Mathematik II
für Maschinenbauer
Version: 30. September 2020
2 Partielle Ableitungen 15
2.1 Vorausgesetzte Vorkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
2.2 Neue Lernziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
2.3 Die partiellen Ableitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
2.4 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
2.5 Eigene Formeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
3 Doppelintegrale 19
3.1 Vorausgesetzte Vorkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
3.2 Neue Lernziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
3.3 Definition des Doppelintegrals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
3.3.1 Anwendungsbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
3.4 Berechnung von Doppelintegralen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
3.4.1 Rechteckige Integrationsgebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
3.4.2 Gebiete mit eingrenzenden Funktionen fu (x) und fo (x) . . . . . . . . . . . . . 24
3.4.3 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
3.5 Vereinfachte Berechnung von Doppelintegralen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
3.6 Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
3.6.1 Flächeninhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
3.6.2 Schwerpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
3.6.3 Schwerpunkte von Dreiecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
3.6.4 Schwerpunkt zusammengesetzer Flächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
3.6.5 Flächenträgheitsmomente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
3.6.6 Steinerscher Satz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
3.6.7 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
ii
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9 Anhang 117
Kapitel 1
Die Furcht vor der Mathematik steht der Angst erheblich näher als der Ehrfurcht. (Felix Auerbach)
Inhalt
1.1 Vorausgesetzte Vorkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.2 Neue Lernziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.3 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.4 Funktionen mit zwei Veränderlichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.4.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.4.2 Grafische Darstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.4.3 Aufstellung von Ebenengleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
1.4.4 Aufstellung von Ebenengleichungen mit einem allgemeineren Ansatz . . . . . 12
1.5 Eigene Formeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
1.3 Einführung
Wir hatten bisher Funktionen mit einer Variablen behandelt. Sie wurden zur Beschreibung von Zusam-
menhängen zwischen zwei Größen x und y verwendet, wobei x die unabhängige Veränderliche und y
die abhängige Größe war. In vielen Anwendungen treten Fälle auf, wo eine eine Größe von mehreren
anderen abhängt. Solche Fälle sind im Grunde genommen bereits hinreichend bekannt, nur wurden sie
1
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bisher immer so behandelt, als seien die unabhängigen Variablen konstant (außer einer). Beispielsweise
hängt nach dem Ohmschen Gesetz die am Widerstand R abfallende Spannung sowohl vom Widerstand
als auch vom Strom ab, der den Widerstand durchfließt:
U = R · I.
U (R, I) = R · I
zum Ausdruck gebracht werden. Ein anderes Beispiel ist die kinetische Energie eines Körpers
1
Ekin (m, v) = mv 2 .
2
Abbildung 1.1 zeigt die Abhängigkeit der Temperatur vom geographischen Ort. T ist also abhängig
vom Längen- und Breitengrad.
Die Anwendung beschränkt sich keineswegs auf Abhängigkeiten von zwei Größen. Die Raumtem-
peratur T hängt im allgemeinen von 3 Ortskoordinaten und der Zeit ab
T (x, y, z, t)
Darüber hinaus gibt es auch noch vektorwertige Funktionen, wie zum Beispiel die auf einen Körper in
einem zeitlich sich ändernden Magnetfeld wirkende Kraft F~ :
F1 (x, y, z, t)
~
F (x, y, z, t) = F2 (x, y, z, t) .
F3 (x, y, z, t)
x und y sind die unabhängigen Größen, z die abhängige Größe und f die Funktionsvorschrift.
Im Falle zweier Variablen kann man sich noch ein Bild (ähnlich der Funktionskurve bei einer Va-
riablen) von der Funktion machen. Statt einer Kurve über einem Zahlenintervall, erhält man eine Fläche
über einem zweidimensionalen Zahlenbereich.
Hat man mehr als zwei unabhängige Veränderliche, versagt diese Vorstellung, weil man bereits bei 3
Veränderlichen ein vierdimensionales Gebilde erhält.
Beispiele:
z = x2 + y 2
z = 25 − x 2 − y 2
z = y 2 sin( y ) x − 3
z = xy
25 − x 2 − y 2
z=
x 2 + y 2 − 16
z=c
z
z=by+c
z=ax+c
z = f (x, y)
wird als Höhenkoordinate interpretiert und über dem Punkt (x, y) aufgetragen. Die Abbildungen 1.7 bis
1.11 zeigen Beispiele für die graphische Veranschaulichung solcher Funktionen.
z = ax + by + c
a ist dabei die Steigung der Ebene in x-, b die Steigung in y-Richtung. c ist der z-Achsenabschnitt, d.h.
es ist der Wert der Ebene an der Stelle (x = 0, y = 0), also c = z(0, 0). Hat man ein Bild der Ebene,
dann ist die Aufstellung der Ebenengleichung ähnlich wie die Aufstellung einer Geradengleichung.
Schauen Sie sich die linke Ebene in Abbildung 1.12 an. Die Steigung in y-Richtung kann man formal
berechnen, wenn man den Wert der Ebene an zwei Stellen mit der gleichen x-Koordinate ablesen kann.
Diese beiden Stellen sind (x1 , y1 ) = (0, 0), dort hat z den Wert 2 und (x2 , y2 ) = (0, 6) mit dem z-Wert 0.
Da die x-Koordinaten beider Punkte die gleichen sind, kann daraus die Steigung in y-Richtung ermittelt
werden:
∆z 0−2 1
b= = =−
∆y 6−0 3
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2 +y 2 )
Abbildung 1.9: Die Funktion e−(x
z z
2 4 4
6 6
2 y y
4
x x 10
Genauso geht man bei der Steigung in x-Richtung vor. Hier muss man den Funktionswert von z an
zwei Stellen mit gleicher y-Koordinate ablesen können, also etwa an der Stelle (0, 0) und (4, 0). Der
Funktionswert ist jeweils 2. Die Steigung in x-Richtung ist damit
∆z 0
a= = =0
∆x 4
Der z-Achsenabschnitt kann ebenfalls aus der Zeichnung abgelesen werden. Er ist c = 2. Damit lautet
die Gleichung der Ebene links in Abbildung 1.12
1
z = − y + 2.
3
Wenden wir uns der rechten Ebene in der gleichen Abbildung zu. Die Steigung in y-Richtung ist
offensichtlich
b=0
und die Steigung in x-Richtung kann mit Hilfe der beiden Punkte mit gleicher y-Koordinate (0, 4) und
(10, 4) bestimmt werden. Am ersten Punkt ist z = 4 und am zweiten z = 0. Daher ist
∆z −4 2
a= = = − = −0.4
∆x 10 5
Der z-Achsenabschnitt ist c = 4, sodass die Ebenengleichung
2
z =− x+4
5
lautet.
Sehen wir uns noch die beiden Ebenen in Abbildung 1.13 an. Bei der linken Ebene ist
∆z −1 1
a= = =−
∆x 2 2
und
∆z −2 1
b= = =−
∆y 4 2
und die Ebenengleichung lautet
1 1
z =− x− y+2
2 2
z z
2 3
4 2
y 5 4 y
1 2
x x
3
y
y
2 5
x x
4
z
z
1 4 2
2 y 3
1
3 2 3
2
x
x
z = a(x − x0 ) + b(y − y0 ) + c.
Hier sind a und b auch wieder die Steigungen in x- bzw. y-Richtung. Das c ist jedoch nicht der Achsen-
abschnitt, sondern der Wert der Funktion z am Arbeitspunkt (x0 , y0 ).
Betrachten wir als Beispiel die Ebene rechts unten in Abbildung 1.14. Für die Wahl des Arbeits-
punktes (x0 , y0 ) gibt es 4 Möglichkeiten: (1, 1), (1, 2), (2, 1) und (2, 2). Egal für welchen Arbeitspunkt
man sich entscheidet, es kommt immer die selbe Gleichung heraus. Wir nehmen willkürlich den Punkt
(x0 , y0 ) = (1, 2). Hier ist der Wert der Funktion z gleich 4. Also ist unser c = 4. Die Steigung in
x-Richtung ist
∆z −1
a= = = −1
∆x 1
und in y-Richtung
∆z 1
b= = =1
∆y 1
Damit lautet die Ebenengleichung
z = −1(x − 1) + 1(y − 2) + 4 = −x + y + 1 − 2 + 4 = −x + y + 3
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Partielle Ableitungen
Die Praxis sollte das Ergebnis des Nachdenkens sein, nicht umgekehrt (Albert Einstein)
Inhalt
2.1 Vorausgesetzte Vorkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
2.2 Neue Lernziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
2.3 Die partiellen Ableitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
2.4 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
2.5 Eigene Formeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
15
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z(x+h,y)-z(x,y)
z
y
x
z(x,y)
y
x+h
Die Steigung in x-Richtung wird gebildet, indem man die andere Variable y als konstant ansieht und
dann wieder den Grenzwert des Differenzenquotienten bildet (vergl Abbildung 2.1):
z(x + h, y) − z(x, y)
lim .
h→0 h
Man nennt diesen Grenzwert die partielle Ableitung nach x und schreibt dafür
∂z ∂
zx (x, y), oder z(x, y).
∂x ∂x
Man hat hier im Grunde die Ableitung der Funktion gebildet, die sich aus dem Schnitt der Funktion mit
der Ebene y = d ergibt.
Analog kann die Steigung bzw. die partielle Ableitung nach y gebildet werden:
∂z ∂ z(x, y + h) − z(x, y)
zy (x, y) = = z(x, y) = lim .
∂y ∂y h→0 h
Die praktische partielle Differentiation erfolgt so, dass man die Funktion nach der gewünschten Va-
riablen differenziert und die anderen Variablen als Konstanten betrachtet.
2.4 Beispiele
∂z ∂z
z(x, y) = x2 + y 2 ⇒ ∂x
= 2x, ∂y = 2y
∂z ∂z
z(x, y) = 2x3 sin y ⇒ ∂x
= 6x2 sin y, ∂y = 2x3 cos y
∂z ∂z
z(x, y) = sin(xy) ⇒ ∂x
= y cos(xy), ∂y = x cos(xy)
∂z ∂z
z(x, y) = 3xy + xey + 4 ⇒ ∂x
= 3y + ey , ∂y = 3x + xey
∂z ∂z
z(x, y) = yexy ⇒ ∂x
= y 2 exy , ∂y = exy + xyexy = exy (1 + xy)
∂m 2q
m(q, p) = p · ln(p + q 2 ) ⇒ ∂q
=p· , ∂m
p+q 2 ∂p
= ln(p + q 2 ) + p · 1
p+q 2
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Doppelintegrale
Ich bin immer noch verwirrt, aber auf einem höheren Niveau (Enrico Fermi)
Inhalt
3.1 Vorausgesetzte Vorkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
3.2 Neue Lernziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
3.3 Definition des Doppelintegrals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
3.3.1 Anwendungsbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
3.4 Berechnung von Doppelintegralen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
3.4.1 Rechteckige Integrationsgebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
3.4.2 Gebiete mit eingrenzenden Funktionen fu (x) und fo (x) . . . . . . . . . . . . 24
3.4.3 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
3.5 Vereinfachte Berechnung von Doppelintegralen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
3.6 Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
3.6.1 Flächeninhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
3.6.2 Schwerpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
3.6.3 Schwerpunkte von Dreiecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
3.6.4 Schwerpunkt zusammengesetzer Flächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
3.6.5 Flächenträgheitsmomente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
3.6.6 Steinerscher Satz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
3.6.7 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
3.7 Doppelintegrale in Polarkoordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
3.7.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
3.7.2 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
3.8 Eigene Formeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
19
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Geometrie
z(x,y)
3
Grundfläche
5
2. Integration von Funktionen über von Funktionen begrenzte Gebiete in kartesischen Koordinaten
Der Boden G dieses zylindrischen Körpers (er entspricht im eindimensionalen dem Intervall [a, b])
wird in viele kleine Teilflächen der Größe ∆A1 , ∆A2 , . . ., ∆An zerlegt. Das zu berechnende Volumen
zerfällt damit in n Röhren mit diesen Grundflächen. Das Volumen der Röhre Nummer k kann durch die
Formel
∆Vk ≈ zk ∆Ak
angenähert werden, wobei zk = z(xk , yk ) ist und der Punkt (xk , yk ) ein beliebiger Punkt des Bodens der
k-ten Säule ist.
