tabelle 2.3 auf-
20% entspricht die Zahl der geheilten Patienten gefçhrten kapillaren Glukosewerte im Blut als
derjenigen, die bei Alkoholikern erreicht wird. normal bzw. pathologisch definiert.
Etwa 80% geben das Rauchen auch dann nicht Die Håufigkeit manifester Diabetiker liegt bei
auf, wenn schwerwiegende gesundheitliche Fol- etwa 3%; die einer prådiabetischen Veranlagung
gen drohen: Amputation einer Extremitåt, Herz- bei 15±20%.
infarkt oder Lungenerkrankungen.
Die Freisetzung von Katecholaminen unter Es gibt zwei verschiedene Erkrankungsformen:
Kærperbelastung beim Sport fçhrt zum Anstieg n Typ-1-Diabetes: Der insulinabhångige Dia-
von Zucker und Fett im Blut (so genannter akti- betes (juveniler Diabetes) tritt infolge absolu-
ver Stress). Wåhrend diese Substanzen beim ak- ten Insulinmangels auf und betrifft etwa 10%
tiven Stress im arbeitenden Muskel infolge der aller Diabetiker.
2.1 Risikofaktoren n 19

Tabelle 2.3. Glukosewerte im Blut n Komplikationen der Mikroangiopathie


Nçchtern 2-h-Wert (oGT) Beim Diabetiker tritt eine Retinopathie etwa
[mg/dl] [mg/dl] 25-mal håufiger, eine Nephropathie etwa 17-mal
n normal < 100 < 140 håufiger als beim Nichtdiabetiker auf.
Die Lebenserwartung betrågt 2/3 der Lebens-
n pathologische 100±120 140±200 erwartung von Nichtdiabetikern bei ungençgen-
Glukosetoleranz
der Einstellung der Zuckerwerte.
n diabetisch >120 >200

oGT oraler Glukosetoleranztest


2.1.5 Ûbergewicht
n Typ-2-Diabetes: Der insulinunabhångige Dia-
n Das Normgewicht kann nach der veralteten
betes (Erwachsenen- oder Altersdiabetes) tritt
Broca-Formel berechnet werden:
(bei erhaltener Insulinproduktion) infolge ei-
Kærperlånge [cm]±100 = Sollgewicht [kg] (ab-
ner Stærung der Insulinwirkung an den Ge-
zçglich 10% bei Månnern und 15% bei Frau-
weben auf (Muskulatur, Leber, Fettgewebe)
en vom Gesamtgewicht)
und betrifft etwa 90% aller Diabetiker.
n Die Berechnung des Body-mass-Index (BMI)
liefert eine genauere Bewertung des Kærper-
gewichts. Die Formel lautet:
n Bedeutung als atherogener Risikofaktor
K
orpergewicht in kg
Gefåûverånderungen unter Diabetes treten als BMI ˆ
Makro- oder Mikroangiopathie auf. Sie manifes- …K oûe in m†2
orpergr
tieren sich etwa 5 Jahre nach Ausbruch der Er-
krankung. Sie lassen sich mikroskopisch zwar Normalgewicht: < 25 kg/m2;
als Verdickung der Basalmembran der Kapilla- Ûbergewicht: 25±30 kg/m2;
ren nachweisen, Krankheitszeichen (Stærung der Adipositas: > 30 kg/m2.
Nieren-, Augen- und Durchblutungsfunktion)
kænnen bei sorgfåltiger Lebensfçhrung aber bei Ûbersteigt das Kærpergewicht das Sollgewicht
långer bestehender Zuckerkrankheit auf Jahre um mehr als 10% (BMI > 26), spricht man von
hinaus fehlen. Als Ursache der Gefåûstærungen Ûbergewicht. Wird das Sollgewicht hingegen
gelten: um > 10% unterschritten, spricht man von Un-
n Verånderungen der Erythrozytenflexibilitåt tergewicht. Bei hohen Abweichungen vom Soll-
(Auftreten von Erythrozytenaggregaten) gewicht werden pathologische Zustånde er-
n Neigung zur Thrombozytenaggregation reicht, die fçr eine Reihe von Krankheiten ver-
n Verånderungen der Leukozyten antwortlich sind. So ist ein Ûbergewicht > 20%
n Verånderungen der Gefåûwand (Permeabili- fçr den deutlichen Anstieg der kardiovaskulåren
tåtsstærungen) mit Verzuckerung der Zell- Mortalitåt verantwortlich zu machen.
matrix Das Ûbergewicht fçr sich genommen ist noch
kein eigentlicher Risikofaktor. Es zieht jedoch
Daraus resultieren eine deutliche Beeintråch- sekundår auftretende Stærungen nach sich, die
tigung der Flieûeigenschaften des Bluts sowie eine Reihe von Verånderungen bedingen. Die
Verånderungen an der Gefåûwand bis hin zur zum Ûbergewicht fçhrenden Essgewohnheiten
Mediasklerose des Diabetikers. Diabetes (mit sind oft mit einer vermehrten Cholesterinzufuhr
Glykosurie) erhæht das Klaudikationsrisiko um vergesellschaftet, die håufig einen Hypertonus
das 3,5-fache. nach sich zieht.
Der Gewichtsreduktion zur kausalen Behand-
lung eines Bluthochdrucks kommt deshalb eine
besondere Bedeutung zu. Man geht davon aus,
dass pro abgenommenem Kilogramm eine Blut-
druckabnahme von 3 auf 2 mmHg erfolgt. Als
Rechenbeispiel ergibt sich bei einer Gewichts-
abnahme von 10 kg eine Druckabnahme von 30
20 n 2 Risikofaktoren und Atherogenese

auf 20 mmHg. Ein çbergewichtiger Hochdruck- nungseiweiûe zur Ausbildung eines Fibrin-
patient mit Werten von 170 : 100 mmHg wçrde gerinnsels fçhren. Das Eiweiûgerinnsel und die
durch eine Gewichtsabnahme von 10 kg einen Blutplåttchen bilden schlieûlich den Gerin-
Blutdruck von 140 : 90 mmHg erreichen. Allein nungspfropf, der durch eine weitere Vernetzung
durch Regulation des Kærpergewichts kænnte zunehmend verfestigt wird.
dieser Patient zum Normotoniker werden. Wåhrend unter normalen Bedingungen die
Der genetische Mechanismus zur Regulation reparativen Vorgånge an der Gefåûwand hiermit
des Kærpergewichts ist auf Chromosom 6 lokali- abgeschlossen sind, fçhrt ein ståndig wirksamer
siert (¹ob-Genª = Obesitasgen). Schådigungsmechanismus zu gravierenden Ver-
ånderungen:
Infolge der anhaltenden Intimaschådigung
2.1.6 Alter (Response-to-injury-Theorie) kommt es einer-
seits zur Thrombozytenadhåsion und -aggrega-
Auch wenn es nicht zu den eigentlichen Risiko- tion, andererseits zur Einwanderung von Zellen,
faktoren zåhlt, ist das Altwerden, zusammen den Monozyten, aus dem stræmenden Blut in
mit den vorgenannten echten Risiken, ein zu- die Gefåûwand. Dabei werden Inhaltsstoffe der
såtzlicher Faktor. Daten der Framingham-Studie aktivierten Thrombozyten çber die so genannte
zeigen beispielsweise, dass Karotisstenosen im Freisetzungsreaktion in die Gefåûwand abge-
Alter vermehrt auftreten: mit 75 Jahren haben geben, von denen insbesondere ein Wachstums-
9% der Månner und 7% der Frauen eine Karo- faktor von pathogenetischer Bedeutung ist.
tisstenose von çber 50%, wåhrend bis 50 Jahre Durch seine Aktivierung kommt es zur Prolife-
die Stenosehåufigkeit unter 1% liegt. Pråvalenz- ration der glatten Muskelzellen der Gefåûwand.
raten fçr die periphere arterielle Verschluss- Mitbeteiligt an diesem Geschehen sind die ein-
krankheit (der Beine) zeigen ebenfalls einen gewanderten Monozyten, die durch Aufnahme
deutlichen Zusammenhang mit dem Alter. Von und Einlagerung von Cholesterin fettig degene-
etwa 2% pAVK bei unter 50-Jåhrigen, steigt die rieren. Es entwickelt sich die so genannte myo-
Rate auf etwa 20% bei çber 75-Jåhrigen an. gene Schaumzelle, die sich als atherogene
Plaque im Verband ausbildet und zu einem
Stræmungshindernis heranwåchst. Die Einlage-
rung von Kalzium fçhrt zu einer zunehmenden
Verhårtung. Im weiteren Verlauf kommt es zu
2.2 Atherogenese

Unter normalen, physiologischen Bedingungen


herrscht ein Gleichgewicht zwischen vasopro-
tektiven und vasoaggressiven Mechanismen im
stræmenden Blut, wodurch eine Atherosklerose
verhindert wird. Diese normale Blut-Gefåû-
wand-Homæostase kann unter Einwirkung athe-
rogener Risikofaktoren entgleisen. Es kommt ±
zuungunsten vasoprotektiver Schutzfunktionen
± zu einer atherosklerotischen Gefåûverån-
derung. Diese nimmt ihren Ausgang immer von
einem Intimaschaden der Gefåûwand.
Eine Intimalåsion stellt einen starken lokalen
Reiz zur Anheftung von Blutplåttchen dar, der
zur fortschreitenden Anheftung (Thrombozy-
tenadhåsion) und Verklebung (Thrombozyten-
aggregation) weiterer Plåttchen aus dem
stræmenden Blut fçhrt. Dieser zunåchst physio-
logische Vorgang dient der Reparatur eines Ge-
fåûwandschadens und wird durch die Aktivie-
rung des Blutgerinnungssystems komplettiert, Abb. 2.2. a Weites Lumen einer normalen Arterie, b begin-
unter dessen Einwirkung die aktivierten Gerin- nende, exzentrische Stenose
2.2 Atherogenese n 21

Abb. 2.4. Stræmungsphånomene an einer Gefåûverzweigung


(Bifurkation)

Abb. 2.3. Entstehung einer arteriellen Gefåûstenose

einer Gefåûverkalkung (Abb. 2.2) und schlieû-


lich zur Stenose (Abb. 2.3).
Gefåûverkalkungen treten in den Arterien
ungleichmåûig verteilt auf, sie werden an be-
stimmten Gefåûstrecken bevorzugt beobachtet.
Neben globalen Risikofaktoren spielen auch lo-
kale Verhåltnisse, der anatomische Gefåûverlauf Abb. 2.5. Elektronenmikroskopische Aufnahme einer Gefåû-
und die physikalischen Gesetze der Blutstræ- aufzweigung im Bereich einer kleinen Arterie (Arteriole), Fur-
mung eine wichtige Rolle. Von ihnen hångt ab, chen des Endothels verlaufen als Ausdruck der Stræmung in
an welchen Stellen es verstårkt zu Låsionen der longitudinaler Richtung, Wirbelbildungen, v. a. im Bereich von
Intima und zur Auslæsung pathologischer Vor- Aufzweigungen, sollen hierdurch reduziert werden
gånge an der Gefåûwand kommt.
Zu den Orten der Erstlåsion mçssen Verzwei-
gungen, Krçmmungen und bereits bestehende An der Atherogenese beteiligte Faktoren sind:
Stenosen gerechnet werden. An diesen Prådilek- n Atherogene Risikofaktoren
tionsstellen kommt es zur Stærung der lamina- ± 1. Ordnung
ren Stræmung mit Wirbelbildung, Ablæsungs- ± 2. Ordnung
zonen, Stagnationspunkten und Rçckstromphå- n Anatomische Verhåltnisse
nomenen. Wie Stræmungsmodelle gezeigt ha- ± Abzweigung (Seitenåste)
ben, richtet sich wegen der Ablenkung der Blut- ± Aufzweigung (Bifurkation)
stræmung der zentrale Teilchenstrom gegen die ± Krçmmungen (Elongation)
Gefåûwand, wo er auf Dauer (Erythrozyten als ± Schlingen (Coiling)
Geschossteilchen) zur Schådigung der zarten ± Abknicken (Kinking)
Endothelzellschicht fçhrt. Die Abbildungen 2.4 n Physikalische Græûen
und 2.5 verdeutlichen die Stræmungsphånomene ± lokales Stræmungsverhalten
an einer Gefåûverzweigung (Bifurkation). ± Flussgeschwindigkeit
± Turbulenzen
± Wandscherkraftånderungen
22 n 2 Risikofaktoren und Atherogenese

Davies MJ (1992) Pathogenesis of atherosclerosis.


2.3 Atherosklerose Curr Opin Cardiol 7: 541±545
und Lebenserwartung Dzau VJ, Gibbons GH, Morishita R, Pratt RE (1994)
New perspectives in hypertension research. Hy-
pertension 23: 1132±1140
Die Definition der Atherosklerose nach der Engelberg H (1989) Endothelium in health and dis-
WHO (1958) lautet: ease. Semin Thromb Hemost 15: 178±183
¹[. . .] eine variable Kombination von Verån- Epstein FH (1999) Atherosclerosis ± an inflamma-
derungen der Intima von Arterien, die aus einer tory disease. N Engl J Med 340: 115±126
herdfærmigen Ansammlung von Lipiden, Poly- Faxon DP, Fuster V, Libby P et al (2004) Athero-
sacchariden, Blut, Blutbestandteilen, fibræsem sclerotic Vascular Disease Conference. Writing
Gewebe und Kalziumablagerungen besteht und Group III: Pathophysiology Circulation 109:
begleitet wird von Verånderungen der Media.ª 2617±2625
¹[. . .] und kompliziert wird durch teilweisen Feuvray D, Lopaschuk GD (1997) Diabetes mellitus
and the cardiovascular system. Cardiovasc Res
oder vælligen thrombotischen Verschluss des
34: 1±2
Lumensª [Ergånzung durch Allen (1962)]. Goldstein JL, Brown MS (1985) The LDL receptor
1956 prågte Ratschow den Begriff der arte- and the regulation of cellular cholesterol metabo-
riellen Verschlusskrankheit (AVK), 1959 wurde lism. J Cell Sci Suppl 3: 131±137
der Begriff der obliterierenden Gefåûkrankheit Grundy SM, Benjamin IJ, Burke GL et al (1999) Dia-
durch Hess eingefçhrt. betes and cardiovascular disease. A statement for
Schlaganfall, Herzinfarkt und Extremitåten- healthcare professionals from the American Heart
gangrån stellen das Endstadium einer meist Association. Circulation 100: 1134±1146
çber Jahre fortschreitenden Erkrankung der Ar- Hopkins RW (1991) Presidential address: energy,
terien dar, die sich v. a. aufgrund vorhandener poise, and resilience. Daniel Bernoulli, Thomas
Young, J. L. M. Poiseuille, and F. A. Simeone. J
atherogener Risikofaktoren zunåchst symptom-
Vasc Surg 13: 777±784
los entwickelt und schlieûlich im irreversiblen, Iijima K, Yoshizumi M, Hashimoto M et al (2000) Red
ischåmischen Gewebeuntergang gipfelt. wine polyphenols inhibit proliferation of vascular
Gefåûverkalkung und Lebenserwartung sind smooth muscle cells and downregulate expression
nach Analysen aus der Framingham Studie eng of cycline A gene. Circulation 101: 805±811
miteinander verknçpft. Je nach arterioskleroti- Karino T, Goldsmith HL (1984) Role of blood cell ±
schem Organbefall ergeben sich folgende Zahlen wall interactions in thrombosis and atherogen-
fçr die Lebenserwartung: esis: a microrheological study. Biorheology 21:
n erstmaliger Schlaganfall: 8,8 Jahre 587±601
n erstmaliger Myokardinfarkt: 13,9 Jahre Karino T, Kwong HHM, Goldsmith HL (1979) Parti-
cle flow behaviour in models of branching ves-
n erstmalige Diagnose einer peripheren arte-
sels: I. Vortices in 908 T-junctions. Biorheology
riellen Durchblutungsstærung: 16 Jahre. 16: 231±248
Karsch KR (1992) Atherosclerosis ± where are we
heading? Herz 17: 309±319
Khattar RS, Swales JD, Banfield A, Dore C, Senior R,
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2.4 Literatur brovascular morbidity and mortality by direct
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3 Gefåûdiagnostik
Neben Anamnese und årztlicher Untersuchung einzuschlagenden Therapie. Sie besteht in der
nimmt die apparative Diagnostik in der Gefåû- Aufklårung und Beratung çber bestehende Risi-
untersuchung einen hohen Stellenwert ein. Zur kofaktoren, der Empfehlung eines Gehtrainings
Anwendung kommen invasive und nichtinvasive und evtl. einer medikamentæsen Behandlung.
Methoden, die sich bezçglich der Datenerhe-
bung in bildgebende und funktionsmessende
Verfahren unterscheiden lassen. Wåhrend bei
den bildgebenden Methoden v. a. Aussagen zur
Gefåûmorphologie gewonnen werden, bezieht
3.1 Nichtapparative Gefåûdiagnostik
die zweite Gruppe Stellung zum funktionellen
Gefåûzustand. 3.1.1 Anamnese
Eine Einteilung in qualitative oder quantitati-
ve Verfahren erlaubt Aussagen in Bezug auf die Symptome wie Zeitdauer, Belastbarkeit, Lageab-
Håmodynamik (Fluss-, Druck-, Volumenverhal- hångigkeit und Schmerzverlauf mçssen erfragt
ten). Zu den qualitativen Verfahren zåhlen die und daraus wichtige Schlçsse hinsichtlich Loka-
Ultraschalldopplersonographie und die Phlebo- lisation und Ursache des Befundes gezogen wer-
dynamometrie. Zu den quantitativen Methoden den (Tabelle 3.1).
zåhlen die Lichtreflexionsplethysmographie und
die Verschlussplethysmographie.
Die Gefåûkrankheiten mit ihren unterschied- Tabelle 3.1. Anamnestische Befunde
lichen Stadien mçssen hinsichtlich ihrer vitalen
Gefåhrdung (Schlaganfallrisiko, amputations- Zeitdauer Lokalisation Ursache
bedrohte Extremitåt) differenziert gewertet wer-
n kurze arteriell meist Embolie,
den. Weil ein operatives Vorgehen nicht immer Vorgeschichte seltener Thrombose
zwingend geboten ist, ist auch in der Diagnos- Aneurysma
tik Zurçckhaltung geboten. Neben der Anamne- venæs Phlebothrombose
se haben die nichtinvasiven diagnostischen Me- Lungenembolie
thoden, hierunter v. a. der Tastbefund und die
n långere arteriell fortschreitende
Ultraschalluntersuchung, eine besondere Bedeu-
Vorgeschichte Atherosklerose
tung. (Wochen, Monate, Aneurysma
Die invasiven Verfahren (Arteriographie, Jahre)
Phlebographie) mçssen im Hinblick auf ihre Ri- venæs chronisch venæse
Insuffizienz
siken und Komplikationsmæglichkeiten genau
abgewogen werden. Sie haben immer dann ihre lymphatisch Lymphædem
(primår, sekundår)
Berechtigung, wenn eine operative oder andere
invasive Konsequenz in Frage kommen.
Ein Gefåûpatient mit reduzierter Gehstrecke
(Klaudikationsstadium II) muss z. B. nicht zwin-
gend arteriographiert werden. Die Erhebung
der Anamnese und des arteriellen Gefåûstatus
(Pulstastbefund, Dopplerdruckmessung) erlaubt
eine hinreichend genaue Einschåtzung der
Durchblutungssituation und die Festlegung der
26 n 3 Gefåûdiagnostik

