eingereicht von
Tahir Alabay
Mat.Nr.: 0433188
an der
Medizinischen Universität Graz
ausgeführt am
Universitätsklinik für Experimentelle und Klinische
Pharmakologie
Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne
fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet
habe und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen
als solche kenntlich gemacht habe.
Graz, am …… Unterschrift
i
Danksagungen
An erster Stelle möchte ich mich bei Herrn Univ.-Prof. i. R. Mag. Pharm. Dr.
Eckhard Beubler für die tolle Betreuung und Unterstützung während der
gesamten Arbeit, sowie für die Begutachtung sehr herzlich bedanken.
Des Weiteren möchte ich mich bei meinem Zweitbetreuer Herrn Univ.-Prof. Dr.
med. univ. Josef Donnerer für die organisatorische Hilfe bedanken.
Auch zu großem Dank verpflichtet bin ich Cand. Med. Markus Singer, der mir bei
Korrektur der Diplomarbeit große Hilfe leistete.
Über diese Arbeit hinaus gebührt meiner Familie ein ganz spezieller Dank. Sie
haben mir durch finanzielle und moralische Unterstützung das Studium ermöglicht.
Schließlich möchte ich mich bei allen Freunden bedanken, die mich während des
Studiums auf irgendeine Art und Weise unterstützt haben.
ii
Zusammenfassung
Aufgrund erhöhter Anzahl älterer Patienten in der Klinik ist die Therapie und
Nachsorge älterer Menschen von großer Bedeutung. In den Industrieländern wie
z.B. in Österreich ist eine ständige Zunahme des Bevölkerungsanteils an alten
Menschen zu verzeichnen, weil sich durch die medizinische Fortschritte in den
letzten fünfzig Jahren die Lebenserwartung der Menschen erhöht hat. Die
medikamentöse Behandlung nimmt eine Sonderstellung in der Gesamtheit der
Therapie älterer Patienten ein. Durch Veränderung der biologischen Funktionen im
Alter unterscheidet sich der Einsatz von Medikamenten bei geriatrischen Patienten
von deren Einsatz bei jüngeren Patienten.
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit den Beiträgen, die zum Thema
„Pharmakotherapie im Alter“ veröffentlicht wurden. Es werden verschiedene
Lehrbücher und validierte Studien anhand der Literaturrecherche verwendet. Als
erstes werden Besonderheiten der Pharmakotherapie im Alter erläutert. Die
altersbedingten Veränderungen von Pharmakokinetik und Pharmakodynamik
werden ausführlich behandelt. Des Weiteren werden häufigere unerwünschte
Arzneimittelwirkungen im Alter hervorgehoben.
Die Diplomarbeit geht neben dem Prozess des Alterns auch auf allgemeine
Probleme der Pharmakotherapie im Alter ein. Im letzten Teil der Diplomarbeit
werden anhand der Literaturrecherche mögliche Empfehlungen bezüglich der
Pharmakotherapie im Alter gegeben.
iii
Abstract
Due to increased number of older patients in the hospital the therapy and aftercare
of older humans are of great importance. A constant increase of the population
rate of older people is registered in the industrialized countries as e.g. in Austria,
because the life expectancy of humans has increased by the medical progress in
the last fifty years. The medical treatment has a special position among all
therapeutic approaches of older patients. There are differences between the drug
administration at geriatric and at younger patients, which result from biological
changes in aging process.
The objective of the presented diploma thesis deals with the articles, which were
published to the topic „Pharmacotherapy in old age“. Different pharmacology
books and validated studies are used according to the literature research. First,
pharmacological principles in the elderly are described. The age-related changes
of Pharmacokinetics and Pharmacodynamics are discussed in detail. Furthermore
the most frequent adverse drug reactions in elderly patients are underlined.
Subsequently the five most important and most usual drug groups are described,
which are widely used in geriatric departments. Significant aspects of these five
drugs (mechanism of action, pharmacokinetics, adverse effects, interactions with
other drugs, indications and contraindications) are investigated.
The thesis refers apart from the aging process also to general problems of
pharmacotherapy in elderly patients. Recommandations concerning the
pharmacotherapy in elderly patients are given in the last part of the thesis.