Eine Näherung für das Gesamtvolumen des zylindrischen Körpers ergibt sich dann aus der Summa-
tion der einzelnen Säulenvolumina: nX
V ≈ zk ∆Ak .
k=1
Dieser Näherungswert kann durch Verkleinerung der Teilgebiete Ak verbessert werden. Das exakte Vo-
lumen ergibt sich wieder durch den Grenzübergang n → ∞, wobei die Fläche jedes Teilbereichs gegen
0 streben muss: n X
V = lim z(xk , yk )∆Ak .
n → ∞ k=1
∆Ak → 0
Es kann passieren, dass es diesen Grenzwert nicht gibt (er könnte ∞ sein). Dann ist die Funktion z(x, y)
zumindest im betrachteten Gebiet G nicht integrierbar. Wenn der Grenzwert existieren sollte, dann wird
er durch das Symbol Z Z
z(x, y) dA
(G)
bzw. Z
z(x, y) dA
(G)
gekennzeichnet. Man spricht hier von einem Doppelintegral, weil sich die Integration über einen zwei-
dimensionalen Bereich G erstreckt.
3.3.1 Anwendungsbeispiel
Die Bilder 3.2 bis 3.4 zeigen, wozu man Doppelintegrale einsetzen kann. Im ersten Bild wirkt ein kon-
stanter Druck auf eine Fläche, wie man es etwa am Boden eines quaderförmigen Schwimmbeckens vor-
findet. Die Kraft, die der Druck auf die Fläche ausübt ist einfach
F = p · A.
Die Wirkung des Wasserdrucks auf eine vertikal stehende Wand wie in Abbildung 3.3 kann man nicht
mehr mit dieser einfachen Formel bestimmen, weil der Druck sich mit der Wassertiefe verändert. Ist
der Druck nicht mehr konstant, dann muss man den Druck über die Fläche integrieren, um die Kraft zu
bekommen.
Abbildung 3.4 zeigt es noch einmal geometrisch. Man kann sich etwa eine Schneelast auf einem
horizontalen Dach vorstellen. Ist die Schneehöhe überall die gleiche, dann genügt eine einfache Multi-
plikation für die Kraftwirkung. Hängt die Schneehöhe aber vom Ort ab, dann ist ein Integral fällig.
Doppelintegrale können manchmal auch als Volumen interpretiert werden, aber diese Vorstellung
ist nicht für jede Anwendung hilfreich. Als Ingenieur orientiert man sich besser an technischen, als an
geometrischen Beispielen.
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F = p⋅ A
F = ∫ p( x, y )dA
F = p⋅ A F = ∫ p( x, y )dA
6y
4
-
1 5 x
Geometrie
Deckelfläche
z(x,y)
untere Funktion
fu (x) 1 obere Funktion
fo (x)
Grundfläche
5
Multiplikationen haben damit rein garnichts zu tun. So ist es auch bei der Integralrechnung. Man kann
sie für geometrische Aufgabenstellungen einsetzen, aber die Haupteinsatzgebiete liegen woanders. Im
nächsten Kapitel behandeln wir Dreifachintegrale. Die haben keine geometrischen Anwendungen mehr.
Füllen Sie in Abbildung 3.8 aus, wie x und y bei diesen Integrationsgebieten laufen, in Abbildung 3.9
und 3.10 wie die Integrale lauten und in Abbildung 3.11 wie die Integrationsgebiete aussehen!
3.4.3 Beispiele
1. Das einfachste Beispiel ist die Berechnung eines Quadervolumens. G ist dabei das Rechteck 0 ≤
x ≤ 2, 0 ≤ y ≤ 5 und die Deckelfläche wird durch die Funktion z(x, y) = 3 beschrieben. Das
Gebiet G wird durch die beiden Funktionen
fu (x) = 0, fo (x) = 5
eingekreist und das Intervall für die Variable x ist
[a, b] = [0, 2].
Nach Gleichung 3.1 berechnet sich das Quadervolumen aus
Z 2 Z 5
V = ( 3 dy) dx.
0 0
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Beispiele
3 3
3 3
Das innere Integral ist hierbei nicht von x abhängig, weil die Schnittfläche immer die gleiche ist.
Die Berechnung ergibt
Z 2
V = 3y|50 dx =
0
Z 2
15 dx =
0
15x|20 = 30.
Die Integrationsgrenzen waren hier konstant. Die Integrationsreihenfolge ist dann vertauschbar,
also Z 5Z 2
V = 3 dx dy =
0 0
Z 5
3x|20 dy =
0
Z 5
6 dx =
0
6x|50 = 30.
z(x, y) = x2 + xy 3
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G G
4 1 2
2 z=x2ey 2 z=xy
1 G 1
G
2 1 2
Abbildung 3.10: Keine Angst vor anderen Buchstaben: Schreiben Sie die Integrale hin!
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∫ ∫ z ( x, y)dydx
0 x2
3 2 x −1
∫∫
1 x
xydydx
1 x
∫∫x
2
ydydx
0 x 2
y 6 fo (x) = x(2, 2)
?
(0, 0) x
-
@
@
@
6@
@ (2, −2)
@
fu (x) = −x
über einem dreieckigen Gebiet, das durch die Ecken (0, 0), (2, 2) und (2, −2) gekennzeichnet ist
(siehe Abbildung 3.12).
Die Begrenzungsfunktionen lauten hier:
und die x-Variable läuft im Intervall [0, 2]. Das Volumen unter der Fläche z(x, y) = x2 + xy 3 auf
diesem Gebiet ergibt sich nach Gleichung 3.1 aus
Z 2 Z x
V = ( x2 + xy 3 dy) dx =
0 −x
Z 2
1
(x2 y + xy 4 )|x−x dx =
0 4
Z 2
1 1
([x3 + x5 ] − [−x3 + x5 ]) dx =
0 4 4
Z 2
2
2x3 dx = x4 |20 = 8.
0 4
3. Wir integrieren die Funktion
z(x, y) = xy.
über einem Gebiet G, das zwischen den Funktionskurven von
√
fu (x) = x und fo (x) = x.
verläuft. x bewegt sich dabei zwischen den Schnittpunkten dieser Kurven, nämlich zwischen 0 und
1, d.h. [a, b] = [0, 1]. Das Volumen ergibt sich aus
Z 1 Z √x
V = ( xy dy) dx =
0 x
Z 1
1 2 √x
xy |x dx =
0 2
Z 1
1 2
(x − x3 ) dx =
0 2
1 1 3 1 4 1
( x − x )|0 =
2 3 4
1 1 1 1 1 1
( − )= =
2 3 4 2 12 24
Dann ist
Z bZ d Z b Z d
f (x, y) dy dx = g(x) dx · h(y) dy.
a c a c
Aus dem Doppelintegral ist ein Produkt aus zwei einfachen Integralen geworden. Die Reihenfolge der
Integrale ist dabei selbstverständlich egal.
3.6 Anwendungen
Neben den angesprochenen Volumenberechnungen gibt es noch eine Vielzahl von Anwendungen der
Doppelintegrale. Einige wollen wir uns ansehen.
3.6.1 Flächeninhalt
Der Flächeninhalt eines Gebietes G ergibt sich durch Integration der Funktion z(x, y) = 1 über das
Gebiet: Z
A= 1dA
(G)
Der Integrand z(x, y) = 1 ist hier dimensionslos, so dass sich für A eine Flächeneinheit ergibt.
3.6.2 Schwerpunkte
Die Koordinaten des Schwerpunktes (xs , ys ) einer homogenen Fläche G (Dichte ist überall die gleiche)
ergeben sich aus
1Z
xs = x dA
A (G)
1Z
ys = y dA.
A (G)
Der Schwerpunkt liegt bei homogenen Flächen immer auf eventuell vorhandenen Symmetrieachsen. Die-
se Bedingung erspart manchmal die explizite Berechnung einer, bzw. sogar beider Komponenten.
Nehmen wir als Beispiel die zusammengesetzte Fläche aus Abbildung 3.14. Sie setzt sich zusammen
aus einem Rechteck (Fläche 1) und einem Dreieck (Fläche 2). Damit ist
s2
a
b
und
10 7.5
ys = ·1+ · 3 = 1.857
17.5 17.5
3.6.5 Flächenträgheitsmomente
Setzt man einen Balken einer Kraft aus, so reagiert er mit Verbiegung (siehe Abbildung 3.15).
Wie groß die Durchbiegung ist hängt ab von
1. der Kraft F~ und deren Abstand vom Lager (also dem Biegemoment),
4. der Orientierung der Fläche ab (die Kennzahl für die Orientierung steckt bereits im Flächen-
trägheitsmoment I).
Schaut man sich die beiden Lastfälle in Abbildung 3.15 an, so wird die Durchbiegung im unteren
Fall größer sein, als im oberen, obwohl das Biegemoment und das Material in beiden Fällen identisch
sind. Lediglich die Orientierung der Querschnittsfläche ist eine andere und damit ist die Kennzahl des
Flächenträgheitsmomentes anders.
Das Flächenträgheitsmoment bezieht sich auf eine bestimmte Achse, um die der Balken gebogen
wird. In Abbildung 3.16 sind diese Achsen eingezeichnet. Greift die Kraft von oben an, dann ist die
Drehachse horizontal, greift sie von neben an, vertikal.
Wir definieren jetzt dieses Flächenträgheitsmoment bezüglich der x- und der y-Achse. Braucht man
eine andere, beliebige Achse, so muss man nur die Fläche so in ein Koordinatensystem legen, dass die
gewünschte Achse mit x- oder y-Achse übereinstimmt. Seine Einheit ist Länge4 .
Das axiale Flächenträgheitsmoment bezüglich der x-Achse ist
Z
Ix = y 2 dA
(G)
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Flächenträgheitsmomente
hinschreiben
(c)
(d)
2
(a) 4 (e)
2
(b)
4
4
Abbildung 3.17: Wie lauten die Integrale zur Berechnung des Flächenträgheitsmoments?
Das polare Flächenträgheitsmoment bezieht sich auf die z-Achse und ist
Z
Ip = Ix + Iy = r2 dA
(G)
Schreiben Sie die Integrale zur Berechnung des Flächenträgheitsmoments bezüglich der Achsen a - k
in den Abbildungen 3.17 und 3.18 hin!
A ist dabei der Flächeninhalt, d der Abstand der beiden parallelen Achsen und IS das Flächenmoment
bezüglich der Schwerpunktachse.
Der Satz von Steiner ist nur dann anwendbar, wenn beide
+ Achsen parallel sind und eine der beiden Achsen durch
den Schwerpunkt verläuft!
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Flächenträgheitsmomente
hinschreiben
d 1
1 1 1
c 2
1 1
e
a b
Abbildung 3.18: Wie lauten die Integrale zur Berechnung des Flächenträgheitsmoments?
3.6.7 Beispiele
1. Wir berechnen den Schwerpunkt
√ des Gebietes in Abbildung 3.19. Es wird von der Funktion y = x2
nach unten, bzw. von y = x nach oben begrenzt. Da die beiden Umkehrfunktionen sind, ist die
Winkelhalbierende y = x eine Symmetrieachse. Es muss daher nur eine Schwerpunktskoordinate
berechnet werden. Wir beginnen mit dem Flächeninhalt:
Z 1 Z √x
A= 1 dy dx =
0 x2
Z 1 √
( x − x2 ) dx =
0
Z 1 1
(x 2 − x2 ) dx =
0
2 3 1
[ x 2 − x3]|10 =
3 3
2 1 1
− = .