n Belastbarkeit bose) abgeklårt werden (Duplexsonographie,


Phlebographie). Anamnestisch sollten der
Fçr das Vorliegen einer arteriellen Stærung spre- Schwellungs- und Schmerzverlauf erfragt wer-
chen håufig belastungsabhångige Beschwerden: den (primår aufsteigende Wadenschwellung : as-
n schmerzhafte Gehstreckenminderung (Clau- zendierende Unterschenkelthrombose; primårer
dicatio intermittens) Flanken- oder Leistenschmerz : deszendierende
n Herzanfålle (belastungsabhångige oder -un- Becken-Oberschenkel-Venenthrombose), da sich
abhångige Angina pectoris) hieraus wichtige therapeutische Konsequenzen
n abdominelle Schmerzen nach dem Essen ableiten.
(Angina abdominalis bei Stenosen der Ein- Das Auftreten von farblichen Hautverån-
geweidearterien) derungen spricht in der Regel fçr eine deutliche
n einseitige neurologische Ausfålle (Hirn- pathologische Durchblutungssituation:
durchblutungsstærungen bei Stenosen der n gelblich-weiû: akuter embolischer arterieller
supraaortalen Arterien) Verschluss (betrifft græûere Anteile, ganzer
Fuû/ganze Hand); Raynaud-Phånomen (be-
Fçr das Vorliegen einer venæsen Stærung spre- trifft einzelne Finger/Zehen; ist meist deut-
chen belastungsunabhångige Beschwerden: lich abgegrenzt)
n Spannungsgefçhl, Schmerzen im Bein beim n rætlich-grau: chronische arterielle Ver-
Stehen oder Sitzen (Varizen oder Thrombo- schlusskrankheit, arterielle Thrombose
se); Besserung beim Gehen (Varizen) n blåulich: tiefe Venenthrombose
n schwarz: Nekrosestadium (AVK-Stadium IV)

n Lageabhångigkeit
3.1.3 Palpation
Eine Besserung der Beschwerden (Bein/Arm) in
Tieflagerung bedeutet arterielle Stærung, Bes- Es werden arterielle Pulse (Abb. 3.1) und Tem-
serung der Beschwerden (Bein/Arm) in Hoch- peraturunterschiede registriert:
lagerung venæse Stærung. n kçhle bis kalte Haut: akuter arterieller Ver-
schluss; tiefe Venenthrombose
n Ûberwårmung der Haut: akute Venenentzçn-
dung
n Schmerzlokalisation

Bei arteriellen Erkrankungen ist die Schmerzlo-


kalisation mit dem Erkrankungsort nicht iden-
tisch. Der typische Ischåmieschmerz (bei Belas-
tung) wird deutlich unterhalb der Stenose ge-
schildert (ein Oberschenkelverschluss bereitet
Wadenschmerzen).
Bei einer venæsen Erkrankung dagegen sind
Schmerzlokalisation und Erkrankungsort iden-
tisch.

3.1.2 Inspektion Abb. 3.1. Palpation

Alle åuûeren Auffålligkeiten werden registriert,


wobei insbesondere Umfang und Farbe einen
wichtigen diagnostischen Hinweis liefern:
Unter angiologischem Gesichtspunkt sind
Schwellungen der Extremitåten, insbesondere
einseitige Schwellungen, primår immer throm-
boseverdåchtig. In diesem Fall sollte grundsåtz-
lich eine tiefe Venenthrombose (Phlebothrom-
3.2 Apparative nichtinvasive Gefåûdiagnostik n 27

3.2 Apparative nichtinvasive


Gefåûdiagnostik

3.2.1 Auskultation

Mit der Auskultation (Stethoskop) kænnen Gefåû-


verengungen (Karotis- oder Femoralisstenosen),
die ein typisches pfeifend-zischendes Stenosege-
råusch hervorrufen, nachgewiesen werden.
Die Auskultation eignet sich auch fçr die Diag-
nose von AV-Fisteln. Dabei handelt es sich um
therapeutisch erzeugte Verbindungen zwischen
Abb. 3.2. Scipione Riva-Rocci (1863±1937)
einer Arterie und einer Vene (Dialyseshunt) oder
um arteriovenæse Kurzschlussverbindungen als
Folge einer Gefåûverletzung (traumatisch oder druck langsam kontinuierlich (etwa 3 mmHg/s)
therapeutisch nach Punktionen). Die AV-Fistel abgelassen. Zunåchst kann unterhalb der Man-
erzeugt ein unverwechselbares, kontinuierliches schette çber der Arterie kein Geråusch auskul-
Stræmungsgeråusch (systolisch und diastolisch), tiert werden. Derjenige Manschettendruck, der
das auskultiert werden kann. gerade den hæchsten Schlagaderdruck (den das
Da mit der Auskultation eines Stenosegeråu- Herz als Maximaldruck aufbringt) unterschritten
sches nichts çber die Ausdehnung atherosklero- hat und somit die arterielle Pulswelle nach distal
tischer Verånderungen nach proximal oder dis- passieren låsst, entspricht dem systolischen Blut-
tal ausgesagt werden kann, hat dieses Verfahren druck und wird als oberer Wert registriert; es gel-
in der Gefåûdiagnostik keinen besonderen Stel- ten die ersten nacheinander registrierten 2±3
lenwert. hærbaren Schlåge als systolischer Wert.
Wåhrend der weiteren Druckablassphase
muss sich das Blut gegen den noch teilweise be-
3.2.2 Blutdruckmessung (indirekte Methode) stehenden Manschettendruck hindurcharbeiten
(entsprechend einer Gefåûstenose), wodurch
Die Blutdruckmessung dient in erster Linie der kontinuierlich die Korotkow-Geråusche auskul-
Feststellung eines Bluthoch- bzw. Blutunter- tierbar sind. Erst beim Unterschreiten des Man-
drucks und hat damit einen diagnostischen schettendrucks unter den niedrigsten Schlag-
Stellenwert. aderdruck, den das Herz als Minimaldruck auf-
Neben der Mæglichkeit einer exakten arteriel- bringt, wird fçr das durch die Manschette
len (oder venæsen) Druckmessung mittels stræmende Blut der Weg nach distal frei passier-
Punktion des betreffenden Gefåûes sowie der bar. Die Tæne werden deutlich leiser oder ver-
Druckregistrierung (Druckwandler, Monitoran- schwinden ganz (gelegentlich bleiben die Geråu-
zeige) als invasives Verfahren soll hier auf die sche auch bis zum vælligen Druckabfall der
nichtinvasive, indirekte Methode der Blutdruck- Manschette auf Null hærbar). Als diastolischer
messung nach Riva-Rocci eingegangen werden. Blutdruck wird derjenige Wert registriert, der
Eingefçhrt wurde das heute çbliche (indirekte) dem deutlichen Nachlassen bzw. dem Aufhæren
Verfahren 1896 durch den italienischen Arzt der Korotkow-Geråusche entspricht.
Scipione Riva-Rocci (Abb. 3.2), daher auch RR- Zur Vermeidung systematischer Messfehler
Wert, wonach aus der Hæhe des Oberarmman- muss die Manschettenbreite dem Oberarm-
schettendrucks direkt auf den arteriellen Blut- umfang angepasst werden. Hierbei gelten die in
druck geschlossen werden kann. Tabelle 3.2 aufgefçhrten Græûen.
Ergånzt wurde diese Methode 1905 durch
den russischen Arzt Korotkow, der die Auskulta- n Grundsåtzlich sollte die erste Blutdruck-
tion der Arterie unterhalb der Manschette ein-
messung immer an beiden Armen erfolgen,
fçhrte. Die dabei auftretenden Geråusche wur-
um eine vorgeschaltete Oberarmarterien-
den nach ihm benannt (Korotkow-Geråusche).
stenose auszuschlieûen. Dabei gilt der hæher
Nach Aufpumpen der Manschette çber den zu
gemessene Blutdruck als wahrer Blutdruck.
erwartenden Blutdruck wird der Manschetten-
28 n 3 Gefåûdiagnostik

Tabelle 3.2. Anpassung der Manschette als Wellenlånge definiert und mit dem grie-
chischen Buchstaben Lambda (k) bezeichnet.
Gliedmaûenumfang Manschettenbreite Eine volle Schwingung (von 0 zum Wellenmaxi-
mum, çber 0 zum Wellenminimum und zu 0
20±40 cm (z. B. Oberarm) 12 cm
zurçck) heiût Periode.
> 40 cm (z. B. Oberschenkel) 16±20 cm Die Maûeinheit der Frequenz (Anzahl der
< 20 cm (z. B. Kinder) bis 8 cm Schwingungen/s) wird in Hertz [Hz] angegeben.
Physikalischer Zusammenhang:
n 1 Hz = 1 Schwingung/s
Druck = Kraft/Flåche; n 1 kHz = 1000 Schwingungen/s
bei sinkender Auflageflåche steigt der Druck n 1 MHz = 1 000 000 Schwingungen/s
n Infraschall (Frequenzen unterhalb der
menschlichen Wahrnehmung): £16 Hz
Blutdruckdifferenzen bis etwa 20 mmHg (zwi- n Hærschall (Frequenzen im menschlichen
schen linkem und rechten Oberarm) gelten als Hærbereich): 16 000±20 000 Hz
physiologisch. Ein hæherer Blutdruckunter- n Ultraschall (Frequenzen oberhalb der
schied sollte an eine vorgeschaltete Stenose der menschlichen Hærgrenze): ³ 20 000 Hz
A. subclavia denken lassen, die håufig ohne Be-
schwerden einhergeht. 1675 entdeckte der dånische Astronom Ole
Ræmer die Rotverschiebung beim Be-
trachten sich fortbewegender Galaxien.
3.2.3 Ultraschallverfahren 1842 beobachtete der æsterreichische Physiker
Christian Doppler die Frequenzverschie-
Sonographische Untersuchungsmethoden haben bung am Spiralnebel.
die angiologische Diagnostik in vielerlei Hin- 1959 erfolgte die transkutane Blutflussmessung
sicht veråndert. Mit ihnen lassen sich die durch Dopplerverfahren (Satomura).
Stræmung, ihre Richtung, ihre Geschwindigkeit 1967 wurden erstmals die Stræmungsrichtung
und morphologische Verånderungen (Wandpla- bestimmt und Direktionaldopplergeråte
ques) nichtinvasiv mit hoher Sensitivitåt und entwickelt (McLeod).
Spezifitåt bestimmen. Entsprechend ihrer hohen 1973 fand die erste Karotisdoppleruntersuchung
Bedeutung sollen deshalb die Grundlagen der mit Differenzierung einzelner Gefåûab-
Sonographie besprochen werden. schnitte (Pourcelot) statt.

n Wellentheorie und Historie n Physikalisches Prinzip


Schallwellen breiten sich in ihrer Laufrichtung Hochfrequenter Ultraschall (3±10 MHz) durch-
geradlinig aus (Abb. 3.3) und die von ihnen er- dringt biologisches Gewebe und wird an Grenz-
fassten Teilchen werden in Schwingung versetzt. flåchen unterschiedlicher Dichte reflektiert. Ein
Die dabei entstehenden periodischen Wellen unterschiedlicher Gewebewiderstand stellt dabei
weisen verschiedene Teilchendichten auf, die die Grundbedingung der Schallwellenreflexion
sich als Wellenmaxima oder -minima åuûern. dar und wird auch als Wellenwiderstand (Impe-
Der Abstand zweier Maxima oder Minima wird danz) bezeichnet.
Bewegen sich die Grenzflåchen, tritt aufgrund
des Dopplereffekts beim reflektierten Schall eine
Frequenzånderung gegençber der Sendefre-
quenz ein. Diese wird auch als Dopplershift be-
zeichnet. Dabei gilt:
n Ein Blutfluss auf die Dopplersonde zu fçhrt
zur Frequenzerhæhung (Abb. 3.4).
n Ein Blutfluss von der Dopplersonde weg
fçhrt zur Frequenzerniedrigung (Abb. 3.5).
Abb. 3.3. Eigenschaften von Schallwellen: longitudinale Aus- n Hochfrequente Geråusche bedeuten eine
breitung, mechanische Komprimierbarkeit, periodische Aus- schnelle Stræmung (z. B. Arterie, Stenose-
breitung bereich).
3.2 Apparative nichtinvasive Gefåûdiagnostik n 29

B-Bild-Verfahren (auch B-mode-Verfahren) be-


zeichnet, wobei ¹Bª fçr ¹brightnessª (Helligkeit)
steht. Diese Form der Untersuchung wird vor-
wiegend in der Organdiagnostik eingesetzt.
Die Kombination des Doppler- mit dem
B-Bild-Verfahren wird Duplexsonographie ge-
nannt. Bildgebende und flussmessende Signale
werden als kombiniertes Bild dargestellt und
tragen zur erweiterten Gefåûinformation bei.
Die farbliche Kodierung der aufgenommenen
Abb. 3.4. Bewegte Grenzflåchen: Frequenzerhæhung zwischen Signale låsst noch differenziertere Aussagen zu,
ausgesendeter und empfangener Frequenz, wenn sich der sodass eine Angiographie håufig çberflçssig
Blutfluss auf die Sonde zu bewegt; die Frequenzdifferenz
wird.
(Dopplershift) liegt im Kilohertzbereich und ist damit hærbar
Beim Eindringen in und Durchdringen von
Geweben unterliegen Schallwellen einer Reihe
von physikalischen Prozessen, die insgesamt zur
Schallabschwåchung fçhren. Zu den wichtigsten
Vorgången der Abschwåchung gehæren Absorp-
tion, Reflexion und Streuung. Aufgetretene
Energieverluste machen sich in einer Min-
derung der Information bemerkbar und kænnen
zu Fehleinschåtzungen fçhren:
Die Absorption (Abb. 3.7 a) macht den Haupt-
Abb. 3.5. Bewegte Grenzflåchen: Frequenzerniedrigung zwi- anteil der Schallabschwåchung aus, was durch
schen ausgesendeter und empfangener Frequenz, wenn sich leichte Verstårkung (TGC = time gain compensa-
der Blutfluss von der Sonde weg bewegt; die Frequenzdiffe-
renz (Dopplershift) liegt ebenfalls im hærbaren Bereich

Abb. 3.6. Ruhende Grenzflåchen: reflektierter gegençber aus-


gesendetem Schall unveråndert, Dopplereffekt tritt nicht auf

n Niederfrequente Geråusche bedeuten eine


langsame Stræmung (z. B. Vene, poststenoti-
scher Bereich einer Arterie). b
n Dopplerultraschalluntersuchungen werden
in der Gefåûdiagnostik angewendet.

