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halten. Die kollektiven Bilder bedeuten deshalb, daß wir die Welt nicht nur als Individuen
wahrnehmen, sondern dies auf eine kollektive Weise tun, welche unsere Wahrnehmung einer
aktuellen Zeitform unterwirft. Gerade an diesem Sachverhalt ist die mediale Einrichtung der
Bilder beteiligt. In jeder zeitgebundenen Wahrnehmung verändern sich die Bilder, auch wenn
ihre Themen überzeitlich sind, qualitativ. Außerdem verleihen wir ihnen den Ausdruck einer
persönlichen Bedeutung und die Dauer einer persönlichen Erinnerung. Die gesehenen Bilder
unterliegen unvermeidlich unserer persönlichen Zensur. Sie werden bereits von den
Torwächtern erwartet, die unser Bildgedächtnis bewachen. Unsere Bilderfahrung gründet
zwar auf einer Konstruktion, die wir selbst veranstalten, und doch wird sie gesteuert von der
aktuellen Verfassung, in der die medialen Bilder modelliert sind.
Es läuft auf einen Akt der Metamorphose hinaus, wenn sich die gesehenen in erinnerte Bilder
verwandeln, die fortan in unserem persönlichen Bildspeicher einen neuen Ort finden. Wir
entkörperlichen in einem ersten Akt die äußeren Bilder, die wir „zu Gesicht bekommen", um
sie in einem zweiten Akt neu zu verkörpern: es findet ein Tausch zwischen ihrem
Trägermedium und unserem Körper statt, der seinerseits ein natürliches Medium bildet. Das
gilt selbst für die digitalen Bilder, deren abstrakte Struktur die Betrachter in körperliche
Wahrnehmung übersetzen. Der Bildeindruck, den wir durch das Medium empfangen, steuert
die Aufmerksamkeit, die wir den Bildern widmen, denn ein Medium hat nicht nur eine
physisch-technische Beschaffenheit, sondern auch eine historische Zeitform. Unsere
Wahrnehmung unterliegt einem kulturellen Wandel, obwohl unsere Sinnesorgane sich seit
urdenklichen Zeiten nicht geändert haben. An dieser Tatsache ist die Mediengeschichte der
Bilder maßgeblich beteiligt. Daraus folgt der Grundsatz, daß die Bildmedien den Bildern
nicht äußerlich sind.