3 3 3
Die x-Koordinate des Schwerpunktes ist:
Z 1 Z √x
xs = 3 x dy dx =
0 x2
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√
Abbildung 3.19: Schwerpunkt zwischen x2 und x gesucht
Z 1 √ Z 1 √
3 xy|x2x dx = 3 x( x − x2 ) dx =
0 0
Z 1 3
3 (x 2 − x3 ) dx =
0
2 5 1
3[ x 2 − x4]|10 =
5 4
2 1
3[ − ] =
5 4
8 5 9
3[ − ] = = 0.45
20 20 20
Da der Schwerpunkt auf der Symmetrieachse y = x liegt, ist die y-Koordinate des Schwerpunktes
ebenfalls 0.45.
2. Wir berechnen den Schwerpunkt der Fläche links in Abbildung 3.20. Beim unteren Quadrat ist
xs1 = 1.5, ys1 = 1.5 und A = 9
Beim oberen Rechteck ist
xs2 = 2.5, ys2 = 4 und A = 2
Die Gesamtfläche ist A = A1 + A2 = 11. Der Gesamtschwerpunkt ist
9 2 18.5
xs = · 1.5 + · 2.5 = = 1.682
11 11 11
9 2 21.5
ys = · 1.5 + ·4= = 1.955
11 11 11
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3. Von der Fläche aus Abbildung 3.19 wollen wir das Flächenträgheitsmoment bezüglich der x-Achse
berechnen: √
Z 1Z x
Ix = y 2 dy dx =
0 x2
Z 1
1 3 √x
y | 2 dx =
0 3 x
Z 1
1 3
(x 2 − x6 ) dx =
3 0
1 2 5 1 7 1
[ x 2 − x ]|0 =
3 5 7
1 2 1
[ − ]=
3 5 7
1 9 3
· =
3 35 35
4. Wir verschieben die Bezugsachse um eine Einheit nach oben und benutzen zur Berechnung des
Flächenträgheitsmomentes den Steinerschen Satz. Direkt darf er nicht angewendet werden, weil
weder die x-Achse (y = 0), noch die um 1 verschobene x-Achse (y = 1) eine Schwerpunktsachse
ist. Wir müssen daher einen Umweg über die Schwerpunktsachse y = 0.45 machen:
3 1
IS = I − d2 A = − 0.452 · = 0.0182
35 3
Von dort kann kann der Steinersche Satz auf die Zielachse angewendet werden:
1
I = IS + d2 A = 0.0182 + 0.552 · = 0.119
3
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Flächenträgheitsmoment eines
Rechtecks
b b
a a/2 a/2
5. Wir berechnen nun das Flächenträgheitsmoment eines Rechtecks mit den Abmessungen a und b
bezüglich zweier Achsen. Das Rechteck und die Bezugsachsen sind in Abbildung 3.21 gezeichnet.
Beginnen wir mit der linken Achse. Sie verläuft nicht durch den Schwerpunkt. Es ist
Z
Iy = x2 dA =
Z aZ b
x2 dydx =
0 0
Z a Z b
x2 dx · dy =
0 0
1 3a
x |0 · y|b0 =
3
1 3
ab
3
Nun die Schwerpunktachse. Wir legen das Koordinatensystem so, dass die y-Achse mit der Be-
zugsachse übereinstimmt: Z
Iy = x2 dA =
Z a Z b
2
x2 dydx =
− a2 0
Z a Z b
2
x2 dx dy =
− a2 0
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1 3 a2
x |− a · y|b0 =
3 2
1 a 3 a
[( ) − (− )3 ]b =
3 2 2
1 a3 a3
[ + ]b =
3 8 8
1 3
ab
12
6. Mit dem Satz von Steiner hätten wir uns die explizite Berechnung bei einer der beiden Achsen
einfacher machen können. Der Satz von Steiner lautet
I = Is + d2 A
Is ist dabei ein Flächenträgheitsmoment, das sich auf eine Schwerpunktachse bezieht. I ist ein
Moment mit Bezug auf eine um d parallel verschobene Achse und A ist der Flächeninhalt. Rechnen
wir das Moment des Rechtecks bezüglich der Schwerpunktachse (rechtes Bild in Abbildung 3.21)
noch einmal aus und gehen davon aus, dass wir das Moment bezüglich der linken Achse (linkes
Bild in Abbildung 3.21) schon kennen. Jetzt ist also das Moment bezüglich der Schwerpunktachse
gesucht und das Moment einer parallel verschobenen Achse ist bekannt. Der Steinersche Satz muss
daher nach Is umgestellt werden:
Is = I − d2 A.
Der Flächeninhalt des Rechtecks ist A = ab und der Abstand der beiden Achsen ist
a
d=
2
Das Flächenträgheitsmoment bezüglich der linken Achse war
1
I = a3 b
3
Daher gilt nach dem Satz von Steiner
1 a 1 1 1
Is = a3 b − ( )2 · ab = a3 b − a3 b = a3 b
3 2 3 4 12
Abbildung 3.22 fasst die Flächenträgheitsmomente eines Rechtecks bezüglich seiner Schwerpunkt-
achsen noch einmal zusammen.
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Flächenträgheitsmoment eines
Rechtecks
a/2 a/2
a/2
b
a/2
b
1 3 1 3
I= ab I= ab
12 12
Abbildung 3.22: FTM beim Rechteck. b ist die Abmessung parallel zur Achse!
Flächenträgheitsmoment
0,5
0,5
1 2
Flächenträgheitsmoment
2/3
1/6
1/3
1 2
7. Zur weiteren Verdeutlichung des Steinerschen Satzes berechnen wir das Flächenträgheitsmoment
des Dreiecks in Abbildung 3.23 bezüglich der drei eingezeichneten Achsen. Wir beginnen mit
der unteren und legen unser Koordinatensystem so, dass die untere Achse die x-Achse und die
Höhenlinie des Dreiecks die y-Achse ist. Dann ist
Z 0 Z x+1 Z 2 Z − 1 x+1
2 2
Ix = y dydx + y 2 dydx =
−1 0 0 0
Z 0 Z 2
1 3 x+1 1 3 − 21 x+1
y |0 dx + y |0 dx =
−1 3 0 3
1Z 0 3 1Z 2 1
(x + 1) dx + (− x + 1)3 dx =
3 −1 3 0 2
1 1 1 1 1
· (x + 1)4 |0−1 + · (−2) · (− x + 1)4 |20 =
3 4 3 4 2
1 2 3 1
[1 − 0] − [0 − 1] = =
2 12 12 4
Bestimmen Sie nun das Flächenträgheitsmoment bezüglich der anderen beiden Achsen mit Hilfe
des Steinerschen Satzes. Nehmen Sie dazu Abbildung 3.24 zu Hilfe. Dort ist die Schwerpunktachse
in der Höhe 13 eingezeichnet.
8. Wir bestimmen nun das Flächenträgheitsmoment des T-Profils links in Abbildung 3.25. Das Profil
besteht aus zwei Rechtecken mit den Abmessungen 10x1. Das Koordinatensystem haben wir in
die Mitte des unteren Randes des liegenden Rechtecks gelegt.
Die Bezugsachse soll durch den gemeinsamen Schwerpunkt gehen. Die x-Koordinate dieses Schwer-
punkts ist 0. Die y-Koordinate muss erst bestimmt werden. Bezeichnen wir das liegende Rechteck
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mit der Nummer 1 und das stehende mit 2, dann ist offensichtlich
Genausogut hätte man das Flächenträgheitsmoment direkt mit einem Integral bestimmen können,
nämlich durch Z 5 Z −2.25 Z 0.5 Z 7.75
2
I= y dydx + y 2 dydx
−5 −3.25 −0.5 −2.25
| {z } | {z }
1:liegend 2:stehend
und √
fo (x) = R 2 − x2 .
Der Integrand für das äußere Integral kann dann sehr kompliziert sein. Will man etwa die Funktion
z(x, y) = xy 2 über dem Kreis mit Radius R = 1 integrieren, dann lautet das Integral
Z 1 Z √1−x2
√ xy 2 dy dx =
−1 − 1−x2
1 3 √1−x2
Z 1
xy |√1−x2 dx =
−1 3
1Z 1 √ √
x[( 1 − x2 )3 − (− 1 − x2 )3 ] dx =
3 −1
2Z 2 √
x( 1 − x2 )3 dx.
3 −1
Wir führen deshalb andere Koordinaten bzw. andere Variablen ein. Diese Methode entspricht im eindi-
mensionalen Fall der Substitution. Im mehrdimensionalen ist die Substitutionsmethode etwas kompli-
zierter. Die neuen Variablen müssen in erster Linie so gewählt werden, dass die Grenzen des Integrati-
onsgebietes G einfach zu beschreiben sind. Im eindimensionalen Fall wurden die neuen Variablen mit
der Zielsetzung ausgesucht, den Integranden zu vereinfachen. Hier geht es in erster Linie darum, die Be-
schreibung der Grenzen zu vereinfachen, was letzten Endes auch zu einer simpleren Berechnung führt.
Sie lauten:
x = r cos φ
y = r sin φ
dA = rdr dφ.
(3.2)
Für eine Kreisfläche mit Radius R bewegen sich die neuen Variablen in den Bereichen
0≤r≤R
(3.3)
0 ≤ φ ≤ 2π.
Damit sind die oberen und unteren Grenzen sowohl des äußeren, als auch des inneren Integrals konstant.
Wie bei der Substitution im eindimensionalen Fall sind vier Schritte abzuarbeiten:
1. Wahl geeigneter Variablen. Die sind hier schon gefunden. Wir wollen mit Polarkoordinaten nach
Gleichung 3.2 arbeiten.
3. Ersetzung der Differentiale dA bzw. dx dy durch dr dφ. Es gilt für Polarkoordinaten dA = r dr dφ.
4. Beschreibung der Gebietsgrenzen mit den neuen Variablen. Integriert man über einen Vollkreis,
gelten die Grenzen nach Gleichung 3.3. Sind es nur Kreissegmente, müssen die Grenzen entspre-
chend korrigiert werden.
In Polarkoordinaten ist
+
x2 + y 2 = r 2 .
3.7.2 Beispiele
1. Wir gehen von einem Halbkreis mit dem Radius R im ersten und zweiten Quadranten aus. Sein
Flächeninhalt ist A = π2 R2 , die x-Koordinate seines Schwerpunktes ist xs = 0. Wir bestimmen die
y-Komponente des Schwerpunkts:
1Z
ys = ydA =
A
2 Z RZ π
r sin φ rdφdr =
πR2 0 0 | {z } | {z }
y dA
Z R Z π
2
r2 dr · sin φdφ =
πR2 0 0
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Gebietsgrenzen
≤ r ≤ ≤ r ≤ ≤ r ≤
≤ϕ ≤ ≤ϕ ≤ ≤ϕ ≤
Gebietsgrenzen
ri=1
ri=1 ra=2
ra=2
≤ r ≤ ≤ r ≤
≤ϕ ≤ ≤ϕ ≤
Integrale in Polarkoordinaten(1)
r=4
1 3
∫ xdA =
y
∫(G ) x dA =
(G )
-2 4
∫
2 2
y ( x + y )dA =
∫x
2
ydA =
(G )
(G )
∫ π∫ r
2
cos ϕ dϕ dr
1
2
1 0
∫ ∫π r
2
sin ϕ dϕ dr
0−
Abbildung 3.30: Zeichnen Sie die Flächen, über die integriert wird!