Im Gegensatz dazu bleibt bei ruhenden Gewe-


begrenzflåchen der ausgesendete und reflektier-
te Schall in seiner Frequenz unveråndert
(Abb. 3.6). Durch die Aufzeichnung des reflek-
tierten Schalls wird das entsprechende Organ- c
bild erzeugt. Die dabei aufgenommenen Ultra-
schallsignale werden zu Bildern unterschiedli- Abb. 3.7. Schallbeeinflussung, a Absorption, b Reflexion,
cher Helligkeit verarbeitet und als so genanntes c Streuung
30 n 3 Gefåûdiagnostik

tion) ausgeglichen wird. Grenzflåchen unter- dene Frequenzånderung elektronisch gemessen.


schiedlicher akustischer Impedanz (Z) fçhren Die Differenz zwischen ausgestrahlter und emp-
zur Reflexion und liefern das Echobild (Abb. fangener Frequenz wird Dopplershift genannt.
3.7 b). Z ist im weichen Gewebe niedrig, in Kno- Sie liegt im Kilohertzbereich und ist damit
chen hoch. An Flåchen mit hohen Dichteunter- hærbar.
schieden (Knochen, Luft, Kalk) kommt es zur Grundsåtzlich wird im CW-Betrieb eine Sam-
Totalreflexion. Dahinter gelegene Strukturen melinformation des beschallten Gewebeab-
sind nicht schallbar, wodurch es zum Informati- schnitts gewonnen, ohne die Mæglichkeit einer
onsverlust kommt. Berechnet wird dieser Verlust gezielten Information. Dies trågt z. B. beim Be-
mit: schallen zweier benachbarter Gefåûe zur Unge-
nauigkeit bei. Ein wesentlicher Vorteil des CW-
Z ˆqv Dopplers ist die Stræmungsmessung unabhångig
von der Flussgeschwindigkeit, insbesondere bei
mit q Densitåt, v Schallgeschwindigkeit. Gefåûen mit schneller Stræmung.
Durch Streuung (Abb. 3.7 c) kommt es zur Alternativ zur kontinuierlichen Schallerzeu-
frequenzabhångigen (f = Schallfrequenz) Intensi- gung kænnen von einem Sondenkristall einzelne
vierung (I): Schallwellen mit kurzen Unterbrechungen aus-
gesendet werden. Diese Form wird als gepulste
I  f4 oder pulsierende Sonographie bezeichnet (pw =
pulse wave, PW-Dopplergeråte). Dabei dient
derselbe Kristall als Schallwellensender und
n Dopplersonographie -empfånger.
Die Frequenz der im PW-Betrieb ausgesende-
Technische Grundlagen ten Schallwelle wird als Wiederholungs- oder
Pulsrepetitionsfrequenz (PRF) bezeichnet.
Die Dopplersonographie hat fçr die Gefåûdiag- Die so ausgesendeten Schallwellenpakete be-
nostik groûe Bedeutung. Die Anwendung der nætigen eine bestimmte Zeit bis zum Messort
Methode (Tabelle 3.3) verlangt anatomische (Reflexionsort) und zurçck, die als Laufzeit (T)
Kenntnisse çber Verlauf, Varianten und Lage- bezeichnet wird. Durch Auswahl eines entspre-
anomalien des arteriellen und venæsen Gefåû- chenden Zeitfilters kænnen Signale aus einer be-
systems. Aufbau und Funktionsweise der ver- stimmten Tiefe (sample volume) selektiv emp-
wendeten Systeme mçssen bekannt sein, um fangen werden. Bei der Signalverarbeitung
systematische Fehler in der Befunderhebung zu kænnen so Informationen (Messproben) aus ei-
vermeiden. Die Interpretation der empfangenen ner vordefinierten Tiefe gewonnen und ver-
Signale setzt fachliche Kompetenz und ein kriti- arbeitet werden, wåhrend zeitlich versetzt ein-
sches Urteilsvermægen voraus, um einschåtzen treffende Schallwellenechos unberçcksichtigt
zu kænnen, was noch normal oder schon patho- bleiben (Abb. 3.8).
logisch ist. Zuletzt sind aus den erhobenen Be-
funden entsprechende Konsequenzen zu ziehen
(weitere invasive Diagnostik, medikamentæse
oder operative Therapie).
Am håufigsten werden Geråte mit kontinuier-
licher Schallwellenaussendung und kontinuierli-
chem Empfang eingesetzt, so genannte CW-
Dopplergeråte (cw = continous wave). Hierbei
werden von einem Kristall (in der Schallsonde),
der bei angelegter elektrischer Spannung in
Schwingungen geråt (piezoelektrischer Effekt),
ståndig Schallwellen ausgesendet. Ein zweiter
Kristall registriert die reflektierten, zurçckkeh-
renden Schallwellen und dient als Empfånger.
Im Gefåûsystem wird die von der Sonde aus-
gesendete Schallwelle von den sich bewegenden
Erythrozyten reflektiert und die dabei entstan- Abb. 3.8. PW-Doppler
3.2 Apparative nichtinvasive Gefåûdiagnostik n 31

Tabelle 3.3. Begriffe der Dopplersonographie

Bezeichnung Anwendung/Bedeutung

Aliasing (Nyquist-Phånomen) Frequenzabhångige Fehlinterpretation des Dopplerechosignals; tritt nur bei der
Duplexsonographie (pw-Modus), jedoch nicht bei der Dopplersonographie
(cw-Modus) auf. Zur Vermeidung eines Alias-Effekts sollte die PRF etwa doppelt
so hoch wie die Dopplerfrequenz eingestellt werden.
Autokorrelation Wichtiger mathematischer Rechenprozess (Umwandlung und Weiterverarbeitung)
von Echosignalen durch das Ultraschallgeråt. Hierbei wird das eintreffende Dopp-
lerecho (Dopplerfrequenz) in 3 Informationen zerlegt:
± Signalbild mit Vorwårts- und Rçckwårtsanzeige
± Signalgræûe (Amplitude)
± mittlere Abweichung (Varianz) der Dopplerfrequenz.
Grundlage dieser Prozesse bilden die Demodulation hoch- und niederfrequenter
Signale und ihr Phasenvergleich. Alle farbkodierten Geråte arbeiten damit.
Array Bauweise des Schallkopfs mit spezieller Anordnung (Aufstellung) der Piezokristalle.
c Dieser Buchstabe steht fçr die Schallgeschwindigkeit im jeweiligen Medium. Fçr
Wasser (und damit stellvertretend fçr biologisches Gewebe) betrågt der Wert c
(bei 378) 1540 m/s (entsprechend 5544 km/h):
c ˆf k
f Schallfrequenz; k Wellenlånge
Demodulation Fçhrt zur Konversion eines oszillierenden Signals zu einem direkten Signal.
Densitåt (q) m

V
m Masse; V Volumen
cw-Doppler (continous wave) Nachweis der globalen arteriellen oder venæsen Blutstræmung mittels kontinuierlich
ausgesendeten Schallwellen.
pw-Doppler (pulsed wave) Nachweis einer eng definierten Blutstræmung mittels intermittierend ausgesendeten
Schallwellenpaketen (Duplexgeråte, transkranieller Doppler).
Duplexsonographie Kombiniertes Ultraschallverfahren aus B-Bild-Sonographie und gepulstem Doppler
Echo Akustisches Signal; es entsteht durch Reflexion oder Streuung von Schallwellen an
Grenzflåchen.
Gain Globalverstårkung (Verstårkung aller Signale); die korrekte Einstellung erkennt man
am Hintergrundbild anhand zusåtzlicher Bildpunkte (speckles); schwarzer Hinter-
grund bedeutet korrekte Einstellung.
Impedanz (Z) Z ˆqv
q Dichte; v Schallgeschwindigkeit
Physikalisch gesehen stellt sie den Widerstand dar.
Maximaldarstellung Registrierung der schnellsten Parameter
Modaldarstellung Registrierung der håufigsten Parameter
Messtor Empfangseinstellung fçr die rçckkehrenden Echosignale. Mit dem Úffnen und
Schlieûen des Messtores werden nur Signale aus der vorgegebenen Tiefe zum Geråt
durchgelassen.
Messvolumen (sample volume) bei der pw-Sonographie definierte Untersuchungstiefe
Nyquist-Grenze Stellt diejenige Dopplerfrequenz dar, ab welcher das Alias-Phånomen auftritt; die
Hålfte der Pulsrepetitionsfrequenz.
Power-Spektrum Hierbei wird die Echoenergie zum Bild umgerechnet, Geschwindigkeit und
Stræmungsrichtung werden nicht dargestellt (synonym: Angiomode).
32 n 3 Gefåûdiagnostik

Tabelle 3.3 (Fortsetzung)

Bezeichnung Anwendung/Bedeutung

PRF (Pulsrepetitionsfrequenz) Håufigkeit ausgesendeter Schallpulse bei der pw-Sonographie


Processing Beschreibt Rechenvorgånge, die dem Abbilden der abgeleiteten Ultraschallsignale
auf dem Monitor dienen. Begriffe wie ¹preprocessingª und ¹postprocessingª bedeu-
ten Rechenschritte, wobei die ursprçnglichen (dynamischen) Signale nach Digitali-
sierung in konkrete Werte umgewandelt und entsprechend weiterverarbeitet
werden.
Sendeleistung Hierzu zåhlen 2 geråtespezifische Græûen, die in der Bildanzeige immer mit ange-
geben werden:
1. SPTA (spatial peak time average intensity) als ein Maû fçr die thermischen Ef-
fekte des Ultraschalls [mW/cm2]
2. MI (mechanical index) als Maû fçr mechanische Effekte des Ultraschalls (dimen-
sionsloser Wert)
Die Angabe dieser Græûen ist insofern von Bedeutung, da Ultraschall ein weit ver-
breitetes Verfahren darstellt und biologische Risiken (z. B. Auftreten von Kavitation)
durch die eingestrahlte Energie nicht ganz auszuschlieûen sind. Dies gilt v. a. in der
Diagnostik Schwangerer.
Sounds Alle direkt abgeleiteten Stræmungsgeråusche (ohne zusåtzliche Manæver) werden
als S-Sounds (s = spontan) bezeichnet; Beschleunigung der Stræmung durch Kom-
pressionsmanæver (v. a. in der Venendiagnostik) werden als A-Sounds (a = augmen-
tiert) bezeichnet.
TCD-Sonographie Transkraniale Doppler-/Duplexsonographie, benætigt wird ein 2-MHz-Schallkopf.
TGC (time gain compensation) Elektronische Verstårkung der Dopplerechos, dient dem Tiefenausgleich des Echosig-
nals, das ansonsten infolge Energieverlusten nur unzureichend zu interpretieren wå-
re; Signalabschwåchung durch zunehmende Eindringtiefe.
Transducer Jegliches Geråt, welches Energie von einer in eine andere Form umwandelt. Beim
Ultraschall wird elektrische Energie in mechanische Energie und umgekehrt umge-
wandelt.
Varianz Quadrat der Standardabweichung; sie ist das Ergebnis der Schallauswertung wåh-
rend des Autokorrelationsvorgangs, zeigt die spektrale Verbreiterung an und ist bei
turbulenten Flçssen erhæht. Auf dem Bildschirm wird sie als grçnlichgelber Bereich,
parallel zur rotblauen Farbskala abgebildet.
Wandfilter Elektrische Filter, die nur bestimmte Frequenzen durchlassen. Sie dienen der Unter-
drçckung bestimmter Dopplerfrequenzen, die fçr die Beurteilung nicht benætigt
werden oder sogar stæren. Synonym wird der Begriff des Passfilters gebraucht. Es
werden Hochpassfilter von Niedrigpassfiltern unterschieden. Letztere werden bei
Untersuchungen von Venenflçssen eingesetzt, damit auch noch langsame Frequen-
zen (entsprechend dem langsamen venæsen Blutfluss) erkannt werden. Umgekehrt
sind die trågen Wandbewegungen, die ebenfalls zum Dopplersignal beitragen,
stærend und werden bei der Untersuchung von Arterien durch Hochpassfilter elimi-
niert (weggeschnitten).
Beispiele fçr die Filtereinstellung sind:
Venen Arterien
Filter Niedrigpass Hochpass
Frequenz ca. 50 Hz 100±200 Hz
Als Grundeinstellung fçr den tåglichen Betrieb kann mit einem 100-kHz-Wandfilter
fçr beide Gefåûregionen gearbeitet werden. Eine Ausnahme stellen arteriovenæse
Fisteln mit starken Wandbewegungen der Gefåûe dar. Hier sollte der Wandfilter
çber 400 Hz betragen.
3.2 Apparative nichtinvasive Gefåûdiagnostik n 33

Zwischen der Pulsrepetitionsfrequenz und


der Laufzeit besteht ein direkter Zusammen-
hang. Um zurçckkehrende Signale eindeutig zu-
zuordnen, muss das vorausgegangene Echosig-
nal abgewartet werden, anderenfalls ergeben
sich Informationsverluste und Messfehler. Des-
halb ist es nicht sinnvoll, ein neues Schallwel- Abb. 3.9. 608-Drehbewegung einer Speichenachse
lenpaket auszusenden, bevor das Echo des vor-
herigen nicht zurçckgekehrt und verarbeitet
worden ist. Infolgedessen wird die Pulsrepetiti-
onsfrequenz durch die Laufzeit der Schallwelle
limitiert. Von der Laufzeit hångt das kçrzeste
Intervall zweier Schallwellensendepulse ab, das
noch zur vollen Information beitrågt.
Mathematisch besteht ein einfacher, umge-
kehrt proportionaler Zusammenhang zwischen Abb. 3.10. Rotationsgeschwindigkeit bei hoher Pulsrepetiti-
Pulsrepetitionsfrequenz (PRF) und Laufzeit (T): onsfrequenz (PRF)

1
PRF ˆ
T
n Eine kurze Laufzeit gestattet eine hohe Puls-
frequenz und umgekehrt.
n Die maximale Pulsrepetitionsfrequenz ist
bei gegebener Laufzeit (d. h. definiertem
Quotienten 1/T) festgelegt.
Abb. 3.11. Nyquist-Frequenz
Wird die Pulsrepetitionsfrequenz çber den Wert
1/T erhæht, kænnen die zurçckkehrenden Sig-
das Gehirn sowohl eine Bewegung um +1808
nale nicht mehr eindeutig zugeordnet werden.
(im Uhrzeigersinn), als auch eine Bewegung um
Dies geht zu Lasten der Tiefenzuordnung und
±1808 (gegen den Uhrzeigersinn) zulåsst. Diese
fçhrt zur Messungenauigkeit.
Position der Speiche charakterisiert die Nyquist-
Mit dem Einsatz gepulster Dopplertechnik
Grenze bzw. Nyquist-Frequenz (fN) (Abb. 3.11):
und deren Vorteilen werden aber auch negative
Sie wird nach folgender Formel berechnet:
Effekte und damit die Gefahr der Fehlinterpreta-
tion erkauft. Hierzu gehært das so genannte Ali- PRF
fN ˆ
as-Phånomen, Nyquist-Effekt, das wir von der 2
Betrachtung sich drehender Speichenråder im
Danach muss der Wert fçr die Pulsfrequenz zur
Film kennen: oberhalb bestimmter Geschwin-
korrekten Wiedergabe der Rotationsgeschwin-
digkeiten låuft das Rad scheinbar zurçck. Die
digkeit kleiner sein als der Wert fçr die halbe
korrekte Zuordnung der Rotationsgeschwindig-
Umdrehung:
keit erfolgt vom Gehirn in Abhångigkeit zum
vorhergehenden Bild. Dabei interpretiert unser PRFmin ˆ 2f
Gehirn immer den kçrzesten Weg als real. Diese
Zur Verdeutlichung des Alias-Phånomens kann
Art der neuronalen Bildverarbeitung sollte man
auch die Abbildung Dopplers dienen (Abb.
sich bei der Erklårung des Alias-Effekts vor Au-
3.12). Die linke Seite zeigt ein ungenaues Bild
gen halten: In dem oben gewåhlten Beispiel soll
bei zu grober Abtastung (Alias-Doppler). Hier
sich eine Speichenachse um je 608 im Uhrzei-
wurde die PRF zu klein gewåhlt. Durch Hoch-
gersinn drehen (Abb. 3.9). Håufige Einzelimpul-
fahren der Abtastfrequenz (Steigerung der PRF)
se (hohe PRF) erzeugen eine korrekte Wieder-
wird Herr Doppler eindeutig identifizierbar
gabe der Rotationsgeschwindigkeit, fçr den Be-
(rechtes Bild: realer Doppler).
trachter dreht sich das Rad weiter im Uhrzei-
gersinn (Abb. 3.10). Seltene Einzelimpulse (d. h.
niedrige PRF) verhindern eine korrekte Zuord-
nung der Drehbewegung (Geschwindigkeit), da
34 n 3 Gefåûdiagnostik

Das Aufzeichnen von Stræmungskurven dient


der Befundinterpretation und erlaubt zusåtzlich
eine Dokumentation. Die so gewonnenen Kur-
venbilder stellen Hçllkurven der einzelnen Ge-
schwindigkeiten und ± falls eine Frequenzana-
lyse miterfolgt ± der Dopplerfrequenzen dar. Je
nach elektronischer Verarbeitung werden Hçll-
kurven der schnellsten Geschwindigkeiten bzw.
Frequenzen (Maximalkurven) oder der am håu-
figsten vorkommenden Geschwindigkeiten bzw.
Frequenzen (Modalkurven) dargestellt.
Gesunde, Extremitåten versorgende Arterien
Abb. 3.12. Christian Doppler zeichnen sich prinzipiell durch einen triphasi-
schen (im Alter håufig auch biphasischen) Kur-
Varianten der Signalverarbeitung venverlauf (Nachweis der frçhdiastolischen
Nulllinienunterschreitung oder DIP-Phånomen)
Hauptanliegen in der Dopplersonographie sind aus, wåhrend Parenchym versorgende Arterien
neben dem Stræmungsnachweis die Abschåtzung an ihrer hohen diastolischen Flusskomponente
von Stenosegraden und Geschwindigkeitsbestim- erkennbar sind. Ihr Kurvenminimum liegt im-
mungen. Je nach Art der Signalverarbeitung mer çber der Nulllinie (deutlicher Nulllinienab-
kann die Stræmungsanalyse auf mehreren We- stand) (Abb. 3.13).
gen erfolgen: Fçr die Venen existieren, je nach Ableitungs-
n Darstellung als akustisches Signal ort, sehr unterschiedliche Kurvencharakteristi-
n Darstellung als Analogkurve ka, die v. a. im Femoralbereich gut reproduzier-
n Darstellung als optisches und akustisches bare Flussphånomene aufweisen (Abb. 3.14).
Frequenzspektrum
n farbkodierte Darstellung

Geråte mit alleiniger akustischer Signalverarbei-


tung werden als Taschen- oder Stiftdoppler zum
Stræmungsnachweis eingesetzt. Hierbei werden
aufgrund elektronisch gemessener und verstårk-
ter Dopplerfrequenzen Stræmungsgeråusche hær-
bar gemacht.
Alle anderen Geråte haben heute zusåtzlich
die Mæglichkeit der Richtungsanzeige der Stræ-
mung. Auch gegensåtzliche Flussrichtungen
(z. B. einer Arterie und benachbarten Vene)
kænnen gleichzeitig verarbeitet und als getrenn-
te Flusskurven dargestellt werden. Diese Geråte Abb. 3.13. Arterielle Stræmungskurve (Ableitort: A. femoralis)
heiûen bidirektionale Doppler.
Das akustische Signal einer schnellen Stræ-
mung mit entsprechend hohen Dopplerfrequen-
zen låsst eine grobe Einteilung, z. B. in hochgra-
dige oder mittelgradige Stenosen ± bei ausrei-
chender Dopplererfahrung ± durchaus zu. Die
Interpretation dieser Stræmungsgeråusche ist je-
doch in hohem Maû an das subjektive Hæremp-
finden gebunden und hat den Nachteil der feh-
lenden Objektivierbarkeit.
Neben der akustischen Signalverarbeitung
stehen beim Einsatz græûerer Geråte auch gra-
phische Mæglichkeiten der Registrierung (Dopp-
lerstræmungskurve, Analogkurve) zur Verfçgung. Abb. 3.14. Venæse Stræmungskurve (Ableitort: V. femoralis)
3.2 Apparative nichtinvasive Gefåûdiagnostik n 35