iv
Inhaltsverzeichnis
Danksagungen ............................................................................................. ii
Abstract ....................................................................................................... iv
Tabellenverzeichnis.................................................................................. viii
1 Einleitung ............................................................................................... 1
v
3.2.2 Pharmakokinetik und Klassifikation ............................................ 24
3.2.3 Indikationen und Dosierung ........................................................ 24
3.2.4 Nebenwirkungen und Interaktionen ............................................ 25
3.2.5 Kontraindikationen ...................................................................... 26
Literaturverzeichnis................................................................................... 39
vi
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Demographische Entwicklung der österreichischen Bevölkerung ............... 6
vii
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Bekannte Arzneimittel mit langsamer Elimination im Alter ....................... 12
viii
Glossar und Abkürzungen
DNA Desoxyribonukleinsäure
KHK Koronare Herzkrankheit
PAVK Periphere Arterielle Verschlusskrankheit
FSH Follikelstimulierendes Hormon
LH Luteinisierendes Hormon
z.B. Zum Beispiel
GFR Glomeruläre Filtrationsrate
NSAR Nicht steroidales Antirheumatikum
RBF Renaler Blutfluss
CL Clearance
UAW Unerwünschte Arzneimittelwirkungen
FARD Fatal Adverse Drug Reactions
GIT Gastrointestinaltrakt
ZNS Zentralnervensystem
ASS Acetylsalicylsäure
COX Cycloxygenase
STEMI ST-Strecken-Elevations-Myokardinfarkt
NSTEMI Nicht-ST-Strecken-Elevations-Myokardinfarkt
PGI Prostaglandin-I
PGE Prostaglandin-E
IL-1 Interleukin-1
SSRI Selektive Serotonin Reuptake Inhibitoren
BZ Blutzucker
HI Herzinfarkt
ACE Angiotensin-Converting-Enzym
RAAS Renin-Angiotensin-Aldosteron-System
NO Stickstoffmonoxid
TPR Totaler Peripherer Widerstand
HZV Herzzeitvolumen
NYHA New York Heart Association
NINS Chronische Niereninsuffizienz
DM Diabetes Mellitus
ix
HMG-CoA 3- Hydroxyl-3-Methyl-Glutarsäure
LDL Low-Density-Lipoprotein
HDL High-Density-Lipoprotein
TIA Transitorische Ischämische Attacke
ANV Akutes Nierenversagen
HWZ Halbwertszeit
MAO Monaminooxidase
CHMP Committee for Medical Products for Human Use
EBM Evidence Based Medicine
FORTA Fit for the aged
x
1 Einleitung
Der Begriff „Alt“ stammt vom indogermanischen Wortstamm „al-“ und ist mit
Wachstum und Reifung gleichzusetzen. In Naturwissenschaften gilt das Altern als
eine mit der Zeit auftretender Veränderung, welche mit der Entstehung eines
Lebewesens anfängt und jeden Organismus betrifft (1).
Eine weitere These, welche Hinweise über den Alterungsprozess gibt, ist
die sogenannte Telomerase-Theorie. Telomere (Endabschnitte menschlicher
Chromosomen) haben die Fähigkeit, sich bei jeder Zellteilung zu verkürzen. Mit
fortschreitendem Alter ist eine Abnahme von Telomeren zu beobachten, weil sie
durch krankheitsbedingte Störungen, wie z.B. Entzündungen, Abszesse, Tumoren
schneller zugrunde gehen als sonst (4). Der Verlust dieser DNA-Abschnitte führt
dazu, dass menschliche Körperzellen absterben.
In der Medizin ist eine isolierte Betrachtung von einzelnen Zellen nicht
zielführend. Darum spricht man von Geweben (entstanden durch Ansammlung
von Zellen), welche wiederum einzelne Organsysteme bilden. Diese
Organsysteme stehen miteinander über chemische Botenstoffe und
Reizleitungsbahnen in Verbindung. Kommt es zu einer Störung des
Organnetzwerkes, spricht man von einer Mehrfacherkrankung, die in der
1
Altersmedizin als Multimorbidität bezeichnet wird (5). Die Multimorbidität ist häufig
mit physischer und psychischer Behinderung sowie Einschränkung des sozialen
Umfeldes vergesellschaftet.
Haut: Die Umstrukturierung der Haut ist das auffälligste Zeichen des
Alterns. Typische Auffälligkeiten sind die Bildung von Falten, eine
Lockerung des Bindegewebes und Fleckenbildung (6) (7).
2
Nervensystem: Die Alzheimer-Erkrankung ist das wichtigste
neurologische Krankheitsbild im Alter. Histologisch kann man das
Vorkommen von Proteinauflagerungen (senilen Plaques) und Alzheimer-
Fibrillen nachweisen. Verminderte Aufmerksamkeit, kognitive Defizite
und reduziertes Reaktionsvermögen sind weitere neurologische
Auffälligkeiten im Alter (7).
3
o Morphologisch wird der Brustkorb zunehmend runder.
o Die Dehnbarkeit (Elastizität) des Lungengewebes wird
reduziert. Damit verbunden nimmt der Atemwegswiderstand
zu (6).
o Der strukturelle Aufbau der Alveolen wird gestört, die
Alveolenwand wird immer dicker. Dies führt zu Störungen des
kapillären Gasaustausches. Folgen davon sind respiratorische
Azidose, isolierte oder kombinierte Hypoxie (7).
4
o Orthopädie: Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule,
Unfälle und progrediente Krankheiten des Bewegungsapparates
sind bei einem Großteil älterer Patienten zu finden (8).
Die Geriatrie soll vor allem älteren Menschen helfen, ihre Behinderung zu
minimieren, damit sie weiterhin selbstständig, mit oder ohne fremde Hilfe, ihr
Leben gestalten können. Eine Besonderheit bei geriatrischen Patienten ist die
Kombination mehrerer Krankheiten zur gleichen Zeit. Aus diesem Grund soll der
Geriater einzelne Krankheitsbilder erkennen und zusätzlich als Koordinator
zwischen den einzelnen medizinischen Fachrichtungen agieren. Denn die Gefahr
bei multimorbiden älteren Patienten besteht darin, dass Ärzte einzelner
medizinischer Fachrichtungen überfordert werden können, weil das
Therapieschema bei solchen Patienten kompliziert sein kann. Somit etabliert sich
die Geriatrie als eine interdisziplinäre Fachrichtung (9).