(1/1)
(-1/1)
-1
∫ x dA
2
∫
(G )
y 2 dA
(G )
Schwerpunkte hinschreiben
ri=4
ra=5
2
2 1
· r3 |R · (− cos φ)|π0 =
πR 3 0
2
2R3
(1 + 1) =
3πR2
4R
= 0.4244R
3π
2. Das Flächenträgheitsmoment bezüglich der x-Achse ist
Z
Ix = y 2 dA =
Z RZ π
r3 sin2 φdφdr =
0 0
Z R Z π
r2 dr · sin2 φdφ
0 0
Die Funktion sin2 φ schreiben wir mit Hilfe der trigonometrischen Zusammenhänge um, damit wir
besser integrieren können:
Z R
3 1Z π
Ix = r dr · [1 − cos(2φ)]dφ =
0 2 0
1 4R 1 1
r |0 · [φ − sin(2φ)]|π0 =
4 2 2
1 4 1 πR4
R · [π] =
4 2 8
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3. Jetzt gehen wir von dem konkreten Radius R = 2 aus. Dann liegt der Schwerpunkt bei
ys = 0.4244R = 0.8488
π24 16
Ix = = π = 2π
8 8
Mit Hilfe des Steinerschen Satzes bestimmen wir noch das Flächenträgheitsmoment bezüglich der
um R = 2 parallel nach oben verschobenen x-Achse. Da keine der beiden Achsen eine Schwer-
punktachse ist, müssen wir zunächst von der x-Achse auf die Schwerpunktachse und dann weiter
zur Zielachse schließen. Die Schwerpunktachse liegt in der Höhe 0.8488. Deshalb ist
Is = I − d2 A =
2π − 0.84882 · 2π =
2π(1 − 0.84882 ) = 1.7564
Jetzt von der Schwerpunktachse zum Ziel:
I = 1.7564 + d2 A =
1.7564 + (2 − 0.8488)2 · 2π =
1.7564 + 8.3269 = 10.0833
4. Wir berechnen noch den Schwerpunkt eines Viertelrings im ersten Quadranten. Der Innenradius
ist ri = 2 und der Außenradius ist ra = 3. Der Schwerpunkt muss aus Symmetriegründen auf der
Winkelhalbierenden y = x liegen. Die beiden Schwerpunktkoordinaten sind daher gleich und man
braucht nur eine zu berechnen. Der Flächeninhelt des Viertelrings ist einfach
9π − 4π 5
A= = π
4 4
Damit ist
1Z
xs = xdA =
A
π
4 Z 3Z 2 2
r cos φdφdr =
5π 2 0
Z π
4 Z3 2 2
r dr · cos φdφ =
5π 2 0
4 1 33 π
· r |2 · sin φ|02 =
5π 3
4 1 3
· (3 − 23 ) · (1 − 0) =
5π 3
4 76
(27 − 8) = = 1.6128
15π 15π
50 Copyright ©Prof. Dr. O. Rau, HS-RM, 2020/2021
.
52 Copyright ©Prof. Dr. O. Rau, HS-RM, 2020/2021
Kapitel 4
Es ist unmöglich, die Schönheiten der Naturgesetze angemessen zu vermitteln, wenn jemand die Mathe-
matik nicht versteht. (Richard Feynman, amerikanischer Physiker)
Inhalt
4.1 Vorausgesetzte Vorkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
4.2 Neue Lernziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
4.3 Linearisierung einer Funktion - die Tangentialebene . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
4.4 Lineare Fehlerfortpflanzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
4.4.1 Summenzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
4.4.2 Indirekte Messung einer Größe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
4.5 Höhere Ableitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
4.6 Funktionen mit mehr als 2 Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
4.7 Relative Extrema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
4.7.1 Wie findet man relative Extrema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
4.7.2 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
4.8 Regressionsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
4.9 Eigene Formeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
53
54 Copyright ©Prof. Dr. O. Rau, HS-RM, 2020/2021
Solange x nicht viel von x0 und y nicht viel von y0 abweicht, kann man näherungsweise mit der
Tangentialebene rechnen.
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∑k =
k =1
n
1
∑k
k =1
2
=
∑x
k =1
k =
x = x ± ∆x, y = y ± ∆y
z = z ± ∆z.
Die Frage ist also, wie bestimmt man z und wie ∆z. Ersteres ist ganz einfach, wir setzen einfach die
Mittelwerte für x und y in unsere Formel ein:
z = z(x, y).
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Die größten Abweichungen erhält man durch die Ungenauigkeiten im Winkel. Der relative Fehler
ist
∆A 10.423cm2
= ≈ 3%
A 342.03cm2
2. Das Flächenträgheitsmoment eines Rechtecks (siehe Abbildung 4.4 ist
1 3
I= ab ,
12
wobei b die Höhe des Rechtecks und a die Breite ist. Legen wir folgende Messwerte zugrunde:
Genauigkeit des
Flächenträgheitsmoments
1 3
I= ab
b 12
a I =?
a = 10cm ± 0, 2cm
∆I = ?
b = 20cm ± 0,3cm
3. Der Strom durch den Ohmschen Widerstand R (siehe Abbildung 4.5 errechnet sich aus
U
I=
R
Nehmen wir U = 20V ± 0.5V und R = 100Ω ± 2Ω, dann ist
20V
I= = 0.2A
100Ω
Weichen Spannung und Widerstand von den angegebenen Werten ab, dann ergibt sich für die Ab-
weichung des Stroms nach unserer Formel:
∂I ∂I 1 U
∆I = ∆U + ∆R = ∆U − 2 ∆R.
∂U ∂R R R
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U=20V
R=100 I =?
∆U= 0.5V ∆I = ?
∆R= 2
Die beiden Anteile haben unterschiedliches Vorzeichen. Weicht U nach oben ab, ist also ∆U > 0,
dann wird der Strom größer (∆I > 0). Weicht hingegen R nach oben ab, ist also ∆R > 0, dann
wird der Strom kleiner (∆I < 0).
Setzen wir die Werte ein:
1 20V 1 1V
∆I = ∆U − ∆R = ∆U − ∆R
100Ω 10000Ω2 100Ω 500Ω2
bzw. nach Umstellen der Einheiten
1A 1A
∆I = ∆U − ∆R
100V 500Ω
1
Vergrößert sich die Spannung um 1V, dann erhöht sich der Strom um 100 A. Vergrößert sich der
1
Widerstand um 1Ω, dann verkleinert sich der Strom um 500 A. Setzen wir unsere Abweichungen
ein: ∆U = ±0.5V und ∆R = ±2Ω, dann ist
1A 1A
∆I = · (±0.5V ) − · (±2Ω)
100V 500Ω
Die maximale Abweichung ergibt sich hier offensichtlich dann, wenn ∆U und ∆R unterschied-
liche Vorzeichen haben. Generell erhält man die maximale Abweichung, wenn man einfach die
Beträge der einzelnen Ausdrücke verwendet:
1A 1A
∆Imax =| · (±0.5V ) | + | · (±2Ω) |= 9mA.
100V 500Ω
Die relative Abweichung ist
∆I 9mA
= = 4.5%
I 200mA
Füllen Sie die Abbildung 4.6 aus.
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Übung
H ( s, k , m) = s ⋅ k 2 + 3m
∆H =
P(e, g , k ) = e ⋅ sin( g ⋅ k )
∆P =
∂ 2z ∂ 2z ∂ 3z
, ,
∂x2 ∂x∂y ∂x2 ∂y
Bei Stetigkeit der Funktion und der partiellen Ableitungen ist die Reihenfolge der Differentiation
vertauschbar. Dies ist der Satz von Schwarz. Danach ist also
zxy = zyx
und
zxxy = zxyx = zyxx bzw. zyyx = zyxy = zxyy .
Wir sehen uns zwei Beispiele an:
2 2
zx = 2x sin yex sin y
, zy = x2 cos yex sin y
2 2 2
zxy = 2x(cos yex sin y
+ x2 sin y cos yex sin y
) = 2x cos yex sin y
(1 + x2 sin y)
2 2 2
zyx = cos y(2xex sin y
+ x2 2x sin yex sin y
) = 2x cos yex sin y
(1 + x2 sin y)
und hier ist auch wieder zxy = zyx .
Dennoch liegt kein relativer Extremwert vor, weil die Funktion im ersten und dritten Quadranten positiv,
bzw. im zweiten und vierten Quadranten negativ ist. Es müssen also noch weitere Bedingungen vorliegen,
um eine Stelle eindeutig als relatives Minimum oder Maximum zu charakterisieren.
Die ersten Bedingung 4.2 ist praktisch ein nichtlineares Gleichungssystem für die beiden Unbekannten x
und y. Die Lösungen sind alle Punkte (x, y) aus dem Definitionsbereich, an denen die Funktion z(x, y)
eine waagrechte Tangentialebene hat.
Diese Punkte müssen dann in die Gleichungen 4.3 und 4.4 eingesetzt werden. Abbildung 4.7 stellt
den Vorgang schematisch dar. Ist die Funktionaldeterminante D an den gefundenen Stellen (xk , yk ) nicht
positiv, dann ist es auch kein Extremwert, sondern ein Sattelpunkt.
4.7.2 Beispiele
1. z(x, y) = x2 − xy + y 2 − 4x + 5y − 19. Die beiden Bedingungen 4.2 lauten hier:
zx = 2x − y − 4 = 0 und zy = −x + 2y + 5 = 0
oder anders ausgedrückt ! ! !
2 −1 x 4
=
−1 2 y −5
Da in diesem speziellen Beispiel die Funktion z(x, y) quadratisch war, sind die Ableitungen und
damit das Gleichungssystem linear. Es könnte etwa mit dem Gaußschen Algorithmus gelöst wer-
den. Wir beschreiten hier mit Absicht einen anderen Weg. Wir lösen eine Gleichung nach einer der
beiden Unbekannten auf und setzen sie in die andere ein:
zx = 0 ⇒ y = 2x − 4
zy = 0 ⇒ −x + 2(2x − 4) + 5 = 0 ⇒ 3x − 3 = 0 ⇒ x = 1
und damit y = 2·1−4 = −2 Die Funktion hat also nur einen Punkt mit waagrechter Tangentialebe-
ne, nämlich x0 , y0 ) = (1, −2). Dieser Punkt muss jetzt in die Bedingungen 4.3 und 4.4 eingesetzt
werden:
2
zxx = 2, zyy = 2, zxy = −1 ⇒ D = zxx zyy − zxy =3>0
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Da die zweiten Ableitungen bei dieser speziellen, quadratischen Funktion konstant sind, entfällt
das Einsetzen der berechneten Punkte. Gleichung 4.4 liefert jetzt
Dieses Beispiel war besonders einfach, weil es sich um eine quadratische Funktion in x und y
handelte. Damit waren die ersten Ableitungen linear und Gleichung 4.2 führte zu einem linearen
Gleichungssystem. Dass dies nicht immer so ist, soll das folgende Beispiel zeigen.
zx = y cos(xy) + 2x cos(y) = 0
zy = x cos(xy) − x2 sin(y) = 0
Auch das sind 2 Gleichungen für die beiden Unbekannten x und y. Nur ist diesmal das Gleichungs-
system nicht mehr linear. Bei einem solchen System helfen nur numerische Näherungsverfahren.
Beispielsweise kann das Newton-Verfahren auf nichtlineare Gleichungssysteme verallgemeinert
werden. Damit wollen wir uns aber im Rahmen dieser Lehrveranstaltung nicht beschäftigen.
Nicht für alle nichtlineaeren Gleichungssysteme braucht man aber ein numerisches Näherungsver-
fahren. Manche Systeme können mit dem oben beschriebenen Einsetzungsverfahren gelöst oder
zumindest auf eine nichtlineare Gleichung zurückgeführt werden. Diese könnte dann ggf. mit dem
normalen Newton-Verfahren bearbeitet werden.
