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Technische Mechanik Festigkeitslehre

Günther Holzmann • Heinz Meyer


Georg Schumpich

Technische Mechanik
Festigkeitslehre
10., überarb. Aufl. 2012

Mit 244 Abbildungen, 108 Aufgaben


und 135 Beispielen mit Lösungen
Prof. Dr.-Ing. Günther Holzmann Prof. Dr.-Ing. Hans-Joachim Dreyer
Esslingen Hamburg
Deutschland Deutschland

Prof. Dr. Holm Altenbach


Otto-von-Guericke-Universität
Magdeburg
Deutschland

ISBN 978-3-8348-0970-4 ISBN 978-3-8348-8101-4 (eBook)


DOI 10.1007/978-3-8348-8101-4

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Lektorat: Thomas Zipsner, Ellen Klabunde


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Vorwort zur 10. Auflage

Nach dem Wechsel der Herausgeberschaft von der 8. zur 9. Auflage hat es natürlich
eine große Anzahl von Rezensionen gegeben. Die Meinungen gingen teilweise weit
auseinander, wobei sich auch bei vielen Punkten keine deutlichen Mehrheiten erga-
ben. Dies lässt sich u. a. damit erklären, dass bezüglich des traditionellen Umfangs
der Festigkeitslehre Erweiterungen in Richtung Betriebsfestigkeit, Werkstoffkunde
etc. gefordert wurden. Hier hat die 10. Auflage nur wenig realisiert, da die Spe-
zialgebiete heute meistens von speziellen Lehrveranstaltungen mit entsprechender
Literatur abgedeckt werden.
Mit der neuen Auflage wird der Weg der schrittweisen und behutsamen Ak-
tualisierung des Lehrbuchklassikers weiter beschritten. Dies betrifft u. a. auch we-
sentliche Änderungen - das Kapitel zur Finite Elemente Methode wurde beispiels-
weise nicht mehr beibehalten, da es mittlerweile zahlreiche, auch deutschsprachige
Lehrbücher zu diesem Gebiet gibt [29; 34; 43]. Diese behandeln die Finite Elemente
Methode in einem notwendigen Umfang und mit hinreichender Tiefe, was innerhalb
eines Kapitels nicht machbar ist. Weniger deutliche Veränderungen gab es bei ein-
zelnen Elementen der Stoffauswahl, die hauptsächlich auf die kritischen Hinweise
der Leser zurückzuführen sind. Dabei muss aber angemerkt werden, das der Um-
fang des Buches limitiert ist, d. h. nicht alle Wünsche aus der Sicht der Kollegen der
Werkstoffkunde, der Konstruktionslehre usw. konnten berücksichtigt werden. Glei-
ches gilt für die grundsätzliche Strukturierung und die Stoffauswahl, die durch den
Rahmen der ursprünglichen Verfasser vorgegeben ist. Hier sind urheberrechtliche
Grenzen gesetzt.
Das neue Layout hat einige Gestaltungselemente, die in der aktuellen Auflage
versuchsweise genutzt wurden, um bestimmte Sachverhalte deutlicher zu machen.
Auch wurde die Anregung aufgenommen, jedes Kapitel mit den wichtigsten For-
meln zusammenzufassen.
Zahlreiche Quellen wurden auf einen aktuelleren Stand gebracht. Dies betrifft
neue Ausgaben der in der 9. Auflage zitierten Literaturreferenzen. Auch bei den
angeführten Normen etc. wurde der Versuch unternommen, aktuellen Tendenzen
zu integrieren. Es muss jedoch an dieser Stelle darauf verwiesen werden, dass bei
der Anwendung von Normen ein Besuch der entsprechenden Normenstellen unaus-

v
vi

weichlich ist, da hier ständig neue Entwicklungen eintreten, die dann auch zeitnah
zu beachten sind. Dem an weiteren Lehrbüchern interessierten Leser seien hier in
Ergänzung zur 9. Auflage noch die Referenzen [5; 6; 20; 24; 26; 30; 31; 39; 46; 47]
angegeben.
Neu ist, dass die im Buch aufgeführte Namen mit historischen Anmerkungen
versehen wurden. Dabei musste der Herausgeber feststellen, dass oftmals keine oder
keine gesicherten Quellen vorhanden sind. Dies unterstreicht die Notwendigkeit der-
artiger Fußnoten.
Neben den inhaltlichen Weiterentwicklungen gibt es erneut optische Verände-
rungen. Die 9. Auflage war erstmalig in LATEX erstellt worden, d. h. die traditionelle
Layout-Gestaltung wurde grundsätzlich gegenüber den vorhergehenden Auflagen
und den beiden anderen Bänden Statik“ und Kinematik und Kinetik“ verändert.
” ”
Diese optische Veränderung, die hauptsächlich durch die speziellen Gestaltungs-
elemente, die von Harald Harders entwickelt wurden, geprägt waren, sind erneut
geändert. Dies ist der Umgestaltung der Verlagslandschaft gestundet, in der ein
LATEX-Paket genutzt wurde. Es ist relativ einfach in der Nutzung und enthält weite-
re Elemente gegenüber der Vorgängerversion, so dass es zu hoffen bleibt, dass das
Layout auch beim Leser gut ankommt.
Das Buch entstand mit Unterstützung zahlreicher Helfer. Bei den Zeichnungen
und Korrekturen waren Frau Barbara Renner und Herr Andreas Kutschke hilf-
reich, meine Frau Natascha Altenbach versorgte mich mit aktueller Literatur und
historischen Quellen in gewohnter Qualität. Der Verlag gab alle notwendige Un-
terstützung, wobei stellvertretend Frau Ellen-Susanne Klabunde und Herr Thomas
Zipsner zu nennen sind. Es bleibt zu hoffen, dass das Buch weiterhin auf Resonanz
bei den Studierenden und Lehrenden trifft. Für Hinweise zur Weiterentwicklung des
Buches ist der Herausgeber der 10. Auflage dankbar.

Magdeburg, Lublin März 2012 Holm Altenbach


Vorwort zur 9. Auflage

Die Technische Mechanik gliedert sich traditionell im deutschsprachigen Raum in


die Teilgebiete Statik, Elastostatik und Kinetik. Dabei werden für die Teilgebiete
auch andere Bezeichnungen gewählt - der Teil Elastostatik wird als Festigkeitsleh-
re, der Teil Kinetik als Dynamik bezeichnet. Die Argumente für oder gegen die eine
oder andere Bezeichnung sollen hier nicht ausgetauscht werden. Der Untertitel Fes-
tigkeitslehre für den vorliegenden Band entspricht den Intentionen der ursprüngli-
chen Autoren und soll daher hier beibehalten werden. Gleichzeitig muss angemerkt
werden, dass einige Teile des vorliegenden Bandes nicht zur Elastostatik gehören.
Somit ist auch aus dieser Sicht die Bezeichnung Festigkeitslehre im Untertitel ge-
rechtfertigt.
Die Einteilung in die o.g. Teilgebiete wird nicht in allen Ländern gleich akzep-
tiert. Besonders deutlich wird dies im osteuropäischen Raum, wo die Lehrveran-
staltungen Theoretische Mechanik und Festigkeitslehre separat angeboten werden
und das gemeinsame Dach Technische Mechanik oftmals ignoriert wird. Dies ist in
Teilen der französisch geprägten Ingenieurausbildung gleichfalls üblich. Aber auch
in der anglo-amerikanischen Bildungslandschaft wird mit dem Kurs Mechanics of
Materials ein vom deutschen Ausbildungsprogramm abweichender Weg beschrit-
ten, da bei einer formalen Übersetzung das Gebiet Werkstoffmechanik stehen würde,
welches hierzulande grundsätzlich anders eingeordnet ist (s. u. a. [1; 40]).
Fasst man die Argumente zusammen, die für einen speziellen Band Festigkeits-
lehre sprechen, erkennt man sehr schnell, dass in der Festigkeitslehre andere Pro-
bleme als die in Statik und Kinetik behandelten Fragestellungen diskutiert werden.
Ausgehend von den Überlegungen zum Gleichgewicht von Körpern wird erstmals
auch das Problem behandelt, wie Aufgaben zu lösen sind, die in den Gleichge-
wichtsbedingungen eine Anzahl von Unbekannten enthalten, die die Anzahl der
Gleichungen übersteigen. Die notwendigen zusätzlichen Gleichungen erhält man
durch Einbeziehung der individuellen Eigenschaften der Körper, wobei in der Fe-
stigkeitslehre überwiegend die elastischen Eigenschaften der Verformbarkeit von
Körpern als zusätzliche Gleichungen in das System der zu lösenden Gleichungen
integriert werden.

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viii

Mit dem Übergang vom traditionellen Ausbildungssystem in Deutschland mit


den Diplomabschlüssen an Fachhochschulen und Universitäten zu den neuen akade-
mischen Graden BSc/MSc sowie BEng/MEng entsprechend dem Bologna-Prozess
macht sich auch ein Umdenken in den Ausbildungselementen erforderlich. Unstrit-
tig ist bei allen der Wunsch, die Qualität der Ausbildung in den Universitäten und
Fachhochschulen auch in Zukunft beizubehalten. Damit kann man die Festigkeits-
lehre als ein Modul bzw. Teilmodul der Mechanikausbildung für Ingenieure anse-
hen, wobei sicher die Programme des Maschinenbaus, des Bauingenieurwesens und
der Verfahrenstechnik Hauptimpulsgeber bleiben. Zahlreiche neue Fachrichtungen
und Studiengänge wie das Bioingenieurwesen, das Werkstoffingenieurwesen, aber
auch die Umwelttechnik werden jedoch auch neue Akzente setzen. Daneben müssen
zusätzlich die Programme interdisziplinärer Studiengänge wie das Wirtschaftsinge-
nieurwesen berücksichtigt werden.
Ungeachtet des hohen Qualitätsanspruchs wird jedoch auch der verfügbare Zeit-
rahmen für eine solide Mechanikausbildung zukünftig hinterfragt werden. Dem
Trend zu weiteren Kürzungen kann man nur entgegenwirken, in dem man die Be-
deutung der Technischen Mechanik im Allgemeinen und der Festigkeitslehre im
Speziellen als Lehrgebiet zur Schulung von Denkweisen des Ingenieurs hervorhebt.
Die Verantwortung der Studierenden, sich Kenntnisse selbst anzueignen, muss zu-
nehmen, d. h. die Nachfrage nach Lehrbüchern, die eine eigenständige Einarbeitung
in die Teilgebiete der Technischen Mechanik ermöglichen, sollte gleichfalls wach-
sen.
Das vorliegende Lehrbuch stellt zunächst hauptsächlich eine Überarbeitung des
Klassikers von Holzmann, Meyer und Schumpich dar. Das Besondere dieses Lehr-
buchs ist die Orientierung auf Ausbildungselemente der Technischen Mechanik, die
für Studierende des Maschinenbaus wichtig sind. Gleichzeitig wird auf Belange an-
grenzender Gebiete wie Konstruktionstechnik und Maschinenelemente eingegan-
gen. Diese Grundlinie wurde beibehalten. Bei der Vorbereitung und den ersten Ak-
tivitäten im Zusammenhang mit der neuen Auflage hat sich Kollege Holzmann noch
aktiv eingebracht, gesundheitliche Gründe ließen die Begleitung bis zum Schluss
nicht zu. Hauptziel war es, Kapitel- und Abschnittsanordnungen neu sowie Aktuali-
sierungen des Schriftsatzes, des Bildmaterials und der Bezüge vorzunehmen. Daher
wurde auch die Zuordnung der Festigkeitslehre zu Band 3 beibehalten - in den meis-
ten Büchern zur Technischen Mechanik im deutschsprachigen Raum wird die Fes-
tigkeitslehre als zweites Teilgebiet angesehen. Eine Ausnahme bildet u.a. [41; 42].
Dabei ist jedoch anzumerken, dass diese Lehrbücher einen sehr speziellen Zugang
zur Technischen Mechanik haben, der den Traditionen der ETH Zürich entspricht.
Unter Beachtung der Stellungnahmen zu den vorhergehenden Auflagen wurde die
Vielzahl der zahlenmäßig durchgerechneten Beispiele beibehalten. Damit erhalten
die Studierenden das Gefühl für Zahlenwerte und Einheiten. Gestrichen wurden le-
diglich Aufgaben, deren theoretische Basis herausgenommen wurde. Offensichtli-
che Fehler wurden korrigiert.
Gegenüber der 8. Auflage wurden jedoch auch Veränderungen vorgenommen.
Zunächst wurden die Ausführungen zu Modellverfahren in der Festigkeitslehre
(z. B. Spannungsoptik) ersatzlos gestrichen. Ein Blick in die aktuelle Lehrbuchli-
ix

teratur zeigt schnell, dass vor ca. 30 Jahren das letzte Lehrbuch zur Spannungsoptik
in deutscher Sprache erschienen ist. Das Thema wurde u.a. auch durch Entwicklun-
gen auf dem Gebiet der Methode der Finiten Elemente verdrängt. Die M OHR’schen
Spannungskreise haben heute auch an Bedeutung verloren, so dass sie durch das
Eigenwertproblem des Spannungstensors (Ermittlung der Hauptspannungen und -
richtungen) ersetzt wurden. Damit wurde der Tatsache Rechnung getragen, dass die
graphischen Methoden der Mechanik zunehmend durch analytische und/oder nu-
merische Methoden in der Praxis ersetzt werden. Die M OHR’sche Analogie ist auch
nicht mehr in allen Lehrprogrammen enthalten. Hier wurde daher gleichfalls eine
Kürzung vorgenommen. Im Kapitel 10 wurde das ω-Verfahren ersatzlos gestrichen,
da die das Verfahren begründete DIN entfallen ist. Wichtig erschien jedoch, dass das
Material um Ausführungen zur Differentialgleichung für die Biegelinie 4. Ordnung
sowie durch den zweiten Satz von C ASTIGLIANO ergänzt wird. Im Zusammenhang
mit den Ergänzungen wurde das bisherige Konzept von durchgerechneten Beispie-
laufgaben einschließlich Zahlenrechnung teilweise verlassen. Eine formelmäßige
Lösung scheint gewisse Vorteile zu haben, da sie die Aufmerksamkeit der Studie-
renden zunächst auf das Wesentliche konzentriert.
Das Kapitel über die Finite-Elemente-Methode wurde stark modifiziert, da hierzu
eine Vielzahl von eigenständigen Lehrbüchern in den letzten Jahren entwickelt wur-
de. Für den interessierten Leser sei für den Übergang von Technischer Mechanik zu
numerischen Verfahren nur auf die Bücher [15; 48] verwiesen, welche in besonders
einfacher Art in dieses Gebiet einführen. Der Leser, der sich mit der Methode der
Finiten Elemente vertieft beschäftigen möchte, kann das Kapitel 12 überspringen
und sofort die Spezialliteratur (z. B. [7; 8]) lesen.
Neue Tendenzen sind bisher nur partiell in das Buch eingegangen, insbesondere
die Verknüpfung mit der Werkstofftechnik/Werkstoffprüfung bzw. der Werkstoff-
mechanik lassen sich heute jedoch mit Hilfe [9; 40] finden. Weitergehende Vertie-
fungsmöglichkeiten kann der Leser u.a. in der kontinuumsmechanisch orientierten
Literatur des Teubner-Verlages (z. B. [2; 44]) erhalten.
Weiteren Auflagen wird es vorbehalten sein, die Verbindungen zu neuen Ausbil-
dungsprogrammen sowie Studieninhalten vorzunehmen. Es ist überflüssig zu strei-
ten, ob das vorliegende Buch mehr universitäts- oder fachhochschulorientiert auf-
gebaut ist - die breite Zielgruppe der klassischen und der neuen Studiengänge steht
im Mittelpunkt. Dabei ist sicher in Anlehnung an die bisherige Konzeption der Au-
toren die Lösung praktischer Probleme der Schwerpunkt. Ungeachtet dessen wird
auch versucht, die Theorie nicht völlig zu übergehen, da nur ein tiefes theoretisches
Verständnis hilft, neue Fragestellungen zu beantworten.
Eine Diskussion zu den Einheiten ist im Gegensatz zu anderen Büchern nicht auf-
genommen worden. Es wird davon ausgegangen, dass die Studierenden genügend
Informationen hierzu im Kurs Physik erhalten haben. Grundsätzlich basieren alle
Angaben im Buch auf den SI-Einheiten sowie die im Ingenieurbereich üblichen
Angaben. Neu ist, dass im Rahmen der Überarbeitung sämtliche Formel-, Bilder-
und Tabellennummern verändert wurden. Es bleibt zu hoffen, dass der Leser damit
zurechtkommt, dies akzeptiert und den Unterschied zu den Bänden 1 und 2 nicht als
störend empfinden.
x

Die Überarbeitung des Lehrbuchs wäre ohne meine Mitarbeiter nicht möglich ge-
wesen. Besonderer Dank gilt daher Frau Runkel (Schreibarbeiten) sowie Frau Ren-
ner und Frau Ullrich (Durchsehen der Aufgaben und Beispiele, Zeichenarbeiten),
Herrn Dyogtev und Herrn Pylypenko (Zeichenarbeiten) und Herrn Holweg (PC- und
Reprotechnik). Herrn Dr.-Ing. Feuchte sei für die Unterstützung bei den Verhand-
lungen zur Neubearbeitung und bei der verlagsseitigen Abwicklung des Projektes
gedankt. Ohne die spezielle Unterstützung von Herrn Harders wäre das Layout in
der vorliegenden Form nicht möglich gewesen - er hat zahlreiche Sonderwünsche
in den Teubner-LATEX-Style eingearbeitet. Erwähnt sollte abschließend Herr Kollege
Dreyer sein, der durch Korrekturlesen maßgeblich diesen Band geprägt hat und das
Projekt stets positiv begleitete.

Halle Januar 2006 Holm Altenbach

Nachsatz

Zahlreiche Autoren verschweigen heute, dass es neben ihrem eigenen Werk noch
weitere Bücher auf dem entsprechenden Gebiet, für das das eigene Buch geschrie-
ben wurde, gibt. Es sei daher erlaubt, dass folgende Bücher, die in den letzten Jahren
zur Begutachtung oder aus anderen Gründen bei mir eingingen, erwähnt werden sol-
len [10; 12; 13; 18; 23; 25; 28; 32; 33; 35; 48; 49]. Neben den bereits im Vorwort
erwähnten Büchern können diese allen Studierenden zum Lesen empfohlen werden.
Erst durch den Vergleich unterschiedlicher Darstellungen der gleichen Sachverhalte
wird das eigenständige Nachdenken angeregt. Um den Leser nicht zu beeinflussen,
habe ich bewusst keine Kommentare zu den einzelnen Werken gegeben. Daneben
sei noch darauf hingewiesen, dass man sich u.a. mit [14] oder dem Anhang in [48]
die englischen Fachtermini aneignen kann.
Sollte ich bei der Aufzählung das Werk eines Kollegen vergessen haben, kann
das verschiedene Gründe haben - der einfachste - das Übersehen einer aktuellen
Publikation beim Schreiben des Manuskripts - ist der wahrscheinlichste.
Inhaltsverzeichnis

1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.1 Aufgaben der Festigkeitslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.2 Beanspruchungsarten - Grundbeanspruchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.2.1 Zugbeanspruchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.2.2 Druckbeanspruchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
1.2.3 Schub- oder Scherbeanspruchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
1.2.4 Biegebeanspruchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
1.2.5 Torsionsbeanspruchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
1.2.6 Knickbeanspruchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
1.2.7 Zusammengesetzte Beanspruchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
1.3 Schnittmethode - Spannungen - Krafteinleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
1.4 Formänderungen - Zusammenhang mit den Spannungen . . . . . . . . . 11

2 Zug- und Druckbeanspruchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13


2.1 Zug- und Druckspannungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
2.2 Zugversuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
2.2.1 Spannungs-Dehnungs-Diagramm - Hooke’sches Gesetz . . . . 17
2.2.2 Elastisches Verhalten - Formänderungsarbeit . . . . . . . . . . . . . 20
2.2.3 Werkstoffkennwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
2.3 Druckversuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
2.3.1 Spannungs-Dehnungs-Diagramm - Hooke’sches Gesetz . . . . 27
2.3.2 Werkstoffkennwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
2.4 Berechnung von Bauteilen unter Zug- und Druckbelastung . . . . . . . . 29
2.4.1 Einfache Belastungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
2.4.2 Flächenpressung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
2.4.3 Spannungen in dünnwandigen zylindrischen Ringen . . . . . . . 38
2.4.3.1 Zugspannungen durch Fliehkräfte . . . . . . . . . . . . . . 38
2.4.3.2 Zug- und Druckspannungen in zylindrischen
Hohlkörpern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
2.4.4 Wärmespannungen - Schrumpfspannungen . . . . . . . . . . . . . . 42

xi
xii Inhaltsverzeichnis

2.4.5
Längs der Stabachse veränderliche Spannungen . . . . . . . . . . 45
2.4.5.1 Spannungen durch Eigengewicht . . . . . . . . . . . . . . . 47
2.4.5.2 Körper konstanter Zug- und
Druckbeanspruchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
2.4.5.3 Beanspruchung durch Fliehkräfte . . . . . . . . . . . . . . 50
2.5 Aufgaben zu Kapitel 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
2.6 Formelzusammenfassung Kapitel 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

3 Zulässige Beanspruchung und Sicherheit - Beurteilung des Versagens 57


3.1 Ruhende oder statische Beanspruchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
3.2 Schwingende oder dynamische Beanspruchung . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
3.2.1 Grenzspannung bei dynamischer Beanspruchung . . . . . . . . . 59
3.2.1.1 Ermittlung der Dauerfestigkeit im Versuch . . . . . . . 59
3.2.2 Einflüsse, die durch die elementare Berechnung nicht
erfasst sind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
3.2.2.1 Kerbwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
3.2.2.2 Versagen bei ruhender Beanspruchung unter
Kerbwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
3.2.2.3 Versagen bei schwingender Beanspruchung unter
Kerbwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
3.3 Anwendung auf Zug-Druck-Beanspruchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
3.4 Aufgaben zu Kapitel 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
3.5 Formelzusammenfassung Kapitel 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

4 Biegebeanspruchung gerader Balken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79


4.1 Flächenmomente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
4.1.1 Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
4.1.1.1 Flächenmomente 1. Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
4.1.1.2 Flächenmomente 2. Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
4.1.2 Flächenmomente 2. Ordnung für einfache Flächen . . . . . . . . 82
4.1.2.1 Rechteck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
4.1.2.2 Kreisring und Vollkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
4.1.2.3 Dreieck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
4.1.3 Abhängigkeit der Flächenmomente 2. Ordnung von der
Lage des Koordinatensystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
4.1.3.1 Parallelverschiebung des Koordinatensystems -
Satz von Steiner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
4.1.3.2 Flächenmomente 2. Ordnung zusammengesetzter
Flächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
4.1.3.3 Drehung des Koordinatensystems um den
Schwerpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
4.2 Gerade Biegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
4.2.1 Reine Biegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
4.2.2 Biegung bei veränderlichem Biegemoment . . . . . . . . . . . . . . . 109
4.2.3 Träger und Wellen konstanter Biegebeanspruchung . . . . . . . . 114
Inhaltsverzeichnis xiii

4.3 Schiefe oder allgemeine Biegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119


4.3.1 Biegespannungen und Nulllinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
4.3.1.1 Biegespannungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
4.3.1.2 Nulllinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
4.4 Zulässige Spannung und Sicherheit bei Biegung . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
4.4.1 Grenzspannung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
4.4.2 Kerbwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126
4.4.3 Versagen bei ruhender und schwingender Beanspruchung . . 127
4.4.4 Anwendung auf Biegebeanspruchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128
4.5 Aufgaben zu Kapitel 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132
4.5.1 Aufgaben zu Abschnitt 4.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132
4.5.2 Aufgaben zu Abschnitt 4.2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
4.5.3 Aufgaben zu Abschnitt 4.3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
4.5.4 Aufgaben zu Abschnitt 4.4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138
4.6 Formelzusammenfassung Kapitel 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140

5 Durchbiegung gerader Balken - Biegelinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141


5.1 Krümmung der Biegelinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141
5.2 Durchbiegung - Differentialgleichungen der Biegelinie . . . . . . . . . . . 142
5.2.1 Differentialgleichung 2. Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
5.2.2 Differentialgleichung 4. Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
5.3 Formänderungsarbeit bei der Biegung - Biegefedern . . . . . . . . . . . . . 161
5.4 Vergleichende Beurteilung von Biegespannung und Durchbiegung . 165
5.5 Durchbiegung bei schiefer Biegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168
5.6 Aufgaben zu Kapitel 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
5.7 Formelzusammenfassung Kapitel 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171

6 Statisch unbestimmte Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173


6.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
6.2 Starre Lagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
6.3 Satz von C ASTIGLIANO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
6.3.1 Energetische Betrachtungen zu verformbaren Systemen . . . . 179
6.3.2 Rechenschema zur Anwendung des 2. Satzes von Castigliano181
6.4 Elastische Lagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185
6.5 Einfluss der statisch unbestimmten Lagerung bei Wellen und Trägern188
6.6 Geschlossene Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
6.7 Aufgaben zu Kapitel 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194
6.8 Formelzusammenfassung Kapitel 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196

7 Torsion prismatischer Stäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197


7.1 Torsion gerader Stäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197
7.1.1 Schubspannung und Schubverformung - Hooke’sches
Gesetz - Formänderungsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199
xiv Inhaltsverzeichnis

7.1.2
Torsionsstäbe mit Vollkreisquerschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201
7.1.2.1 Schubspannungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202
7.1.2.2 Torsionswinkel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
7.1.3 Torsionsstäbe mit Kreisringquerschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204
7.1.4 Torsionsstäbe mit beliebiger Querschnittform . . . . . . . . . . . . . 209
7.1.4.1 Dünnwandige Hohlquerschnitte . . . . . . . . . . . . . . . . 210
7.1.4.2 Rechteck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214
7.1.4.3 Dünnwandige offene Profilquerschnitte . . . . . . . . . . 214
7.1.5 Kerbwirkung, Grenzspannungen und zulässige Spannung
bei Torsion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217
7.1.6 Formänderungsarbeit bei Torsion - Drehstabfedern . . . . . . . . 219
7.1.7 Vergleichende Beurteilung von Schubspannung und
Torsionswinkel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222
7.2 Torsionsbeanspruchung gekrümmter Stäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224
7.2.1 Zylindrische Schraubenfedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224
7.3 Aufgaben zu Kapitel 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231
7.3.1 Aufgaben zu Abschnitt 7.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231
7.3.2 Aufgaben zu Abschnitt 7.2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233
7.4 Formelzusammenfassung Kapitel 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234

8 Schubbeanspruchung durch Querkräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235


8.1 Einfache Scherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235
8.2 Schubspannungen durch Querkräfte bei Biegung . . . . . . . . . . . . . . . . 238
8.3 Abschätzung der Größenordnung der Schubspannung . . . . . . . . . . . . 243
8.4 Schubspannungen in Profilträgern - Schubmittelpunkt . . . . . . . . . . . . 245
8.5 Berechnung von genieteten und geschweißten Trägern . . . . . . . . . . . 250
8.6 Schubverformung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252
8.7 Aufgaben zu Kapitel 8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254
8.8 Formelzusammenfassung Kapitel 8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256

9 Zusammengesetzte Beanspruchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257


9.1 Einteilung und Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257
9.1.1 Zusammengesetzte Zug- oder Druck- und
Biegebeanspruchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258
9.1.2 Biegung stark gekrümmter Träger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267
9.1.3 Zusammengesetzte Schub- und Torsionsbeanspruchung . . . . 274
9.2 Spannungszustand - Geometrie der Spannungen . . . . . . . . . . . . . . . . 275
9.2.1 Geschlossene dünnwandige zylindrische und kugelförmige
Behälter unter innerem und äußerem Überdruck . . . . . . . . . . 277
9.2.2 Ebener - zweiachsiger - Spannungszustand . . . . . . . . . . . . . . 279
9.2.2.1 Abhängigkeit der Spannung von der
Schnittrichtung - Hauptspannungen . . . . . . . . . . . . 281
9.2.2.2 Mohr’scher Spannungskreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284
9.2.2.3 Beziehungen zwischen den Spannungen am
Flächenelement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285
Inhaltsverzeichnis xv

9.2.3 Räumlicher - dreiachsiger - Spannungszustand . . . . . . . . . . . . 287


9.3 Formänderungen des ebenen Spannungszustands . . . . . . . . . . . . . . . . 294
9.3.1 Allgemeines Hooke’sches Gesetz für den ebenen
Spannungszustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294
9.3.2 Beziehungen zwischen den isotropen Werkstoffkennwerten . 297
9.3.3 Volumenänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298
9.3.4 Abschätzung der Größenordnung der Querkontraktionszahl . 299
9.3.5 Dehnungsmessungen - Berechnung der Spannungen . . . . . . . 300
9.4 Festigkeitshypothesen - Versagen bei mehrachsiger
Beanspruchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302
9.4.1 Vergleichsspannung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304
9.4.1.1 Hypothese der größten Hauptspannung . . . . . . . . . . 305
9.4.1.2 Hypothese der größten Schubspannung . . . . . . . . . . 305
9.4.1.3 Hypothese der größten Gestaltänderungsenergie . . 305
9.4.2 Berechnungsgleichungen - Korrekturzahl nach von Bach . . . 306
9.5 Aufgaben zu Kapitel 9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310
9.5.1 Aufgaben zu Abschnitt 9.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310
9.5.2 Aufgaben zu Abschnitt 9.2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313
9.5.3 Aufgaben zu Abschnitt 9.3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313
9.5.4 Aufgaben zu Abschnitt 9.4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314
9.6 Formelzusammenfassung Kapitel 9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317

10 Knicken und Beulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319


10.1 Euler’sche Knickkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319
10.1.1 Außermittiger Kraftangriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319
10.1.2 Mittiger Kraftangriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322
10.1.3 Knicksicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324
10.1.4 Andere Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325
10.1.5 Knicken bei behinderter Wärmedehnung . . . . . . . . . . . . . . . . 329
10.2 Knickspannungsdiagramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331
10.3 Beulung dünnwandiger Hohlkörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334
10.3.1 Kreiszylinder unter Axialdruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334
10.3.2 Konstanter Außendruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336
10.4 Aufgaben zu Kapitel 10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337
10.5 Formelzusammenfassung Kapitel 10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339

11 Rotationssymmetrischer Spannungszustand in Scheiben . . . . . . . . . . . 341


11.1 Herleitung der Grundgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341
11.1.1 Gleichgewichtsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342
11.1.2 Verträglichkeitsbedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343
11.2 Dickwandige zylindrische Behälter unter Innen- und Außendruck . 344
11.2.1 Spannungsverteilung - Vergleichsspannung . . . . . . . . . . . . . . 345
11.2.1.1 Innendruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345
11.2.1.2 Außendruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346
11.2.2 Fließbeginn - vollplastischer Grenzzustand . . . . . . . . . . . . . . 351
xvi Inhaltsverzeichnis

11.2.3 Näherungsrechnung im teilplastischen Bereich -


Berechnungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353
11.2.4 Mehrlagenbehälter - Schrumpfverbindungen . . . . . . . . . . . . . 357
11.3 Aufgaben zu Kapitel 11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361

A Lösungen zu den Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363


A.1 Kapitel 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363
A.2 Kapitel 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365
A.3 Kapitel 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365
A.3.1 Abschnitt 4.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365
A.3.2 Abschnitt 4.2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367
A.3.3 Abschnitt 4.3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370
A.3.4 Abschnitt 4.4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371
A.4 Kapitel 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371
A.5 Kapitel 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372
A.6 Kapitel 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373
A.6.1 Abschnitt 7.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373
A.6.2 Abschnitt 7.2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374
A.7 Kapitel 8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375
A.8 Kapitel 9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375
A.8.1 Abschnitt 9.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375
A.8.2 Abschnitt 9.2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376
A.8.3 Abschnitt 9.3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377
A.8.4 Abschnitt 9.4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378
A.9 Kapitel 10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378
A.10 Kapitel 11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381

Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383
Kapitel 1
Einführung

1.1 Aufgaben der Festigkeitslehre

Die Festigkeitslehre - als Teilgebiet der Technischen Mechanik - behandelt das Ver-
halten verformbarer fester Körper unter dem Einfluss von äußeren Kräften und Mo-
menten. In der Statik und der Kinetik werden diese Körper im Allgemeinen als starr
vorausgesetzt. Innerhalb der Statik befinden sich die betrachteten Körper im Zustand
der Ruhe oder der gleichförmigen Bewegung, und die Kräfte und die Momente sind
im Gleichgewicht. Während in der Statik die Gleichgewichtsbedingungen am star-
ren Körper hergeleitet und die resultierenden Schnittgrößen (Längs- und Querkräfte,
Biege- und Torsionsmomente) mit deren Hilfe berechnet werden, wird in der Festig-
keitslehre nach der Verteilung dieser Beanspruchungs- oder Schnittgrößen im Innern
der Körper und nach der Verformung gefragt.
Aufgabe der Festigkeitslehre ist es, Berechnungsverfahren zu entwickeln, da-
mit die Kraftwirkungen im Inneren von Körpern und die dadurch hervorgerufenen
Formänderungen der Körper berechnet werden können. Weiter müssen Regeln zur
Beurteilung des Versagens und besonders zur Vermeidung des Versagens der aus
verschiedenen Werkstoffen bestehenden Körper angegeben werden. Diese Körper
stellen in der Regel komplizierte Bauteile von bestimmter Form und Abmessung
dar. Ihre Form muss für eine Berechnung oft vereinfacht werden. In der elementaren
Festigkeitslehre bevorzugt man das Modell linienförmiger Träger für reale Bautei-
le. Diese sind prismatische Körper mit gerader oder gekrümmter Längsachse, deren
Abmessung in Achsenrichtung wesentlich größer als die Querschnittsabmessungen
ist. Aber auch andere Formen sind möglich: Scheibe, Platte usw. Die entsprechen-
den Berechnungsmodelle werden oftmals in Lehrbüchern zur Höheren Festigkeits-
lehre [19] bzw. der Spezialliteratur (z. B. [3]) behandelt, wobei dominant die Me-
thoden der Festigkeitslehre, wie sie auch in diesem Buch behandelt werden, zum
Einsatz kommen. Bei Überbeanspruchung im Betrieb können Bauteile verschieden-
artig versagen, durch Bruch, durch unzulässig große Verformungen oder aber auch
durch Instabilität.

G. Holzmann et al., Technische Mechanik Festigkeitslehre, DOI 10.1007/978-3-8348-8101-4_1,


© Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
2 1 Einführung

Die Berechnungsverfahren der Festigkeitslehre beruhen auf den Gesetzen der


Statik und setzen ihre Regeln voraus. Die Berechnungsgleichungen der Festigkeits-
lehre werden für ideale homogene und isotrope Körper hergeleitet. Ein Körper ist
homogen, wenn er aus überall gleichartigem Werkstoff besteht; er ist isotrop, wenn
die Werkstoffeigenschaften in allen Punkten richtungsunabhängig sind. Die Bautei-
le der Technik sind jedoch aus realen Werkstoffen (Metalle, Kunststoffe, Holz usw.)
gefertigt. Nur gleichmäßig feinkörnige Werkstoffe sind annähernd homogen und
verhalten sich quasi-isotrop, d. h. näherungsweise isotrop. Ist dies nicht gegeben,
müssen die Elemente der Festigkeitslehre erweitert werden, d. h. die das Werkstoff-
verhalten kennzeichnenden Gleichungen sind zu modifizieren. Elementare Erweite-
rungen können beispielsweise [4] entnommen werden.
In jedem Fall können reale Werkstoffe nur begrenzte Beanspruchungen ertragen,
so dass die errechneten inneren Kraftwirkungen und Verformungen von Bauteilen
zulässig sein, d. h. unter einem gewissen Grenzwert bleiben müssen, damit Versagen
vermieden wird. Voraussetzung für eine möglichst wirklichkeitsgetreue und wirt-
schaftliche Festigkeitsberechnung sind daher auch Kenntnisse über die in der Tech-
nik verwendeten Werkstoffe. Die Werkstoffkunde vermittelt die Kenntnisse über die
Struktur-Eigenschaftsbeziehungen und die technologischen Behandlungsmöglich-
keiten der Werkstoffe. Die Werkstoffprüfung untersucht das Verhalten der Werkstof-
fe unter den verschiedenen Beanspruchungsarten, besonders den Zusammenhang
zwischen Kräften und Verformungen, sowie die Grenzbeanspruchungen, die zum
Versagen führen können. Die Verknüpfung der Festigkeitslehre mit der Werkstoff-
kunde und der Werkstoffprüfung ist somit unerlässlich und gibt diesem Fachgebiet
eine Sonderstellung innerhalb der Technischen Mechanik.
Die Aufgaben und Ziele der Festigkeitslehre können nunmehr zusammengefasst
werden:

Berechnung der inneren Kraftwirkung (der Beanspruchung) und der Verfor-


mung von Bauteilen sowie ein Vergleich mit zulässigen Werten.

Dabei sind folgende Teilaufgaben denkbar:


– Berechnung der Tragfähigkeit (der zulässigen Belastung) von Bauteilen bei ge-
gebenen Abmessungen und gegebenem Material,
– Ermittlung der erforderlichen Abmessungen (Dimensionierung) von Bauteilen
bei gegebenen Kräften und gegebenem Material sowie
– Werkstoffauswahl bei gegebenen Beanspruchungen und gegebenen Abmessun-
gen.
In allen Fällen ist zu beachten, dass Beanspruchungen und Verformungen nur so
groß sein dürfen, dass ein Versagen der Bauteile mit Sicherheit verhindert wird. Die
durch Versuche ermittelten Grenzbeanspruchungen der Werkstoffe (Werkstoffkenn-
werte) dürfen in den Bauteilen nicht erreicht und überschritten werden. Der Begriff
der Sicherheit spielt in der Festigkeitslehre eine große Rolle.
1.2 Beanspruchungsarten - Grundbeanspruchungen 3

Definition 1.1 (Sicherheit). Mit Sicherheit wird allgemein das Verhältnis einer
Grenzbeanspruchung des Werkstoffs (Werkstoffkennwert) zur errechneten Bean-
spruchung im Bauteil bezeichnet.
Die Sicherheit (auch Sicherheitsbeiwert) ist also eine Verhältniszahl, die immer
größer als 1 sein muss. Die geforderten Mindestwerte sind anwendungsspezifisch
(im Maschinenbau höher als in der Luft- und Raumfahrt).

1.2 Beanspruchungsarten - Grundbeanspruchungen

Die vielfältige Beanspruchung von Bauteilen lassen sich oft auf einige Grundfälle
zurückführen, die je nach Richtung und Wirkung der äußeren Kräfte unterschieden
werden. Die Bauteile werden geometrisch vereinfacht, zumeist als linienförmige
Bauteile, dargestellt. Letztere sind wie folgt definiert.
Definition 1.2 (Linienförmiges Tragwerk). Sind zwei geometrische Abmaße we-
sentlich kleiner als das dritte Abmaß, spricht man von einem linienförmigen Trag-
werk.
Die beiden wesentlich kleineren Abmaße kennzeichnen den Querschnitt. Das drit-
te Maß entspricht der Längsachse, wobei diese gerade oder gekrümmt sein kann.
Weitere Unterscheidungsmöglichkeit sind mit der Beanspruchungsart gegeben.
Definition 1.3 (Stab). Ein Stab ist ein linienförmiges Tragwerk mit gerader Längs-
achse und Beanspruchung in Achsenrichtung. Dabei wird die Längsachse verlän-
gert, verkürzt oder verdreht.

Definition 1.4 (Balken). Ein Balken ist ein linienförmiges Tragwerk mit gerader
Längsachse und Beanspruchung in Achsenquerrichtung. Dabei wird die ursprung-
lich gerade Längsachse gekrümmt.

1.2.1 Zugbeanspruchung

Zugbeanspruchung tritt in Bauteilen auf, die unter dem Einfluss äußerer Zugkräfte F
stehen. Derartige Bauteile werden Zugstäbe genannt (Abb. 1.1). Die Wirkungslinie
der Kräfte (s. Abschnitt 2.1 Kraft und ihre Darstellung in [17]) liegt in Richtung
der Stabachse. Beispiele für Zugstäbe sind Zugstangen, Fachwerkstäbe, Hängeseile,
Ketten, Schrauben sowie dünne umlaufende Ringe.

Abb. 1.1 Zugbeanspruchung


F F
(Zugstab)
4 1 Einführung

1.2.2 Druckbeanspruchung

In Bauteilen herrscht Druckbeanspruchung, wenn die äußeren Kräfte Druckkräfte


sind, also den Zugkräften entgegengesetzt gerichtet sind (Abb.1.2 a). Für die Be-
rechnung von Druckstäben wird eine Einschränkung bezüglich der Länge gemacht.
Sie sind auf Knicken zu berechnen (s. Abb. 1.6 und Kapitel 10), wenn ihre Länge
um ein Mehrfaches größer ist als die Querschnittsabmessungen.

Abb. 1.2 Druckbeanspruchung a) b) F


a) Druckstab
b) Flächenpressung F F

Zug- und Druckstäbe unterscheiden sich nur in der Richtung der wirkenden äuße-
ren Kräfte. Druckbeanspruchung ergibt sich aber auch bei der Berührung zwei-
er Bauteile unter einer Kraftwirkung (Flächenpressung, Abb. 1.2 b). Beispiele für
Druckstäbe sind kurze Säulen und Druckstempel; für Flächenpressung Fundamente,
Lager, Gelenke, Bolzen- und Nietverbindungen (Lochleibungsdruck) .

1.2.3 Schub- oder Scherbeanspruchung

Schub- oder Scherbeanspruchung tritt auf, wenn die äußeren Kräfte senkrecht zur
Längsachse der Bauteile gerichtet sind und auf der gleichen Wirkungslinie liegen
oder die Wirkungslinien nicht sehr weit voneinander entfernt sind. Beispiele sind
Niete (Abb. 1.3 a), Scherstifte (Abb. 1.3 b), kurze Zapfen (Abb. 1.3 c) sowie hohe
Stege von Kastenträgern und I-Profilen. Scherbeanspruchung ergibt sich auch beim
Blechschneiden oder beim Stanzen von Blechteilen (Abb. 1.3 d).

a) b)

F F
F
F
c) F d) F

Abb. 1.3 Schubbeanspruchung


a) Niet
b) Scherstift
c) kurzer Zapfen
d) Abscheren eines Bleches beim Stanzen
1.2 Beanspruchungsarten - Grundbeanspruchungen 5

1.2.4 Biegebeanspruchung

Wird ein Bauteil durch eine Kraft oder mehrere Kräfte senkrecht zu seiner Achse
oder durch Momente um Achsen quer zur Längsachse belastet und ist seine Länge
um mindestens eine Größenordnung größer als sein Querschnitt, wird es überwie-
gend auf Biegung beansprucht. Linienförmige Bauteile, die so belastet werden,
heißen Balken. Beispiele sind Wellen, Achsen, Konsolen, Decken- und Brücken-
träger (Abb. 1.4). Biegestäbe erfahren aber auch eine zusätzliche Schubbeanspru-
chung.Biegebeanspruchungen erzeugen in den betreffenden Bauteilen Verformun-
gen, die als Durchbiegung bezeichnet werden.