Bei der Darstellung als optisches und akus-


tisches Frequenzspektrum werden aufgenom-
mene Dopplersignale hinsichtlich ihres Fre-
quenzspektrums (d. h. alle vorhandenen Fre-
quenzen) analysiert. Hierzu wird eine entspre-
chend schnelle Signalverarbeitung benætigt, wo-
bei ein computerunterstçtztes System die ma-
thematische Berechnung (Algorithmus) vor-
nimmt.
Nach dem franzæsischen Mathematiker Fou-
rier benannt, wird mit Hilfe der schnellen Fou-
rier-Analyse (FFT: fast fourier transformation)
das breite Dopplerspektrum (mit schnellen und
langsamen Flussanteilen) in seine einzelnen Abb. 3.15. Kontinuierlicher (cw continous wave), gepulster
Dopplerfrequenzen zerlegt. Auf dem Bildschirm (pw pulsed wave) und farbkodierter Dopplerschall (FKD)
wird die graphische Aufzeichnung mit den da-
zugehærigen Zahlenwerten (Stræmungsgeschwin-
digkeiten der Blutzellen im Messvolumen) ange-
geben und als zeitabhångiges Doppler-Frequenz-
Zeit-Spektrum bezeichnet.
Entsprechend der Verteilung hoher und nied-
riger Frequenzanteile låsst sich mit der Fre-
quenzanalyse bereits eine genauere Graduierung
einer Gefåûstenose vornehmen.
Die Zuordnung von Farbe kann bei der Ana-
lyse unterschiedlicher Geschwindigkeiten (und
damit Dopplerfrequenzen) weitere Informatio-
nen bezçglich einer normalen oder patholo- Abb. 3.16. Farbkodierung und Richtung
gisch verånderten Blutstræmung bringen, da sie
flåchenhaft dargestellt wird.
Der çber eine gewisse Flåche gefåcherte
Schallstrahl çberstreicht das im B-Bild sichtbare
Gefåû und wird in zahlreiche Messorte auf-
geteilt (Multigate-Verfahren). Danach werden al-
le Messvolumina (sample volumes) gleichzeitig
angesteuert und farblich markiert (kodiert)
(Abb. 3.15). Gebråuchlich sind die Farben rot
und blau fçr die Richtungsangabe. Ein Fluss auf
die Sonde zu wird mit rot, der Fluss von der
Sonde weg mit blau kodiert. Dies ist lediglich
als eine Konvention zu betrachten und stellt Abb. 3.17. Farbkodierung und Aliasing
kein absolutes Muss dar (Abb. 3.16).
Die echte Stræmungsumkehr (Richtungs-
umschlag) wird in der Farbskala immer schwarz Gelegentlich wird im Farbbalken die Farbe
dargestellt. Das Aliasing, das ebenfalls mit einer grçn benutzt, welche die so genannte Varianz
scheinbaren Stræmungsånderung einhergeht, angibt. Mathematisch stellt sie das Quadrat der
wird immer weiû kodiert (von rot çber weiû Standardabweichung dar und ist bei stark tur-
nach blau oder umgekehrt) (Abb. 3.17). bulenter Stræmung (poststenotisch) erhæht.
Die mittlere Frequenzverschiebung kann zu- Beim praktischen Umgang fållt auf, dass ein
såtzlich durch die Farbintensitåt (Zumischen optimales Dopplersignal nur unter einem be-
der Farbe gelb) angezeigt werden. Hohe Fre- stimmten Winkel bei der Sondenhaltung abge-
quenzen werden hellfarbig, niedrige Frequenzen leitet wird. Eine senkrechte Position liefert oft
dunkelfarbig kodiert. keine echten Stræmungssignale, sondern gibt
lediglich Wandbewegungen des Gefåûes wieder,
36 n 3 Gefåûdiagnostik

wobei schwache, ungençgende Dopplersignale die Blutstræmungsgeschwindigkeit errechnet


entstehen. Offensichtlich besteht zwischen der werden.
Sondenpositionierung und damit dem einfallen-
den Ultraschall und der Gefåûachse eine Win-
kelabhångigkeit, die durch die Dopplergleichung Frequenzbereiche
beschrieben wird:
In der Praxis werden, abhångig von den zu un-
Fa  cos a tersuchenden Gefåûabschnitten, drei verschiede-
DF ˆ V 2
c ne Frequenzbereiche benætigt, wobei je nach
mit DF Differenz zwischen ausgesendeter und Indikation (oberflåchliche oder tief liegende Ge-
reflektierter Frequenz, V Blutstræmungsge- fåûe) eine bestimmte Eindringtiefe erforderlich
schwindigkeit [m/s], Fa ausgesendete Schallfre- ist und die Schallsonde entsprechend ausge-
quenz [Hz], a Einfallswinkel (Schallstrahl zur wåhlt werden muss (Tabelle 3.4).
Gefåûachse), c Schallgeschwindigkeit im Gewe- Schallwellen erleiden beim Eindringen in Ge-
be (1540 m/s), 2 zurçckgelegter Schallweg (Hin- webe infolge Absorption einen Energieverlust.
weg und Rçckweg). Dieser wird, damit die empfangenen Signale be-
Neben dem Einfallswinkel gehen noch andere urteilbar bleiben, bei der Reflexion durch elekt-
physikalische Græûen, die Schallwellen und die ronische Verstårkung ausgeglichen (time gain
Blutstræmung betreffend, ein. Geht man davon compensation = TGC). Da hochfrequente Schall-
aus, dass die ausgesendete Schallfrequenz (Fa) wellen einer erhæhten Absorption und damit ei-
und die Schallgeschwindigkeit im Gewebe (c) nem erhæhten Energieverlust unterliegen, sind
eine Konstante sind, kann bei bekanntem Be- sie zur Untersuchung tief liegender Strukturen
schallungswinkel (a) direkt aus der Frequenzån- ungeeignet. Um die Energieverluste (und damit
derung (DF) auf die Stræmungsgeschwindigkeit in gewissem Grad auch die Informationsverlus-
(V) geschlossen werden: te) gering zu halten, werden fçr die tiefliegen-
den Gefåûe niedrige Schallfrequenzen (4±5
DF  V: MHz) verwendet.
Die dopplersonographische Untersuchungs-
Bei alleiniger Verwendung von bidirektionalen technik ist mit einer hohen Rate an Fehlein-
Dopplergeråten ist jedoch der Einfallswinkel schåtzungen verbunden. Deshalb sind bei der
nicht bekannt, da der Gefåûverlauf nicht dar- Befunderhebung bestimmte Richtlinien einzu-
gestellt wird. Die Sondenhaltung zur Hautober- halten:
flåche gibt nicht den wahren Schallwinkel a n Auswahl der geeigneten Schallfrequenz
wieder, da Hautoberflåche und Gefåû nicht pa- (Sondenwahl)
rallel zueinander verlaufen. Infolgedessen sind n anatomische Kenntnisse des Gefåûverlaufs
Geschwindigkeitsbestimmungen nicht mæglich. n korrekte Sondenposition mit Erzielung eines
Durch den Einsatz von Duplexgeråten mit optimalen Kurvenbildes und des Geråusch-
Darstellung des beschallten Gefåûes (B-Bild-Er- maximums
zeugung) kænnen der Schallwinkel definiert und n Vergleich mit der Gegenseite

Tabelle 3.4. Frequenzbereiche

Frequenz Eindringtiefe Indikation


[MHz] (etwa) [cm]

8 2 oberflåchliche Gefåûe:
n Fuûarterien (A. tibialis anterior, A. dorsalis pedis)
n Armarterien (A. brachialis, A. ulnaris, A. radialis)
n A. supratrochlearis, A. supraorbitalis
n epifasziale Venen
4 4 tief liegende Gefåûe:
n A. carotis, A. vertebralis, A. subclavia
n Tiefes Beinvenensystem
2 8 intrakranielle Gefåûe: Circulus Willisi (transkranialler Doppler)
3.2 Apparative nichtinvasive Gefåûdiagnostik n 37

Vor der Befundinterpretation sollte çberprçft


werden, ob ein logischer Zusammenhang mit
der erhobenen Anamnese besteht. Aus Befund-
erhebung und Interpretation sind entsprechende
Konsequenzen zu ziehen (z. B. weitere invasive
Diagnostik, Therapieempfehlungen). Die korrek-
te Erhebung und Interpretation eines Normalbe-
funds sollten v. a. bei der Karotisdopplerunter-
suchung nicht unterschåtzt werden.

Arterielles System Abb. 3.18. Typische arterielle Stræmungskurven, a Paren-


chymgefåû (niedriger peripherer Widerstand), b Extremitåten-
Entsprechend ihres Versorgungsgebiets kænnen gefåû (hoher peripherer Widerstand)
im arteriellen System zwei Arterientypen unter-
schieden werden:
n die organversorgenden Arterien (oder Pa-
schlussdruckwerte kænnen gemessen und
renchymarterien) und
die Indikation zur Angiographie gestellt
n die Extremitåtenarterien, die sich durch
werden.
charakteristische Fluss- und Geråuschphå-
Bei Untersuchung der Beinarterien wird das
nomene von wichtigem Aussagewert aus-
Dopplersignal hinsichtlich seiner Stræmung
zeichnen.
(nachweisbar: + fehlend: ±), Kurvenform
(monophasisch, biphasisch, triphasisch,
n Organarterien DIP-Verhalten) sowie der Druckhæhe (im
Sie zeichnen sich durch einen niedrigen pe- Vergleich zum systolischen Oberarmdruck,
ripheren Widerstand aus (A. carotis interna, Dopplerquotient) ausgewertet.
A. vertebralis). In der Kurve zeigt sich ein Bei unklarem Tastbefund (voroperiertes Ge-
hoher diastolischer Flussanteil (angehobene biet, spastische Gefåûe, Verschluss) dient
Kurve gegençber der Nulllinie; Abb. 3.18 a). der Stræmungsbefund der Beurteilung einer
Das auskultierbare Geråusch hat eher wei- pathologischen Situation.
chen Charakter. Somit ist eine Trennung Die Kurvenform erlaubt Rçckschlçsse bezçg-
von A. carotis interna und A. carotis externa lich der vorgeschalteten arteriellen Strom-
nach Hær- und Kurvenbefund eindeutig bahn und eine Schåtzung des Stenosierungs-
mæglich, ebenso die Festlegung des Normal- grads: Eine monophasische, verbreiterte Kur-
befunds und die Abgrenzung zum Patholo- ve mit fehlender Rçckflusskomponente låsst
gischen. Auch die Zuordnung zu einem Ste- auf eine çber 50-%ige, vorgeschaltete Stenose
nosegrad sowie die Indikationsstellung zu schlieûen.
Angiographie und Operation sind ohne wei- Die Bestimmung der Druckhæhe dient der
teres mæglich. Objektivierung der distalen Durchblutungs-
situation. Sie kann in Ruhe oder unter Belas-
tung durchgefçhrt werden: Bei der Ruhe-
n Extremitåtenarterien bestimmung werden der systolische Ober-
Sie zeichnen sich durch einen hohen peri- armdruck (z. B. 130 mmHg çber der Radial-
pheren Widerstand aus (A. brachialis, A. fe- arterie) und die Knæchelarteriendruckwerte
moralis; zutreffend auch auf A. carotis ex- (z. B. 140 mmHg çber den Arterien eines
terna). In der Kurve (Abb. 3.18 b) zeigt sich Fuûes; bei unterschiedlichen Werten wird
ein typischer biphasischer, håufig auch tri- der jeweils hæhere Druck verwendet) gemes-
phasischer Verlauf, die diastolische Rçck- sen. Der Dopplerquotient berechnet sich aus
flusskomponente (DIP) ist vorhanden, der dem Knæchelarteriendruck geteilt durch den
Kurvenverlauf ist der Nulllinie angenåhert. Oberarmarteriendruck (getrennt pro Bein).
Das Geråusch hat einen typisch peitschen- Er wird auch als ABI (ankle brachial index
artigen Charakter. Somit ist die Trennung oder Arm-Bein-Index) bezeichnet: Normal-
von Normalbefund gegençber einem patho- wert > 1,0; Werte > 1,4 sprechen fçr eine
logischen Kurvenbild mæglich, die Ver- Mediasklerose.
38 n 3 Gefåûdiagnostik

Kn
ocheldruck 140 Flow Imaging, das Harmonic Imaging und die
ˆ ˆ 1;07 3D-Sonographie.
Oberarmdruck 130

Grundsåtzlich besteht fçr die Ruhebestim- n Power Flow Imaging. Die Amplitudenhæhe
mung nur eine ungenaue Korrelation zum der Echofrequenz wird in Energie umgerechnet
Stenosegrad. Stenosen bis 50% werden nicht und daraus ein Bild generiert, das einer Angio-
erfasst, sodass zusåtzliche Belastungsmes- graphiedarstellung åhnelt (daher auch Angio-
sungen erforderlich sein kænnen. Mode). Flussgeschwindigkeit und -richtung las-
Unter Belastung wird der Oberarmdruck ge- sen sich nicht bestimmen.
messen.
Nach Durchfçhren von 30 Kniebeugen wird n Harmonic imaging. Beim Erzeugen von B-Bil-
unmittelbar nach dem Ende der Belastung dern werden unbewegte Objekte beschallt. Die
der Knæcheldruck bestimmt. Der Abfall auf ausgesendete und die empfangene Frequenz
50±60% des Ausgangswertes ist patholo- sind identisch. Diese Darstellung wird auch als
gisch. lineare Abbildung bezeichnet. Beim Durchdrin-
Anamnese (Art und Dauer der Beschwerden, gen von Gewebe werden die Schallwellen jedoch
Abgrenzung zum Ruheschmerz), Gehleistung auch verzerrt. Dabei werden zusåtzliche Fre-
(Klaudikationsstadium) und Leidensdruck, quenzen im vielfachen Verhåltnis (harmonisches
verbunden mit dem klinischen Befund (tro- Verhåltnis) der Grundfrequenz hinzugefçgt.
phische Stærungen), bestimmen letztendlich Diese Darstellung (auch nichtlineare Abbildung)
das weitere diagnostische Vorgehen: Kon- weist in der B-Bild-Erzeugung eine deutlich
trollmessung in zeitlichen Intervallen (evtl. bessere Bildqualitåt auf. Intravenæs gegebene
kombiniert mit medikamentæser Therapie), Kontrastblåschen (2±6 lm) kænnen als Kontrast-
Angiographie, ggf. invasive Therapie. verstårker zusåtzlich eingesetzt werden. Durch
die eindringende Schallwelle werden sie in
Schwingungen versetzt. Das Echosignal enthålt
Venæses System die Frequenz des Sendeimpulses sowie Ober-
schwingungen als mehrfach Vielfåltige (Harmo-
Die Beurteilung der venæsen Stræmung ist auf-
nische).
grund des deutlich langsameren Flusses und
fehlender Pulsation erschwert. Die hier zu er-
wartenden Dopplersignale sind dementspre-
3.2.4 Lichtreflexionsrheographie
chend schwåcher als die des arteriellen Systems.
Zur korrekten Interpretation sollte daher der
Die Lichtreflexionsrheographie (LRR) ist ein
Wandpassfilter entsprechend niedrig eingestellt
nichtinvasives, optoelektronisches Verfahren zur
werden (Tabelle 3.3). Zur schnelleren Auffin-
funktionellen Diagnostik venæser Abflussstærun-
dung sind Kompressionsmanæver oft hilfreich,
gen. Basierend auf den Grundlagen der Photo-
weil sie den Blutstrom beschleunigen.
plethysmographie (PPG), einem ebenfalls nicht-
Da die Venen in enger Nachbarschaft zur Be-
invasiven Diagnoseverfahren (1930 eingefçhrt),
gleitarterie verlaufen, kænnen stærende Pulsatio-
wurde das LRR-Verfahren 1981 durch Blazek u.
nen bei der Interpretation venæser Flussphåno-
Wienert (Universitåt Aachen) entwickelt.
mene auftreten. Umso wichtiger ist hierbei der
Es beruht auf folgenden Grundlagen: Eine
Vergleich mit der Gegenseite, um einen falsch-
venæse Abflussstærung (der Beine) bedingt
pathologischen Befund auszuschlieûen.
gleichzeitig eine Abflussstærung im venæsen Ge-
Die Hauptbedeutung der venæsen Dopplerso-
fåûgeflecht der Haut (kutanes und subkutanes
nographie liegt in der Beurteilung der V. femo-
Kapillarnetz). Beim Venengesunden wird, ins-
ralis und der Mçndungsregion (Crosse) der V.
besondere bei Bewegung, viel Blut aus dem der-
saphena magna in die tiefe Vene.
malen Venenplexus abgepumpt (die Haut wird
heller), beim Venenkranken wird, je nach
Neuentwicklungen Schweregrad, nur eine geringere Blutmenge aus
der Mikrozirkulation zum Abfluss gebracht. Da
Im Bestreben eine bessere Abbildungsqualitåt die Mikrozirkulation der Haut direkt vom Ab-
zu erreichen, sind folgende Weiterentwicklun- fluss durch die tiefen Leitvenen abhångt, kann
gen der Ultraschalltechnik erfolgt: das Power durch Funktionsmessung des oberflåchlichen
3.2 Apparative nichtinvasive Gefåûdiagnostik n 39

