Stephan Teich
596 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 74 (2005), Heft 8
S. Teich · Die Netzwerkbogenbrücke, ein überaus effizientes Brückentragwerk – Tragwirkung und Konstruktion
sich jeweils steigende und fallende weise wurden nach der Fehmarnsund- tergurt größere Biegemomente, und
Hänger ähnlich einem Strebenfach- brücke bis zum Jahr 2001 in Deutsch- die Knicklast des Bogens wird deut-
werk abwechselten. Die Hängestangen land keine weiteren Brücken mit dem lich herabgesetzt. Durch schrägge-
konnten nur Zugkräfte aufnehmen. vorteilhaften System des Netzwerkbo- stellte Hänger (Bild 4c) wird dem
Bögen, Windverband und Untergurt gens errichtet. Auch danach entstan- Ausweichen des Bogens entgegenge-
dieser Brücken bestehen aus Stahlbe- den lediglich zwei solcher Brücken wirkt. Pałkowski [5] ermittelte, daß
ton. Auf diese Art und Weise wurden in über den Main. Dafür erfreute sich die schräge Anordnung die Knicklast
Schweden etwa 70 Brücken errichtet, diese Brückenart seit den späten 60er von Bögen mit Zugband und Hängern
z. B. die Brücke in Fosma. Mit einer Jahren des letzten Jahrhunderts in Ja- deutlich erhöht, denn die elastische
lichten Weite von rund 140 m entstand pan größerer Beliebtheit. Professor Stützung wirkt hier annähernd in der
1932 in Castelmoron, Frankreich, Masao Naruoka, dem Professor Pflü- Ausweichrichtung des Bogens, und die
eine der größten Konstruktionen die- ger 1960 die Modellversuche für die Dehnsteifigkeit des Versteifungsträgers
ser Art. Fehmarnsundbrücke zeigte, brachte wird durch die spitzen Winkel der
Bild 2 zeigt eine der ersten rei- 1962 die Idee dieses Brückentyps in Hänger zusätzlich zur Stützung des
nen Netzwerkbogenbrücken. Bei der sein Heimatland. Als erste entstand Bogens herangezogen [6]. Auch die
dargestellten Bolstadstraumen-Brücke 1968 die 110 m spannende Aki-Bridge. Biegemomente werden stark reduziert,
(Norwegen, Baujahr 1963, Spann- Brücken dieser Bauart wurden in was deutlich schlankere Querschnitte
weite 84 m) kreuzen sich die Hänger Japan fortan als Nielsen-Lohse-Brücke nach sich zieht. Das System wirkt nun
mindestens zweimal und bilden somit bezeichnet. Darunter versteht man auch für halbseitige Belastung
die typische Form eines Netzes. Kon- eine Kombination aus einer Nielsen- annähernd wie ein Fachwerk. Das ist
struiert wurde die Brücke von Tveit, Brücke (Bogenbrücke mit gekreuzten aber nur der Fall, solange die Hänge-
der sich seit über 40 Jahren intensiv Hängern) und einem Lohse-Balken stangen eine Zugkraftbelastung erhal-
mit diesem Brückentyp auseinander- (als Zugband ausgebildete Fahrbahn- ten. Ansonsten kommt es besonders
setzt [2], [3]. Im gleichen Jahr wurde tafel). Es entstanden in Japan über 50 bei steileren Neigungswinkeln zum
von ihm noch eine zweite Netzwerk- Nielsen-Lohse-Brücken mit Spann- Schlaffwerden der Hänger, wodurch
bogenbrücke in Norwegen entworfen: weiten zwischen 150 und 256 m. der positive Effekt unter Umständen
die 80 m spannende Steinkjer-Brücke. Dieser Aufsatz soll dazu beitra- erheblich reduziert wird. Genauere
Die Dimensionen der ebenfalls gen, auch in Deutschland das Inter- Erläuterungen zur Thematik des Hän-
1963 fertiggestellten Fehmarnsund- esse für den Brückentyp des Netz- gerausfalls finden sich in Abschn. 3.3.
brücke (Bild 3) sind deutlich größer. werkbogens zu wecken. Da halbseitige Belastungen natürlich
Der Wunsch nach einer Straßen- bzw. auf beiden Brückenseiten auftreten
Bahnverbindung auf die Insel Feh- 2 Tragverhalten können, benötigt man zusätzlich zum
marn erforderte eine Überquerung des in Bild 4c dargestellten ein zweites,
1,3 km breiten Fehmarnsundes. Ge- Der Stabbogen mit vertikalen Hän- entgegengesetzt geneigtes Hängerset,
plant und ausgeführt wurde eine für gern, welche ihn durch die Biegestei- und es entsteht die typische Form des
Straßen- und Eisenbahnverkehr aus- figkeit des Versteifungsträgers elastisch Netzwerkbogens (Bild 4d).