Abb. 1.4 Biegebeanspruchung a)


a) Freiträger F
b) zweifach gelagerte Welle
c) Belastungsschema einer
Achse
b)
F1 F2

F3

c)
F a a F

F F

1.2.5 Torsionsbeanspruchung

Wird ein Bauteil durch Kräftepaare in einer zu seiner Längsachse senkrechten Ebe-
nen belastet, erfährt es eine Torsions- oder auch Verdrehbeanspruchung (Abb. 1.5).
Beispiele sind Wellen, Drehstabfedern, zylindrische Schraubenfedern, Schrauben
beim Anziehen sowie Drehmomentschlüssel. Torsionsbeanspruchungen führen zu
Winkeländerungen bei Verdrehung.

2a
F

Abb. 1.5 Torsionsbeanspruchung


(Verdrehbeanspruchung) F
6 1 Einführung

1.2.6 Knickbeanspruchung

Bei einer Druckbeanspruchung schlanker Stäbe tritt Versagen durch seitliches Aus-
biegen (Knicken) ein, obgleich keine äußere Kraft senkrecht zur Stabachse wirkt
(Abb. 1.6). Die rechnerische Behandlung der Knickbeanspruchung stellt ein Sta-
bilitätsproblem dar. Ähnliche Probleme treten auch bei der Druckbeanspruchung
dünner Rohre und Schalen sowie bei Biege- und Verdrehbeanspruchung sehr dünner
Stäbe auf (Beulen, Biegeknicken, Drillknicken). Zu den Besonderheiten der Auf-
gaben zum Knicken gehört, dass die Gleichgewichtsbeziehungen am verformten
Bauteil aufzustellen sind. Die übrigen Aufgaben der Festigkeitslehre beruhen auf
Gleichgewichtsaussagen am unverformten Element.

Abb. 1.6 Knickbeanspruchung a) b)


F < Fkr
a) gerader Stab unter Längs- F  Fkr
kraftbelastung unterhalb der
kritischen Knicklast Fkr
b) Ausknicken in Folge
Längskraft nach Erreichen
der kritischen Knickkraft

Jede dieser bisher ausgeführten Beanspruchungsarten erzeugt in den betreffen-


den Bauteilen Verformungen, die für sie charakteristisch sind: Verlängerung bei
Zugstäben, Verkürzung und Ausbiegen bei Druckstäben, Winkeländerung bei Ver-
drehung, Durchbiegung bei Biegebeanspruchung.

1.2.7 Zusammengesetzte Beanspruchung

Sind zwei oder mehr Beanspruchungsarten in einem Bauteil gleichzeitig vorhan-


den, liegt zusammengesetzte Beanspruchung vor. Beispiele sind: Wellen (Biegung
und Verdrehung), Schrauben (Zug und Verdrehung), Rahmen (Biegung, Zug oder
Druck und Verdrehung), dünn- und dickwandige Rohre sowie Druckbehälter (Zug,
Druck und eventuell Biegung). Die Bewertung derartiger Zustände ist keine trivia-
le Aufgabe, da als Maß für die Beanspruchung nicht die Einzelbeanspruchungen
herangezogen werden können. Erst die Definition einer geeigneten Vergleichsbean-
spruchung, die unter anderem von den Werkstoffeigenschaften abhängig ist, lässt
eine Bewertung im Sinne der Grundaufgaben der Festigkeitslehre zu.
1.3 Schnittmethode - Spannungen - Krafteinleitung 7

1.3 Schnittmethode - Spannungen - Krafteinleitung

Die in der Statik verwendete Schnittmethode (s. [17], Kapitel 2 - Grundbegriffe und
Axiome der Statik starrer Körper) wird auch zur Lösung von Festigkeitsaufgaben
herangezogen. In der Statik werden mit dieser Methode die resultierenden Schnitt-
oder Beanspruchungsgrößen (Längs- und Querkräfte, Biege- und Verdrehmomente)
ermittelt.
Für die Festigkeitslehre wird die Schnittmethode wie folgt formuliert.
Definition 1.5 (Schnittmethode). Ein beliebig gestaltetes Bauteil, das unter der
Wirkung äußerer Kräfte und/oder Momente steht, wird geeignet geschnitten (Abb.
1.7 a). Ein Teilstück mit den daran angreifenden Beanspruchungen wird entfernt und
die Wirkungen der mit dem abgeschnittenen Teil entfernten äußeren Beanspruchun-
gen auf die Schnittfläche des stehengebliebenen Teils sind dann zu berücksichtigen
(Abb. 1.7 b).
Die resultierenden Schnittgrößen verteilen sich über die gesamte Schnittfläche als
innere Schnittkräfte, die mit den äußeren Kräften im Gleichgewicht stehen müssen.
Definition 1.6 (Spannung). Die inneren Schnittkräfte, bezogen auf die Schnitt-
fläche oder ein Teilstück derselben (Schnittflächenelement dA), definiert man als
Spannungen.
Die Spannung wird im Allgemeinen in der Einheit N/mm2 angegeben.
Definition 1.7 (Spannungsvektor). Unter einem Spannungsvektor1 σ versteht man
den Quotienten aus dem Vektor der Schnittkraft dFF und der zugehörigen Schnitt-
fläche dA
dFF
σ= .
dA
Spannungen sind wie Kräfte gerichtete Größen, also Vektoren2, und im Allgemei-
nen beliebig im Raum gerichtet. Befinden sich alle äußeren Kräfte in einer Ebene,

a) b)
F3
D
Abb. 1.7 Schnittmethode
F1
a) beliebig gestaltetes Bauteil F1
mit einem Schnitt von D nach dFi
E
b) linkes Teilstück mit den F4 dAi
inneren Kräften dFi in der
E
Schnittfläche, dAi Schnitt-
element F2 F2

1 Folgt man der Statik, kann man in Analogie auch Momentenspannungen einführen. Diese werden

jedoch in der Festigkeitslehre vernachlässigt.


2 Für Vektoren und Tensoren werden die Symbole fett gedruckt. Von anderen Darstellungen (Un-

terstreichungen, Pfeilsymbole) wird hier abgesehen.


8 1 Einführung

Abb. 1.8 Zerlegung des σ σn


Spannungsvektors σ in einen
normal gerichteten Vektor σn
und einen tangential gerichte-
ten Vektor τt

τt dA

dann liegen auch die Spannungsvektoren in der gleichen oder dazu parallelen Ebe-
ne. Für die Festigkeitsrechnung ist es zweckmäßig, den Spannungsvektor in zwei
Komponenten normal und tangential zur Schnittfläche zu zerlegen (Abb. 1.8).
Definition 1.8 (Normalspannung). Die Komponente des Spannungsvektors normal
zur Fläche heißt Normalspannung σ.

Definition 1.9 (Schubspannung). Die Komponente des Spannungsvektors tangen-


tial zur Fläche heißt Tangentialspannung (Schubspannung) τ.

Durch Multiplikation einer Spannung mit der zugehörigen Schnittfläche erhält man
umgekehrt die in dieser Fläche wirkende Normalkraft σ dA = dFn bzw. Tangential-
oder Schubkraft τ dA = dFt . Normalspannungen können Zug- oder Druckspannun-
gen sein, je nachdem, ob die Spannung an der Fläche zieht“ oder drückt“. Zur
” ”
Unterscheidung der Zug- und Druckspannungen können Indizes an die Formelzei-
chen geschrieben werden, σz (Zugspannung) oder σd (Druckspannung). Häufiger
jedoch ist die Unterscheidung durch ein Vorzeichen (+ für Zug-, − für Druckspan-
nungen). In Zeichnungen werden die Spannungen manchmal symbolisch angegeben
(Abb. 1.9). Eine Vorzeichenregelung für Schubspannungen hat nur für die Richtung
bezüglich der Schnittfläche Bedeutung (Abb. 1.10).
Die Schnittfläche dA wurde beliebig gewählt. Ihre Richtung bzw. Orientierung
im Raum ist durch die Flächennormale n gegeben. Diese muss nicht unbedingt mit

a) b)
+σ −σ

Abb. 1.9 Symbolische Dar-


stellung der Normalspannun-
gen zur Schnittfläche
a) Zug
b) Druck Schnittflächen

a) b)

Abb. 1.10 Symbolische Dar- +τ −τ


stellung der Schubspannun-
gen zur Schnittfläche
a) positiv
b) negativ Schnittflächen
1.3 Schnittmethode - Spannungen - Krafteinleitung 9

Abb. 1.11 Schnittfläche mit


Orientierung (Flächennorma-
le n ) und beliebig orientierter dA
Belastung dFF n

F
dF

der Richtung der beanspruchenden Kraft dFF übereinstimmen (Abb 1.11). Daher wird
zur Beschreibung der Spannungen in einem Körper eine neue Größe benötigt - der
Spannungstensor Σ . Es gilt das C AUCHY’sche3 Lemma [2]

σ = Σ ·n
n

mit · als Skalarprodukt. Für das C ARTESI’sche4 Koordinatensystem mit den Ein-
heitsvektoren e i (i = 1, 2, 3) folgt aus σ = σie i , n = nje j und Σ = Σije ie j

σi = Σij nj .

Für i = j folgen die Normalspannungen, für i = j - Schubspannungen.


Die errechnete Spannungsverteilung über eine Schnittfläche wird meist in ei-
nem Diagramm in Abhängigkeit von einer Querschnittskoordinate (in Richtung der
Breite oder der Höhe der Schnittfläche) dargestellt. Die Spannungen werden als Or-
dinaten abgelesen (Abb. 1.12).
Der Spannungsvektor σ (und mit ihm auch seine Komponenten σ und τ) ändert
sich, wenn man der Schnittfläche in Abb. 1.7 eine andere Richtung gibt. Geeig-
net oder vernünftig durchgeschnitten bedeutet, dass der Schnitt z. B. in Symmetrie-

σ τ
τ(z)
σ(y)

y z
dAi dAi

Abb. 1.12 Beispiel für die zeichnerische Darstellung des Spannungsverlaufs in Abhängigkeit von
den Querschnittskoordinaten y und z

3 AUGUSTIN L OUIS C AUCHY (∗ 21. August 1789 in Paris; † 23. Mai 1857 in Sceaux), Mathema-
tiker, Begründer der Elastizitätstheorie
4 R EN É D ESCARTES (latinisiert R ENATUS C ARTESIUS ; ∗ 31. März 1596 in La Haye en Touraine;

† 11. Februar 1650 in Stockholm), Philosoph, Mathematiker und Naturwissenschaftler


10 1 Einführung

a) a F F a b)
F F

a
h
l F l F
F F
Abb. 1.13 Auf Biegung beanspruchte Balken, gleichwertiger Spannungszustand im Abschnitt l
a) Belastung durch Kräfte senkrecht zur Längsachse
b) Belastung durch Kräfte in Richtung der Längsachse

richtungen des Bauteils (senkrecht zur Längsachse) oder senkrecht und parallel zur
Richtung der äußeren Kräfte geführt wird. Unter diesen Voraussetzungen ist der
rechnerische Aufwand für die Spannungsverteilung bei den verschiedenen Bean-
spruchungsarten verhältnismäßig gering, bei schiefen beliebigen Schnittrichtungen
ist er deutlich größer. Bedeutung haben die Spannungen in beliebigen Schnitten erst,
wenn die zusammengesetzte Beanspruchung behandelt wird. Dort wird auch der all-
gemeine Spannungszustand behandelt. Unter Spannungszustand versteht man die
Gesamtheit aller Spannungen in einem oder allen Punkten eines belasteten Körpers
in allen möglichen Richtungen.
Spannungen sind in Körpern nur möglich durch Bindungskräfte und Wechselwir-
kungen, die zwischen ihren Atomen wirksam sind. Im idealen Atomgitter der Me-
talle z. B. liegen die theoretischen Festigkeiten um ein Vielfaches über dem Wert,
den man im Zugversuch an einem Probestab feststellt. Metalle und andere in der
Technik verwendete Werkstoffe sind nicht ideal homogen und isotrop, sondern in
ihrem Atomaufbau sind immer Störstellen zu finden (Gitterfehler, Versetzungen,
Korngrenzen und nichtmetallische Einschlüsse in Metallen).
Bei den üblichen Berechnungsverfahren der Festigkeitslehre beschränkt man sich
im Gegensatz zur Elastizitätstheorie im Allgemeinen auf die Spannungsverteilung
in solchen Bereichen der Bauteile, in denen keine äußeren Kräfte angreifen. In
unmittelbarer Nähe dieser Kräfte weichen die wirklichen Spannungen oft erheb-
lich von den berechneten ab, und ihre Verteilung hängt sehr stark von der Art der
Krafteinleitung in das Bauteil ab. Bei der praktischen Festigkeitsberechnung im Ma-
schinenbau oder Bauwesen wird der Einfluss der Krafteinleitung vernachlässigt.
Dieses ist insofern zulässig, als diese örtlichen Spannungen sehr rasch abklingen
(Prinzip von DE S T. V ENANT5 ). In einem schlanken Biegebalken z. B. ist das Ab-
klingen etwa in einem Abstand von der Krafteinleitungsstelle erfolgt, der der halben
Höhe des Stabes entspricht. In den Abbildungen 1.13 a) und b) liegt der ungestörte
Spannungszustand in der angegebenen Strecke l vor. Trotz verschiedenen Lastan-
griffs sind bei gleichem Biegemoment Mb = Fa beide Spannungszustände gleich.

5A DH ÉMAR J EAN C LAUDE BARR É DE S AINT-V ENANT (∗ 23. August 1797 in Villiers-en-Bière,
Seine-et-Marne; † 6. Januar 1886 in St. Ouen, Loir-et-Cher), Ingenieur, Mathematiker und Physi-
ker, Professor an der École des Ponts et Chaussées in Paris, korrekte Herleitung der Navier-Stokes-
Gleichungen (1843, zwei Jahre vor Stokes), Kompatibilitätsbedingungen für die Verzerrungen,
Torsion, 1868 wurde er Mitglied der Académie des Sciences in der Sektion Mechanik
1.4 Formänderungen - Zusammenhang mit den Spannungen 11

a F F a

Abb. 1.14 Spannungsoptische Aufnahme des in Abb. 1.13 a) gezeigten Belastungsfalls

In gedrungenen Bauteilen kann bei konzentriertem Lastangriff ein beträchtlicher


Unterschied zwischen vereinfacht errechneter und tatsächlicher Spannungsvertei-
lung auftreten. Die Spannungsoptik ist ein Hilfsmittel, um Spannungszustände sicht-
bar zu machen. Mit ihrer Hilfe kann man das Abklingen der Krafteinleitungsspan-
nungen zeigen (Abb. 1.14).

1.4 Formänderungen - Zusammenhang mit den Spannungen

Wird ein Bauteil äußeren Kräften und Momenten ausgesetzt, machen sich diese im
Inneren in jedem Punkt als Spannungen bemerkbar. Unter dem Einfluss dieser Span-
nungen werden die Atome voneinander entfernt oder einander genähert. Kehren die
Atome nach Entfernung der äußeren Belastung wieder in ihre Ausgangslage zurück,
nennt man die mit der Lageänderung unter Last verbundene Verformung elastisch.
Diese elastische Verformung geht im Allgemeinen nur bis zu einem bestimmten
Grenzwert der äußeren Belastung. Werden bei darüber hinaus gehender Belastung
die Atome in ihrer gegenseitigen Lage bleibend verändert, spricht man von plasti-
scher oder bleibender Verformung. Werkstoffe, die nach elastischer noch zu plasti-
scher Verformung fähig sind, nennt man duktil (z. B. Eisen, Kupfer, Aluminium).
Werkstoffe, bei denen der Zusammenhalt der Atome untereinander bei Belastung
ohne bleibende Verformung getrennt wird, bezeichnet man als spröde (z. B. gehärte-
ter Stahl, Grauguss GG).
Elastische Verformungen sind im Allgemeinen klein im Vergleich zu plasti-
schen (Ausnahmen bei Gummi und thermoelastischen Kunststoffen), können aber
beim Biegen von dünnem Draht oder Band aus Metall auch große Werte anneh-
men. Bleibende Formänderungen können sehr groß werden, bei Stahl 30. . . 80%,
bei Kunststoffen über 100% der ursprünglichen Länge. Der Zusammenhang zwi-
schen äußerer Last und der Formänderung lässt sich nur versuchsmäßig erfas-
sen, er dient der Festigkeitsberechnung als Grundlage. Üblicherweise werden nur
elastische Verformungen vorausgesetzt. Da diese im Verhältnis zu den Abmessun-
gen der Bauteile fast immer sehr gering sind, werden die in die Festigkeitslehre
übernommenen Gleichgewichtsbedingungen der Statik ebenfalls am unverformten
12 1 Einführung

Körper aufgestellt (Ausnahme: Knicken und andere Stabilitätsprobleme, bei denen


die Verformung wesentlich ist und das Gleichgewicht für den verformten Zustand
aufgestellt wird). Hierbei ergibt sich oft die Situation, dass sich aus den Gleichge-
wichtsbedingungen nicht genügen Gleichungen ableiten lassen, um die Spannun-
gen zu berechnen. Die fehlenden Gleichungen gewinnt man aus den geometrisch
möglichen Formänderungen, die mit den Spannungen über versuchsmäßig ermit-
telte Gesetzmäßigkeiten (Stoff- oder Konstitutivgesetze) verknüpft werden. Diese
fehlenden Gleichungen heißen Verträglichkeitsbedingungen“ und bedeuten, dass

die elastischen Formänderungen mit den geometrisch möglichen verträglich sind.
Die Formänderungen dürfen den Zusammenhalt des Bauteils nicht stören, es dürfen
z. B. keine Klaffungen oder Überdeckungen auftreten.
Die exakte Lösung solcher Gleichungssysteme ist die Aufgabe der mathemati-
schen Elastizitätstheorie, in der technischen Festigkeitslehre trifft man häufig ein-
schränkende Annahmen und begnügt sich mit Näherungslösungen. Weitere Nähe-
rungslösungen lassen sich mit Hilfe der Methoden der numerischen Mechanik fin-
den.
Heute wird des öfteren auch das Verhalten bei plastischer Verformung mit in die
Festigkeitsberechnung einbezogen. Besonders bei ungleichmäßiger Spannungsver-
teilung (z. B. bei Biegung, an Kerben oder in dickwandigen Druckbehältern) führen
diese Überlegungen zu einer besseren Ausnutzung des Werkstoffs und zu einer wirt-
schaftlicheren Bauweise im Vergleich zu einer Auslegung mit rein elastischem Ma-
terialverhalten.
Kapitel 2
Zug- und Druckbeanspruchung

2.1 Zug- und Druckspannungen

Zur Berechnung der Spannungen in einem prismatischen Zugstab wendet man die
Schnittmethode (s. Abschnitt 1.3) an. Da die äußeren Kräfte F in Richtung der Stab-
achse zeigen, ist ein Schnitt senkrecht zur Stabachse als geeignet anzusehen. In
dieser Querschnittsfläche können nur Normalspannungen auftreten (Abb. 2.1), weil
Schubspannungen äußere Kräfte senkrecht zur Stabachse erfordern. Die Gleichge-
wichtsbedingung der Kräfte in Stablängsrichtung ergibt mit


n  
lim σi dAi = σ dA ⇒ σ dA − F = 0 . (2.1)
dA→0
n→∞ i=1

Geht man von der Annahme aus, dass die Spannungen gleichmäßig über die Quer-
schnittsfläche verteilt sind, dann ist σ = const. und aus Gl. (2.1) folgt

σ dA = σA = F . (2.2)

Damit lautet die Gleichung für die Zugspannung


F
σ= . (2.3)
A

a)
F F
Abb. 2.1 Zugstab
a) Schnitt
b) Geschnittener Zugstab mit
Normalspannungen σ in der b) σ c)
Schnittfläche F A σi
c) durch σi beanspruchte dAi
Elementarfläche A

13

G. Holzmann et al., Technische Mechanik Festigkeitslehre, DOI 10.1007/978-3-8348-8101-4_2,


© Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
14 2 Zug- und Druckbeanspruchung

Die Annahme gleichmäßiger Spannungsverteilung ist zutreffend, wenn sich die


Querschnittsflächen entlang der Stabachse nicht oder nur wenig ändern und wenn
man den Bereich in der Nähe der Krafteinleitung außer Acht lässt. Die letzte Aus-
sage folgt aus dem Prinzip von DE S T. V ENANT:

An Stellen, an denen eine Krafteinleitung erfolgt, können örtlich un-


gleichmäßige Spannungsverteilungen auftreten, die aber in der Berechnung
vernachlässigt werden, da diese sehr schnell abklingen.

Bei plötzlichem Querschnittssprung ist die Spannungsverteilung ungleichmäßig (s.


Abschnitt 3.2.2).
Druckbeanspruchung erhält man durch Richtungsumkehr der äußeren Last F.
Aus Gl. (2.3) folgt somit die Gleichung für die Druckspannung in einem Druck-
stab
F
σ=− . (2.4)
A
Die Spannungen in Zug- und Druckstäben müssen zulässig sein. Der maximale Wert
der Spannung, der zulässig ist, folgt aus der Festigkeitsbedingung mit der zulässigen
Spannung σzul (s. Kapitel 3)
|F|
|σ| =  σzul . (2.5)
A
Aus Gl. (2.5) folgt für die Tragfähigkeit

|Fzul |  Aσzul (2.6)

und für die Dimensionierung


|F|
Azul  . (2.7)
σzul
Die Gln. (2.5) bis (2.7) entsprechen den Grundaufgaben der Festigkeitslehre (Ab-
schnitt 1.1) und gelten auch für Druckstäbe, sofern diese gedrungen sind und die
zulässigen Spannungen für Zug und Druck gleich sind. Für schlanke Stäbe ist ei-
ne Berechnung auf Knicken erforderlich (s. Kapitel 10). Die Vorzeichen + oder −
werden im Allgemeinen nicht angegeben, wenn eindeutig zu erkennen ist, ob es
sich um Zug- oder Druckstäbe handelt. Die Berechnung der zulässigen Spannung
σzul bei Zug- und Druckbeanspruchung wird im Kapitel 3 behandelt.
Beispiel 2.1 (Zugspannung in einer Stahlstange).
Eine Stahlstange, Durchmesser d = 50 mm, wird mit F = 300 kN auf Zug bean-
sprucht. Man berechne die Zugspannung σ.
Lösung 2.1
Für d = 50 mm ist A = (π/4)d2 = 1 963,5 mm2 ≈ 1 964 mm2 . Gleichung (2.3) ergibt dann die
Zugspannung
F 3 · 105 N N
σ= = = 152,8 ≈ 153 MPa .
A 1 964 mm2 mm2
2.1 Zug- und Druckspannungen 15

Beispiel 2.2 (Tragfähigkeit eines Zugstabes).


Wie groß ist die Tragfähigkeit eines Zugstabes (Stahl S235JR, σzul = 140 N/mm2 )?
Für den Stab ist warmgewalzter gleichschenkliger rundkantiger Winkelstahl 60 × 6
nach DIN EN 10 056-1 vorgesehen.
Lösung 2.2
Einer Profiltabelle in [22] entnimmt man A = 6,91 cm2 . Die Tragfähigkeit wird nun aus Gl. (2.6)
berechnet
N
Fzul = Aσzul = 691 mm2 · 140 = 96,7 · 103 N .
mm2
Die Zugkraft in dem Winkelstahl darf somit rund 96.7 kN nicht überschreiten.

Beispiel 2.3 (Dimensionierung einer Schraube).


Eine Stahlschraube mit metrischem ISO-Gewinde nach DIN 13 wird mit einer Zug-
kraft F = 125 kN beansprucht. Welche Schraubengröße ist zu wählen, wenn die
zulässige Spannung σzul = 120 N/mm2 beträgt?
Lösung 2.3
Für die Berechnung denkt man sich die Schraube durch einen zylindrischen Stab mit dem Durch-
messer des Gewindekernquerschnitts ersetzt. Aus Gl. (2.7) erhält man

F 1,25 · 105 N
A = = 1 042 mm2 .
σzul 120 N/mm2

Einer Gewindetabelle [22] entnimmt man das Gewinde M42 mit Kernquerschnitt A3 = 10,45 cm2 .
Der Spannungsnachweis erfolgt mit Gl. (2.3)

F 1,25 · 105 N N
σ= = = 120 .
A3 1 045 mm2 mm2

Mit dem Spannungsquerschnitt AS = 11,21 cm2 [22] ergibt sich die Spannung zu 111,5 N/mm2 .

Beispiel 2.4 (Zugstab mit schwach veränderlichem Querschnitt).


Für einen einseitig eingespannten, schlanken Zugstab mit schwach linear veränder-
lichem Querschnitt, der am freien Ende mit einer Zugkraft F beansprucht wird
(Abb. 2.2), sind die Verschiebungen zu ermitteln. Gegeben sei der Elastizitätsmo-
dul E, die Stablänge l sowie die Funktion für den Querschnitt in Abhängigkeit der
Stabachsenkoordinate x  x 
A(x) = A0 1 − .
20l
Dabei ist A0 der Querschnitt an der Einspannstelle.

A0
F
x
19
A0
20
l

Abb. 2.2 Zugstab mit schwach veränderlichem Querschnitt


16 2 Zug- und Druckbeanspruchung

Lösung 2.4
Für Referenzzwecke soll zunächst die analytische Lösung abgeleitet werden, die man in diesem
Fall exakt angeben kann. Mit der konstanten Längskraft F erhält man die Normalspannung zu

F
σ(x) = ,
A(x)

welche dann zunächst in eine Bestimmungsgleichung für die Verschiebungen eingeht

σ(x) F
du = dx = dx .
E EA(x)

Die Integration führt dann auf


x
F dx̃ 20Fl  x 
u(x) − u(0) = =− ln 1 − .
EA0 x̃ EA0 20l
0 1−
20l
Die Verschiebung des freien Endes folgt damit zu
 
20Fl l Fl Fl
u(l) = − ln 1 − = 1, 02586 ≈ 1, 026 .
EA0 20l EA0 EA0

Der Zugstab mit konstantem Querschnitt führt im Falle des Querschnittsmaßes A0 an der Ein-
spannstelle auf
Fl
u(l) =
EA0
bzw. im Falle des Querschnittsmaßes 19A0 /20 am freien Ende

20Fl Fl
u(l) = = 1, 053 .
19EA0 EA0

Nimmt man das Querschnittsmaß 39A0 /40 in der Mitte, folgt

40Fl Fl
u(l) = = 1, 026 .
39EA0 EA0
Man erkennt, dass die exakte Lösung von einem oberen Wert (entsprechend dem kleineren Quer-
schnitt) und einem unteren Wert (entsprechend dem größeren Wert) eingeschränkt wird. Der dritte
Wert stimmt in den ersten vier Ziffern (1, 02564 gegen 1, 02587) mit der exakten Lösung überein.
Nimmt man jedoch weitere Kommastellen hinzu, erkennt man auch hier eine Abweichung. Die
Ursache hierfür ist, dass die Theorie der Zugstäbe zunächst nur exakt ist für Zugstäbe konstanter
Querschnittsabmaße. Die erste Lösung entspricht dem Fall veränderlichen Stabquerschnittes.

2.2 Zugversuch

Der Zugversuch gehört zu den Grundversuchen der Werkstoffprüfung. Gleichzeitig


ist die Analyse des Zugversuchs vom Standpunkt der Technischen Mechanik von
besonderem Interesse. Daher wird nachfolgend der Zugversuch aus unterschiedli-
chen Blickwinkeln analysiert. Dabei wird ein Grundbeanspruchungsfall der Festig-
keitslehre betrachtet. Daneben werden wichtige Werkstoffkennwerte eingeführt.
2.2 Zugversuch 17

2.2.1 Spannungs-Dehnungs-Diagramm - Hooke’sches Gesetz

Das Verhalten von Werkstoffproben bei Zugbeanspruchung prüft man im Zugver-


such entsprechend DIN EN 10 0021. Ein genormter Zugstab (Abb. 2.3), z. B. aus
Stahl (DIN 50 125) mit zylindrischem Prüfquerschnitt (Durchmesser d0 ), wird in
einer Prüfmaschine bis zum Zerreißen belastet. Dabei wird die Kraftzunahme ver-

d0
Abb. 2.3 Genormter Propor-
tionalstab für Zugversuche

L0

folgt. An einer vorbereiteten Anfangsmesslänge L0 misst man die mit der Kraft
F zunehmende Verlängerung ΔL, d. h. die Differenz aus aktueller Länge L und L0 .
Der Durchmesser nimmt um Δd ab (Abb. 2.4), da sich Δd aus der Differenz von ak-
tuellem Durchmesser d und Anfangsdurchmesser d0 ergibt. Um von den absoluten
Maßen des Zugstabs unabhängige Größen zu erhalten, bezieht man die Längenände-
rung ΔL auf die Anfangsmesslänge L0 sowie die Durchmesseränderung Δd auf den
Durchmesser d0 . Dabei sind die Vorzeichen von ΔL und Δd von Bedeutung, da sie
eine eindeutige Interpretation der Ergebnisse zulassen.
Definition 2.1 (Technische Dehnung). Als technische Dehnung bzw. Ingenieurdeh-
nung ε wird der Quotient aus Längenänderung zu Anfangsmesslänge bezeichnet

ΔL
ε= .
L0
Bei Zug wird die Länge L in Folge der Beanspruchung größer als die Anfangs-
messlänge L0 , daher sind die Verlängerung ΔL und die Dehnung ε positiv.
Definition 2.2 (Querkontraktion). Als Querkontraktion (Querdehnung) εq wird
der Quotient aus Durchmesseränderung zu Anfangsdurchmesser bezeichnet
Δd/2
d0

Abb. 2.4 Elastische Ver-


formung der zylindrischen L0 ΔL
Messstrecke eines Zugstabes

1Die nach DIN EN 10 002 ermittelten Kennwerte mit der Dimension Spannung werden mit dem
Buchstaben R statt σ, die mit der Dimension Dehnung mit dem Buchstaben A statt ε bezeichnet.
Dem wird auch hier Rechnung getragen.
18 2 Zug- und Druckbeanspruchung

Δd
εq = .
d0
Dabei ist zu beachten, dass der Anfangsdurchmesser d0 größer als der Durchmesser
in Folge der Beanspruchung d ist, d. h. Δd und die Querdehnung εq sind negativ.
Unabhängig von der Verjüngung des Stabes ist die Zugspannung im Zugversuch
als das Verhältnis der Zugkraft F zum Ausgangsquerschnitt A0 definiert.
Definition 2.3 (Technische Spannung). Als technische Spannung bzw. Ingenieur-
spannung bei Zugbeanspruchung wird der Quotient aus Zugspannung zu Ausgangs-
querschnitt bezeichnet
F
σ= .
A0
Ein anschauliches Bild über das Verhalten einer Probe unter Zugbeanspruchung
erhält man, wenn man die Spannung σ über die Dehnung ε aufträgt. Man gelangt
so zum Spannungs-Dehnungs-Diagramm für die technischen Spannungen und Deh-
nungen. Abbildung 2.5 zeigt ein für zähen Baustahl typisches Diagramm. Man er-
kennt daraus, dass bei kleiner Dehnung zunächst bis zum Punkt P die Dehnung
proportional zur Spannung zunimmt. Bei Entlastung geht die Dehnung ebenfalls
proportional zurück. In Abschnitt 1.4 wurde dieses Verhalten als elastisch bezeich-

a) F
σ=
A0 b)
Ag Ae

c)
E
P
Rm

σZ
Re
σE

σP

0 A (A5 oder A10 ) ΔL


ε=
L0
Abb. 2.5 Verhalten einer Probe bei Zugbeanspruchung (Erklärung der Symbole in Abschnitt 2.2.3)
a) Spannungs-Dehnungs-Diagramm eines Baustahls
b) gleichmäßige Verjüngung der Messstrecke bis zum Erreichen der Höchstlast
c) Einschnürung nach Überschreitung der Höchstlast
2.2 Zugversuch 19

net, es wurde erstmalig von H OOKE (1678)2 untersucht. Der Anstieg der so genann-
ten H OOKE’schen Geraden 0P ist für jeden Werkstoff eine spezifische Größe. Die
Proportionalität zwischen Spannung und Dehnung lässt sich durch die Gleichung

σ = Eε . (2.8)

ausdrücken. Der Proportionalitätsfaktor E wird Elastizitätsmodul genannt und ist


das Maß für den Anstieg der Geraden 0P. Er ist konstant, wenn die Prüfbedingun-
gen konstant sind. Gleichung (2.8) wird als H OOKE’sches Gesetz bezeichnet. Es
dient als Grundlage zur Ermittlung der Spannungen in Bauteilen bei elastischen
Formänderungen.
Zahlenwerte für E-Moduln können z. B. [9; 22] entnommen werden, für aus-
gewählte Werkstoffe sind diese in Tabelle 2.1 angegeben. Durch Versuche hat man
auch festgestellt, dass im Bereich der H OOKE’schen Geraden das Verhältnis der
Dehnung ε zur Querkontraktion εq konstant ist (P OISSON’sches3 Gesetz)
ε
  = m.
εq 

Die P OISSON’sche Konstante4 m ist ebenfalls eine werkstoffabhängige Zahl und


liegt für Metalle im Allgemeinen zwischen 3 und 4. Häufiger wird jedoch das
Verhältnis von Querkontraktion zu Längsdehnung angegeben

Tabelle 2.1 Elastizitätsmodul (in N/mm2 ), Querkontraktionszahl (dimensionslos) und Wärmeaus-


dehnungskoeffizient (in 10−6 K−1 ) für ausgewählte Werkstoffe
Werkstoff Elastizitätsmodul Querkontraktionszahl Wärmeausdehnungskoeffizient

Stahl 1, 9 . . .2,14 · 105 0, 28 . . . 0, 33 12 . . . 15


Eisen, rein 2,12 · 105 0, 27 12
Grauguss 0, 63 . . . 1,3 · 105 0, 25 9
Aluminium 0, 69 . . . 0,72 · 105 0, 31 . . . 0, 34 20 . . . 24
Blei 0, 16 . . . 0,2 · 105 0, 45 28 . . . 29, 3
Kupfer 1,24 · 105 0, 33 16
Wolfram 3,55 · 105 0, 35 4, 5
Glas 0, 4 . . .0,9 · 105 0, 2 . . .0, 29 2, 5 . . .10
Polystyren 4 · 103 0, 32 30
Epoxidharz 3,5 · 103 0, 36 60 . . . 70

2 ROBERT H OOKE (∗ 18. Juli (jul.)/ 28. Juli 1635 (greg.) in Freshwater, Isle of Wight; † 3. März

1702 (jul.)/ 14. März 1703 (greg.) in London), Universalgelehrter (hauptsächlich auf den Gebie-
ten Physik, Mathematik und Biologie), Elastizitätsgesetz (als Anagramm ceiiinosssttuu“, d. h. ut

tensio sic uis bzw. wie die Dehnung, so die Kraft), Kurator und Sekretär der Royal Society
3 S IM ÉON D ENIS P OISSON (∗ 21. Juni 1781 in Pithiviers, Département Loiret; † 25. April 1840

in Paris), Physiker und Mathematiker, Professor an der École Polytechnique, Poisson-Verteilung,


adiabatische Zustandsänderung, Poisson-Zahl
4 Korrekterweise müsste hier der Begriff Parameter stehen, da alle Werkstoffkennwerte nicht kon-

stant sind, sondern z. B. von der Temperatur abhängen.


20 2 Zug- und Druckbeanspruchung
εq
ν=− . (2.9)
ε
Dabei wird der Reziprokwert von m, die P OISSONzahl oder die Querkontraktions-
zahl ν = 1/m, verwendet. Sie beträgt im Durchschnitt für Metalle im geschmiede-
ten oder gewalzten Zustand 0, 25 . . .0, 35. Beispiele können Tabelle 2.1 entnommen
werden.
Bei weiterer Steigerung der Kraft über P hinaus (Abb. 2.5) weicht die Spannungs-
Dehnungs-Kurve von der Geraden ab. Die Dehnungen nehmen bei gleicher Kraft-
steigerung stärker zu als im elastischen Bereich. Nach Überschreiten eines Höchst-
wertes der Kraft FB = Fm reißt der Stab bei FZ auseinander (s. Abschnitt 2.2.3).
Da der Zugstab nach Überschreiten des Höchstwertes FB eine signifikante Ein-
schnürung erfährt, ist die Angabe der Spannung bezogen auf den Ausgangsquer-
schnitt nicht mehr zulässig. Bei Angabe der wahren Spannungen, die auf den aktu-
ellen Querschnitt bezogen werden, würde das Spannungs-Dehnungs-Diagramm im
letzten Teil ansteigen. Weitere Ausführungen zum Spannungs-Dehnungs-Diagramm
des Zugversuches kann man z. B. [9; 22] entnehmen.

2.2.2 Elastisches Verhalten - Formänderungsarbeit

Das elastische Verhalten eines Werkstoffs ist von grundlegender Bedeutung für die
Festigkeitslehre, da die überwiegende Anzahl von Problemen der Praxis unter der
Voraussetzung linear-elastischen Verhaltens gelöst wird. Aus dem H OOKE’schen
Gesetz können eine Reihe von Schlussfolgerungen gezogen werden. Die Gl. (2.8)
sagt z. B. aus, dass in einem Bauteil unter Zugbelastung bei bekanntem E-Modul
aus einer unter Kraft F gemessenen Dehnung ε die Spannung σ berechnet werden
kann. Ist F nicht bekannt, was häufig vorkommt, kann die Kraft bestimmt werden

F = σA = EεA .

Löst man Gl. (2.8) nach E auf, dann folgt


σ
E= . (2.10)
ε
Mit Hilfe dieser Gleichung kann an einem Probestab aus der Kraft F und der gemes-
senen Dehnung ε der E-Modul eines Werkstoffs ermittelt werden.
Löst man schließlich Gl. (2.8) nach ε auf, dann ist
σ
ε= . (2.11)
E
Hieraus kann man die Dehnung in einem Zugstab bei gegebener Kraft F und be-
kanntem Elastizitätsmodul vorausberechnen. Für eine bestimmte Länge l des Stabes
folgt aus Gl. (2.11) mit ε = Δl/l und σ = F/A die Verlängerung
2.2 Zugversuch 21

Fl
Δl = . (2.12)
EA
Mit dieser Gleichung kann man die zu erwartende Verlängerung eines Zugstabes
von gegebener Länge ermitteln. Das Produkt EA wird auch als Dehnsteifigkeit be-
zeichnet.
Beispiel 2.5 (Zugkraft und Verlängerung in einer Stange).
Eine Stange (d = 10 mm, l = 1000 mm) wird mit der Spannung σ = 105 N/mm2
beansprucht. Wie groß sind die Zugkraft F und die Verlängerung Δl, wenn die Stan-
ge aus Stahl bzw. aus der Legierung AlMgSi nach DIN 1 725 gefertigt ist?
Lösung 2.5
Gleichung (2.3) ergibt
N
F = σA = 105 · 78, 5 mm2 ≈ 8 250 N = 8, 25 kN.
mm2

Für Stahl mit E = 2,1 · 105 N/mm2 wird nach Gl. (2.12)

Fl 8 250 N · 1 000 mm
Δl = = = 0, 5 mm.
EA 2,1 · 105 (N/mm2 ) · 78, 5 mm2

Mit E = 0,7 · 105 N/mm2 für AlMgSi wird die Verlängerung Δl = 1, 5 mm, also dreimal so groß
wie die der Stahlstange bei gleicher Zugkraft F.

Die Eigenschaft eines Körpers, nach Entlasten seine ursprüngliche Form wieder an-
zunehmen, nutzt man bei elastischen Federn aus. Auch ein Zugstab kann als Feder
mit sehr kleinem Federweg angesehen werden (rheologisches Analogiemodell). Das
Verhältnis Federkraft F zum Federweg, hier Verlängerung Δl, nennt man Federkon-
stante5 c
F
c= . (2.13)
Δl
Aus Gl. (2.12) erhält man dann für den Zugstab

A
c=E . (2.14)
l
Die Federkonstante des Zugstabes ist also dem Elastizitätsmodul und dem Verhält-
nis Querschnitt zur Länge proportional. Praktische Anwendung finden Zugstabfe-
dern z. B. als Dehnschrauben und Zuganker.
Wird eine Zugfeder belastet, ist die dazu aufgewendete Arbeit der äußeren Kräfte
in ihr als Formänderungsarbeit gespeichert. Nimmt die Verlängerung Δl proportio-
nal mit der Kraft F zu, ist die Arbeit (s. [16], Abschnitt 2.2.1 Arbeit einer Kraft)
1
W = F Δl . (2.15)
2
Mit F = σA und Δl = ε l erhält man aus Gl. (2.15)

5 Diese Größe ist wie die Werkstoffkennwerte gleichfalls nicht konstant.


22 2 Zug- und Druckbeanspruchung

1
W = σεAl. (2.16)
2
Ersetzt man noch die Dehnung ε aus Gl. (2.11) und Al = V, ergibt sich

σ2
W= V. (2.17)
2E
In Gl. (2.17) ist V das wirksame Federvolumen. Für die Formänderungsarbeit eines
elastisch verformten Körpers kann man die allgemeine Beziehung

W = ηF ΔW V (2.18)

angegeben. In dieser Gleichung bedeuten ηF die Raumzahl (Ausnutzungsgrad) und

σ2
ΔW = (2.19)
2E
die spezifische (auf die Volumeneinheit bezogene) Formänderungsarbeit. Die Ar-
beit der äußeren Kräfte ist gleich der Formänderungsarbeit; durch Vergleich der
Gl. (2.17) mit Gl. (2.18) erkennt man, dass für einen Zugstab mit gleichmäßiger
Spannungsverteilung ηF = 1 ist, das Volumen des Zugstabes wird zu 100% ausge-
nutzt. In Federn mit ungleichmäßiger Spannungsverteilung ist ηF < 1, das Volumen
wird somit unvollständig ausgenutzt.
Beispiel 2.6 (Formänderungsarbeit und Federkonstante einer Zugstange).
Für die Zugstange mit gleichmäßiger Spannungsverteilung (ηF = 1) aus Beispiel
2.5 berechne man die spezifische und die gesamte Formänderungsarbeit sowie die
Federkonstante.
Lösung 2.6
Nach Gl. (2.19) ist
 
σ2 (1,05 · 102 N/mm2 )2 Nmm Arbeit
ΔW = = = 0,026 = .
2E 2 · 2,1 · 105 N/mm2 mm3 Volumen

Mit V = Al = 78, 5 mm2 · 1000 mm = 7, 85 · 104 mm3 ergibt sich nach Gl. (2.18) die insgesamt
aufgespeicherte Formänderungsarbeit

Nmm
W = ηF ΔWV = 1 · 0,026 · 7,85 · 104 mm3 = 2 041 Nmm ≈ 2,041 Nm .
mm3
Das gleiche Ergebnis erhält man auch aus Gl. (2.15)

1
W= FΔl = 0, 5 · 8 250 N · 0, 5 mm = 2 062,5 Nmm ≈ 2, 062 Nm .
2
Diese Zahlenergebnisse gelten für den Stahlstab, für den legierten Aluminiumstab sind die Beträge
wegen der dreifachen Verlängerung dreimal so groß. Die Federkonstante für den Stahlstab ist nach
Gl. (2.13)
F 8 250 N N
c= = = 16 500 .
Δl 0, 5 mm mm
Für den Aluminiumstab ergibt sich c = 5 500 N/mm.
2.2 Zugversuch 23

2.2.3 Werkstoffkennwerte

Das Spannungs-Dehnungs-Diagramm für zähen Baustahl (Abb. 2.5) weist eine Rei-
he von typischen Merkmalen auf. Oberhalb vom Punkt P weicht die Kurve von der
H OOKE’schen Geraden ab. Dies bedeutet zunehmende plastische (bleibende) Ver-
formung, d. h. nach Entlasten auf σ = 0 geht die Kurve parallel zur H OOKE’schen
Geraden um den Betrag εe zurück, die Messstrecke hat eine bleibende Dehnung er-
fahren (Abb. 2.6). Dem Diagramm werden eine Reihe wichtiger Werkstoffkennwerte
entnommen, die im Folgenden kurz zusammengestellt und erläutert werden sollen6 .
Die Spannungen in den Punkten P und E (Abb. 2.5) heißen

FP
Spannung an der Proportionalitätsgrenze σP = ,
A0

FE
Spannung an der Elastizitätsgrenze σE = .
A0

Bis zur Spannung σP sind Spannung σ und Dehnung ε einander proportional. Die
bis zur Spannung σE nach Entlasten auftretenden geringen bleibenden Formände-
rungen sind messtechnisch schwer erfassbar. Deshalb wird als technische Spannung
an der Elastizitätsgrenze die Dehngrenze bei nichtproportionaler Dehnung Rp ver-
wendet. Beispielsweise ist Rp0,01 (0,01%-Dehngrenze) als diejenige Spannung defi-
niert, die nach Entlasten eine bleibende Dehnung εp = 0,01% hervorruft (Abb. 2.6).
Der Beginn größerer bleibender Verformungen wird bei Baustahl durch ein aus-
geprägtes Fließen bei im Mittel konstanter Kraft gekennzeichnet. Die Spannung
während des Fließens heißt Fließgrenze oder

Abb. 2.6 Spannungs-


Dehnungs-Diagramm zur
Erläuterung der bleibenden
Dehnung εp nach Überschrei-
ten der Proportionalitätsgren- εp εe ε
ze im Zugversuch

6 Abweichend von den in der Technischen Mechanik üblichen Bezeichnungsweisen werden hier
die Bezeichnungen entsprechend DIN EN 10 002 verwendet.
24 2 Zug- und Druckbeanspruchung

FE
Streckgrenze Re = .
A0

Nach beendigtem Fließen ist eine weitere Verformung nur bei weiterer Kraftstei-
gerung möglich bis zum Punkt B. Den Maximalwert der Zugkraft FB = Fm , bezogen
auf den Ausgangsquerschnitt A0 definiert man als

Fm
Zugfestigkeit Rm = .
A0

Die Zugfestigkeit ist, wie die anderen Kennwerte auch, eine von den Abmessungen
in weiten Grenzen unabhängige vergleichbare Werkstoffgröße, die u.a. vielfach als
Qualitätsbezeichnung verwendet wird (s. DIN 17 006 Werkstoffbenennung). Nach
Überschreiten der Spannung σP verjüngt sich der Zugstab gleichmäßig (Abb. 2.5
b) bis zum Punkt B in Abb. 2.5 a. Dann aber schnürt er sich örtlich mit erhebli-
cher Dehnung an dieser Stelle ein (Abb. 2.5 c), die Zugkraft F fällt ab, und der Stab
reißt dort bei Erreichen des Punktes Z auseinander. Der Wert σZ = FZ /A0 hat keine
praktische Bedeutung. Als Kennwerte für ein mögliches plastisches Verformungs-
verhalten eines Zugstabes werden die Bruchdehnung und die Brucheinschnürung
definiert.
Definition 2.4 (Bruchdehnung). Die Bruchdehnung ist

Lu − L0
A5 (oder A10 ) = · 100%
L0
je nachdem, ob die Messlänge L0 = 5 d0 (kurzer) oder L0 = 10 d0 (langer Propor-
tionalstab) beträgt. Dabei wird die Größenlänge Lu der ursprünglichen Messstrecke
nach dem Bruch ausgemessen.

