Sie sind auf Seite 1von 13

Abraham ist bereit, seinen Sohn zu opfern (Gemälde von Caravagg o, um 1600)

lslam von A bisZ


Verlangt der Koran, dass Frauen sich verschleiern? Was ist eine Fatwa?
Wie denken Muslime über Jesus? Ein Überblick über die wichtigsten Fragenl

Abraham Aiatollah erwa 5OOO. Fir ajafo ah. desser Le-


Abrahdm (hebr. Avral^a-, a.ab. lbra- lm 19. Jahrhundert bildete sich die bis bensführung vorbildlich ist und der
him) 9l t den drei Religionen Juden- heute gültige Hierarchie der schiiti- bedeutende theologische Schriften
tum, Christentum und lslam als schen Geistlichkeit heraus. Zuunterst verfasst, kann den Titel Großajatollah
Stammvater. Wie in der Bibel spie t er steht der einfache ceistliche, der um- erhalLer; wel-/ve:I fLl_ron il'n de"zeit
auch im Koran eine wichtige Rolle. gangssprachlich Mullah genannt wird rund 20 Gelehrte.
Dort erscheint er mlt seinem Sohn ls- (von arab. Maula,,,Meister"). Er verfügt croßajatollahs, wie auch Ajatollahs,
mail als Erbauer der >Kaaba und als über wenig oder kein theologlsches können als Mardschaa-e Tagh icl
Begründer der clamit verbundenen Pil Wissa.]. TLrr uod>(hdlo esld- (..8e- (,,Ouelle der Nachahmung") anerkannt
gerfahrt (u. a. Sure 3, Verse 95-97). weis des sla'r") avaacrerL. wer e.fo g- werden. Auch diese höchste Auszeich-
Die Beinahe-Opferung von Abrahams reich theologische Seminare absol aLrg F.'o 9t dLt.(h rfor-.lelle'1 Kor-
Sohn schildert der Koran in Sure 37, viert hatt in lran tragen etwa 28OOO sens. Grundsätzlich 9e ten a e Ent-
Ver<e 83-11-. Der Sof n t.ä9t Lie. (e - lvänner diesen Tite. Wer weiter auf- scheidungen (gFatwas) a s vorläufig
nen Namen - im Gegensatz zur Bibel, steige. u.rd Ajdtollöh f.,Zei( he1 Col Lnd aufhebbar - durcf d e ratwa - -
dle ihn lsaak (hebr. Jizchak) nennt. tes") werden will, muss noch weitere n6c :n.lar6n aa.hi<.ö 6hrtah
Vio e lvuslime sird de, A']cichl, dass zahjreiche Jahre studieren; der Erwerb
es sich bei dem zu opfernden Sohn des Titels geschieht jedoch informel Aleviten
nicht um lsaak, sondern urn Abrahams l'4it der Etablierung der lslamischen Dle Aleviten sind e ne elgenständige
älteren Sohn lsmail hande t, dessen Pepüblil. '979 wLcn. die Zahl dar A_a- G aubensgemeinschaft. d e sich in
Mutter die Agypterin Hagar war. to lahs stark an; heute gibt es in lran A.rdlo,:ö1 äL. ö.rö, <c. Ltsche'l sJ. -

50 SP EG:.::SCI CHTE 5 2O1O


LEX]KO N DES IS LA [4

Bruderschaft des 14./15. Jahrhunderrs solange die Betrof'e-rer aicl^L verslt- Klito risam putatlon en bei Mädchen,
entwickelt hat und der heute etwa 20 chen, auch andere Muslime vom G ö. wie sie in einigen islamischen Ländern
Prozent der türkischen Bevölkerung ben abzubringen. vorgenommen werden, sind mit der
angehören. lm Zentrum ihrer Lehre lm 20. Jahrhundert entwickelten is.:- .eligiös beg.i..]dete'1 J.rge..]besch.1ei-
steht die Verehrung Alis ('Kalif). Den mistische Vordenker wie Sajjid Kutb dung nicht verg eichbar. lm November
>Koran Lrnd die islamischen Gesetze die Theorie, dass sich die meisten is a- 2OO6 erließen Rechtsge ehrte, die
egen s e sp .rtJe | äLs Lnd ehnen oie mlschen Gesellschaften so weit vom s ch an cler ) Azha a- ti n-ve asirär in Ka -
) F!nf SäL en öb. Dies macnt sie der ,,wahren slam" entfernt hätten, dass ro versammelt hatten, eine >Fatwa,
sunnitischen lvlehrhelt a s Ketzer sie belämpfL werde.] -üssten (a.aL.. die Genita verstümmelung von Frauen
verdächtig, unter osmanischer Herr Takfir, ,,für ungläubig Erk ären"). a s unislamisch und als,,strafbare A9-
schaft wurden sie immer wieder gression gegen das l'4enschenge-
blutig verfolgt. Al-Azhar-Universität sch echt" verurteilt.
Alevit ist rnan durch Abstammung, D e im 1O. Jahrhundert in Kairo 9e-
Mitglied der Kultgemeinde durch eine gründete Hochschule ist heute eine B'' lde rf e i n d r'-ch keit
Art lnitiation. Anstelle von der bedeutendsten Lehrinstitutionen Der tsKoran kennt kein Verbot der bild-
haben die als gese schaftlich'Moscheen
iberal de. ,L.r t sch-rsiarischer WelL. Ne- lichen Darstellung. Al erdings bezeich-
ge le.]den Alev [e1 sogerannte Ver- be1 slamiscl^e' lheologie Lno is a-i net eine Vielzahl von Prophetenwor-
samm ungshäuser für hre Rituale, an schem Recht werden seit 1961 auch ten (rHadith) die Nachbildung von
de1e1 Vä11er Lrd FraJen g eichbe- Medizin, Naturwissenschaften und Ge- Mensch und T er als blasphemisch und
rechtigt tei nehmen. schichte gelehrt; auch Frauen dürfen daher als verboten: cott allein dürfe
nun an der,,Strahlenden" (so die Lebeweser erscha'fen. Dahe' \ertrd-
Alkohol Ubersetzung) studieren. hr Leiter, der ten sunnitische wie schiitische Rechts-
Nach allgemeiner Rechtsauffassung Großscheich, gilt vielen FSunniten als gelehrte selt dem 8. Jahrhundert eine
ist lvlus imen der Konsum von A kohol höchste Instanz ln Glaubensf ragen; bilderfeind che Haltung. Trotzdenn
verboten. Der FKoran ermahnt die se t 961 w.d e. vom ägypl sc'len Pra- entwicke te sich in der islamischen
Gläubigen, nicht betrunken zum ce. sidenten ernannt. Derzeit hat Ahmed Welt eine reiche N.laltradition, die im
ber zLr erscheine^ {Su.e l, Vers 43); .n al-Tajjib das Amt inne, der als iberal 12. Jahrhundert in der Blrchkunst ihren
anderen Versen wird der Weingenuss
a s Sünde, Gräuel und Satanswerk ver-
dammt (Sure 2, Vers 219 und Sure 5,
Vers 9O). A lerdings zählt das Heilige
Buch den Wein - neben l..1ilch und Ho-
nig auch zu den Genüssen, die die
Gläubigen lm ! Paradies erwarten.

Allah
Das arabische Wort für,,Gott" hat sich
mit dem lslam weit über den ur-
sprünglichen Sprachraum hinaus ve'-
b'eitet. lr der islamiscl-e.1 Welt ex stte-
ren daneben die Bezeichnungen der
jeweiligen Landessprachen, etwa per-
sisch Choda, während umgekehrt ara-
b sc'rsoracl^i9e Cl^ri)ter \.en d.eieiat-
gen Gott ebenfalls A ah nennen.
Aleviten beim Tanz
Apostasie
AJ'den Abla eines YLs - vo^ sei. und weltoffen gilt. Bis heute erstellt Ausgang nahrn. lm 14. Jahrhundert
nem G auben steht nach lvleinung der d e Azhar tFatwas zu aktuellen entstanclen sogar lllustrationen, die
meisten Rechtsgelehrten die Todes- Themen. Szenen aus dem Leben des Propheten
strafe. Sie berufen sich dabei vor al- tMohammed zeigen. N!r der Koran
lem auf überlieferte Aussprüche des Beschneidung wurde nie b ldlich verziert.
Propheten (tHadith). lm !NKoran wird Die Beschneidung von Jungen wlrd
d'e Apostas e als s( hwe.e Sürde be- irn slam wle auch im Judentunn auf Burka
trachtet: Abtrünnige erwartet der un- tsAbraham zurückgeführt. Sie baslert Die Burka (arab. Burku, pers. Borka)
ve'söh1l:.he Torr Gottes Lrd dö< ewi nicht auf dem tlKoran, sondern gilt a s st ei'1 '1 Teilo. Afghö.isra1. L.]d Da
oe Hör er'e Jer - doch die dngedrol-- T'adi- o.. Ublicl-erwerse frrdet sie zw - kistans gebräuchlicher canzkörper-
ten Strafen sind jenseitiger Natur. Aus schen dem siebten dg naL.l oer Ce- c.h öi6/ l-r^i Äom r.l o Tff^orin n
'r
diesern Grund und weil der Tatbe- bJ.t Jnd de- l5 -eoe.s-äh. sraLt. De durch eine Art Gitter im Stoff etwas
stand der Apostasie schwer zu fassen Beschneidung wird fest lch begangen sehen kann. Unter dem Taliban-Re-
ist, plädiert ein Teil der lslamgelehrten und als Zelchen der Aufnahme in die gime war er in Afghanistan bis 2OO1
gegen elne Bestrafung im Dlesseits, Gemeinde betrachtet. für Frauen vorgeschrieben.