5
1.3.1 Geriatrie in Österreich mit Bezug auf Bevölkerungsstatistik
Laut epidemiologischen Statistiken waren in den 70ern nur zwanzig Prozent der
Österreicher über 60 Jahre alt. Bevölkerungsprognosen nehmen an, dass im Jahr
2035 jeder dritte Österreicher über 60 Jahre alt sein wird (9).
6
Prävention von Herz- und Kreislauferkrankungen in den letzten fünf Jahrzehnten
dazu beigetragen, die Lebensdauer von älteren Patienten zu steigern. Die
zunehmende Alterung der Bevölkerung resultiert jedoch nicht nur aus verlängerter
Lebenserwartung, sondern auch aus dem Rückgang der Geburtenrate (7) (11).
Die Besonderheiten der Pharmakotherapie im Alter und die fünf wichtigsten und
gängigsten Medikamentengruppen werden in den nächsten Kapiteln beschrieben.
7
2 Pharmakologie im Alter
8
Die Pharmakotherapie im Alter ist kompliziert. Sie braucht von ärztlicher Seite her
ein großes Maß an Wissen sowie eine entsprechende Berufserfahrung. Jedoch
reicht dies alleine für eine erfolgreiche Prävention von Krankheiten nicht aus.
Zusätzlich dazu ist man als Arzt auf die Teilnahme der Patienten an der
medikamentösen Therapie angewiesen. Die Compliance von älteren Patienten ist
meistens reduziert. Damit ist auch eine erhöhte Nebenwirkungsrate zu erwarten.
Ein großes Problem der Pharmakotherapie im Alter ist die Vielzahl der
verordneten Arzneimittel. Als Arzt ist man bei geriatrischen Patienten mit
verschiedenen Krankheitsbildern konfrontiert. Darum werden bei solchen
Patienten verschiedene Pharmaka eingesetzt. Je mehr Medikamente sie
einnehmen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von
Wechselwirkungen der Medikamente untereinander. Im klinischen Alltag versucht
man dann öfters die Nebenwirkungen dieser Kombinationen zu therapieren. Das
kann zu einer unkritischen Arzneimittelanwendung bei geriatrischen Patienten
führen. Deswegen ist ein genaues Verständnis der
o Medikamentenwirkungen
o Unerwünschten Arzneimittelwirkungen und
o Interaktionen von verschriebenen Medikamenten
erforderlich (9) (14) (15).
9
2.1.1 Änderungen der Pharmakokinetik im Alter
Die Pharmakokinetik beschäftigt sich mit der Wirkung des Körpers auf die
verordneten Arzneimitteln. Das heißt, sie beschreibt das Verhaltensmuster eines
Arzneimittels im menschlichen Körper. Vier Grundbegriffe bestimmen das
Verhalten eines Medikaments (17; 18):
Applikation
Resorption
Verteilung und Metabolismus
Elimination
Außer der Verabreichungsform eines Arzneimittels sind alle oben gennannten
pharmakologische Parameter im Alter verändert.
Durch die Atrophie der Magen und Darmschleimhaut wird die Absorptionsfläche
von hauptsächlich oral eingenommenen Arzneimitteln reduziert. Zusätzlich dazu
ist bei geriatrischen Patienten die Säuresekretion und Schleimproduktion des
Magens vermindert. Die altersbedingte Verminderung an Magensäure wird erst
dann unvorteilhaft, wenn basische Arzneistoffe im verordneten Medikament
vorkommen. Diese Medikamente müssen vor der Resorption durch Magen- und
Darmschleimhaut zuerst in Magensäure gelöst werden. Ein Beispiel dafür sind die
Triazolantimykotika, deren Absorptionsquote bei verminderter Sekretion von
Magensäure reduziert wird (15; 14).
10
2.1.1.2 Veränderte Verteilung von Arzneimitteln
Bei der Bindung von Medikamenten an Plasmaproteine nimmt das Albumin eine
Sonderstellung ein, weil es besonders für saure Pharmaka eine hohe Affinität
aufweist (17). Aufgrund altersbedingter Verringerung der Albuminkonzentration im
Serum kann es bei Medikamenten mit hoher Albuminbindung zu einer erhöhten
Toxizität kommen. Der Grund dafür ist, dass das Zirkulationsvolumen vom nicht an
Albumin gebundenen, sogenannten freien Bestandteil des verordneten
Arzneimittels, im Blut erhöht wird (15).
Die Abnahme von Muskelgewebe ist eine weitere Besonderheit bei älteren
Patienten. Eine Dosisreduktion von Arzneimitteln, die sich vorwiegend im
Muskelgewebe verteilen, sollte bei geriatrischen Patienten überlegt werden. Ein
11
Beispiel dafür ist der Einsatz vom Digoxin bei älteren Patienten mit
Herzinsuffizienz oder Vorhofflimmern (14).
Im Alter wird die Pumpleistung des Herzens verringert. Damit ist auch eine
Reduzierung der Leberperfusion und eine Abnahme der funktionstüchtigen
Leberzellmasse assoziiert. Jedoch kann man bei älteren Patienten nicht von einer
generalisierten Funktionsstörung der arzneimittelabbauenden CytochromP450-
Enzyme sprechen (15). Altersbedingte Unterschiede der Metabolisierung von
Arzneimitteln können von Mensch zu Mensch variieren (14; 16).