Definition 2.5 (Brucheinschnürung). Die Brucheinschnürung ist


A0 − Au
Z= 100% .
A0
Dabei wird der Querschnitt Au aus dem kleinsten Durchmesser der Bruchfläche
berechnet.

Die gesamte Dehnung beim Bruch A7 setzt sich aus der Gleichmaßdehnung Ag
und der Einschnürdehnung Ae , vermindert um die elastische Dehnung in Folge der
Spannung σZ zusammen (Abb. 2.5)

7 An dieser Stelle wird das in der Werkstoffprüfung übliche Formelzeichen A für die Dehnung
verwendet. Dieses ist nicht zu verwechseln mit der Bezeichnung für den Querschnitt.
2.2 Zugversuch 25
σZ
A = Ag + Ae − .
E
Die Gleichmaßdehnung ist der bei gleichmäßiger Verjüngung auftretende Anteil
der Bruchdehnung, die Einschnürdehnung der Anteil während der örtlichen Ein-
schnürung. Um bei Überlastung eines Zugstabes genügend Verformungsreserve zu
bekommen, wird Ag > Ae angestrebt. Man kann das durch Wärmebehandlung, z.
B. bei Stahl, erreichen.
Nur kohlenstoffarme niedriglegierte geglühte Stähle weisen das in Abb. 2.5 ge-
zeigte Spannungs-Dehnungs-Diagramm auf. Vergütete und gehärtete Stähle, Guss-
eisen, Leicht- und Buntmetalle zeigen davon abweichendes Verhalten im Zugver-
such und dementsprechend andere Kurven im Diagramm. In Abb. 2.7 sind die
Diagramme für einige metallische Werkstoffe aufgezeichnet. Das ausgeprägte Flie-
ßen mit konstanter Spannung fehlt bei allen. Gehärteter Stahl und Gusseisen GG
versagen sogar ohne eine messbare bleibende Formänderung (Trennbruch). Für
Werkstoffe ohne ausgeprägtes Fließen wird eine Ersatzstreckgrenze, die 0,2%-
Dehngrenze Rp0,2 definiert. Darunter versteht man diejenige Spannung, bei der nach
Entlasten eine bleibende Dehnung εp = 0,2% gemessen wird.
Der geradlinige Verlauf des Spannungs-Dehnungs-Diagramms kann ganz fehlen,
wie z. B. bei manchen Gusswerkstoffen und bei Kunststoffen (Abb. 2.8). Als Maß
für den Elastizitätsmodul wird entweder der Anfangsanstieg oder der der Ableitung
entsprechende Anstieg dσ/dε der Kurve angegeben.
Je nach dem Verhalten im Zugversuch lassen sich zwei verschiedene Werkstoff-
gruppen unterscheiden.
Definition 2.6 (Duktiler Werkstoff). Diejenigen Werkstoffe, deren Versagen durch
größere bleibende Formänderungen vor dem Zerreißen eingeleitet wird, nennt man
duktil.
In diese Gruppe fallen fast alle gewalzten, geschmiedeten oder ähnlich behandelten
Metalle und viele Kunststoffe.
Definition 2.7 (Spröder Werkstoff). Werkstoffe, deren Versagen ohne bleibende
Formänderung durch Trennen erfolgt, nennt man spröde.

σ 1
2

Abb. 2.7 Spannungs-


Dehnungs-Diagramme 3
4
verschiedener Werkstoffe
1 gehärteter Stahl 5
2 vergüteter Stahl
3 Gusseisen GG
4 Aluminiumlegierung
AlCuMg
5 reines Kupfer ε
26 2 Zug- und Druckbeanspruchung

Abb. 2.8 Gekrümmter σ


Verlauf des Spannungs-
Dehnungs-Diagramms (z. B.
Gusseisen oder Kunststoffe)

≈ arctan E

Hierzu gehören gehärtete und hartvergütete Stähle (Federn) und gegossene Metal-
legierungen (z. B. GG).
Die Werkstoffkennwerte werden durch die Behandlung der Werkstoffe beein-
flusst, eine große Rolle spielt aber auch die Prüftemperatur. Viele Bauteile werden
im Betrieb hohen Temperaturen ausgesetzt, so dass die Kenntnis des Temperatu-
reinflusses wichtig ist. Allgemein kann man feststellen, dass Festigkeit und Härte
mit fallender Temperatur, allerdings bei zunehmender Versprödung, steigen und
mit wachsender Temperatur abnehmen. Der Elastizitätsmodul von Metallen nimmt
mit steigender Temperatur ab [22]. Deshalb sind bei höheren Temperaturen über
150 . . .250 ◦ C die elastischen Formänderungen größer als bei Raumtemperatur.
Die bei Baustählen beobachtete ausgeprägte Streckgrenze im Zugversuch ver-
schwindet mit zunehmender Temperatur. Metalle zeigen bei höheren Temperatu-
ren eine bei normaler Temperatur nur bei Kunststoffen beobachtetes Veralten, das
man als Kriechen (bleibende Formänderung bei konstanter Spannung) bezeichnet.
Stähle z. B. beginnen bei 400 . . .450 ◦ C zu kriechen. Für die Verwendung von Stahl
bei Temperaturen über 450 ◦ C (0,3 - 0,5 der Schmelztemperatur in Kelvin) müssen
deswegen neue Kennwerte (DIN 50 119) definiert werden, die diesem Materialver-
halten gerecht werden:

Zeitdehngrenze Rp 1/105 ,

Zeitbruchgrenze Rm/105 .

Man versteht darunter diejenigen (konstanten) Spannungen, die nach 105 Stunden
Belastungszeit 1% bleibende (Kriech-)Dehnung aufweisen oder noch zum Bruch
führen. Aus praktischen Gründen werden diese Kennwerte meist in Kurzzeitversu-
chen (z. B. 103 Stunden) ermittelt und auf längere Zeiten extrapoliert.
Nähere Einzelheiten entnimmt man den entsprechenden Normblättern und Nach-
schlagewerken, z. B. [22]. Bei der Berechnung von zulässigen Spannungen zieht
2.3 Druckversuch 27

man zusätzlich das Verhalten bei möglichem Versagen neben der Art der Bean-
spruchung zur Beurteilung heran. In der Praxis zeigt sich, dass die zügige (sta-
tische) Beanspruchung hierfür nicht ausreicht, sondern dass das dynamische Ver-
halten (Ermüdung des Werkstoffs) eine besondere Rolle spielt (s. Kapitel 3). Un-
terschiedliche Modelle des Werkstoffkriechens und strukturmechanische Analysen
können beispielsweise [36] entnommen werden.

2.3 Druckversuch

2.3.1 Spannungs-Dehnungs-Diagramm - Hooke’sches Gesetz

Druckversuche dienen zur Prüfung des Werkstoffverhaltens unter Druckbeanspru-


chung und werden vor allem in der Baustoffprüfung (Steine, Beton usw.) durch-
geführt. Aber auch für Metalle und Kunststoffe gewinnt man aus ihnen wert-
volle Erkenntnisse (DIN 50 106). Im Allgemeinen werden zylindrische Proben
(h0 = 1 . . . 2d0 ) zwischen ebenen starren Druckplatten zügig bis zum Versagen be-
ansprucht und die Kraftzunahme sowie die Höhenabnahme Δh (stets negativ) der
Höhe h0 verfolgt. Aus beiden ergeben sich mit der Druckspannung σ = −F/A0
und der Stauchung ε = Δh/h0 Spannungs-Dehnungs-Diagramme, von denen in
Abb. 2.9 zwei typische Beispiele wiedergegeben sind. Bei Stahl (Abb. 2.9 a) ist
wieder der geradlinige Anstieg bis zum Punkt P zu erkennen. Der Anstieg der
H OOKE’schen Geraden ist im Zug- und Druckbereich gleich, damit auch der Elas-

a) σ B b) σ
Rm

E
Re

Rm

ε ε
σdF
σdP

P
σdB

Abb. 2.9 Spannungs-Dehnungs-Diagramme bei Zug und Druckbeanspruchung


a) Stahl
b) Grauguss GG
28 2 Zug- und Druckbeanspruchung

Abb. 2.10 Verformung eines

Δh
zylindrischen Druckkörpers

h0
Δd
d0 2

tizitätsmodul. Sinngemäß tritt an Stelle der Verlängerung bei Zug eine Verkürzung,
an Stelle der Querkontraktion eine Querdehnung. Man definiert sinngemäß wie bei
Zugbeanspruchung (Abb. 2.10)

Δh
Stauchung ε= ,
h0

Δd
Querdehnung εq = .
d0

Im Bereich der H OOKE’schen Geraden gilt zwischen Stauchung und Querdeh-


nung das P OISSON’sche Gesetz (Gl. 2.9). Mit entsprechender Vorzeichenumkeh-
rung können die Gln. (2.10) bis (2.12) und (2.13) bis (2.19) bei Druckbeanspru-
chungen angewendet werden, in ihnen ist lediglich Δl durch Δh und l durch h0 zu
ersetzen.

2.3.2 Werkstoffkennwerte

Entsprechend den Kennwerten bei Zugbeanspruchung werden definiert8

FP
Spannung an der Proportionalitätsgrenze σdP = ,
A0

8 Nach DIN 1 340 und 1 350 dienen die kleinen Buchstabenindizes an den Formelzeichen σ und

τ zur Kennzeichnung der Art der Kraftwirkung, z. B. σd Druckspannung, σb Biegespannung,


dagegen große Buchstaben zur Kennzeichnung der Werkstoffkennwerte, z. B. σzdD Zug-Druck-
Dauerfestigkeit, τtF Torsionsfließgrenze. Kleine Indizes brauchen nur da gesetzt zu werden, wo
aus dem Zusammenhang nicht ohne Weiteres klar ist, um welche Spannungsart es sich handelt.
2.4 Berechnung von Bauteilen unter Zug- und Druckbelastung 29

Abb. 2.11 Stauchung von a) b)


Druckproben
a) Stahl oder Aluminium
b) Grauguss GG

FS
Spannung an der Quetschgrenze σdF = .
A0

Bei Werkstoffen mit nicht ausgeprägtem Fließverhalten wird statt der Stauchgrenze
die 0, 2-Dehngrenze bestimmt

FdB
Druckfestigkeit σdB = .
A0

Bei im Zugversuch duktilen Werkstoffen (z. B. Stahl) ist eine Druckfestigkeit


nicht feststellbar, die Proben werden unter starker Ausbauchung (Dehnungsbehin-
derung durch Reibung an den Druckplatten) flach gedrückt (Abb. 2.11 a). Häufig
bezeichnet man als Druckfestigkeit diejenige Spannung, bei der erstmalig Risse an
der Oberfläche auftreten. Bei gewalzten und geschmiedeten Metallen sind Streck-
grenze und Stauchgrenze annähernd gleich groß, d. h. σdF ≈ Re .
Im Zugversuch spröde Werkstoffe (z. B. Grauguss GG) zeigen im Druckver-
such Versagen durch Abgleiten unter 45◦ zur Druckrichtung (Abb. 2.11 b), eine
Obergrenze ist im Allgemeinen nicht erkennbar. Bedingt durch die Besonderheit
des Gefügeaufbaus bei Gusseisen GG (in stahlähnlichem Grundgefüge eingelager-
te spröde Graphitlamellen niederer Festigkeit) ist die Druckfestigkeit wesentlich
größer als die Zugfestigkeit (Abb. 2.9 b)

σdB = 2.5 . . .4Rm .

2.4 Berechnung von Bauteilen unter Zug- und Druckbelastung

2.4.1 Einfache Belastungsfälle

Einfache Belastungsfälle sind Zug- und Druckstäbe in statisch bestimmten oder


unbestimmten Konstruktionen, wobei wobei diese als Modelle für Ketten, Seile,
Schrauben usw. dienen. Wenn die Wirkungslinie der Kräfte mit der Stabachse zu-
sammenfällt und die Querschnittsänderungen geringfügig sind, wird mit gleichmäßi-
30 2 Zug- und Druckbeanspruchung

Abb. 2.12 Kettenglied einer

∅20
Rundstahlkette

ger Spannungsverteilung gerechnet (Kerbwirkung s. Kapitel 3). Druckstäbe sind


zusätzlich auf Knicken nachzurechnen, sofern ihre Länge im Verhältnis zu den
Querschnittsabmessungen groß ist.
Beispiel 2.7 (Dimensionierung und Verlängerung einer Zugstange).
Eine 6 m lange Zugstange aus Stahl mit Kreisquerschnitt ist durch eine Kraft
F = 360 kN beansprucht. Gegeben sind σzul = 90 N/mm2 , E = 2,1 · 105 N/mm2 .
Zu berechnen sind der erforderliche Durchmesser d und die Verlängerung Δl der
Stange.
Lösung 2.7
Für die Dimensionierung wird die Gl. (2.7) benötigt

F 3,6 · 105 N
A = = 4 000 mm2 .
σzul 90 N/mm2

Damit erhält man d = 71,4 mm, gewählt wird 72 mm mit der Querschnittsfläche 4 070 mm2 . Der
Spannungsnachweis lautet

F 3,6 · 105 N N
σ= = = 88, 4 < σzul .
A 4 070 mm2 mm2
Die elastische Verlängerung folgt aus Gl. (2.12)

Fl 3,6 · 105 N · 6 000 mm


Δl = = = 2,52 mm .
EA 2,1 · 105 N/mm2 · 4 070 mm2

Beispiel 2.8 (Zulässige Kraft in einer Gliederkette).


Die Gliederkette eines Kranes hat den Drahtdurchmesser d = 20 mm (Abb. 2.12).
Mit welcher Kraft Fzul darf die Kette beansprucht werden, wenn die zulässige Span-
nung σzul = 75 N/mm2 vorgeschrieben ist und das Eigengewicht der Kette ver-
nachlässigt wird?
Lösung 2.8
πd2
Der auf Zug beanspruchte Querschnitt ist A = 2 . Aus Gl. (2.6) folgt
4
π N
Fzul = Aσzul = · 400 mm2 · 75 = 4,71 · 104 N = 47,1 kN .
2 mm2
Beispiel 2.9 (Analyse einer Aufhängung).
Ein Gerät mit der Gewichtskraft FG = 10 kN) wird im Gelenkpunkt P zweier
Stangen aufgehängt (Abb. 2.13). Werkstoff der Stange 1 ist Stahl, Durchmesser
d1 = 8 mm. Man berechne:
a) die Zugspannung in der Stange 1,
2.4 Berechnung von Bauteilen unter Zug- und Druckbelastung 31

a) 8 000 b) c)
α α

1 2
P
FS1 α α F S2
8 00 α α Δl Δl
vP
0

FG P
P
FG

Abb. 2.13 Zwei Stangen mit angehängtem Gewicht FG


a) Lageplan
b) Kräfteplan für den Knoten P
c) Verschiebungsplan

b) den Durchmesser der Stange 2 aus Aluminium so, dass sie gleiche elastische
Verlängerung erfährt, wie die Stange 1,
c) die Zugspannung in der Stange 2,
d) die Verlängerung beider Stangen und die Verschiebung des Gelenkpunktes P.
Gegeben sind E1 = 2,1 · 105 N/mm2 und E2 = 0,675 · 105 N/mm2 und der Winkel
α = 30◦ .

Lösung 2.9
Aus Symmetriegründen (gleichgroße Winkel) sind die Stangenkräfte gleich groß. Für den gegebe-
nen Winkel gilt sin α = 0, 5. Die Gleichgewichtsbedingung für die Kräfte in vertikaler Richtung
ergibt (Abb. 2.13 a)

FG 104 N
FS = FS1 = FS2 = = = 5,77 · 103 N = 5,77 kN .
2 cos α 2 · 0, 866

a) Mit A1 = 50, 3 mm2 erhält man aus Gl. (2.3)

FS 5,77 · 103 N N
σ(1) = = = 114,7 .
A1 50, 3 mm2 mm2
b) Damit beide Stangen gleiche Verlängerung erfahren sollen, gilt für beide die Gl. (2.12)

FS l FS l
Δl1 = Δl2 oder = .
E 1 A1 E 2 A2
Daraus erhält man den gesuchten Querschnitt der Stange 2

A2 = A1 E1 /E2 = 50, 3 mm2 · 2, 1/0, 675 = 156, 5 mm2

und d2 = 14, 1 mm.


c) Für die Zugspannung in der Stange 2 erhält man

FS 5,77 · 103 N N
σ(2) = = = 36, 9 .
A2 156,5 mm2 mm2
32 2 Zug- und Druckbeanspruchung

d) Mit l = 8 000 mm wird die Verlängerung

FS l 5,77 · 103 N · 8 000 mm mm2


Δl = = = 4, 37 mm .
E 1 A1 2,1 · 105 N · 50,3 mm2
Zur Ermittlung der Verschiebung vP des Punktes P zeichnet man den Verschiebungsplan
(Abb. 2.13 c). Man erhält daraus
Δl 4, 38 mm
vP = = = 5, 05 mm .
cos α 0, 866
Zur Konstruktion des Verschiebungsplanes denkt man sich beide Stangen im Gelenkpunkt
(Knoten) P gelöst. Die neue Lage des Knotens P  erhält man als den Schnittpunkt zweier
Kreisbögen mit den Radien l + Δl um die Aufhängepunkte (Festpunkte). Da die Längenände-
rungen Δl sehr viel kleiner sind als die Längen l, kann man die Kreisbögen durch Geraden
rechtwinklig zur Stabrichtung ersetzen. Es genügt dann, nur die Umgebung des Knotens mit
den stark vergrößerten Längenänderungen zu zeichnen.

Beispiel 2.10 (Druckbeanspruchung in zylindrischen Metallstücken).


Zwischen den ebenen starren Druckplatten einer Presse werden zwei eben aufein-
ander liegende zylindrische Metallstücke mit gleichem Durchmesser d = 30 mm
aus zwei verschiedenen Werkstoffen (Werkstoff 1 - Magnesium mit dem E-Modul
E1 = 0,45 · 105 N/mm2 , Werkstoff 2 - Kupfer mit E2 = 1,2 · 105 N/mm2 ) auf Druck
beansprucht (Abb. 2.14). Bei der Druckkraft F wird an einer Messuhr die Gesamt-
verkürzung dh = 0, 16 mm abgelesen. Zu berechnen sind die Spannungen in beiden
Teilen, die jeweilige Verkürzung und die Druckkraft F.
Lösung 2.10
Da beide Teile gleiche Durchmesser haben, sind auch die Spannungen in ihnen gleich groß
σ = F/A. Für die Verkürzung erhalten wir aus Gl. (2.12)
   
h1 h2 σ E1
Δh = Δh1 + Δh2 = σ + = h1 + h2 .
E1 E2 E1 E2

h1 und h2 sind die Höhen der beiden Teilstücke (Abb. 2.14). Durch Umformen obiger Gleichun-
gen ergibt sich

E1 Δh 0, 16 mm · 0,45 · 105 N/mm2 N


σ= = = 149,6 .
h1 + (E1 /E2 )h2 27, 5 mm + (0, 45/1, 2) · 55 mm mm2

F
27, 5

2
55

Abb. 2.14 Druckbeanspruchung


zweier eben aufeinander ∅30
liegender zylindrischer
Metallstücke
2.4 Berechnung von Bauteilen unter Zug- und Druckbelastung 33

Mit der Querschittsfläche A = 707 mm2 ist die Druckkraft

F = σA = 149,6 N/mm2 · 707 mm2 = 10,6 · 104 N .

Für die Verkürzungen erhält man dann

h1 N 27, 5 mm
Δh1 = σ = 149, 6 · = 0,092 mm,
E1 mm2 0,45 · 105 N/mm2

Δh2 = Δh − Δh1 = 0,069 mm .

Beispiel 2.11 (Aufhängung eines Messgerätes).


Ein Messgerät (Gewichtskraft FG ) hängt an drei Drähten, die in einer Ebene ange-
ordnet sind (Abb. 2.15 a). Die äußeren Drähte 1 sind gleich (E-Modul E1 , Quer-
schnitt A1 ), der mittlere Draht 2 hat den E-Modul E2 und den Querschnitt A2 .
Gegeben sind die folgenden Werte FG = 5 kN, A1 = A2 = 12, 5 mm2 , α = 30◦ ,
l1 = 1, 5 m, l2 = 1 m, E1 = 2,1 · 105 N/mm2 , E2 = 0,7 · 105 N/mm2 . Zu berechnen
sind die Spannungen in den Drähten und die senkrechte Verschiebung des gemein-
samen Aufhängepunktes P.
Lösung 2.11
Die Stangenkräfte in den Stangen 1 sind aus Symmetriegründen gleich groß. Die Gleichgewichts-
bedingung für die Kräfte in vertikaler Richtung ergibt (Abb. 2.15 b)

2FS1 cos α + FS2 = FG .

Mit Gl. (2.3) erhält man


2σ(1) A1 cos α + σ(2) A2 = FG .

a) b) c)

1 1 F S2
F S1 F S1 α α
α α

α α
P
2
l1
l2

vP = δl2

FG δl1

FG

Abb. 2.15 An drei Drähten angehängtes Messgerät


a) Lageplan
b) Kräfteplan für den Knoten P
c) Verschiebungsplan
34 2 Zug- und Druckbeanspruchung

Aus dieser einzigen Gleichgewichtsbedingung kann man die beiden unbekannten Spannungen
nicht berechnen, das System ist einfach statisch unbestimmt (s. [17], Kapitel 7 - Ebene Fachwerke).
Eine weitere Gleichung gewinnt man, wenn man die Verträglichkeitsbedingung (s. Abschnitt 1.4)
heranzieht. Diese ergibt sich hier aus der Bedingung, dass die Formänderung der Drähte zuein-
ander passen müssen, d. h., dass die Drähte auch im belasteten Zustand im Punkt P verbunden
bleiben. Die Spannungen sind durch das H OOKE’sche Gesetz mit den Dehnungen verknüpft.
Aus dem Verschiebungsplan (Abb. 2.15 c) in Verbindung mit den Gln. (2.3) und (2.12) folgen
die Verlängerungen

Δl1 = (σ(1) /E1 )l1 = vP cos α, Δl2 = (σ(2) /E2 )l2 = vP .

Löst man diese Gleichungen nach den Spannungen auf und setzt sie in die obige Gleichgewichts-
bedingung ein, ergibt sich

2E1 A1 vP cos2 α E2 A2 vP
+ = FG .
l1 l2
Daraus lässt sich unmittelbar die Verschiebung vP berechnen

FG
vP = .
(2E1 A1 cos2 α/l1 ) + (E2A2 /l2 )

Die Spannungen erhält man aus den Gleichungen für die Verlängerungen

E1 E2
σ(1) = vP cos α , σ(2) = vP .
l1 l2
Mit den oben angegebenen Zahlenwerten wird

2E1 A1 cos2 α E2 A2 4,2 · 105 N/mm2 · 12,5 mm2 · 0, 75 7 · 104 N/mm2 · 12,5 mm2
+ = +
l1 l2 1 500 mm 1 000 mm
= 3 500 N/mm,

5 000 N
vP = = 1,43 mm,
3 500 N/mm
2,1 · 105 N/mm2
σ(1) = 1,43 mm · 0, 866 · = 173 N/mm2 ,
1 500 mm
7 · 104 N/mm2
σ(2) = 1,43 mm · = 100 N/mm2 .
1 000 mm
Eine Kontrollrechnung mit der Gleichgewichtsbedingung ergibt

2 · 173 N/mm2 · 12, 5 mm2 · 0, 866 + 100 N/mm2 · 12, 5 mm2 = 3 750 N + 1 250 N = 5 000 N .

Beispiel 2.12 (Berechnung eines Wandkranes).


Ein Wandkran ist aus zwei Winkelstählen 80 × 65 × 8 DIN 10 056-1 (1) und aus
zwei weiteren [-Stählen 140 DIN 1 026 (2) zusammengesetzt, in den Punkten A
und B aufgehängt und in P über ein Drahtseil durch eine Last mit der Kraft F vertikal
belastet (Abb. 2.16 a). Zu berechnen sind:
a) die zulässige Belastung Fzul aus der Bedingung, dass die Zugspannung in der
Stange 1 σzul = 135 N/mm2 nicht überschreiten darf,
b) die Spannung in der Stange 2,
c) die Verschiebung des Knotens P,
2.4 Berechnung von Bauteilen unter Zug- und Druckbelastung 35

d) die erforderliche Anzahl i der Drähte im Drahtseil


(σzul = 240 N/mm2 , Durchmesser der Einzeldrähte d0 = 1, 5 mm).
Lösung 2.12
Aus der Profiltabelle [22] entnimmt man die Querschnittsfläche für den
– Winkelstahl 0, 5 · A1 = 1 100 mm2 ,
– [-Stahl 0, 5 · A2 = 2 040 mm2 .
a) Mit A1 = 2 · 1 100 mm2 = 2 200 mm2 ergibt sich die Stangenkraft in der Strebe 1

FS1 = σzul A1 = 135 N/mm2 · 2 200 mm2 = 297 · 103 N .

Die gesuchte Kraft Fzul und die Stangenkraft FS2 erhält man aus den Kräftegleichgewichten in
x- und y-Richtung mit α = 33,7◦ (Abb. 2.16 b)

−Fzul + FS1 sin α = 0, −FS2 − FS1 cos α = 0,

Fzul = FS1 sin α = 164,8 · 103 N, FS2 = −FS1 cos α = −247,1 · 103 N .
b) Mit A2 = 2 · 2 040 mm2 = 4 080 mm2 erhält man die Druckspannung im Stab 2

FS2 −247,1 · 103 N


σ(2) = = = −60,6 N/mm2 .
A2 4 080 mm2
Der Druckstab muss noch auf Knicken nachgerechnet werden (s. Kapitel 10).
c) Für die Verschiebung des Knotens P müssen die Verlängerung Δl1 der Stange 1 und die
Verkürzung Δl2 der Stange 2 aus Gl. (2.12) berechnet werden

σ(1) 135 N/mm2 √


Δl1 = l1 = 2
· 13 · 1 000 mm = 2,318 mm,
E1 2,1 · 10 N/mm
5

σ(2) −60, 6 N/mm2


Δl2 = l2 = · 3 000 mm = −0,866 mm .
E2 2,1 · 105 N/mm2

a) b) c)

A Δl2 P
FS1
Δl1
α P
1
2 000

F S2 vp α
B P
2 α
F
v

3 000 F α

Abb. 2.16 Wandkran mit angehängter Last F


a) Lageplan
b) Kräfteplan für den Knoten P
c) Verschiebungsplan
36 2 Zug- und Druckbeanspruchung

Um die Verschiebung des Knotens P zu berechnen, muss die Verbindung beider Stäbe in die-
sem Punkt gedanklich aufgehoben werden. Die Verlängerung der Stange 1 und die Verkürzung
der Stange 2 werden angezeichnet. Die Lage des verschobenen Punkts P ergibt sich als Schnitt-
punkt der Kreisbögen um die Punkte A und B mit den Radien l1 + Δl1 bzw. l2 + Δl2 (Abb.
2.16 c). Da die Verlängerungen klein sind gegen die Länge der Stangen, können die Kreisbögen
durch ihre Tangenten ersetzt werden

Δl1 u
u = |Δl2 | = 0,865 mm, v= + = 5,475 mm,
sin α tan α
und
vP = u2 + v2 = 5,5 mm .
d) Aus Gl. (2.7) wird der Gesamtquerschnitt des Drahtseils berechnet

Fzul 164,7 · 103 N


A = = 686 mm2 .
σzul 240 N/mm2

Mit d0 = 1, 5 mm ist der Querschnitt eines einzelnen Drahtes A0 = 1, 77 mm2 . Die Anzahl der
Drähte ergibt sich aus
A 686 mm2
i = = 388, 2 ,
A0 1, 77 mm2
d. h. 389 Drähte.

2.4.2 Flächenpressung

Unter Flächenpressung versteht man die Druckbeanspruchung an der ebenen oder


gekrümmten Berührungsfläche zweier Körper unter dem Einfluss einer Kraft. Bei
ebenen Berührungsflächen ist die Flächenpressung

Fn
p=  pzul , (2.20)
A
wenn A die Berührungsfläche und Fn die Normalkraft senkrecht zu dieser ist. Die
Flächenpressung wird als Druckspannung in das Innere der gepressten Körper über-
tragen. Ist die Flächenpressung eines Körpers auf den anderen größer als die zulässi-
ge (z. B. einer Maschine auf den Boden), schaltet man einen Körper mit größerer
zulässiger Flächenpressung dazwischen (Stahlplatte, Betonfundament o.ä.), um die
Berührungsfläche zu vergrößern.
Beispiel 2.13 (Berechnung der Auflagerlänge).
Ein I-Breitflanschträger 400 DIN 1 025, Bl. 2, ist mit seinem Ende auf einem Mau-
erwerk gelagert (pzul = 0, 7 N/mm2 ), Stützkraft Fn = 105 kN. Wie groß ist die Auf-
lagerlänge zu wählen (Abb. 2.17)?
Lösung 2.13
Aus der Profiltabelle [22] entnimmt man die Trägerbreite b = 300 mm. Mit der Berührungsfläche
A = bl erhält man aus Gl. (2.20) die erforderliche Stützlänge

Fn 1,05 · 105 N mm2


l= = = 500 mm .
pzul b 0, 7 N · 300 mm
2.4 Berechnung von Bauteilen unter Zug- und Druckbelastung 37

Abb. 2.17 Lagerung eines Fn Fn


I-Breitflanschträgers

b
l

Beispiel 2.14 (Berechnung einer Hohlsäule).


Eine Hohlsäule aus Gusseisen (Außendurchmesser da = 200 mm, Innendurchmesser
di = 160 mm) ist mit einer Druckkraft F = 150 kN belastet. Die Säule steht auf einem
gemauerten Sockel (pzul = 0, 8 N/mm2 ), der seinerseits auf gewachsenem Boden
ruht (pzul = 0, 25 N/mm2 ) (Abb. 2.18). Zu berechnen sind der erforderliche Durch-
messers D des an die Säule angegossenen Flansches und die Seitenlänge a des mit
quadratischem Querschnitt gemauerten Sockels.
Lösung 2.14
Die Berührungsfläche zwischen Flansch und Sockel ist
π
AF1 = (D2 − d2i ) .
4
Setzt man diese in die Gl. (2.20) mit Fn = F ein und löst sie nach D auf, dann ergibt sich

4F 60 · 104 N mm2
D= + d2i = + 2,56 · 104 mm2 = 514,1 mm .
πpzul π · 0, 8 N

Gewählt wird D = 520 mm. Die Querschnittsfläche des Sockels ist ASockel = a2 . Mit Gl. (2.20)
erhält man

F 15 · 104 N mm2 √
a= = = 60 · 104 mm2 = 775 mm .
pzul 0, 25 N
Gewählt wird a = 780 mm.

F
da
di

D
a

Abb. 2.18 Hohlsäule aus


Sockel
Grauguss mit Sockel zur
Verringerung der Flächen-
presssung
38 2 Zug- und Druckbeanspruchung

Abb. 2.19 Vereinfachte An- l d


nahme der Flächenpressung
p an gekrümmten Flächen
(Zapfen)

p p

Flächenpressung an gekrümmten Berührungsflächen tritt bei der Lagerung von Zap-


fen auf, auch bei Bolzen und Nieten in Bohrungen. Unabhängig von der wirklichen
Druckverteilung wird zur Vereinfachung mit einer gleichförmig über die Projekti-
onsfläche A = ld (Abb. 2.19) verteilten Pressung p gerechnet (l wirksame Lager-
oder Bohrungslänge, d Zapfen- oder Bolzendurchmesser). Die Pressung zwischen
Bolzen und Bohrungswand wird auch Lochleibungsdruck genannt [27].
Beispiel 2.15 (Dimensionierung eines Wellenzapfens).
Ein mit einer Kraft F = 60 kN belasteter Wellenzapfen ist in einem Gleitlager gela-
gert. Zu berechnen sind die Länge l und der Durchmesser d des Zapfens mit Rück-
sicht auf die Flächenpressung (zulässiger Druck pzul = 18 N/mm2 ), wenn für das
Verhältnis l/d = 1, 2 vorgeschrieben ist.
Lösung 2.15
Durch Umformung der Gl. (2.20) mit Fn = F

F F F
p= = =  pzul
A ld 1, 2 d2
erhält man

F 6 · 104 N mm2
d = = 52, 8 mm .
1, 2 pzul 1, 2 · 18 N
Gewählt wird d = 55 mm, l = 66 mm. Im Wellenzapfen ist zusätzlich die Biegebeanspruchung
nachzurechnen (s. Abschnitt 4.2).

2.4.3 Spannungen in dünnwandigen zylindrischen Ringen

2.4.3.1 Zugspannungen durch Fliehkräfte

In sich mit der Winkelgeschwindigkeit ω drehenden Bauteilen (z. B. Ringe, Räder,


Trommeln und Scheiben) treten Fliehkräfte auf, die von der Drehachse fort gerich-
tet sind und den Umfang zu vergrößern trachten. Nach dem H OOKE’schen Ge-
setz haben die Längenänderungen des Umfangs Zugspannungen in Umfangsrich-
tung zur Folge. In ringförmigen Bauteilen können diese Spannungen bei Annahme
gleichmäßiger Verteilung berechnet werden, wenn die Dicke t klein ist gegenüber
dem mittleren Radius r (Abb. 2.20 a).
2.4 Berechnung von Bauteilen unter Zug- und Druckbelastung 39

Nach der Schnittmethode wird ein Stück des Ringes herausgeschnitten und sein
Gleichgewicht betrachtet (Abb. 2.20 b). Als Trägheitskraft wirkt die im Schwer-
punkt angreifende Fliehkraft ΔF = Δmrω2 (s. [16], Abschnitt 5.2 Drehung eines
starren Körpers um eine feste Achse). In den Schnittflächen A wirken die Kräfte
σA. Das Gleichgewicht in radialer Richtung verlangt (Abb. 2.20 c)

Δmrω2 − 2σA sin(Δϕ/2) = 0 . (2.21)

Δm = ρΔV ist die Masse des Teilstücks mit der Dichte ρ und dem Volumen
Δ V = ArΔϕ.
Nach dem Grenzübergang Δϕ → 09 erhält man aus Gl. (2.21) die gesuchte Zug-
spannung

ρ ΔVrω2 ρAr2 ω2 (Δϕ/2)


σ = lim = lim = ρr2 ω2 . (2.22)
Δϕ→0 2A sin(Δϕ/2) Δϕ→0 A sin(Δϕ/2)

Die Zugspannung in einem dünnen umlaufenden Ring ist also unabhängig von der
Größe der Querschnittsfläche A des Ringes. Die Spannung kann somit nur durch
Verringern von Radius oder Winkelgeschwindigkeit vermindert werden, nicht aber
durch Verstärkung“. Da rω = v die Umfangsgeschwindigkeit des Ringes ist, kann

für Gl. (2.22) auch geschrieben werden

σ = ρv2 . (2.23)

Die Spannung in einem umlaufenden Ring hängt demnach nur von der Dichte ρ
des Werkstoffs und von der Umfangsgeschwindigkeit v ab. Es ist zu beachten, dass
Gl. (2.23) streng nur für einen dünnen frei umlaufenden Ring gilt, wie z. B. im Man-

a) a) b) c)

ΔF ΔF
t t
σ
σ
r σA ΔF
σA σA Δϕ/2
Δϕ Δϕ/2
M

r σA

Abb. 2.20 Dünnwandiger zylindrischer Ring


a) Ring unter Fliehkraftbeanspruchung
b) Teilstück aus dem Ring mit der äußeren Kraft ΔF und den Schnittkräften σA
c) Kräfteplan

sin(Δϕ/2)
9 Es gilt lim = 1.
Δϕ→0 Δϕ/2
40 2 Zug- und Druckbeanspruchung

tel einer Zentrifuge oder in einer Trommel (in gewisser Entfernung von Boden und
Deckel). Wird der Ring dagegen z. B. als Schwungrad durch Speichen mit der Nabe
verbunden, dann beeinflussen diese den Spannungszustand im Ring. Solche Proble-
me lassen sich mit Hilfe der Elastizitätstheorie lösen; darauf einzugehen, übersteigt
den Rahmen dieses Buches.
Beispiel 2.16 (Maximale Drehzahl eines Schwungrades).
Mit welcher höchstzulässigen Drehzahl darf ein Schwungrad aus GG-15 mit dem
mittleren Durchmesser D = 10m bei 5facher Sicherheit gegen Bruch rotieren (Ein-
fluss der Speichen vernachlässigt)?
Lösung 2.16
Setzt man in Gl. (2.23) σzul = Rm /5 = 30 N/mm2 ein und löst nach v auf, dann erhält man mit
ρ = 7,35 · 103 kg/m3

σzul 30 · 106 N/m2 m


v= = = 63, 9 .
ρ 7,35 · 103 kg/m3 s

Mit v = (D/2)ω ist ω = 12, 78 s−1 oder n = 122 min−1 .