3. z(x, y) = 31 x3 − xy + 21 y 2 :
zx (x, y) = x2 − y = 0
zy (x, y) = −x + y = 0
Hier handelt es sich zwar um nichtlineare Gleichungen, aber man kann etwa die erste nach y
auflösen und in die zweite einsetzen:
zx = 0 ⇒ y = x2
zy = 0 ⇒ −x + x2 = 0 ⇒ x0 = 0, x1 = 1
Aus −x + y = 0 bzw. y = x folgt dann, dass das nichtlineare Gleichungssystem die beiden
Lösungen
(x0 , y0 ) = (0, 0) und (x1 , y1 ) = (1, 1)
besitzt. Diese beiden Punkte sind in die Gleichungen 4.3 und 4.4 einzusetzen:
Damit wird D = 2x − 1. Am ersten Punkt ist also D(x0 , y0 ) = D(0, 0) = −1 < 0. Es handelt
sich bei diesem Punkt also nicht um eine Extremstelle. Für den zweiten Punkt ist D(x1 , y1 ) =
D(1, 1) = 1 > 0 und Gleichung 4.4 ergibt zxx (x1 , y1 ) = zxx (1, 1) = 2 > 0. Bei dem zweiten
Punkt tritt also ein relatives Minimum auf.
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Regressionsanalyse (Vorbereitung)
n
∑x
k =1
k =
∑ (x
k =1
k − yk ) =
4.8 Regressionsanalyse
Um die Herleitung der Formeln nachvollziehen zu können, ist ein geübter Umgang mit Summenzeichen
notwendig. Füllen Sie deshalb zunächst die Abbildungen 4.8 bis 4.10 aus!
Das Prinzip der Minimum- und Maximumberechnung von Funktionen mit mehreren Veränderlichen
ist in der Technik weit verbreitet. Wir betrachten die Regressionsanalyse als einen konkreten Anwen-
dungsfall. Hier geht es darum, n Messpunkte
(x1 , y1 ), (x2 , y2 ), . . . , (xn , yn )
durch eine Funktion anzunähern.
Regressionsanalyse (Vorbereitung)
n
∑ ax
k =1
k =
∑a =
k =1
Regressionsanalyse (Vorbereitung)
n
∑(y
k =1
k − mxk − b) =
Regressionsanalyse
(Aufgabenstellung)
y=mx+b
Wir betrachten zunächst den Fall eines linearen Zusammenhangs zwischen x und y, d.h. es soll eine
Gerade
y = mx + b
berechnet werden, die die Messwerte ”möglichst gut” annähert (siehe Abbildung 4.11). Der Wert der
Geraden am Messpunkt xk ist mxk + b. Der gemessene Wert dagegen ist yk . Der Fehler an diesem
Messpunkt beträgt also (siehe Abbildung 4.12)
yk − mxk − b
Dieser lokale Fehler wird quadriert (er ist damit positiv) und es werden die Fehler über alle Messpunkte
aufsummiert. Der Gesamtfehler ist dann
n
(yk − mxk − b)2 .
X
Fehler = F (b, m) =
k=1
(4.5)
Wie in der Fehlergleichung bereits angedeutet, ist dieser Fehler jetzt nur noch von den Koeffizienten b
und m abhängig. Sind die Koeffizienten schlecht, ist der Gesamtfehler groß. Wir fragen nach den Ko-
effizienten mit minimalem Gesamtfehler. Dazu muss die Fehlerfunktion aus Gleichung 4.5 minimiert
werden. m und b sind so zu bestimmen, dass die Bedingungen 4.2 bis 4.4 erfüllt sind. Bei Regressions-
problemen ist 4.3 immer erfüllt und es ist außerdem zxx > 0, so dass man mit 4.2 immer das gesuchte
Minimum findet.
Ungewohnt ist hierbei nur, dass die Veränderlichen nicht x und y, sondern m und b heißen. Nach
diesen Unbekannten muss die Fehlerfunktion differenziert werden:
n
∂F X
= 2 (yk − mxk − b) · (−1) = 0
∂b k=1
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Regressionsanalyse
(Fehlerdefinition)
y=mx+b
yk
Fehler an der
Stelle xk
xk
n n
n xk yk
X X
k=1
b
k=1
= (4.9)
n n n
X
xk
X
x2k
m
X
xk yk
k=1 k=1 k=1
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n n n n
x2k −
X X X X
yk · xk · xk yk
k=1 k=1 k=1 k=1
= n n
x2k − ( xk )2
X X
n
k=1 k=1
bzw. n n n
X X X
n xk y k − xk · yk
k=1 k=1 k=1
m= n n
x2k xk )2
X X
n −(
k=1 k=1
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.
72 Copyright ©Prof. Dr. O. Rau, HS-RM, 2020/2021
Kapitel 5
Inhalt
5.1 Neue Lernziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
5.2 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
5.3 Mit welchen Typen werden wir uns beschäftigen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
5.4 Anwendungen aus der Elektrotechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
5.5 Aufstellungsbeispiel bei einer Reihenschaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
5.6 Anwendungen aus dem Maschinenbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
5.7 Aufstellungsbeispiel beim Masse-Feder-Dämpfer-System . . . . . . . . . . . . . . 78
5.8 Eigene Formeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
5.2 Einführung
Wir haben im ersten Semester verschiedene Gleichungen wie z.B.
gelöst.
Alle diese Gleichungen konnten nach x aufgelöst werden. Sie besitzen als Lösung eine Zahl (oder
mehrere Zahlen) x.
73
74 Copyright ©Prof. Dr. O. Rau, HS-RM, 2020/2021
Bei den Gleichungen, mit denen wir uns jetzt beschäftigen wollen, ist keine Zahl gesucht, sondern
die Unbekannte ist hier eine Funktion y = f (t). Zum Beispiel wird bei der Gleichung
0
y =y (5.1)
eine Funktion gesucht, deren Ableitung mit der Funktion selbst übereinstimmt. Die Lösung ist
y = c · et ,
denn mit
0
y = c · et
erfüllt y die geforderte Bedingung.
Mit Gleichung 5.1 haben wir auch schon eine Differenzialgleichung kennengelernt, wenn auch noch
eine sehr einfache. Andere Differenzialgleichungen sind etwa
0
y + 5y − 3 = 0 (5.2)
00 0
y − 3y + t2 y − sin t = 0 (5.3)
00 0 t
y y + cos t · y − = et (5.4)
y
oder
1
uxx − utt = 0. (5.5)
c2
1. Es kommen maximal zweite Ableitungen vor, d.h. in unseren Gleichungen kommt y(t), y 0 (t) und
y 00 (t) vor, aber keine höheren Ableitungen.
2. Unsere Dgls sind linear mit konstanten Koeffizienten. Ein Beispiel ist etwa
Die Koeffizieten vor y 00 , y 0 oder y sind Konstante. In diesem Beispiel lauten sie 20, 15 und −6. Die
Koeffizienten hängen nicht von t ab. Gleichungen wie
ty 00 + 4y 0 + t2 y = e−t
y 00 + y 0 · y = 0
oder
sin(y 00 ) + ln(y 0 ) + y 2 = 42
interessieren uns in dieser Lehrveranstaltung nicht.
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a2 , a1 und a0 sind konstante Zahlen. Solce Dgls nennen wir ”Lineare Dgls zweiter Ordnung mit
konstanten Koeffizienten”. Die Funktion S(t) auf der rechten Seite nennen wir die Störfunktion. Wenn
sie gleich 0 ist, dann heben wir es mit einer homogenen, ansonsten mit einer inhomogenen Dgl zu tun.
Beispielsweise ist
y 00 + 4y 0 + 6y = t2
eine inhomogene Dgl und
y 00 + 4y 0 + 6y = 0
ist die zugehörige homogene Dgl. Sie entsteht, indem man die Störfunktion (in diesem Fall t2 ) ignoriert
und die rechte Seite auf 0 setzt.
Handelt es sich bei den 4 Dgls in Abbildung 5.1 um lineare Dgls mit konstanten Koeffizienten?
1. Ohmscher Widerstand R:
1
uR (t) = RiR (t) bzw. iR (t) = uR (t)
R
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2. Kondensator:
1 Z duC (t)
uC (t) = iC (t)dt bzw. iC (t) = C
C dt
3. Spule:
diL (t) 1Z
uL (t) = L bzw. iL (t) = uL (t)dt
dt L
1 Z
idt + |{z}
Ri = u sin(ωt)
|C {z } uR
uC
Dies ist wieder eine Dgl 1.Ordnung. Die Lösung beschreibt den Strom in einer Reihenschaltung aus C
und R.
y(t) der nach t Sekunden zurückgelegte Weg, y 0 (t) die Geschwindigkeit zum Zeitpunkt t und y 00 (t) die
Beschleunigung zum Zeitpunkt t. Dabei gelten folgende Beziehungen:
d.h. die Kraft ist proportional zur Beschleunigung. Kräfte bewirken Beschleunigungen.
Je weiter die Feder ausgelenkt ist, umso größer muss die Kraft sein, um sie noch ein Stück weiter
auszulenken.
3. Am Dämpfer ist
F = d · v(t) = d · y 0 (t)
d.h. die Kraft ist proportional zur Einschiebgeschwindigkeit. Je schneller der Dämpfer zusammen-
geschoben wird, umso größer muss die Kraft sein, die dieses Zusammendrücken bewirkt.
78 Copyright ©Prof. Dr. O. Rau, HS-RM, 2020/2021
.
Kapitel 6
”Ich denke, dass es einen Weltmarkt für vielleicht fünf Computer gibt”. (Thomas Watson, Vorsitzender
von IBM, 1943)
Inhalt
6.1 Vorausgesetzte Vorkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
6.2 Neue Lernziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
6.3 Bezeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
6.4 Eigenschaften der Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
6.4.1 Die homogene Dgl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
6.4.2 Die inhomogene Dgl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
6.4.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
6.5 Lösungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
6.5.1 Die homogene Dgl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
6.5.2 Die inhomogene Dgl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
6.5.3 Anfangsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
6.5.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
6.6 Eigene Formeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
3. Exponentialfunktionen
81
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2. Interpretation der homogenen bzw. inhomogenen Dgl aus der Sicht des Maschinenbaus
4. Verstehen welche Fälle dabei auftreten können und wie diese Fälle physikalisch zu interpretieren
sind.
5. Die Lösungsansätze für die inhomogene Dgl aus physikalischer Sicht verstehen.
8. Verstehen, wie sich die Gesamtlösung zusammensetzt und wie die freien Parameter bestimmt wer-
den können.
6.3 Bezeichnungen
Wir verwenden in diesem Kapitel folgende Bezeichnungen:
• yh1 (t), yh2 (t): Basislösungen der homogenen Dgl. Eine lineare Dgl. zweiter Ordnung besitzt zwei
solcher Basislösungen, eine lineare Dg. erster Ordnung nur eine. Die Basislösungen ergeben sich
mit Hilfe der charakteristischen Gleichung.
• yh (t): Lösung der homogenen Dgl. Sie setzt sich aus der Überlagerung der Basislösungen zusam-
men. Für eine lineare Dgl zweiter Ordnung ist
• yp (t): Eine spezielle (partikuläre) Lösung der inhomogenen Dgl. Sie wird bestimmt, indem man
einen Ansatz aufstellt und diesen Ansatz in die Dgl. einsetzt.
• y(t): Allgemeine Lösung der Dgl. Diese allgemeine Lösung ist die Überlagerung der homogenen
Lösung yh (t) mit der partikulären Lösung yp (t), also
Diese allgemeine Lösung enthält unendliche viele Funktionen, weil dort beliebige Konstanten (c1
und c2 ) drinstecken. Diese Konstanten müssen mit Hilfe von Anfangsbedingungen festgelegt wer-
den. Damit bekommt man am Ende nur eine Lösung heraus.