Medikamente Ursache
Theophylin, Tolbutamid, Diazepam Reduzierte Enzymfunktion
Propanolol, Nifedipin, Verapamil Verminderte Leberperfusion
Manche Medikamente werden in der Leber so effizient metabolisiert, dass nur ein
kleiner Teil von ihnen den systemischen Kreislauf (Blutweg) erreicht. Dieses
Phänomen wird in der Pharmakologie als „first-pass Effekt“ bezeichnet. Der
12
hepatische First-pass Effekt vermindert die Bioverfügbarkeit eines Arzneistoffes
(Maß für die Verfügbarkeit eines Arzneimittels im systemischen Kreislauf) (17; 20).
Die Elimination von Pharmaka wird durch definierte Parameter bestimmt. Der
wichtigste Indikator ist die Clearence (CL). Die Clearence ist eine
pharmakologische Kenngröße, welche sich aus dem Quotienten zwischen
Eliminationsgeschwindigkeit und Plasmakonzentration eines Arzneimittels
errechnen lässt. Die Einheit der Clearance wird in Volumen pro Zeiteinheit
(ml/min) angegeben (17; 20).
13
Zusätzlich zu den oben genannten Besonderheiten verschlechtern folgende
Krankheitsbilder oft die ohnehin im Alter schon eingeschränkte Nierenfunktion
noch zusätzlich (21):
Glomerulonephritiden
Systemische Arteriosklerose
Chronisch erhöhter Blutdruck
Gestörte Glukosetoleranz/ Diabetes Mellitus
Kardiovaskuläre Erkrankungen
Gewichtszunahme
Lipidstoffwechselstörung
Zigarettenkonsum
14
Die Serumkonzentration des Kreatinins ist bei geriatrischen Patienten mit einer
Nierenfunktionseinschränkung nicht bedeutsam, weil der Serumkreatininwert im
Alter eher stabil bleibt. Eine Reduzierung der GFR kann auch bei normalem
Serumkreatininwert vorkommen. (15; 16).
Die von Cockroft und Gault eingeführte Formel kann einen Bezug zwischen dem
Serumkreatininwert und dem Alter des Patienten wiederspiegeln und wird auch
noch heute bei geriatrischen Patienten eingesetzt um eine Verminderung der GFR
abzuschätzen (14; 23). Diese Formel lautet:
Als Geriater sollte man aber genügend Wissen bezüglich renal eliminierter
Medikamente verfügen. Falls sich eine Nierenfunktionseinschränkung (GFR unter
50 ml/min) bemerkbar macht, soll man über eine Dosisreduzierung nachdenken.
Besonders bei Arzneimitteln mit geringer therapeutischer Breite ist eine
Dosisänderung ratsam. Ein Beispiel dafür ist die häufigere Anwendung von
Digoxin bei Herzinsuffizienz(HI) bei älteren Patienten. Falls sich bei Patienten mit
HI eine Nephropathie entwickelt, kann der Umstieg von Digoxin auf Digitoxin
sinnvoll sein, da letzteres sowohl über die Niere als auch über die Leber
ausgeschieden wird (15; 16).
Die Pharmakodynamik beschäftigt sich mit Wirkungen von Medikamenten auf den
Organismus. Diese Wirkungen werden hauptsächlich durch ihre Bindung an
Rezeptoren ausgelöst. Dadurch kommt es zu einer Aktivierung bzw. Hemmung,
was den therapeutischen Effekt bewirkt (18).
16
2.1.3 Medikamentennebenwirkungen im Alter
Eine weitere Studie wurde im Jahr 2003 von Gurmitz et. al durchgeführt, um die
Inzidenz von UAW bei älteren ambulanten Patienten zu beurteilen. Diese Studie
zeigte, dass die Anwendung von kardiovaskulär wirksamen Medikamenten,
17
NSAR, Antibiotika und Antikoagulantien am häufigsten mit UAW assoziiert war
(28).
Aufgrund der Polymedikation erhöht sich die Gefahr für Interaktionen bei
geriatrischen Patienten. Die Arzneimittelwechselwirkungen resultieren aus
pharmakokinetisch oder –dynamisch verursachten Modifikationen der
Substanzgruppen. Das Erkennen der Arzneimittelinteraktionen bei älteren
Patienten gestaltet sich für den Arzt meistens schwierig. Jedoch ist sie für ein
erfolgreiches Therapiemanagement notwendig. Aus diesem Grund sollte sich der
18
Geriater über mögliche Wechselwirkungen von verschriebenen Arzneimitteln
informieren (14; 18).
Wichtige Beispiele für Wechselwirkungen bei geriatrischen Patienten sind (14; 15;
29):
Übersedierung: durch Kombination von Neuroleptika mit
Benzodiazepinen oder mit Opiaten.
Serotoninsyndrom: durch Kombination von SSRI mit MAO-Hemmer.
Erhöhte Gefahr von Gastrointestinaler Blutung: durch Kombination von
NSAR mit Kortisonpräparaten
Hämorrhagie: bei Kombination von ASS mit Cumarinderivaten
Wirkungsverstärkung der Herzglykoside: bei Kombination von Digoxin
mit Diuretika, Kalzium- Antagonisten und K-Kanal-Blocker.
Hyperkaliämie: bei Kombination von ACE-Hemmern oder Sartanen mit
kaliumsparenden Diuretika.