2.4.3.2 Zug- und Druckspannungen in zylindrischen Hohlkörpern

In zylindrischen Hohlkörpern unter Innen- oder Außendruck10 (z. B. in Rohrleitun-


gen größerer Länge oder in der Zylinderbuchse eines Verbrennungsmotors) treten
dann nur Spannungen in Umfangsrichtung auf, wenn keine Kräfte in Längsrichtung
abgenommen werden können. Derartige offene Körper können näherungsweise als
Ring berechnet werden. Die Spannungen sind gleichmäßig über die Wanddicke t
verteilt, wenn diese klein gegenüber dem Radius r des Behälters ist. In geschlosse-
nen Behältern liegt ein zweiachsiger Spannungszustand vor (s. Abschnitt 9.2.1).
Abbildung 2.21 zeigt einen Ring (Breite b und Wanddicke t) mit gleichmäßig
über der Innenseite verteiltem Innendruck pi ; ein Teilstück ist wie in Abb. 2.20 her-
vorgehoben. Mit der resultierenden Kraft F = pi ri Δϕb nach außen und der Quer-
schnittsfläche A = bt ergibt das Gleichgewicht der Kräfte in radialer Richtung ähn-
lich wie in Abschnitt 2.4.3.1

pi ri Δϕ b − 2σ t b sin(Δϕ/2) = 0 . (2.24)

Mit dem gleichen Grenzübergang wie in Abschnitt 2.4.3.1 erhält man


ri
σ = pi . (2.25)
t
Für den Außendruck pa lautet die Gleichung sinngemäß
ra
σ = −pa . (2.26)
t
10 Innerer oder äußerer Überdruck
2.4 Berechnung von Bauteilen unter Zug- und Druckbelastung 41

Abb. 2.21 Ring mit b


gleichmäßig über den Innen-

t
umfang verteiltem Innendruck t
pi und eingezeichnetem F σtb
Teilstück mit angreifenden
Kräften ra
ri
Δϕ
σtb

pi

Nach den Berechnungsvorschriften für Druckbehälter (DIN 2 413 und A.D.-Merk-


blätter11 ) kann ein zylindrischer Druckbehälter als dünnwandig angesehen werden,
wenn das Radienverhältnis ra /ri  1, 2 ist. Mit ra = ri + t ist
r a ri + t t
= = 1 +  1, 2 .
ri ri ri

Damit ist die Gültigkeit der Gln. (2.25) und (2.26) abgegrenzt für t/ri ≈ t/ra < 1/5.
Durch Innendruck wird der Umfang U des Ringes vergrößert, durch Außendruck
verkleinert. Die Längenänderung ΔU des Umfanges lässt sich bei elastischer Ver-
formung berechnen
σ ΔU πΔd Δd
ε= = = = .
E U πd d
Die Umfangsänderung ist der Durchmesseränderung proportional, diese erhält man
zu
σ
Δd = d . (2.27)
E
Beispiel 2.17 (Zugspannung und Aufweitung einer Rohrleitung).
Eine Rohrleitung aus PVC (E = 3,5 · 103 N/mm2 ) mit dem Innendurchmesser
250 mm und der Wanddicke 5 mm steht unter dem Innendruck pi = 0, 2 N/mm2 .
Wie groß sind die Zugspannung und die Aufweitung des Außendurchmessers?
Lösung 2.17
Mit Gl. (2.25) ergibt sich

ri N 125 mm N
σ = pi = 0, 2 · =5 .
t mm2 5 mm mm2
Die Vergrößerung des Außendurchmessers da erhalten wir aus Gl. (2.27)

σ 5 N/mm2
Δda = da = 260 mm · = 0, 37 mm .
E 3 500 N/mm2
11 A.D. = Arbeitsgemeinschaft Druckbehälter
42 2 Zug- und Druckbeanspruchung

2.4.4 Wärmespannungen - Schrumpfspannungen

Bei ungleichmäßiger Erwärmung oder Abkühlung (in Gussstücken, beim Härten


von Stahl oder beim Schweißen) treten infolge der damit verbundenen ungleichmä-
ßigen elastischen und bleibenden Formänderungen Eigenspannungen, so genannte
Wärmespannungen, auf. In einfachen Fällen unter definierten Verhältnissen, insbe-
sondere in stabförmigen Körpern, können Wärmespannungen infolge behinderter
Wärmedehnung näherungsweise berechnet werden. Spannungen, die durch Deh-
nungsbehinderung bei der Abkühlung entstehen, nennt man auch Schrumpfspan-
nungen. Grundlage für eine Berechnung ist das physikalische Gesetz der Wärme-
ausdehnung. Fast alle Körper dehnen sich bei Erwärmung von T0 auf T1 um
einen bestimmten Betrag aus, der in gewissen Bereichen der Temperaturzunahme
ΔT = T1 − T0 proportional ist, bei Abkühlung ziehen sie sich wieder zusammen.
Dieses Verhalten kann näherungsweise durch das lineare Wärmeausdehnungsgesetz
beschrieben werden
εT = αT ΔT . (2.28)
αT ist der lineare Wärmeausdehnungskoeffizient. Für Eisen beträgt er 12·10−6 K−1 ,
für Aluminium 24 · 10−6 K−1 zwischen 0◦ und 100 ◦ C (s. auch Tabelle 2.1).
Hat ein stabförmiger Körper die Länge l, dann verlängert er sich somit um

Δl = l εT = l αT ΔT . (2.29)

Wird diese Ausdehnung bei Erwärmung oder Abkühlung behindert, dann entsteht
in dem Stab aus
σ
εges = + αT ΔT = 0
E
die Spannung
σ = −E αT ΔT = −E εT , (2.30)
sofern das H OOKE’sche Gesetz gilt, also keine bleibenden Formänderungen auftre-
ten.
Beispiel 2.18 (Berechnung der Wärmespannungen in einem Schienenstrang).
Ein endlos verschweißter Schienenstrang aus Stahl (E = 2 · 105 N/mm2 ) wurde
spannungsfrei bei der Temperatur T0 = 25 ◦ C verlegt. Wie groß sind die Span-
nungen bei den Temperaturen
a) T1 = 50 ◦ C,
b) T2 = −15 ◦ C?
Lösung 2.18
a) Mit der Temperaturdifferenz ΔT = T1 − T0 = 25 K erhält man aus der Gl. (2.30) die Druck-
spannung

σ = −EαT ΔT = −2,1 · 105 N/mm2 · 12 · 10−6 K−1 · 25 K = −63 N/mm2 .

b) In Analogie erhält man mit ΔT = T2 − T0 = −40 K eine Zugspannung σ = 101 N/mm2


bei Abkühlung.
2.4 Berechnung von Bauteilen unter Zug- und Druckbelastung 43

Beispiel 2.19 (Analyse des Schrumpfens).


Ein Rahmen aus Stahl 1 (E = 2 · 105 N/mm2 ) soll auf zwei als starr angenommene
Körper 2 geschrumpft werden und diese gegeneinander pressen (Abb. 2.22). Die
Spannung in den elastischen Streben soll 200 N/mm2 nicht überschreiten. Welchen
Abstand voneinander müssen die Pressflächen des Rahmens vor dem Schrumpfen
haben und welche Temperaturerhöhung ist zum Schrumpfen mindestens nötig?
Lösung 2.19
Aus Gl. (2.30) erhält man

σ 200 N/mm2 1
εT = − =− 2
=− .
E 2 · 10 N/mm
5 1 000

Somit folgt aus Gl. (2.29) mit l = 250 mm

250 mm
Δl = −lεT = − = −0, 25 mm .
1 000
Der Abstand der Pressflächen muss demnach l  = 249, 75 mm betragen. Die notwendige Erwär-
mungstemperatur ergibt sich aus Gl. (2.28) zu

|εT | 1
ΔT = = K = 83 K .
αT 1 000 · 12 · 10−6

Beispiel 2.20 (Aufziehen eines Messingringes auf eine Stahlwelle).


Auf eine Stahlwelle (Durchmesser dW = 150 mm) soll ein Ring aus Messing Ms 58
(Außendurchmesser 160 mm, Ausdehnungskoeffizient 19 · 10−6 K−1 , Elastizitäts-
modul E = 0,9 · 105 N/mm2 ) warm aufgezogen werden. Die Pressung zwischen
Ring und Welle soll bei Raumtemperatur p = 10 N/mm2 betragen. Zu berechnen
sind die Zugspannung σ im Ring, dessen Innendurchmesser di und die zum Auf-
ziehen notwendige Mindesterwärmungstemperatur. Was geschieht, wenn Ring und
Welle nach dem Schrumpfen gemeinsam unterkühlt oder erwärmt werden, bei wel-
cher Temperatur kann sich dann die Schrumpfverbindung gerade lösen?
Lösung 2.20
Für die Rechnung dieses Beispiels setzt man die Welle (∅150 mm) im Verglich zum Ring
(t = 5 mm Dicke) als starr voraus, weil die Dehnung der Welle klein gegen die des Ringes ist.
Beim Schrumpfen übt die Welle auf den Ring eine Pressung p aus, die die gleiche Wirkung auf
den Ring hat, wie ein gleichförmig verteilter Innendruck in einem Rohr ohne Längskraft (s. Ab-
schnitt 2.4.3.2). Somit kann aus der Gl. (2.25) die Schrumpfspannung im Ring berechnet werden
(mit ri = rW )

2 1

250
Abb. 2.22 Schrumpfrahmen
44 2 Zug- und Druckbeanspruchung

rW N 75 mm
σ=p = 10 · = 150 N/mm2 .
t mm2 5 mm
Das notwendige Untermaß (Schrumpfmaß) des Ringes erhält man aus Gl. (2.27)

σ 150 N/mm2
ΔdS = dW = 150 mm · = 0, 25 mm .
E 0,9 · 105 N/mm2

Der Innendurchmesser des Ringes ist somit auf das Maß di = 149, 75 mm zu bearbeiten.
Mit Gl. (2.28) ist nun die Temperaturerhöhung

εT ΔdS 0, 25 mm · 106
ΔT = = = K = 88 K .
αT dW αT 150 mm · 19
Werden Ring und Welle nach dem Schrumpfen gemeinsam abgekühlt, dann hat der Ring infol-
ge seiner größeren Wärmedehnzahl das Bestreben, sich stärker zusammenzuziehen als die Welle,
Zugspannung und Pressung werden größer. Durch ein gemeinsames Erwärmen dagegen erreicht
man umgekehrt ein Lockern der Verbindung. Die notwendige Temperaturerhöhung zum vollständi-
gen Lösen erhält man aus der Überlegung, dass bei dieser Temperatur der Innendurchmesser des
Ringes und der Wellendurchmesser gleich groß sein müssen (so als wenn sie jeder für sich erwärmt
würden). Ist ΔdR die Ausdehnung des Innendurchmessers des Ringes, ΔdW die der Welle, dann
führt diese Überlegung auf den Ansatz

ΔdR − ΔdW = ΔdS .

Mit Gl. (2.29) ergibt sich


dW ΔT (αT R − αT W ) = ΔdS .
Die gesuchte Temperaturerhöhung erhält man nun aus dieser Gleichung mit αT W = 12 · 10−6 K−1
zu
ΔdS 0, 25 mm · 106
ΔT = = K = 238 K .
dW (αT R − αT W ) 150 mm · 7
Passungsmaße sind in den vorstehenden Beispielen nicht berücksichtigt, unvermeidliche Herstel-
lungstoleranzen ergeben Abweichungen von den errechneten Zahlenwerten.

In der Technik kommt häufig der Fall vor, dass ein Ring in einen zweiten Ring
geschrumpft werden muss (z. B. eine Laufbuchse aus Gusseisen in einen Zylinder-
mantel aus Aluminium bei Verbrennungskraftmaschinen). Hier darf man nicht die
Voraussetzung treffen, dass einer der Ringe als starr anzusehen ist, sondern beide
sind in gleicher Größenordnung deformierbar.
In Abb. 2.23 sind die Verhältnisse vor und nach dem Schrumpfen dargestellt
(Index 1 für den äußeren, 2 für den inneren Ring). Aus dem Bild kann man das
erforderliche Schrumpfmaß entnehmen, es ist

ΔdS = Δd1 + Δd2 . (2.31)

Für die Berechnung kann man nun den äußeren Ring 1 als Rohr unter Innendruck,
den inneren als Rohr unter Außendruck (ohne Längskraft) ansehen, mit der gemein-
samen Pressung p als Innen- und Außendruck (Abb. 2.23). Die notwendigen Be-
rechnungsunterlagen erhält man aus den Gln. (2.25) - (2.27) und (2.30), in die die
jeweils richtigen Bezeichnungen einzusetzen sind. Häufig sind die Zugspannungen
im äußeren Ring oder ein erforderliches Schrumpfmaß vorgeschrieben, über die an-
2.4 Berechnung von Bauteilen unter Zug- und Druckbelastung 45

gegebenen Gleichungen können dann die anderen Größen berechnet werden (s. Auf-
gaben 2.12 und 2.13).

2.4.5 Längs der Stabachse veränderliche Spannungen

Ändern sich in Zug- oder Druckstäben die Querschnitte längs der Stabachse, ändern
sich die Spannungen ebenfalls. Ist die Querschnittsänderung nur gering, dann ist
die Annahme gerechtfertigt, dass die Spannungen in jedem Querschnitt gleichmäßig
verteilt sind (s. Abschnitt 2.1). Auch bei der Beanspruchung von stabförmigen Bau-
teilen durch Volumenkräfte (Eigengewicht, Fliehkräfte) in Richtung der Stabachse
ändern sich die Spannungen. In Abb. 2.24 ist ein Zugstab mit einem veränderlichen
Querschnittsverlauf A(x) dargestellt, der sowohl durch die äußere Kraft F als auch
durch Volumenkräfte beansprucht ist. Nach der Schnittmethode ist ein Körperele-
ment, begrenzt durch die Querschnittsflächen A und A + dA im Abstand dx von-
einander, herausgeschnitten; in der linken Fläche sind die Zugspannungen σ, in
der rechten Fläche haben sie sich um dσ geändert. Die am Element angreifenden
Kräfte
 (dK Volumenkraft) sind im Gleichgewicht. Die Gleichgewichtsbedingung
Fix = 0 ergibt
−σA + (σ + dσ)(A + dA) + dK = 0. (2.32)
Nach dem Ausmultiplizieren und Kürzen erhält man

σdA + dσA + dσdA + dK = 0. (2.33)

1 2 p = pi = pa

pa
Δd2
ΔdS

2
2

2
Δd1
2

pi
d0
da
di

Abb. 2.23 Schrumpfung zweier Ringe ineinander


1 äußerer Ring unter Innendruck pi
2 innerer Ring unter Außendruck pa
46 2 Zug- und Druckbeanspruchung

dK
F σA (σ + dσ)(A + dA)
x
dx A A + dA
dx
x=0
Abb. 2.24 Zugstab mit veränderlichem Querschnitt unter Einwirkung einer äußeren Kraft F und
Volumenkräften dK mit herausgeschnittenem Teilstück

Das Glied dσdA ist von höherer Ordnung klein gegenüber den anderen und kann
vernachlässigt werden. Berücksichtigt man noch, dass nach der Produktregel der
Differentialrechnung d(σA) = σdA + dσA ist, dann führt Gl. (2.33) auf den Aus-
druck
(.σA) + dK = 0. (2.34)
Dies ist eine Differentialgleichung, sie kann unter Beachtung der Randbedingun-
gen für verschiedene Fälle gelöst werden und gilt ganz allgemein sowohl bei Zug-
als auch bei Druckbeanspruchung. Für den Zugstab mit A = const. ohne Volumen-
kräfte (dK = 0) ergibt Gl. (2.34) d(σA) = 0, d. h. σ = const. Unter Beachtung der
Randbedingung σA = F hat man wieder Gl. (2.3).
Neben der Spannung interessiert auch die Verformung des Stabes. Unter dem
Einfluss der angreifenden Kräfte erfährt das Element in Abb. 2.24 eine Verschiebung
nach rechts und eine Verlängerung. Bezeichnet man die Verschiebung der Quer-
schnittsfläche A mit u und die Verlängerung mit du (Abb. 2.25), dann ist die Deh-
nung des Elements die Längenänderung du bezogen auf die ursprüngliche Länge
dx
du
ε= . (2.35)
dx
Mit σ = Eε ergibt sich

u + du
u

Abb. 2.25 Elastische Verfor-


mung und Verschiebung eines dx
Körperelements
2.4 Berechnung von Bauteilen unter Zug- und Druckbelastung 47
σ
du = εdx =
dx . (2.36)
E
Die gesamte Verschiebung kann durch Integration der Gl. (2.36) bestimmt werden.
Verschiebung u und Dehnung ε sind somit mit der Stabkoordinate x veränderlich.

2.4.5.1 Spannungen durch Eigengewicht

In einem einseitig aufgehängten Zugstab (Abb. 2.26) mit konstantem Querschnitt


A und der Kraft F am unteren Ende sollen Zugspannungen und Verlängerung un-
ter Berücksichtigung des Eigengewichtes (Dichte ρ, Erdbeschleunigung g) ermittelt
werden. Aus der Statik (Abb. 2.26 b) folgt zunächst

FL − dFG − (FL + dFL ) = 0

mit der verteilten Eigengewichtskraft

dFEG = gdm = gρdV = gρAdx

Nach Vereinfachungen folgt

dFL − dFG = −gρAdx = dK

Nach Kürzen durch A erhält man die Spannungen

dσ = −gρdx . (2.37)

Die Integration ergibt


σ = −gρx + C .

a) b)

x
FL
dx
l

FL + dFL

Abb. 2.26 Zugstab, belas-


tet durch Eigengewicht und
äußere Kraft F
a) Gesamtsystem
b) Schnitt für die Gleichge- F
wichtsbetrachtung
48 2 Zug- und Druckbeanspruchung

Mit der Randbedingung für x = l ist σ = F/A; es folgt dann die Integrationskon-
stante
F
C = + gρl .
A
Für die Zugspannung in einem beliebigen Querschnitt an der Stelle x erhalten wir

F
σ = gρ(l − x) + . (2.38)
A
Die größte Spannung tritt im Aufhängquerschnitt auf (x = 0), die Festigkeitsbedin-
gung lautet somit
F
σmax = gρl +  σzul . (2.39)
A
Um die Verlängerung zu berechnen zu können, benötigt man Gl. (2.36) und erhält
mit Gl. (2.38)  
1 F
du = gρ(l − x) + dx
E A
sowie nach Ausführung der Integration
   
1 1 F
u= gρ lx − x2 + x + D .
E 2 A

Die Konstante D ist mit der Randbedingung u = 0 für x = 0 ebenfalls Null. Somit
ergibt sich die Gesamtverlängerung des Zugstabes für x = l

gρl2 Fl
Δl = u(l) = + . (2.40)
2E EA
Das Eigengewicht spielt bei Zugbeanspruchung in Förderseilen, bei Druckbean-
spruchung in Säulen, Mauerwerk und dgl. eine Rolle, wenn also das Gewicht eines
Bauteils in gleicher Größenordnung wie die äußere Belastung liegt (s. Aufgaben
2.14 und 2.15). Wird z. B. ein Seil nur durch sein Gewicht belastet, dann ist die
äußere Kraft F = 0, und als größte Zugspannung ergibt für diesen Fall Gl. (2.39)

σmax = gρl .

Als Reisslänge lR bezeichnet man diejenige Länge, bei der ein Seil unter seinem
Eigengewicht allein abreißen würde, bei der also die Maximalspannung σmax die
Zugfestigkeit des Werkstoffs Rm erreicht

Rm
lR = . (2.41)

Die Reisslänge ist unabhängig von der Form und von der Größe des Querschnitts.
2.4 Berechnung von Bauteilen unter Zug- und Druckbelastung 49

2.4.5.2 Körper konstanter Zug- und Druckbeanspruchung

Bauteile, in denen in jedem Querschnitt die Spannungen gleich groß sind, be-
zeichnet man als Körper konstanter Beanspruchung. Für Bauteile, die infolge ihrer
Beanspruchung längs der Stabachse an sich veränderliche Spannungen aufweisen
würden, sind demnach die einzelnen Querschnitte längs der Achse derart zu gestal-
ten, dass die Forderung nach überall konstanter Spannung erfüllt ist.
Für den Fall der Belastung durch Eigengewicht werden diese Querschnitts-
veränderung wie folgt berechnet werden. Aus der Differentialgleichung (2.34) erhält
man mit dK = gρAdx sowie der Spannung σ = σzul

σzul dA = −gρAdx . (2.42)

Nach Trennung der Veränderlichen ergibt sich

dA gρ
=− dx
A σzul
und nach Ausführung der Integration

ln A = − x + C.
σzul

Mit der Randbedingung A = A0 = F/σzul für x = l folgt für die Konstante



C = ln A0 + l.
σzul
Setzt man die Konstante oben ein, erhält man
A gρ
ln A − lnA0 = ln = (l − x) .
A0 σzul
Für den Querschnittsverlauf längs der Stabachse x folgt somit die Exponentialfunk-
tion
gρ(l−x)
A = A0 e σzul
. (2.43)
Beispiel 2.21 (Körper konstanter Druckbeanspruchung).
Der 50 m lange Betonpfeiler (Abb. 2.27) wird mit der Kraft F = 5 · 103 kN belastet
und soll als Körper konstanter Druckbeanspruchung ausgeführt werden. Der Quer-
schnitt ist rechteckig mit konstanter Höhe h = 5 m. Für Beton gilt σzul = 1 N/mm2
und die Dichte ρ = 2,4 · 103 kg/m3 . Man bestimme die Breite des unteren Quer-
schnitts b1 .
Lösung 2.21
Der obere Querschnitt A0 hat nur die Kraft F aufzunehmen

F 5 · 106 N
A0 = = = 5 · 106 mm2 .
σzul 1 N/mm2
50 2 Zug- und Druckbeanspruchung

Abb. 2.27 Betonpfeiler mit b0


Rechteckquerschnitt als
Körper konstanter Druck-
beanspruchung
F

50, 00
h
b1

Mit h = 5 000 mm ist die Breite des oberen Querschnitts b0 = 1 000 mm. Die untere Querschnitts-
fläche erhält man aus Gl. (2.43) mit x = 0. Der Exponent in dieser Gleichung ist
kg
gρl 9.81 sm2 · 2,4 · 103 m 3 · 50 m
= = 1.117 .
σzul 1 · 106 m2
N

Somit ist die untere Querschnittsfläche A1 = A0 e1 = A0 e1,117 = 15,3·106 mm2 , die untere Breite
ist b1 = 3 056 mm.

2.4.5.3 Beanspruchung durch Fliehkräfte

Rotiert ein Stab mit konstantem Querschnitt A um eine zur Zeichenebene senk-
rechte Drehachse in x = 0 (Abb. 2.28) mit der Winkelgeschwindigkeit ω, können
die Spannungen ebenfalls aus Gl. (2.34) berechnet werden. Mit dK = dm xω2 und
dm = ρA dx nimmt die Gleichung die Form an

Adσ = −ρAω2 x dx . (2.44)

Die Fläche A kürzt sich heraus, und nach Ausführung der Integration erhält man

1
σ = − ρ ω2 x2 + C .
2
Mit der Randbedingung σ = 0 für x = l ist die Konstante

ω
x

Abb. 2.28 Rotierender Zug- l


stab
2.5 Aufgaben zu Kapitel 2 51

1
C = ρ ω2 l2 .
2
Die Zugspannung durch die Fliehkräfte ist nunmehr

1
σ = ρ ω2 (l2 − x2) . (2.45)
2
Führt man noch die Umfangsgeschwindigkeit des äußeren Stabendes v = ωl ein,
dann ist mit ξ = x/l
σ = 0, 5ρ v2 (1 − ξ2 ) . (2.46)
Näherungsweise stabförmige Bauteile unter Fliehkraftbeanspruchung sind z. B.
Propeller in Verbrennungskraftmaschinen oder Schaufeln in Turbinen. Wenn die
Querschnitte längs der Stabachse nicht gleich groß sind oder die Konturen zeichne-
risch gegeben sind, ermittelt man die Spannungen durch ein Näherungsverfahren.

2.5 Aufgaben zu Kapitel 2

Aufgabe 2.1 (Beanspruchung und Querkürzung einer Zugstange). Eine Zug-


stange aus der Legierung AlMgSi, E = 0,7 · 105 N/mm2 , mit Rechteckquerschnitt
(h = 100 mm, b = 20mm) ist durch die Kraft F beansprucht. Über die Länge
l = 2 000 mm wird dabei die Verlängerung Δl = 4 mm gemessen. Zu berechnen
sind die Zugspannung σ, die Kraft F und die Querkürzung dh der Rechteckseite h.

Aufgabe 2.2 (Anzahl der Einzeldrähte). Wie viele Einzeldrähte mit dem Durch-
messer d0 = 2 mm aus Stahl (σzul = 210 N/mm2 ) muss das Drahtseil einer Kran-
winde für die Höchstkraft Fmax = 150 kN enthalten?

Aufgabe 2.3 (Spannung und Verlängerung in einer Messgeräteaufhängung).


Ein Messgerät (Gewichtskraft 3 800 N) soll an drei in einer Ebene parallelen Stahl-
drähten (E-Modul E = 2,1 · 105 N/mm2 ) mit gleichem Durchmesser d = 3 mm
aufgehängt werden. Beim Einbau ist der mittlere Draht um 3 mm kürzer als die
beiden äußeren mit der Länge l = 7 000 mm.
a) Zu berechnen sind die Spannungen in den Drähten und deren Verlängerung nach
Aufhängen des Gerätes.
b) Wie groß sind die Spannungen und die Verlängerungen, wenn der mittlere Draht
um 3 mm zu lang ist?

Aufgabe 2.4 (Druckspannungen). Ein Stahlzylinder 1 und ein Graugussrohr mit


gleicher Höhe h = 50 mm werden zwischen den starren Druckplatten einer Presse
gemeinsam um den Betrag dh = 0, 03 mm elastisch zusammengedrückt (Abb. 2.29).
Wie groß sind die Druckspannungen in den beiden Teilen sowie die gesamte Press-
kraft F? Kann das Gussrohr die Kraft F allein ertragen, ohne zu versagen? (Stahl
E = 2 · 105 N/mm2 , Grauguss GG-25 E = 1,2 · 105 N/mm2 ).
52 2 Zug- und Druckbeanspruchung

50
1

Abb. 2.29 Stahlzylinder 1 ∅45


und Graugussrohr 2, gemein- ∅50
sam zwischen Druckplatten
∅60
gedrückt

Aufgabe 2.5 (Stangenkräfte, -spannungen und -verlängerung). Zwei Stangen


aus Aluminium mit d = 15 mm und E = 0,7 · 105 N/mm2 und eine aus Stahl mit
d = 10 mm und E = 2,1 · 105 N/mm2 von gleicher Länge l = 2 700 mm werden
gleichmäßig durch die Kraft F = 40 kN gezogen, so dass sie die gleiche Verlänge-
rung erfahren. Zu berechnen sind die Spannungen und die Kräfte in den Stangen
sowie deren Verlängerung.

Aufgabe 2.6 (Schraubendimensionierung). Der Deckel eines Dampfkessels soll


eine Öffnung 480 mm × 500 mm abschließen und ist mit 16 Schrauben verschlos-
sen, Dampfdruck 1 N/mm2 . Welche Gewindegröße ist für die Schrauben zu wählen
(σzul = 50 N/mm2 )?

Aufgabe 2.7 (Bemessung eines Kranauslegers). Der auf Abb. 2.30 dargestellte
Kranausleger besteht aus der Schließe 1 und der Strebe 2, die im Punkt K gelen-
kig miteinander verbunden sind. Die Schließe 1 wird aus zwei Rundstahlstangen

3 000
K
1
F
18

2
00

00
Abb. 2.30 Kranausleger mit 25
angehängter Last F

mit E = 2 · 105 N/mm2 und d = 20 mm, die Strebe 2 aus zwei ungleichschenkli-
gen Winkelstählen 130 × 65 × 10, DIN 1 029, mit gleichem E-Modul gebildet.
In einem Belastungsversuch wurde unter der Kraft F an einer Stange der Schließe 1
die Längsdehnung ε = 0, 06 % gemessen. Zu ermitteln sind
2.5 Aufgaben zu Kapitel 2 53

a) die Spannung und die Kraft in der Schließe 1,


b) die angehängte Kraft F,
c) die Kraft und die Spannung in der Strebe 2,
d) die Verschiebung vK des Knotenpunktes K.

Aufgabe 2.8 (Zugspannung in Folge von Fliehkräften). Eine dünnwandige Trom-


mel aus Kupfer (d = 1 000 mm, ρ = 9,14 · 103 kg/m3 ) rotiert um ihre Achse mit
n = 2 000 min−1 . Wie groß ist die Zugspannung durch die Fliehkräfte?

Aufgabe 2.9 (Höchstdrehzahl). Welche maximale Drehzahl darf eine zylindrische


Trommel aus Stahl, die um ihre Achse rotiert, erreichen (Durchmesser d = 500 mm,
σzul = 320 N/mm2 , ρ = 8 · 10−6 kg/mm3 )?

Aufgabe 2.10 (Aufschrumpfen). Auf einen Radkörper aus Stahlguss, Durchmes-


ser 1 800 mm, soll ein Stahlreifen mit den Kennwerten E = 2,15 · 105 N/mm2 ,
αT = 12 · 10−6 K−1 ) und 1 900 mm Außendurchmesser warm aufgezogen werden.
Zu berechnen sind bei starrem Radkörper der zum Schrumpfen erforderliche Innen-
durchmesser di des Reifens für eine Zugspannung σ = 240 N/mm2 , die Mindest-
erwärmungstemperatur ΔT und die Pressung p zwischen Radkörper und Reifen.

Aufgabe 2.11 (Aufschrumpfen Stahlwelle mit Kupferring). Die Schrumpfver-


bindung aus einer Stahlwelle (αT = 12 · 10−6 K−1 ) und einem 10 mm dicken Kup-
ferring (E = 1,2 · 105 N/mm2 , αT = 17 · 10−6 K−1 ) wird zum Lösen gemeinsam
erwärmt. Bei der Temperatur T1 = 205 ◦ C beginnt sich der Ring gerade zu lockern.
Bei der Raumtemperatur TR = 25 ◦ C ist der Wellendurchmesser 250 mm. Zu berech-
nen sind bei starrer Welle
a) der Wellendurchmesser bei 205 ◦ C,
b) der Innendurchmesser des Ringes vor dem Schrumpfen bei Raumtemperatur,
c) die Schrumpfspannung im Ring und die Pressung zwischen Ring und Welle bei
Raumtemperatur vor dem Lösen.

Aufgabe 2.12 (Aufschrumpfen äußerer auf inneren Ring). Ein äußerer Ring
(da = 350 mm, d0 = 340 mm, E1 = 1,8 · 105 N/mm2 ) soll auf einen inneren Ring
(di = 320 mm, d0 = 340 mm, E2 = 1,2 · 105 N/mm2 ) mit der Pressung p = 5 N/mm2
warm aufgeschrumpft werden.
1. Zu berechnen sind
a) die Spannungen in beiden Ringen,
b) das notwendige Schrumpfmaß ddS ,
c) die zum Aufschrumpfen notwendige Erwärmungstemperatur dT des äußeren
Ringes (αT = 16 · 10−6 K−1 ).
2. Welche Fließgrenzen müssen beide Werkstoffe bei zweifacher Sicherheit gegen
Fließen mindestens aufweisen?
3. Welche Spannungen würden sich im äußeren Ring ergeben, wenn er auf eine (als
starr anzunehmende) Vollwelle (Durchmesser d0 ) mit gleichem Schrumpfmaß,
wie oben errechnet, aufgeschrumpft würde?
54 2 Zug- und Druckbeanspruchung

Abb. 2.31 In einen Alu-


miniumring geschrumpfte
Stahlbuchse

∅38
∅40
∅48

Aufgabe 2.13 (Aufschrumpfen einer Stahlbuchse auf einen Ring). In einem Alu-
miniumring (E = 0,7 · 105 N/mm2 , αT = 24 · 10−6 K−1 ) soll eine Stahlbuchse
(E = 2,1 ·105 N/mm2 , αT = 12 ·10−6 K−1 ) eingeschrumpft werden (Abb. 2.31). Das
vorgeschriebene Schrumpfmaß habe den Wert ΔdS = 0,05 mm. Zu berechnen sind
– die Pressung p zwischen Ring und Buchse,
– die Spannung in Ring und Buchse,
– die Mindesttemperaturdifferenz, die entweder zum Erwärmen des Ringes oder
zum Unterkühlen der Buchse beim Aufschrumpfvorgang erforderlich ist. Welche
der beiden Maßnahmen beim Schrumpfen ist sinnvoller?

Aufgabe 2.14 (Verlängerung eines Seils durch Eigengewicht). Mit welcher Kraft
Fzul darf das Stahldrahtseil (σzul = 150 N/mm2 ) einer Förderanlage (Seillänge
l = 890 m) belastet werden? Das Seil setzt sich aus 200 Einzeldrähten je 1 mm
Durchmesser zusammen. Wie groß ist die Verlängerung des Seiles unter Eigenge-
wichtskraft und Kraft Fzul ?

Aufgabe 2.15 (Eigengewichtsbelastung eines gemauerten Pfeilers). Ein gemau-


erter Pfeiler (σzul = 0,8 N/mm2 ) mit der Höhe h = 10 m ist durch die Druckkraft
F = 500 kN beansprucht. Zu berechnen sind
a) die erforderliche Seitenlänge a des quadratischen Querschnitts unter Berücksich-
tigung der Eigengewichtskraft (ρ = 2,5 · 104 N/m3 ),
b) der Anteil der Eigengewichtskraft in Prozenten der Kraft F,
c) der erforderliche Durchmesser d eines Sockels, der auf gewachsenem Boden
steht, wenn pzul = 0,35 N/mm2 ist,
d) die Abmessungen des oberen und unteren Querschnitts a0 und a1 des Pfeilers,
wenn er als Körper gleicher Druckbeanspruchung auszuführen ist. Wieviel Pro-
zent der Kraft F macht die Eigengewichtskraft nun aus?
2.6 Formelzusammenfassung Kapitel 2 55

2.6 Formelzusammenfassung Kapitel 2

• Zugspannung
F
σ=
A
σ - Zugspannung, F - Kraft in Zugrichtung, A - Querschnittsfläche
• Druckspannung
F
σ=−
A
σ - Druckspannung, F - Kraft in Druckrichtung
• Zulässige Spannung
|F|
|σ| =  σzul
A
σzul - zulässige Spannung
• Tragfähigkeit
|Fzul |  Aσzul
Fzul - zulässige Kraft
• Dimensionierung
|F|
Azul 
σzul
Azul - zulässiger Querschnitt
• Dehnung
ΔL
ε=
L
ε - Dehnung, ΔL - Verlängerung, L - Ausgangslänge
• Querdehnung (Rundstab)
Δd
εq =
d
εq - Querdehnung, Δd - Durchmesseränderung, d - Ausgangsdurchmesser
• Hooke’sches Gesetz
σ = Eε
E - Elastizitätsmodul
• Zugkraft
F = EAε
• Verlängerung
Fl
Δl =
EA
• Wärmedehnungen
εT = αT ΔT .
αT - linearer Wärmeausdehnungskoeffizient, ΔT - Temperaturdifferenz
56 2 Zug- und Druckbeanspruchung

• Verlängerung in Folge einer Temperaturdifferenz

Δl = l εT = l αT ΔT .

• Spannung
σ = −E αT ΔT = −E εT ,
Kapitel 3
Zulässige Beanspruchung und Sicherheit -
Beurteilung des Versagens

Eine Festigkeitsberechnung - sei es die Bemessung, der Spannungsnachweis oder


die Ermittlung der Tragfähigkeit - birgt immer verschiedene Unsicherheiten in sich,
sofern sie sich nur auf die Wahl von zulässigen Spannungen stützt. Sie verlangt aus-
reichende Erfahrung, die der Anfänger nicht mitbringen kann. Die Festigkeitslehre
wird für ihn dann undurchschaubar, er begnügt sich damit, Werte in Gleichungen
einzusetzen, ohne diese selbst zu verstehen.
Eine gewisse Eigenverantwortlichkeit entsteht, wenn die möglichen Arten des
Versagens und die zugehörigen Werkstoffkennwerte (Grenzspannungen) bei der
Festigkeitsberechnung berücksichtigt werden. Dieses ist möglich, wenn auf die Si-
cherheit eingegangen wird. Die Grenzspannungen, im Allgemeinen in Versuchen
an Werkstoffproben ermittelt, dürfen in Bauteilen im Betrieb weder erreicht noch
überschritten werden. Auch die Wahl des so genannten Sicherheitsbeiwertes (kurz
Sicherheit) S erfordert Erfahrung. Vielfach ist die Sicherheit jedoch durch Vorschrif-
ten festgelegt oder es liegen Richtwerte zur Orientierung vor.
Ungünstige und nicht vorherzusehende Betriebsbedingungen, falsche Lastannah-
men, Werkstofffehler usw. können natürlich jeder noch so sorgfältigen Berechnung
zum Trotz zu Schadensfällen führen, wie die Erfahrung immer wieder zeigt. Des-
halb spielt die Schadensanalyse in der Praxis eine große Rolle.
In Ergänzung zu Definition 1.1 werden im Folgenden die beiden in der Festig-
keitsberechnung immer wiederkehrenden Begriffe Sicherheit und zulässige Span-
nung zunächst definiert. Dann wird versucht, beide rechnerisch zu erfassen.
Definition 3.1 (Sicherheit). Die Sicherheit S ist das Verhältnis einer aus Versuchen
ermittelten Grenzspannung σG zu einer errechneten Spannung σ. Die Grenzspan-
nung stellt dabei einen Werkstoffkennwert dar.

Definition 3.2 (Zulässige Spannung). Die zulässige Spannung σzul ist das Verhält-
nis einer aus Versuchen ermittelten Grenzspannung σG zu einer Sicherheit S.

57

G. Holzmann et al., Technische Mechanik Festigkeitslehre, DOI 10.1007/978-3-8348-8101-4_3,


© Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
58 3 Zulässige Beanspruchung und Sicherheit - Beurteilung des Versagens

3.1 Ruhende oder statische Beanspruchung

Werden Bauteile zügig bis zu einem Höchstwert F belastet und ändert sich dieser
zeitlich nicht, nennt man die Beanspruchung ruhend oder statisch. Je nach dem Ver-
sagen der Werkstoffe im statischen Versuch (z. B. Zugversuch) werden Sicherheit
und zulässige Spannung aus den entsprechenden Kennwerten berechnet.
Bei Versagen durch Trennbruch ohne messbare bleibende Formänderung ist

Rm
Sicherheit gegen Bruch SB = , (3.1)
σ
Rm
zulässige Spannung σzul = . (3.2)
SB
Besteht dagegen die Gefahr des Versagens durch große bleibende Formänderungen,
dann ist
σF
Sicherheit gegen plastisches Fließen SF = , (3.3)
σ
σF
zulässige Spannung σzul = . (3.4)
SF
Die errechnete Spannung σ in den Gln. (3.1) und (3.3) ist auf einen glatten Stab
bezogen. Die Fließgrenze σF als Oberbegriff umfasst die Streckgrenze Re bzw. die
0, 2 - Dehngrenze Rp0,2 im Zugversuch oder ähnliche Kennwerte, die auch bei ande-
ren Beanspruchungsarten (z. B. Druck oder Biegung) den Beginn größerer bleiben-
der Formänderungen anzeigen. Anhaltswerte für übliche Sicherheiten sind

SB = 2 . . . 4, SF = 1, 2 . . . 2,

wenn keine verbindlichen Vorschriften bestehen. Bei höheren Betriebstemperaturen


sind die Kennwerte Rm/105 und Rp 1/105 als Grenzspannungen (s. Abschnitt 2.2.3)
in die obigen Gleichungen einzusetzen.

3.2 Schwingende oder dynamische Beanspruchung

Ruhende Beanspruchung in Bauteilen kommt in der Praxis relativ selten vor, häufi-
ger sind Bauteile Beanspruchungen ausgesetzt, die zeitlich schwanken. Man nennt
diese Beanspruchungen schwingend oder dynamisch (z. B. bei Fahrzeugen). Erfah-
rungen zeigen immer wieder, dass Bauteile unter der Wirkung dynamischer Bean-
spruchung nach längerer Zeit bei Spannungen zu Bruch gehen können, die weit
unterhalb der statischen Bruchfestigkeit des betreffenden Werkstoffs, ja sogar un-
terhalb seiner Proportionalitätsgrenze liegen.
Die aus dem Quotienten von Grenzspannung und errechneter Spannung gebildete
Sicherheit kann nach den Angaben im Abschnitt 3.1 zwar größer als 1 sein, die
3.2 Schwingende oder dynamische Beanspruchung 59

tatsächliche Sicherheit ist jedoch kleiner als 1, da das Bauteil zerstört wurde. Dieses
muss zweierlei Gründe haben:
1. Die tatsächliche Grenzspannung bei schwingender Beanspruchung ist geringer
als bei ruhender Beanspruchung.
2. Die wirkliche Spannung im Bauteil ist größer als die nach den üblichen Regeln
errechnete Spannung (bei Zugbeanspruchung z. B. σ = F/A).
Beide Einflüsse werden in den folgenden Abschnitten besprochen.

3.2.1 Grenzspannung bei dynamischer Beanspruchung

Um den Einfluss einer über längere Zeit einwirkenden schwingenden Beanspru-


chung erfassen zu können, wurde der Begriff der Dauerschwingfestigkeit oder kurz
Dauerfestigkeit geprägt. Die ersten Versuche in dieser Richtung sind systematisch
von W ÖHLER1 um die Mitte des 19. Jahrhunderts durchgeführt worden.
Definition 3.3 (Dauerfestigkeit). Die Dauerfestigkeit ist diejenige Grenzspannung
σD , die eine Werkstoffprobe bei ständiger Wiederholung der Belastung theoretisch
unendlich oft ertragen kann, ohne dass ein Bruch auftritt.

Definition 3.4 (Dauerbruch). Einen Bruch bei schwingender Beanspruchung nennt


man Dauerbruch.

Infolge der Bruchgefahr bei Spannungen häufig schon unterhalb der Proportiona-
litätsgrenze sind Dauerbrüche auch bei sonst duktilem Werkstoff spröde Trenn-
brüche. Diese kündigen sich nicht durch bleibende Formänderungen an. Ausgangs-
punkt sind Mikroschädigungen, die nicht gleich erkannt werden, ständig zunehmen
und daher besonders gefährlich sind.

3.2.1.1 Ermittlung der Dauerfestigkeit im Versuch

Auf Abb. 3.1 a) ist als Beispiel eine beliebige zeitliche Belastungsfolge in einem
Bauteil dargestellt. Die einfachste Methode zur Prüfung besteht darin, dass man
dem Diagramm nur die kleinste und die größte Spannung entnimmt und Proben mit
diesen Werten sinusförmig belastet (Abb. 3.1 b). Eine zweite Methode besteht darin,
die Belastungsfolgen nach der Häufigkeitsverteilung auszuwerten. Die Proben oder
auch die Bauteile werden zwar ebenfalls periodisch, aber mit verschieden hohen
Beanspruchungen von unterschiedlicher Dauer geprüft (Belastungskollektiv, Abb.
3.1 c). Wir wollen nur die am weitesten verbreitete erste Methode weiterverfolgen

1 AUGUST W ÖHLER (∗ 22. Juni 1819 in Soltau; † 21. März 1914 in Hannover), Ingenieur, er-

forschte die Werkstoffe Stahl und Eisen, W ÖHLER linie, Ehrendoktor 1901 TH Charlottenburg
(heute TU Berlin)
60 3 Zulässige Beanspruchung und Sicherheit - Beurteilung des Versagens

und die Kennwerte als Grundlage für eine Festigkeitsberechnung bei schwingender
Beanspruchung liefert.
Die in Abb. 3.1 b) gezeichneten Beanspruchungen2 kann man zerlegen in eine
σo + σu
Mittelspannung σm = ,
2
die ruhend ist, und einen dieser Mittelspannung überlagerten
σo − σu
Spannungsausschlag σa = .
2
Es gilt

Oberspannung σo = σm + σa , Unterspannung σu = σm − σa .

Die Methode des von W ÖHLER begründeten klassischen Dauerversuchs ist in die
Normung aufgenommen worden (DIN 50 100) und wird wie folgt durchgeführt:
Eine Anzahl (meist 6. . . 8) gleicher Proben des gleichen Werkstoffs (im Allgemeinen po-
liert oder feingeschliffen, Durchmesser 8. . . 10 mm) wird in einer Dauerprüfmaschine je-
weils bei gleicher Mittelspannung σm mit verschieden hohen Spannungsausschlägen ±σa
bis zum Bruch beansprucht. Die Zahl N der Schwingspiele bis zum Bruch wird bei jeder
Probe festgehalten und die Spannung σa in Abhängigkeit von der Bruchschwingspielzahl
N aufgetragen (Abb. 3.2), die Abszisse ist logarithmisch geteilt.

