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Regierung prüft Abschottung Tirols wegen

Coronavirus-Mutationen
Eine Entscheidung darüber plant der grüne Gesundheitsminister erst für Sonntag. Die
Datenlage gebe eine Quarantäne nicht her, kontert Landeshauptmann Platter (ÖVP)

4. Februar 2021, 15:58

Bereits Mitte Jänner wurden in Tirol die ersten bestätigten Fälle der britischen Virus-Mutation
in Jochberg entdeckt.

Foto: APA/ROLAND MÜHLANGER


Die Regierung schließt eine Quarantäne für das ganze Bundesland nicht aus. Die Situation sei
"ernst", meinte Gesundheitsminister Anschober.

Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Wien – Die Verbreitung der südafrikanischen Mutation des Coronavirus in Tirol könnte zu
einer Abschottung einzelner Gebiete führen. Ausgeschlossen ist außerdem nicht, dass das
ganze Land unter Quarantäne gestellt wird: Die Regierung prüft derzeit mit Experten alle
Optionen, wie die APA aus informierten Kreisen am Donnerstag erfahren hat.
Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) bezeichnete die Situation in Tirol davor als
ernst. Auch eine Beraterin der Bundesregierung, die Virologin Dorothee von Laer von der
Med-Uni Innsbruck, vertrat in Interviews die Ansicht, dass das Land Tirol angesichts des
Auftretens neuer lokaler Corona-Varianten für einen Monat isoliert werden soll.

Günther Platter ist anderer Ansicht

Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) sieht dafür keinen Grund: "Das gibt die
Datenlage nicht her", erteilt er einer Isolation eine Absage. Man müsse "natürlich immer auf
der Hut sein", gab er zu bedenken. Dennoch müsse darauf geachtet werden, "dass die
Verhältnismäßigkeit gegeben ist".

Die südafrikanische Variante wurde bisher 75 Mal identifiziert – nur mehr fünf Betroffene
galten hier noch als aktiv positiv. In den vergangenen drei Tagen habe man sich mit Experten
beraten, wobei beschlossen wurde, dass die Kontaktnachverfolgung und das Testen
intensiviert werden sollen, so Platter. Es werde täglich evaluiert, welche Auffälligkeiten es
gibt. Die britische Mutation wurde in Tirol übrigens bisher bei 21 Personen festgestellt,
wovon noch eine Person aktiv positiv sei.

Das Land Tirol hat, wie Gesundheitsminister Anschober am Donnerstag bei einer
Pressekonferenz in Wien sagte, noch am Mittwoch ein "sehr straffes Fünf-Punkte-Programm
aufgestellt, mit dem die Situation genau untersucht werden soll". Er habe den Eindruck, dass
Tirol "selbstverständlich" der Ernst der Lage klar sei. Am Sonntag "ist Tag der Bilanz", dem
möchte er nicht vorausgreifen und weder vorhersagen noch ausschließen, sagte er – bevor
bekannt wurde, dass die Abschottung geprüft wird. Dann werde man aber darüber
entscheiden, wie umfassend entweder "dieses Paket fortgesetzt werden muss" oder ob es
weitere Maßnahmen brauche. "Diese paar Tage abzuwarten, ist notwendig", meinte der
Gesundheitsminister.

Virologin will Isolation Tirols

Die Virologin Dorothee von Laer übte scharfe Kritik am Land Tirol im Umgang mit den
Corona-Mutanten und warnte vor einem "zweiten Ischgl". Sequenzierungen würden auch
zeigen, dass mittlerweile bereits 20 Prozent der Infektionen auf die neuen Varianten
zurückzuführen seien. Anschober betonte am Donnerstag, dass die Sequenzierungen
beschleunigt und prioritär behandelt werden müssen. Er sei auch mit von Laer "in einem
guten und regelmäßigen Kontakt".
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Nach Informationen der APA sind die anderen Expertenberater der Regierung nicht alle der
Meinung der Virologin. Es würden unterschiedliche Zahlen vorliegen, die nun geprüft werden
müssen. So soll es entgegen den Aussagen von Laers keine eigene Tirol-Mutation des
Südafrika-Virus geben. Die Regierung sei sich aber der Problematik bewusst.

Experte Weiss: "Sind nicht auf einer Insel"

Jedenfalls anderer Meinung ist der Innsbrucker Infektiologe und Direktor der
Universitätsklinik für Innere Medizin, Günter Weiss. Er hat sich am Donnerstag klar gegen
eine möglichen Isolation Tirols ausgesprochen. "Wir sind nicht auf einer Insel, wo wir über so
etwas reden könnten und wo es Sinn machen würde. Wir sind mitten auf einem Kontinent, auf
dem diese Mutation auch schon in vielen Ländern aufgetaucht ist", sagte Weiss. Man werde
nicht verhindern können, dass eine Mutation auch in andere Regionen gelange.

Auch mit einer etwaigen Verlängerung des Lockdowns kann der renommierte Mediziner, der
auch dem Beraterstab im Gesundheitsministerium angehört, nichts anfangen. Die Maßnahmen
bzw. Lockerungen, die die Bundesregierung diese Woche verkündet hatte, seien "sehr gut und
sehr vernünftig" und sollten auch wie vorgesehen bundesweit gelten. Es gehe nun darum, die
"Menschen wieder ins Boot zu holen". Derartige Maßnahmen würden hingegen die
"Frustration" steigen lassen und dazu führen, dass viele Menschen sagen: "Wir kommen aus
dem Schlamassel nie mehr heraus. 'Wir hauen den Hut drauf'".

Anschober fordert "ehestmöglich" Massentests

Massentestungen in Tirol sind "ehestmöglich durchzuführen", forderte Anschober. Er betonte,


dass die Mutationen "nicht erst gestern bekannt geworden sind". Wie sie sich im Detail
auswirken, "ist für uns alle weltweit ein großes Fragezeichen". Es müsse zeitnah ein
Frühwarnsystem aufgebaut werden, besonders wichtig sei auch das
Kontaktpersonenmanagement, bekräftige Anschober.

Tirol war auch im ersten Lockdown im Frühjahr abgeschottet. Mitte März wurden bis Anfang
April alle Gemeinden unter Quarantäne gestellt und die Grenzen geschlossen.

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