Ödeme und Verminderung der diuretischen Wirkung: durch Kombination
von NSAR mit Diuretika
Rhabdomyolyse: bei Kombination von Statinen mit Ciclosporin
19
3 Die fünf wichtigsten Arzneimittelgruppen im Alter
Bei der Auswahl von wichtigsten Arzneimittelgruppen bei älteren Patienten galten
als Bezugspunkte: die Studie von Wester et. al im Jahr 2008, die persönliche
Empfehlung von Univ. Prof. Beubler und die Daten aus dem
Arzneiverordnungsreport 2006 von Schwabe U. et. al. Es wurden hauptsächlich
diejenige Arzneimittelgruppen ausgesucht, welche bei der medikamentösen
Therapie von geriatrischen Patienten eine große Rolle spielen.
Die ASS macht einen erheblichen Teil der Verordnungen bei geriatrischen
Patienten aus. Aus diesem Grund wird sie im Rahmen dieser Diplomarbeit nicht,
wie üblich, zu den NSAR zugeordnet sondern einzeln beschrieben. Nach Daten
der Antithrombotic Trialists´ Collaboration ist der therapeutische Effekt von ASS
als eine prophylaktische Maßnahme bei Myokardinfarkten und Schlaganfällen
erwiesen (30).
20
3.1.2 Pharmakokinetik
21
3.1.4 Nebenwirkungen und Interaktionen
22
Dipyridamol) ist nach ESPS2-Studie bei der Sekundärprpophylaxe von
Schlaganfall wirksam (34; 35).
3.1.5 Kontraindikationen
Durch Inaktivierung der COX1 und COX2- Enzyme hemmen die NSAR die
Transformation der Arachidonsäure in Prostaglandine. Damit wirken sie in erster
Linie antiinflammatorisch, analgetisch und antipyretisch (33).
23
durch Zytokine, z.B. IL-1, aktiviert. Man kann behaupten, dass die
entzündungshemmende, schmerzstillende und fiebersenkende Wirkung von
NSAR hauptsächlich auf der Inhibiton der COX2-Enyzme basiert (33; 35).
24
3.2.4 Nebenwirkungen und Interaktionen
Man hat längere Zeit angenommen, dass die UAW von NSAR nur durch
Hemmung der COX1-Enzyme entstehen. Seit dem Einsatz von COX2-selektiven-
NSAR ist jedoch klar, dass die NSAR bedingte UAW auch durch Inaktivierung der
COX2-Enzyme zustande kommen: COX2-Enzyme werden in Niere, Magen und
ZNS gebildet und die Hemmung dieser Enzymen führt zu bestimmten UAW (32;
35). Die wichtigsten UAW beim NSAR-Einsatz sind (33; 35)
Gastrische Irritation: Erosionen, Ulzerationen und Blutungen im GIT. Ein
Beispiel ist die im Jahr 2005 von Hippisley et. al durchgeführte Studie,
welche eine erhöhte Prävalenz von NSAR-bedingten gastrointestinalen
UAW bei geriatrischen Patienten zeigte (37).
Reduzierung des renalen Blutflusses: Wasser- u. Natriumretention.
Daraus können Ödeme und Hypertonie resultieren. Die Analgetika-
assoziierte Nephropathie ist mit der Verminderung der renalen
Durchblutung verbunden.
Erhöhte Prävalenz von Herzinfarkt durch Einnahme von selektiven
Inhibitoren der COX2-Enzyme, weil diese die Wahrscheinlichkeit für
thromboembolische Komplikationen erhöhen.
ZNS-Symptome: Schwindel, Müdigkeit, Depression.
Asthmaanfälle durch vermehrte Bildung von Leukotrienen.
Kortisonpräparate haben eine schädigende Wirkung auf den Heilungsprozess von
NSAR-bedingten Blutungen und Ulzerationen im GIT. Glukokortikoide hemmen
die COX2-Enzyme, welche bei der Heilung von Ulzerationen eine wichtige Rolle
spielen (35). Weitere Interaktionen von NSAR mit anderen Arzneimitteln oder
Arzneimittelgruppen sind von Tabelle 3 abzuleiten (38).
Interaktion mit Wechselwirkungen
ASS Wirkungsverminderung durch NSAR
5-HT3-Antagonisten Analgetische Wirkung von NSAR ↓
Coumarin-Derivaten Gerinnungshemmung ↑,Blutungen
ACE-Hemmer Antihypertensiver Effekt durch NSAR ↓
Orale Antidiabetika BZ-senkende Wirkung ↓
SSRI Prävalenz von gastrointestinalen NW ↑
Diuretika Diuretische Effekt durch NSAR ↓
Die Einnahme von NSAR ist bei Patienten mit einem bestehenden Magenulkus
kontraindiziert. Auch den Patienten mit erhöhter Blutungsneigung darf man keine
NSAR verordnen. Eine Besonderheit ist die gleichzeitige Anwendung von
Ibuprofen mit ASS, welche sich bei Patienten mit Herzinfarkt als ungünstig
erwiesen hat. Die Beseitigung oder Verminderung der kardioprotektiven ASS-
Wirkung durch Ibuprofen wurde in der von MacDonald T. M. et. al durchgeführten
Studie im Jahr 2003 nachgewiesen (38) (39). NSAR sind ebenfalls kontraindiziert
bei Patienten mit Asthma und bei Schwangeren im 3. Trimenon (35).