SP EGEL GESCH CHTE 5 2O]O 5t


-= " XON DES ISL,'-

der >Azhar-Universität überzeugend verschiedene Gestalten verwandeln


Diwan für zulässig erklärt worden. können. Auch an sie richtet sich die
Der persrsche Begriff bedeutet ,, Liste.. Von den Asketen, später auch von Botschaft des Koran: lhnen werden
oder,.ALrfstellung". So nannte der den >Sufis, wurde der Dschihad die gleichen Strafen angedroht und
/\ e'lo >hdlt'Lmar dte e's e genu;n is- schon früh irn übertragenen Sinne als die g eichen Belohnungen verspro-
larnische
Ve rwa ltu ngsein richtu ng, die ,,innerer Kampf" des Frommen gegen chen wie den Menschen.
Kr egsbeute und Steuern der erober - die bösen Kräfte der eigenen psyche
ten Provinzen verwaltete. Seit dem 9. ve.s-önden. Falscl- wäre e) jedoch. 1 Engel
Jahrhundert wurden alle obersten Ver- dieser ..ge st gFa Dscn nad das e - Engel spielen im >Koran eine große
waltungsorgane so bezeichnet; ein Di- gentliche Ziel von Koran und prophet Rolle. lm Gegensatz zu den l'4ensche|
wan war'nun eine Dienststelle oder zu sehen: Vorrangig, wenn nicht aLrs- können sie Gottes Gesetze nicht über-
ein Büro. Westliche Reisende, die arl schließlich, ging es um den individuel- treten, da sie nicht in der Lage sind,
den crenzen mit dem,,Diwan,,in Be- len Einsatz im Kampf für den clauben. eigene Entscheidungen zu treffen:
rührung kamen, übernahmen den Be- Atbrccht Noth , Sia kommen rh- im Rede.t '1,.1t zL -
griff mit der Bedeutung,,Zollamt., vor Lnd l''dndeln nJ. au! seir Gel-e 3 ,
(franz. douane). Das 1"1öbelstück, auf Dschihadisrnus- heißf es i''] SJre 21, Vers 27. \a.1enL-
dem die Schreiber saßen, wurde in Radikale >lslamisten, die vor cewalt lich genannt werden im Koran Dsch,
Europa als ,,Diwan" bekannt. a1 Ziv sten ooer Selbst-o.datter- bril rGab.ie| Jnd lv (a (vi.hae,) so-
Der Begriff bezeichnet zudem die Ge- taten nicht zurückschrecken, werden wie Harut und l4arut. Löut Sure 2,
dichtsammlung eines poeten. Goethes heute oft als,,Dschihadisten', bezeich- Vers 97 war es cabriel, der >Mohanr-
..West-ösl Lcher D va'1 st etre nom- net, abgeleitet vo.n arabischen Wort med mit cottes Erlaubnis den Korarr
mäge ar dei per< schen Dicl-rert.j.5- >Dschihad. Zu ihnen zählen Gruppen ,,ins Herz hinab gesandt" hat.
ten Hafis (gest. 1389). wie die weltweit operierende al-eaida
(arab.,,die Basis"), die pakistanische Fatwa
Dschihad i ashLa''i-foibä oder d e i'ldonestsche Jeder Mus im kann sich an einen
Das individuelle,,Sichanstrengen oder Jemaah lslam ah. >lvJft we'tder uro um Au5lur,t :1 ei-
Sichbemühen" für d e Sache Gottes un- Dschihadisten vertreten eine extrem ner Frage bezüglich der >Scharia bit-
ter Einsatz von Besitz und Leben wird ant westl;che loeo 09ie. 1998 erklärte ten. Grundsätzlich kann al es erfragt
im mehrfach erwähnt. cemeint die von Afghanistan aus operierende werden: lst das Rauchen von Tabak
war'Koran
1it dem Dschtl-ao der,<ämpfen- Oaida de.r JSA den K.ieg: , Der Be- verboten? lst das Spenden von Orga-
sche Einsatz eines Ieden Muslim bei Fehl. o,e A-erika']er und hre Veroun- nen erlaubt? Auf der Grundlage der
den Aktivitäten des Propheten gegen deten zu töten, ist eine individuelle wichrigste'] Qecl-rsqJe,,er e ste I der
arabische Stämme und städtische Frak- Ve'o'lrcl.tu.lg fu. jeoen f4us -, del f4uft: - beziehungsweise dje entspre-
tionen, die sich dem rnonotheistischen dazu fähig ist, in jedem Land, in dem chende Behörde - daraufhin eine Fat-
lslam.rrd der Anerlen,]u'lg oe. prop.]e- so etwas möglich ist, um ihre Armeen wa, ein religiöses Rechtsgutachten
tenrol e rlvlohammeds widersetTien zu zwingen, jeglichen islamischen Bo- Dies kann wenige Zeilen oder viele
Dschihad ist niemals Krieg im übii- den zu verlassen." Entzündet hatte Seiten umfassen.
chen Sinne, dafür hat das Aräbische srch cler Zorn des Qaida-cründers Rechtsverbindliche Folgen hat die Fat-
andere Bezeichnungen. Es geht viel- Osama Bin Laden an der Stationie- wa nicht, sie dient ledig ich der Klar-
mehr um einen aufopferungsvollen rung von US-Truppen in Saudi-Ara- stellung und Empfeh ung. Heute ist
und risikoreichen,,Gottesdienst unter bien l99O - sie wurde a s Besetzung das Internet der bevorzugte Publika-
Wöffen". Dazu aLf.u'e1 Ve.tre- des,,Territoriums der beiden Heiligen tionsort von Fatwas:
^önnen Es gibt Fatwa.
ter der politischen cewalt, aber auch SIälte'.] gebranomarkr. Aul d e An- Online-Dienste, Fatwa-Archive ode'
Privatieute, die über die nötige Auton- schläge der Qaida vom ll. September Fatwa-Chats.
tät verfügen. Dem Appell dürfen nur 2OOl, bei denen fast 3OOO tyenschen Aufsehen erregte im Frühjahr 20lO
volljährige Muslime folgen. Sie müssen starben, antworteten die USA mit eine Fatwa des säudi-arabischen Rats
die Kosten für den,,cottesdienst., dem ,,Krieg gegen den Terror". der Hohen Religionsgelehrten, die oen
weitgehend selbst tragen; das schließt Das lnternet ist heute das Hauptmedi- ,,Terrorismus" vom egitimen Befrej-
Söldner oder eine Berufsarmee vor um zur Verbrettung und Vernetzung un9skampf abgrenzt und verurteilt.
vornherein aus- des Dschihadismus. 2O07 formulierte a'lfarg lvä.2 e'. ellle oF. eintlLss.ei-
Der Dschihad ist nur dann religiös ver- der damalige nnenminister Wolfgang che pakisrör'>cre Cal.n.te Yohäm.
dienstvoll, wenn die Gegner Nichtmusii- Schäuble: ,,Das Netz ist für Terroristen med Tahir-u -Qddr eine 600 Seiten
me sind oder nicht mehr zur >Ummä Fernuniversität und Trainingscamp, länge cai\^d. o e --' o.isLen als,,Re-
gezählt werden wie Häretiker oder vom Nachrichtenbörse und Rekru erungs- bellen gegen den ls am" brandmarkt:
Glauben Abgefallene (>Apostasie). Zur büro in einem." ..Fs gib! 1.. e_ i a^r'r(l-e1 Ter/oriS-
Pflicht wird er für alle betroffenen Mus- mus wer Te..or.isn-\us propagiert,
lime bei Angriffen von außen. Dschinn stellt slch au3e.ne o der >Umma."
Es gibt aber auch die N1öglichkeit, ore 14ehrfach erwähnt der Koran Dschirl-
Feindseligkeiten gegen Nichtmuslinre nen: intelligente, aber für den Men- Feste
e nzustellen, wenn diese nicht be- .chen Jnsi(htoa.e Getsre. oie aus ai. Zwei kaaonisc-: :es:e kennt der islar-
zwingbar sind. So ist der Camp-David- nem ,,Gemisch von Feuer" erschaffen mrsche Ke e^aa-: )as Opferfest (arab.
Frieden mit israel durch ein GutachLerr wurden (Sure 55, Vers l5) und sich in ld al-Adhe .,., <-.ban Bayrami) fin-

52
bekenntnis (arab. Schahada): ,,Es
J. gibt keinen Gott außer Gott, und
i Vohommed isl der @€,56161s 6.1-
tes." Es ist Teil des cebetsrufs und
wird als Zeichen des Ubertritts zunr
ls am vor Zeugen ausgesprochen.
Eine weitere Pfl cht ist das Ritualge-
ul'
bet (ärab. Salat), clas fünfmal am Tag
zu bestimmten Zeiten zu verrichten
ist uncl eine Abfo ge von cebeten
und Bewegungen umfasst. Die cläLr-
brgen wenden sich dabei in Richtung
der +Kaaba und rnüssen sich im Zu
:>_: stancl ritue ler Re nheit befinden;
,l ar( h de/ Bode1, öLf dear ) a o-te
-ß-
E4 muss sauber setn. Des We teren sind
f4uslime verpflichtet, Almosen für Be-
dürftige zu geben (arab. Sökat) und
m f'4onat i- Ramaclan zu fasten.
Auch clle Pilgerfahrt (arab. a'Hadsch)
zäh t zu den Fünf Säulen: Wer
gesundheit ich und finanziell
dazu in der Lage ist, so lzumin
dest einmal im Leben nach 14ekka
pr gern.
Von allen Pflichten außer dem Glau-
bensbekenntnis gibt es e ne Reihe
von Ausnahmen, sei es wegen Krank-
'ro I ode. 4." Ll we .era. d aJf Re
sen oder eine Frau schwanger ist -
schließ ich betont der Koran an mel-
reren Stellen: ,,Gott wi les euch leicht
rnachen, nicht schwer."