Verbindet man die einzelnen Punkte miteinander, erhält man das so genannte
W ÖHLERschaubild (W ÖHLERkurve). Man erkennt aus dem typischen Aussehen,
dass mit immer geringer werdender Spannung σa die ertragbaren Schwingspielzah-
len bis zum Bruch immer größer werden, bis bei einer Grenzschwingspielzahl keine
Brüche mehr auftreten und die Kurve waagerecht verläuft. Diese Grenzschwing-
spielzahl beträgt bei Stahl N = 2 · 106 . . . 107 , so dass man dann die

Dauerfestigkeit σD = σM ± σA (3.5)

a) b) c)
σ σ σ
σu σa σa
σo
σm
σu

t t t
Abb. 3.1 Beispiele zeitlicher Beanspruchungsfolgen
a) beliebige Beanspruchung in einem Bauteil
b) sinusförmige Beanspruchung in einer Probe
c) Beanspruchung verschiedener Höhe und Zeitdauer in einer Probe

2 Zur Unterscheidung von einzustellenden Beanspruchungsparametern mit kleinen Buchstaben als


Indizes erhalten später die zu bestimmenden Kennwerte der Schwingfestigkeit große Indizes [9].
3.2 Schwingende oder dynamische Beanspruchung 61

auf endliche Lastwechselzahlen beziehen kann (Abb. 3.2). σA ist der ertragbare
Spannungsausschlag (Ausschlagfestigkeit), der durch den wagerechten Verlauf der
W ÖHLERkurve gegeben ist. Nichteisenmetalle zeigen auch nach größeren Schwing-
spielzahlen noch Dauerbrüche, so dass hier höhere Grenzschwingspielzahlen zu-
grunde gelegt werden müssen (bei Aluminium z. B. 5 · 107 . . . 108 ).
Häufig spielt auch die Zeitfestigkeit eine Rolle, das ist die Schwingbeanspru-
chung für eine Bruchschwingzahl, die kleiner als die Grenzschwingspielzahl ist,
z. B. σA(105 ) in Abb. 3.2. Sie ist größer als die Dauerfestigkeit. Vergleicht man
die Ergebnisse von Dauerfestigkeitsversuchen an gleichen Proben mit verschie-
den hohen Mittelspannungen σm miteinander, stellt man fest, dass der ertragbare
Spannungsausschlag σA mit zunehmender Mittelspannung σm kleiner wird. Die-
se Abhängigkeit kann anschaulich in einem Dauerfestigkeitsschaubild nach S MITH
dargestellt werden, es ist in der DIN 50 100 genormt (Abb. 3.3 a). Dabei wird über
der Mittelspannung der Dauerfestigkeit σM als Abszisse die zugehörige Ober- und
Unterspannung der Dauerfestigkeit σO = σM + σA und σU = σM −σA nach Gl. (3.5)
als Ordinate aufgetragen. Sie haben von der unter 45◦ verlaufenden so genannten
Leitgraden nach oben und unten gleichen Abstand.
Da Fließen auf jeden Fall vermieden werden soll, wird bei Werkstoffen mit plas-
tischen Verformungsverhalten das Schaubild nach oben durch die Fließgrenze be-
schränkt (Abb. 3.3 b). In der üblichen Darstellung werden die gekrümmten Grenz-
spannungslinien durch Geraden ersetzt sind (Abb. 3.3 c). Im Druckbereich kann die
Dauerfestigkeit größer sein als im Zugbereich, z. B. bei Gusseisen. Aus dem Dauer-
festigkeitsschaubild nach S MITH können nun die schon von VON BACH3 eingeführ-
ten drei Lastfälle abgeleitet werden, nach denen auch heute noch vielfach gearbeitet
wird:
Lastfall I Ruhende Beanspruchung, Grenzspannungen sind Zugfestigkeit oder
Fließgrenze (oder entsprechende Kennwerte bei anderen Beanspruchungsarten),

σa
σm = const
σA (105 )

Abb. 3.2 W ÖHLER schaubild.


σA

σA Ausschlagfestigkeit bei
σm = const, σA(105 ) Zeit-
festigkeit bezogen auf 105
Schwingversuche 103 104 105 106 107 N

3 J ULIUS C ARL VON B ACH (∗ 8. März 1847 in Stollberg/Erzgeb.; † 10. Oktober 1931 in Stuttgart),

Maschinenbau-Ingenieur, Elastizitäts- und Festigkeitslehre, Professor TH Stuttgart, Rektor 1885-


88
62 3 Zulässige Beanspruchung und Sicherheit - Beurteilung des Versagens

a) b) c)
σD σD σD

σO σF

σA σA

σSch
σF
σM

σW
σM σM II I σM
σU

III
Abb. 3.3 Dauerfestigkeitsschaubilder (nach S MITH ) auf der Zugseite
a) allgemeine Darstellung (σO obere Grenzspannung, σU untere Grenzspannung)
b) Schaubild nach oben durch die Fließgrenze σF begrenzt, bei Zug ist σF = Re
c) vereinfachte Darstellung mit geraden Grenzspannungslinien

Lastfall II Schwellende Beanspruchung, die Belastung schwankt dauernd zwi-


schen Null und einem Höchstwert. Als Grenzspannung erhält man mit σM = σA
aus Gl. (3.5) die Schwellfestigkeit

σSch = 2σA , (3.6)

Lastfall III Wechselnde Beanspruchung, die Belastung schwankt dauernd zwi-


schen einem positiven und negativen gleichgroßen Höchstwert. Als Grenzspan-
nung erhält man mit σM = 0 die Wechselfestigkeit

σW = ±σA . (3.7)

Auch für andere Beanspruchungsarten (z. B. Biegung, Torsion) erhält man ähnliche
Dauerfestigkeitsschaubilder, die Grenzspannungen werden durch entsprechende In-
dizes gekennzeichnet σbW , τtSch . Aus der Wechselfestigkeit, der Schwellfestigkeit
und der Fließgrenze kann ein Dauerfestigkeitsschaubild näherungsweise konstru-
iert werden (s. Bsp. 3.1).
Die Dauerfestigkeit σD metallischer Werkstoffe ist sehr stark von der Beschaf-
fenheit der Oberfläche der Proben abhängig. Je glatter diese ist, um so größer
wird auch σM . Schon kleine Oberflächenbeschädigungen, z. B. durch feine Ris-
se, durch Scheuerwirkung in Presssitzen, Korrosionsangriff sowie Guss- und Walz-
haut, können die Dauerfestigkeit erheblich herabsetzen. Aus diesen Gründen begin-
nen Dauerbrüche auch bei gleichmäßiger Spannungsverteilung fast ausnahmslos an
der Oberfläche. Die angeführten Einflüsse wirken sich vor allem in einer Ernied-
rigung der Ausschlagfestigkeit σA aus, Dauerfestigkeitsschaubilder mit derartigen
Einflüssen erscheinen schmal und lang (Abb. 3.4, Kurve 2).
3.2 Schwingende oder dynamische Beanspruchung 63

Abb. 3.4 Dauerfestigkeitsschaubild σD


eines Federstahls
1 geschliffene Oberfläche
2 gewalzte Oberfläche 1

σM

3.2.2 Einflüsse, die durch die elementare Berechnung nicht erfasst


sind

Die wirkliche oder wirksame Spannung in einem Bauteil kann durch verschiedene
Einflüsse höher sein als die errechnete Spannung (auch Nennspannung σn genannt):
– Unsicherheiten der Berechnung infolge unbekannter Kräfteverteilung oder
komplizierter Bauform sind einer Berechnung im Allgemeinen nicht zugänglich.
Die wirklichen Beanspruchungen können jedoch z. B. durch Dehnungsmessun-
gen in den betreffenden Bauteilen erfasst werden. Von dieser Möglichkeit wird
viel Gebrauch gemacht, z. B. an Triebwerken, Fahrzeugen, Flugzeugen u. a. m.
(s. Abschnitt 9.3.5).
– Ungünstige Betriebsbedingungen durch Stoßbelastungen und unkontrollierba-
re Überlastungen. Die Kräfteverteilung in Bauteilen ist zwar oft bekannt, durch
Betriebseinflüsse, z. B. durch Stoßwirkung, können die Kräfte gegenüber den
rechnerisch anzunehmenden jedoch größer werden. Man berücksichtigt diese
Einflüsse durch eine so genannte Stoßziffer ϕ, die auf Grund von Erfahrung
geschätzt werden kann [27].

3.2.2.1 Kerbwirkung

Einflüsse, die den gleichmäßigen Kraftfluss in einem Bauteil stören, führen zu ei-
ner ungleichmäßigen, von der errechneten Spannung abweichenden Spannungsver-
teilung. Man fasst diese unter dem Begriff Kerbwirkung zusammen. Als Kerben
wirken u.a. Querbohrungen, Längs- und Querrillen, Nuten und plötzliche Quer-
schnittsübergänge. Durch elastizitätstheoretische Berechnungen [37] oder durch nu-
merische Verfahren (z. B. Finite-Elemente-Methode [29]) kann man entweder die
ungleichmäßige Spannungsverteilung als Ganzes oder zumindest deren, meist nur
allein interessierenden Maximalwert bei vielen in der Praxis vorkommenden Kerb-
formen ermitteln.
64 3 Zulässige Beanspruchung und Sicherheit - Beurteilung des Versagens

Abb. 3.5 Kerbspannungen a) b)


F F
σk und Nennspannungen
σn im Kerbquerschnitt von
gekerbten Zugstäben
a) Flachstab mit Querbohrung
b) Rundstab mit umlaufender
Rille

σk
σk

σn
σn
ρ

d t d
B D

F F

Formzahl αk . In Abb. 3.5 sind die Spannungsverteilungen in je einem Zugstab


dargestellt, einmal als Flachstab mit Querbohrung (Abb. 3.5 a), zum anderen als
Rundstab mit umlaufender Rille (Abb. 3.5 b). Den Bohrungsrand im kleinsten
Querschnitt bzw. den Rillengrund bezeichnet man als Kerbgrund, dort hat die un-
gleichmäßig verteilte Spannung ihren Maximalwert. Diese wird Kerbspannung σk
genannt. Man gibt sie als Vielfaches der auf den kleinsten Querschnitt im Kerbgrund
bezogenen Nennspannung σn = F/Amin an

σk = αk σn . (3.8)

αk nennt man Formzahl oder Formfaktor. Sind die Kerbspannung σk und die Nenn-
spannung σn bekannt, dann kann aus Gl. (3.8) die Formzahl berechnet werden
σk
αk = . (3.9)
σn
Ist die Kerbspannung z. B. durch Dehnungsmessung im Kerbgrund ermittelt wor-
den, dann ergibt sich die Formzahl nach dem H OOKEschen Gesetz mit σk = εk E
zu
εk E
αk = . (3.10)
σn
Die Formzahl hängt von der Form und den Abmessungen der Kerbe (Kerbtiefe t,
Krümmungsradius ρ im Kerbgrund) sowie von der Beanspruchungsart ab. Sie ist
um so größer, je schärfer“ die Kerbe ist, d. h., je kleiner der Kerbradius ist. Für

eine Reihe von Kerbformen sind die Formzahlen bekannt und in Handbüchern zu-
sammengestellt [22; 27; 37; 45].
3.2 Schwingende oder dynamische Beanspruchung 65

3.2.2.2 Versagen bei ruhender Beanspruchung unter Kerbwirkung

Bei spröden Werkstoffen und ruhender Beanspruchung wird durch Kerbwirkung die
Bruchgefahr immer erhöht, die Formzahl αk ist daher voll in Rechnung zu setzen.
Die Gln. (3.1) und (3.2) lauten nunmehr
Rm
Sicherheit gegen Bruch SB = , (3.11)
αk σn
Rm
Zulässige Spannung σzul = . (3.12)
αk SB
Wird ein gekerbter Zugstab aus duktilem Werkstoff belastet, erreicht bei stetiger
Laststeigerung zunächst die Kerbspannung die Fließgrenze des Werkstoffs, dort be-
ginnt also plastische Verformung. Bei weiterer Lastzunahme können weiter innen
liegende Bereiche, in denen nun ebenfalls die Fließgrenze erreicht wird, fließen,
ohne dass die Spannungen die Fließgrenze überschreiten. Das führt zu einem Ab-
bau der Spannungsspitzen und zu einer Stützwirkung der noch nicht so hoch bean-
spruchten Querschnittsbereiche. Überlastungen, die zu einer teilweisen plastischen
Verformung im Kerbgrund und den eng benachbarten Bereichen führen, sind im
Allgemeinen dann nicht schädlich, wenn der Werkstoff genügend plastische Verfor-
mungsreserve aufweist und keine Verformungsbehinderung durch zu scharfe Ker-
ben eintritt. Man kann diesem Umstand durch Einführung einer Stützziffer n0,2 [45]
Rechnung tragen, die auf eine maximale plastische Dehnung von 0,2 % bezogen
ist. Mit dieser Stützziffer kann die Werkstofffließgrenze multipliziert (Formdehn-
grenze) und in die Berechnung eingeführt werden. Die Gln. (3.3) und (3.4) lauten
dann
n0,2 σF
Sicherheit gegen Fließen SF = , (3.13)
αk σn
n0,2 σF
Zulässige Spannung σzul = . (3.14)
αk SF
Die Stützziffer wird in Abhängigkeit von der so genannten Fließdehnung εF = σF /E
berechnet [45]. Ist keine Stützwirkung vorhanden, z. B. bei sprödem Werkstoff,
dann ist n0,2 = 1, bei voller Stützwirkung, z. B. bei Werkstoffen mit ausgeprägter
Fließgrenze, ist n0,2 = αk , weil dann keine Wirkung der Kerbe mehr vorhanden ist.
Diese Berechnungsmethode setzt voraus, dass genügende plastische Verfor-
mungsfähigkeit des Werkstoffs gegeben ist, die Funktionsfähigkeit der Bautei-
le nicht gestört wird und ausreichende Sicherheit gegen Bruch gewährleistet ist.
Für duktile Werkstoffe mit nicht zu hoher Festigkeit, z. B. Baustähle, kann mit
n0,2 /αk = 1 gerechnet werden, d. h., man kann so vorgehen, als ob keine Kerbe
vorhanden wäre.
66 3 Zulässige Beanspruchung und Sicherheit - Beurteilung des Versagens

3.2.2.3 Versagen bei schwingender Beanspruchung unter Kerbwirkung

Bei schwingender oder dynamischer Beanspruchung führen spannungserhöhende


Einflüsse, wie sie die Kerbwirkung darstellt, immer zu einer Erhöhung der Dauer-
bruchgefahr. Bei dynamischer Beanspruchung hängt die Kerbwirkung sowohl von
der Art und der Form der Kerbe als auch vom Werkstoff des Bauteils ab.
Kerbwirkungszahl βk . Die Auswirkung einer Kerbe auf die Spannung bei dynami-
scher Beanspruchung wird durch die Kerbwirkungszahl βk erfasst [38]. Die wirksa-
me Kerbspannung ist dann
σkw = βk σn . (3.15)
Die Kerbwirkungszahl hängt sowohl von der Formzahl αk ab, sie schwankt zwi-
schen βk = 1 (keine Kerbwirkung) und βk = αk (volle Kerbwirkung), als auch von
der Zugfestigkeit Rm eines Werkstoffs. Werkstoffe hoher Festigkeit sind bei dy-
namischer Beanspruchung wegen ihrer größeren Sprödigkeit kerbempfindlicher als
solche niedriger Festigkeit. Eine exakte Berechnung der βk -Werte ist bis jetzt nicht
möglich, da viele empirisch festgestellte Einflüsse berücksichtigt werden müssen.
Es gibt eine Reihe von Verfahren, nach denen die Kerbwirkungszahl zumindest
näherungsweise ermittelt werden kann. Die wichtigsten sollen kurz erläutert wer-
den, s. auch [45].
Die Ermittlung von βk durch Dauerversuche ist in der DIN 50 100 beschrieben:
βk ist das Verhältnis der Ausschlagfestigkeit σAglatt einer glatten Probe zur Ausschlagfes-
tigkeit σAgekerbt einer gekerbten Probe, wobei der Kerbquerschnitt (Nennquerschnitt) der
gekerbten Probe gleich dem der glatten Probe gewählt werden muss.

Durch Dauerversuche an glatten und gekerbten Proben für bestimmte Kerbformen,


Werkstoffe und Beanspruchungsarten erhält man die genauesten Werte für die Kerb-
wirkungszahl. Es ist dann
σAglatt
βk = . (3.16)
σAgekerbt
Berechnung nach T HUM4 . Hierbei wird versucht, die Kerbwirkungszahl auf einen
formbedingten Einfluss (αk ) und einen werkstoffbedingten Einfluss (ηk ) zurück-
zuführen
βk = 1 + (αk − 1)ηk . (3.17)
ηk ist die so genannte Empfindlichkeitszahl, die die Kerbempfindlichkeit eines
Werkstoffs kennzeichnet. Für βk = 1 ist ηk = 0 (keine Kerbwirkung), für βk = αk ist
ηk = 1 (volle Kerbwirkung). In Abb. 3.6 ist die Herleitung der Gl. (3.17) angedeutet.
Sie geht von der Überlegung aus, dass die über die Nennspannung σ hinausgehende
Spannungsspitze (αk − 1)σn je nach Kerbempfindlichkeit geringer wird.
Ist durch Dauerversuche z. B. für eine bestimmte Kerbform die Kerbwirkungs-
zahl βk bekannt, dann lässt sich durch Umformung von Gl. (3.17) die Kerbempfind-
lichkeitszahl des betreffenden Werkstoffs ermitteln
4 AUGUST T HUM (∗ 16. Juli 1881 in Marktoffingen/Region Augsburg; † 6. Januar 1957, Zürich),

Gestaltfestigkeit, Professor für Werkstoffkunde an der TH Darmstadt und Leiter der Staatlichen
Materialprüfanstalt, Rektor 1932/33
3.2 Schwingende oder dynamische Beanspruchung 67

αk σ n βk σn
σn (αk − 1)σn σn ηk (αk − 1)σn

Abb. 3.6 Spannungen an einer Kerbe zur Herleitung der Kerbwirkungszahl


(αk − 1)σn elastizitätstheoretische Spannungsspitze
ηk (αk − 1)σn bei schwingender Beanspruchung verminderte Spannungsspitze

βk − 1
ηk = . (3.18)
αk − 1
Für andere Kerbformen in Bauteilen des gleichen Werkstoffs kann somit aus αk und
ηk die Kerbwirkungszahl βk über Gl. (3.17) berechnet werden (s. Beispiel 3.4).
Berechnung nach S IEBEL5 und P ETERSEN. Das Berechnungsverfahren berück-
sichtigt neben der Kerbform und der Werkstofffestigkeit auch die Steilheit der Span-
nungsspitze, das so genannte Spannungsgefälle an der höchstbeanspruchten Stelle
der Bauteile im Kerbgrund. Nach S IEBEL und P ETERSEN [45] ist

1 + ρ∗ χglatt
βk = αk . (3.19)
1 + ρ∗ χgekerbt

χglatt und χgekerbt sind die bezogenen Spannungsgefälle bei glattem und gekerbtem
Bauteil, ρ∗ stellt den Radius einer so genannten Ersatzkerbe dar, der den Einfluss
der Werkstoffestigkeit und des kristallographischen Werkstoffgefüges angibt [45].
Die Berechnung nach T HUM hat sich in der Praxis am meisten durchgesetzt
und aus vielen Versuchen liegen Anhaltswerte für die Empfindlichkeitsziffer ηk vor
(s. Tabelle 3.1).

Tabelle 3.1 Empfindlichkeitsziffern ηk verschiedener Werkstoffe


Baustahl Rm ≈ 400 N/mm2 0, 4 ± 0, 1
Baustahl Rm ≈ 600 N/mm2 0, 5 ± 0, 1
Baustahl Rm ≈ 800 . . . 1 000 N/mm2 0, 7 . . .0, 8
hochfester Federstahl 0, 9 . . .0, 95
Grauguss GG 0, 2 . . .0, 3
AlCuMg (Duralumin) 0, 3 . . .0, 5
Kupfer und Messing 0, 4 . . .0, 6

Oberflächeneinfluss. Die Beschaffenheit der Oberfläche spielt bei dynamischer


Beanspruchung eine große Rolle, jedoch sind Auffassungen, wie sie rechnerisch
berücksichtigt werden kann, noch unterschiedlich. Es liegt nahe, den Einfluss der
5 E RICH S IEBEL (∗ 17. Mai 1891 Solingen; 17. Oktober 1961 Stuttgart), Werkstofftechniker und

Materialprüfer, Grundlagen zum Bau von Dampfkesseln und Druckgefäßen, Professor für Werk-
stoffkunde, Materialprüfung und Festigkeitslehre an der TH Stuttgart und Vorstand der Material-
prüfanstalt)
68 3 Zulässige Beanspruchung und Sicherheit - Beurteilung des Versagens

rauhen Oberfläche wie eine Art Kerbwirkung als spannungserhöhend zu behan-


deln. Dieses geschieht durch die Oberflächenziffer ok , mit der die Nennspannung
σn multipliziert wird. Für polierte Oberflächen ist ok = 1, bei geschliffener Ober-
fläche ist ok = 1, 1 . . .1, 2. Bei geschlichteter Oberfläche kann ok = 1, 2 . . .1, 4 je nach
Werkstofffestigkeit betragen. Bei gewalzter und geschmiedeter Oberfläche kann
der Einfluss außerordentlich stark sein; ok = 1, 5 . . .2 bei Stahl niederer Festigkeit;
ok = 2, 5 . . .3, 5 bei hochfesten Stählen. Demzufolge müssen hochbeanspruchte Bau-
teile bei dynamischer Beanspruchung eine besondere Oberflächenbehandlung erfah-
ren (Polieren, Rollen, Strahlen). Der Oberflächenfaktor κ berücksichtigt den Abfall
der Dauerfestigkeit mit zunehmender Rauhigkeit [27]. Es gilt dabei κ ≈ 1/ok .
Die Berechnung der Sicherheit gegen Dauerbruch bzw. der zulässigen Spannung
bei schwingender Beanspruchung kann unter Berücksichtigung der oben angeführ-
ten Einflüsse aus den folgenden Gleichungen erfolgen
σD
Sicherheit gegen Dauerbruch SD = αk , (3.20)
ok βk σn
σD
zulässige Spannung σzul = αk . (3.21)
ok βk SD
σn ist die auf den gekerbten Querschnitt bezogene Nennspannung, bei Zugbeanspru-
chung z. B. σn = F/Amin . Je nach Art der dynamischen Beanspruchung (Lastfall) ist
für σD der entsprechende Kennwert einzusetzen oder dem jeweiligen Dauerfestig-
keitsschaubild zu entnehmen. Die Sicherheit gegen Dauerbruch SD soll im Allge-
meinen nicht kleiner als 2 sein; wenn ausnahmsweise alle Einflüsse sicher erfasst
wurden, kann sie auch 1,5 betragen.
Bei der Entwurfsberechnung (Bemessung) ist häufig die Kerbwirkung usw. nicht
bekannt. Man kann diese Einflüsse zunächst in einer Sicherheitszahl S∗ zusammen-
fassen
S∗ = ok βk SD ,
die entsprechend größer anzunehmen ist (4. . . 6). Nach der konstruktiven Gestaltung
des Bauteils ist dann die Sicherheit gegen Dauerbruch in den gefährdeten Quer-
schnitten nachzurechnen. Bei Beanspruchung oberhalb der Schwellfestigkeit (zwi-
schen Lastfall II und I, s. Abb. 3.3 c) ist neben der Sicherheit gegen Dauerbruch mit
der Ausschlagspannung σa auch genügend Sicherheit gegen Fließen mit der Ober-
spannung σo nachzuweisen (s. Beispiel 3.1). Eine derartige Beanspruchung tritt vor
allem bei vorgespannten Bauteilen (Dehnschrauben) auf (s. Beispiel 3.5).

3.3 Anwendung auf Zug-Druck-Beanspruchung

Die nachfolgenden Beispiele beziehen sich auf die komplexen Fragestellungen des
Kapitels 3 und sind daher separat hier aufgeführt. Die Zuordnung zu bestimmten
Sachverhalten wäre eine unzulässige Einschränkung gewesen.
3.3 Anwendung auf Zug-Druck-Beanspruchung 69

Beispiel 3.1 (Dauerfestigkeitsschaubild).


Für den legierten Stahl 30 CrNiMo 8 V mit einer Zugfestigkeit 1 100 . . .1 300 N/mm2
(DIN 17 200) sind die folgenden Festigkeitskennwerte bekannt: σW = 380 N/mm2 ,
σSch = 620 N/mm2 , Re = 900 N/mm2 . Man zeichne maßstäblich das Dauerfestig-
keitsschaubild. Aus dem oben angegebenen Werkstoff gefertigte Stangen mit glat-
tem Schaft (Querschnittgröße A = 900 mm2 ) werden verschiedenen Belastungen
unterworfen:
a) F = ±180 kN,
b) F = (90 ± 90) kN,
c) F = (180 ± 90) kN,
d) F = (270 ± 90) kN.
Es ist die jeweilige Sicherheit zu berechnen.
Lösung 3.1
Das Dauerfestigkeitsschaubild ist in Abb. 3.7 aufgezeichnet, der Konstruktionsgang ist ohne Wei-
teres aus der Zeichnung verständlich.
a) Die Stange wird wechselnd beansprucht. Mit der Spannung

F 1,8 · 105 N
σa = = = 200 N/mm2
A 900 mm2
σD in N/mm2

900
800 A
700
σA

600
500
Re

400 1
σSch

300
σM
σa
σW

200
σm

100
0
100 200 300 400 500 600 700 800 900
−100
σM in N/mm2
σW

−200
−300
−400
1
σSch
2

Abb. 3.7 Dauerfestigkeitsschaubild für den Stahl 30 CrNiMo 8 V 1 100 . . . 1 300 N/mm2
(1 Gerade 0A zum Aufsuchen der Ausschlagfestigkeit σA bei konstantem Verhältnis σm /σa )
70 3 Zulässige Beanspruchung und Sicherheit - Beurteilung des Versagens

und σD = σW , ok βk = 1 und σn = σa ergibt Gl. (3.20)

σW 380 N/mm2
SD = = = 1, 9 .
σa 200 N/mm2

b) Die Oberspannung ist mit Fo = 1,8 · 105 N

Fo
σo = = 200 N/mm2 .
A
Mit σD = σSch , ok βk = 1 und σn = σa wird die Sicherheit

σSch 620 N/mm2


SD = = = 3, 1
σo 200 N/mm2

bei gleicher Größe der Höchstlast also größer als in a).


c) Mit Fm = 200 N ist die Mittelspannung σm = 200 N/mm2 , mit Fa = 9 · 104 N der Spannungs-
ausschlag σa = 100 N/mm2 (Abb. 3.7). Setzt man voraus, dass bei Überbeanspruchung im Be-
trieb alle Spannungen linear ansteigen, dann ist das Verhältnis σm /σa = σM /σA konstant. In
unserem Fall ist es 2/1, dem Dauerfestigkeitsschaubild 3.7 entnimmt man σM = 520 N/mm2
und σA = 260 N/mm2 , Gerade 0A. Die Sicherheit gegen Dauerbruch ist nun

σA 260 N/mm2
SD = = = 2, 6 .
σa 100 N/mm2

Da die Beanspruchung oberhalb der schwellenden liegt, ist auch ausreichende Sicherheit gegen
Fließen nachzuweisen
Re 900 N/mm2
SF = = = 3.
σo 300 N/mm2
d) In gleicher Weise wie in c) erhält man

σm = 300 N/mm2 , σa = 100 N/mm2 ,

d. h. σm /σa = 3/1. Abbildung 3.7 entnimmt man bei σM = 660 N/mm2 die Ausschlagfes-
tigkeit σA = 220 N/mm2 . Nunmehr ist

SD = 2, 2 und SF = 2, 25 .

Beispiel 3.2 (Sicherheit gegen Dauerbruch).


Ein Flachstab hat eine polierte Querbohrung, Kerbquerschnitt A = 900 mm2 und
wird wie in Beispiel 3.1 c) beansprucht, der Werkstoff ist der gleiche wie dort. Wie
groß ist nun die Sicherheit gegen Dauerbruch?
Lösung 3.2
Für kleine Bohrungen in Flachstäben mit d/B ≈ 0, 2 (Abb. 3.5 a) ist αk ≈ 2, 5 [45]. Mit ηk = 0, 8
(Tabelle 3.1) erhält man aus Gl. (3.17) die Kerbwirkungszahl

βk = 1 + (αk − 1)ηk = 1 + 1, 5 · 0, 8 = 2, 2 .

Mit den gleichen Zahlenwerten wie in Beispiel 3.1 c) für die Spannungen und mit ok = 1 ergibt
sich aus Gl. (3.20)
σA 260 N/mm2
SD = = = 1, 18 .
βk σa 220 N/mm2
3.3 Anwendung auf Zug-Druck-Beanspruchung 71

Diese Sicherheit ist nicht mehr ausreichend. Würde bei gleicher Höchstlast die Ausschlagkraft
verringert (z. B. F = (2,1 · 105 ± 0,6 · 105 ) N), sind σm = 233,3 N/mm2 und σa = 66,7 N/mm2 ,
d. h. σm /σa = 3, 5/1. Abbildung 3.7 entnimmt man dann bei σM = 700 N/mm2 die Ausschlag-
festigkeit σA = 200 N/mm2 .
Nunmehr ist die Sicherheit
200 N/mm2
SD = = 1, 36 .
2, 2 · 66,7 N/mm2

Beispiel 3.3 (Tragfähigkeit).


Eine Rundstange aus Stahl E360 (D = 40 mm) mit glattem polierten Schaft wird
schwellend durch die Kraft F = (130 ± 130) kN auf Zug beansprucht. Wie groß ist
die Sicherheit gegen Dauerbruch? Wie ändert sich die Tragfähigkeit der Stange bei
gleicher Sicherheit, wenn sie eine ausgerundete, polierte Querbohrung (d = 12 mm)
erhält und die Kraft
a) schwellend,
b) als wechselnde
Zug-Druckkraft aufgebracht wird?
Lösung 3.3
Einem Dauerfestigkeitsschaubild für den Stahl E360 entnimmt man den Wert für die Schwellfe-
stigkeit σSch = 410 N/mm2 und die Wechselfestigkeit σW = 230 N/mm2 . Mit dem Querschnitt
A = 1 257 mm2 ist die Oberspannung ohne Querbohrung

Fo 2,6 · 105 N
σo = = = 207 N/mm2 .
A 1 257 mm2
Gleichung (3.20) ergibt mit ok = βk = 1 und σD = σSch

σSch 410 N/mm2


SD = = = 1, 98 .
σo 207 N/mm2

Die Sicherheit ist somit ausreichend, da sie über 1,5 liegt. Um die Tragfähigkeit der quergebohrten
Stange berechnen zu können, muss zunächst die zulässige Spannung ermittelt werden. Gl. (3.21).
Mit dem Verhältnis d/D = 12/40 = 0, 3 erhält man aus dem Diagramm A 15 im Anhang des
Buches [45] die Formzahl einer quergebohrten Rundstange zu αk = 2, 1. Aus Tabelle 3.1 interpo-
liert man für E360 die Empfindlichkeitsziffer ηk = 0, 6. Die Kerbwirkungszahl kann nun aus Gl.
(3.17) berechnet werden

βk = 1 + (αk − 1)ηk = 1 + 1, 1 · 0, 6 = 1, 66 .

Der Querschnitt der Stange ist durch die Querbohrung verkleinert; wenn d/D < 0, 5 ist, kann
die Projektion der Bohrung als Rechteckfläche angesehen werden. Der Kerbquerschnitt ergibt sich
somit zu  
π π d
An = D2 − dD = D2 − .
4 4 D
Mit den gegebenen Zahlenwerten ist An = 777 mm2 .
a) Die zulässige Spannung bei schwellender Beanspruchung ist

σSch 410 N/mm2


σzul = = = 124,7 N/mm2 .
βk SD 1, 66 · 1, 98
72 3 Zulässige Beanspruchung und Sicherheit - Beurteilung des Versagens

Die Tragfähigkeit erhält man nun aus Gl. (2.6)

Fo zul = σzul An = 124,7 N/mm2 · 777 mm2 = 96,9 · 103 N = 96,9 kN .

Die Schwellbelastung der gekerbten Stange darf also F = (48, 5 ± 48, 5) kN betragen.
b) Für wechselnde Belastung ist die zulässige Spannung

σW 230 N/mm2
σzul = = = 70 N/mm2 .
βk SD 1, 66 · 1, 98
Somit ist die Tragfähigkeit

Fa zul = 70 N/mm2 · 777 mm2 = 54,4 · 103 N = 54,4 kN .

Die Wechselbelastung darf demnach F = ±54 kN sein.

Beispiel 3.4 (Sicherheit gegen Dauerbruch).


Eine Zugstange aus Stahl C 45 V 600. . . 700 N/mm2 mit polierter Oberfläche ist
wechselnd durch die Zug- und Druckkräfte F = 250 kN belastet (Abb. 3.8). Wie
groß ist die Sicherheit gegen Dauerbruch? An Probestäben des gleichen Werkstoffs
ergaben Dauerwechselversuche im glatten Zustand σW glatt = 210 N/mm2 , im ge-
kerbten (αk = 2) Zustand σW gekerbt = 140 N/mm2 .

Lösung 3.4
Der gefährdete Querschnitt der Zugstange mit d = 80 mm liegt an der Rillenkerbe. Mit

t/ρ = 5/2, 5 = 2 und d/2ρ = 16

kann die Formzahl berechnet werden [22; 27]. Man findet αk = 3, 5. Die Kerbwirkungszahl der in
Dauerversuchen geprüften Probestäbe ist mit Gl. (3.16)

σW glatt 210 N/mm2


βk = = = 1, 5 .
σW gekerbt 140 N/mm2

Die Empfindlichkeitsziffer des Werkstoffs ist dann mit Gl. (3.18)

βk − 1 1, 5 − 1
ηk = = = 0, 5 .
αk − 1 2−1
Nunmehr kann die Kerbwirkungszahl der Zugstange mit Rillenkerbe aus Gl. (3.17) abgeschätzt
werden
∅90
t

2, 5
∅80

Abb. 3.8 Zugstange mit


Rillenkerbe (t Kerbtiefe)
3.3 Anwendung auf Zug-Druck-Beanspruchung 73

βk = 1 + (αk − 1)ηk = 1 + (2 − 1) · 0, 5 = 1, 5 .
Die Nennspannung im Kerbquerschnitt beträgt mit An = 5 030 mm2

F 2,5 · 105 N
σn = = = 49, 7 N/mm2 .
An 5 030 mm2
Aus Gl. (3.20) folgt die Sicherheit mit ok = 1 bei polierter Oberfläche

σW 210 N/mm2
SD = = = 2, 82 .
βk σn 1, 5 · 49,7 N/mm2

Diese annähernd zweifache Sicherheit ist ausreichend.

Beispiel 3.5 (Vorspannkraft).


Der Lagerdeckel (lF = 70 mm) einer Pleuelstange aus Stahl ist mit zwei Dehn-
schrauben M 26 × 1, 5 (lS = 60 mm, dS = 20 mm) aus Stahl befestigt, die Pleuel-
stange wird im Betriebszustand wechselnd durch die annähernd gleich großen Zug-
und Druckkräfte F = 200 kN beansprucht (Abb. 3.9). Zu berechnen sind die er-
forderliche Vorspannkraft der Schrauben sowie die jeweiligen Sicherheiten gegen
Versagen der Schrauben.
Lösung 3.5
Von der Betriebslast der Pleuelstange wirkt sich jeweils nur die Zugkraft auf die Schrauben aus,
je Schraube ist die Betriebskraft FB = 100 kN. Sind die Schrauben nicht vorgespannt, wirkt diese
Kraft als Schwellbeanspruchung voll auf die Schraube ein. Durch das damit verbundene Abheben
des Deckels bei jedem Lastwechsel ergibt sich eine schlagartige Beanspruchung, die bald zum
Versagen führt. Das gleiche tritt auch ein, wenn so genannte starre Schrauben ohne Dehnlänge
verwendet werden.
Durch Vorspannen der elastisch ausgebildeten Dehnschraube mit der hohen Vorspannkraft FV
wird diese um den Betrag ΔlS gedehnt, gleichzeitig wird auch der wirksame Deckelquerschnitt
(Flansch) unter dem Schraubenkopf durch die gleiche Kraft um den Betrag ΔlF elastisch zusam-
mengedrückt. Nunmehr wird bei Einwirken der Betriebskraft FB die Schraube zwar um den Betrag
ΔlB weiter gedehnt, wobei die Zugkraft in ihr auf Fo anwächst, aber der gedrückte Flanschquer-
schnitt federt um den gleichen Betrag ΔlB zurück. Von der Betriebskraft FB wirkt nur noch ein
geringer Teilbetrag 2Fa als Wechselkraft auf die Schraube ein, die sich der ruhenden Mittelkraft
Fm = FV + Fa überlagert. Die Vorspannkraft im Flansch hat dabei auf den Betrag FV abgenom-
men. Diese Verhältnisse können anschaulich in einem Verspannungsschaubild (3.10) dargestellt
werden.

X Einzelheit X

dS
lF
lS

di
Abb. 3.9 Dehnschraube zur da
Befestigung des Lagerdeckels
einer Pleuelstange, der ge-
drückte Flanschquerschnitt ist F
doppelt schraffiert gezeichnet
74 3 Zulässige Beanspruchung und Sicherheit - Beurteilung des Versagens

a) b) c)

2Fa
α
β

FB
FB

Fm

F0
F0
Kräfte

Kräfte

FV
FV

FV
β

FV
α
ΔlS ΔlB ΔlB ΔlS ΔlB
ΔlF ΔlF
Verlängerung Verkürzung
Abb. 3.10 Verspannungsschaubild

Über der Längenänderung der Schraube ΔlS (Abb. 3.10 a) und der Verkürzung des Flan-
sches ΔlF (Abb. 3.10 b) werden die Kräfte senkrecht aufgetragen, die gegenseitige Abhängig-
keit ist durch das H OOKEsche Gesetz gegeben. Die Richtungen der Kraft-Verformungsgeraden
sind durch die Winkel α und β gegeben, die den Federkonstanten von Schraube cF und vom ge-
drückten Flanschquerschnitt cS proportional sind, s. Gl. (2.13) und (2.14). In Abb. 3.10 c sind
beide Teilbilder zusammengezeichnet. Mit den Abmessungen von Abb. 3.9 (für den gedrück-
ten Flanschquerschnitt ist da = 50 mm angenommen, di = 27 mm) kann die Zahlenrechnung
durchgeführt werden (einige Zwischenrechnungen wurden fortgelassen). Der Schaftquerschnitt ist
AF = 3,14 cm2 , der Flanschquerschnitt AS = 13,91 cm2 ; mit dem Elastizitätsmodul für Flansch
und Schraube E = 2,1 · 105 N/mm2 ergibt sich aus Gl. (2.15) die Federkonstante

AS 314 mm2
cS = E = 2,1 · 105 N/mm2 · = 1,1 · 106 N/mm,
lS 60 mm
AF 1 391 mm 2
cF = E = 2,1 · 105 N/mm2 · = 4,17 · 106 N/mm .
lF 70 mm
Die erforderliche Vorspannkraft FV gewinnt man aus der Bedingung, dass bei Betriebskraft die
restliche Vorspannkraft im Flansch > Null sein muss. Für unser Beispiel soll FV = FV /3 gewählt
sein. Abbildung 3.10 entnimmt man die Beziehungen zwischen den Kräften und den Federkon-
stanten, da
FB − 2Fa
tan α ∼ cS = 2Fa /Δlb und tan β ∼ cF =
Δlb
sowie
FB cS
tan α + tanβ ∼ cS + cF = , 2Fa = FB
Δlb cS + c F
und cF
FV − FV = FB − 2Fa = FB
cS + c F
gilt. Aus der letzten Gleichung erhält man mit FV = FV /3 die notwendige Vorspannkraft zu

3 cF 4,17 · 106
FV = FB = 1,5 · 105 N · = 118,6 · 103 N .
2 cS + c F 5,27 · 106

Die vorletzte Gleichung liefert die wechselnde Belastung 2Fa = 20,8·103 N, die auf die Schraube
wirkt. Somit wird im Betrieb die Schraube mit der Kraft

F = Fm ± Fa = (129 ± 10, 4)kN


3.3 Anwendung auf Zug-Druck-Beanspruchung 75

Abb. 3.11 Verspannungsschaubild 140

20, 8 kN
für Pleuelschraube
120

100 kN
100

80

118, 6 kN
60

Kräfte in KN
40

39, 4 kN
20

0 2 4 6 8 10 2 1 0
×10−3 cm
Verlängerung ΔlS Verkürzung ΔlS

beansprucht. Mit AS = 314 mm2 sind die entsprechenden Spannungen

σm = 410 N/mm2 , σa = 33 N/mm2 , σo = 444 N/mm2 .

Da der Schaftquerschnitt kleiner ist als der Gewindekernquerschnitt, erübrigt sich ein Nachrechnen
der Gewindespannungen. Für die Schraubengüte 10,9 mit Re = 900 N/mm2 ist die Sicherheit
gegen Fließen im Schaft
Re 900 N/mm2
SF = = = 2, 03 .
σo 443 N/mm2
Einem Dauerfestigkeitsschaubild für Schrauben [22] entnimmt man σA = 60 N/mm2 . Somit ist
die auf den Schaftquerschnitt bezogene Sicherheit gegen Dauerbruch

σA 60 N/mm2
SD = = = 1, 82 .
σa 33 N/mm2

Auf den Kernquerschnitt Ak = 454 mm2 bezogen ist σa = 23 N/mm2 und SD = 2, 61. Das ist
voll ausreichend, wenn mindestens zweifache Sicherheit im Gewinde verlangt wird.
In Abb. 3.11 ist das Verspannungsschaubild maßstäblich gezeichnet, die Verformungen unter der
Vorspannkraft erhält man aus Gl. (2.13)

ΔlS = 10,8 · 10−3 cm und ΔlF = 2,84 · 10−3 cm .