Hautvenenplexus auf den Zustand der tiefen Ve- 1909 fanden die ersten Durchblutungsmessun-
nen geschlossen werden. gen nach dem Plethysmographieprinzip
am Bein mittels Wasser statt (Hewlett,
van Zwaluwenburg).
n Technik
1963 folgte der klinische Einsatz mit Luftman-
schetten (Barbey).
Infrarotlicht (Lichtstrahlen von 940 nm Wellen-
1967 wurde mit quantitativen Messverfahren
långe) wird von der Strahlungsquelle des Mess-
mittels Gleitgliedermessfçhler begonnen
kopfs in die darunter gelegene Haut eingestrahlt
(Gutmann).
und vom Hautgefåûplexus reflektiert. Dies wird
vom Empfånger (Photodetektor) registriert. Die
Eine Oberschenkelsperre erzeugt einen Stau-
Intensitåt des reflektierten Lichts wird durch die
ungsdruck auf das darunter liegende Gewebe.
relative Blutfçlle des Gewebes beeinflusst. Eine
Solange hierdurch nur die Venen komprimiert
hohe Blutfçlle fçhrt zur Verkleinerung (abge-
werden (Venenverschluss), wird der aus dem
flachte Kurve), eine geringe Blutfçlle zur Verstår-
Bein herzwårts gerichtete venæse Blutabstrom
kung des Signals (an- und absteigende Kurve).
gebremst. Auf der arteriellen Seite flieût jedoch
Der Messkopf wird am sitzenden Patienten
ståndig Blut in die Peripherie nach (Staudruck
etwa 10 cm oberhalb des Innenknæchels ange-
unterhalb des arteriellen Blutdrucks). Die Volu-
legt. Beim Durchfçhren eines standardisierten
menzunahme wird als Schwellung sichtbar. Da
Bewegungsprogramms (10-malige maximale
der venæse Abstrom direkt aus dem arteriellen
Dorsalflexion im Sprunggelenk bzw. Zehen-
Zustrom gespeist wird, sollte vor Interpretation
standsçbungen çber 15 s) entleeren sich die
venæser Messwerte eine arterielle Durchblu-
Hautgefåûe. Dies fçhrt zum Aufhellen der Haut
tungsstærung, insbesondere ein Arterienver-
(Anstieg des Reflexionsgrads). Es zeigt sich der
schluss, ausgeschlossen werden.
typische bogenfærmige Kurvenanstieg mit Errei-
Bei der Venenverschlussplethysmographie
chen eines Maximalwerts (Rmax).
geht es um die Beurteilung von Volumenånde-
Am Ende des Bewegungsprogramms fçllen
rungen innerhalb eines definierten Gebiets (z. B.
sich die Hautgefåûe beim Gesunden infolge des
unterhalb einer Stauung). Die Volumenzunahme
arteriellen Einstroms wieder auf. Es kommt
unterhalb einer Staumanschette wird çber
zum Dunklerwerden der Haut (Abfall der Haut-
Fçhler gemessen. Den mathematischen Zusam-
reflexion), die Kurve fållt bogenfærmig gegen
menhang beschreibt eine Konstante, die das
den Ruhereflexionswert (R0) ab.
Produkt von Druck und Volumen darstellt.
Eine Volumenzunahme kann durch Messung
3.2.5 Verschlussplethysmographie des Druckanstiegs bestimmt werden. Zur Erzie-
lung einheitlicher und vergleichbarer Ergebnisse
Sie zåhlt zu den quantitativen Untersuchungs- wird die Durchblutungsmenge in mm/100 ml
methoden, wobei sowohl das arterielle als auch eingeschlossenem Gewebevolumen/min berech-
das venæse Gefåûsystem untersucht werden kæn- net und als Kapazitåt (Speicherwert) bezeich-
nen. net. Ûblicherweise werden Messwerte zu folgen-
Arterielle Durchblutungsstærungen lassen den Aussagen erhoben:
sich auch im Frçhstadium erkennen (Hyper- n Ruhedurchblutung
åmiemessung). Bei venæsen Stærungen kænnen n venæse Kapazitåt
neben der Blutspeicherung (Kapazitåtsmessung) n venæser Ausstrom
auch Aussagen zu Klappenfunktion und Throm- n arterielle Durchblutungsreserve
bosediagnostik gemacht werden.
n Technik
1622 wendete Glisson erstmal die Plethysmo-
grahie an. Abgesehen von der Lagerung und dem Anbrin-
1876 erfolgte die erste Durchblutungsmessung gen der Manschette werden die einzelnen Mess-
am Bein (Franœois-Franck). schritte und Berechnungen von den heutigen
1905 wurden das Prinzip der Venenverschluss- Geråten automatisch erstellt. Der Patient liegt in
messung beschrieben und Untersuchun- Rçckenlagerung mit erhæhtem Bein (Unter-
gen zum Nierenblutfluss durchgefçhrt schenkel çber Herzniveau; Knie etwas abgewin-
(Brodie, Russell). kelt), eine Oberschenkelstaumanschette wird an-
40 n 3 Gefåûdiagnostik

Tabelle 3.5. Messungen

Messung Vorgehen und Ergebnis

n Bestimmung der Ruhedurchblutung Staudruck: 50-60 mmHg (çber dem Venendruck, unterhalb des diastolischen
arteriellen Blutdrucks)
3-malige Messung in Abstånden von 1 min
Ablassen des Drucks und schråge Hochlagerung des Beins
n Bestimmung der venæsen Kapazitåt bei 40 mmHg (nach 1 min Druckzunahme)
unter verschiedenen Druckstufen bei 60 mmHg (nach 2 min)
bei 80 mmHg (nach 3 min)
n Bestimmung des venæsen Ausstroms schlagartige Entlastung des Manschettendrucks

gelegt und die Messfçhler werden am Unter- 3.2.7 Magnetresonanztomographie


schenkel angebracht.
Die anschlieûend automatisch erfolgenden
Messungen gehen aus Tabelle 3.5 hervor. Sie er- 1946 entdeckten Felix Bloch und Edward Pur-
lauben folgende Aussagen: cell die magnetischen Resonanz.
n Messwerte im arteriellen System (Ruhe- 1985 wurden magnetresonanztomographische
durchblutung) Techniken in die Medizin eingefçhrt.
± Norm 2±4 ml/100 ml Gewebe/min
± Verschluss £ 1 ml/100 ml Gewebe/min Folgende Abkçrzungen sind gebråuchlich:
± Fisteln ³ 12 ml/100 ml Gewebe/min MR Magnetresonanz
n Messwerte im venæsen System MRA Magnetresonanzangiographie
Kapazitåt: MRI Magnetic resonance imaging
± Norm 4 ml/100 ml Gewebe/min MRT Magnetresonanztomographie
± Varikosis 6 ml/100 ml Gewebe/min NMR nukleare Magnetresonanz (= Kernspin)
± PTS £ 2 ml/100 ml Gewebe/min
Ausstrom: Alle Atome mit ungrader Kernteilchenzahl besit-
± Norm £ 35 ml/100 ml Gewebe/min zen ein Drehmoment (so genannter Spin), wel-
± Thrombose £ 20 ml/100 ml Gewebe/min ches zu einer kreisfærmigen Bewegung um eine
(PTS = postthrombotisches Syndrom) Achse, vergleichbar einer Eistçte, fçhrt (Abb.
3.19). Das Wassserstoffatom erfçllt die Bedingun-
gen des Kernspins. Biologisches Gewebe besteht
3.2.6 Laufbanduntersuchung zu groûem Teil aus Wasser (etwa 40% des
Kærpergewichts). 1 Kubikzentimer (cm3) Wasser
Auf dem Laufband wird unter standardisierten enthålt 1023 Wasserstoffatome. Aufgrund dieser
Bedingungen eine bestimmte Gehleistung ge- Tatsache ist menschliches Gewebe gut geeignet
messen. Durch Einstellen einer definierten Ge- fçr Untersuchungen, die auf dem Kernspineffekt
schwindigkeit und eines Steigungswinkels kann beruhen (Abb. 3.20, Tabelle 3.6). Die Untersu-
die objektive Gehstreckenleistung mit oder ohne chung ist allerdings technisch aufwåndig. Es
Schmerzangabe ermittelt werden. muss berçcksichtigt werden, dass das bestehen-
de Magnetfeld zur starken Anziehung aller mag-
n Die Standardeinstellung des Laufbands netisierbaren Gegenstånde wåhrend der Unter-
suchung fçhrt. Beatmete Patienten benætigen
liegt bei 4 km/h (Bandgeschwindigkeit) deshalb Spezialapparaturen aus Kunststoff.
und einem Steigungswinkel von 10±158. Die nachstehende Liste zeigt die håufigsten
Kontraindikationen:
Unter derartigen Standardbedingungen kann n Klaustrophobie
die gemessene Gehleistung insbesondere zur n Herzschrittmacher
Verlaufskontrolle unter einem Gehtrainingspro- n Neurostimulatoren
gramm, einer medikamentæsen Therapie oder n intrauterine Spirale
nach chirurgischen Eingriffen beurteilt werden. n Innenohrimplantate (Cochlea)
3.2 Apparative nichtinvasive Gefåûdiagnostik n 41

Abb. 3.19. Prinzip der Magnetresonanz (Kernspin)

Tabelle 3.6. Vergleichende Ûbersicht DSA und MRA

Methode DSA MRA

Definition Digitale Subtraktionsangiographie Magnetresonanzangiographie


Prinzip Ræntgenstrahlung Kernspineffekt (keine Strahlenbelastung),
auch als Screeningmethode geeignet
n Auflæsung besser als MRA gut
n Invasivitåt ja nein
n Kontrastmittel
± Pråparat Solutrast Gadolinium
± Applikation intraarteriell i.v.
± Menge 100-200 ml 10±15 ml
± Risiko nephrotoxisch nicht nephrotoxisch
Allergien extrem selten Allergien (Hautreaktion,
ca. 1 von 10 000 Untersuchungen)

n V.-cava-Filter Die Vorteile der MRA sind zahlreich. Ledig-


n vor 1970 implantierte Herzklappen lich eingeschrånkt mæglich ist derzeit die Dar-
n Aneurysmaclips (ausgenommen Tantalclips) stellung peripherer, also kleiner Gefåûe und die
Stenosediagnostik, bei der der Stenosegrad
Vor MRT-Untersuchungen muss die Patienten- çberschåtzt werden kann. Mit weiterentwickel-
anamnese sorgfåltig auf Kontraindikationen ten Geråten neuer Generation wird die Mag-
çberprçft werden. Grundsåtzlich stellen alle fer- netresonanztomographie die heutige DSA je-
romagnetischen Implantate eine solche dar. doch weitestgehend verdrången.
42 n 3 Gefåûdiagnostik

Abb. 3.21. Reynaldo dos Santos

Abb. 3.20. Magnetresonanztomographie der Aorta bei Isthmus-


stenose (Pfeil)
Abb. 3.22. Angiographie der abdominalen Aorta mit Iliakal-
arterien

3.3 Apparative invasive n Angiographieverfahren


Gefåûdiagnostik
n Konventionelle Arteriographie (Abb. 3.22):
3.3.1 Arteriographie Eine groûkalibrige Arterie wird (nach Sel-
dinger-Technik), meist transfemoral oder
transbrachial (transaxillar), punktiert, der
n Arteriographie in konventioneller Angiographiekatheter, je nach darzustellen-
und digitaler Technik (DSA) dem Gefåûbezirk vorgeschoben und plat-
ziert. Nach Injektion des Kontrastmittels bis
Historie maximal 200 ml (Nierenfunktion beachten;
Verwendung von Hochdruckinjektoren zur
Das Verdienst, die Arteriographie (Ræntgenkon- Verbesserung der Kontrastmittelkonzentrati-
trastuntersuchung der Arterien) mitentwickelt on) werden die Ræntgenfilme belichtet (Ver-
und zum klinischen Einsatz gebracht zu haben, wendung von so genannten Blattfilmwechs-
gebçhrt zwei portugiesischen Ørzten: lern mit rascher Bildfolge etwa alle 3 s).
Egaz Moniz gelang 1927 die erste zerebrale n DSA-Technik: Durch Verwendung der Sub-
Angiograpie mittels direkter Kontrastmittel- traktionstechnik (Subtraktion von Leerbild
injektion in die A. carotis. und Kontrastbild) und Kontrastverstårkung
Joao Reynaldo Dos Santos (Urologe und Chi- (digitale Bildbearbeitung) entstehen çber-
rurg, Lissabon) (Abb. 3.21) fçhrte 1928 die erste lagerungsfreie Darstellungen der Gefåûe.
translumbale Aortographie durch. 1961 wurde Dies ermæglicht auch bei venæser Kontrast-
die digitale Subtraktionsangiographie (DSA) mittelinjektion noch ein aussagekråftiges
durch Ziedses des Plates eingefçhrt. Angiographiebild (Abb. 3.23).
3.3 Apparative invasive Gefåûdiagnostik n 43

Tabelle 3.7. Gegençberstellung verschiedener angiographischer Verfahren

Konventionelle Arterielle DSA Venæse DSA


Angiographie

n Strahlenbelastung gering mittel hoch


n Kontrastmittelmenge (etwa) 100 ml 120 ml 220 ml
n Kontrastmittelkosten (etwa) 500 Euro 600 Euro 1100 Euro
n Bildqualitåt sehr gut sehr gut måûig
n Dauer kurz sehr kurz relativ lange
n Akzeptanz stationår (1 Tag) stationår (1 Tag) ambulant

dungen, konnte eine bessere Vertråglichkeit er-


zielt werden.

Kontrastmittel kænnen
n anaphylaktische Reaktionen (Jodallergie) und
n Nierenversagen
verursachen.

Lokale (punktionsbedingte Problem sind):


n Nachblutung
n arteriovenæse Fistel
n falsches Aneurysma (Aneurysma spurium)
n Ischåmie (Loslæsen eines ærtlichen Plaques)

Eine Perforation entlang der Gefåûstrecke (auch


vom Punktionsort entfernt) ist ebenfalls mæg-
lich.

n Ûber mægliche Komplikationen muss vor


der Untersuchung aufgeklårt werden!

Die Kontrastmittelzufuhr fçhrt zu 2 wesentli-


chen håmodynamischen Reaktionen im Kærper:
n Verånderungen der Nierendurchblutung
Abb. 3.23. DSA-Technik, a Leerbild (Maske), b Fçllungsbild durch Vorgånge der Vasokonstriktion und
(nach Kontrastmittelgabe), c Subtraktionsbild (Darstellung der Vasodilatation. In beiden Fållen kommt es
Gefåûe ohne stærende Ûberlagerung durch andere Strukturen) nachfolgend zur Minderung des renalen Blut-
flusses (RBF).
n Volumençberlastung infolge osmotischer
Tabelle 3.7 vergleicht die unterschiedlichen An- Wirksamkeit des Kontrastmittels im Verhålt-
giographieverfahren. nis von 1 : 4 (d. h. 1 Volumenanteil Kontrast-
mittel fçhrt zur osmotischen Ankopplung
von 4 Volumenanteilen Wasser). Damit
n Kontrastmittel und Untersuchungsrisiken kommt es zur Ûberlastung des Gefåûsystems
(Steigerung des intravasalen Volumens).
Die anfangs verwendeten Kontrastmittel zeich-
neten sich durch eine hohe Komplikationsrate
(renal, neurologisch) infolge starker Toxizitåt
der anorganischen Jodverbindungen aus. Erst
seit 1951, durch Einfçhrung trijodierter Verbin-
44 n 3 Gefåûdiagnostik

3.3.2 Venographie penfunktion (Insuffizienz) und Gefåûdurchgån-


gigkeit (Thrombose) gemacht werden.
1923 injizierten Berberich und Hirsch Stronti- Beim stehenden Menschen erzeugt der venæ-
umbromid in eine Armvene und stellten erst- se Blutdruck, addiert mit dem hydrostatischen
mals die Venen beim Lebenden dar. Druck der sich in der Vene befindlichen Blut-
Die zu untersuchende Venenregion wird såule den intravasalen Gesamtvenendruck. Die-
durch Gabe von Kontrastmittel in den vorge- ser fållt unter physiologischen Bedingungen (re-
schalteten venæsen Gefåûbereich dargestellt: Zu- gelrechte Klappenfunktion, freies Gefåûlumen)
nåchst werden die entsprechende vorgeschaltete wåhrend der Bewegung ab, da durch die umge-
Vene punktiert und ein Katheter vorgeschoben bende Muskulatur (Funktion der Wadenpumpe)
(z. B. Cavographie) oder Staubinden (z. B. Dar- das Blut herzwårts weggepumpt wird.
stellung der Extremitåtenvenen) angelegt. Nach
Injektion des Kontrastmittels (meist etwa 50
n Technik
ml) werden die Ræntgenfilme belichtet.
Bei der håufigsten phlebographischen Unter- Der Venendruck wird in Ruhe direkt gemessen
suchung, der Darstellung der Beinvenen, werden sowie wåhrend eines Bewegungsprogramms und
3 Verfahren angewendet: nach Ende desselben. Zur differenzierten Aus-
n Aszendierende Phlebographie: Zugang çber sage (Verbesserungsfåhigkeit der Insuffizienz)
Fuûrçcken mit supramalleolårem Stau mit kænnen Tourniquet-Tests verwendet werden.
dem Ziel, eine tiefe Beinvenenthrombose oder
Zunåchst wird eine Fuûrçckenvene punktiert
Perforansinsuffizienz nachweisen zu kænnen. und der Venendruck (z. B. çber einen Druck-
n Pressphlebographie: Zugang çber Fuûrçcken wandler oder ein Steigrohrsystem) registiert.
mit supramalleolårem Stau; nach dem das Nach Durchfçhrung eines standardisierten Be-
Kontrastmittel die V. femoralis erreicht hat, wegungsprogramms (20 Kniebeugen oder Ze-
presst der Patient. Die Untersuchung dient als henstånde innerhalb von 40 s), wird der Druck-
Klappenfunktionstest. Bei intaktem proxima- abfall gemessen (entscheidende Werte bezçglich
lem Klappenapparat (intakte Crosse) kommt des Ausmaûes des Venenschadens) nach Been-
es zu keinem Kontrastmittelreflux in die V.
digung des Bewegungsprogramms wird der Ve-
saphena magna. nendruck in Abhångigkeit von der Zeit (Druck-
n Femoralisphlebographie: Zugang çber die V. anstiegszeit) gemessen.
femoralis (Leistenniveau) mit dem Ziel, die Der Ruhevenendruck betrågt normal
venæse Beckenstrombahn darzustellen (Iliako- 80±100 mmHg (im Stehen). Ein Druckabfall
bzw. Cavographie) und eine Beckenvenen- nach Belastung von 60 mmHg ist normal, pa-
thrombose oder Tumorkompression nach- thologisch sind Werte von 50 mmHg (unkompli-
zuweisen. Die Untersuchung kann mit und
zierte Varikosis) oder 10 mmHg (postthrombo-
ohne Pressvorgang auch zur Beurteilung der
tisches Syndrom).
Saphenaeinmçndung (Crosse) herangezogen Die Druckanstiegszeit betrågt normal > 40 s.
werden. Werte deutlich < 40 s sind als pathologisch zu
betrachten.
Auch bei der Venendarstellung kann die DSA-
Technik verwendet werden (digitale Subtrakti-
onsphlebographie). Die Indikation ergibt sich
bei Erkrankungen der Beckenvenen und der V.
cava inferior, da sich diese Gefåûe bei der as-
3.4 Literatur
zendierenden Phlebographie oft nur unge-
nçgend mit Kontrastmittel darstellen lassen. Babikian VL, Wechsler LR (1993) Transcranial Dop-
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3.3.3 Phlebodynamometrie Bernstein EF (1993) Vascular diagnosis, 4th edn.
Mosby, St. Louis
Es handelt sich um eine direkte Venendruck- Bongartz G (1995) Magnetresonanz-Angiographie ±
messung nach Punktion (blutige Druckmes- Technik, Indikationen, Ergebnisse. Dtsch Ørztebl
sung). Es kænnen qualitative Aussagen zu Klap- 92:501±507
3.4 Literatur n 45

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4 Einsatz und Wirkung
von Medikamenten