Gebetst(ette
Die is amlsche cebetskette besteht
meist aus 33 oder 99 Per en - aus Ma-
terialien wie Holz, Koral en oder Ber|-
Erzengel cabriel verkündet Mohammed seine Berufung (lB. Jahrhunoer|l stein Das dazugehörige Gebet ent-
stammt dem :"Volksislam; lm 15. Jahr
det im Rahmen der Pi gerfahrt Freitag hundert wurcle es von slamge ehrten
(tHadsch) statt. Es dauert drei Tage lm Gegensatz zum jüdischen Sabbar für erlaubt erklärt. Goethe sprlcht
und wird von f,luslimen überall auf der sowie zum chrlst ichen Sonntag ist !o-,.mal-o*etarrsc.lea Roserl. räTi,
Welt gefeiert. Das Sch achten eines der is amlsche Freitag tradi one ke n wodrrc'1 de. Nämo ."A lah mtt neJn-
Opfert ers - meist Schaf, Kamel oder Ruhetag Die Vorstellung, Gott müsse undneunzig Eigenschaften verherr-
Rind - erinnert an :'Abraham, der auf am siebten Tag von seinem Schöp- icht wird".
Geheiß cottes seinen Sohn zu opfern fungswerk ausruhen, lst Mus imen
llerett wat fremd. Vie mehr g t der Freitag a s Hadith
Auf die Fastenzeit des Monats !Rarnd- .Täg de'Vo 1.- -lLr9 -Lr mä-rli. Der Prophet l"lohammed gilt a en
dä.'o gL dö< o.e b. !ie. lagF daJ- che erwachsene Mus ime ist das fre Mus irnen als Vorbjld. Laut ?Koran
ernde Fest des Fastenbrechens (arab. tägliche gemeinsanne Mittagsgebet ,,befiehlt er thnen das Rechte und ver-
ld al-Fitr, türk. Seker Bayrami ge- mit anschließender Predigt in der bietet das Verwerf che, er erlaubt lh
nannt). Es wird mit spezie en Speisen Flvloschee Pf llcht. Ursprünglich leitete 1er d,ö r,öst chsraa Dt')ge Jao verb e-
und oft auch Geschenken begaagen. der :Kalif das Freltagsgebet; seit dem tet die schlechten, und er nimmt lh-
Zusätzlich wird in vielen is amischen 'lO.
Jahrhundert ist hierfür nur noch nen die Last und dle Fesseln ab, die
Landö' 1 de- Gaourtsfög des Drophe- der ilmam zuständig. auf hnen lagen" (Sure Z Vers 157).
ten :'Moharnmecl gefeiert; für die Deswegen begann man nach seinem
tschiiten ist zudem Aschura e n Fünf Säulen Tod, alle Überlieferungen seiner Taten
wichtiger Feiertag, an dem s e mit Die fünf Grundpf ichten der i\,1uslime und Aussprüche zu samme n. Diese
Pfozessionen und Passionsspielen arr werden in der is amischen Traditlor, Berichte werden als Hadithe (wörtlich
den Tod des Prophetenenkels Husserr a s Säulen der Religion bezeichnet. ,,Gespräch, fVitteilung") bezeichnet
erinnern. DazLr gehört zunächst das Glaubens- und stellen neben dem .Koran die

SP]EGEL GESCH CHTE 5 I2O]O 53


LFXIKON DES SLAII

zweite Hauptque le des islamischen interpretleren. hre Anhänger werden


Rechts ('Scharia) dar. Die Gesamtheit Homosexualität a s ,,lslamisten" (arab. lslam lun) be
der Had the he 3r SLrra (,,B aL .'r, .d- n a b<..hÄr r \,.rhiar6r
^la.h^ä- zeichnet, zuweilen auch mit dem ur-
d ition"). schlechtliche Sexua tät als Unzucht sp.irglrch dmenl. arrsc 5-pro!estar ri-
(Sina). Die Strafen variieren zw schen schen Begriff ,,Fundamentalisten".
Hadsch den verschieclenen Rechtsschu en und Ausgerichtet an tKoran und b-Hadith
D.e D gerrah.L nach lr/ella - l^eLl von Land zJ Land Sie können b s zL fordern sie e nen ls am, der radikal alle
gen Saudi Arabien ist eine der.Fünf Auspeltschung Lrnd Todesstrafe rei- Lebensbereiche umfasstt sie streiten
Säulen des slam. Sie flndet im letzten chen, etwa in ran oder Saudi-Arabien. für einen is amischen Staat, die Gel-
Monat des islamischen Mondjahres In der Literatur hat die (rnännliche) tung der 'Scharla und d e Rückbesin-
(?Ze trechnung) statt. Fast dre Millio- Homosexualität ln der islamischen nung auf die Werte der Altvordern
nen Gläubige nehmen an den Riten We t dennoch eine gewisse Tradltion, Errrge G'Joper serzer zL- Verwir[]r-
tei , zu denen neben dem Un'rkreisen wober zLmrndest der . mörr lrc l^ äl- li chung ihrer Ziele friedLiche M ttel eir',
der Kaaba auch der Aufenthalt am ve" Da'T dJrchdJs po)i( v basetzt st. andere gewaltsame ('.Dschihadlsten).
'
Berg Arafat und eine syrnbolische Gemeinsam ist den Gruppierungen
Steinigung des tsatans gehören. lmäm (und damit unterscheiden sie sich von
Nach dem Opferfest (aFeste) und der Der arabische Tite
Ruckkafr rac5 wekka m I erneL,tea ,,lmam" hat zwel Be-
U-.JrdLrg de. Kööba e.ldal de wei- deutungen: Zum einen
hezustand (arab. hram), in dem sich bezeichnet er den Vor-
die Pilger befinden, und sie egen das beter (und Vorsteher)
Pilgergewand ab Fortan dürfen dle ein-6r isiarnischen Ge-
lVänner den Ehrentite Hadsch bzw meinde - eine Tätig-
Hadsch fJhrea, FraJe.l werder Had keit, die im Prinzip je-
scha genannt. der männ che lvlus im
ausüben kanni nur an
Harem großen Moscheen ver-
Das arab sche Wort Harim bezeich. fügen lmame über
net ursprüngl ch einen re igiösen, erne besondere Ausbil-
,.geschützten, unver etz chen Ort" cjun9. Zum anderen
Im A ltagsgebrauch wird damit in hanannf Är .1r< 16 i^i-

der islamischen We t der pr vate Ä<-^^ iri(.hö öhor-


Wohnbereich eines Hauses benannt, haupt aller Mus me.
der im Gegensatz zu den offiz ellen In der Schia geht die
Räumen, in denen der Hausherr aucn Bedeutung des lmam
Besucher empfängt, den weiblichen weit über dieses Kon-
Angehörigen des Haushalts vor- zept hinaLrs. H er gilt
behalten ist. der lmam als unfeh ba-
lm Westen versteht rnan unter Harem rer Lehrer, dessen reli-
me st den großen, abgeschlossenen gröser Führung die
F.aJe.1boreicl_ de. Dd äsre mLs m. C: 'hi-ön Äö^i rfa.
scher Herrscher und WÜrdenträger Dia <.hjiri<.hÄ H:'
'^f-
in denn Ehefrauen, Konkubinen, Skla rlchtung, die Zwölfer-
vinnen. Aufseherlnnen Lrnd Eunuchen schia, geht von einer
wohnten und der auf vorlslamische Kette von zwölf lnna
altorienta sche Tradition zurück- men aus. Der zwölfte
geht Diese Harems mit gelegent lmam so m.lahr 8/4
cL TäJsarder -röJen \\aaen hreraa- nicht gestorben, son- Harem in Teheran (Fotog.afie aLrs dem 19 Jahrhundert)
chisch streng geglledert. An der clern von Gott in die
qn r,o cf:n.lan r-r:' an r'lia m r
^or
Verborgenheit entrückt worden sein cier;-Wahhablja), dass sie als Antwort
Herrscher blutsverwandt waren aLrs der er am tnde der Ze ten zurü;k auf eine bereits säku arisierte Umwelt
(Mutter, Töchter, Schwestern), gefolgt kehrt (-Mahdi). Mit Ausnahme Alis, entstanden. Trotz hrer meist ant -
von seinen EhefraLren, Konkub nen des ersten mam, war es den Tnamen west chen Haltung wollen lslamisten
Lnd trovo''tirier. J6cle diö.e hoLh- der Zwölferschla nicht vergönnt, ne- nicht auf mocierne Errungenschaften
rangigen Frauen hatte ihren e 9e- ben hrer gelstigen Führungsrolle \ o. I hta^ _.t6r ho. ra h -.f^ o.-, 5e
nen Wohnber-aich und lhre e gene Die- aLrch d;e Staatsgewalt zu überneh- Töcl'roL1al, de r (ht der ,ddirio.e
nerschaft. Die Bewachung des Ha- men. en i.Ulama angehört, galt ange Ze t
rems oblag den,,Schwarzen Eunu- r < Dr^t^t\/^ da< cl^mi<fon
.l-F'1" .l A cdd.-ö:' - r'. 5arm H6ar- lslamismus D.. a -es-e L 1db- 5e,-6 wicht gc-e is-
scher hatten, um Verdächtiges zu m 20..lahrhundert entwick-ölten sich amistische Grupplerung ist die l92B
melcJe n. zahlreiche heterogene Gruppierungen, gegrLnda-6 lvL( lr-'T o Jo^,..1a't. die
Petra Kappert die den ls am als pollt sche ldeologie aL L1 a-rte"1dro agypters --ro Ia)>t-