76 3 Zulässige Beanspruchung und Sicherheit - Beurteilung des Versagens

3.4 Aufgaben zu Kapitel 3

Aufgabe 3.1 (Sicherheit gegen Dauerbruch und Tragfähigkeit). Zugstäbe aus


Stahl mit Rechteckquerschnitt 25 mm×12 mm (Oberfläche poliert) werden ver-
schiedenen dynamischen Kräften ausgesetzt:
a) F = ±45 kN; b) F = (45 ± 45) kN; c) F = (72 ± 45) kN .
1. Man berechne die jeweiligen Sicherheiten gegen Dauerbruch.
2. Wie groß ist die Tragfähigkeit Fzul der oben angegebenen Stäbe bei 2facher Si-
cherheit gegen Dauerbruch mit polierter Querbohrung (d = 5 mm; αk = 2,6),
wenn die Belastung
a) wechselnd durch gleich große Zug- und Druckkräfte; b) schwellend auf Zug
erfolgt?
Aus Versuchen sind für Stahl folgende Festigkeitswerte bekannt: σW = 340 N/mm2 ,
σSch = 500 N/mm2 , Re = 640 N/mm2 , ηk = 0, 7 . Man zeichne das Dauerfestigkeits-
schaubild.
Aufgabe 3.2 (Berechnung der zulässigen Kräfte in Zugstäben). Zugstäbe aus
Stahl C 45 mit A = 200 mm2 Querschnitt (Oberfläche geschlichtet, ok = 1, 3) wer-
den verschiedenen dynamischen Kräften F = Fm ± Fa ausgesetzt:
a) Fm = 0, b) Fm = Fa /2, c) Fm = Fa , d) Fm = 3Fa .
Aus Versuchen sind die folgenden Festigkeitskennwerte bekannt: σW = 230 N/mm2 ,
σSch = 320 N/mm2 , Re = 350 N/mm2 . Zu berechnen sind die zulässigen Kräfte Fzul
bei zweifacher Sicherheit gegen Dauerbruch.
Aufgabe 3.3 (Sicherheit gegen Dauerbruch einer Rundstange). Eine Rundstange
(D = 60 mm) aus Stahl E295 (ηk = 0, 4) mit poliertem Schaft wird schwellend durch
die Kraft F = (220 ± 220) kN auf Zug beansprucht.
1. Wie groß ist die Sicherheit gegen Dauerbruch?
2. Wie ändert sich die Tragfähigkeit Fzul der Stange, wenn sie eine polierte Quer-
bohrung mit d = 18 mm und αk = 2, 1 erhält?
Aufgabe 3.4 (Stahlstange bei wechselnder Zug-Druck-Beanspruchung). Eine
Stahlstange (D = 20 mm) ist nach längerer Betriebszeit bei wechselnder Zug-
Druck-Beanspruchung unbekannter Höhe gebrochen. Der Dauerbruch liegt in dem
durch eine polierte Querbohrung (d = 8 mm) geschwächten Querschnitt (Formzahl
αk = 2), s. Abb. 3.12. An einigen der Stange entnommenen Probestäben ist in Zer-
reissversuchen die Zugfestigkeit des Werkstoffs Rm = 540 N/mm2 ermittelt worden.
Zu berechnen sind:
1. die Betriebskraft, mit der die gebrochene Stange belastet war unter der Annahme,
dass der Restquerschnitt ARest = 0., 3An = D2 [(π/4) − (d/D)] (s. Beispiel 3.3)
bei Erreichen der Zugfestigkeit auseinandergerissen ist (so genannter statischer
Restbruch),
2. die wirksame Spannung in der Stange vor Beginn des Dauerbruchs (ηk = 0, 45),
wobei man mit der Dauerfestigkeit σW ≈ Rm /3 des Werkstoffs vergleiche, und
3.5 Formelzusammenfassung Kapitel 3 77

Abb. 3.12 Stahlstange


D 1

d
mit einem Dauerbruch im
Kerbquerschnitt
1 Dauerbruchfläche
2 statische Restbruchfläche
ARest = 0, 3An ,
An = D2 [(π/4) − (d/D)]
2

3. der erforderliche Stangendurchmesser, wenn 1,5fache Sicherheit gegen Dauer-


bruch gefordert wird (Anleitung: Man rechne mit dem gleichen Verhältnis d/D
wie oben).
Aufgabe 3.5 (Stahlbuchse bei schwellendem Innendruck). Auf der Innenwan-
dung der in den Aluminiumring eingeschrumpften Stahlbuchse (s. Aufgabe 2.13,
Abb. 2.31) wirkt der schwellende Innendruck pi = 10 N/mm2 . Im Aluminiumring
befindet sich eine kleine Bohrung (ok βk = 1, 6). Zu berechnen sind die Spannungen
und die Sicherheit gegen Dauerbruch im Aluminiumring. Festigkeitskennwerte für
den Werkstoff Al: σW = 70 N/mm2 ; σSch = 100 N/mm2 ; Re = 130 N/mm2 .
Man zeichne das Dauerfestigkeitsschaubild. Wie groß ist die Spannung in der Stahl-
buchse bei Innendruck? Man vergleiche diese mit derjenigen Spannung, die die
Stahlbuchse ohne Schrumpfung bei gleichem Innendruck erfährt.
Anleitung: Die Schrumpfpressung p wirkt als Vorspannung, der sich der Innendruck
pi überlagert. Mit den auf die Längeneinheit bezogenen Presskräften pd0 und pi di
(Abb. 2.23) und den Durchmesseränderungen ΔdAl und ΔdSt , s. Gl. (2.27), kann
man diese Verhältnisse näherungsweise in einem Verspannungsschaubild darstellen
(Abb. 3.10) und die Höchstkraft im Aluminiumring sowie die restliche Vorspann-

kraft“ in der Stahlbuchse aus diesem entnehmen. Man dividiert diese durch d0 und
erhält dann die Pressungen zur Berechnung der Spannungen.

3.5 Formelzusammenfassung Kapitel 3

• Sicherheit gegen Bruch


SB = Rm /σ,
• Zulässige Spannung (Bruch)

σzul = Rm /SB ,

• Sicherheit gegen plastisches Fließen

SF = σF /σ,

• Zulässige Spannung (plastisches Fließen)

σzul = σF /SF ,
78 3 Zulässige Beanspruchung und Sicherheit - Beurteilung des Versagens

• Mittelspannung
σm = (σo + σu )/2,
• Spannungsausschlag
σa = (σo − σu )/2,
• Oberspannung
σo = σm + σa ,
• Unterspannung
σu = σm − σa ,
• Dauerfestigkeit
σD = σM ± σA
• Kerbspannung
σk = αk σn ,
• Formzahl
αk = σk /σn ,
• Sicherheit gegen Bruch bei Kerben

SB = Rm /αk σn ,

• Zulässige Spannung (Bruch) bei Kerben

σzul = Rm /αk SB ,

• Sicherheit gegen Fließen bei Kerben

SF = (n0,2 σF )/(αk σn ),

• Zulässige Spannung (Fließen) bei Kerben

σzul = (n0,2 σF )/(αk SF ),

• Wirksame Kerbspannung
σkw = βk σn ,
• Kerbwirkungszahl
βk = σAglatt /σAgekerbt .
• Sicherheit gegen Dauerbruch

SD = (σD αk )/(ok βk σn ),

• Zulässige Spannung (Dauerbruch)

σzul = (σD αk )/(ok βk SD ),


Kapitel 4
Biegebeanspruchung gerader Balken

Ein Stab wird auf Biegung beansprucht, wenn Einzelkräfte und Streckenlasten senk-
recht zu seiner Längsachse (Stabachse) wirken oder wenn Kräftepaare in einer Ebe-
ne auf ihn einwirken, welche die Längsachse enthält (Abb. 1.4). Auf Biegung be-
anspruchte gerade stabförmige Bauteile werden auch Balken oder Träger genannt.
Eine gedachte Schnittfläche, die senkrecht zur Längsachse gelegt wird, heißt Quer-
schnittsfläche oder kurz Querschnitt. Die Querschnittsabmessungen sind klein ge-
genüber der Balkenlänge. Die resultierenden Schnittreaktionen in einem beliebigen
Querschnitt des Balkens an der Stelle x (die Balkenlängsachse ist die x-Achse) sind
die Querkraft Fq (x) und das Biegemoment Mb (x) ([17], Kapitel 9 Schnittgrößen
des Balkens). Sind die äußeren Kräfte schräg zur Balkenachse gerichtet, können
auch Längskräfte Fn (x) auftreten. Die Zug- oder Druckbeanspruchung infolge der
Längskräfte kann wie in Kapitel 2 berechnet werden.
Bei der Zug-Druck-Beanspruchung spielt nur die Größe der Querschnittsfläche
eine Rolle, bei der Biegebeanspruchung kommt es dagegen auch auf ihre Gestalt
an. In den Gleichungen für die Biegespannungsverteilung kommen so genannte
Flächenmomente vor. Sie stellen geometrische Größen dar, die vorweg behandelt
werden sollen.

4.1 Flächenmomente

Flächenmomente sind von zentraler Bedeutung in der Technischen Mechanik. Da-


bei sind zu unterscheiden die Flächenmomente (Festigkeitslehre) und die Flächen-
trägheitsmomente oder Massenträgheitsmomente (Kinetik), wobei letztere beispiels-
weise in [16] (Abschnitt 5.2.1.2 Massenträgheitsmomente einfacher Körper) behan-
delt werden. Die Flächenmomente sind rein geometrische Querschnittskennwerte
und stellen ein Maß für das Widerstandsvermögen gegen Verformungen dar. Die
Massenträgheitmomente kennzeichnen den Widerstand eines starren Körpers gegen
Rotationsbewegungen und enthalten neben geometrischen Größen noch die Dichte.

79

G. Holzmann et al., Technische Mechanik Festigkeitslehre, DOI 10.1007/978-3-8348-8101-4_4,


© Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
80 4 Biegebeanspruchung gerader Balken

Man kann zeigen, dass die jeweiligen Momente 2. Ordnung Tensoreigenschaften


aufweisen.

4.1.1 Begriffsbestimmung

Bei der Begriffsbildung kann man zunächst von der nachfolgenden, für Probleme
der Festigkeitslehre relevanten Definition ausgehen.
Definition 4.1 (Flächenmomente). Unter dem Flächenmoment einer beliebigen
Fläche A (Abb. 4.1) versteht man mathematische Ausdrücke der Form
  
n n
y dA, z dA, yn/2 zn/2 dA (4.1)

mit n = 0, 1, 2, . . . als Ordnungszahl und y sowie z als Abstände des Flächenele-


ments dA von den Bezugsachsen1.
Zur Berechnung von Flächenmomenten ist also immer die Angabe eines Bezugsko-
ordinatensystems erforderlich, wir beschränken uns auf rechtwinklige Koordinaten.
Die Terme (4.1) geben Flächenmomente n-ter Ordnung an, in der Festigkeitslehre
kommen Flächenmomente 0., l. und 2. Ordnung vor. Flächenmomente 0. Ordnung

a) z b) z ζ
y yS η

dA dA

ρ
ζ

S
r
z

rS η
zS

0 A y 0 A y

Abb. 4.1 Beliebige Fläche A zur Definition der Flächenmomente (dA Flächenelement)
a) beliebiges y, z-Koordinatensytem
b) y, z-Koordinatensystem und paralleles η, ζ-System durch den Schwerpunkt S

1 Die Integraldarstellung der Flächenmomente folgt als Grenzwert einer Summe, z. B.


k 
i dAi = y dA.
yn n
lim
k→∞,dAi →0
i=1

Die Summation erstreckt sich über die ganze Fläche.


4.1 Flächenmomente 81

geben den Flächeninhalt dA = A an. Flächenmomente 1. Ordnung werden auch
als statische Momente bezeichnet.

4.1.1.1 Flächenmomente 1. Ordnung

Es gibt in der Festigkeitslehre insgesamt zwei Flächenmomente 1. Ordnung.


Definition 4.2 (Flächenmoment 1. Ordnung). Die Flächenmomente 1. Ordnung
sind über die nachfolgenden Gleichungen entsprechend Abb. 4.1 definiert
 
Hz = y dA, Hy = z dA (4.2)

Sie sind bezogen auf die z- bzw. y-Achse und werden wegen der Ähnlichkeit
ihrer mathematischen Form mit derjenigen der statischen Momente von Kräften
auch als statische Flächenmomente bezeichnet. In der Statik ([17], Abschnitt 5.2
- Schwerpunkte von Flächen und Linien) werden die Flächenmomente 1. Ordnung
zur Berechnung von Flächenschwerpunkten herangezogen, die wichtigsten Bezie-
hungen werden hier wiederholt. Sind yS und zS die Schwerpunktkoordinaten im
y, z-System (Abb. 4.1 b), gilt
 
Hz = y dA = yS A Hy = z dA = zS A . (4.3)

Daraus folgt der Teilschwerpunktsatz.


Satz 4.1 (Teilschwerpunkte). Für den in Abb. 4.1 a) gezeigten Querschnitt lassen
sich die Koordinaten des Schwerpunktes wie folgt berechnen
 
1 1 1 1
yS = y dA = yi dAi , 2 zS = z dA = zi dAi . (4.4)
A A A A
i i

Wenn der Koordinatenanfangspunkt 0 des Bezugssystems im Schwerpunkt S der


Fläche liegt, ist yS = zS = 0 (Abb. 4.1 b) und aus den beiden Gln. (4.3) folgt
 
η dA = 0, ζ dA = 0 . (4.5)

Satz 4.2 (Flächenmomente 1. Ordnung bezüglich der Schwerpunktsachsen).


Die Flächenmomente 1. Ordnung sind in Bezug auf Achsen durch den Schwerpunkt
einer Fläche Null.
Je nach der Lage des Koordinatensystems bezüglich des Schwerpunktes können
Flächenmomente 1. Ordnung positiv, negativ oder Null sein.

2 Die Summenschreibweise benutzt man bei der Unterteilung der Fläche in wenige einfache
Teilflächen.
82 4 Biegebeanspruchung gerader Balken

4.1.1.2 Flächenmomente 2. Ordnung

Aus Gl. (4.1) erhält man mit n = 2 die Flächenmomente 2. Ordnung.


Definition 4.3 (Axiales Flächenmoment 2. Ordnung). Die axialen Flächenmo-
mente 2. Ordnung bezogen auf die y- bzw. z-Achse werden wie folgt berechnet
 
Iz = y dA,
2
Iy = z2 dA . (4.6)

Durch Addition der beiden Gln. (4.6) erhält man



Iy + Iz = (y2 + z2 )dA .

Mit r2 = y2 + z2 (Abb. 4.1 a) ergibt sich daraus ein weiteres Flächenmoment.


Definition 4.4 (Polares Flächenmoment 2. Ordnung). Das auf den Koordinaten-
anfangspunkt 0 als Pol bezogene polare Flächenmoment 2. Ordnung ist ist die Sum-
me der beiden axialen Flächenmomente
 
Ip0 = r2 dA = (y2 + z2 )dA = Iy + Iz . (4.7)

Es wird bei der Torsionsbeanspruchung von Stäben mit kreissymmetrischen Quer-


schnitten benötigt (s. Abschnitt 7.1).
Aus der dritten Definitionsgleichung (4.1) folgt mit n = 2 ebenfalls ein Flächen-
moment 2. Ordnung.
Definition 4.5 (Gemischtes Flächenmoment 2. Ordnung). Das gemischte Flä-
chenmoment berechnet sich wie folgt

Iyz = yz dA . (4.8)

Die auch gebräuchlichen Bezeichnungen Zentrifugal- oder Deviationsmoment sind


nicht zutreffend gewählt und sollen nicht verwendet werden.
Die Größe der Flächenmomente 2. Ordnung ist abhängig von der Lage des
Koordinatensystems. Aus den Gln. (4.6), (4.7) und (4.8) folgt, dass die axialen
und das polare Flächenmoment 2. Ordnung nur positiv sein können, das gemischte
Flächenmoment kann dagegen positiv, negativ oder Null sein. Besondere Bedeutung
in der Festigkeitslehre haben Flächenmomente 2. Ordnung in Bezug auf Achsen
durch den Schwerpunkt einer Fläche.

4.1.2 Flächenmomente 2. Ordnung für einfache Flächen

Die analytische Berechnung der Flächenmomente 2. Ordnung ist nur für einfache
Flächen durch Ausführung der Integration möglich. Für eine näherungsweise Be-
4.1 Flächenmomente 83

rechnung kann man das Integral durch eine Summe ersetzen, indem die Fläche in
möglichst kleine einfache Teilflächen zerlegt wird. Für komplizierte Flächen, die
z. B. durch Konstruktionszeichnungen gegeben sind, kann man die Summenbil-
dung anwenden, indem man die Fläche z. B. in Rechteckstreifen zerlegt und deren
Flächenmomente addiert. Für die Berechnung der Flächenmomente komplizierter
Flächen stehen Computerprogramme zur Verfügung.

4.1.2.1 Rechteck

Die y, z-Achsen legen wir so in den Schwerpunkt des Rechtecks (Abb. 4.2), dass
sie parallel zu seinen Begrenzungslinien liegen. Zur Berechnung des Flächenmo-
ments Iy wählen wir einen zur y-Achse parallelen Flächenstreifen. Da die Breite
unveränderlich ist, gilt dA = b dz, und die zweite Gleichung (4.6) ergibt
+h/2
 h/2 h/2 bh3
1  2 
Iy = z2 b dz = bz3  = bz3  = .
3 −h/2 3 0 12
−h/2

Vertauscht man b und h, erhält man das Flächenmoment bezüglich der z - Achse

hb3
Iz = .
12
Zur Berechnung des gemischten Flächenmoments wählt man dA = dy dz und erhält
nach Ausführung der Integration von Gl. (4.8) als Doppelintegral
+b/2
 +h/2

y2 b/2 z2 h/2
Iyz = yz dy dz =   = 0.
2 −b/2 2 −h/2
−b/2 −h/2

z
dz
z

S
h

b u
Abb. 4.2 Rechteckfläche
84 4 Biegebeanspruchung gerader Balken

Dieses Ergebnis ist ohne Weiteres einzusehen, da die gewählten Achsen Symmetrie-
achsen sind (s. Abschnitt 4.1.3.3) und die positiven Anteile im 1. und 3. Quadranten
die negativen im 2. und 4. Quadranten aufheben.

4.1.2.2 Kreisring und Vollkreis

Legt man die y, z-Koordinatenachsen durch den Schwerpunkt (Mittelpunkt) des


Kreisringes (Abb. 4.3), ist das auf den Schwerpunkt als Pol bezogene polare Flächen-
moment mit A = πr2 und dA = 2πr dr nach Gl. (4.7)
a
r a
r
π 4
IpS = r dA = 2π r3 dr =
2
r − r4i .
2 a
ri ri

Ersetzen wir die Radien durch die Durchmesser, ist


π 4
IpS = da − d4i .
32
Für einen Vollkreis mit di = 0 und da = d erhält man
π 4
IpS = d .
32
Aus Symmetriegründen haben alle axialen Flächenmomente 2. Ordnung Ia den
gleichen Wert, und nach Gl. (4.6) ist

Iy + Iz = 2Ia = IpS .

Daraus folgen die axialen Flächenmomente bezüglich der a-Achse für die Kreis-
ringfläche
1 π 4
Ia = IpS = d − d4i
2 64 a

z
dr
r

ri ra

S y

Abb. 4.3 Kreisringfläche


4.1 Flächenmomente 85

und für die Vollkreisfläche


π 4
Ia =
d .
64
Die Flächenmomente 2. Ordnung von Kreisringflächen können auch als Diffe-
renz der Flächenmomente der Einzelkreisflächen aufgefasst werden. Bei Differenz-
flächen mit gemeinsamer Achse der Einzelflächen kann immer so verfahren werden
(s. auch Tabelle 4.1).

4.1.2.3 Dreieck

Das Koordinatensystem wird so gewählt, dass die y-Achse parallel zur Grundseite
b durch den Dreiecksschwerpunkt geht (Abb. 4.4). Ein Flächenstreifen parallel zur
y-Achse mit der Höhe dz hat die Breite b(z) = (2/3)b − (b/h)z. Aus der zweiten
Gleichung (4.6) ergibt sich mit dA = b(z)dz

+2h/3
    
2 1 2 3 z4 +2h/3 bh3
Iy = 2
z − z b dz = b z −  = .
3 h 3 4h −h/3 36
−h/3

Viele Flächen können in Rechtecke, Dreiecke oder Kreise und Kreisstücke zerlegt
werden, so dass man im Allgemeinen mit den oben angegebenen Formeln für die
Flächenmomente 2. Ordnung dieser drei Flächen auskommt, um die Flächenmo-
mente beliebig zusammengesetzter Flächen in Verbindung mit dem Satz von S TEI -
NER3 (Abschnitt 4.1.3.1) berechnen zu können. In Tabelle 4.1 sind die Flächen-
momente 2. Ordnung einiger wichtiger Querschnittsflächen zusammengestellt. Flä-
chenmomente der Normprofile von Stahl und Leichtmetallträgern sind in Profilta-
feln zusammengestellt [22]. Dem Anfänger werden die Aufgaben 4.1 a . . . c zum
Üben empfohlen.

z
dz

h
z

0
h/3

S y

b(z)
b
Abb. 4.4 Dreiecksfläche

3 JAKOB S TEINER (∗ 18. März 1796 in Utzenstorf; † 1. April 1863 in Bern), Mathematiker
86 4 Biegebeanspruchung gerader Balken

Tabelle 4.1 Flächenmomente 2. Ordnung einiger Grundflächen


Fläche Flächenmoment Fläche Flächenmoment
z
bh3 z
a
Iy =
S 12 a4
h

y S Iy = Iz = Ia =

a
hb3 y 12
Iz =
b 12 a
z z
z
S S y

H
h
S H 3 − h3 b/2 BH3 − bh3
H
h

y Iy = b Iy =
12 12
bB B
b
bh3 ζ z
b
Iy2 = Iyz = 0
y2 4
2h/3

y bh3 S η b2 h2
h

S Iy = Iηζ =
h

36 y 72
b y1 0
bh3
Iy1 =
12
z a
πd4 πd4
S Iy = Iz = Ia = IpS = 2Ia =
y 64 32
d
  4 
π 4 πd4a di
a Iy = Iz = Ia = (d − di ) =
4
1−
64 a 64 da
S   4 
dm

π 4 πd4a di
y IpS = 2Ia = (da − d4i ) = 1−
32 32 da
di für kleine Wanddicken mit da − di = 2t, da ≈ di ≈ dm
da π π
Ia = d3m t IpS = d3m t
8 4
z
π π
a

S
y Iy = ba3 Iz = ab3
4 4
b
π π
α< α=
2 2
 
1 1 1 4
z Iy = (r4a − r4i ) α − sin 2α Iy = (r − r4i )
ra 8 2 16 a
 
ri 1 4 1
Iz = (ra − ri ) α + sin 2α
4
Iz = Iy
α 8 2
0
y 1 4 π 4
Ip0 = (ra − ri )α
4
Ip0 = (r − r4i )
4 8 a
1 1
Iyz = (r4a − r4i ) sin2 α Iyz = (r4a − r4i )
8 8
4.1 Flächenmomente 87

4.1.3 Abhängigkeit der Flächenmomente 2. Ordnung von der Lage


des Koordinatensystems

4.1.3.1 Parallelverschiebung des Koordinatensystems - Satz von Steiner

In Abb. 4.1 b sind zwei Koordinatensysteme gegeben. Das η, ζ-System hat seinen
Ursprung im Schwerpunkt S, das y, z-System ist gegenüber diesem parallel ver-
schoben. Das auf die y-Achsebezogene Flächenmoment 2. Ordnung ist nach der
zweiten Gleichung (4.6) Iy = z2 dA. Mit z = zS + ζ folgt
   
Iy = (zS + ζ) dA = zS dA + 2zS ζ dA + ζ2 dA .
2 2


 2 ζ dA ist nach der zweiten Gleichung (4.5) Null,
Das Flächenmoment 1. Ordnung
somit erhalten wir mit Iη = ζ dA

Iy = Iη + z2S A . (4.9)

Entsprechend ergibt sich mit y = yS + η und η dA = 0 das Flächenmoment
bezüglich der z-Achse
Iz = Iζ + y2S A . (4.10)
Das polare Flächenmoment ist gleich der Summe der axialen, also

Ip0 = Iy + Iz = Iη + Iζ + (y2S + z2S )A .

Mit r2S = y2S + z2S (Abb. 4.1) und IpS = Iη + Iζ folgt

Ip0 = IpS + r2S A . (4.11)

Auf die gleiche Weise erhält man das gemischte Flächenmoment 2. Ordnung
 
Iyz = yzdA = (yS + η)(zS + ζ)dA,

Iyz = Iηζ + yS zS A . (4.12)


Die oben angeführten Beziehungen zwischen Flächenmomenten 2. Ordnung bezüg-
lich paralleler Achsen wurden um 1850 von S TEINER angegeben und sind als Satz
von S TEINER bekannt.
Satz 4.3 (Satz von Steiner). Die Flächenmomente 2. Ordnung, bezogen auf ein be-
liebiges rechtwinkliges Achsenkreuz, sind gleich den Flächenmomenten in Bezug
auf ein dazu paralleles Achsenkreuz durch den Schwerpunkt der Fläche, vermehrt
um das Produkt aus Abstand zum Quadrat (oder Abstand mal Abstand) und dem
Flächeninhalt.
Da die Größen y2S , z2S und r2S stets positiv sind, kann man folgende Aussage treffen.
88 4 Biegebeanspruchung gerader Balken

Satz 4.4 (Minimalsatz). Axiale und polare Flächenmomente 2. Ordnung, bezogen


auf ein Achsenkreuz im Schwerpunkt einer Fläche, haben Minimalwerte gegenüber
allen Flächenmomenten, die auf dazu parallele Achsen bezogen sind.
yS und zS können verschiedene Vorzeichen haben, das gemischte Flächenmoment
kann demnach jeden positiven und negativen Wert annehmen, es kann auch den
Wert Null haben. Das auf ein Schwerpunktkoordinatensystem bezogene gemisch-
te Flächenmoment ändert sich nicht, wenn nur eine Achse parallel zu sich selbst
verschoben wird, also entweder yS oder zS Null ist.

4.1.3.2 Flächenmomente 2. Ordnung zusammengesetzter Flächen

Der Satz von S TEINER wird zur praktischen Berechnung von Flächenmomenten
beliebiger Flächen angewendet, die aus einfachen Teilflächen zusammengesetzt sind
(Tabelle 4.1). Das bestimmte Integral ist als Grenzwert einer Summe entstanden, es
gilt somit der nachfolgende Satz.
Satz 4.5 (Additivität der Flächenmomente 2.Ordnung). Flächenmomente 2. Ord-
nung verschiedener Flächen dürfen addiert oder voneinander subtrahiert werden,
wenn sie sich auf die gleichen Bezugsachsen beziehen.
Aus diesem Satz ergibt sich die Regel zur Berechnung der Flächenmomente beliebig
zusammengesetzter Flächen.
Satz 4.6 (Berechnung von Flächenmomenten 2. Ordnung beliebiger Flächen).
Flächenmomente 2. Ordnung beliebiger Flächen berechnet man, indem man die
Flächenmomente der einzelnen Teilflächen nach dem Satz von S TEINER auf ge-
meinsame Bezugsachsen umrechnet und die einzelnen Beträge dann addiert oder
voneinander subtrahiert.
An der in Abb. 4.5 gezeichneten Fläche eines Winkels soll gezeigt werden, wie
die Flächenmomente Iy , Iz und Iyz bezüglich eines Koordinatensystems mit dem
Ursprung im Schwerpunkt S bestimmt werden. Die Winkelfläche zerlegt man in
zwei Teilrechtecke 1 und 2. Mit den Bezeichnungen in Abb. 4.5 findet man

b1 h31 b2 h32
Iη = + ζ21 b1 h1 + + ζ22 b2 h2 ,
12 12
h1 b31 h2 b32
Iζ = + η21 b1 h1 + + η22 b2 h2 ,
12 12
Iηζ = 0 + η 1 ζ 1 b1 h 1 + 0 + η 2 ζ 2 b2 h 2 .

Ein anderer Lösungsweg ergibt sich, wenn man die Differenz der Flächenmomente
des großen Rechtecks (b1 + b2 )h2 und des kleinen Rechtecks b1 (h2 − h1 ) bildet
(s. Beispiel 4.3).
Bei der Berechnung von Flächenmomenten 2. Ordnung zusammengesetzter Flä-
chen macht man oft von folgendem Sachverhalt Gebrauch.
4.1 Flächenmomente 89

Abb. 4.5 Winkelfläche, auf- z ζ


geteilt in zwei Rechtecke 1 ζ1 η1 η2 ζ2
und 2

h1
S1 η1

ζ1
ζ2
S η

h2
S2 η2

zS
0 yS y
b 1 b2

Teilflächen einer zusammengesetzten Fläche können parallel zur Bezugsach-


se verschoben werden, ohne das auf diese Achse bezogene axiale Flächen-
moment zu verändern, da die axialen Flächenmomente 2. Ordnung nur vom
Achsenabstand der Fläche abhängen (Abb. 4.6).

Häufig muss man den Satz von S TEINER auch in seiner Umkehrung anwenden,
um Flächenmomente 2. Ordnung, bezogen auf ein beliebiges Achsenkreuz, auf die
dazu parallelen Schwerachsen umzurechnen, z. B., wenn eine Ausrechnung für be-
liebige Achsen sinnvoller ist. Man erhält dann

Iη = Iy − z2S A, Iζ = Iz − y2S A, Iηζ = Iyz − yS zS A

(s. Beispiele 4.2, 4.3 und 4.4).


Beispiel 4.1 (Flächenmoment Rechtecksfläche).
Das auf die u-Achse bezogene Flächenmoment des Rechtecks (Abb. 4.2) ist zu
berechnen.
Lösung 4.1
Mit zS = h/2 und Iy = bh3 /12 (Tabelle 4.1) ergibt Gl. (4.9)

y y y
Abb. 4.6 Flächen mit glei-
chem Flächenmoment Iy
90 4 Biegebeanspruchung gerader Balken
 2
h bh3 bh3 bh3
Iu = Iy + bh = + = .
2 12 4 3

Beispiel 4.2 (Flächenmoment Dreiecksfläche).


Für die Dreiecksfläche (Abb. 4.7) mit den Abmessungen b = 90 mm, h = 60 mm,
b1 = b/3 sind die Flächenmomente Iη , Iy , Iζ und Iηζ zu berechnen.
Lösung 4.2
Der Tabelle 4.1 entnimmt man
1 1
Iη = bh3 = · 9 cm · (6cm)3 = 54 cm4 .
36 36
Mit zS = h/3 und A = bh/2 ergibt Gl. (4.9)

1 1 1 1
Iy = Iη + z2S A = bh3 + h2 · bh = bh3 .
36 9 2 12

Die Zahlenrechnung liefert das Ergebnis Iy = 162 cm4 . Zur Berechnung der Flächenmomente
Iζ und Iηζ zerlegen wir das Dreieck in zwei Teildreiecke 1 und 2 (Abb. 4.7). Die Abstände der
Teilflächenschwerpunkte von der ζ-Achse sind η1 = −2b/9 und η2 = b/9. Nunmehr folgt aus
Gl. (4.10)
 2  2
hb31 2 b1 h hb32 1 b2 h
Iζ = + b + + b .
36 9 2 36 9 2
Mit b1 = b/2 und b2 = 2b/3 erhält man

7 7
Iζ = hb3 = · 6 cm · (9 cm)3 = 94,5 cm4 .
324 324
Zu dem gleichen Ergebnis gelangt man, wenn man zunächst Iz berechnet und dann Gl. (4.10) mit
yS = b/9 anwendet
 2
hb31 hb32 1 1 1 bh 7
Iz = + = hb3 , Iζ = hb3 − b = hb3 .
12 12 36 36 9 2 324

Die gemischten Flächenmomente der Teildreiecke sind (Tabelle 4.1)

b21 h2 b22 h2
Iη1 ζ1 = + und Iη2 ζ2 = − .
72 72

z ζ
ζ1 η1 η2 ζ2
h

S1 S2 η
zS

0 yS y
Abb. 4.7 Dreiecksfläche, b1 b2
aufgeteilt in Teildreiecke 1 b
und 2
4.1 Flächenmomente 91

Zur Umrechnung auf die Bezugsachsen η und ζ aus Gl. (4.12) folgt mit ζ1 = ζ2 = 0 (s. Ab-
schnitt 4.1.3.1)

h2 2
Iηζ = Iη1 ζ1 + Iη2 ζ2 =(b − b22 ),
72 1
1 2 2 1
Iηζ =− b h =− · (9 cm)2 · (6 cm)2 = −13,5 cm4 .
216 216
Beispiel 4.3 (Flächenmoment Winkelfläche).
Die Winkelfläche (Abb. 4.5) hat die Abmessungen b2 = h1 = 20 mm, b1 = 60 mm
und h2 = 120 mm. Man berechne die Flächenmomente Iη , Iζ und Iηζ in cm4 .
Lösung 4.3
Die Schwerpunktabstände berechnet man aus den Gln. (4.4), sie betragen yS = 5, 67 cm und
zS = 7, 67 cm. Die Teilflächenschwerpunktabstände sind dann η1 = −2, 67 cm, ζ1 = 3, 33 cm,
η2 = 1, 33 cm und ζ2 = − 1, 67 cm. Die Ausrechnung ergibt

6 cm · (2 cm)3 2 cm · (12 cm)3


Iη = + (3,33 cm)2 · 12 cm2 + + (1,67 cm)2 · 24 cm2 = 492 cm4 .
12 12

Auf die gleiche Weise erhält man Iζ = 172 cm4 . Das gemischte Flächenmoment ist

Iηζ = −2,67 cm · 3, 33 cm · 12 cm2 + 1, 33 cm · (−1, 67 cm) · 24 cm2 = −160 cm4 .

Wählt man ein y, z-Koordinatensystem wie in Abb. 4.5, dann ist


 
8 cm · (12 cm)3 6 cm · (10 cm)3
Iy = + (6 cm)2 · 96 cm2 − + (5 cm)2 · 60 cm2 = 2 608 cm4
12 12

das Flächemoment auf die y-Achse bezogen. Mit Hilfe des Satzes von S TEINER folgt das Flächen-
moment bezogen auf die zur y-Achse parallelen Schwerachse

Iη = Iy − z2S A = 2 608 cm4 − (7,67 cm)2 · 36 cm2 = 492 cm4 .

Ebenso rechnet man Iz = 1328 cm4 und

Iζ = Iz − y2S A = 1 328 cm4 − (5,67 cm)2 · 36 cm2 = 172 cm4 .

Das gemischte Flächenmoment für die y- und z-Achsen ist

Iyz = 6 cm · 4 cm · 96 cm2 − 5 cm · 3 cm · 60 cm2 = 1 404 cm4 .

Gleichung (4.12) des Satzes von S TEINER ergibt

Iηζ = Iyz − yS zS A = 1 404 cm4 − 5,67 cm · 7,67 cm · 36 cm2 = −160 cm4 .

Dem Benutzer des Buches wird empfohlen, weitere Lösungswege zu suchen.

Beispiel 4.4 (Flächenmoment U-Querschnitt).


Gesucht ist das auf die η-Achse bezogene Flächenmoment 2. Ordnung des in
Abb. 4.8 gezeichneten U-Querschnitts.
Lösung 4.4
Es ist zweckmäßig, die Fläche in drei Rechtecke zu zerlegen und mit dem Flächenmoment
Iu = Iy = bh3 /3 aus Beispiel 4.3 zu rechnen
92 4 Biegebeanspruchung gerader Balken

Abb. 4.8 Querschnittsfläche z 20

10

90
S

60
η

zS
15
0 u, y
70

1
Iy = (1 cm · (6 cm)3 + 4 cm · (1,5 cm)3 + 2 cm · (9 cm)3 ) = 562,5 cm4 .
3
Mit dem Abstand des Schwerpunktes von der y-Achse aus dem Teilschwerpunktsatz Gl. (4.4)

zi dAi 3 cm · 6 cm2 + 0,75 cm · 6 cm2 + 4,5 cm · 18 cm2
zS = = = 3,45 cm
A 30 cm2
ist
Iη = Iy − z2S A = 562,5 cm4 − (3,45 cm)2 · 30 cm2 = 205,4 cm4 .

Beispiel 4.5 (Flächenmoment Trapezfläche).


Die Flächenmomente Iy und Iη einer Trapezfläche sind zu berechnen (Abb. 4.9).
Lösung 4.5
Das Trapez zerlegen wir in ein Parallelogramm (Grundlinie a) und ein Dreieck (Grundlinie b).
Das Flächenmoment des Parallelogramms bezüglich der y-Achse ist gleich dem des flächenglei-
chen Rechtecks ah (Abb. 4.6). Somit ist

ah3 bh3 h3
Iy = + = (4a + b) .
3 12 12
Entsprechend [22] erhält man

h 3a + b 2a + b
zS = · , A=h ,
3 2a + b 2

z a

S
h

η
zS

Abb. 4.9 Trapezfläche a b y


4.1 Flächenmomente 93

und es folgt
h3 h2 (3a + b)2 2a + b
Iη = Iy − z2S A = (4a + b) − h .
12 9(2a + b)2 2
Nach Umformung ergibt sich für das Flächenmoment, bezogen auf die Schwerachse η,

h3 6a2 + 6ab + b2
Iη = .
36 2a + b

Beispiel 4.6 (Flächenmoment Träger).


Ein Träger besteht aus zwei Stegblechen, zwei Gurtblechen und vier gleichschenk-
ligen Winkelstählen (Abb. 4.10). Zu berechnen ist das Flächenmoment Iy der
Querschnittsfläche. Man vergleiche die prozentualen Anteile der Flächen und der
Flächenmomente der Steg-, Winkel- und Gurtquerschnitte mit der Fläche und dem
Flächenmoment des aus diesen Teilen zusammengesetzten Querschnitts. Was folgt
daraus?

Lösung 4.6
Einer Profiltafel [22] entnimmt man für den Winkelstahl L 120x12 das Flächenoment um eine zur
y-Achse parallelen Achse durch den Schwerpunkt S1 IL = 368 cm4 , die Fläche A = 27, 5 cm2
und den Schwerpunktabstand e = 3, 4 cm. Mit den aus der Zeichnung abgelesenen Abmessungen
erhält man die Flächenmomente
1,2 cm · (48 cm)3
IySteg =2 = 2,21 · 104 cm4 ,
12
IyWinkel = 4 368 cm4 + (20,6 cm)2 · 27,5 cm2 = 4,82 · 104 cm4 ,
 
36
IyGurt =2 · 1, 23 cm4 + 24, 6 cm2 · 43,2 cm2 = 5,23 · 104 cm4 .
12

Das Gesamtflächenmoment ist Iy = 12,26 · 104 cm4 . Die Einzelflächen betragen

ASteg = 115,2 cm2 , AWinkel = 110 cm2 , AGurt = 86,4 cm2 . 12

360
34

S1 120 × 12
246
206

12

S
480

Abb. 4.10 Querschnitt eines


aus Blechen und Winkeln
zusammengesetzten Trägers
94 4 Biegebeanspruchung gerader Balken

Die Gesamtfläche ist A = 311,6 cm2 . Die prozentualen Anteile sind nachstehend gegenüberge-
stellt.
Iy A
Steg 18 % 37 %
Winkel 39,3 % 35,3 %
Gurt 42,7 % 27,7 %
Da die Fläche dem Trägergewicht proportional ist, haben die Gurtbleche bei kleinstem Ge-
wicht den größten Anteil am Flächenmoment, etwa den gleichen Anteil bringen die lediglich zur
Verbindung zwischen Gurt und Steg dienenden Winkel. Die zum Zusammenhalt notwendigen Ste-
ge ergeben bei größtem Gewicht - etwa gleich dem der Winkel - den geringsten Beitrag zum
Flächenmoment. Wegen der Zunahme der axialen Flächenmomente 2. Ordnung mit dem Quadrat
des Abstandes der Flächenteilchen liefern die von der Bezugsachse entfernteren Flächenteile den
größten Beitrag zum Flächenmoment. Deshalb findet man häufig Träger mit I-Querschnitt.

Beispiel 4.7 (Abstand zweier Profilträger).


Man bestimme den Abstand 2a zweier Profilträger U 300 nach DIN 1 026 so, dass
die axialen Flächenmomente Iη und Iζ gleich groß sind (Abb. 4.11).
Lösung 4.7
Einer Profiltafel für U-Profile [22] entnimmt man4 Iy = 8 030 cm4 , Iz = 495 cm4 , A = 58,8 cm2 ,
e = 2,7 cm. Somit ist
Iη = 2Iy = 16 060 cm4 .
Aus der Forderung
Iζ = 2[Iz + (a + e)2 A] = Iη = 2Iy
ergibt sich
Iy − Iz
(a + e)2 = .
A
Mit den gegebenen Zahlenwerten erhält man

8 030 cm4 − 495 cm4


(a + e)2 = = 128 cm2
58,8 cm2
und a + e = 11,3 cm. Der Abstand zwischen den beiden Profilen ist demnach

2a = 17,2 cm = 172 mm.

z ζ

S S1 y=η

Abb. 4.11 Aus zwei e


U-Profilen zusammengesetz- 2a
ter Trägerquerschnitt
4 In den Profiltafeln sind die Querschnittsachsen mit x und y bezeichnet. Wir haben konsequen-

terweise ein y, z-System in der Querschnittsfläche gewählt, da die Längsachse eines Balkens als
x-Achse festgelegt ist.
4.1 Flächenmomente 95

4.1.3.3 Drehung des Koordinatensystems um den Schwerpunkt

Sind für ein rechtwinkliges Achsensystem y und z im Schwerpunkt einer Fläche


die zugehörigen Flächenmomente Iy , Iz und Iyz bekannt, und will man für ein
gedrehtes System η und ζ (Abb. 4.12 a) die Flächenmomente Iη , Iζ und Iηζ er-
mitteln, benutzt man die Transformationsgleichungen (Abb. 4.12 b), s. auch [11],
Abschnitt 2.5.2,

η = y cos ϕ + z sin ϕ, ζ = −y sin ϕ + z cos ϕ . (4.13)

Mit den Definitionsgleichungen (4.6) ist


   
Iη = ζ2 dA = y2 sin2 ϕ dA + z2 cos2 ϕ dA − 2 yz sin ϕ cos ϕ dA,
   
Iζ = η dA = y cos ϕ dA + z sin ϕ dA + 2 yz sin ϕ cos ϕ dA .
2 2 2 2 2

Aus Gl. (4.8) folgt


  
Iηζ = ηζ dA = − y sin ϕ cos ϕ dA + z2 sin ϕ cos ϕ dA
2

 
+ yz cos2 ϕ dA − yz sin2 ϕ dA .

Da ϕ = const. ist, können sin2 ϕ, cos2 ϕ und sin ϕ cos ϕ vor die Integrale gesetzt
werden. Mit

a) b)
z z
ζ ζ
η w y dA

ζ
η
ζ

dA
y
ϕ

S
η
α

ϕ
ϕ

0 η y
v

Abb. 4.12 Drehung des Koordinatensystems


a) beliebige Fläche A mit gedrehtem Koordinatensystem (dA Flächenelement)
b) Koordinatentransformation
96 4 Biegebeanspruchung gerader Balken
  
y2 dA = Iz , z2 dA = Iy , yz dA = Iyz

erhält man

Iη = Iy cos2 ϕ + Iz sin2 ϕ − Iyz 2 sin ϕ cos ϕ,


Iζ = Iy sin2 ϕ + Iz cos2 ϕ + Iyz 2 sin ϕ cos ϕ, (4.14)
Iηζ = (Iy − Iz ) sin ϕ cos ϕ + Iyz (cos2 ϕ − sin2 ϕ) .