Die medikamentæse Therapie nimmt Einfluss


auf Zusammensetzung und Flieûeigenschaften 4.1 Medikamente mit Wirkung
des Bluts. Neben der Herabsetzung der Blut- auf die Blutgerinnung
gerinnung und der Gerinnselauflæsung werden
auch Substanzen mit direktem Angriffsort an Zu den am håufigsten verwendeten Medikamen-
der Gefåûwand verwendet. Tabelle 4.1 zeigt die ten, die zur Verflçssigung des Bluts eingesetzt
Zielpunkte verschiedener Medikamente. werden, zåhlen Heparin, Marcumar, Streptoki-
Eine gånzlich andere Gruppe von Arzneimit- nase und Urokinase. Ihre Angriffspunkte am
teln, die ebenfalls in der Gefåûchirurgie einge- Gerinnungssystem zeigt Abbildung 4.1, ihre
setzt werden, bilden die Antibiotika, die sowohl Wirkungsorte illustriert Abbildung 4.2. Die Ver-
in der perioperativen Prophylaxe als auch in der netzung von Fibrin fçhrt zur Bildung eines
Infektionstherapie ihre Bedeutung haben. Thrombus. Dieses Fibringerinnsel kann durch
den Einsatz bestimmter Substanzen (Streptoki-
nase, Urokinase, rt-PA), die inaktives Plasmino-
gen in aktives Plasmin umwandeln, wieder auf-

Tabelle 4.1. Zielpunkte ausgewåhlter Medikamente Tabelle 4.2. Gerinnungshemmer

Wirkung Substanz Name Daten und Funktion

n Verbesserung der Dextran (z. B. Rheomakrodex) Physiologische Inhibitoren


Flieûeigenschaften n Antithrombin III Lebersynthese
Thrombozyten- Azetylsalizylsåure (ASS) Hemmung von: Thrombin, Xa, IXa, XIa,
aggregationshemmung Prostazyklin (z. B. Prostavasin) XIIa
Ticlopidin Heparinkofaktor (Wirkungspotenzie-
Fibrinogenrezeptoranta- rung)
gonisten n Protein C Vitamin-K-abhångige Protease
n Gefåûerweiterung Prostazyklin Hemmung der Faktoren V und VII
Nifedipin (nach Aktivierung von Protein C durch
n Gerinnungshemmung Heparin thrombomodulingebundenes Thrombin)
Kumarine (z. B. Marcumar) Hemmung von Protein Ca durch PAI
n Protein S Verstårkung der Protein-C-Wirkung
n Gerinnselauflæsung Streptokinase
Urokinase Medikamentæse Inhibitoren
Plasminogenaktivatoren (rt-PA) n Heparin Verbindet sich mit dem AT III
Erst der Heparin-AT-III-Komplex wirkt
rt-PA rekombinierter Gewebeplasminogenaktivator antikoagulatorisch (wobei die anti-
koagulatorische Wirkung von AT III um
ein Vielfaches erhæht wird)
Inaktivierung von: Thrombin, Xa, XIIa,
XIa, IXa
n Kumarine Vitamin-K-Antagonisten
Hemmung der Faktoren IX, X, VII, II
48 n 4 Einsatz und Wirkung von Medikamenten

Abb. 4.1. Medikamentæse Angriffspunkte


am Gerinnungssystem

Abb. 4.2. Antikoagulanzien und deren Wir-


kungsorte, ? Aktivierung bzw. Umwandlung,
Hemmung, AT Antithrombin (AT III), UFH un-
?

fraktioniertes Heparin, NMH niedermolekulares


Heparin, PENTA Pentasaccharid (synthetisches
niedermolekulares Heparin), Hirudin antikoagu-
latorisch wirksame Substanz des Blutegels

Abb. 4.3. Wirkung von Streptokinase


und Urokinase

gelæst werden. Dieser Vorgang wird als Fibrino- 4.1.1 Heparin


lyse bezeichnet (Abb. 4.3).
In Tabelle 4.2 sind physiologische und phar- n Historie
makologische Gerinnungshemmer zusammen-
gestellt. 1916 erfolgten die Isolierung aus Hundeleber
und die Entdeckung des Wirkstoffs (McLean).
Howell prågte 1918 den Namen und be-
schrieb 1928 die chemischen Eigenschaften.
1933 folgte die Reindarstellung der Substanz
(Charles, Scott), 1936 der Erstversuch am Men-
schen (Eigenversuch: Hedenius und Wilander).
1937 fand der erste klinische Einsatz (Craw-
foord) statt.
4.1 Medikamente mit Wirkung auf die Blutgerinnung n 49

1954 wurde die Idee der Low-dose-Subkutan- n ACT: Normalwert 100±130 s; therapeutischer
therapie (Bauer) veræffentlicht und 1966 deren Wert: 400±600 s.
Effektivitåt nachgewiesen (Sharnoff). n PTT: Normalwert bis 40 s; therapeutischer
Das negativ geladene, saure Mucopolysaccha- Wert: Verlångerung auf das 2- bis 3-Fache
rid hat ein Molekulargewicht von 6000±30 000. der Norm (80±120 s).
Natçrliches Heparin kommt in Mastzellen (Le-
ber, Lunge, Darm) vor. Es wird aus Rinderlunge Als Gegenmittel wird Protamin verwendet.
oder Schweinedarmmukosa gewonnen.

n Effekt auf die Gerinnung

n Therapeutische Anwendung Die sich im Blut befindlichen Gerinnungseiwei-


ûe tragen entscheidend zum Ablauf der Gerin-
Erwçnschte Wirkung ist die Blutgerinnungs- nungskaskade bei. Zum Ende des normalen Ge-
hemmung, unerwçnscht sind Anaphylaxie und rinnungsvorgangs stehen die Bildung und Akti-
Thrombozytopenie. Als chronische Effekte kæn- vierung von Thrombin. Die Gabe von Heparin
nen Skelettstærungen (Osteoporose) und Haar- inaktiviert das Thrombinmolekçl, indem es die
ausfall auftreten. Thrombinbildung und -wirkung hemmt. Die
Heparin wird in folgenden Dosierungen ein- Heparinwirksamkeit ist jedoch anhångig vom
gesetzt zur: Vorhandensein eines Kofaktors, dem Antithrom-
n Vollheparinisierung (Eingriffe mit HLM) wer- bin III.
den 300 IE/kgKG i.v. (z. B. Heparinnatrium) Bei der physiologischen Gerinnungskontrolle
benætigt (Tabelle 4.3). wird Antithrombin III (ein a-2-Globulin) an
n Teilheparinisierung ± wåhrend und nach ge- Thrombin gebunden, was normalerweise sehr
fåûchirurgischen Eingriffen zur intravasalen langsam erfolgt. Unter Anwesenheit von Hepa-
Thromboseverhçtung ± werden als Einzel- rin, welches an Antithrombin III gekoppelt
dosis 5000 IE i.v. oder 1000 IE/h (als Dauer- wird, kann der Thrombin bindende und damit
infusion) gegeben. die Gerinnung aufhebende Effekt augenblicklich
n (postoperativen) Thromboseprophylaxe wird ausgelæst werden. Es resultiert eine sofortige
z. B. 1 ´ 1 Amp. Embolex NM s.c. (nieder- Ungerinnbarkeit des Bluts.
molekulares Heparin mit Ergotaminzusatz) Der antikoagulatorische Effekt von Heparin
oder 1 ´ 1 Amp. Clexane 20 s.c. (Substanzen beruht auf mehreren chemischen Reaktionen
mit Anti-Faktor-Xa-Wirksamkeit) eingesetzt. (Abb. 4.4):
n Komplexbildung zwischen Heparin und Anti-
n Die gerinnungshemmende Aktivitåt wird thrombin III; Inaktivierung des Thrombins
(Hauptmechanismus)
in internationalen Einheiten (IE) oder in n Komplexbildung zum Heparinkofaktor II,
USP-Einheiten angegeben: ebenfalls mit Inaktivierung des Thrombins
1 IE entspricht 1/130 mg Heparin (gilt fçr hohe Konzentrationen, z. B. fçr Do-
1 mg Heparin verhindert die Gerinnung sierungen bei HLM-Operationen)
von 0,1±0,12 l Blut n Hemmung der Aktivierung von Prothrombin
(in geringem Umfang direkt, ohne Anti-
Die Halbwertszeit von Heparin ist dosisabhån- thrombin III, mæglich)
gig:
n 25 IE/kg 30 min Heparin wird i.v. appliziert. Auf oralem Weg
n 100 IE/kg 56 min wçrde es im Magen-Darm-Trakt zerstært wer-
n 400 IE/kg 152 min den. Es hemmt die Gerinnung bereits unmittel-
bar nach i.v. Gabe.
Die Wirksamkeit der Heparintherapie wird bei Etwa 1/3 der zugefçhrten Dosis wirkt anti-
HLM-Eingriffen durch die Bestimmung der koagulatorisch, und zwar abhångig vom Såure-
ACT (activated clotting time) und fçr alle ande- Basen-Haushalt. Eine Azidose reduziert die anti-
ren Bereiche durch die Bestimmung der PTT koagulatorische Wirkung erheblich. Ein pH-
(partielle Thromboplastinzeit) çberwacht und Wert von 6,4 fçhrt zur vollståndigen Inaktivie-
gesteuert. rung.
n50
Tabelle 4.3. Indikationen zur Heparintherapie

Indikation Zweck Heparinart Pråparat (Beispiele) Dosis Dosierungsbeispiel Zeit


70-kg-Patient

n Operation Vollheparinisierung unfraktioniert Liquemin (Heparin- 300 IE/kgKG 21 000 IE i.v. vor Anschluss
mit Herz- Thromboseprophylaxe natrium, Roche) (Mehrfachgabe) der Herz-
Lungen- Lungen-
Maschine (HLM) Maschine, je
nach ACT-Wert
(400±600 s) werden
5000 IE nachgegeben

n Operation Teilheparinisierung unfraktioniert Liquemin (Heparin- 100 IE/kgKG 7000 IE i.v. vor Abklemmen
4 Einsatz und Wirkung von Medikamenten

an der A. carotis Shuntthrombose- natrium, Roche) (Einmalgabe) des Gefåûes


prophylaxe
Prophylaxe sekundårer
Gefåûthrombose

n Operationen Teilheparinisierung unfraktioniert Liquemin (Heparin- 5000 IE (Einmalgabe) 5000 IE i.v. unabhångig vor Abklemmen
an den çbrigen Prophylaxe sekundårer natrium, Roche) vom Gewicht des Gefåûes
Arterien Gefåûthrombosen

n Therapie Prophylaxe der Aszension unfraktioniert (UFH), Liquemin (Heparin- Anfangsdosis: 1000 IE/h
bei Venen- Indikation: tiefe natrium, Roche) mittels (nach PTT-Wert) nach Diagnosestellung
thrombosen aszendierende oder Perfusor
deszendierende Venen-
thrombose (nicht bei
isolierter Unterschenkel-
thrombose)
Tabelle 4.3 (Fortsetzung)

Indikation Zweck Heparinart Pråparat (Beispiele) Dosis Dosierungsbeispiel Zeit


70-kg-Patient

fraktioniert (NMH), Clexane zur Therapie der tiefen empfohlen fçr s.c. Therapie: nach Diagnosestellung
Indikation: tiefe multidose 100 mg/ml Venenthrombose wird Gewicht Einzeldosis
aszendierende oder (Enoxaparinnatrium, die Gabe von 1 mg [kg] [mg] [ml]
deszendierende Aventis) (0,01 ml)/kg Clexane
Venenthrombose multidose berechnet 45±54 50 0,5
und 2-mal tgl. s.c. 55±64 60 0,6
injiziert 65±74 70 0,7
75±84 80 0,8
85±94 90 0,9
95±104 100 1,0
als Alternative zur intravenæsen
Heparindauertherapie zugelassen
(bei tiefer Venenthrombose und
instabiler Angina pectoris)

n chirurgische Prophylaxe der Venen- unfraktioniert Clexane bei niedrigem Risiko ca. 2 h vor geplanter
Eingriffe, thrombose multidose 100 mg/ml (allgemeinchirurgische Operation (bei nied-
schwere (Enoxaparinnatrium, Eingriffe): rigem Risiko) wåhrend
internistische Aventis) 20 mg = 0,2 ml Clexane der Immobilisation
Erkrankungen multidose, (meist fçr etwa 1 Wo-
1-mal/Tag che)

ca. 12 h vor der


bei erhæhtem Risiko Operation (bei hohem
(orthopådische Chirur- Risiko) wåhrend der
gie): 40 mg = 0,4 ml Cle- Immobilisation (meist
xane multidose, fçr etwa 1 Woche)
1-mal/Tag
4.1 Medikamente mit Wirkung auf die Blutgerinnung
n51
52 n 4 Einsatz und Wirkung von Medikamenten

Abb. 4.4. Thrombininaktivierung durch


Heparin

Die Halbwertszeit betrågt durchschnittlich chen oder tædlichen Reaktionen fçhren. Sie
60 min (45±210 min) und hångt von der Kinetik werden durch das Auftreten der heparinindu-
ab. Rauchende Månner weisen eine schnellere zierten Thrombozytopenie ausgelæst. Nach vo-
Elimination auf. Zudem bestehen je nach Hepa- rausgegangener Heparintherapie fçhren zirku-
rinpråparat, unterschiedliche Aktivitåtsschwan- lierende Heparinantikærperkomplexe zur Akti-
kungen mit Streubreiten zwischen 18 und 60 vierung der Thrombozyten und der Endothel-
Einheiten (Aktivitåt)/mg Heparin. zellen sowie zur Bildung von Thrombin. Diese
Durch die recht kurze Halbwertszeit, den so- Stærung tritt in 2 Formen auf (Tabelle 4.4):
fort einsetzenden antikoagulatorischen Effekt n HIT I: håufiger und ungefåhrlicher Typ
und die rasche Neutralisationsmæglichkeit n HIT II: seltener und gefåhrlicher Typ
durch Protamin ist Heparin ein ideal steuer-
bares, fçr die klinische Praxis hervorragendes Aus vitaler Indikation ist Heparin dann kon-
Antikoagulanz. traindiziert, sodass Ersatzstoffe benætigt wer-
den. Deshalb muss vor jeder Heparingabe (und
als wæchentliche Verlaufskontrolle wåhrend der
Therapie) eine Blutbildkontrolle erfolgen. Da
n Neutralisation v. a. der Abfall der Thrombozytenzahl fçr die si-
chere Diagnose entscheidend ist, sollte ein Aus-
1948 wurde eine thrombozytenabhångige Anti- gangswert vorliegen.
heparinaktivitåt im Blut beschrieben. 1955 Liegt eine HIT vor, wird jegliche Heparin-
konnte die fçr diesen Effekt zuståndige Sub- zufuhr sofort abgesetzt! Auch heparinbeschich-
stanz als Plåttchenfaktor 4 dargestellt werden. tete Schlauchsysteme kænnen eine HIT auslæsen!
Bei Antikoagulationsnotwendigkeit mçssen Er-
n 5 ´ 105 Thrombozyten enthalten gençgend satzstoffe gegeben werden: Heparinoide (z. B.
Plåttchenfaktor (PF 4) um 1 IE Heparin Danaparoid) oder Hirudin.
zu neutralisieren.

Diese kærpereigene Neutralisation spielt klinisch 4.1.2 Danaparoid


jedoch nur eine untergeordnete Bedeutung. Zur
Aufhebung des antikoagulatorischen Effekts Danaparoid wird aus tierischer Darmmukosa ge-
nach Heparintherapie bedarf es eines spezi- wonnen. Es handelt sich um eine niedermoleku-
fischen Antidots, dem Protamin. lare Mischung von Glykosaminglykanen mit He-
parinsulfat als Hauptbestandteil. Die Substanz
wird renal mit einer Halbwertszeit von ca. 25 h
n Heparininduzierte Thrombozytopenie (HIT) (bezogen auf die Anti-Xa-Aktivitåt) oder von
ca. 7 h (bezogen auf die Antithrombinaktivitåt)
Der in der Gefåû- und Herzchirurgie erforderli- ausgeschieden. Als Pråparat verwendet man Or-
che Einsatz von Heparin kann u. U. zu bedrohli- garan (Thiemann Arzneimittel GmbH, Waltrop).
4.1 Medikamente mit Wirkung auf die Blutgerinnung n 53

Tabelle 4.4. Thrombozytopenie

HIT I HIT II

n Ursache direkte Reaktion von Heparin und Thrombozyten immunologische Reaktion (IgG) von Heparin und
(Hemmung der thrombozytåren Adenylatzyklase) Plåttchenfaktor 4 (Antikærperbildung)
n Håufigkeit 5±30% 0,5±5%
n Auftreten frçh auftretende Stærung; innerhalb der ersten spåter auftretende Stærung nach 5±20 Tagen (sofern
5 Tage (meist nach hochmolekularem i.v. Heparin) keine Sensibilisierung durch vorausgegangene
Heparintherapie vorliegt)
n Verdacht Thrombozytenzahl nur diskret vermindert Thrombozytenabfall
Hautverånderungen am Injektionsort (Entzçndungen,
Nekrosen), Thrombosen unter Heparintherapie
n Labor Thrombozytenabfall um 30% im Vergleich zum Thrombozytenabfall um 50% im Vergleich zum
Ausgangswert Ausgangswert
selten < 100 000/ll meist < 100 000/ll
n Diagnose Schwankungen der Thrombozytenzahl unter spezielle Testverfahren:
Heparin (leichter Abfall und spontane Erholung)
HIPA-Test (heparininduzierter Plåttchen-Aktivierungs-
test)
C14-Serotonin-Freisetzungstest
ELISA-Test (immunologischer Antikærpertest gegen
das Heparin-PF4-Antigen)
n Risiko keine Komplikationen zu erwarten venæse und arterielle Thrombosen
Thromboembolien
Letalitåt: 20±30%