gelegte Hochbrücke, deren Mittelöff- stützen, wirkt bei einer gleichmäßig Unter der Voraussetzung eines op-
nung mit einem Bogentragwerk stark verteilten Last optimal und erleidet timalen Hängernetzes (s. Abschn. 3.3)
betont wurde [4]. Die Spannweite be- nur relativ geringe Durchbiegungen zeichnen sich Netzwerkbogenbrücken
trägt 248 m bei einem Bogenstich von (Bild 4a). Dagegen kommt es bei halb- grundsätzlich durch zwei Eigenschaf-
43 m. Zur Erhöhung der Seitenstabi- seitiger Belastung (Bild 4b) zu großen ten aus. Im Gegensatz zu Bogen-
lität und aus ästhetischen Gründen Verformungen. Der Bogen weicht in brücken mit vertikalen Hängern ist
wurden die aus Stahl-Hohlprofilen ge- Längsrichtung horizontal aus, und die der Vollastfall bemessungsmaßgebend.
fertigten Bögen korbhenkelartig gegen- Hänger sind nun nahezu wirkungslos. Durch die gute elastische Stützung
einander gelehnt. Unverständlicher- Dadurch entstehen in Bogen und Un- des Bogens durch das Hängernetz und
3 Konstruktive Ausführung
3.1 Bögen
3.2 Untergurt
3.3 Hängernetz
während die der rechtsgeneigten in geranzahl zu. Dies ist aus wirtschaft- durchaus sinnvoll. Als untere Grenze
gleichem Maße reduziert wird. Bei lichen Interessen nicht wünschens- sollten 36 Hänger angesetzt werden,
der dritten Anordnungsmöglichkeit wert. Es stellt sich dadurch die Frage da bei geringerer Anzahl die prozen-
(Variante 3) ist jeweils ein Hänger- nach der optimalen Hängeranzahl. tualen Unterschiede im Ergebniswert
paar symmetrisch zum Bogenradius. Die Entscheidung darüber sollte im zu groß werden und die Brücke dann
Diese Anordnung wurde an der TU Einzelfall getroffen werden. Bild 9 gibt keine vorteilhafte Tragwirkung mehr
Dresden entwickelt [7]. dazu Empfehlungen. Das Diagramm aufweist. Die Unterschiede dieses Zu-
Welche Kriterien sind für die gibt beispielhaft für eine Spannweite sammenhangs bei anderen Spann-
Wahl eines geeigneten Hängernetzes von 100 m die Größe der Bogenmo- weiten sind sehr gering. Die prozen-
entscheidend? Zum ersten natürlich mente in Abhängigkeit von der Hän- tuale Abnahme der Momente fällt je-
die Minimierung der Biegemomente geranzahl an. Die Momente nehmen doch bei größeren Spannweiten im
im Bogen und Untergurt, was den ent- mit steigender Hängeranzahl ab. Die interessanten Bereich (40 bis 50 Hän-
scheidenden Unterschied zu Bogen- Abnahme erfolgt jedoch nicht linear, ger) etwas höher aus, so daß es sinn-
brücken mit vertikalen Hängern dar- sondern parabelförmig. Ab einer voll erscheint, bei Vergrößerung der
stellt. Erreicht wird das zum einen Hängeranzahl von etwa 48 bis 50 er- Spannweite um 50 m jeweils zwei
durch gleichmäßige Abstände der folgt keine deutliche Momentenredu- Hänger je Bogenebene mehr anzu-
Hängeranschlußpunkte am Bogen zierung mehr. Daraus folgt die Er- ordnen. Die besten Ergebnisse hin-
und zum anderen durch Reduzierung kenntnis, daß die Hängeranzahl auf sichtlich des statischen Tragverhal-
dieser Abstände. Mit einer Abstands- etwa 50 begrenzt werden sollte. Das tens liefert generell der größere der in
reduzierung nimmt allerdings die Hän- ist auch aus ökonomischer Sicht Bild 9 angegebenen Werte und ist da-
her als statisch ideal zu bezeichnen.
Der kleinere Wert ist als untere
Grenze zu verstehen, bei der die Effi-
zienz des Tragwerkes noch gegeben
ist, aber mit einer deutlichen Erhöhung
der Querschnittswerte für Bogen und
Hänger gerechnet werden muß. Das
wirtschaftliche Optimum ist in der
Regel bei einem mittleren Wert für
die Hängeranzahl zu finden.