Mit Hilfe der Beziehungen

1 1
cos2 ϕ = (1 + cos2ϕ), sin2 ϕ = (1 − cos2ϕ), 2 sin ϕ cos ϕ = sin 2ϕ
2 2
ist
Iy + Iz Iy − Iz
Iη = + cos 2ϕ − Iyz sin 2ϕ,
2 2
Iy + Iz Iy − Iz
Iζ = − cos 2ϕ + Iyz sin 2ϕ, (4.15)
2 2
Iy − Iz
Iηζ = sin 2ϕ + Iyz cos 2ϕ .
2
Addiert man die ersten beiden Gln. (4.15), folgt

Iη + Iζ = Iy + Iz = IpS . (4.16)

Satz 4.7 (Summe der axialen Flächenmomente). Die Summe der axialen Flächen-
momente 2. Ordnung, bezogen auf zwei zueinander senkrechte Achsen, ist invariant
gegenüber der Drehung des Koordinatensystems.
Wir fragen nun nach derjenigen Lage des Koordinatensystems, für die das gemischte
Flächenmoment Null wird. Die dritte Gl. (4.15) ergibt mit Iηζ = 0

2Iyz
tan 2ϕ = − . (4.17)
Iy − Iz

Wegen tan 2ϕ = tan(2ϕ + 180◦) = tan 2(ϕ + 90◦ ) gibt es zwei aufeinander senk-
recht stehende Achsen η und ζ (Abb. 4.12) für die das gemischte Flächenmoment
verschwindet.
Definition 4.6 (Hauptachsen). Hauptachsen sind Achsen, die durch den Schwer-
punkt gehen und für die das gemischte Flächenmoment 2. Ordnung verschwindet.
Ohne Einschränkung der Allgemeingültigkeit soll das y, z-Koordinatensystem
so gewählt werden, dass Iy > Iz und Iyz > 0 sind. Dann hat Gl. (4.17) die beiden
Lösungen  π
2ϕ1 = −2α, 2ϕ2 = −2α + π = 2 −α + .
2
Bei symmetrischen Flächen entspricht jedem Flächenelement mit positivem ein
Flächenelement mit gleich großem negativen gemischten Flächenmoment.
4.1 Flächenmomente 97

Abb. 4.13 Hauptachsen v ζ≡w


und w einer Fläche mit einer
Symmetrieachse

S
η≡v

Satz 4.8 (Hauptachsen). Symmetrieachse und deren Senkrechte durch den Schwer-
punkt einer Fläche sind Hauptachsen.
Diese Situation ist in Abb. 4.13 dargestellt. Die den Hauptachsen zugehörigen axia-
len Flächenmomente 2. Ordnung Iv ≡ I1 und Iw ≡ I2 heißen Hauptflächenmomente.
Satz 4.9 (Hauptflächenmomente). Die Hauptflächenmomente sind Extremwerte
von allen möglichen, auf zwei beliebig senkrecht zueinander stehende Achsen durch
den Schwerpunkt bezogenen axialen Flächenmomenten 2. Ordnung.
Zum Beweis dieses Satzes differenzieren wir die erste Gl. (4.15) nach ϕ und setzen
als Bedingung für Extremwerte die erste Ableitung gleich Null

dIη
= −(Iy − Iz ) sin 2ϕ − 2Izy cos 2ϕ = 0

und erhalten
2Iyz
tan 2ϕ = − .
Iy − Iz
Dies ist das gleiche Ergebnis, das für das Verschwinden des gemischten Flächen-
momentes gefunden wurde, s. Gl. (4.17). Die zweite Ableitung ist

d 2 Iη
= −2(Iy − Iz ) cos 2ϕ + 4Iyz sin 2ϕ .
dϕ2
Mit ϕ1 = −α und cos(−2α) = cos 2α sowie sin(−2α) = − sin 2α erhält man

d2 Iη 
 = −2(Iy − Iz ) cos 2α − 4Iyz sin 2α < 0,
dϕ2 
ϕ1 =−α

d. h., das Hauptflächenmoment I1 (bezogen auf die um den Winkel ϕ1 = −α gegen


die y-Achse gedrehte v-Achse) ist ein Maximalwert; dementsprechend ist I2 ein
Minimalwert. Mit der oben angenommenen Voraussetzung Iy > Iz und Iyz > 0 ist
also I1 > I2 .
Dreht man das Koordinatensystem gegenüber den Hauptachsen v und w entspre-
chend Abb. 4.12 a) und bezeichnet den Winkel zwischen der v- und der η-Achse
98 4 Biegebeanspruchung gerader Balken

mit ψ (ψ = ϕ + |α|), dann ist in den Gln. (4.15) Iy ≡ I1 , Iz ≡ I2 und Iyz ≡ I12 = 0,
und man erhält
I1 + I2 I1 − I2
Iη = + cos 2ψ,
2 2
I1 + I2 I1 − I2
Iζ = − cos 2ψ, (4.18)
2 2
I1 − I2
Iηζ = sin 2ψ .
2
Für I1 = I2 folgt aus der letzten dieser Gleichungen, dass dann das gemischte
Flächenmoment unabhängig von der Drehung des Koordinatensystems immer Null
ist. Aus den ersten beiden dieser Gleichungen folgt weiter, dass dann auch Iη = Iζ
ist.
Satz 4.10 (Gleichheit der axiale Flächenmomente). Sind für die beiden Haupt-
achsen im Schwerpunkt einer Fläche die axialen Flächenmomente gleich, dann sind
sie auch für alle gedrehten Achsen gleich. In diesem Fall sind alle Achsen durch den
Schwerpunkt Hauptachsen.
Das gilt z. B. für Kreisflächen und Quadrate, aber auch für das Profil im Beispiel
4.7. Manchmal sind für zwei beliebige, aufeinander senkrechte Achsen y und z ei-
ner Fläche die Flächenmomente 2. Ordnung bekannt und die Hauptflächenmomente
gesucht. Setzt man ψ = α in die Gln. (4.18) ein, dann ist

Iy I1 + I2 I1 − I2
= ± cos 2α,
Iz 2 2 (4.19)
I1 − I2
Iyz = sin 2α .
2
Die Differenz der ersten beiden Gleichungen ergibt

Iy − Iz = (I1 − I2 ) cos 2α .

Werden diese Gleichung und die letzte der Gln. (4.19) quadriert und addiert, ist

(I1 − I2 )2 = (Iy − Iz )2 + 4I2yz .

Mit der Invariante Iy + Iz = I1 + I2 findet man nach kurzer Zwischenrechnung die


Hauptflächenmomente

I1 Iy + Iz 1 
= ± (Iy − Iz )2 + 4I2yz . (4.20)
I2 2 2

Die Richtung der Hauptachsen erhält man aus der Gl. (4.17).
Beispiel 4.8 (Größe der Hauptflächenmomente).
Die Größe der Hauptflächenmomente und die Richtung der Hauptachsen für die
Winkelfläche (Abb. 4.5) im Beispiel 4.3 sind zu berechnen.
Lösung 4.8
Mit Iη ≡ Iy = 492 cm4 , Iζ ≡ Iz = 172 cm4 und Iηζ ≡ Iyz = −160 cm4 ergibt sich aus Gl. (4.17)
4.2 Gerade Biegung 99

−320 cm4
tan 2ϕ1 = − = +1, 2ϕ1 = 45◦ .
492 cm4 − 172 cm4
Daraus folgt der Richtungswinkel ϕ1 = α = 22,5◦ . Die Hauptachsen sind also um 22,5◦ ma-
thematisch positiv (entgegen dem Uhrzeigersinn) gegen das η, ζ-System zu drehen. Die Haupt-
flächenmomente sind mit Gl. (4.20)

I1 1 2 I1 = 558 cm4 ,
= 332 cm4 ± 320 + 4 · 1602 cm4 = (332 ± 226) cm4 ,
I2 2 I2 = 106 cm4 .

4.2 Gerade Biegung

Wir betrachten einen Balken mit Rechteckquerschnitt (Abb. 4.14 a), der in A und B
gestützt und durch die Einzelkräfte F1 und F2 auf Biegung beansprucht ist. Durch
einen Schnitt an der Stelle x wird an dem Teilkörper (Abb. 4.14 b) der Querschnitt 1
freigelegt. Die y- und die z-Achse des in dieser Fläche gewählten Koordinatensys-
tems sind wegen der Symmetrie Hauptachsen. Die x-Achse geht durch die Schwer-
punkte aller Querschnitte, sie ist Balkenachse 2. Die Hauptachsen aller Querschnit-
te liegen in einer Ebene, der Balken ist nicht verdreht. Die von den Kraftvektoren
aufgespannte Ebene nennt man Lastebene 3. Der Vektor des durch die Kräfte her-
vorgerufenen resultierenden Schnittmoments Mby an der Stelle x steht senkrecht
zur Lastebene.
Soll der Balken nur auf Biegung beansprucht werden, muss die Balkenachse in
der Lastebene liegen. Ist dies nicht der Fall, tritt neben der Biegebeanspruchung
noch Verdrehung auf, oder der Balken kippt.
Lastebene 3 und Querschnittsfläche 1 schneiden sich. Ist die Schnittgerade (Spur)
mit einer der Hauptachsen identisch, spricht man von gerader Biegung.
Definition 4.7 (Gerade Biegung). Gerade Biegung liegt vor, wenn die Spur der
Lastebene mit einer der beiden Hauptachsen des Balkenquerschnitts zusammenfällt.

a) b)

F1 3
2 3

F2 F1
A
2
1
Mby
Abb. 4.14 Gerade Biegung FA
a) Balken zur Kennzeichnung x y x
B Fq
der Lastebene x
b) Teilkörper mit Schnittreak- z
tionen
100 4 Biegebeanspruchung gerader Balken

4.2.1 Reine Biegung

Bei der Biegebeanspruchung durch Einzel- oder Streckenlasten ist das Biegemo-
ment im Allgemeinen nicht konstant, sondern eine Funktion von x: Mby = Mby (x).
In Sonderfällen bleibt das Biegemoment konstant, z. B. in Abb. 4.15 a) zwischen den
beiden Kräften F.
Definition 4.8 (Reine Biegung). Die Beanspruchung durch ein konstantes Biege-
moment nennt man reine oder querkraftfreie Biegung.
Aus der zwischen Querkraft und Biegemoment bestehenden Beziehung (s. [17],
Abschnitt 9.2 Beziehungen zwischen Belastung, Querkraft und Biegemoment)

dMb (x)
Fq (x) = (4.21)
dx
folgt, dass für konstantes Biegemoment die Querkraft Null ist, s. Abb. 4.15 b) und
c). Demnach können in den Querschnittsflächen eines Balkens bei reiner Biegung
keine Schubspannungen auftreten.

F a F a
a)

b)
F

x
F

Fq (x)
c)
Mb =Fa

Mby
d) x Schnitt
y
Fa Fa x
z

Abb. 4.15 Reine Biegung


a) Mb = const zwischen den Lasten F
b) Querkraftverlauf
c) Biegemomentenverlauf
d) näherungsweise gleichwertiger Belastungsfall wie in a)
4.2 Gerade Biegung 101

Definition 4.9. Bei reiner Biegung wird ein Balken nur durch ein konstantes Biege-
moment beansprucht.
In Abb. 4.15 d) ist eine dem Teilbild a) näherungsweise gleichwertige Beanspru-
chung des Balkens dargestellt (gleichwertig nur für den Bereich mit konstantem
Biegemoment). Der zur Zeichenebene senkrechte Momentenvektor des Kräftepaa-
res Fa ist durch einen gekrümmten Pfeil dargestellt. Mit den oben getroffenen Vor-
aussetzungen wollen wir nun im folgenden die Spannungen im Balken berechnen.
Wir fassen diese Voraussetzungen noch einmal zusammen:
1. Die Balkenachse ist gerade und liegt in der Lastebene.
2. Die Spur der Lastebene ist Hauptachse jedes Querschnitts (gerade Biegung).
3. Das Biegemoment ist konstant (reine Biegung).
Betrachtet man einen Balken (Abb. 4.16 a), der durch ein konstantes Biegemo-
ment beanspruchtet wird, mit einem nur zur z-Achse symmetrischen Querschnitt
(Abb. 4.16 b), dann ist die z-Achse Hauptachse. In jedem Schnitt an der Stelle x
wirkt das Biegemoment Mby = const. Die Erfahrung zeigt, dass der Balken durch
die Kräftepaare Mb gebogen wird (Abb. 4.16 d) und dass bei positivem Biegemo-
ment die oberen Balkenfasern gedrückt (verkürzt), die unteren gezogen (verlängert)
werden. Somit können nach Abschnitt 2.2.1 und 2.3.1 in jeder Querschnittsfläche
nur Normalspannungen auftreten. Zwischen beiden Bereichen liegt eine Schicht,
die ihre ursprüngliche Länge behält, die neutrale Schicht NS. Die Schnittgerade
der neutralen Schicht mit dem Querschnitt ist die Nulllinie (Abb. 4.16 b). An je-
dem Flächenelement dA im Abstand ζ von der Nulllinie bzw. der neutralen Schicht
(Abb. 4.16 c) greift die Normalspannung σb , auch Biegespannung genannt, an. Die-
se hängt in noch unbekannter Weise von ζ  ab, also σb = σb (ζ). Aus der Gleichge-
wichtsbedingung der Kräfte in x-Richtung Fix = 0 folgt

σb (ζ)dA = 0 . (4.22)

a) b) c)
gedrückte Fasern
Schnitt
Mb Mb
Mby y S
x Mby NS
d) M Mb η
ζ

b
1 dA Nulllinie
σb (ζ)
2
ζ z gezogene Fasern

Abb. 4.16 Balken mit konstantem Biegemoment


a) Balken mit Mby = const
b) beliebige Querschnittsfläche mit Flächenelement dA
c) Seitenansicht eines Balkenteils mit eingezeichneter Spannung σb
d) gerade (1) und durch Biegemoment Mby gebogene (2) Balkenachse
102 4 Biegebeanspruchung gerader Balken

Da keine äußere Kraft in x-Richtung angreift, halten sich die Kräfte σb (ζ)dA im
gesamten Querschnitt das Gleichgewicht.
Die Kraft σb (ζ)dA hat bezüglich der η-Achse ein Moment mit dem Hebelarm
ζ. Die Summe aller dieser Momente über die gesamte Schnittfläche hält dem Bie-
gemoment
 das Gleichgewicht. Aus dem Momentegleichgewicht um die η-Achse
Miη = 0 folgt 
ζσb (ζ)dA = Mby . (4.23)

Aus den Gln. (4.22) und (4.23) kann man die Biegespannungen σb noch nicht be-
rechnen, da weder die Lage der Nulllinie noch der funktionale Zusammenhang zwi-
schen σb und ζ bekannt sind. Für die weitere Berechnung trifft man die Annahme,
dass die Spannungen σb über die Breite des Querschnitts konstant, also unabhängig
von y sind. Diese Annahme trifft streng genommen nur für einen sehr schmalen
Balken zu. Im Flansch eines I-Querschnitts ist die Annahme nicht mehr erfüllt, in
der technischen Balkenbiegungslehre wird der dadurch entstehende Fehler jedoch
vernachlässigt.
Wie bei vielen Aufgaben der Festigkeitslehre reichen auch hier die Gleichge-
wichtsbedingungen der Statik des starren Körpers nicht zur Berechnung der inneren
Kräfte aus. Man muss die Verformungen mit heranziehen. Da das Biegemoment bei
reiner Biegung in jedem Querschnitt gleich groß ist, wird jedes Balkenelement glei-
cher Länge, das durch zwei dicht benachbarte Querschnitte begrenzt ist, gleich ver-
formt. Die Balkenachse erfährt überall die gleiche Krümmung, die gebogene Bal-
kenachse ist also Teil eines Kreises. Es ist anzunehmen, dass jeder Stabquerschnitt
in sich eben bleibt. Diese Annahme wurde erstmals von J. B ERNOULLI5 (1705) ge-
troffen und stimmt mit den experimentellen Ergebnissen überein. Somit können sich
zwei benachbarte, ursprünglich parallele Querschnitte (Abb. 4.17 a) nur gegenein-
ander drehen, bleiben aber in sich eben (Abb. 4.17 b). Mit dem Krümmungsradius
ρ der Stabachse, dem Randabstand ζ2 vom unteren Rand zur neutralen Schicht NS
sowie den Verlängerungen dΔx bzw. dΔxRand je einer Faser mit den Abständen ζ
bzw. ζ2 entnimmt man aus Abb. 4.17 b) die Proportionen

dΔx ζ dΔx ζ
= und = . (4.24)
dΔxRand ζ2 Δx ρ
Die Koordinate ζ ist von der noch unbekannten Nulllinie aus gemessen. Durch Um-
formen der ersten Gl. (4.24) erhält man
dΔx dΔxRand ζ
= . (4.25)
Δx Δx ζ2

Nach der Definition in Abschnitt 2.2.1 sind dΔx/Δx und dΔxRand /Δx die Dehnun-
gen ε(ζ) und εRand ; hiermit wird aus Gl. (4.25)

5 JAKOB I. B ERNOULLI (∗ 27. Dezember 1654 (jul.)/ 6. Januar 1655 (greg.) in Basel; † 16. Au-

gust 1705 ebenda), Mathematiker und Physiker, Wahrscheinlichkeitsrechnung, Variationsrech-


nung, Hypothesen in der Balkentheorie
4.2 Gerade Biegung 103

b)
K

a)

ζ1
z1
y NS η
x

h
Abb. 4.17 Balkenelement der

ζ
Länge Δx

ζ2
z2
a) unverformt dΔx
b) elastisch verformt (NS neu-
trale Schicht, K Krümmungs-
mittelpunkt, ζ1 , ζ2 Rand- Δx Δx dΔxRand
abstände zur neutralen
Schicht) z ζ

εRand
ε(ζ) = ζ = cζ. (4.26)
ζ2
Die aus der Biegebeanspruchung resultierenden Dehnungen nehmen proportional
mit dem Abstand ζ von der Nulllinie zu. Gleichung (4.26) gibt die Verträglich-
keitsbedingung an. Diese Gleichung und die aus den Gleichgewichtsbedingungen
folgenden Gln. (4.22) und (4.23) sind durch das H OOKE’sche Gesetz miteinander
zu verknüpfen. Mit σ = Eε folgt aus Gl. (4.26)
σb Rand
σb (ζ) = ζ. (4.27)
ζ2
Für die Berechnung der unbekannten Randspannung σb Rand und der unbekannten,
durch den Randabstand ζ2 gegebenen Lage der Nulllinie reichen die Gln. (4.22) und
(4.23) gerade aus. Setzt man zunächst die Spannung aus Gl. (4.27) in Gl. (4.22) ein,
ist  
σb Rand
σb (ζ) dA = ζdA = 0 (4.28)
ζ2

und somit ζ dA = 0. Nach Gl. (4.5) geht dann die η-Achse als Nulllinie durch den
Schwerpunkt der Querschnittsfläche, sie fällt also mit der y-Achse zusammen, und
ζ2 = z2 ist der Schwerpunktabstand vom unteren Rand. Fällt bei der geraden Bie-
gung die Spur der Lastebene mit der einen Hauptachse des Querschnitts zusammen,
dann ist die zweite Hauptachse die Nulllinie.
Setzt man aus Gl. (4.27) die Spannung in Gl. (4.23) ein, ergibt sich nun mit
 
σb Rand 2
zσb (z)dA = z dA = Mby . (4.29)
z2
104 4 Biegebeanspruchung gerader Balken

Nach Abschnitt 4.1.1 ist z2 dA = Iy das axiale Flächenmoment 2. Ordnung der
Querschnittsfläche, bezogen auf die y-Achse als Nulllinie. Wird die Lastebene um
90◦ gedreht, dann ist die y-Achse Spur der Lastebene und die z-Achse Nulllinie, in
den Gleichungen sind y und z vertauscht.
Löst man Gl. (4.29) nach der unbekannten Randspannung auf und setzt diese in
Gl. (4.27) ein, erhält man die Biegespannung

Mby
σb (z) = z (4.30)
Iy

oder bei gedrehter Lastebene

Mbz
σb (y) = − y. (4.31)
Iz
Balken werden im Allgemeinen so belastet, dass diejenige Hauptachse Nulllinie
ist, für die das axiale Flächenmoment am größten ist. In diesem Fall ist der Wi-

derstand“ gegen Biegung am größten; die Biegespannungen sind geringer als bei
anderer Anordnung, da die Flächenmomente der 3. Potenz der Balkenhöhe propor-
tional sind. Ausnahmen hiervon bilden z. B. Blattfedern, die zur Erzielung größerer
Durchbiegung um die zur langen Rechteckseite parallele Achse gebogen werden.
Aus Gl. (4.30) für die Biegespannung folgt mit z = ζ2 = z2 die größte Zugbiege-
spannung und mit z = −ζ1 = −z1 die größte Druckbiegespannung
Mby Mby
σbz = z2 , σbd = − z1 .
Iy Iy

Satz 4.11 (Randbiegespannungen). Die Randbiegespannungen verhalten sich also


wie die Randabstände von der Nulllinie.
Die Quotienten
Iy Iy
Wb1 = , Wb2 = (4.32)
z1 z2
bezeichnet man als Widerstandsmomente gegen Biegung. Damit lauten die Aus-
drücke für die Biegerandspannungen
Mby Mby
σbz = , σbd = . (4.33)
Wb2 Wb1
Die absolut größte Biegespannung erhält man für den größten Abstand zmax von der
Nulllinie. Mit Wb min = Iy /zmax wird

Mby
|σb max | = . (4.34)
Wb min
Diese größte Spannung soll die zulässige Spannung σzul nicht überschreiten. Somit
erhält man die Festigkeitsbedingung
4.2 Gerade Biegung 105

Mby
 σzul . (4.35)
Wb min
Aus dieser Gleichung folgen die Tragfähigkeit und die Bemessung eines Balkens
Mby
Mbyzul  Wb min σzul und Wb min  . (4.36)
σzul
In Abb. 4.18 sind die Verteilungen der Biegespannungen bei zur y-Achse unsymme-
trischem (a) und symmetrischem (b) Querschnitt über die Höhe des Balkens darge-
stellt. Bei symmetrischem Querschnitt sind mit z1 = z2 = h/2 auch die Widerstands-
momente Wb1 = Wb2 = Wb = 2Iy /h, und Zug- sowie Druckbiegespannungen sind
gleich groß
Mby
|σbd | = |σbz | = |σb max | =  σzul . (4.37)
Wb
Für die Tragfähigkeit eines Balkens und seine Bemessung erhält man analog zu den
Gln. (4.36)
Mby
Mbyzul  Wb σzul und Wb  . (4.38)
σzul
Aus der Definitionsgleichung der Widerstandsmomente ergibt sich ein wichtiger
Satz (s. Beispiel 4.9).
Satz 4.12 (Addition von Widerstandsmomenten). Widerstandsmomente zusam-
mengesetzter Flächen, die sich auf die gleiche Achse beziehen, dürfen nicht addiert
werden, wenn die einzelnen Teilflächen verschiedene Randabstände haben.
Beispiel 4.9 (Widerstandsmomente).
Für die in Abb. 4.19 gezeichneten Flächen sind die Widerstandsmomente, bezogen
auf die y-Achse als Nulllinie, zu ermitteln.

a) b)
−Mb /Wb1 σb −Mb /Wb σb
h/2
z1

NS
y x
NS
h/2

y x
z2

Mb /Wb2 Mb /Wb
z z
Abb. 4.18 Biegespannungsverlauf
im zur Nulllinie
a) unsymmetrischen und
b) symmetrischen Querschnitt
106 4 Biegebeanspruchung gerader Balken

a) b) c) da d) 100

10
dm 20
d b t di

z1
S
S S S y

100
h
y y y

z2
z z z z

Abb. 4.19 Verschiedene Querschnittsflächen


a) Kreis
b) Rechteck
c) Kreisring
d) T-Träger

Lösung 4.9
a) Aus Tabelle 4.1 entnimmt man Iy = πd4 /64; mit dem Randabstand d/2 ist das Widerstands-
moment Wb = Iy /(d/2) bzw. Wb = πd3 /32.
b) Iy = bh3 /12,
 z1= h/2, Wb = bh2 /6.
4     
π di π 3 di 4
c) Iy = d4a 1 − , z1 = da /2, Wb = da 1 − .
64 da 32 da
Für dünnwandige Kreisringe ist entsprechend Tabelle 4.1 Iy = (π/8)d3m t, z1 ≈ dm /2,
Wb ≈ (π/4)d2m t.
d) Aus der zweiten Gleichung (4.4) erhält man z1 = 37 mm, folglich gilt

z2 = 100 mm − 37 mm = 63 mm .

Unter Anwendung des Satzes von S TEINER (s. Abschnitt 4.1.3.1) ist Iy = 283 cm4 . Die Wi-
derstandsmomente sind
283 cm4 283 cm4
Wb1 = = 76,5 cm3 , Wb2 = = 44,9 cm3 .
3,7 cm 6,3 cm

Beispiel 4.10 (Randbiegespannungen).


Wie groß sind die Randbiegespannungen des Trägers mit dem Querschnitt nach
Abb. 4.19 d), wenn Mby = 4 000 Nm ist?
Lösung 4.10
Mby 4 · 106 Nmm
σbd = = = 52,3 N/mm2 ,
Wb1 76,5 · 103 mm3
Mby 4 · 106 Nmm
σbz = = = 89,1 N/mm2 .
Wb2 44,9 · 103 mm3

Beispiel 4.11 (Tragfähigkeit eines Profilträgers).


Die Tragfähigkeit eines Profilträgers T 140 DIN 1 024 aus S235JR mit der zulässi-
gen Spannung σzul = 120 N/mm2 ist zu berechnen .
Lösung 4.11
Für genormte Profile sind neben den Flächenmomenten 2. Ordnung auch die Widerstandsmomente
tabelliert [22]; der Profiltafel entnimmt man
4.2 Gerade Biegung 107

Iy = 660 cm4 , Wb2 = Wb min = 64,7 cm3 , e1 = 3,8 cm .

Aus der ersten Gl. (4.36) ergibt sich

Mb zul = Wb min σzul = 64,7 · 103 mm3 · 120 N/mm2 = 7,76 · 106 Nmm .

An der oberen Seite des Querschnitts ist dann die Biegespannung mit

Iy 660 cm4 Mb zul 7,76 · 106 Nmm


Wb1 = = = 174 cm3 , σbd = = = 44,6 N/mm2 ,
e1 3,8 cm Wb1 174 · 103 mm3
wenn ein positives Biegemoment vorausgesetzt ist.

Werden Träger mit zur Nulllinie unsymmetrischen Querschnitten aus Werkstoffen


gefertigt, deren Zugfestigkeit geringer ist als deren Druckfestigkeit, z. B. aus Grau-
guss mit σdB /Rm ≈ 2, 5 . . .4, dann sollte die Konstruktion möglichst so ausgeführt
werden, dass die Fasern mit dem geringeren Randabstand auf Zug beansprucht wer-
den.
Beispiel 4.12 (Balken auf zwei Stützen).
Für den auf Abb. 4.20 dargestellten Balken auf zwei Stützen aus Gusseisen ist zu
untersuchen:
a) Welche Breite b muss der untere Flansch des Querschnitts für den Balken haben,
wenn σbd = 3σbz ist?
b) Wie groß sind die Spannungen?
Gegeben sind F = 22 kN, h = 120 mm und d = 20 mm.
Lösung 4.12
a) Bezieht man den Teilschwerpunktsatz, zweite Gl. (4.4), auf die untere Querschnittkante als
u-Achse (Abb. 4.20 b)
h d
z2 (A1 + A2 ) = A1 + A2 ,
2 2
dann folgt mit A1 = hd und A2 = (b − d)d die Beziehung

a) b)
d
400 400
F F
z1

1 400
h

y S
d
z2

u b z

Abb. 4.20 Balken auf zwei Stützen


a) Lage der zwei Einzellasten
b) Querschnitt
108 4 Biegebeanspruchung gerader Balken

(h/2) − z2
b−d = h .
z2 − (d/2)

Die Spannungen verhalten sich wie die Randabstände vom Schwerpunkt


σbd z1
= = 3.
σbz z2

Mit z1 + z2 = h ist somit z2 = h/4. Setzt man dies in die obige Beziehung ein, erhält man
die gesuchte Breite
h
b = d+h .
h − 2d
Die Zahlenrechnung ergibt

12 cm
b = 2 cm + 12 cm = 20 cm .
12 cm − 4 cm
b) Wir berechnen zunächst das Flächenmoment Iy . Aus

(b − d)d3 dh3 1 1
Iu = + = · 18 cm · (2 cm)3 + · 2 cm · (12 cm)3 = 1 200 cm4
3 3 3 3
folgt
Iy = Iu − z22 A = 1 200 cm4 − (3 cm)2 · 60 cm2 = 660 cm4 .
Das Biegemoment ist Mby = 22 000 N · 400 mm = 8,8 · 106 Nmm. Nunmehr ergeben sich die
Spannungen

Mby Mby z2 8,8 · 106 Nmm


σbz = = = · 30 mm = 40 N/mm2 ,
Wb2 Iy 660 · 104 mm4

σbd = 120 N/mm2 .

Beispiel 4.13 (Erforderlicher Wellendurchmesser).


Eine Welle mit Kreisquerschnitt aus Stahl, σzul = 60 N/mm2 , ist durch ein Biegemo-
ment Mb = 900 Nm beansprucht. Der erforderliche Durchmesser ist zu berechnen.
Lösung 4.13
Die zweite Gl. (4.38) ergibt

Mb 90 · 104 Nmm
Wb  = = 15 · 103 mm3 .
σzul 60 N/mm2

Daraus erhält man nach Beispiel 4.9 a)

32Wb 32 · 15 · 103 mm3


d3 = = = 153 · 103 mm3
π π
und d = 53,5 mm. Gewählt wird der Durchmesser d = 55 mm mit Wb = 16,33 · 103 mm3 . Für
den Spannungsnachweis erhält man

Mb 90 · 104 Nmm
σb = = = 55,1 N/mm2 < σzul .
Wb 16,33 · 103 mm3
4.2 Gerade Biegung 109

4.2.2 Biegung bei veränderlichem Biegemoment

Im Fall der Biegebeanspruchung durch Einzelkräfte, Streckenlasten und Momente


ist das Biegemoment in einem Querschnitt von x abhängig. Nach Gl. (4.21) tritt als
weitere Beanspruchungsgröße die Querkraft Fq (x) hinzu, die in jedem Querschnitt
Schubspannungen hervorruft. Streng genommen hat man es hier also bereits mit ei-
ner zusammengesetzten Beanspruchung zu tun (s. Kapitel 9). In Abschnitt 8.3 wird
gezeigt, dass für die üblichen Biegestäbe mit Vollprofil, z. B. Wellen, Träger und
Balken, deren Querschnittsabmessungen um etwa eine Größenordnung kleiner sind
als ihre Längen, die Wirkung der Schubbeanspruchung gegenüber den Biegespan-
nungen vernachlässigt werden kann.
Die für die reine Biegung abgeleitete Gl. (4.30) darf also auf die Biegung mit
Querkraft übertragen werden, wenn obige Voraussetzung erfüllt ist. Dabei ist zu be-
achten, dass sich jetzt das Biegemoment mit x ändert. Die Biegespannung in einem
Querschnitt an einer beliebigen Stelle x ist nun

Mby (x)
σb (x, z) = z, (4.39)
Iy

wenn die z-Achse des Querschnitts als Hauptachse die Spur der Lastebene und die
y-Achse Nulllinie ist.
Die maximale Biegespannung σb max tritt bei Balken mit konstantem Querschnitt
am Rande desjenigen Querschnitts auf, in dem das Biegemoment seinen größten
Wert hat, bei zur Nulllinie unsymmetrischem Querschnitt in denjenigen Randpunk-
ten, die von ihr den größten Abstand haben. Der Querschnitt der größten Beanspru-
chung wird auch gefährdeter Querschnitt genannt, er braucht aber nicht immer mit
dem Querschnitt des größten Biegemoments identisch zu sein (z. B. bei veränder-
lichem Balkenquerschnitt und bei Kerbwirkung). Somit lautet die Festigkeitsbedin-
gung
Mb max
|σb max | =  σzul (4.40)
Wb min
oder, wenn bei zur Nulllinie symmetrischem Querschnitt z1 = z2 = h/2 ist,

Mb max
|σb max | =  σzul . (4.41)
Wb
Tragfähigkeit und erforderliches Widerstandsmoment errechnet man sinngemäß, in
dem man das größte Biegemoment Mb max in die Gln. (4.36) und (4.38) einsetzt.
Beispiel 4.14 (Freiträger mit Einzellast).
Der Freiträger (l = 1 000 mm) mit der Einzellast F = 4 kN am freien Ende in
Abb. 4.21 hat den gleichen Querschnitt wie in Beispiel 4.9 d) (Abb. 4.19 d). Zu
berechnen sind die Biegespannungen an der Stelle x1 = 400 mm und im gefährde-
ten Querschnitt.
Lösung 4.14
In dem Querschnitt an der Stelle x1 ist das Biegemoment
110 4 Biegebeanspruchung gerader Balken

a)
Schnitt A-B l
F A

y S z2 z1 x

z x1

Mb (x1 ) = −Fx1
B
Mb (x) in Nm

b) −4000

Mb (l) = −Fl
−3000
−2000
−1000
0
x
1000
σb σb

z z

Abb. 4.21 Kragträger


a) Geometrie und Belastung
b) Biegemomentenverlauf und Spannungsverteilungen in den Querschnitten x1 = 400 mm und
x=l

Mb (x1 ) = −Fx1 = −4 · 103 N · 400 mm = −1,6 · 106 Nmm .

Die Randspannungen sind

Mb (x1 ) 1,6 · 106 Nmm


σbz = = = 20,9 N/mm2
Wb1 76,5 · 103 mm3
am oberen Rand und
Mb (x1 ) 1,6 · 106 Nmm
σbd = = = 35,6 N/mm2
Wb2 44,9 · 103 mm3
am unteren Rand. Der gefährdete Querschnitt ist der Einspannquerschnitt, dort ist

Mb max = −Fl = −4 · 106 Nmm .

Die Beträge der Randspannungen wie in Beispiel 4.10 sind

σbz = 52,3 N/mm2 , σbd = 89,1 N/mm2 .


4.2 Gerade Biegung 111

a) 750
550
300
F3
F1

x
F2

b)
−500
Mb (x) in Nm

0
100 200 300 400 500 600 700
x in mm
500

1000

1500

Abb. 4.22 Eingespannter Freiträger


a) Position der drei Einzellasten F1 , F2 und F3
b) Biegemomentenverlauf

Aus dem vorstehenden Beispiel geht hervor, dass bei Biegung mit veränderlichem
Biegemoment der Werkstoff eines Balkens bei unveränderlichem Querschnitt nur
unvollständig ausgenutzt ist, s. Abschnitt 4.2.3.
Beispiel 4.15 (Träger mit drei Einzelkräften).
Ein Träger ist durch drei Einzelkräfte F1 = 2 kN, F2 = 10 kN und F3 = 10 kN belastet
(Abb. 4.22 a). Es ist ein hochstegiger T-Stahl nach DIN 1 024 (σzul = 70 N/mm2 )
zu wählen.
Lösung 4.15
Betrag und Ort des größten Biegemoments ergeben sich aus der Berechnung des Biegemomenten-
verlaufs längs der x-Achse

Mb (0 m) = 0 Nm, Mb (0,3 m) = −2 000 N · 0,3 m = −600 Nm,


Mb (0,55 m) = −2 000 N · 0,55 m + 10 000 N · 0,25 m = 1 400 Nm,
Mb (0,75 m) = −2 000 N · 0,75 m + 10 000 N · 0,45 m − 10 000 N · 0,2 m = 1 000 Nm .

Nach Abb. 4.22 b) wirkt das größte Biegemoment am Angriffspunkt der Last F3 , es beträgt
Mb max = 1 400 Nm. Die größte Biegespannung ist eine Zugspannung. Aus der zweiten Gl. (4.36)
erhält man
Mb max 1,4 · 106 Nmm
Wb min  = = 20 · 103 mm3 = 20 cm3 .
σzul 70 N/mm2
Dieser Bedingung genügt das Profil T 100 mit Wb = 24,6 cm3 . Spannungsnachweis:

Wb max 1,4 · 106 Nmm


σb = = = 57 N/mm2 < σzul .
Wb 24,6 · 103 mm3
112 4 Biegebeanspruchung gerader Balken

l
a b
F qE

x y
z

F
qE l

b a
FA = F FB = F
l l2 l
8
qE

x
1
ab
l

2
F

Mb (x)
3

Abb. 4.23 Träger


a) Geometrie und Belastung
b) Freikörperbild
c) Biegemomentenverlauf; 1 durch Eigengewicht, 2 durch die Last, 3 resultierendes Biegemoment

Beispiel 4.16 (Verstärkter Breitflanschträger).


Für einen verstärkten Breitflanschträger I PBv 1 000 DIN 1 025, Bl. 4, aus Stahl
(Abb. 4.23) ist die zulässige Last Fzul zu berechnen; σzul = 100 N/mm2 , a = 6 m,
b = 9 m. Wie groß ist der Einfluss des Eigengewichts auf die Biegespannung?
Lösung 4.16
Das größte Biegemoment wirkt an der Angriffstelle der Last, es beträgt

ba
Mb max = FA a = F .
l
In Verbindung mit Gl. (4.38) und mit Wb = 14,33 · 106 mm3 aus der Profiltabelle [22] folgt

l 15 000 mm
Fzul = Wb σzul = · 14,33 · 106 mm3 · 100 N/mm2 = 3,98 · 105 N .
ba 9 000 mm · 6 000 mm
Nach der gleichen Tabelle beträgt das Eigengewicht je Längeneinheit qE = 3 490 N/m. Den Bie-
gemomentenverlauf durch Eigengewicht als gleichmäßig über die Länge l verteilte Last zeigt
Abb. 4.23 c). Der Maximalwert für x = l/2 ist

Mb max E = qE l2 /8 = 3,49 N/mm · (15 000 mm)2 /8 = 9,82 · 107 Nmm .


4.2 Gerade Biegung 113

Damit ist σb max E = 9,82 · 107 Nmm/(14,33 · 106 mm) = 6,85 N/mm2 .
Da Last F und Eigengewicht gleichgerichtet sind, kann man die Biegemomente und somit auch
die Biegespannungen addieren. Für den Querschnitt x = 6 000 mm erhält man mit
 
qE l2 x  x 2
MbE (x) = − = 9,42 · 107 Nmm
2 l l

die Spannungen σbE = 6,6 N/mm2 und σb max = 106,6 N/mm2 > σzul . Damit die zulässige Bie-
gespannung nicht überschritten wird, müsste Fzul auf rund 370 kN beschränkt werden.

Für die Bemessung langer Biegeträger wie im vorstehenden Beispiel ist häufig nicht
allein die zulässige Spannung maßgebend, sondern auch die Durchbiegung, s. Bei-
spiel 5.5.
Beispiel 4.17 (Winkelhebel).
Ein Winkelhebel (Abb. 4.24) ist in 0 gelagert und durch die Kräfte F1 und F2 belastet.
In den Querschnitten AB, CD und EF sind die Biegespannungen zu berechnen. Die
Querschnitte AB und EF können als Rechtecke mit der Fläche b × h angenommen
werden.
Lösung 4.17
Mit r1 = 500 mm und r2 = 1 000 mm ist

F1 = (r2 /r1 )F2 = 16 kN.

Die für die Berechnung maßgebenden Biegemomente betragen

MbAB = F1 l1 = 64 · 105 Nmm,


MbCD = F1 r1 = 80 · 105 Nmm,
MbEF = F2 l2 = 72 · 105 Nmm .

Für die Wiederstandsmomente in den entsprechenden Querschnitten erhält man mit Tabelle 4.1
und Gl. (4.32)

Schnitt AB
40

120

F1 Schnitt CD Schnitt EF
0
20

130
0
l1 = 400

16
50
r1 = 500

45
D

E F2 = 8 kN

A 0 B
Abb. 4.24 Auf Biegung be-
anspruchter Winkelhebel, l2 = 900
AB, CD, EF gefährdete Quer- F
r2 = 1 000
C

schnitte
114 4 Biegebeanspruchung gerader Balken

20
Abb. 4.25 Querschnitt CD 50 σd
mit den aus den Spannungen
Fd
σd und σz resultierenden
Biegekräften Fd und Fz

r = 90

∅160
∅200
r = 90
σz
Fz

bh2 4 cm · (12 cm)2


WbAB = = = 96 cm3 und WbEF = 126,75 cm3
6 6
und mit D = 20 cm, d = 16 cm und b = 5 cm

D3 − d3 (20 cm)3 − (16 cm)3


WbCD = b = 5 cm · = 162,67 cm3 .
6D 6 · 20 cm
Damit ergeben sich die Biegespannungen aus σ = Mb /Wb

σbAB = 66,7 N/mm2 , σbCD = 49,1 N/mm2 , σbEF = 56,7 N/mm2 .

Die Spannungen im Querschnitt C-D lassen sich näherungsweise auch folgendermaßen ermitteln
(Abb. 4.25):
Man denkt sich die Spannungen in den beiden schraffierten Flächen gleichmäßig verteilt. Die
resultierende Kraft in einer Fläche ist Fd = Fz = F. Dann ist MbCD = 2r · F mit r = 90 mm.
Daraus erhält man
MbCD 80 · 105 Nmm
F= = = 4,44 · 104 N .
2r 180 mm
Mit A = 1 000 mm2 ergibt sich σd = σz = σCD = F/A = 44,4 N/mm2 . Der Fehler gegenüber
der genaueren Rechnung beträgt ungefähr 10%. Diese Näherungsrechnung wird häufig auch bei
Trägern mit dünnem Steg und kräftigem Flansch angewandt.

4.2.3 Träger und Wellen konstanter Biegebeanspruchung

Der Idealfall eines überall gleich hoch beanspruchten Bauteils ist ein Zugstab mit
konstantem Querschnitt; der Werkstoff wird voll ausgenutzt. In einem solchen Bal-
ken sind wegen des veränderlichen Biegemoments die Beanspruchungen eine Funk-
tion von x. Der Querschnitt muss jedoch entsprechend der größten Biegerandspan-
nung bemessen werden, der Werkstoff wird also schlecht ausgenutzt. Eine bessere
Ausnutzung erreicht man, wenn die größten Randspannungen in jedem Querschnitt
gleich groß sind. Derartige Träger bezeichnet man als Träger konstanter Biegebe-
4.2 Gerade Biegung 115

anspruchung. Bei reiner Biegung eines Balkens mit konstem Querschnitt ist dies
wegen des konstanten Biegemoments der Fall.
Für ein veränderliches Biegemoment dagegen ergibt die Forderung nach gleicher
Randspannung den Ansatz

Mb (x)
σb Rand = = const = σzul . (4.42)
Wb
Sie lässt sich nur dann verwirklichen, wenn
Mb (x)
Wb = Wb (x) = (4.43)
σzul
ist. Das Widerstandsmoment jedes Stabquerschnitts muss also wie das Biegemo-
ment eine Funktion von x sein. Dies soll an einigen Querschnittsformen für den
Freiträger mit Einzellast am freien Ende (Abb. 4.26 a) betrachtet werden.
1. Träger hat Rechteckquerschnitt b0 h0 in der Einspannung und die entlang der
Trägerachse veränderliche Breite b = b(x).
Aus den Gln. (4.42) und (4.43) folgt mit Wb = bh2 /6

6Fx 6Fl
σb = =  σzul . (4.44)
b(x)h20 b0 h20

Zunächst erhält man aus der Gl. (4.44) die Aussage


x
b(x) = b0 . (4.45)
l

a) l
F b)
b(x)

x
b1
Fx

F
b0

x x
Fl

Mb (x)

c)
nh0

b1 = b0 /n
h0

F d)

Abb. 4.26 Kragträger mit unterschiedlichen Querschnittsformen


a) Freiträger mit Rechteckquerschnitt und Einzellast am freien Ende
b) Dreieckfeder als Träger konstanter Biegebeanspruchung
c) Ansicht einer aus der Dreieckfeder zerschnittenen geschichteten Blattfeder
d) Draufsicht
116 4 Biegebeanspruchung gerader Balken

2l

F = 50 kN F = 50 kN

2F

Abb. 4.27 Geschichtete Blattfeder

Die Breite des Querschnitts ändert sich linear mit x. Dies ist z. B. bei Dreieckfe-
dern der Fall (Abb. 4.26 b). Denkt man sich die Feder in n Streifen geschnitten,
diese zu gleichen Teilen zusammengefügt (Breite b1 = b0 /n) und untereinander
angeordnet, dann erhält man eine geschichtete Blattfeder (Abb. 4.26 c) und d),
die einzelnen Blätter biegen sich einzeln. Die erforderlichen Abmessungen b0
und h0 bekommt man aus dem Vergleich mit σzul in der Gl. (4.44)

6Fl
b0 h20 = . (4.46)
σzul
Eine der beiden Abmessungen b0 oder h0 muss vorgegeben sein, dann kann die
andere berechnet werden.
Beispiel 4.18 (Geschichtete Blattfeder).
Eine geschichtete Blattfeder aus Federstahl ist nach Abb. 4.27 geformt und belas-
tet. Gegeben sind: die Breite b1 = 100 mm, 2l = 1 600 mm, n = 12 Federblätter,
σzul = 500 N/mm2 . Die erforderliche Blattdicke h0 ist zu berechnen.
Lösung 4.18
Gleichung (4.46) ergibt

6Fl 6 · 50 000 N · 800 mm


h0 = = = 20 mm .
b0 σzul 12 · 100 mm · 500 N/mm2

2. Träger hat Rechteckquerschnitt b0 h0 im Einspannquerschnitt und die entlang der


Trägerachse veränderliche Höhe h = h(x).
Der gleiche Ansatz wie in 1. führt auf

x
h(x) = h0 . (4.47)
l
Die Begrenzung der Trägerhöhe ist eine zur x-Achse symmetrische Parabel
(Abb. 4.28 a), auch die Form b) ist möglich. Da der Endquerschnitt x = 0 die
Last F aufzunehmen hat, bildet man die Träger meist verjüngt (in Abb. 4.28 ge-
4.2 Gerade Biegung 117

F
b0
F

h0 /2

h(x)
h0
h0 /2

h(x)

h0
x
x
x

Abb. 4.28 Parabelträger mit Rechteckquerschnitt als Träger konstanter Biegebeanspruchung


a) symmetrisch zur x-Achse
b) mit gerader Oberkante

strichelt) aus. Anwendung findet diese Form bei Rahmen, Trägern, Traversen
usw.
3. Träger hat Kreisquerschnitt mit dem Durchmesser d0 im Einspannquerschnitt
und entlang der Trägerachse veränderlichen Durchmesser d = d(x) (Abb. 4.29).