54 SPJEGEL GESCHICHTE 5 2O'IO


die l9B7 gegründete Hamas erwuchs Von 9O9 bis 1171 herrschte die ismöiliti- Muslime auf einem Schlachtfeld ge-
d-s der O.ga'']isärion der pa ästine.s,- ..he Dyra:tre de. Fd.imide^ Lbe. we genüber - in clie islamische Literatur
schen N.luslimbrüder te Gebiete Nordafrikas. Heute leben ging clieser Streit als die erste,,An-
die lsmal iten uberwiegend in Indien, fechtung" (Fitna) ein Trotz dieser biu-
lsmailiten Pakistan Lrnd Syrienj ihr Oberhaupt ist tlgen Ause ina ndersetzu ngen verehr-on
Als lsmai lten slnd die Angehörigen ei- Kar rn Agha Khan lV die a"Sunniten die ersten Kalifen als
ner ini 8. Jahrhundert entstandenen die,,vier Rechtge eiteten".
schiitischen Glaubensgemeinschaft be- Jesus
^uch
A wJroe 661 o -oroe.; l'/uawi-
kannt. Anders als die größte schiltl- lm ls am gilt Jesus a s elner der wich- ja, sein Gegenspie er und Nachfolger,
sche Gruppierung, die Zwölferschia, t gsten F.Propheten. Der 9Koran begründete in Damaskus die erste Ka-
erkennen sie nur sieben >lmame an spricht von seiner jungfräu ichen Ge- lifen-Dynastie, die Umajjaden (661 b s
und heißen daher auch Slebenersch,, burt (Sure 21, Vers 9l), obt den ,,Sohn 75O); in Bagdad fo gte später d e Dy
Le'r In'ZaarrLm rl-re' Le'1'e stehr oie der Maria" als,,Diener Gottes" sowie nastie der Abbasiden (bis l25B). Musli-
Unterscheidung zwischen dem al erl als,,Beisplel für die Kinder lsrae s" m sche Rechtsgelehrte def n erten irn
Giäubigen zugänglichen,,Außeren" (Sure 43, Vers 59). Anders a s im B. bis lO. Jahrhundert die Aufgaben
(arab. Sahir) der Religion, etwa den Of- Christentum gilt Jesus aber n cht als d^r (a fer: E. wör so".,,oh relig;ö5e-
Sohn Gottest die christliche Trinität cuhre'1r -66^; als aLcl- Befef .ha-
wird vom lslam a s po ytheistisch ver- ber der Gläublgen (Amlr a -Muminin),
worfen. besaß jedoch keine Autorität in
Pechts"ä9e1. 1517 roer.dh-r oa. oc-
Kaaba manlsche Sultan Selim den Ka ifentitel.
D e Köabd'st err wL.re tör-iges G-- 1924, nur wenige Jahre nach dem Zu-
bäude in l',1ekka, das heute von einer <a-me.b.J( h dac Osrna.liSChen Rer-
rleslgen iN,loschee umbaut ist. Sie lst ches, erklärte Türkei-Gründer Kema
das Zentrum der islamischen Religion, Atatürk das Kalifat für abgeschafft.
zu ihr wenden stch a le Muslirne beim
Ritua gebet, zu ihr pilgern aljährlich Koloniälismus
lvlillionen Gläubige. Sle umkreisen den Der europäische Kolonialismus zeigte
Bau Lrnd versuchen, den in die Ost sich in der is amischen Welt in zweier-
ecke eingelassenen schwarzen Steirl iei Gesta tr a s d rekte Herrschaft in
(möglicherwelse ein 14eteorit) zu küs- Form von Ko onien, Protektoraten Lrno
sen. Schon in voris am scher Zeit wal lvlandaten sowie als informelle Durch
die Kaaba ein bedeutendes Hei igtum. drir gLng der W .rs.hafr -nd kJlLJr.
Nach is am scher Vorstellung ist sie Dle Hauptko onialmächte croßbritan-
,,das erste Haus Gottes auf Erden" nien und Frankre ch ergriffen im 19.
(SLrre 3, Vers 96), erbaut vom Prophe- und 20. Jahrhundert von welten Teilen
ten FAbraham. Jedes Jahr zum Ende Afrikas und Aslens Besltz, darunter
des .'Hadsch wird die Kaaba m t ei- Tunesien (1BBl), 14arokko (1912) unc
nem Uberzug aus schwarzem Brokar Agypten (1882). Bereits l869 war un-
neu eingek eidet. ter brltischer Kontrolle der Suezkana
eröffnet worden.
Kalif Ein neuer Kolon sierungsschub fand
Als !lvlohammed im Jahr 632 starb, nach dem Ersten Weltkr eg statt, als
war dle Frage seiner Nachfolge unge- das Osmanische Reich aufgeteilt wur-
klärt (so die lvleinung der do scl^on wah.erd dF., kr ege- rat-
Nach kurzer Kontroverse ein 'Sunniten).
gten sich ten Großbritannien und Frankreich
die l.4us ime in Medina auf den engen lhre Einflusssphären im Nahen Osten
P.opl-^t^19etärrte'1 Ab- Böl-. a s LF abgesteckt: Während Lawrence von
ter der jungen Gemeinde. Dieser ersre Arabien noch für ein 9roßarabisches
fenbarungsschr ften und darin enthd - Ka lf (arab. Chalifa,,,Nachfo ger") be- Reich focht, unterschrieben sie am
Lerer Cabote'l. -r.1o thrdm, 11F.e1 strmmte Umar zu seinerri Nachfolget 16. Mai 1916 das geheime Sykes-Picot-
(Batin), den verborgenen unwandelba- der wiederum ein aus sechs Männern Abkomanen, das unter anderem die In-
ren Wahrheiten. Nach dem zyk ischen bestehendes Wahlgrem Ltm ernannte, ternationaiis erung Palästinas vorsah.
Geschichtsverständnis der lsrnailiten das den dritten Ka ifen Uthman wäh te. Dennoch versprachen die Briten der
g bt es sleben Epochen, von denen Nachdem Rebellen 656 Uthman er- jungen zlonistischen Bewegun9, in Pa
:,Mohammed die sechste als,,Verkün, rnordet hatten, wurde l",lohammeds la>l ra eire ..!-imslär l fi. dd, jüd -
der" eingeleltet hat; seine Vorgänger Vetter und Schw egersohn A izum .che Vo t zL er chter tBa foJr-L'kld-
waren Adam, Noah, eAbraham, Mose v er'er fen arran'lL. | 'wLroe.e rung vom 2. November l9l7); ZigtaLr-
und !Jesus. Mit der Rückkehr des doch von ^alUthmans Verwandtschaft sende .Juclen wanderten daraufhin
siebten lmam als >Mahdi wird die letz- verdächtigt, an dessen Ermorclung nach Palästina ein. Angesichts des
te Epoche beginnen, in der alle verbor mitgewirkt zu haben. Es kal^n zurn of- drabr>Lher A-fc-drd< /<eir 1936, so-
genen Wahrheiten offenbar werden. fenen Kampfr Erstmals standen sich wie cies drohenden Zweiten Welt-