Zweiter wichtiger Punkt für ein
optimales Hängernetz ist ein ausrei-
chender Widerstand des Tragwerkes
gegen Hängerausfall. Unter halbseiti-
ger Belastung verformt sich die
Brücke entsprechend Bild 10. Durch
diese Verformung ist es möglich, daß
die gekennzeichneten Hänger (unter
Umständen auch eine größere An-
zahl) Druckkräfte erhalten, die sie
aufgrund ihrer geringen Knicksicher-
heit nicht aufnehmen können und
sich somit der Belastung entziehen.
Die Hänger fallen aus und beteiligen
sich nicht mehr an der Tragwirkung.
Die Anzahl der Ausfälle ist in hohem
Maße von der Neigung der Hänger
abhängig. Das Diagramm in Bild 11
zeigt die Ausfälle in Abhängigkeit von
der Neigung (Netzvariante mit kon-
stanter Hängerneigung, Spannweite
100 m). Dazu wurden die Einflußli-
nien jedes Hängers untersucht. So-
bald eine Laststellung zu Druckkräf-
ten im Hänger führte, wurde dieser
als ausgefallen notiert. Man kann er-
kennen, daß flache Hänger – also
kleine Neigungswinkel, – die Tendenz
zum Ausfallen verringern. Bei sehr
steilen Hängern kommt es zu derart
Bild 8. Mögliche Hängernetzvarianten vielen Ausfällen (bei 80° Neigungs-
Fig. 8. Possible versions of networks winkel 21 Ausfälle bei insgesamt 48
25
Spannweite [m] 100 150 200 250 20
Hängerausfälle
Hängeranzahl 36–46 38–48 40–50 42–52 15
10
5
Bild 9. Einfluß der Hängeranzahl auf die Biegemomente/Sinnvolle Hängeranzahl 0
Fig. 9. Influence of the number of hangers on the bending moments/Reasonable 45,0 50,0 55,0 60,0 65,0 70,0 75,0 80,0
Winkel [°]
number of hangers
Bild 11. Einfluß des Neigungswinkels
auf die Hängerausfälle bei Eisenbahn-
brücken
Fig. 11. Influence of the inclination on
the number of relaxed hangers (railway
bridges)
18
16
14
12
Bild 10. Verformungsfigur unter halbseitiger Belastung
Ausfälle
10
Fig. 10. Figure of deformation under partial loading 8
6
4
2
Bogen stark ansteigen und die Brücke rung der Spannungsschwingbreiten Verhältnis p/g
wieder annähernd wie eine Bogen- zur Reduzierung der Gefahr von Er- Bild 12. Einfluß des Verhältnisses p/g
brücke mit vertikalen Hängern wirkt. müdungsbrüchen. Bei letzterem Kri- auf die Hängerausfälle bei Eisenbahn-
Des weiteren ist der Hängerausfall terium führen ebenfalls flacher ge- brücken
vom Verhältnis Verkehrslast zu Ei- neigte Hänger zu günstigeren Ergeb- Fig. 12. Influence of the ratio p/g on
genlast (p/g) abhängig, wie Bild 12 nissen (Bild 13). Die Schwingbreite the number of relaxed hangers (railway
zeigt. Je höher das Eigengewicht bzw. reduziert sich z. B. bei einem Nei- bridges)
je kleiner dieses Verhältnis ist, desto gungswinkel von 45° auf etwa ein
weniger Hänger fallen aus, d. h. durch Drittel des Wertes bei einer Neigung 20
Spannungsschwingbreite
bahn) kann man dem Ausfall entge- Kriterien führt letztendlich zu einer 5
rung bieten sich zwei Möglichkeiten Nach der Erläuterung von Tragver-
an (Bild 15). Die erste Variante wäre halten und Konstruktion sollen nun
Bild 15. Anschlußmöglichkeiten ein senkrecht zur Bogenebene ange- die Vorteile von Netzwerkbogenbrük-
Fig. 15. Possibilities for the hanger ordnetes unsymmetrisches Anschluß- ken durch Vergleiche mit herkömm-
connection
blech. Eine zweite Möglichkeit be- lichen Bogenbrücken herausgestellt
steht in der Ausführung eines in der werden. Besonderes Augenmerk wird
straumen-Brücke von Tveit, der die
Seile am Ende aufgefächert und in
einem Zylinder vergossen hat. Dieser
Zylinder wird von einem zangenför-
migen Anschlußblech aufgenommen.