Bei unserer Reihenschaltung wäre also keine Quellspannung und beim Masse-Feder-Dämpfer-System
keine äußere Kraft vorhanden. Welche Bedeutung hat dann die Lösung dieser homogenen Dgl, wenn kei-
ne Quellspannung bzw. keine Kraft wirkt? Die Lösungen beschreiben einfach die Eigenschwingungen
des Systems, d.h. die Reaktion auf Veränderungen. Lenkt man ein Masse-Feder-Dämpfer-System um
einen bestimmten Betrag aus und lässt es dann los, dann wird dieses System in die Ruhelage zurückge-
hen. Dieses Zurückgehen in die Ruhelage wird von der Lösung der homogenen Dgl beschrieben.
Die Gleichung 6.1 hat im allgemeinen 2 verschiedene (linear unanhängige) Lösungen yh1 und yh2 .
Außerdem ist jede beliebige Kombination dieser Lösungen ebenfalls eine Lösung der Gleichung. Man
nennt
yh = c1 yh1 + c2 yh2
die allgemeine Lösung der Differenzialgleichung 6.1 und yh1 bzw. yh2 Basislösungen.
Betrachten wir zum Beispiel die homogene Dgl
00
y − 4y = 0. (6.2)
Setzen wir yh1 und yh2 in die Dgl 6.2 ein, so ergibt sich
Die Dgl ist in beiden Fällen erfüllt. yh1 und yh2 sind damit Lösungen der Gleichung. Die allgemeine
Lösung ergibt sich durch Überlagerung der Basislösungen
mit den unabhängigen Konstanten c1 und c2 , die nur durch Vorgabe von Anfangsbedingungen festgelegt
werden können.
Die Gleichung
00
y − 4y = 2 sin t (6.3)
hat die partikuläre Lösung
2 00 2
yp = − sin t ⇒ yp = + sin t.
5 5
Setzt man yp ein, ergibt sich
00 2 8
yp − 4yp = sin t + sin t = 2 sin t.
5 5
Die allgemeine Lösung von 6.3 erhält man durch Überlagerung von yp mit der allgemeinen Lösung der
zu 6.3 gehörigen, homogenen Gleichung 6.2. Die ist aber bekannt und die Lösung lautet deshalb
2
y = c1 e2t + c2 e−2t − sin t.
5
6.4.3 Zusammenfassung
Wir gehen von der inhomogenen Dgl
a2 y 00 + a1 y 0 + a0 y = S(t) (6.4)
a2 y 00 + a1 y 0 + a0 y = 0 (6.5)
1. Die homogene Dgl in Gleichung 6.5 besitzt zwei verschiedene Basislösungen yh1 und yh2 .
2. Jede Überlagerung der beiden Basislösungen ist ebenfalls eine Lösung von Gleichung 6.5. Die
allgemeine Lösung lautet
yh = c1 yh1 + c2 yh2
3. Für die inhomogene Dgl in Gleichung 6.4 braucht man nur eine Lösung yp zu finden. Die Gesamt-
heit aller Lösungen ergibt sich aus dem Ausdruck
y = yh + yp = c1 yh1 + c2 yh2 + yp
Die beiden Konstanten c1 und c2 werden mit Hilfe von Anfangsbedingungen bestimmt.
6.5 Lösungsmethode
Die gefundenen Eigenschaften aus dem letzten Kapitel legen es nahe, bei der Lösungsfindung zunächst
die homogene Dgl allgemein zu lösen (−− > yh (t)) und dann nach einer partikulären Lösung yp für die
inhomogene Gleichung zu suchen. Die allgemeine Lösung der inhomogenen Differentialgleichung ergibt
sich dann aus der Überlagerung von yh und yp .
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Viele Anwendungen aus Elektrotechnik und Maschinenbau beschränken sich auf Gleichungen 2.Ord-
nung. Daher betrachten wir ab sofort auch nur noch Dgls 2. Grades.
Man nennt 6.7 die charakteristische Gleichung. Es handelt sich dabei um ein Polynom 2. Grades, dessen
Nullstellen gefunden werden müssen. Ist k1 eine Nullstelle der charakteristischen Gleichung, dann ist
yh1 = ek1 t
Sind beide Nullstellen der charakteristischen Gleichung verschieden, dann kennt man den kompletten
Satz von Basislösungen und hat damit die allgemeine Lösung von 6.6 ermittelt:
yh = c1 ek1 t + c2 ek2 t .
Das Polynom kann aber auch eine doppelte oder zwei komplexe Nullstelle besitzen. Dann muss man sich
weitere Gedanken machen, wo man die fehlenden Basislösungen herbekommt.
Es gilt also jetzt 3 Fälle zu untersuchen, die alle zu unterschiedlichen Basislösungen der homogenen
Dgl führen:
bestimmen Sie zunächst die charakteristischen Gleichungen der Dgls in Abbildung 6.1!
y ''− 3 y '+ 5 y = 0
5 y ''− 3 y = 0
y '+ y ''− 3 y = 0
−2c1 e2t − 2c2 e−t − 2c1 e2t + c2 e−t + 4c1 e2t + c2 e−t =
Hat die charakteristische Gleichung nur einfache, reelle Nullstellen, dann lässt sich mit oben be-
schriebener Methode der komplette Satz der Basislösungen berechnen. Die allgemeine Lösung besteht
aus einer Überlagerung von aufklingenden e-Funktionen (ki > 0), abklingenden e-Funktionen (ki < 0)
und ggf. einer Konstanten (ki = 0). In technisch relevanten Fällen handelt es sich i.d.R. um abklingende
e-Funktionen.
Im elektrischen Schwingkreis bedeutet ein solches Ergebnis, dass sich der Strom, der sich durch Ein-
und Ausschaltvorgänge bildet, schnell abklingt.
Beim Masse-Feder-Dämpfer-System wäre in diesem Fall die Dämpfung so stark, dass sich keine
Schwingungen bilden. Das System geht nach einer Störung unmittelbar in die Ausgangslage zurück.
k 2 − 4k + 4 = (k − 2)2 = 0.
Die Nullstellen sind k1 = 2 und k2 = 2. Dazu gehört die Basislösung yh1 = e2t . Aber wie lautet yh2 ? Wir
machen für die Basislösungen den allgemeinen Ansatz
y = C(t) · e2t
mit einer Funktion C(t), die noch mit der Dgl zu bestimmen ist. Die Ableitungen lauten
0 0 0
y = C e2t + 2Ce2t = e2t (C + 2C)
und
00 0 00 0 00 0
y = 2e2t (C + 2C) + e2t (C + 2C ) = e2t (C + 4C + 4C).
Einsetzen in die Dgl ergibt
00 0 00 0 0 00
y − 4y + 4y = e2t (C + 4C + 4C − 4C − 8C + 4C) = C e2t = 0.
Dies ist wieder ein Produkt, das nur dann gleich 0 wird, wenn einer der beiden Faktoren verschwindet.
Da e2t niemals gleich 0 wird, folgt daraus eine Bedingung für C(t), nämlich
00
C (t) = 0 ⇒ C(t) = c1 t + c2 .
durch, erhält man für C(t) genau die gleiche Bedingung. Das Ergebnis C(t) = c1 t + c2 kam also bei
dem gewählten Beispiel nicht zufällig heraus, sondern es wäre bei jeder anderen Dgl 2.Ordnung mit
konstanten Koeffizienten und doppelter Nullstelle das gleiche gewesen.
Hat also die charakteristische Gleichung für eine Dgl zweiter Ordnung die doppelte Nullstelle k, dann
erhält man die Basislösungen
yh1 = ekt , yh2 = tekt
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und die allgemeine Lösung entsteht durch Überlagerung dieser beiden Basislösungen
yh = c1 ekt + c2 tekt .
Die Dgl
00 0
y + 6y + 9y = 0
hat die charakteristische Gleichung
k 2 + 6k + 9 = (k + 3)2 = 0.
Sie besitzt die 2-fache Nullstelle k = −3. Die 2 unabhängigen Basislösungen lauten
Auch in diesem ”aperiodischen Grenzfall” bilden sich keine Schwingungen. Sowohl im elektrischen
Schaltkreis, als auch beim Masse-Feder-Dämpfer-System ist die Dämpfung so stark, dass das System
nach einer Störung in die Ausgangslage zurückgeht.
d1eatejbt + d2eate−jbt =
eat(d1ejbt + d2e−jbt)
mit beliebigen komplexen Zahlen d1 und d2 auf. Dieser Ausdruck kann mit den Eulerschen Gleichun-
gen weiter vereinfacht werden:
k1 = a + jb und k2 = a − jb
Für a > 0 ist das eine angefachte Schwingung, für a < 0 eine gedämpfte Schwingung und für a = 0 eine
Dauerschwingung.
Man nennt −a die Abklingkonstante und b = ωe die Eigenkreisfrequenz. Für alle realen technischen
Anwendungen ist a < 0 (d.h. der Realteil der komplexen Nullstelle ist negativ), sodass es sich um
gedämpfte Schwingungen handelt.
Betrachten wir als Beispiel die Dgl
00 0
y + 6y + 13y = 0
k1 = −3 + 2j und k2 = −3 − 2j.
Die Basislösungen sind
yh1 = e−3t cos(2t) bzw. yh2 = e−3t sin(2t)
und die allgemeine Lösung ist
bzw.
yh = e−3t [c1 cos(2t) + c2 sin(2t)]
Die Abklingkonstante ist −a = 3 und die Eigenkreisfrequenz beträgt b = ωe = 2.
k1 , k2 hom. Lösung
k1 =
−1, k2 =
4
k1 =
−1, k2 =
−1
k1,2 =−5 ± 3 j
2. Das Pendel schwingt in einer Atmosphäre. Hier haben wir es mit einer Schwingung zu tun, deren
Amplitude mit der Zeit abnimmt. Es ist eine schwache Dämpfung vorhanden.
3. Das Pendel bewegt sich in einem sehr zähen Medium, wie etwa in Honig. Es kommt überhaupt
nicht zu Schwingungen, weil die Reibung (Dämpfung) sehr groß ist. Das Pendel begibt sich aus
seiner Auslenkung heraus direkt zurück in die Ruhelage.
Tabelle 6.1 fasst die 3 behandelten Fälle noch einmal zusammen.
Füllen Sie in Abbildung 6.2 aus, wie die Lösung der homogenen Dgl lautet!
gerung dieser Partikulärlösung mit der allgemeinen Lösung der zugehörigen homogenen Gleichung. In
diesem Abschnitt wird es sich darum drehen, wie man zu einer partikulären Lösung kommt.
D0 + D1 t + D2 t2 + D3 t3 .
Bitte beachten Sie, dass der Ansatz D3 t3 alleine nicht ausreichen würde.
2. S(t) = e5t . Diese Störfunktion steht in Zeile 2. Es ist a = 5 und i = 0. Von dem Klammerausdruck
auf der linken Seite (d0 + d1 t + . . . + di ti ) bleibt also nur d0 = 1 übrig. Deshalb ist der richtige
Ansatz
yp = D0 e5t
3. S(t) = t2 · e4t . Diese Störfunktion findet man ebenfalls in Zeile 2 mit a = 4 und i = 2. Der
Klammerausdruck ist
d0 + d1 t + . . . + di ti = t2 ⇒ d0 = 0, d1 = 0, d2 = 1
4. S(t) = t2 cos t. In Zeile 4 der Ansatztabelle wird man fündig. Hier findet man ein Polynom zweiten
Grades (i=2), multipliziert mit cos(bt), wobei hier b = 1 ist. Mit i = 2 und b = 1 lautet daher der
Ansatz
(D0 + D1 t + D2 t2 ) sin(t) + (E0 + E1 t + E2 t2 ) cos(t)
Auch hier muss wieder ein vollständiges Polynom 2. Grades vor dem Sinus und dem Kosinus
angesetzt werden. Verkürzungen wie D2 t2 sin t + E2 t2 cos t funktionieren nicht.