SP EGEL GESCH]CHTE 5 20]O 55


,,Der Traum des Gläubigen" -ö o oe . o a .l e -o -- 18 0

kriegs änderte Großbritannien se ne Koran mit identifiziert Später gingen


Pa ästina-Po tik und stellte nun auch Gläubige Mus me nennen den Koran 'Jesus davon aus, class cler [Vah-
die l.y'uslime
den Palästinensern (im N4acDona d (,Vortrag, Lesung") irnmer mit clem d e n NachLomme DMoha_rmeds seir
Weißbuch vom 17. Mai 1939) die Eigen- Zusatz al-Karim, ,,der Erhabene". Er müsse. Tn :Koran ist von elnem l'4ah-
staatlichkeit in Aussicht. gilt ihnen a s cottes Wort, däs dem dl oder Messias nlcht die Rede n der
Wahrend a e anderen arabischen Ge Propheten r,Mohammed offenbart ls amlschen ceschichte traten irnmer
biete 20. Jahrhundert ihre Unab- Lr'rcl nöch ciessor -od .1 ede qe)cl^r e wieder selbsterk ärte l9ahdis auf, clie
'n erlörgte'] döJert 06r Dald-
hä19 gl.eit ben wurde. Kürzere Offe nba ru ngse in- oft Anführer oppositioneller Gruppen
tina-Konflikt an: Der Uno Teilungsp an heiten wurden zu Suren (Kapiteln) zu- waren. Die Zwölferschiiten g auben,
vom 29. November 1947 brachte kei sammengefasst; diese s nd nicht chro- dass de. zwö [Le mdm dls lvöl^di die
1e1 rrieden >olderr der ersler a.ä- no oglsch, sonciern grob der Länge We t erretten wird.
bisch- srae schen Kr eg. Am 14. lvlai nach geordnet. lnhaltlich flnden sicl^
l94B wurde der Staat lsrae prokla im Koran Erzählungen ebenso wie Märtyrer
miert die Gründung eines palästinen- Rechtsvorschriften, Lobpreisungen Wer im Kampf für den lsiam zu Tode
sischen Staates steht noch aus. Gottes oder Warnungen vor dem kommt, git als Märtyrer (arab. Scha-
Jüngsten Gerlcht - alles in der beson hid,,,Zeuge"). lhm verspricht die Tradl-
K6pEteuer .lafön cnrr.hli.han F^rm dar:r:h - t oa der d .eltp'l E 19a19 i1s Ddrd
lm Mittelalter hatten Nichtmuslime un- schen Reimprosa. Wegen cler Kom dies, wo ihn nach einem , Hadlth 72
ter islamischer Herrschaft elne Son- plexität und Vielschlchtigkeit des Tex- Jungfrauen erwarten. Die Frage, für
dersteuer zu entrichten. Grund age ist tes ist der Koran immer interpretiert wen die Bezeichnung angemessen ist,
ein korarue.,: ,.(ärnp't oeger d ejer - worden. Dem vlerten r'Kalifen A wird wurde zu al en Zeiten dlskutiert. Be-
gen, dle nicht an Gott und den.lüngs- der Ausspruch zugeschriebeni,,Der .^nnar< r^-.<aha^ <in.l in <.h r -
ten Tag glauben und dle nicht verbie- Koran ist eine Schrift zwischen zwei schen lslam die frühen Märtyrer und
ten, was Gott und sein Gesandter ver- R' .h.la.Laln .liö
^.hf
<nri.hf ersten ! mame A , Hassan Lrnd Hus-
boten haben, .. bis s e kleinlaut von Frcf /liö Mö.c.h6^ A.i^^a^ ciö ?' m sein. lm moclernen Sprachgebrauch ist
dem, was hre Hand besitzt, Tribut ent- Sprechen." häuflg auch Schahid, wer irn Dienst als
richten" (Sure 9, Vers 29). Mit der Zah- Polizist oder So dat ums Leben
u'rg d eser D,cl.rsla geaarrrer So.- Mahdi kommt. Vor allem aber dient der Be-
dersteuer waren Christen, JLrden und n frühis amischer Ze t entstancl die grlff Demagogen dazu, den Tod im
Zoroastr er vom Wehrdienst befre t. Vorstellung, dass ein Mahdi (arab. Kampf religiös zu überhöhen und die
Zugleich galten sle als Schutzbefohle- ,,Rechtgeleiteter") am Ende der Zeiten eigenen Anhänger zu fanat sieren. So
ne m t dem Recht aLrf freie Religions ein Reich der Gerechtigkeit errichten propagieren extremistische Grupper
ausübung. werde. Dieser Erlöser wurcle zunächst Selbstmordattentate als,,Märtyrer-

56 SP]EGEL GESCHiCHTE 5 20]O


LEXIKON DES IS LAI4

aktionen" - obwohl hochrangige lslam- werden verstärkt repräsentative Bau- Vorstellung einer über Sprache und
gelehrte den Attentätern den Status ten e.richtet. Die bisher größte deLt- Siedlungsgebiet definierten Nation zu
als Märtyrer in >Fatwas absprechen sche Moschee wurde 2OO8 in Duis- Grunde lag. Gleichzeitig -antwickelten
burg-Mörxloh eröffnett sie gilt a s ge- sich im Nahen Osten überstaatliche
Minarett lungenes lVodell religiöser Integration. Nationalismen wie Panarabismus und
Seit dem 1O. Jahrhundert weisen alle Panturkismus. Ein großer Vorkämpfer
großen >Moscheen mindestens ein Mi- Mufti des Panarabismus war der ägyptische
narett (arab. I.4anara,,,Leuchtturm") Ein Mufti ist ein lslamgelehrter, der be- Präsident Gamal Abd ai-Nasser (9est.
auf. Von seiner Außengalerie ruft der fugt ist, >Fatwas auszuste len. Heftig l97O). In Syrien war unter christlicher
Muezzln fünfma täglich zum Gebet; umstritten ist derzeit, ob äuch Frauen BdteiligJ.lg bere ts 1917 dre pdl.arabi-
heute erklingt der Ruf allerdings meist Mufti sein dürfen. Während in Indierr sche Baath-Partei (,,Wiedergeburt")
via Lautsprecher. Nachempfunden bereits weib iche 19uftis tätig sind, entstanden, die auch im lrak an die
wurden die ersten Nllnarette antiker gibt es in der Türkei bisher nur weibli- Macht gelangte. Doch a e Versuche,
Grab- und Wachtürmen. nternationd- che,,stellvertretende Muftis". lm Fe- mehrere arabische Staaten zLr verei-
es Aufsehen erregte im November bruar 2OO9 dann die Sensation: Groß- nen, schlugen fehl. Geblieben ist die
2OO9 ein Schweizer Volksentscheid, mufti Ahmed a -Haddad, Vorsitzender 1945 gegründete Arabische Liga, die
bei dem sich 57,5 Prozent der Stimm- des I\4inisteri!ms für lslannische Ange- 22 M itglieder umfasst.
be.ecl-tigte' qegen den BaJ von Mi- legenheiten im Ernirat Dubai, erließ Der Nationalismus widerspricht in ge-
naretten im Alpenland aussprachen. eine >Fatwa, nach der auch Frauen wisser Weise dem ldeal der tt mma;
als Muftis wirken dürfen. Drei Emi- a-istische C'uppen t.achte.] da-
Mohammed raterinnen durchlaufen gegenwärtig 'is
her oft danach, den Nationalstaat zL
Der um 57O in der Handelsstadt l.4ek- die zweijährl9e Ausbildung. überwinden.
ka geborene l4ohamrned erlebte irn
Alter von etwa 40 Jahren seine Beru- M uslim b ru derschaft Paladies
[u19 zLnT Propheler. DLrch dar c.z- Die Mus imbrüder (arab. öl-lchwan al- Das Paradies (pers. Firdaus, arab.
engel Gabriel empfing er bis zu sei- lvluslimum) wurden 1928 von dem jun- Dschanna,,,Garten") wird im >Korarl
nem Tod im Jahr 632 Offenbarungen, 9en ägyptischen Lehrer Hassan al- si11l'ch au.gera t: n der ..Gärten der
die später im >Koran zusammenge- Banna gegründet. Ziel der Gruppie. Wonne" fließen Wasser, lv1ilch, Wein
stellt wurden. Von den Muslimen wlrd rung war die Reform der ägyptischen und Honig, dazu wachsen die herr-
er als Gesandter Gottes verehrt und Gesellschaft durch die,,Ordnung des lichsten Früchte. Nlan sitzt auf wel-
als Vorbi ci und gutes Beispiel in allen ls am" (arab. Nisam a -lslam): Eine auf chen Lagern und wird von jungen
Belangen betrachtet. Unzähli9e über- >Ko.an Lnd >Scha.ia gestützte Ge. Mundschenken bedient. Obwohl Fra.
iieferungen (}' Hadith) berichten über sellschaft würde den inneren und äLr- en wie fy'änner ins Paradies eingehen
seir Aussehe.], Seir Ha.]der.l urd se - ßeren Feinden (Linken, Säkularen, Bri- können, scheinen einige der cenüsse
re Cewohnl-erte1. B^sonders oeton. ten, Zionlsten) Widerstand ieisten speziell auf männliche Wünsche zuge-
wird sein fre!ndllches, geduldiges können. Während bei der >Salafija der schnitten, ihnen stehen,,Huris" zur
Wesen - und sein Bart: Einen dichten Bildungsgedanke im Zentrum stand, Verfügung, ewige Jungfrauen mit gro-
schwarzen Bert habe der Prophet 9e- war es bel der Bruderschaft die Mora . ßen, schönen Augen.
habt, in dem auch irn Alter höchstens Den Westen mit seinem,,gewinnsüch-
20 graue Haare zu finden gewesen tigen Materialisrnus" und seinem ,,lm- Philosophie
seie n. perialismus" lehnte die Bruderschaft fi'le e:gens-ä1d ge Ph osophie e'tt-
ebon.o ab wie de1 ..gott osen" lvar, is- stand in der is amischen Welt im
Moschee mus. Durch eine straffe Organisation, 9. Jal'rfL.oe'1. Sie lJßr aJf de.9ro-
Die Moschee (arab. Masdschid,,,Ort, engagierte Soziaiarbeit und die An- ßen Ube.setzLngsbewegLrg. die tw -
an der man siLh zLrn Cebel n eoef- droiulg vo'] Cewa I wLcl-s oie YL:- schen dem 8. und lO. Jahrhundert fast
wirft") ist der wichtigste Bau der isla- limbruderschaft in den vierziger Jah- die gesamte wissenschaftliche Litera-
mischen Architektur; er fungiert als ren zu einer lvassenbewegung an (>ls- tur der Antike lns Arabische übertrug.
Gebetsstätte und Versammlungsraum lamismus). lhr wichtigster ldeologe Abu Jakub al-Kindi (gest. um B7O)
zugleich. Architektonisches Vorbi d war Sajjid Kutb (hingerichtet 1966). 1or-ie'Le erstma s rrn Arabischen die
der ersten Moscheen war das Wohn- Trotz if re< Verbots sird die lYJsiim- pii'osopÄischer -er-ini. Wäl^rend sei-
haus cles Propheten in N4edina, das brüder heute die größte ägyptische ne Philosophie ganz im Dienst des is-
mit einem großen Innenhof ausgestat- Op pos itions beweg ung. la"is.hen Dogma> steht leh']te der
tet war. Diese,,Urmoschee" fungierte Ar,,L Jnd Philosoph AbL Bat ' dl. aa'
als politisches und religiöses Zentrum Nationalismus (gest. 925 oder 932) eine Orientierung
zugleich: Hier wurden nicht nur clau- Nationalistische ldeen kamen in der is- an der Religion ab. Das erste philoso-
bensinhalte diskutiert, sondern auch lamischen Welt Ende des 19. Jahrhu'r- phische,,System" in arabischer Spra-
polrtische und m täri)cne E']ts(hei- derts auf - durch die Begegnung mit che schuf Abu Nasr al-Farabi (gest.
dungen getroffen. der europäischen 14oderne. Aus derr Aqn\ 6in \/a/t/Äta/ Ääl Ar^ÄrÄdr
n Deutsch and entstanden in den >kolonial bel'e.rscnten Gebieten so- Schule, der auch viele Christen an-
siebziger und achtziger Jahren des wie der Konkursmasse des Osmani- gehörten.
20. ,ar'r'hJnderts ibe.wregero , - r- schen Reichs entstanden im 20. Jahr- Enor.nen Einfluss auf die europäische
terhofmoscheen". Erst in jüngster Zeit hundert zah reiche Staaten, denen die Phi osophie hatten die Aristoteles-