Eine andere Variante zeigen die zwei
Prinzipskizzen im rechten Teil des
Bildes, wo mit einer Augenstablösung
und Bolzen gearbeitet wird. Die
zweite Möglichkeit zur konstruktiven
Ausführung besteht in der Fertigung
der Hänger als Rundstähle, analog
der üblichen Ausführung bei Bogen-
brücken mit vertikalen Hängern.
Empfehlungen zur ermüdungssiche-
ren Ausbildung der Anschlüsse für
diese Hängerart finden sich in [8].
Die Entscheidung für eine der beiden
Varianten sollte nach wirtschaftli-
chen Gesichtpunkten getroffen wer-
den. Dabei ist die zweitgenannte Va-
riante sicher vorzuziehen. Die Mon-
tage von Stahlstangen gestaltet sich
einfacher, da das bei Seilen erforder-
liche Nachjustieren bzw. Nachspan- Bild 16. Vergleich der Straubing-Brücke mit einer Netzwerkbogenbrücke
nen entfällt. Außerdem sind einfa- Fig. 16. Comparison between the Straubing Bridge and a network arch bridge
Untersucht wurden folgende Hänger- einmal 32 %. Es ist zudem ersichtlich, Querschnitte der Bögen und Verstei-
anordnungen: vertikale Hänger (9 daß dieser Unterschied allein durch fungsträger optimiert, so daß bei allen
Stück), konstante Hängerneigungen den Biegemomentenanteil (7 % bei Brücken deren Auslastung etwa 90 %
von 50°, 60° und 70° sowie eine va- geneigten Hängern mit variabler Nei- beträgt. Das Steifigkeitsverhältnis
riable Hängerneigung als Resultat der gung im Gegensatz zu 71 % bei verti- bleibt dabei nahezu konstant. Nach
Untersuchungen für ein optimales kalen Hängern) hervorgerufen wird, der Anpassung wurden die Stahlmas-
Hängernetz. Bild 18 zeigt die Momen- da sich der Normalkraftanteil kaum sen der Bögen ermittelt. Auch hier
tenbilder der Brückentragwerke unter ändert. Das Diagramm zeigt weiter- sind die Unterschiede erheblich (Ta-
halbseitiger Belastung sowie die zuge- hin, daß flacher geneigte Hänger zur belle in Bild 19). Die Stahlersparnis
hörigen maximalen Zahlenwerte aus Minimierung der Biegemomente un- aller Netzwerkbögen ist deutlich. Im
der Berechnung. In der grafischen ter Halblast führen. Dies begründet günstigsten Fall, bei variabler Hänger-
Darstellung ist bereits deutlich die sich durch die bereits in Abschn. 3.3 neigung, lassen sich allein durch die
Verringerung des Biegemomentes, so- erläuterte Tatsache, daß die Hänger- Bögen 88 t Baustahl einsparen. Dies
wohl im Bogen als auch im Verstei- ausfälle bei flacheren Hängern redu- entspricht einer Verringerung des Bo-
fungsträger, zu erkennen. Des weite- ziert werden und so die elastische genstahlgewichts auf 58 %.
ren ist bei geneigten Hängern, vor al- Stützung des Bogens deutlich günsti- Tabelle 1 enthält einige ausge-
lem im Bogen, das Moment wesent- ger ist. Im zweiten Schritt wurden die wählte Bahn-Bogenbrücken mit ihren
lich gleichmäßiger verteilt. Beim Blick
auf die Zahlenwerte bestätigt sich der
Eindruck der Grafiken. Das Biege-
moment unter halbseitiger Belastung
verringert sich von 12,3 MNm auf
1,16 MNm, also auf etwa 10 %. Selbst
unter Vollast ist die Momentenreduzie-
rung um etwa 50 % (von ca. 3,3 MNm
auf 1,47 MNm) noch deutlich.
In Bild 19 sind die Ergebnisse
hinsichtlich der Spannungsauslastung
im Bogen unter halbseitiger Bela-
stung zusammengestellt. Bei den Be-
rechnungen wurde im ersten Schritt
zunächst ein konstanter Bogenquer-
schnitt für alle fünf Brücken gewählt,
um eine Vergleichbarkeit der Span-
nungsauslastungen zu gewährleisten.
Die oben beschriebenen Ergebnisse
der Biegemomente werden bestätigt. Hängeranordnung variabel 50° 60° 70° vertikal
Während der Bogen mit vertikalen Bogenstahlgewicht 120 t 127 t 128 t 135 t 208 t
Hängern zu 92 % ausgelastet ist, be-
trägt die Auslastung bei variabler An- Bild 19. Spannungsauslastung im Bogen und Bogenstahlgewicht
ordnung im Netzwerkbogen gerade Fig. 19. Utilisation ratio of the stresses in the arch and steel weight of the arch