Da die Namen der zu bestimmenden, unbekannten Koeffizienten keine Rolle spielen, kann man
auch
(at2 + bt + c) sin t + (dt2 + et + f ) cos t
ansetzen.
5. S(t) = sin t + t3 cos t. Hier handelt es sich um ein Polynom vom Grad 0, multipliziert mit einer
Sinusfunktion plus einem Polynom vom Grad 3, multipliziert mit einer Kosinusfunktion. Dieser
Fall ist in der Ansatztabelle in Zeile 5 aufgeführt. Es ist i = 0, j = 3 und b = 1. In der Ansatzspalte
ist deshalb N = 3, weil man für N den größten Wert von i oder j nehmen muss. Der Ansatz ist
hier also
(D0 + D1 t + D2 t2 + D3 t3 ) sin(t) + (E0 + E1 t + E2 t2 + E3 t3 ) cos(t)
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Nr Störfunktion yp-Ansatz
1 d0 + d1t + . . . + dntn D0 + D1t + . . . + Dntn
2 (d0 + d1t + . . . dntn)ebt (D0 + D1t + . . . Dntn)ebt
3 (d0 + d1t + . . . dntn) sin(bt) (D0 + D1t + . . . Dntn) sin(bt)
+(E0 + E1t + . . . Entn) cos(bt)
4 (d0 + d1t + . . . dntn) cos(bt) (D0 + D1t + . . . Dntn) sin(bt)
+(E0 + E1t + . . . Entn) cos(bt)
5 (d0 + d1t + . . . dntn) sin(bt)+ (D0 + D1t + . . . DN tN ) sin(bt)
(e0 + e1t + . . . emtm) cos(bt) +(E0 + E1t + . . . EN tN ) cos(bt)
mit N=max { n,m }
6 (d0 + d1t + . . . dntn)eat sin(bt) (D0 + D1t + . . . Dntn)eat sin(bt)
+(E0 + E1t + . . . Entn)eat cos(bt)
7 (d0 + d1t + . . . dntn)eat cos(bt) (D0 + D1t + . . . Dntn)eat sin(bt)
+(E0 + E1t + . . . Entn)eat cos(bt)
8 (d0 + d1t + . . . dntn)eat sin(bt)+ (D0 + D1t + . . . DN tN )eat sin(bt)
(e0 + e1t + . . . emtm)eat cos(bt) +(E0 + E1t + . . . EN tN )eat cos(bt)
mit N=max { n,m }
9 (d0 + d1t + . . . dntn) sinh(bt) (D0 + D1t + . . . Dntn) sinh(bt)
+(E0 + E1t + . . . Entn) cosh(bt)
10 (d0 + d1t + . . . dntn) cosh(bt) (D0 + D1t + . . . Dntn) sinh(bt)
+(E0 + E1t + . . . Entn) cosh(bt)
11 (d0 + d1t + . . . dntn) sinh(bt)+ (D0 + D1t + . . . DN tN ) sinh(bt)
(e0 + e1t + . . . emtm) cosh(bt) +(E0 + E1t + . . . EN tN ) cosh(bt)
mit N=max { n,m }
Tabelle 6.2: Lösungsansätze
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Ansatz Nr. 1
S (t ) = d 0 + d1t + ... + d nt n y p (t ) = D0 + D1t + ... + Dnt n
S (t ) = 4 + 3t n= y p (t ) =
S (t ) = 7t 2 n= y p (t ) =
S (t ) = 3t 3 + t − 4 y p (t ) =
n=
S (t ) = t12 n= y p (t ) =
Abbildung 6.3: Wie lauten die Parameter und die richtigen Ansätze?
Ansatz Nr. 2
n bt
S (t ) = (d 0 + d1t + ... + d nt n )ebt y p (t ) = ( D0 + D1t + ... + Dn t )e
S(t)=2te-5t n= b= y p (t ) =
S(t)=4e3t n= b= y p (t ) =
S(t)=(t 2 +9)e-2t y p (t ) =
n= b=
Abbildung 6.4: Wie lauten die Parameter und die richtigen Ansätze?
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Ansatz Nr. 3
S (t ) = (d 0 + d1t + ... + d nt n )sin(bt ) y p (t ) = ( D0 + D1t + ... + Dnt n ) sin(bt )
+ ( E0 + E1t + ... + Ent n ) cos(bt )
S(t)=(t 2 +1)sin(π t) y p (t ) =
n= b=
S(t)=20sin(10t) y p (t ) =
n= b=
Abbildung 6.5: Wie lauten die Parameter und die richtigen Ansätze?
Ansatz Nr. 4
S (t ) = (d 0 + d1t + ... + d nt n ) cos(bt ) y p (t ) = ( D0 + D1t + ... + Dnt n ) sin(bt )
+ ( E0 + E1t + ... + Ent n ) cos(bt )
S(t)=4tcos(10π t) y p (t ) =
n= b=
S(t)=t 3cos(t) y p (t ) =
n= b=
Abbildung 6.6: Wie lauten die Parameter und die richtigen Ansätze?
96 Copyright ©Prof. Dr. O. Rau, HS-RM, 2020/2021
Ansatz Nr. 5
S (t ) = (d 0 + d1t + ... + d nt n )sin(bt ) y p (t ) = ( D0 + D1t + ... + DN t N ) sin(bt )
m
+(e0 + e1t + ... + emt ) cos(bt ) + ( E0 + E1t + ... + EN t N ) cos(bt )
N = max{n, m}
y p (t ) =
Abbildung 6.7: Wie lauten die Parameter und die richtigen Ansätze?
Ansatz Nr. 5
S (t ) = (d 0 + d1t + ... + d nt n )sin(bt ) y p (t ) = ( D0 + D1t + ... + DN t N ) sin(bt )
+(e0 + e1t + ... + emt m ) cos(bt ) + ( E0 + E1t + ... + EN t N ) cos(bt )
N = max{n, m}
S (t ) = 5sin(20π t ) + 10 cos(20π t )
n= m= N= b=
y p (t ) =
Abbildung 6.8: Wie lauten die Parameter und die richtigen Ansätze?
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Tragen Sie die richtigen Ansätze in die Abbildungen 6.3 bis 6.8 ein!
Zur Bestimmung der im Ansatz enthaltenen Koeffizienten, muss man ihn in die Dgl einsetzen. Wir
betrachten als Beispiel
00
y − y = t2 + 4t
00
Zunächst muss die zugehörige homogene Dgl y − y = 0 gelöst werden. Die charakteristische Gleichung
ist
k 2 − 1 = 0 ⇒ k1/2 = ±1 ⇒ yh = c1 et + c2 e−t .
S(t) ist ein Polynom vom Grad 2, das in Tabelle 6.2 unter Nr.1 mit i = 2 zu finden ist. Tabelle 6.2 liefert
den zugehörigen Ansatz für yp :
0 00
yp = B0 + B1 t + B2 t2 ⇒ yp = B1 + 2B2 t ⇒ yp = 2B2
Setzt man den Ansatz und seine Ableitungen in die inhomogene Dgl ein, ergibt sich
00
yp − yp = 2B2 − B0 − B1 t − B2 t2 ⇒
Übung Koeffizientenvergleich
Wie lauten die Gleichungen für
die gesuchten Koeffizienten?
Tragen Sie die richtigen Gleichungen in die Abbildungen 6.9 bis 6.12 ein!
Um zu verstehen, was Resonanz bedeutet, schauen wir uns ein Beispiel an:
Wir gehen von einem ungedämpften Masse-Feder-System mit m = 1kg und c = 4 kg s2
aus. Wenn
dieses System keiner Kraft ausgesetzt, sondern nur ausgelenkt ist, dann kann man seine Bewegung mit
der Dgl
y 00 + 4y = 0
vorausberechnen. Die charakteristische Gleichung ist
√
k 2 + 4 = 0 ⇒ k = ± −4 ⇒ yh (t) = c1 sin(2t) + c2 cos(2t).
Mit anderen Worten: Lenkt man ein solches System aus und lässt es wieder los, dann schwingt es un-
gedämpft mit der Eigenkreisfrequenz
ωe = 2
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Übung Koeffizientenvergleich
Wie lauten die Gleichungen für
die gesuchten Koeffizienten?
Übung Koeffizientenvergleich
Wie lauten die Gleichungen für
die gesuchten Koeffizienten?
Übung Koeffizientenvergleich
Wie lauten die Gleichungen für
die gesuchten Koeffizienten?
Jetzt setzen wir dieses System einer periodischen, sinusförmigen Kraft aus. Die Dgl, die die Bewegung
beschreibt, lautet nun
y 00 + 4y = F sin(ωt).
Die Kreisfrequenz der Kraft wollen wir zunächst noch offen lassen. Wir werden sehen, dass das System
zu Schwingungen mit der Kreisfrequenz ω angeregt wird und dass die Amplituden dabei von ω abhängen.
Um genau diese Abhängigkeit geht es uns jetzt in diesem Beispiel.
Unseren Lösungsansatz erhalten wir aus der Tabelle:
yp = D0 sin(ωt) + E0 cos(ωt)
Die Amplitude des Kosinus ist also gleich 0, während die Amplitude des Sinus von der Kreisfrequenz
der anregenden Kraft abhängt
F
D0 = .
4 − ω2
Erinnern wir uns daran, dass wir zuvor die Bewegung ohne anregende Kraft berechnet hatten. Die Ei-
genkreisfrequenz war ωe = 2 und jetzt stellt sich heraus, dass die Amplitude der Bewegung umso größer
wird, je näher unsere anregende Kreisfrequenz ω mit der Eigenkreisfrequenz übereinstimmt. Für ω = 2
ist D0 = ∞. Das sind besonders heftige Ausschläge. Sie sind natürlich nicht wirklich ∞, aber sie sind so
groß, dass sie das schwingende System zerstören. Daher kommt der Begriff ”Resonanzkatastrophe”. Er
drückt aus, dass durch ungeschickte Wahl der Kreisfrequenz der erregenden Kraft so große Ausschläge
erzeugt werden, dass im Extremfall eine Maschine kaputt geht, eine Brücke einstürzt oder vielleicht noch
schlimmere Dinge passieren.
Für Maschinenbauer ist es deshalb wichtig zu verstehen, was Resonsnz bedeutet. Vielleicht ist es in
manchen Fällen damit getan, beim Anfahren einer Maschine gewisse Drehzahlbereiche schnell zu durch-
fahren. Stellen Sie sich eine Waschmaschine vor, die eine Eigenfrequenz von 20Hz hat. Beim Schleudern
von Wäsche erzeugen Sie eine periodische Kraft auf die Maschine. Schleudern Sie nun mit 1200 Um-
drehungen pro Minute. dann regen Sie genau die Eigenschwingungen an und nichts wird diese Maschine
beim Schleudern auf ihrem Platz halten können.
Sehen Sie also zu, dass Sie niemals periodische Kräfte auf Ihre Systeme wirken lassen, deren Kreis-
frequenz in der Nähe der Eigenkreisfrequenz liegt. Ist die Kreisfreuenz der anregenden Kraft sogar mit
der Eigenkreisfrequenz identisch, dann werden die Amplituden der Bewegung theoretisch unendlich und
man spricht von Resonanz. In diesem Fall versagt der normale Ansatz für unsere partikulären Lösungen.