Die Dosierungen richten sich nach der Indi- 4.1.3 Protamin


kationsart und werden auf kgKG bezogen (Ta-
belle 4.4). Sie werden in Anti-Faktor-Xa-Einhei- 1937 beschrieben Chargaff und Olsen erstmals
ten angegeben. 1 Amp. Orgaran enthålt 750 E in die Heparinneutralisation und Best entdeckte
0,6 ml. Dies entspricht 1250 E/ml. den Wirkstoff Protamin.
Zur Kontrolle wird die Antifaktor-Xa-Aktivi- Er besteht aus positiv geladenen, basischen,
tåt gemessen: angestrebter Wert: 0,5±0,8 E/ml niedermolekularen Eiweiûen mit hohem Argi-
(in der Angiologie, Gefåûchirurgie, Prophylaxe), ningehalt (als Chlorid- oder Sulfatsalz). Zwei
1,5±2,0 E/ml (fçr Operationen mit HLM). Komponenten sind bekannt (Day 1979):
Ein echtes Antidot existiert nicht. Im Blu- n eine niedermolekulare mit Antiheparineffekt
tungsfall mçssen Orgaran abgesetzt und Voll- n eine hæhermolekulare mit antikoagulatori-
blut, Erythrozytenkonzentrat (EK), evtl. Fresh- schem Effekt
frozen-Plasma (FFP) gegeben werden. Protamin
kann einen gewissen Antidoteffekt ausçben, Protamin wird aus Hodengewebe von Fischen
wird aber nicht generell empfohlen. Eine Plas- (Lachs) gewonnen.
mapherese kann erforderlich sein.
Besteht bei Patienten mit heparininduzierter
n Therapeutische Anwendung
Thrombozytopenie die Indikation zur weiteren
Antikoagulation, sollte frçhestens 8 Tage nach Das negativ geladene Heparinmolekçl verbindet
initialer Orgarantherapie und normalisierten sich mit dem positiv geladenen Protamin zu ei-
Thrombozytenzahlen auf orale Antikoagulan- nem antikoagulatorisch unwirksamen Salz. Ein
zien (z. B. Marcumar) umgestiegen werden. antikoagulatorischer Effekt (Protamin ist ein
Antithromboplastin!) ist bei nichtheparinisier-
ten Patienten infolge einer Ûberdosierung mæg-
lich (Hemmung der Umwandlungsreaktion von
Prothrombin zum Thrombin).
54 n 4 Einsatz und Wirkung von Medikamenten

Tabelle 4.5. Dosierung von Danaparoid Biologische Substanzen wie Protamin erfordern
einen Wirksamkeitsstandard. In der Praxis wird
Bei peripheren arteriellen Revaskularisationen die Protaminmenge deshalb in bestimmten Kon-
zentrationen angegeben. Ampullen mit Pro-
vor Operationsbeginn 2500 E i.v.
Erhaltungsdosis 200 E/h i.v. (fçr die postoperative
tamin 1000 oder Protamin 5000 stehen zur
Dauertherapie) Verfçgung, dabei werden 1000 IE Heparin durch
1 ml einer Protamin-1000-Læsung inaktiviert.
Bei tiefer Beinvenenthrombose/Lungenembolie (erfolgt in
Abhångigkeit zum Kærpergewicht)
4.1.4 Cumarol
£ 55 kg 1250 E i.v. (als Bolus)
55±90 kg 2500 E i.v. (als Bolus) n Historie
> 90 kg 3750 E i.v. (als Bolus)
danach 400 E/h çber 4 h i.v. 1922 und 1929 wurde eine Rinderkrankheit im
300 E/h çber 4 h i.v. Zusammenhang mit der Verfçtterung verschim-
200 E/h als Erhaltungsdosis melten Sçûkleeheus (sweet clover disease) be-
schrieben (Schofield, Roderick). 1939 konnte
Bei Operationen mit der Herz-Lungen-Maschine
die verantwortliche Substanz isoliert werden
1. vereinfachtes Dosierungsschema (Campbell).
Priming 7500 E in die HLM 1940 folgte die chemische Aufklårung des Dicu-
nach Sternotomie 7500 E i.v. marols (3,3'-Methylen-bis-4-Oxycumarin; Link),
Intervalldosis 1500 E i.v. (pro Stunde; jedoch 1941 beschrieben Campbell und Shapiro dessen
nicht mehr in der letzten Stunde Wechselwirkungen mit dem 1921 entdeckten Vita-
vor Bypassende) min K.
2. Dosierungsschema nach Kærpergewicht 1944 wurde eine weitere antikoagulierende
Priming 3 E/ml Primingvolumen Substanz entdeckt, das 1,3'-Indandion (Kabat).
nach Sternotomie 125 E/kgKG i.v.
nach HLM-Start 7 E/kgKG i.v.
Unterschieden werden Mono- und Dicumarole,
750±1250 E i.v. Bolus bei Auftreten
von Gerinnseln wobei in Europa nur Monocumarole eingesetzt
werden. Dicumarole sind aufgrund ihrer Leber-
Zur postoperativen Prophylaxe toxizitåt abzulehnen. Die aus dem Sçûklee
stammenden Kumarine haben primår keine an-
Tagesdosis 2-mal 750 E s.c. tikoagulatorische Aktivitåt.
Die chemische Struktur bildet das 4-Hydro-
xycumarin. Je nach Kumarinderivat unterschei-
det man:
Bei schneller i.v.-Gabe besteht ein Anaphyla- n Phenprocoumon: Marcumar
xierisiko mit schwerer Blutdrucksenkung ver- n Warfarin: Coumadin
mutlich durch Histaminausschçttung in der n Acenocoumarol: Sintrom
Lunge. Diese Reaktionen treten nur bei hepari-
nisierten Patienten auf und mçssen daher als
ein mæglicher Effekt der Neutralisationsreaktion n Therapeutische Anwendung
angesehen werden.
Zur Vermeidung der oben geschilderten Re- In Gegenwart von Vitamin K kann die Leberzel-
aktionen ist die langsame i.v.-Gabe erforderlich: le Vorstufen mehrerer Gerinnungsfaktoren (die
50 mg Protamin in 10 min. inaktiven Faktoren II, VII, IX, X) in ihre aktiven
Angesichts der unterschiedlichen Heparin- Formen çberfçhren (II a, VII a, IX a, X a). Durch
wirksamkeit (je nach Hersteller) muss die Pro- Gabe von Cumarolen wird Vitamin K und damit
tamindosierung angeglichen werden. Hierbei die Faktorenaktivierung gehemmt.
werden Dosierungen von 1,0±1,3 mg Protamin Der um Tage verzægert einsetzende anti-
auf 100 IE Heparin empfohlen. koagulatorische Effekt (Wirkungseinritt nach et-
wa 2±10 Tagen) kommt dadurch zustande, dass
n 1 mg Protamin neutralisiert 100 IE Heparin zu Beginn der Kumarintherapie bereits aktivier-
te Gerinnungsfaktoren im Blut zirkulieren und
4.1 Medikamente mit Wirkung auf die Blutgerinnung n 55

entsprechend ihrer Halbwertszeit erst nach Der Normalwert der Thromboplastinzeit


6±60 h abgebaut werden. (TPZ) betrågt 80±100%. Der therapeutische
Zu Beginn der Cumaroltherapie (wåhrend Wert liegt zwischen 15 und 25%. Er kann aber
der ersten 24 h) wird vorçbergehend infolge ab- je nach verwendetem Thromboplastinreagenz
fallender Protein-C-Werte ein Zustand der Hy- unterschiedliche therapeutische Bereiche haben!
perkoagulation (!) erzeugt, weshalb stets eine Die Labormethode zu Beginn der Marcumarthe-
çberlappende Gabe von Heparin erforderlich rapie muss erfragt werden.
ist! Der therapeutische Wert des INR liegt zwi-
schen 2,0 und 3,0. Die Beziehung zwischen
Bei einem Ausgangsquickwert von çber 80% Quickwert (TPZ) und INR-Wert zeigt Tabelle 4.6.
werden initial 4 Tabl. (z. B. Marcumar) in fallen-
der Dosierung çber die nåchsten Tage gegeben.
Eine Steigerung der Tagesdosis um 1 mg/Tag in- n Gegenmittel
nerhalb 1 Woche (7 mg insgesamt) veråndert
den Quickwert um 38% (Arzneimittelkommis- Die Gabe von Vitamin K (als Tropfen oder pa-
sion, Erfurter Workshop, 1998). renteral, Pråparat: Konakion) ist mæglich, der
Wirkungseintritt benætigt jedoch Tage.
Die Halbwertszeiten betragen: Bei lebensbedrohlicher Blutung mçssen sofort
n Marcumar: 72±120 h Gerinnungsfaktoren substituiert werden (Pråpa-
n Coumadin 30±80 h rat: PPSB, Prothrombinkonzentrat), evtl. kom-
n Sintrom 10 h biniert mit Frischblut (Wirkungseintritt: sofort).

Die Wirksamkeit der Marcumartherapie wird


durch Messung des Quick- (TPZ = Thrombo- 4.1.5 Streptokinase/Urokinase
plastinzeit) bzw. des INR-Werts (INR = interna-
tional normalized ratio) çberwacht. Aufgrund 1933 wurde die fibrinolytische Aktivitåt von
der Vielzahl im Handel befindlicher Thrombo- Streptococcus haemolyticus entdeckt (Tillet, Gar-
plastinpråparate zur Bestimmung des Quick- ner). Streptokinase ist ein aus Streptokokken,
werts, mit entsprechend unterschiedlichen Wer- Urokinase ein aus menschlichem Urin oder Nie-
ten fçr den therapeutischen Bereich, wurde rengewebekulturen gewonnenes Eiweiû.
1983 der INR-Wert eingefçhrt. Dieser stellt ei-
nen einheitlichen Maûstab auf internationaler
Ebene dar. Er errechnet sich nach: n Therapeutische Anwendung
INR ˆ RISI Beide Substanzen fçhren zur Aktivierung von
mit INR internationl normalized ratio, R Quo- Plasminogen, welches in das fibrinolytisch
tient aus Thromboplastinzeit (Patientenplasma) wirksame Enzym Plasmin umgewandelt wird.
dividiert durch Thromboplastinzeit eines Nor- Streptokinase besitzt antigene Eigenschaften,
malplasmapools (Kalibirierungsplasma oder Urokinase dagegen nicht. Die Antigenwirksam-
menschliches Standardplasma), ISI internationa- keit, erkennbar an der Antikærperbildung, er-
ler Sensitivitåtsindex. reicht nach etwa 7 Tagen ihr Maximum. Nach
dieser Zeit ist die Therapie mit Streptokinase
nicht mehr wirksam. Bei weiter indizierter oder
spåter wieder erforderlicher Thrombolysethera-
Tabelle 4.6. Beziehungen zwischen Quick- (TPZ) und INR-Wert pie muss auf z. B. Urokinase umgestiegen werden.
Die Lysetherapie kann als systemische oder
Normale Therapeutischer Blutungsrisiko lokale Form sowie mit unterschiedlicher Dosie-
Gerinnung Bereich rung als ultrahohe Kurzzeitlyse oder konventio-
nelle Lyse durchgefçhrt werden. Die direkt in
n TPZ 100% etwa 20% etwa 9%
den Thrombus applizierte Substanz ist im Sinn
n INR 1 etwa 2,4 etwa 4,5
einer lokalen Lysetherapie grundsåtzlich (im
Seit 1986 existieren Labormethoden zur Selbstkontrolle (nach Sinne der Dosisreduktion und damit Minderung
entsprechender Schulung) der oralen Antikoagulationsbe- der Blutungsgefahr) gegençber der systemischen
handlung Lyse vorzuziehen.
56 n 4 Einsatz und Wirkung von Medikamenten

Die nachfolgenden Dosierungen gelten fçr die raea ulmaria) (K. Læwig, deutscher Chemiker
konventionelle, systemische Lyse: aus Zçrich) und 1838 die Reindarstellung der
n Streptokinase (Pråparat z. B. Streptase): Salizylsåure (Raffaele Piria, Chemiker aus Pisa).
initial 250 000 IE i.v. in 30 min 1839 gelang der Nachweis der Identitåt von
Erhaltung: 100 000 IE/h Spirsåure und Salizylsåure (J. B. Dumas, franz.
Dauer: 3±5 Tage je nach Effekt (Ræntgenkon- Chemiker).
trolle), jedoch nie çber 7 Tage Ab 1875 wurde die Substanz als Spirsåure
n Urokinase (Pråparate z. B. Kabikinase, Abbo- verbreitet. Nachdem 1897 die Reindarstellung
kinase, Actosolv): der Azetylsalizylsåure (F. Hoffmann, Chemiker
initial 40 000±100 000 IE in 30 min der Bayer AG) gelungen war, kam es 1899 zur
Erhaltung: 50 000 IE/h Namensgebung: ASPIRIN (A = Azetyl; SPIR =
Dauer: 5±10 Tage Spirsåure) und 1904 wurde dann das Pråparat
Aspirin (Fa. Bayer) eingefçhrt.
Zusåtzlich schlieût sich immer eine Antikoagu- 1956 beschrieb Frick die verlångerte Blu-
lationsbehandlung mit Heparin an. Dosierungs- tungszeit.
regel fçr die lokale Lyse ist: Es werden 1/10 der Nach Aufspaltung des Salicins in einen Zu-
systemischen i.v. Dosis benætigt. ckeranteil und einen aromatischen Teil wird
Streptokinase hat eine Halbwertszeit von durch Oxidation des Letzteren Salizylsåure (Prå-
30 min, Urokinase von 15 min. parate: Aspirin, Colfarit, ASS 100) gewonnen. In
Zur Kontrolle werden Thrombinzeit (TZ) und der Natur kommt sie vor in:
Fibrinogenspiegel (FI) gemessen: n Extrakten der Weidenrinde (Silberweide)
n TZ: Normalwert ca. 20 s (17±24 s) n Mådesçû (Rosengewåchs)
therapeutischer Wert: initial: Verlångerung n kriechende Scheinbeere (amerikanisches Hei-
(erste 4±8 h nach Lysebeginn infolge Freiwer- dekraut)
den von Fibrin- und Fibrinogenspaltproduk-
ten), danach Verkçrzung der TZ (infolge Er-
schæpfung der Plasminogenspiegel) auf das 3- n Therapeutische Anwendung
bis 4-Fache des Normalwerts
n FI: Zur Vermeidung von Blutungen nicht un- Azetylsalizylsåure hemmt dosisabhångig das En-
ter 100% absinken lassen (Hinweis: Initialdo- zym Zyklooxygenase (COX).
sis nicht zu niedrig wåhlen) In niedriger Dosierung werden Plåttchen-
aggregation und Freisetzungsreaktion, in hæhe-
rer Dosierung auch die Zyklooxygenase der Ge-
n Gegenmittel fåûwandzellen und damit die Prostazyklinbil-
dung gehemmt. Auch die Prothrombinbildung
Es werden Antifibrinolytika, z. B. Trasylol wird inhibiert.
(Aprotinin), in einer Dosis von 500 000 KIE ini- Je nach Indikation kommen verschiedene Do-
tial und 200 000 KIE alle 4±6 h bis zum Stehen sierungen in Frage:
der Blutung gegeben (KIE = Kinin inhibierende n Entzçndungshemmung 4±8 g/Tag,
Einheiten). n Schmerz- und Fieberlinderung 1±3 g/Tag,
n Blutgerinnungsbeeinflussung ab 40 mg/Tag;
zur Thrombozytenaggregationshemmung ca.
4.1.6 Azetylsalizylsåure (ASS) 100 mg tåglich, zur Thrombozytenfunktions-
hemmung ca. 300±500 mg tåglich.
n Historie
Aufgrund irreversibler Enzymhemmung der
Schon im Altertum (Hippokrates *400 v. Chr.) Thrombozytenzyklooxygenase durch Azetylsali-
wurde Weidenrinde (Salix alba) gegen Fieber zylsåure muss bis zur Wiederherstellung einer
und Schmerzen empfohlen. normalen Plåttchenfunktion eine Zeit von etwa
1827 wurde die Wirksubstanz isoliert (H. Le- 6±9 Tagen abgewartet werden (Zeitraum bis zur
roux, franz. Apotheker). Neusynthese der Thrombozyten). Insgesamt be-
1829 erfolgte die Darstellung des Salicins (J. legen çber 30 randomisierte Studien (mit ca.
Buchner, Pharmazeut aus Mçnchen), 1835 die 29 000 Gefåûpatienten), dass ASS die Gesamt-
Isolierung der Spirsåure aus dem Mådesçû (Spi- mortalitåt, die nichttædliche Hirninsultrate und
4.1 Medikamente mit Wirkung auf die Blutgerinnung n 57

die Håufigkeit des Myokardinfrakts in der Lang- 4.1.8 Weitere antithrombozytåre Substanzen
zeitmedikation eindrucksvoll senkt. Innerhalb
dieser Studien lag die Tagesdosis fçr ASS zwi- Die Entdeckung von Rezeptoren an den Oberflå-
schen 75±325 mg. Øhnlich gçnstige Effekte sind chen der Thrombozyten und deren Bedeutung
auch unter Ticlopedin erzielt worden (Level-II- bei Vorgången der Adhåsion und Aggregation
Studien). fçhrten zur Entwicklung einer Reihe von Medi-
kamenten, die neben der klassischen Wirksub-
stanz Azetylsalizylsåure ebenfalls die Thrombo-
4.1.7 Ticlopidin zytenaggregation hemmen.
Die Thrombozyten werden durch Faktoren
1989 wurde die Wirksubstanz entdeckt. im stræmenden Blut, aber auch durch Kontakt
mit freiliegendem Subendothel der Gefåûwand
(nach Verletzungen wie z. B. Operationen, An-
n Therapeutische Anwendung gioplastie) aktiviert. Derartig aktivierte Blut-
plåttchen setzen aus ihren Speichergranula Sub-
Ticlopidin (Ticlopidinhydrochlorid) wirkt als stanzen frei, die zur weiteren Aktivierung,
ADP-Antagonist allerdings erst nach 3±5 Tagen, Formverånderungen und schlieûlich Aggregati-
da erst ein Metabolit wirksam wird. on untereinander beitragen. Weiterhin werden
Erwçnschte Effekte sind: Substanzen in die Gefåûwand und die Gefåû-
n Thrombozytenfunktionshemmung durch In- lichtung abgegeben, die zur Proliferation glatter
hibition der ADP-induzierten Thrombozyten- Muskelzellen (Wachstumsfaktoren) und zur Va-
aggregation sokonstriktion (Thromboxan) fçhren. Eine we-
n Hemmung von Adhåsion und Freisetzung sentliche Rolle bei der Entstehung von Blut-
verschiedener Faktoren (Wachstumsfaktor, gerinnseln spielt neben den Thrombozyten auch
PDGF = platelet derived growth factor) das im Blut befindliche Fibrinogen.
n Senkung des Fibrinogenspiegels Nach Aktivierung der Blutplåttchen durch die
oben genannten Mechanismen werden mehrere
Unerwçnschte Effekte sind: Substanzen von den Thrombozyten abgegeben:
n Verlångerung der Blutungszeit Thromboxan (TxA2), Adenosindiphosphat
n gastrointestinale Stærungen (Ûbelkeit, Erbre- (ADP) und Thrombin (Abb. 4.5). Jede einzelne
chen, Durchfall) dieser Substanzen fçhrt wiederum zur Aktivie-
n reversible Neutropenien bei ca. 1% (wåhrend rung eines speziellen Oberflåchenrezeptors an
der ersten 3 Behandlungsmonate; daher ist den Thrombozyten, der als Glykoproteinrezep-
eine Blutbildkontrolle obligat!) tor (GP-Rezeptor) bezeichnet wird und die Un-
terbezeichnung II b±III a trågt (Synonym: Fibri-
Aufgrund von 2 kontrollierten klinischen Studi- nogenrezeptor). Seine Bedeutung besteht darin,
en ist eine Zulassung fçr die Sekundårpråventi- dass er in der Lage ist, Fibrinogenmolekçle aus
on bei Schlaganfållen erteilt worden; der TASS dem Blut zu binden und so zur Thrombozyten-
(Ticlopidine Aspirin Stroke Study), einer Prå- aggregation beizutragen.
ventivstudie bei Patienten mit Schlaganfallvor- Die kombinierte Hemmung von Thromboxan
boten, sowie der CATS (Canadian American Ti- durch Azetylsalizylsåure, von ADP durch Ticlo-
clopidine Study) zur Rezidivprophylaxe bei
komplettem Schlaganfall.
Als Pråparat wird Tiklyd, 500 mg/Tag (2-mal
250 mg oral/Tag) eingesetzt. Es hat eine Halb-
wertszeit von 96 h (bei 14-tågiger Tiklydeinnah-
me von 2-mal 250 mg/Tag).
Als Gegenmaûnahme werden das Pråparat
abgesetzt und ca. 1 Woche abgewartet (Throm-
bozytenneusynthese).