3.3 ACE-Hemmer
26
Die oben genannten Wirkungen von Angiotensin II führen vor allem zu einer
Erhöhung des Blutdruckes. Aus diesem Grund ist die Behandlung des
Hypertonus die wichtigste Indikationsstellung für Anwendung von ACE-Inhibitoren
Captopril ist der einzige ACE-Hemmer mit einer Sulfhydrylgruppe und wurde als
erster ACE-Hemmer eingesetzt. Captopril und Lisinopril wirken selbst als
Inhibitoren der ACE-Enzyme. Die anderen ACE-Hemmer sind in ihrer
Ursprungsform keine Wirkstoffe und werden vor ihrem Wirkungseintritt in der
Leber hydrolysiert. Außer Lisinopril werden andere ACE-Inhibitoren schnell und
effektiv resorbiert. Die Wirkdauer von Ramipril ist mit 24-48 Stunden am längsten.
Im Gegensatz dazu wirkt Captopril bis maximal 12 Stunden (32).
ACE-Hemmer sind Mittel der ersten Wahl bei Therapie des erhöhten Blutdruckes.
Die Reduzierung der Vasokonstriktion und der Aldosteronsynthese sind die
wichtigsten Faktoren bei Therapie der Hypertonie. Die Hemmung des Bradykinin-
Abbaus trägt auch zur antihypertensiven Therapie bei, weil dadurch die
vasodilatatorisch wirksame Wirkstoffe NO und PGI2 vermehrt aus Endothelzellen
ausgeschüttet werden (32). Die Dosierung bei antihypertensiver Therapie beträgt
bei Captopril 12,5-75 mg/die, bei Ramipril 2,5-10 mg/die, bei Enalapril 5-20 mg/die
und bei Lisinopril 10-20 mg/die (35).
27
ACE-Hemmer werden auch nach Herzinfarkt verordnet und spielen als
prophylaktische Therapiemaßnahme in der Kardiologie und Geriatrie eine wichtige
Rolle. Die im Jahr 2000 durchgeführten Vergleichsstudien ergaben, dass unter der
Gabe eines ACE-Hemmers die Prävalenz von kardiovaskulärer Dysregulation
seltener auftrat als unter Placebogabe (42).Weitere Indikationen für ACE-
Inhibitoren sind (33):
Diabetische Nephropathie
Erhöhtes Risiko einer ischämischen Herzkrankheit.
3.3.5 Kontraindikationen
28
nierentransplantierten Patienten und bei Patienten mit einer Einzelniere nicht
eingesetzt werden (32; 41).
3.4 Statine
29
aufnehmen. Als Folge davon werden LDL-Moleküle schneller ausgeschieden und
ihre Neusynthese wird reduziert (31; 32; 35). Schließlich kommt es zur (32; 33):
Verminderung des Gesamt- und LDL-Cholesterins im Plasma um 40-50%
Senkung der Triglycerid-Konzentration im Blut um 25%
Geringgradige Erhöhung der HDL-Konzentration
Manche Effekte von Statinen hängen mit der Inaktivierung der HMG-CoA-
Reduktase nicht zusammen. Diese Wirkungen werden als pleiotrope Effekte
bezeichnet. Die vermehrte Synthese von NO, antithrombotische Effekte, eine
therapeutische Wirkung bei Alzheimer, Stabilisierung der atherosklerösen Plaques
und Immunsuppression werden den pleiotropen Effekten der Statine zugeordnet
(33).
Statine werden nach oraler Applikation schnell und diskontinuierlich resorbiert. Die
Bioverfügbarkeit von Wirkstoffen ist variabel. In der Regel liegen die zwei Statine,
Lovastatin und Simvastatin, in inaktivierter Form vor und werden in der Leber zur
Hydroxysäure transformiert, damit sie die erwünschte Wirkung auslösen können.
Sie werden dann über die Gallenflüssigkeit eliminiert. Atorvastatin hat mit 14
Stunden die längste Halbwertszeit unter allen Statinen. Mit Lovastatin und
Simvastatin gehört sie zur lipophilen Gruppe der Statine. Pravastatin und
Fluvastatin liegen schon in aktiver Form vor. Daher ist ihre Konzentration in der
Leber geringer als Lovastatin-Konzentration. Sie reichern sich eher in
extrahepatischen Zellverbänden an. Außer bei Fluvastatin und Rosuvastatin findet
die Metabolisierung der Statine über CYP3A4-Enzyme statt (31; 32).
Der Einsatz der Statine ist mit der Prävalenz kardiovaskulärer Risikofaktoren
verbunden. Besonders bei geriatrischen Patienten soll man vor einer
medikamentösen Therapie mit Statinen ein Nutzen-Risiko-Verhältnis erwägen,
weil die LDL- und HDL-Zielwerte bei älteren Patienten mit unterschiedlichen
Risikofaktoren voneinander abweichen. Bluthochdruck, Rauchen, erhöhter
LDL/HDL-Quotient und positive Familienanmnese für KHK sind bekannte
30
Risikofaktoren. Die Empfehlungen zur Statintherapie bei älteren Patienten sind
nach Döser et. al vom Jahr 2004 definiert (46).