SPIEGEL GESCHICHIE 5 2O]O 57


LEX]KON DES ISLAM

Kenner lbn Sina (Avicenna, gest. lO37) tuelle setzten slch um die Wende vom al-Salih) gemeint slnd die ersten Ge-
und lbn Ruschd (Averroes, gest. 1198). 19. zt)m 24. Jahrhundert gegen diese nerationen von l'luslimen. Bedeutende
lbn Ruschd beantwortet die Frage, ob UnterstelLung zur Wehr. Nöch ihrem Denker der refor.nistischen Salafija-
das SrLd L- de D-r o>op1 e J']ci La. Verständnis beruhte die schmerzhaft Bewegung waren der lraner Dscharna-
9lk vom religiösen Standpunkt her wahr9enommene Rückständlgkelt uddin al-Afghani (gest. lB97), der
überhaupt erlaubt sei, dahingehend, daraul dass dle islamische Lehre lnl Agypter lgohammed Abduh (gest.
däss der i'Koran die Phllosophie fur Lauf cier JahrhLrnderte erstarrt sei und 19O5) und der Syrer Raschid Rida
al die e']ige1. die ^ 1er )lar[er 1te - die tsU ama an län9st überholten Nor- (gest. 1935) Sie setzten sich für eine
lekt besitzen, verpflichtend vor- men fest.'lielien. Vealreter des Refor - Erneuerung des lslam durch Bezug
schreibt: ,,Denkt nach, die ihr Eins cht mlslam wie Mohammed Abduh, der auf die Werte der islarnischen Früh-
habtl", zltiert er Sure Z Vers 185. bis 19O5 das Amt des obersten zeit ein - um auf diese Weise lslam
von Agypten bekleidete, piädierten'.l.y'ufti und Moderne zu versöhnen. Beson-
Propheten daher für eine lnnere Erneuerung des de's \/\, c\t g wa.e. hre. dio Voclor.] .
Der lslam kennt eine ganze Reihe von lslam. W chtigste Leitschnur solle da- sierung von Bildung und Erziehung.
Propheten (arab. Anbija, Sg. Nabij), bei stets der Verstand sein. Die heutige Salafija-Bewegung hat
.tF.F'r a' ,a. .tF<, <i6oat dar D.^nhe_ Vir il^rer moderr F'] He.öage'lerswet- sich dagegen von der reformistischen
ten", F'Mohammed ist. lm *Koran tö- se gellngt es Reformmuslimen, Werte Bewegung weit entfernt und deren In-
chen an mehreren Stellen Listen aul wie Demokratie und Menschenrechte tentionen ins Gegenteil verkehrt: Der
, 7.8. SLfe 4 Vet5e 163/4 ooer SLre 6, i'1 den (o1te\t rhrer Relrgror zL >te - Begrlff ist heute fast gleichbedeutend
Verse 83-86), ln denen neben clen be- ler sow,e ']atJ w ssenschaft rche Er mit tsls amlsmus oder b.Wahhabismus.
deutenden Propheten des Alten Testa- kenntnisse und physikalische Gesetze Auch p dschihadistlsche cruppen be-
ments vlele blb sche Gestalten 9e- rnit dem PKoran zu versöhnen. Dam t zeichnen sich als Salafisten, wie die
nannt sincl, die in jüdischer und christ- setzen sie dem Westen ein neues ista- Groupe Salafiste pour la Prddication
icher Tradition diesen Tltel nicht tra- misches Seibstbewusstsein entgegen. et le Combat (GSPC) in Algerien.
gen, angefangen bei Adam a s dem
ersten Menschen und zugleich ersten Salafiia Satan
Propheten über PAbraham bis hln zu Wörtlich bedeutet der Begriff Salafija Der islarnische Satan (arab. Schaitan,
l}Jesus. Dazu kommen einlge arabi- die Orientierung an der Zeit der lblis) ähne t n vlelem dern jLldisch-
sche Gesanclte wie Hud, Schuaib und ,,frommen Altvordern" (örab. al-Salaf christlichen. Laut 9Koran ist er cler
qd h sow e erre g"oße Zaf I ndmerr- tr6i.d" .16r Man-.h.n l q' ra <q \/Är"
lich n cht erwähnter Propheten: Die 6), er stiftet Streit zwischen ihnen
Traditlon spricht von mehreren hun. (Sure 1Z Vers 53) und weckt in ihnen
derttausend. Wünsche (Sure 4, Vers ll9). Dabei
weilte Satan einst im tParadies. Da er
Ramadan sich we gerle. vor Ada- rrederrufaL-
..De. Vorat Ramaddn, rn derr l-e.öo en, musste er mit seinen Dämonen
kam der '{o.dr de.1 Ve.1s(l^en dls Ge- cias Gartenreich verlassen. Von Gott
ei[... - wer.I^ il_m zLgeger tst. so ' fäs erbat er sich das Recht, fortan clie
ten, doch wer von euch erkrankt oder l'4enschen zu verführeni ,,Mein Herr,
auf Reisen ist, für den ist eine Anzahl weil du mich verleitet hast, werde lch
anderer Tage möglich. Gott will es ihnen auf der Erde alles im schönsten
euch leichtmachen, nicht schwer." So Licht erscheinen lassen und sie al e-
fordert es der Koran und legt auch die samt verleiten, bis auf deine Knechte,
Bedingungen der Enthaltsamkeit von die aus ihnen auserlesen sind" (Sure
der N4orgendämmerung bis zum Son- 15, Verse 39-4O).
nenuntergang fest (Sure 2, Verse 183-
187). In diesem,,heiligen Monat" f n-
:-:-::-i--:-
5Cnacnrung
den in )lvloscheen zusätzliche nächtli lm ls am git, ähnlich wie im Juden-
che Gebete und Koran esungen statt. tuf., Blut als r tuell unrein. Daher acn-
Ein besagti ,,Wenn der lvlonat ten Muslime beim Schlachten von Tie-
'Hadlth
Ramadan beglnnt, werden die Tore ren daraul dass diese vollständig aus-
des Himrnels geöffnet und dle Tore blLten Dre t.aditione e lVerhode da-
der Hö e verschlossen, und dle Teufe für ist, dem lebenden Tier die Hals-
werden in Ketten gelegt." sch agader zu öffnen, so dass durch
den noch aktiven Krelslauf ein mög-
Reformislam lichst großer Tell des B utes aus dem
Europälsche Denker der :,.Kolonia zeit Körper strör.t; das verbleibende Blut
vertraten die Ansicht, die materielle wird sorgfältig entfernt.
Uberlegenheit des Westens habe D ese Praxis widerspricht europäi-
auch mit dem lslam zu tun, da cl eser schen Vorstellungen von Tierschutz
r'cl^t m:t w:,e_..hä- Lnd ltvtltsat - und steht zudem industrieller Fleisch
on vereinbar sei. Musllmische Intellek- Der Prophet David (um 1535) produktion entgegen. Vie e ls am-