Vom mathematischen Standpunkt aus gesehen, definieren wir Resonanz wie folgt:
Ist die Störfunktion S(t) Basislösung der homogenen Dgl, dann liegt Resonanz vor. Der Lösungsan-
satz aus Tabelle 6.2 muss in diesem Fall noch mit t multipliziert werden. Ist aber t · S(t) auch eine Ba-
sislösung (kann bei doppelten Nullstellen in der charakteristischen Gleichung vorkommen), dann erhält
der Ansatz aus der Tabelle den Faktor t2 .
Sehen wir uns zwei Beispiele an:
1.
00 0
y − y = et , y(0) = 0, y (0) = 1
yh = c1 et + c2 e−t .
Die Störfunktion S(t) = et ist eine Basislösung der homogenen Gleichung. Es liegt also Resonanz
vor. tS(t) = tet ist aber keine Basislösung. Der Lösungsansatz aus Tabelle 6.2 muss also mit
t multipliziert werden. S(t) finden wir in Tabelle 6.2 unter Nr.2 mit d0 = 1 und i = 0. Der
Tabellenansatz ist damit D0 et . Er muss mit t multipliziert werden:
0 00
yp = D0 tet , yp = D0 (t + 1)et , yp = D0 (t + 2)et .
00 1
yp − yp = D0 (t + 2)et − D0 tet = 2D0 et = et ⇒ D0 =
2
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und
1
yp = tet
2
bzw.
1
y = yh + yp = c1 et + c2 e−t + tet .
2
c1 und c2 müssen noch aus den Anfangsbedingungen bestimmt werden:
y(0) = c1 + c2 = 0
0 1
y (t) = c1 et − c2 e−t + (t + 1)et ⇒
2
0 1 1
y (0) = c1 − c2 + = 1 ⇒ c1 − c2 =
2 2
Addition der beiden Gleichungen ergibt
1 1 1
2c1 = ⇒ c1 = und c2 = −
2 4 4
Die Lösung des Anfangswertproblems lautet also
1 1 1
y = et − e−t + tet .
4 4 2
2. Die Dgl
00
y + 6y 0 + 9y = e−3t
hat die Basislösungen yh1 = e−3t und yh2 = te−3t . Da sowohl S(t), als auch tS(t) eine Basislösung
ist, muss der Ansatz für die inhomogene Lösung D0 t2 e−3t lauten.
Markieren Sie die richtigen Ansätze auf den Abbildungen 6.13 bis 6.17!
Komplizierte Störfunktion
Setzt sich die Störfunktion additiv aus mehreren Teilen zusammen, so muss für jeder dieser Teile im
Ansatz vertreten sein. So wird etwa bei der Dgl
00 0
y + 10y + 50y = sin(10πt) + e−0.1t
der Ansatz
yp1 = D0 sin(10πt) + E0 cos(10πt) + F0 e−0.1t
aufgestellt.
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Übung
S=
(t ) 10e5t , yh=
(t ) c1e3t + c2 e5t
Übung
S=
(t ) 10e5t , yh=
(t ) c1e3t + c2 e7 t
Übung
S=
(t ) 10e5t , yh=
(t ) c1e5t + c2te5t
Übung
=
S (t ) 5sin(4t=
), yh (t ) c1 sin(2t ) + c2 cos(2t )
=
y p (t ) D0 sin(2t ) + E0 cos(2t )
=
y p (t ) D0t sin(4t ) + E0t cos(4t )
Übung
=
S (t ) 5sin(4t=
), yh (t ) c1 sin(4t ) + c2 cos(4t )
=
y p (t ) D0 sin(2t ) + E0 cos(2t )
=
y p (t ) D0t sin(4t ) + E0t cos(4t )
6.5.3 Anfangsbedingungen
Die Konstanten in der allgemeinen Lösung müssen noch mit Hilfe von Anfangsbedingungen festgelegt
werden. I.d.R. wird man Spannungen an Kondensatoren und Ströme durch Spulen als Anfangsbedin-
gungen haben. Zu beachten ist dabei, dass Kondensatorspannungen und Spulenströme sich auch durch
Schaltvorgänge nicht sprunghaft verändern.
6.5.4 Zusammenfassung
Zur Lösung der linearen Dgl mit konstanten Koeffizienten
00 0
a2 y + a1 y + a0 y = S(t)
indem man die Nullstellen der charakteristischen Gleichung bestimmt und die damit die allgemeine
Lösung wie oben beschrieben zusammensetzt.
2. Man stellt einen Ansatz für die partikuläre Lösung yp auf. Dabei muss auf Resonanz geachtet
werden (ggf Ansatz mit t oder t2 multiplizieren).
3. Man setzt den Ansatz in die Dgl ein und berechnet daraus die Koeffizienten.
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4. Die allgemeine Lösung wird nun aus den Basislösungen und der Partikulärlösung zusammenge-
setzt:
y = yh + yp = c1 yh1 + c2 yh2 + yp
5. Die Konstanten c1 , . . . , cn aus der allgemeinen Lösung werden mit Hilfe der Anfangsbedingungen
festgelegt.
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.
Kapitel 7
Die Mathematik ist dem Liebestrieb nicht abträglich. (Paul Möbius, Irrenarzt, 1853-1907)
7.1 Einführung
Wir beschäftigen uns nun noch mit einem anderen Typ von Differentialgleichungen 1. Ordnung, die sich
i.a. auch gut lösen lässt, nämlich mit
y 0 = f (x) · g(y)
wie z.B.
√
y 0 = xy, y 0 = 6x2 · y, y 0 = 4y.
7.2 Lösungsmethode
Die Lösungsstrategie ist
dy dy
y0 = = f (x) · g(y) ⇒ dy = f (x) · g(y)dx ⇒ = f (x)dx ⇒
dx g(y)
Z
dy Z
= f (x)dx
g(y)
Betrachten wir die drei Beispiele von oben
dy dy
y 0 = xy ⇒ = xy ⇒ = xdx ⇒
dx y
Z
dy Z 1
= xdx ⇒ ln y = x2 + c ⇒
y 2
1 2 1 2
y = e2x +c
= Ke 2 x
Prüfen wir es nach:
1 2 1 2
y = Ke 2 x ⇒ y 0 = Ke 2 x · x = xy
109
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.
Kapitel 8
Numerische Verfahren
So kann also die Mathematik definiert werden als diejenige Wissenschaft, in der wir niemals das kennen,
worüber wir sprechen, und niemals wissen, ob das, was wir sagen, wahr ist. (Bertrand Russell)
8.2 Einführung
Manchmal ist man auf den Einsatz von numerischen Lösungsmethoden angewiesen. Hier soll ein solches
Verfahren besprochen werden, nämlich das Euler-Verfahren. Es ist zwar für den praktischen Einsatz
nicht geeignet, weil es viel zu ungenau ist. Es veranschaulicht aber, wie numerische Methoden arbeiten.
Deshalb ist es sinnvoll, mit dieser Methode zu beginnen. Man kann am Euler-Verfahren gut studieren, wie
numerische Verfahren arbeiten. Hat man das erst einmal verstanden, dann kann man schnell auf andere,
geeignetere Verfahren umsteigen.
113
114 Copyright ©Prof. Dr. O. Rau, HS-RM, 2020/2021
oder
0
y = t2 + y 2 + ety mit y(2) = −3. (8.3)
Numerische Verfahren bestimmen grundsätzlich nicht die allgemeine Lösung, sondern berechnen
immer nur die eine Lösungskurve, die zu der vorgegebenen Anfangsbedingung passt. Durch diese An-
fangsbedingung kennt man den Wert der Lösungsfunktion y(t) an einer Stelle t0 genau. Mit Hilfe der
Differentialgleichung kann man dann auch die exakte Steigung der Lösungskurve am Anfangspunkt be-
stimmen:
0
y (t0 ) = f (t0 , y0 )
Die Lösungskurve in Gleichung 8.1 hat am Anfangspunkt die Steigung
0 1 3
y (0) = f (0, 1) = [3 + sin(4 · 0)] =
4 4
und bei der Lösungskurve aus Gleichung 8.2 ist
0
y (0) = f (1, 3) = 1 · (−3) = −3
yi+1 = yi + h · f (ti , yi )
Der Vorteil dieser Methode ist, dass sie sehr einfach ist. Der Nachteil liegt in der hohen Ungenauigkeit.
Man müsste schon sehr kleine Schrittweiten h verwenden, um zu noch brauchbaren Ergebnissen zu
kommen.
Als Beispiel betrachten wir die Dgl
0
y = 4y + 3 mit y(0) = 1.
Ein flüchtiger Blick auf die Tabelle zeigt, dass die Näherungen katastrophal schlecht sind. Nur eine
erhebliche Reduzierung der Schrittweite kann die Ergebnisse wesentlich verbessern. Dies ist aber nur für
den Preis eines stark erhöhten Rechenaufwandes zu haben.
Nun ist im Computerzeitalter der Rechenaufwand kein Thema mehr, aber wenn es Methoden gibt, die
bei gleichem Aufwand ein besseres Ergebnis liefern, dann wird man doch zu diesen anderen Methoden
greifen.
Wir sehen uns noch ein zweites Beispiel an, nämlich
yi+1 = yi + h · f (ti , yi ).
y0 = 1 ergibt sich aus der Anfangsbedingung. Nach Gleichung 8.4 ist also
y1 = y0 + ht0 y0 = 1 + 0.1 · 0 · 1 = 1
y1 ist die Näherung für y(t1 ) also für y(0.1). Berechnen wir noch ein paar Werte nach Gleichung 8.4:
Anhang
Stammfunktionen
Z 1 1
(1) (ax + b)n dx = · (ax + b)n+1 + c
a n+1
1Z 1
(2) dx = ln | ax + b | +c
ax + b a
Z 1
(3) sin(ax + b)dx = − cos(ax + b) + c
a
Z 1
(4) cos(ax + b)dx = sin(ax + b) + c
a
Z 1
(5) eax dx = eax + c
a
Z 1 x
(6) ax dx = a +c
ln a
Z
(7) ln xdx = x ln x − x + c
Z ax − 1 ax
(8) xeax dx = e +c
a2
Z sin(ax + b) x cos(ax + b)
(9) x sin(ax + b)dx = − +c
a2 a
Z cos(ax + b) x sin(ax + b)
(10) x cos(ax + b)dx = + +c
a2 a
Z 1
(11) sinn (x) cos(x)dx = sinn+1 (x) + c
n+1
Z 1
(12) cosn (x) sin(x)dx = − cosn+1 (x) + c
n+1
117
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sin2 x + cos2 x = 1
sin(α ± β) = sin α cos β ± cos α sin β
cos(α ± β) = cos α cos β ∓ sin α sin β
tan α±tan β
tan(α ± β) = 1∓tan α tan β
sin 2α = 2 sin α cos α
2 2
cos 2α = cos
r
α − sin α
sin α2 = r
1−cos α
2
cos α2 = 1+cos α
2
sin α + sin β = 2 sin α+β α−β
2 cos 2
cos α + cos β = 2 cos α+β
2 cos 2
α−β
Ansatztabelle, 93
Charakteristische Gleichung, 86
Doppelintegrale, 19
Doppelintegrale - vereinfachte Berechnung, 29
Ebenen, 3
Euler-Verfahren, 113
Flächenträgheitsmomente, 32
Flächeninhalt, 30
Flächenschwerpunkte, 30
Gebietsbegrenzungen, 24
Kirchhoffsche Maschenregel, 76
Lineare Funktionen, 3
Linearisierung, 54
Lösungsansatz fur die homogene Dgl., 85
Partielle Ableitung, 15
Polarkoordinaten, 43
Regressionsanalyse, 64
Relative Extrema bei m.V., 61
Resonanz, 98, 101
Schwerpunkte, 30
Steinerscher Satz, 34
Strom- Spannungsbeziehungen, 75
Tangentialebene, 54
Trigonometrische Funktionen, 118
120