Abb. 4.5. Aktivierung des Fibrinogenrezeptors


58 n 4 Einsatz und Wirkung von Medikamenten

Fçr beschichtete Stents und nach Brachy-


therapie (an den Koronarien) wird eine gene-
rell långere Therapie mit Clopidogrel (9 Mo-
nate) empfohlen.
Nach den Ergebnissen der CAPRIE-Studie
(1996) sind die zusåtzlichen Vorteile von Clo-
pidogrel jedoch eher als gering einzuschåt-
zen. Fçr die periphere AVK scheint der
græûte Nutzen vorzuliegen.
Fçr die iliakale Strombahn ist kein zusåtz-
Abb. 4.6. Ûbersicht und Synergismus antithrombozytårer Me- licher Nutzen von Clopidogrel bewiesen.
dikamente, Hemmung: aktivierter Thrombozyt (links) wird ge-
hemmt (rechts); beteiligt: ASS, Clopidogrel, Abciximab mit
n Zur Sekundårprophylaxe nach operativen Ein-
unterschiedlichem Wirkmechanismus (Hemmung von Throm- griffen an den peripheren Beinarterien und
boxan, ADP, Thrombin) der A. carotis (PTA, Rekonstruktion mittels
Bypass, TEA) wird eine Kombinationsthera-
pie mit ASS 100 mg und Clopidogrel 75 mg
fçr 4 Wochen empfohlen. Danach sollte le-
pidin (oder der Weiterentwicklung mit Clopido- benslang eine Sekundårprohylaxe mit 100 mg
grel) und von GP-IIb-IIIa-Rezeptoren durch ent- ASS fortgefçhrt werden.
sprechende Antagonisten (z. B. Abciximab) stellt Die Therapie mit Clopidogrel ist kosteninten-
eine sinnvolle Ergånzung in der Therapie mit siv (Tagesdosis bei 3 Euro).
antithrombozytåren Substanzen untereinander
dar (Abb. 4.6).
Ihr kombinierter Einsatz hat in der klini-
schen Medizin, speziell nach interventionellen
Eingriffen (PTA, PTCA), eine drastische Reduk- 4.2 Vasoaktive Medikamente
tion thrombotischer Ereignisse erbracht, die und Lipidsenker
Komplikationsraten gesenkt und so die Frçh-
und Spåtergebnisse erheblich verbessert.
4.2.1 Vasodilatatoren
Studien haben gezeigt, dass diese Gruppe keine
4.1.9 Empfehlungen Verbesserung des Blutflusses bewirkt. Auch
wenn nach dem Poiseuille-Gesetz die Durch-
Fçr die Therapie mit antithrombozytåren Sub-
messerzunahme (Vasodilatation) theoretisch ei-
stanzen (insbesondere Azetylsalyzilsåure und
ne Stræmungszunahme bedeutet, spielt sie bei
Clopidogrel) gelten folgende Empfehlungen:
AVK-Patienten eine untergeordnete Rolle. Dies
n Alle Patienten nach Angioplastie (PTA) wer- liegt daran, dass sklerotische Gefåûe nicht
den mit Azetylsalizylsåure (ASS) in niedriger dehnbar sind und die Patienten im Klaudikati-
Dosierung (75±100 mg Tagesdosis) behandelt. onsstadium die kollateralen Gefåûe bereits ma-
ximal erweitert sind.
n Patienten nach Stentimplantation (Fremdkær-
per) erhalten eine Kombination aus ASS und
Clopidogrel nach folgender Empfehlung:
· Bewiesen bei:
4.2.2 Rheologische Substanzen
± Koronarangioplastie + Stent
Eine entscheidende Rolle fçr das Flieûverhalten
(PCI-CURE-Studie, Mehta et al. 2001)
spielt die Viskositåt. So wurde von der FDA
· Empfohlen bei:
(food and drug administration) in den USA als
± Karotisangioplastie + Stent
rheologisch wirkende Substanz das Pentoxiphyl-
± Nierenarterienangioplastie + Stent
lin zugelassen. Gleich drei Effekte sind von die-
± Femoralarterien (falls Stent erforderlich)
ser Substanz zu erwarten: die Verbesserung der
Fçr die genannten Gefåûe ist eine Therapie- Erythrozytenverformbarkeit, die Reduktion der
dauer mit Clopidogrel fçr 4 Wochen, mit ASS Blutviskositåt und eine Verminderung der
lebenslang erforderlich. Thrombozytenreaktivitåt.
4.3 Infektionsprophylaxe mit Antibiotika n 59

4.2.3 Prostaglandine såtzlich empfohlen wird die Antibiotikaprophy-


laxe bei Eingriffen mit Eræffnung groûer Kær-
Sie sind in der Akutphase (nicht operabler Ver- perhæhlen, Operationsregionen mit erhæhtem
schluss) auch in Kombination mit der operati- Infektionsrisiko und bei Kunststoffimplantaten.
ven Therapie wirksam (vor allem PGI2), bei am- Selbstverståndlich entbindet sie nicht davon,
bulanten Patienten jedoch schlecht praktikabel allgemein geltende Richtlinien in der Chirurgie
(i.v.-Therapie). Zudem ergeben sie lediglich eine zu beachten. Sie stellt nur eine Maûnahme in
zeitlich beschrånkte Besserung. der Begrenzung eventueller Infektionen dar.
Im Gegensatz zur Therapie chirurgischer In-
fektionen wird die Prophylaxe nur wåhrend ei-
4.2.4 Lipidsenker nes begrenzten, kurzen Zeitraums angewendet.
Håufig beschrånkt sie sich auf eine einmalige
Der Einsatz so genannter Lipidsenker (Statine) Gabe (single shot). Auch die Zweitgabe bei ver-
stellt eine weit verbreitete, ebenfalls in zahlrei- långerter Operationszeit zåhlt noch zur Prophy-
chen Studien eindeutig belegte und damit sehr laxe, wåhrend jede weitere Gabe definitions-
effektive Therapie dar. Durch Blockade der Cho- gemåû unter den Begriff der pråventiven Thera-
lesterinsynthese werden die LDL-Werte gesenkt pie fållt.
und damit ein wesentlicher, kausaler Risikofak- Indikationen sind:
tor der Atherogenese beeinflusst. Es wurde ein- n Thorakotomie (thorakale Aorta)
deutig nachgewiesen, dass diese Substanzgruppe n Laparotomie (abdominale Aorta, Beckenarte-
(HMG-CoA-Reduktase-Inhibitoren) das korona- rien)
re Erkrankungsrisiko signifikant senken. n Leisteninzision (Femoralarterien als Ort der
proximalen oder distalen Anastomose, Femo-
ralis-TEA, Profundaplastik) ± obligat bei der
n Therapeutische Anwendung Verwendung von Kunststoff, fakultativ bei der
Verwendung von autologem Material
Zur Therapie bei AVK-Patienten mit Statinen
sollte beachtet werden: Håufige Erreger sind Staphylokokken (in çber
n Messen des Lipidstatus 80%) v. a. S. aureus und S. epidermidis. Selten
n sind Gesamtcholesterin und LDL-Wert sind Mischinfektionen bei Diabetikern (beson-
erhæht, ist die Statintherapie sinnvoll ders im Leistenbereich) und infolge von Ischå-
n jedoch keine Evidenz, den pAVK-Verlauf dau- mien.
erhaft zu beeinflussen In diesem Zusammenhang ist auch die Ver-
n Statine kænnen allerdings im Nebeneffekt die wendung so genannter Inzisionsfolien nicht un-
oft assoziierte koronare Begleiterkrankung umstritten. Da sich bei Protheseninfektionen
durch senken der kardiovaskulåren Mortalitåt fast immer Hautkeime nachweisen lassen, er-
gçnstig beeinflussen. scheint die Abdeckung der Haut jedoch sinn-
voll. Eine wesentliche Rolle spielt hierbei der
Kontakt zwischen Haut und Gefåûprothese, der
wåhrend der Implantationsphase nicht immer
vermieden werden kann und ohne Folienabde-
ckung die Prothese mæglicherweise kontami-
4.3 Infektionsprophylaxe niert werden kænnte.
mit Antibiotika

Kærperfremde Implantate in der Gefåûchirurgie n Substanzen


(Gefåûprothesen) sind mit dem Risiko einer In-
fektion behaftet. Die Keimbesiedlung von Gefåû- Zephalosporine der ersten (Cefazolin, z. B. El-
prothesen stellt immer eine ernst zu nehmende zogram, Gramaxin) oder zweiten Generation
Komplikation dar. Sie kann zu Gliedmaûenverlust (Cefuroxim, z. B. Zinacef) sind Mittel der Wahl.
oder sogar zum Tod des Patienten fçhren. Die Dosierung wird klinikabhångig unter-
Der prophylaktische Einsatz von Antibiotika schiedlich gehandhabt. In unserer Klinik wer-
ist eine fest etablierte Maûnahme zu Verhçtung den folgende Antibiotika in der angegebenen
oder Minimierung dieser Infektionen. Grund- Dosierung eingesetzt (Daschner 1987, Stille
60 n 4 Einsatz und Wirkung von Medikamenten

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5 Arterielles System
5.1 Arterielle Gefåûkrankheiten ±
Einteilung und Therapieprinzipien

Bei den arteriellen Gefåûkrankheiten unter-


scheidet man nach Ursachen eine akute und ei-
ne chronische Form. Erstere ist durch rasch auf- a b
tretende Stærungen gekennzeichnet:
n Embolie Abb. 5.1. Lokale Durchmesserreduktion (a) und Querschnitt-
n Trauma reduktion (b)
n Thrombose

Letztere durch langsam auftretende Stærungen:


n degenerativ
n entzçndlich
n dysplastisch
Die degenerative (metabolische) Form ist mit
90% die håufigste Ursache aller arteriellen Er-
krankungen. Entzçndliche Ursachen sind mit et-
wa 10% deutlich seltener.
Zu den sehr selten vorkommenden dysplas-
tischen Erkrankungen zåhlt die fibromuskulåre
Dysplasie, die gelegentlich in der Karotisstrom-
bahn oder den Nierenarterien auftritt. Definiti-
onsgemåû handelt es sich um eine segmentale,
nicht atheromatæse, nicht entzçndliche Angio-
pathie unbekannter Ursache. Abb. 5.2. Dilatation mit einem Ballonkatheter

fåûbild und Stræmungsphånomenen in der Ste-


5.1.1 Bedeutung der Gefåûstenose nosediagnostik çberlegen.
und Stadieneinteilung Im folgenden Beispiel wird deutlich, dass die
Messung des Durchmessers basierend auf der
Wird ein bestimmter Stenosegrad erreicht angiographischen Darstellung des Gefåûes und
(50±60% der Gefåûlichtung), spricht man von Querschnitts mittels Duplexsonographie zu er-
håmodynamischer Wirksamkeit einer Arterien- heblich unterschiedlichen Werten fçhren (Abb.
verkalkung, die mit Funktionsbeeintråchtigun- 5.1, 5.2).
gen (Stenosegrad meist > 75%) einhergeht und Ausgehend von einer Stenosierung von z. B.
zu bestimmten Symptomen fçhrt. 0,9 cm (Wert A in Abb. 5.1) ergibt sich bei der
Wåhrend die angiographische Darstellung ei- Berechnung der Durchmesserreduktion nach
ner Gefåûstenose als zweidimensionales Bild zur
Verfçgung steht, sind Verfahren der Duplexso- …C A†
 100 ˆ % Stenose
nographie mit simultaner Darstellung von Ge- C
64 n 5 Arterielles System

eine Stenose von Neben der weit verbreiteten und fçr klinische
1; 9 0;9 Belange bewåhrten Schweregradeinteilung nach
 100 ˆ 0; 53  100 ˆ 53%: Fontaine ist eine weitere Klassifikation nach
1;9
Rutherford (Rutherford, 1997) gebråuchlich. Die
Bei der Berechnung der Querschnittreduktion Notwendigkeit einer zweiten Klassifikation der
nach Querschnitt chronisch arteriellen Verschlusskrankheit er-
d2 a Restvolumen wacht aus dem Bedçrfnis, diese der zunehmen-
Qˆp und 1 ˆ% den Zahl an internationalen Veræffentlichungen
4 Q Bezugsgr
oûe anzupassen und die daraus abgeleiteten Kon-
erhålt man einen Wert von 78%, also eine erheb- sequenzen zu standardisieren. Hierbei werden
liche Differenz zu 53%. Mit der gångigen Stenose- unterschiedliche Stadien von 0 (= asymtoma-
diagnostik nach angiographischen Kriterien wird tisch) bis 6 (= græûerer Gewebeschaden) klassi-
lediglich die Diameterreduktion gesehen und in- fiziert.
terpretiert. Damit wird der reale Stenosegrad
(Querschnittsreduktion) stets unterschåtzt. n Klassifikation nach Rutherford
Mit der Einengung des Gefåûquerschnitts n Stadium 0: asymptomatisch
nimmt die Flussgeschwindigkeit jenseits der Ver- n Stadium 1: leichte Gehbeschwerden
engung deutlich ab (Hagen-Poiseuille-Gesetz). n Stadium 2: måûige Gehbeschwerden
Um die Sauerstoffversorgung der nachgeschalte- n Stadium 3: schwere Gehbeschwerden
ten Gewebe zu gewåhrleisten, wird çber die meta- n Stadium 4: Ruheschmerzen
bolische und nervale Steuerung eine Gefåûdilata- n Stadium 5: geringer Gewebeschaden
tion herbeigefçhrt und damit, je nach Schwere- (minor)
grad der Stenose, eine Kompensation erreicht. n Stadium 6: græûerer Gewebeschaden
Bei langsam auftretendem Verschluss treten (major)
Nebengefåûe in den Vordergrund, die als kolla-
terales Gefåûsystem ebenfalls der Kompensation
dienen. Daneben sind Empfehlungen ausgesprochen, Ri-
Ohne diese Maûnahmen kåme es distal einer sikofaktoren, angiographische Gefåûmorpholo-
50-%igen Stenose, nach dem Hagen-Poiseuille- gie sowie Prozeduren (Operation, Intervention)
Gesetz zu einer Flussreduktion auf 1/16 des ur- auf internationalem Niveau zu validieren.
sprçnglichen Stromzeitvolumens.

n Einteilung der arteriellen Verschluss-


n Schweregrade arterieller Verschlussprozesse krankheiten (AVK)
nach Fontaine und Rutherford
Die am håufigsten vorkommende arterielle Ge-
n Klassifikation nach Fontaine fåûerkrankung ist die Atherosklerose. Je nach
n Stadium I: Die Entdeckung einer Ge- Lokalisation und Organbefall hat sich die fol-
fåûstenose ist in der Regel zufållig. Der gende Unterteilung bewåhrt:
Patient hat keine Beschwerden, da die n Aortenbogensyndrom
Kompensation auch unter Belastung er- n AVK der oberen Extremitåten
reicht wird. n AVK der unteren Extremitåten
n Stadium II: Die Durchblutung ist im ± Beckentyp
Ruhezustand noch ausreichend. Bei Be- ± Oberschenkeltyp
lastung kommt es zu Beschwerden (z. B. ± peripherer Typ
Gehstreckenminderung). n AVK der Organarterien
n Stadium III: Auch unter Ruhebedin- ± Gehirnarterien
gungen ist ein Sauerstoffmangel vor- ± Koronararterien
handen (Ruheschmerzen). ± Eingeweidearterien (Leber, Darm)
n Stadium IV: Infolge chronischer Durch- ± Nierenarterien
blutungsminderung treten farbliche Ver-
ånderungen mit trophischen Stærungen Abweichend von den gångigen Einteilungen
auf. nach Erkrankungsort oder Krankheitsstadium
(Symptomatik) ist eine zusåtzliche Klassifikati-
5.1 Arterielle Gefåûkrankheiten ± Einteilung und Therapieprinzipien n 65

on speziell fçr die Becken-Bein-Arterien ent- Im Stadium TASC D liegt immer eine kom-
wickelt worden. Diese bezieht sich auf die an- plexe, fortgeschrittene Erkrankung vor.
giographisch-morphologischen Gefåûverånde- Die Bedeutung dieser Klassifikation besteht
rungen und wird fçr die iliakale sowie femoro- in der Mæglichkeit, Patienten mit den genannten
popliteale Etage empfohlen. Diese Klassifikation Arterienstenosen sowie Studienergebnisse zur
wurde 2000 eingefçhrt und als TASC (Trans- rekonstruktiven Arterienchirurgie vergleichend
Atlantic Inter-Society Consensus) bezeichnet. zu analy