58 SPIEGELGESCHICHTE 5I2O]O
Gruppe hielt allein All Bin Abi
Talib, Vetter Mohammeds und
Ehemann von dessen Tochter
Fatima, für den rechtmäßigen
Nachfolger. Als dieser über 20
Jahre nach l.y'ohammeds Tod
zum vlerten tKalifen erhoben
wurd-6, stleß die Entscheidung
bei anderen 14uslimen auf Kri-
tik. A i und seine Parteigänger
(arab. Schia,,,Partei") zogen
slch daraufhin in den lrak zu-
rück - bis heute ein Kernland
der Schia.
Nach Alis Ermordung 661 ver-
zichtete Hassan, Alis ältester
Sohn aus der Ehe mit Fatima
(uncl nach schiitischer Lesart
der zweite lmam), auf das Kali-
fat. Anders der jüngere Sohn
Hussein, der 680 mit einigen
Getreuen versuchte, den Umaj-
Schächtung in sarajevo jaden-Kalifen Jasid . militä-
risch zu besiegen. Das Aufeinander-
gelehrte vertreten daher die Ansicht, doch in den Bereichen Staat, Verwa - treffen bei Kerbela endete für die
dass die vorherige Betäub!ng des tung und Fiskus. Vielleicht gerade des- Schiiten desaströs: Hussein und se'ne
Schlachttiers mit den slamischen wegen wurde die Scharia seit dem Mltstreiter wurden niedergemetzelt.
tSpeisevorschriften verelnbar ist. '6./7. Jaht'Lrdetl i.'a.l dlle'l slami- Erst nach dieser - später dramatisch
schen Ländern allmählich durch euro- überhöhten Niederlage nlmmt die
Scharia ^Äi<.ha
Aa.ht.f^rn ,,Partei Alis" religiöse Züge an.
Die auf Gott Lrnd }'Mohammed, seinen Wenn heute tsls amlsten eine,Wieder- Auch in späteren Jahrhunderten wur-
Gesandten, gründende Lebens- und einführung" der Scharia fordern, geht der die 5ch ter als politrscl-e Oppo-
Rechtsordnung der Muslime, die Scha- es ihnen anscheinend vor allem um sitionsbewegung bekärnpft. Erst im
rla, wurcle über drel Jahrhunderte hin- die drastischen Strafandrohungen und 1O. Jahrhundert förderten Herrscher
weg von mus imlschen Theologen und dle Herabstufung der Frau. Das kom- im irak die Schia. l5Ol kam in lran die
Rechtsgelehrten entwickelt. Sie ist plexe und komp izierte Rechtssystem schiitische Dynastie der Safawiclen an
also nicht Ergebnis herrscherl chen Scharla und dessen hohe jur stische die f4acht, die das bis dahin mehrheit-
ocler staatlichen Willens. ln Debatten- Qualität ist ihnen oft kaum (oder gaf llch sunnit sche Land,,schiitisierte".
und Lehrzirkeln, d e untereinander in n icht) vertraut. Heute machen dle Schiiten etwa zehn
Verbindung standen, versuchten die Prozent aller Muslime aus.
tUlama für alle Bereiche des Lebens scheich
die rrage zL bed'ltwo.rer, wds !\o- lvlit dem arabischen Wort Scheich Schleier
ran und Sunna entspreche und was (,,ehrwürdiger Mann") werden respekt- Die Frage, ob und in welcher Form
nrc ht. voll Autoritäten angesprochen, sei es sich n'ruslimische Frauen verschleiern
Al *äh rh wJrder, sofer't s cT o e Ce das Oberhaupt eines Stammes oder sollen, wird seit etwa lOO Jahren von
lehrten einig waren, Entscheidungen e 1er Sufi-B.Jdar<cha't se e) e 1 ls- den Rechtsgelehrten heftig diskutiert.
zu Elnzelfragen auf der Bas s des lamgelehrter, ein we tlicher Fürst oder E n eincleutiges Verschleierungsgebot
t'Koran und des tHad th sowie mlt- eln geachteter alter Mönn. lässt sich aus denr I'Koran (Sure 24,
tels Ana ogieschlüssen aus Präzedenz- Vers 3l und Sure 33, Vers 59) nicht
fällen zu größeren Sachgebieten zu Schiiten l_e.aus pso'), Jnci so sind 1 ve.<chie-
sammengefasst: alles zu Ehe und Die Spaltung zwischen den beiden denen Regionen und Gesellschöfts-
Scheidung, a les zu Krieg, alles zu größten islamischen Gruppen - !'Sun- sch chten unterschiedliche Formen
Sklaven uncl so weiter. Zwischen dem niten und Schiiten ist fast so alt wie der Verhü ung üblich.
11. und dem 14. Jahrhundert wurden der ls a- se bst. Die berder Ricl-LL|^ De' örisc l-e T(( l-ador is-, äh.licl' w e
d e Ergebnisse, vorwiegend als Fa l- gen unterscheiden sich weniger durch der maghrebinische Haik, ein riesiges
sammlungen in umfassenden Rechts- theologisch-dogmatische positionen Jch. miL dem F.auer Kop'L.d (ö.-
l^o-pe-ldien sc"r frlrcf l.reder gelegt. a15 v,elmeh. dJ.ch das Bekenntnis z per verhül en. Dle Vollverschleierung
Stark ausgebildet ist die Scharia, ihrer bestimmten Personen, denen dle mit einem Nikab, der nur die Augen
staatsfernen HerkLrnft entsprechend, 5öcl-'stF AL'o.i-äf ir dF. fre ässt, breitet sich gestützt durch
'L-rma /L
geschrieben wird (|Kalil }.lmam).
in allen Bereichen des Al tagslebens dre . !^ahhab t sche -eh.e auch übe'
rRFligio'1söL.Lbu19 D..<oner'ta1d. Entzünclet hatte sich clas Schisma an die Arabische Halbinsel hinaus immer
Sitten und Gebräuche), weniger je- der Nachfolge t lvlohammeds: Eine welter aus - manchmal kombiniert mit

SP EGEL GESCH CHTE 5 ]2O]O 59


LEX KON DES ISLAIV

schwarzen Handschuheni anders a s


die )'Burka wird sie auch von einigen Sufismus Theologie
europäischen Musliminnen getragen. Die lslamische l',1ystik begann a s aske lslamgelehrte sind in der Regel keine
De. allge-e'1e draoiscl e Begr tr Hi t s(he We tflJcht: d e Begrille 5Lf s- Theologer. soaderr Pe( hLsge el_rte.
dschab (,,Vorhang, Schleier"), der im mus und Sufi werden melst vom wolle- Eine islamische Theologie entwickelte
frühen 20 Jahrhundert in Agypten für nen Gewand (arab. Suf:,,,Wo e") der s ch seit dern B..lahrhundert vor allem
den Gesichtssch eier verwendet wu, - er<reT 4ro-n ör Gott'L(her abge -i in Form des dla ektischen Disputs (l m
cje, bezeichnot "eute o[L e 1F lo."]o tet. Seit dem ll JahrhLrndert formier- al-Kalam). lm Zentrum standen die
nation aus Kopftuch und weitem Man- ten sich sufische Bruderschaften, die Einheit Gottes und daraus resultieren-
tel. Weitere Bezeichnungen sind Ch sich oft auf einen splrituellen Meister de Fragen nach seinen übrlgen Eigen-
ma . Ds.h bab ode. Sifa ,1 oe. lL,.r'e. TLru.tf.ihrer. De.l'locl- stFhl o e SL- schaften. Auch die Hand ungsfreiheit
wo für öffent iche Einrichtungen ein
Kopftuchverbot gilt, wurde in den ver-
gangenen.lahren erbittert um dle
weiblrLl'e Varhu Lrg gesfr ttF1. NeL
war dabei die Unterscheidung zwl-
schen dem traditionellen, unter dem
Kinn gebundenen Kopftuch und dem
,,Turban", einer modernen Variante, bei
cler das Tuch eng um Kopf und Hals
geschlungen wird.

Schura
Begründet wird das demokratlsche
Grundprinzip von :!Sunniten wle
t Schii-61 - t der 42 S.re des i
^o-
ran, clie clen Titel trägt,,a -Schura"
(clie Beratung), ein Begrifl der heute
oft g eichbedeutend neben ,,Dimukra-
tija" steht. Auch jn Sure 3, Vers 159
heißt es: ,,Und ratschlage mit ihnen
uber die Ange egenhe tl" Gelegent
ich wlrd dies durch eln Propheten-
wort ergänzt: ,,Gott und sein Prophet
benöti9en keine Beratung (Schura) Heutige Formen der Verschleierung: Nikab, Burka, Hidschab
aber für meine Gerneinde hat sie Gorr
zu einer Barmherzigkeit gemacht, che des Einzelnen nach relner Gottes- und Erkenntnisfähigkeit des l',1en-
denn wer in ihr sich berät, dem wird liebe oder cottesvereinigung bis heu- schen angesichts der A lmacht Gottes
die Rechtleitung nlcht fehlen, und wer te im Vordergrund. wurden diskUtiert.
sie unterlässt, dem wird es an lrrtufil Schließlich setzte sich eine stark an
nicht mangeln." lm 20. Jahrhundert Sultan .Koran und +Hadlth or entierte Theo-
entstand eine Reihe von islamischen Der Titel Sultan (,,Macht, Machthaber") ogie als,,orthodox" durch, a s deren
Verfassungen, d e den Schura Begriff entstand a s Belname des :'Kalifen, wichtigster Vertreter Abu a -Hassan
durchaLrs in einem parlannentarischen uncl bezeichnete den we tlichen As a -Aschari git (gest. um 935). Später
5in1 inre.pretie.er. ol^1e sppT ti,(h ts- pekt seiner Herrschaft. Später führten brachte der persische Theologe Mo-
la'r'rir( 1e Gru1d,./ors-e unge'l aJ!7J- ihn auch untergeordnete Machthaber. hammed al-Ghasali (gest. llll) eine an
geben. der Mystik (*Sufismus) und ihrer le
Gernat Rotter Sunniten bendigen Gotteserfahrung orientierte
Die Sunniten e ten ihren Namen vorl Sichtweise in d e Theologie ein.
Speisegebote der,,Sunna", dem Leben des Prophe-
Die religiösen Speisevorschrlften f ür te'r \4ohamred ab. ALch d. | 5(1t - U lama
lvlus ime beruhen auf dem ten erkennen dieses als vorbi d ich Als Gelehrte (Ulama, Singu ar: Alim)
'Koran.
Dieser verbietet aLrsdrücklich den und daher verbindlich an; sle stellen werden in der islamischen Welt diejeni-
Verzehr von Blut, Sc hwein efleisch, dte Lba'lielerte'l ALssp i.l^e gen bezeichnet, clie ein Studium der
'edoch
Flelsch von verendeten Tieren so- ihrer als gleichwert g dane- religiösen Wissenschaften absolviert
wie von solchen, die nicht unter Anru- 'lmame
ben. Während die Sunniten die Sunna haben und damit n :Koran, !Hadith
fung Gottes und entsprechend den in sechs kanonischen Büchern sam- und s amischem Recht ausgebi det
Regeln bei der getötet me ten, überliefern die Schiiten die Dl- sincl. Ja h rhunde rtela ng war eine sol-
wurden. 'Schächtung rektiven ihrer ; mame in vier Büchern. che Ausbildung Voraussetzung für a le
ALrßerdem wird aus einigen Koranver- Yi' etwa 90 Proza']t b dar die SJnni- .e 9 oc 'a a!d^Len A-Ler wre 'lvLft
sen von den n'reisten Rechtsgelehrten ten heute die überwä tigende Mehr Kadi, Prediger oder auch Lehrer und
ein 9Alkoholverbot abgeleitet heit der 14 us lme. Notar. Da sich zumindest im sunniti-