Statine sind vor allem bei primärer Hypercholesterinämie indiziert. Die Anwendung
der Statine bei homozygoter familiärer Hypercholesterinämie ist jedoch nicht zu
empfehlen, weil bei dieser genetischen Erkrankung keine intakten LDL-
Rezeptoren produziert werden (31). Aufgrund positiver Datenlage im Rahmen
großflächiger Studien ist die Anwendung der Statine bei Sekundärprävention von
Myokardinfakt und Schlaganfall eine Standardtherapie geworden. Patienten,
welche eine Angina-Pectoris oder TIA erlitten haben, werden auf der Klinik meist
mit Statinen behandelt. Es wird jedoch vorausgesetzt, dass diese Wirkungen nicht
durch Inhibierung des HMG-CoA-Enzyms, sondern durch pleitrope Effekte der
Statine entstehen (31; 33). Die Dosierung der Statine beträgt bei Pravastatin 10-
40 mg/die und bei allen anderen Medikamenten 10-80 mg/die (35).
31
diesem Grund werden Patienten für Myalgien und Rhabdomyolyse anfälliger.
Weiters können Statine gerinnungshemmende Wirkung von Vitamin-K-
Antagonisten verstärken (32; 38).
3.4.5 Kontraindikationen
Erkrankungen der Leber und Niere sind relative Kontraindikationen für eine Statin-
Einnahme. Als Arzt soll man Statine nicht mit Fibraten kombinieren, weil dadurch
das Risiko für Rhabdomyolyse erhöht wird. Absolute Gegenanzeigen sind
Schwangerschaft und Stillzeit (41).
Das Auftreten von Depressionen bei älteren Patienten gehört zum klinischen
Alltag. Verglichen mit jüngeren Patienten sind Depressionen bei geriatrischen
Patienten häufig mit kognitiver Leistungsverminderung assoziiert. Zusätzlich dazu
kommt, dass ältere Patienten häufiger verneinen, dass sie an Depression erkrankt
sind und vom Arzt nur die Therapie organisch-bedingter Krankheiten erwarten.
Dies führt nicht selten zu einer verspäteten Diagnose „Depression“ bei
geriatrischen Patienten. (34)
Depression gilt als wichtigste Ursache für einen Suizid, welcher bei älteren
Menschen doppelt so oft vorkommt wie bei Erwachsenen. Der Zusammenhang
zwischen Depression und erhöhter Suizidrate bei älteren Menschen ist bis dato
noch nicht bewiesen worden (34). Eine diesbezüglich im Jahr 2009 von Hawton et.
al durchgeführte Studie berichtete, dass drei Viertel der älteren Menschen, welche
einen Suizid begangen haben, kurz davor zu ihrem Hausarzt gingen. Man nimmt
an, dass viele dieser Patienten an einer nicht diagnostizierten Depression erkrankt
waren (47). Dies unterstreicht die Wichtigkeit einer frühen Diagnose und der
therapeutischen Prävention der Depression bei älteren Patienten.
32
depressiven Patienten. Jedoch erfordert die medikamentöse Therapie der
Depression bei diesen Menschen eine strenge Indikationsstellung. Somit ist eine
medikamentöse antidepressive Therapie bei leichter Depression nicht angezeigt
(34).
Der günstige therapeutische Effekt durch SSRI ist schon bewiesen. Aufgrund der
Abwesenheit vegetativer und kardiovaskulärer Nebenwirkungen (ausgelöst durch
trizyklische Antidepressiva) werden SSRI bei der Therapie der Depression von
geriatrischen Patienten am häufigsten eingesetzt (34; 35).
Durch Mangel von zwei Neurotransmittern im ZNS kommt die Entstehung von
Depressionen zustande. Diese Neurotransmitter sind Noradrenalin und Serotonin
(31; 32).
Zu den Antidepressiva gehören Substanzen, welche durch eine
Konzentrationssteigerung von Botenstoffen im präsynaptischen Spalt wirken. Sie
sind in erster Linie stimmungshebend und psychomotorisch aktivierend. SSRI
wirken über selektive Hemmung der Wiederaufnahme (Reuptake) von Serotonin in
das präsynaptische Neuron. Dadurch nimmt der Serotoninspiegel im synaptischen
Spalt zu, was zu verminderter Dichte von prä- und postsynaptischer Rezeptoren
führt. Der Organismus reagiert dann mit reduzierter Empfindlichkeit auf 5HT1-
Rezeptoren. Es dauert zwei bis drei Wochen, bis die Wirkung von SSRI eintritt
(32; 35).
SSRI werden nach der Applikation effizient absorbiert. Die meisten Wirkstoffe
(Fluvoxamin, Paroxetin, Sertralin) haben Halbwertszeiten zwischen 15-26
Stunden. Citalopram hat eine HWZ von 37 Stunden. Fluoxetin weist mit 96
Stunden die längste HWZ auf und ist heutzutage als Antideppressiva weltweit am
meisten verschrieben. Im Hinblick auf älteren Patienten werden Citalopram und
Sertralin am öftesten angewendet (33; 34; 35).
33
3.5.3 Indikation und Dosierung
Nach derzeitigem Wissenstand werden SSRI als Mittel der Wahl bei Therapie der
„Major-Depression“ eingesetzt. Auch bei Therapie von leichten depressiven
Phasen kann der Einsatz von SSRI überlegt werden. Bei Patienten mit agitiert-
depressiven Krankheiten ist der Einsatz von SSRI nicht sinnvoll, weil sie nicht
beruhigend wirken. SSRI finden auch therapeutische Anwendung bei Zwangs- und
Angststörungen (32; 34). Die Dosierungsmenge unter den SSRI kann sich
variieren. Am höchsten wird Fluvoxamin mit einer Dosierungsmenge von 100-300
mg/die eingesetzt. Die mittlere Tagesdosis beträgt bei (35):
Citalopram: 20 mg
Escitalopram: 10 mg
Fluoxetin: 20-60 mg
Sertralin: 50 mg
34
Wirkungen sind durch eine Erhöhung von Serotoninkonzentration im GIT zu
erklären. Schlafstörungen, Schwitzen und Schwindel können unter SSRI-
Einnahme auftreten. Sexuelle Funktionsstörungen gehören ebenfalls zum
Nebenwirkungsspektrum von SSRI (32; 38).
Des Weiteren hemmen SSRI die Aufnahme von Serotonin in die Thrombozyten.
Dieser Effekt führt zu verminderter Thrombozytenaggregation. Daher soll man
SSRI möglichst selten mit NSAR und Coumarinderivaten kombinieren (31).
3.5.5 Kontraindikationen
35
4 Empfehlungen zur Pharmakotherapie im Alter
Das Therapiemanagement der älteren Patienten stellt für den Geriater eine
Herausforderung dar. Vor jedem medikamentösen Therapiebeginn soll eine
Risiko-Nutzen-Analyse vom Arzt durchgeführt werden. Vor allem soll bei älteren
Patienten angesichts der vielfachen Symptome und deren Einfluss auf die
Lebensqualität ein positiver Therapieeffekt erzielt werden. Ein zusätzlicher
Parameter bei der Pharmakotherapie von geriatrischen Patienten ist die
Lebenserwartung. Sie spielt eine große Rolle bei medikamentöser
Therapieentscheidung (16).
36
Gut bekannte und in validierten Studien (z.B. 4S u. PROSPER Studie) als
wirksam beschriebene Wirkstoffe einsetzen.
Ein großes Problem ist das Fehlen von Studien, an welchen nur ältere Patienten
teilnehmen. Die meisten pharmakologischen Studien schließen hauptsächlich
jüngere Patienten ein, um ungünstigen Studienresultaten aus dem Weg zu gehen.
Diese kommen nicht selten durch Polypharmazie und Multimorbidität bei älteren
Patienten zustande. Dadurch entsteht ein Mangel hinsichtlich der EBM bei der
medikamentösen Therapie von geriatrischen Patienten. Dies führt dazu, dass es
keine international anerkannten Leitlinien für die Pharmakotherapie des älteren
Patienten gibt. Zu bestimmten Krankheiten, welche im Alter öfters auftreten, gibt
es jedoch in den letzten Jahren mehrere altersspezifische Daten. Diese
Krankheiten sind Bluthochdruck, Vorhofflimmern, Fettstoffwechselstörungen und
Osteoporose (16).
Das Problem der Polymedikation bei älteren Patienten wurde schon im Kapitel 2
kurz angesprochen. Die medikamentöse Therapieentscheidung bei älteren
Patienten gestaltet sich besonders für jüngere Ärzte schwierig. Der Arzt soll die
Notwendigkeit der eingesetzten Medikamente analytisch begründen können. Zur
Reduzierung der Mehrfachmedikation wurden bis dato bestimmte Strategien
entwickelt, die dem Arzt als Anleitung für medikamentöse Therapieoptimierung bei
älteren Patienten dienen können (34).
Eine dieser Anleitungen sind die in USA seit dem Jahr 1991 verwendeten Beers-
Kriterien. Die Beers-Kriterien wurden zuletzt im Jahr 1997 durch zwölf Experten
erneuert und als Beers-Liste bezeichnet. Die Beers-Liste beinhaltet riskante
Arzneimittelgruppen für geriatrische Patienten. Die pharmakologischen Daten in
der Beers-Liste sind vor allem von langjährigen klinischen Erfahrungen und einer
großflächigen Literaturrecherche abgeleitet worden. Ein negativer Aspekt dieser
Liste ist die Orientierung nach amerikanischen Daten. Dadurch ist es möglich,
dass manche Medikamente, welche in Europa eingesetzt werden, nicht erwähnt
werden. Trotzdem ist die Beers-Liste eine wichtige Hilfestellung, die bei der
Pharmakotherapie von geriatrischen Patienten beachtet werden soll (34; 50).
37
Die zweite Anleitung ist eine neu eingeführte Charakterisierung von
Medikamenten in Hinsicht auf ihre Einsatzbarkeit bei geriatrischen Patienten.
Dabei werden die Arzneimittel nach der Alterstauglichkeit kategorisiert. Die
Kategorisierung von Medikamenten ist als „FORTA“ (fit for the aged)-Einteilung
bezeichnet (34). Die FORTA-Einteilung wurde von Wehling et. al entwickelt und
wurde im Jahr 2010 in Friedrich-Ebert-Krankenhaus in Neumünster bei
geriatrischen Patienten eingesetzt. Während der Therapie hat man unter
Verwendung von FORTA-Einteilung Fortschritte bei der Verordnung erzielt (51).
Die oben genannten Ansätze sollen dem Arzt bei der Pharmakotherapie von
älteren Patienten einen Überblick ermöglichen und die medikamentöse Therapie
erleichtern. Sie können dazu beitragen, den Geriater kritisch über seine
medikamentöse Therapieentscheidung zu informieren. Die Validierung dieser
Anleitungen muss aber noch weiter bestätigt werden. Jedoch sind sie als wichtige
medizinische Aspekte zu sehen, weil sie das Problem der Polymedikation bei
älteren Patienten ins Rampenlicht rücken.
38
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