60 SPIEGEL GESCHICHTE 5 I 2O]O


schen lslam keine einheitliche Organi- andere Muslime die,,Wiederherste - Von älslamlst schen Gruppierungen
sation oder Hierarchie herausbi dete, lung" einer durch ihren gemeinsamen unterscheidet sich die Wahhabija
enrcräade-r lel_rmei-lurge'l In o't larg- G auben geeinten Umma an. durch lhr enges Verhältnis zu den
wierlgen Prozessen der Konsensbll USA: Seit 1943 ist die saud sche Herr-
dung (für die Schiai ah). Volksislam scherfam lie faktisch mit Amerika ver-
'Ajatohaben Ula.
Seit dem 19. Jahrhundert Unter dem Begriff Volksislam wird eine bündet. Als sich eine von den USA ge-
ma als Amtsträger häuflg Beamtensta- V Flzahl h6rerog6ne'ldee' Lnd BräL führte Allianz im August l99O an-
tus, bis dahin wurden sie in der Regel che zusamrnengefasst, die nicht zur ka- schickte, das von Saddam HLrssein
aus religiösen Stiftungen flnanziert. nonischen Forr. des lochislam zählen überfa ene Kuwalt zu befreien, karr
Durch die Forma isierung der Bll- (sofern diese überhaupt existiertl) - und es zum Aufmarsch von US-Truppen
dungssysteme und die Einführung von slch damit mehr oder weniger offen In auf saudi-arabischem Boden. Dieser
Opposltion zum lslam der Schriftgelehr- wurcle durch eine:>Fatwa des Rats
ten b.f.nden. Diö VörquickJ^g !or ls- der Hohen Relig ionsg eleh rten, der
arn und scheinbar,,unlslarnischen" höchsten re lgionspo ltischen lnstituti-
Bräuchen ist in der gesamten islami- on Saudi-Arabiens, für rechtens er-
schen Welt zu beobachten. Dazu zäf, k ärt - der ehemalige saudi-arabische
len da> l-e ern von l l4ohammeds Ge- Staatsbürger Osama Bin Laden sah
burtstag ebenso wie der Gebrauch von dies anders ( I' Dsch ihad ism us).
Amulett und Talis.nan. Eine große Rolle
spie t die Verehrung lokaler He liger, dre Zeitrechnung
sich durch besondere Segenskraft aus- Nach lsla.nischem Kalender schreiben
zeichnen Da der Heil ge dlese durch wir das Jahr 1431. Die Zeltrechnung
seinen Tod nicht verliert, entstand vie- beginnt mit der Ubersiecllung (arab.
lerorts ein öusgeprägter Gräberkult. Hidschra) von l'y'ekka
nach Medina 'f4ohammeds
622 n. ChL und beruht
Wahhabismus auf einem reinen Mondjahr ohne
Als Wahhabiten werden die Anhänger Schalttag,o oder -monate. Dieses Jahr
der Lehre von Mohammed Bin Abd al ist zehn bis e f Tage kürzer a s ein Son-
Wahhab (gest. 1792) bezeichnet; sje re'ljal_r. Lrd >o wardern ^-r t der Da
selbst nennen sich lty'uwahhidun (,,Be- ten des islamischen Kalenders auch
kenner der Einheit Gottes") Bin Abd die religiösen Feste der Muslime rück-
al-Wahhab, geboren im heutigen Sau- wärts durch die .lahreszelten.
di-Arabien, vertrat seine re gionspo - Da de' f4o']d de'eige'lt che Ze t'eo-
tischen Vorstellungen kompromisslos: ler ist, beginnt (ebenso wie im Juden
Vehement forderte er die Rückbesin- tunT) der Tag bei Sonnenuntergang.
nung auf:Koran und Sunna sow e auf
staatlichen Rechtsnormen haben die die Frühzelt der fro.nmen Altvordern. zinsverbot
traditione en Gelehrten an Bedeutung Unerlaubte Neuerungen (arab. Bidaa) Die Erhebung von Zinsen stellt das
ver oren. Dennoc h stellen sre n'rir ihrer wie Tabakrauchen oder Musik lehnte am meisten diskutierte Prob em einer
auf Wissen beruhenden Autorität eine er ab, ebenso die,,übertri-obene" Ver- islamgemäßen Wirtschaftsordnung
wichtige gese schaft lch mora ische ehrung des Propheten oder gar die dar. im Zentrum der Debatte steht der
lnstanz dar. Vie e Ulama tragen als von Heiligen (.Volksislam) oder i.lma- koranische Begriff Riba, der Z ns oder
Zeichen ihrer Würde einen langen men - sie ga ten ihrn als Polytheismus. Wucher bedeuten kann. Eln Tei der
5c hwdr,/en ly'antel Jnd einen TLrbän 1744/45 schloss et rnit dem Regional- Experten geht davon aus, dass slch
herrscher Mohammed Bin Saud e n das Riba-Verbot ausdrücklich auf
Umma BLnd-r >. co.ta1 lre'erle d e Wäl-hab la überhöhte Zinsen bezieht, wie sie lm
Das arabische Wort Umma (,Volk, Ge- die ideologische Grundlage für die Ex- vorislömischen Mekka üblich gewesen
meinschaft") bezeichnet d e Gemeirr- pansion der saudlschen Fami le. Nicht- seien. crundsätzlich könne finanzielle
schaft aller Musllme weltweit, unab- wahhabitische l.y'usiime wurden als Kompensation bei Geldgeschäften ge-
hä.9i9 vo1 ethniscl^e. ode. spracl- lr- i.Apostaten bekämpft; :l"loscheen stattet seln. Die Meh rhe itsmeinu ng
cher ZLgehor 9(e t. Dam I ö)t der ls- und Gräber von Prophetengefährten lah^r ad^.h Trncan cfr kf:h
lam a s elnigendes Band frühere lden- oder Heiligen verwüstet. Unter der Zer- l- \4il e dlr^. wLrde.1 da5^r Ca dge-
titäten wie Stamm, Clan oder Volk zu- stö.J19 der 5cl^rI scl-er Fe igri-er r1 schäfte in der is amischen Welt fast
m ndest theoretisch ab. Das ldeal der Kerbe a 1802 -öicJet bis heute das Ve, aLrsschließlich von Nichtmuslimen be-
Einheit trotz aller Vie fa t, das sich irl hä tnis von lran und Saudi-Arabien. trleben. Gleichzeitig entwickelten fjn-
dem Begriff bis heute ausdrückt, wird 1932 kam es zur Gründung des dritten dige Händler rechtliche Kniffe, um das
spätestens seit dem Aufkommen der saudischen Staatesi des Königsreichs Verbot zu umgehen. Heute arbeiten
Nationalstaaten und dem Ende des Saudi-Arab en. Seit l986 schmückt sich , is a-rsc'e Bänl.er " oriziel ohne 7ia'
Kali'aLs 1 de. Rea tö- äJ'. ,]e härt( der saLrdische König mit dem Tite ,,Hü- sen, verfügen aber über Praktiken, die
Probe gestelt. Nicht zuletzt deswe- ter der beiden Helligen Stätten" (Mek- elnen Zinseffekt mit sich bringen.
gen streben Wortführer der t Salafija ka und Medina) - für viele nichtwahha- Anne'SaPh;e Trchli. h und
und der ,. slamisten, aber auch vlele bitlsche f,1lsl me eine Provokation. Claudia Stodte

SPIEGEL GESCHICHTE 5 2O]O 6l

Das könnte Ihnen auch gefallen