Der Ansatz in 1. führt hier auf die Gleichung



x
d(x) = d0 3 . (4.48)
l

Den erforderlichen Durchmesser d0 erhält man aus Gl. (4.38) mit Wb = (π/32)d30

32Fl
d30 = . (4.49)
πσzul
Die Begrenzung ist eine Funktion 3. Grades. Die Form wird näherungswei-
se durch einen Kegelstumpf erreicht und z. B. bei Getriebewellen (s. Bei-
spiel 4.19) angewendet. Für andere Trägerformen und Belastungsarten lassen
sich Träger angenähert konstanter Biegebeanspruchung konstruieren, indem man
Wb (x) = Mb (x)/σzul streckenweise berücksichtigt, z. B. Profilträger mit auf-
geschweißten Verstärkungsblechen (Aufgabe 4.17) und abgesetzte Wellen.

F
d0
d0

d(x)
2
3

x
Abb. 4.29 Funktion 3. Ge-
rades als Begrenzung des
Freiträgers konstanter Bie-
gebeanspruchung mit Kreis- x
querschnitt
118 4 Biegebeanspruchung gerader Balken

Beispiel 4.19 (Zweifach gelagerte Welle).


Eine Welle mit den in Abb. 4.30 a) gegebenen Maßen ist zweifach gelagert. In

2F
a)

dN
lZ lZ

d1

dZ
dZ

d2
x

F 100 F
2l

c) 2F

5
b)

∅112

∅130
∅80
∅65

d0
l

F 39
78
x 50

Abb. 4.30 Welle unter Biegebeanspruchung


a) Welle mit Einzellast 2F in der Mitte
b) Ersatzschema der halben Welle als Freiträger
c) Konstruktion der Welle als Träger annähernd konstanter Biegebeanspruchung

der Mitte soll ein Rad aufgekeilt werden, Gesamtlast in der Mitte 2F. Die Welle
soll als Träger annähernd konstanter Biegebeanspruchung konstruiert werden,
die fehlenden Maße sind zu berechnen. Die Lagerkräfte sind als Einzelkräfte in
Lagermitte angenommen. In Abb. 4.30 b) ist das Ersatzschema der halben Welle
gezeichnet. Gegeben sind:
F = 40 kN, σzul = 59 N/mm2 , lZ = 1, 2dZ , l = 250 mm.
Lösung 4.19
Aus Gl. (4.49) ergibt sich

32 · 40 000 N · 250 mm
d0 = 3 = 120 mm .
π · 59 N/mm2

Mit Rücksicht auf die Keilnut wird dN = 130 mm gewählt. Den Zapfendurchmesser dZ erhält
man aus den Gleichungen
4.3 Schiefe oder allgemeine Biegung 119

Mb (x = lZ /2) = FlZ /2 = 0, 6FdZ

und
Mb (x) πd3Z
WbZ = = .
σzul 32
Setzt man den Ausdruck für Mb aus der ersten der beiden Gleichungen in die zweite ein, ergibt
sich nach Umformung

19, 2F 19, 2 · 40 000 N


dZ = = = 64,4 mm .
πσzul π · 59 N/mm2

Gewählt wird dZ = 65 mm, lZ = 1, 2dZ = 78 mm. Für den Anlaufdurchmesser d2 wird


80 mm angenommen. Den noch fehlenden Durchmesser d1 errechnet man aus Gl. (4.48) mit
x = 200 mm und erhält

d1 = 120 mm · 3 20/25 = 111,3 mm ,

gewählt wird d1 = 112 mm.


In Abb. 4.30 c) ist die gedrehte Welle maßstäblich gezeichnet, die Kontur der kubischen Funk-
tion ist gestrichelt angedeutet. Wird die Welle geschmiedet, erhalten die Durchmesser dN und
dZ Bearbeitungszugaben, der kegelige Teil bleibt roh. Die Durchmesserübergänge von dN auf
d1 und von d2 auf dZ werden gerundet. Hier sind mit Rücksicht auf Kerbwirkung die Si-
cherheiten nachzuweisen, z. B. bei wechselnder Biegebelastung gegen Dauerbruch (s. Beispiel
4.22).

4.3 Schiefe oder allgemeine Biegung

Definition 4.10 (Schiefe Biegung). Unter schiefer Biegung - auch Doppelbiegung


oder allgemein Biegung genannt - versteht man die Beanspruchung eines Balkens
durch Kräfte und Momente, deren Biegemomentvektor im Querschnitt nicht mit ei-
ner der beiden Hauptachsen v oder w zusammenfällt.

Da der Biegemomentvektor zur Lastebene senkrecht steht, fällt also die Spur der
Lastebene ebenfalls nicht in die Richtung einer Hauptachse (Abb. 4.31). Wir set-
zen wieder voraus, dass die Balkenachse in der Lastebene liegt. Durch Zerlegen
des Biegemomentvektors in Richtung der beiden Hauptachsen lässt sich die schiefe
Biegung unmittelbar auf die Überlagerung zweier gerader Biegungen zurückführen.
Die resultierende Biegespannung erhält man durch algebraisches Addieren der je-
weiligen Einzelspannungen. Da jede Biegespannung für sich linear mit den Quer-
schnittkoordinaten zunimmt, steigt auch die resultierende Biegespannung linear an.
Die Querschnittpunkte, in denen die Biegespannung Null ist, bilden die Nulllinie;
sie ist eine Gerade durch den Schwerpunkt des Querschnitts.
120 4 Biegebeanspruchung gerader Balken

4.3.1 Biegespannungen und Nulllinie

4.3.1.1 Biegespannungen

Zur Berechnung der Biegespannungen werden die Schubspannungen durch Quer-


kräfte vernachlässigt, die Querschnitte bleiben also eben. Wir zerlegen den Biege-
momentvektor in Komponenten in die Richtung der beiden Hauptachsen. Schließt
die Spur der Lastebene mit der großen Hauptachse w ≡ z den Winkel α ein
(Abb. 4.32), dann ist

Mby = Mb cosα, Mbz = Mb sin α .

Die resultierende Biegespannung in einem Flächenelement dA mit seinen Koordi-


naten y und z erhält man aus
Mby Mbz Mb cos α Mb sin α
σb = z− y= z− y. (4.50)
Iy Iy I1 I2

Unter Beachtung der Vorzeichen von y und z kann man aus Gl. (4.50) die Spannun-
gen in jedem Punkt des Querschnitts berechnen.
Beispiel 4.20 (Biegespannungen).
Man berechne die Biegespannungen im gefährdeten Querschnitt des Freiträgers
(Abb. 4.33 a), Länge l = 1 000 mm, dessen Einzellast F = 7 kN am freien Ende um
α = 22,5◦ zur z-Achse geneigt ist. Die Maße des Querschnitts sind b = 100 mm
und h = 200 mm. Der Spannungsverlauf über dem Querschnitt ist maßstäblich dar-
zustellen.
Lösung 4.20
Die Widerstandsmomente bezüglich der Hauptachsen y und z betragen

Wby = bh2 /6 = 667 cm3 und Wbz = hb2 /6 = 333 cm3 .

Das größte Biegemoment ist im Einspannquerschnitt


Lastebene

a) b)
Las

y Mb S
teb
ene

v=y S v

Mb

Abb. 4.31 Schiefe Biegung


a) symmetrischer Querschnitt
b) unsymmetrischer Quer-
schnitt w=z z w
4.3 Schiefe oder allgemeine Biegung 121

Mb (x = l) = Mb max = −Fl = −7 · 106 Nmm .

Die Gl. (4.50) kann mit Iy = Wby h/2 und Iz = Wbz b/2 in folgende, für die Berechnung
zweckmäßige Form gebracht werden

Fl cos α z Fl sin α y
σb = − + .
Wby h/2 Wbz b/2

Mit
Fl cos α = 7 · 106 Nmm · 0, 924 = 6,46 · 106 Nmm
und
Fl sin α = 7 · 106 Nmm · 0, 383 = 2,68 · 106 Nmm
ist der zweite Anteil der Biegespannung längs der Kante AB(y = −b/2)

Fl sin α 2,68 · 106 Nmm


σb = − =− = −8,05 N/mm2
Wbz 333 · 103 mm3

und längs der Kante CD(y = b/2) σb = 8,05 N/mm2 . Längs der Kante BC(z = −h/2) ist der
erste Anteil
Fl cos α 6,46 · 106 Nmm
σb = = = 9,69 N/mm2
Wbz 667 · 103 mm3
und längs der Kante AD(z = h/2) σb = −9,69 N/mm2 . Die resultierenden Spannungen in den
Ecken betragen demnach in

A σb = −9,69 N/mm2 − 8,05 N/mm2 = −17,74 N/mm2 ,


B σb = +9,69 N/mm2 − 8,05 N/mm2 = +1,64 N/mm2 ,
C σb = +17,74 N/mm2 ,
D σb = −1,64 N/mm2 .

)
σ b(u
Lastebene
u1

v≡y
α ini e
Nulll
β
u2

α
Mb

u γ
MN
σ b Rand
dA

y
z

w≡z

Abb. 4.32 Beliebiger Querschnitt eines Balkens bei schiefer Biegung mit Momentvektoren, Null-
linie, Spur der Lastebene und senkrecht zur Nulllinie aufgetragener Biegespannungsverteilung
122 4 Biegebeanspruchung gerader Balken

Mit diesen Werten ist der Biegespannungsverlauf gezeichnet (Abb. 4.33 b). Die Nulllinie ist durch
die Schnittpunkte E und F der resultierenden Spannungslinien zwischen AB und CD mit der Quer-
schnittbegrenzung festgelegt. Sie geht durch den Schwerpunkt S der Fläche und ist eine Gerade.

4.3.1.2 Nulllinie

Die Nulllinie, als geometrischer Ort aller Punkte im Querschnitt eines Balkens, in
denen die Biegespannung Null ist, erhält man aus Gl. (4.50) mit σb = 0

Mb cos α Mb sin α I1
0= z− y oder z = y tan α . (4.51)
I1 I2 I2
Ist β der Winkel zwischen der großen Hauptachse w ≡ z und der Nulllinie (4.33),
kann man für die Gleichung der Nulllinie auch schreiben
π  1
z = tan −β y = y. (4.52)
2 tan β
Durch Vergleich der Gln. (4.51) und (4.52) folgt mit den Hauptflächenmomenten I1
und I2 die Beziehung
I2
tan α tan β = . (4.53)
I1
Die Spur der Lastebene und die Nulllinie liegen auf verschiedenen Seiten der großen
Hauptachse w. Da nach der Voraussetzung in Abschnitt 4.1.3.3 das Verhältnis
I2 /I1 < 1 ist, folgt aus der Gl. (4.53), dass die Winkelsumme α + β < 90◦ ist.
Nulllinie und Spur der Lastebene stehen nicht senkrecht aufeinander, sondern die
Nulllinie liegt schief zur Spur der Lastebene (daher schiefe Biegung). Nur im Fall
der geraden Biegung ist α = 0◦ oder 90◦ , dann ist β = 90◦ oder 0◦ .

a) b)
Schnitt G-H
α C 1,64
74
17, B
E
Nul

l
e
ben

F
llin

G
ste

C B F
ie
La

C, B S
Mbz y
h

y S Mby x
D, A F 4
z 17,7
64 A−
D A 1,
b H − D z

Abb. 4.33 Freiträger mit Einzellast F am freien Ende


a) bei schiefer Biegung
b) Biegespannungsverlauf im Einspannquerschnitt [N/mm2 ]
4.3 Schiefe oder allgemeine Biegung 123

Ist die Lage der Nulllinie bekannt, kann man die Biegespannungen auch ohne
Gl. (4.50) auf einfache Weise berechnen, indem man berücksichtigt, dass sie linear
mit dem Abstand von der Nulllinie ansteigen (Abb. 4.32). Ist u der senkrechte Ab-
stand eines Flächenteilchens dA von der Nulllinie und u2 der Abstand der Nulllinie
zum unteren Rand, dann folgt mit der Randspannung σb max
σb Rand
σb (u) = u. (4.54)
u2
Ferner verlangt die Gleichgewichtsbedingung der Momente für ein abgeschnittenes
Balkenstück bezüglich der Nulllinie
 
MiN = 0 = u σb (u)dA = MN . (4.55)

MN = Mb cos γ ist die Komponente des Biegemomentvektors in Richtung der


Nulllinie (das Biegemoment um die Nulllinie). Da γ = 90◦ − (α + β), folgt mit
cos γ = sin(α + β) das Moment um die Nulllinie MN = Mb sin(α + β). Setzt man
dies zusammen mit Gl. (4.54) in Gl. (4.55) ein, ergibt sich

σb Rand
u2 dA = Mb sin(α + β) .
u2
 2
u dA = IN ist das Flächenmoment 2. Ordnung der Querschnittsfläche A bezüglich
der Nulllinie, man erhält es aus der ersten Gl. (4.18) mit ψ = 90◦ − β. Somit ergibt
sich für die Biegespannung die der Gl. (4.39) ähnliche einfache Gleichung

Mb (x) sin(α + β)
σb (x, u) = u, (4.56)
IN

wobei Mb = Mb (x) das längs der Balkenachse veränderliche Biegemoment ist.


Die Biegespannung hat an der Stelle des gefährdeten Querschnitts mit dem
größten Biegemoment Mb max ihren größten Wert dort, wo der senkrechte Abstand
von der Nulllinie am größten ist

Mb max sin(α + β)
σb max = umax . (4.57)
IN

Führt man noch das Widerstandsmoment bezüglich der Nulllinie WbN = IN /umax
ein, erhält man
Mb max sin(α + β)
σb max =  σzul . (4.58)
WbN
Beispiel 4.21 (Nulllinie und Biegerandspannungen).
Ein Freiträger mit dem Querschnitt aus den Beispielen 4.3 und 4.8 ist am freien
Ende durch eine Last F = 4 kN in Richtung der z-Achse belastet (Abb. 4.34 a). Die
Lage der Nulllinie und die Biegerandspannungen sind zu berechnen.
Lösung 4.21
In Abb. 4.34 b) ist die Querschnittsfläche maßstäblich gezeichnet. Man beachte die gegenüber
124 4 Biegebeanspruchung gerader Balken

Lastebene
ie
in
a) b)
α lll
Schnitt A-B
1 000
O β Nu

u1
F
F
20 A
v
z2 z1

y S
120

y S
x

20 z
B

u2
80

U
w
z
Abb. 4.34 Freiträger mit Winkelquerschnitt
a) Einzellast F am freien Ende (schiefe Biegung)
b) Winkelquerschnitt, Maßstabsfaktor (vgl. [17], Abschnitt 1.3 Darstellung physikalischer Größen)
mL = 25/8 cm cm
Z

Abb. 4.5 geänderte Lage der Fläche gegenüber dem y, z-Koordinatensystem. Gleichung (4.53)
ergibt mit den Zahlenwerten für α = 22,5◦ , I1 = 558 cm4 und I2 = 106 cm4 aus Beispiel 4.8 das
Ergebnis tan β = 0, 459 und β = 24,65◦ .
Aus der ersten Gl. (4.18) erhält man mit ψ = 65,35◦

IN = 332 cm4 + 226 cm4 (−0, 652) = 185 cm4 .

Mit den Werten u1 = −4, 75 cm und u2 = 5, 35 cm (Abb. 4.34 b) sowie dem größten Biege-
moment Mb max = −4 · 106 Nmm errechnet man die Spannungen aus Gl. (4.56) im Querschnitts-
punkt O

Mb max sin(α + β) −4 · 106 Nmm · 0, 733


σb = u1 = · (−47,5 mm) = 75,4 N/mm2
IN 185 · 104 mm4

und ähnlich für den Punkt U σb = −84,9 N/mm2 . Es soll nun gezeigt werden, welchen Fehler
man begeht, wenn man die Voraussetzungen für die gerade Biegung nicht beachtet und mit der
y-Achse als Nulllinie rechnet. Aus den Gln. (4.33) folgt mit

Iy 492 cm4
Wb1 = = = −113,5 cm3 und Mby = Mb max = −4 · 106 Nmm
z1 −4,33 cm

die Spannung entlang der oberen Kante σb = 35,2 N/mm2 und mit

Wb2 = Iy /z2 = 492 cm4 /7,67 cm = 64,1 cm3

die Spannung an der unteren Kante σb = −62,4 N/mm2 .


Die Fehler betragen demnach etwa -54% bzw. -27%. Schwerwiegend ist diese falsche Rech-
nung insofern, als die Ergebnisse zu kleine Spannungswerte darstellen.
4.4 Zulässige Spannung und Sicherheit bei Biegung 125

4.4 Zulässige Spannung und Sicherheit bei Biegung

4.4.1 Grenzspannung

Bei ruhender Biegebeanspruchung duktiler Werkstoffe setzt Fließen in der äuße-


ren Randfaser eines Balkens ein, wenn dort die Biegespannung Mb /Wb die Fließ-
grenze des Werkstoffs erreicht hat. Im Gegensatz zum Zugversuch, wo Werkstoffe
mit ausgeprägtem Fließverhalten bei gleich bleibender Last fließen, ist zur weite-
ren plastischen Verformung des Balkens eine Erhöhung des Biegemoments nötig.
Das ist dadurch bedingt, dass die noch elastisch verformten inneren Balkenteile im-
mer mehr zum Mittragen herangezogen werden und so eine Stützwirkung ausüben.
Die in Biegeversuchen ermittelte Biegefließgrenze σbF ist demnach größer als die
Streckgrenze Re , erfahrungsgemäß ist σbF ≈ (1, 1 . . .1, 2)Re . Eine bessere Werkstoff-
ausnutzung kann man erzielen, wenn man als Grenzspannung nicht den Fließbe-
ginn in der äußeren Randzone ansieht, sondern die Spannung Mb0,2 /Wb , die an
der höchstbeanspruchten Stelle eine bleibende Dehnung εp = 0, 2% hervorruft, die
0,2 %-Biegedehngrenze. Das Verhältnis Biegedehngrenze zur Zugstreckgrenze heißt
Dehngrenzenverhältnis n0,2 (auch Stützziffer genannt, s. Abschnitt 3.2.2). Für ein-
fache Vollquerschnitte kann n0,2 berechnet werden, im Allgemeinen muss die Ziffer
jedoch experimentell bestimmt werden. Sie hängt sowohl von der Form des Quer-
schnitts als auch von der Höhe der Fließgrenze, also vom Werkstoff, ab (s. Tabel-
le 4.2 [45]).
Spröde Werkstoffe mit unterschiedlicher Zug- und Druckfestigkeit, z. B. Grau-
guss, zeigen im Biegeversuch ein anderes Verhalten. Fließen kann natürlich nicht
auftreten. Infolge des ungleichen Spannungs-Dehnungs-Diagramms für Zug und
Druck (Abb. 2.9 b) und weil das H OOKE’sche Gesetz nicht gilt, ist auch die Span-
nungsverteilung beiderseits der neutralen Faser ungleich, die Zugspannungen sind
geringer als die Druckspannungen (Abb. 4.35). Aus Gleichgewichtsgründen tritt ei-
ne Verschiebung der neutralen Schicht bei der Biegebeanspruchung ins Druckge-
biet hinein ein, da die resultierende Druckkraft gleich der resultierenden Zugkraft
im Querschnitt ist. Versagen durch Bruch tritt nicht ein, wenn die rechnerische Bie-
gespannung Mb /Wb die Zugfestigkeit Rm erreicht, sondern bei einem größeren
Moment, dem Bruchmoment MbB . Das Verhältnis σbB /Rm von Gusseisen und ähn-

Tabelle 4.2 Dehngrenzenverhältnis n0,2 für verschiedene Querschnittsformen und Streckgren-


zen Re

Querschnittsform y y
(Biegeachse y-y)

Re 200 N/mm2 n0,2 ≈ 1, 6 1,44 1, 47 ≈ 1, 15


Re 600 N/mm2 n0,2 ≈ 1, 4 1,32 - ≈ 1, 10
126 4 Biegebeanspruchung gerader Balken

lichen Stoffen mit der Biegefestigkeit σbB = MbB /Wb ist also größer als 1. Es ist
abhängig von der Form des Querschnitts und beträgt für Grauguss bei Rechteck-
querschnitt etwa 1,7 und bei Kreisquerschnitt etwa 2,2.
Bei schwingender (dynamischer) Biegebeanspruchung werden Grenzspannun-
gen wie bei Zugbeanspruchung in Dauerversuchen ermittelt. Die Ergebnisse sind
in Dauerfestigkeitsschaubildern zusammengestellt. Wegen des Spannungsgefälles
(Abb. 4.36) und der damit verbundenen Stützwirkung sind die meist an runden Pro-
ben ermittelten Dauerfestigkeitswerte bei Biegung größer als die bei gleichmäßi-
ger Spannungsverteilung in Zugstäben gewonnenen Werte, erfahrungsgemäß ist
σbD ≈ (1, 2 . . . 1, 4)σzD . Allerdings ist hier eine Einschränkung hinsichtlich der
Probengröße zu machen. Während die Dauerfestigkeit bei gleichmäßiger Span-
nungsverteilung nahezu unabhängig von der Größe des Querschnitts ist, ist sie
bei der ungleichmäßigen Spannungsverteilung der Biegung von der Probengröße
abhängig. Die Wahrscheinlichkeit eines Dauerbruchs bei hoch beanspruchtem Ma-
terialvolumen ist größer als bei geringem Volumen, in dem die Spannung steil
abfällt (Abb. 4.36). Die in Dauerfestigkeitsschaubildern meist mit der Probengröße
von etwa 10 mm Durchmesser enthaltenen Werte der Dauerfestigkeit σbD 10 sind
für größere Querschnitte mit einem Größenfaktor b0 < 1 zu multiplizieren, also
σbD = b0 σbD 10 . Für Wellen bei Umlaufbiegung sind Mittelwerte für b0 in Abb.
4.37 aufgetragen. In dünnwandigen Konstruktionen wird bei Biegung häufig mit
der Dauerfestigkeit bei Zugbeanspruchung gerechnet, weil die kräftigen Flansche z.
B. von I-Profilen annähernd gleichmäßig nur auf Zug oder Druck beansprucht sind
(s. Aufgabe 4.24).

4.4.2 Kerbwirkung

Ähnlich wie bei der Zugbeanspruchung tritt auch bei der Biegung Kerbwirkung an
Bohrungen, Querschnittsübergängen, Rillen, Nuten, Passsitzen u.a. auf. Diese wird
ebenfalls durch die Formzahl αk bzw. die Kerbwirkungszahl βk erfasst und, falls

x 1
Mb /Wb

σb

Abb. 4.35 Biegespannungs-


verteilung in einem Balken
aus Gusseisen mit symmetri-
schem Querschnitt (1 - lineare
Spannungsverteilung)
4.4 Zulässige Spannung und Sicherheit bei Biegung 127

∅10
Abb. 4.36 Biegespannungs-
verteilung in einer Welle
σb
mit kleinem und großem
Durchmesser

∅100
nötig, durch Indizes z für Zug, b für Biegung und t für Torsion unterschieden, Zah-
lenwerte findet man in Taschenbüchern, z. B. [22; 27; 45] oder in [37].

4.4.3 Versagen bei ruhender und schwingender Beanspruchung

Ist Versagen bei ruhender Biegebeanspruchung durch bleibene Formänderungen


möglich, dann berechnet man Sicherheit bzw. zulässige Spannung aus

n0,2 Re n0,2 Re
SF = und σzul = . (4.59)
σb SF
Bei spröden Werkstoffen gelten sinngemäß die Gln. (3.1), (3.2) und (3.11) mit der
Biegefestigkeit σbB .
Ist Versagen bei schwingender Biegebeanspruchung durch Dauerbruch möglich,
dann ist
b0 σD b0 σD
SD = und σzul = . (4.60)
ok βk σbn ok βk SD
σbn ist die auf den gekerbten Querschnitt bezogene Biegenennspannung.
Für die Bemessung von Biegestäben kann man die noch unbekannten Einflüsse
von Kerbwirkung, Größe usw. wieder in einer Sicherheitszahl S∗ zusammenfassen.

ok βk SD
S∗ = .
b0

0, 8
Größenfaktor b0

0, 6

Abb. 4.37 Größenfaktor 0, 4


b0 in Abhängigkeit vom 20 40 60 80 100 120
Durchmesser Wellendurchmesser in mm
128 4 Biegebeanspruchung gerader Balken

Diese kann 5 bis 8 betragen.

4.4.4 Anwendung auf Biegebeanspruchung

Beispiel 4.22 (Sicherheit gegen Dauerbruch).


Für die Welle aus E360 (ηk = 0, 65) in Beispiel 4.19 ist die Sicherheit gegen Dauer-
bruch bei wechselnder Biegebeanspruchung an den beiden Durchmesserübergängen
dN auf d1 und d2 auf dZ nachzuweisen (Übergangsradien ρ1 = 5 mm und ρ2 =
2 mm poliert).
Lösung 4.22
Aus der Tabelle 4 in [22] (Anhang E 1) für die Formzahlen abgesetzter Wellen bei Biegung errech-
net man am Übergang von dN auf d1 mit

t1 dN − d1 (130 − 112) mm a1 d1 112 mm


= = = 1, 8, = = = 11, 2
ρ1 2ρ1 2 · 5 mm ρ1 2ρ1 2 · 5 mm
die Formzahl αk = 2, 1. Gleichung (3.16) ergibt die Kerbwirkungszahl

βk = 1 + (αk − 1)ηk = 1 + 1, 1 · 0, 65 = 1, 715 .

Mit dem Größenfaktor b0 = 0, 6 (Abb. 4.37), der Wechselfestigkeit σbW = 320 N/mm2 für E360
und der auf den Durchmesser d1 bezogenen Nennspannung σbn = σzul = 59 N/mm2 ist die Si-
cherheit nach Gl. (4.60)

b0 σbW 0, 6 · 320 N/mm2


SD = = = 1, 9 .
ok βk σn 1 · 1, 715 · 59 N/mm2

Am Übergang von Durchmesser d2 auf dZ erhält man auf die gleiche Weise mit t2 /ρ2 = 3, 75 und
a2 /ρ2 = 16, 25 die Formzahl αk = 2, 45, das entspricht der Kerbwirkungszahl βk = 1, 94. Mit
dem Größenfaktor b0 = 0, 65 ist die Sicherheit SD = 1, 82. Rechnet man am Nabensitz (Erhöhung
von 120 mm rechnerischem Durchmesser auf 130 mm) mit der geschätzten Kerbwirkungszahl
βk ≈ 2, 5 für Längsnut, ist

Mb max 1 · 107 Nmm


σb = = = 46,3 N/mm2
Wb 216 · 103 mm3
und
320 N/mm2 · 0, 6
SD = = 1, 66 .
2, 5 · 46,3 N/mm2
Da SD mindestens 1,5 sein soll, ist die Welle somit ausreichend bemessen.

Beispiel 4.23 (Sicherheit gegen Dauerbruch).


Eine umlaufende glatte Maschinenwelle(∅10 mm) aus E335 (ηk = 0, 6) ist an bei-
den freien Enden im Abstand 100 mm von den Lagern durch je eine Gewichtskraft
belastet (Abb. 4.38). Wie groß ist die zulässige Gewichtskraft, wenn zweifache Si-
cherheit gegen Dauerbruch vorgeschrieben ist? Auf welchen Wert muss die Kraft
verringert werden, wenn die Welle in der Mitte zwischen beiden Lagern eine Quer-
bohrung d = 3 mm erhält (Abb. 4.38 b)?
4.4 Zulässige Spannung und Sicherheit bei Biegung 129

Lösung 4.23
Das Biegemoment zwischen den Lagern ist konstant und beträgt Mb = FG a. Die erste Gl. (4.38)
ergibt
FGzul = Mb zul /a = Wb σzul /a .
Da die Welle wechselnd auf Biegung beansprucht ist, benötigt man die Biegewechselfestigkeit.
Einem Schaubild für E360 [22] entnimmt man σbW = 280 N/mm2 . Mit b0 = ok = βk = 1 ergibt
die zweite Gl. (4.60) die zulässige Spannung

280 N/mm2
σzul = = 140 N/mm2 .
2
Das Widerstandsmoment für Kreisquerschnitt ist Wb = πd3 /32 = 98,2 mm3 . Somit ist

98,2 mm3 · 140 N/mm2


FGzul = = 137,5 N .
100 mm
Mit einer Querbohrung in der Welle ist die in Abb. 4.38 b) eingezeichnete y-Achse als Nulllinie
für die Berechnung des Widerstandsmoments maßgebend. Wenn das Verhältnis d/D < 0, 5 ist,
ergibt sich das kleinste Wiederstandsmoment näherungsweise aus
 
π 3 1 1 π 4 d
Wb min = D − dD2 = D3 − = 48,1 mm3 .
32 6 8 4 3D

Diese Rechnung ist zulässig, wenn die Bohrung in der Mitte der Welle liegt. Für das Bohrungs-
verhältnis d/D = 0, 3 entnimmt man die Formzahl αk = 1, 9 [45], die Kerbwirkungszahl aus
Gl. (3.17) beträgt dann βk = 1, 54. Nunmehr ist

σbW 280 N/mm2


σzul = = = 90,9 N/mm2
ok βk SD 1 · 1, 54 · 2
und
48,1 mm3 · 90,9 N/mm2
FGzul = = 43,7 N .
100 mm
Die Gewichtskraft muss demnach also von 137,5 N auf etwa 44 N verringert werden, wenn eine
Querbohrung vorhanden ist.

Beispiel 4.24 (Zweifach gelagerte Welle).


Die umlaufende zweifach gelagerte Welle (Abb. 4.39) ist durch die Gewichtskraft
FG am freien Ende wechselnd auf Biegung beansprucht. Bei welchem Längen-

a) a a b)
l
∅3 d
∅10

FG FG y
z
D

Abb. 4.38 Umlaufende Welle


a) Gewichtsbelastung an den Enden
b) Längs- und Querschnitt durch die Welle mit Querbohrung
130 4 Biegebeanspruchung gerader Balken

Abb. 4.39 Umlaufende Welle a) l l1


a) Geometrie und Belastung FG

d
b) Biegemomentenverlauf A C

B D a

b)

FG (a − l1 )
FG a
x
Mb (x)

verhältnis l1 /a ist die wirksame Spannung im Querschnitt CD gleich groß wie die
Spannung im Querschnitt AB?
Lösung 4.24
Setzt man in beiden Querschnitten gleichen Oberflächenbehandlungszustand voraus und ver-
nachlässigt den Einfluss des Lagersitzes im Querschnitt AB, dann ergibt sich aus der gestellten
Bedingung der Ansatz
σb(AB) = βk σb(CD) .
Dem Abb. 4.39 b) entnimmt man die Biegemomente

Mb(AB) = −FG a, Mb(CD) = −FG (a − l1 ) .

Somit ist mit σb = Mb /Wb

FG a 32 FG (a − l1 )32
= βk
πD3 πd3
und
1 d3
a − l1 = a.
βk D3
Das gesuchte Längenverhältnis ergibt sich daraus zu
 3
l1 1 d
= 1− .
a βk D

Beispiel 4.25 (Umlaufende Achse).


Auf die höchstbeanspruchte Seite der umlaufenden Achse eines Schienenfahrzeuges
wirken in der Kurvenfahrt die folgenden dynamischen Kräfte: Achskraft F = 50 kN,
Radkraft Fq = 60 kN und Seitenkraft Fh = 25 kN (Abb. 4.40 a).
Die Durchmesser d1 und d2 sind zu bemessen und die Sicherheiten zu berechnen
(Stahl 34 CrMo 4V 800 . . .950 N/mm2 mit σbW = 400 N/mm2 , ηk = 0, 75).
Lösung 4.25
Mit der geschätzten Sicherheit S∗ = 5 ist σzul = 80 N/mm2 . Die Berechnungsquerschnitte sind
AB und CD. Für den Querschnitt AB ergibt die zweite Gl. (4.38) und Abb. 4.40 b)
4.4 Zulässige Spannung und Sicherheit bei Biegung 131

Mb(A−B) 219 · 105 Nmm


Wb1 = = = 274 · 103 mm3 .
σzul 80 N/mm2

Man wählt den Durchmesser d1 = 140 mm mit Wb1 = 269,4 cm3 . Damit ist σn1 = 81,3 N/mm2 .
Für den Übergang von d1 auf den mit 150 mm angenommenen Bunddurchmesser ist t1 /ρ1 = 0, 5
und a1 /ρ1 = 7, wenn man als Radius ρ1 = 10 mm vorsieht. Dem entspricht die Formzahl
αk = 1, 6 und die Kerbwirkungszahl βk = 1, 45. Nimmt man wenig bearbeitete Oberfläche
(ok = 1, 3) an und wählt b0 = 0, 6 (Abb. 4.37), dann ist nach Gl. (4.60) die Sicherheit bei wech-
selnder Biegebeanspruchung

400 N/mm2 · 0, 6
SD = = 1, 57 .
1, 3 · 1, 45 · 81,3 N/mm2

In Analogie erhält man im Querschnitt CD mit den Zahlenwerten d2 = 90 mm, Wb2 = 71,6 cm3 ,
σn2 = 62,8 N/mm2 , t2 /ρ2 = 5, a2 /ρ2 = 9, αk = 2, 2, βk = 1, 9, ok = 1 (polierter Übergang
mit ρ2 = 5 mm) und b0 = 0, 61 die Sicherheit SD = 2, 04. Die Achse ist in den gefährdeten
Querschnitten ausreichend bemessen, wenn mindestens 1,5fache Sicherheit verlangt wird.

a)

60 200

F
A C

d2
d1

5r
1 000

10r 90 90

B D

Fh

Fq
b)
Mb (x) in Nm

12 500
21 900

4 500

Abb. 4.40 Achse eines Schie-


nenfahrzeuges
10 000

a) Achsenteil mit eingezeich-


neten Kräften
b) Biegemomentenverlauf x
132 4 Biegebeanspruchung gerader Balken

4.5 Aufgaben zu Kapitel 4

4.5.1 Aufgaben zu Abschnitt 4.1

Aufgabe 4.1 (Flächenmomente 2. Ordnung). Man berechne für die folgenden


Flächen die angegebenen Flächenmomente 2. Ordnung:
a) Rechteck mit Breite b = 150 mm < 17 mm >, Höhe h = 230 mm < 42 mm >;
Flächenmomente Iy und Iz (Tabelle 4.1),
b) Kreis mit Durchmesser d = 135 mm < 19,5 mm >; Flächenmomente Ia und IpS ,
c) Kreisring mit Außendurchmesser da = 185 mm < 45 mm >, Innendurchmesser
di = 145 mm < 35 mm >; Flächenmomente Ia und IpS .

Aufgabe 4.2 (Flächenmoment Kreisringstück). Für das in Tabelle 4.1 angegebe-


ne Kreisringstück berechne man die dort aufgeführten Flächenmomente 2. Ord-
nung durch Integration der Definitionsgleichungen (4.6) und (4.8). Wie groß ist das
Flächenmoment für die Halbkreisringfläche (Abb. 4.41)?

Abb. 4.41 Halbkreisring- z


fläche
S η
zS

40 y
60

Aufgabe 4.3 (Flächenmoment Quadrat). Man zeige, dass für ein Quadrat (Tabel-
le 4.1) Ia = Iy = a4 /12 ist.

Aufgabe 4.4 (Abstand des Schwerpunktes). Wie groß sind der Abstand zS des
Schwerpunktes von der unteren Kante und die Flächenmomente Iy und Iz des Quer-
schnitts in Abb. 4.42?

z
60

180

60
480

S y
60
zS

360
Abb. 4.42 I-Querschnitt
4.5 Aufgaben zu Kapitel 4 133

Aufgabe 4.5 (Schwerpunktabstand Träger). Ein Träger ist aus einem Stegblech
und vier ungleichschenkligen Winkelstählen zusammengesetzt. Man berechne den
Schwerpunktabstand zS von der unteren Kante und das Flächenmoment Iy der
Querschnittsfläche (Abb. 4.43). Man vergleiche die Anteile des Flächenmoments

z
*

L100 × 50 × 10
DIN1029
S

240
y

zS
Abb. 4.43 Zusammen-
gesetzter Querschnitt 10

und des Gewichts der Stegfläche mit denen der Gesamtfläche in Prozenten.

Aufgabe 4.6 (Polares Flächenmoment Kreisring). Für eine Kreisringfläche soll


das polare Flächenmoment IpS = 4 760 cm4 betragen. Wie groß sind die Durchmes-
ser des Kreisrings bei di /da = 0, 8 zu wählen?

Aufgabe 4.7 (Gleichgroße Flächenmomente). Ein Träger ist aus vier ungleich-
schenkligen Winkelstählen 200 × 100 × 10 zusammengesetzt (Abb. 4.44). Der Ab-
stand 2a ist so zu bestimmen, dass die Flächenmomente Iy und Iz gleich groß sind.

ey
ez

S y

Abb. 4.44 Komplexer


Trägerquerschnitt 2a

Aufgabe 4.8 (Flächenmomente und Lage der Hauptachsen). Für die in Abb. 4.45
a), b) und c) gezeichneten Flächen berechne man die Flächenmomente Iy , Iz und
Iyz , die Lage der Hauptachsen sowie die Hauptflächenmomente.
134 4 Biegebeanspruchung gerader Balken
a) b) c)
80 z
z z

20

zS
60

60
S

140
150

y y y
S S

20
zS
20 70

30
yS 15
80 100 45

Abb. 4.45 Verschiedene Flächen

4.5.2 Aufgaben zu Abschnitt 4.2

Aufgabe 4.9 (Widerstandsmomente). Für die in Abb. 4.46 gezeichneten Quer-


schnittflächen sind die Widerstandsmomente gegen Biegung zu berechnen, Biege-
achse (Nulllinie) ist die y-Achse. Anleitung: Zunächst die Flächenmomente Iy be-
rechnen.

a) b) c) d)
160
U 200
100
20

120 80 DIN 1 026


60
z1
z1

z1

275
20

y S 20 y S
160
120
180

y y S
z2

S
20

z2

z2

z z
I 200 z
z 60 DIN 1 025 Bl.1

Abb. 4.46 Verschiedene Querschnittflächen

Aufgabe 4.10 (Biegespannungen in einer Welle). Eine Welle wird auf Biegung
beansprucht.
a) Wie groß sind die größten Biegespannungen
1. bei einer Vollwelle mit d = 100 mm,
2. bei Hohlwellen mit da = 100 mm und di = 50 mm bzw. 80 mm bei jeweils
gleichem Biegemoment Mb = 49 · 105 Nmm?
Der Biegespannungsverlauf über der Querschnitthöhe ist darzustellen.
b) Bei welchem Außendurchmesser da werden in Hohlwellen mit gleichem Verhält-
nis di /da wie im Fall 2. die Randbiegespannungen genau so groß wie bei 1.?
c) Man vergleiche die relative Masseersparnis der Hohlwellen gegenüber der Voll-
welle mit der Zunahme der Biegerandspannungen.
4.5 Aufgaben zu Kapitel 4 135

Aufgabe 4.11 (Tragfähigkeitsnachweis). Die Tragfähigkeit Mb zul von Trägern mit


verschiedener Querschnittsform, aber gleicher Querschnittsfläche (d. h. gleichem
Gewicht) ist zu berechnen und miteinander zu vergleichen. Welche Schlüsse las-
sen sich daraus für die konstruktive Gestaltung von Trägern ziehen? Gegeben sind:
A = 4000 mm2 , σzul = 140 N/mm2 , Querschnittsformen a) Quadrat, Kantenlänge
a; b) Rechteck, h/b = 2; c) Kreis, Durchmesser d; d) I-Träger nach DIN 1 025, Bl.
1; e) 2 ungleichschenklinge Winkelstähle nach DIN 1 029, mit den langen Schen-
keln fest verbunden; f) Kreisring, di /da = 0, 8. Die errechneten Maße sind auf ganze
Millimeter zu runden.
Aufgabe 4.12 (Tragfähigkeitsnachweis). Wie groß ist die Tragfähigkeit der in
Abb. 4.47 dargestellten Träger?
Gegeben sind: a) σzul = 12 N/mm2 , b) σzul = 140 N/mm2 .

a) q b) Hohlwelle ∅100/∅75

15
2 500 F

900 4 000
1 800 180

Abb. 4.47 Träger unter verteilter Last


a) Freiträger mit über die halbe Länge gleichmäßig verteilter Last q
b) Hohlwelle mit außermittiger Einzellast

Aufgabe 4.13 (Biegerandspannungen). Ein Träger hat die in Abb. 4.48 gezeich-
nete Querschnittform und wird durch das Biegemoment Mb = 20 kNm belastet.
Die Biegerandspannungen sind zu berechnen, der Verlauf der Biegespannungen ist
maßstäblich über der Trägerhöhe aufzuzeichnen.

80
20 20
20
z1

80

S
y
200
z2

Abb. 4.48 Querschnitt eines


Trägers aus Stegblech und
zwei Winkelstählen z

Aufgabe 4.14 (Biegung einer Welle). Eine Welle aus Stahl mit dem Durchmesser
d = 52 mm ist nach Abb. 4.49 gelagert und belastet. Wie groß sind
136 4 Biegebeanspruchung gerader Balken

900
200

∅52
Abb. 4.49 Welle mit zwei
entgegengesetzt gerichteten
Einzelkräften F = 10 kN an F
200
den Enden

a) die größte Biegespannung,


b) die erforderlichen Abmessungen di und da der als Hohlwelle auszubildenden
Welle bei gleicher Biegerandspannung wie in a); di /da = 0, 7,
c) die relative Gewichtsersparnis gegenüber der Vollwelle?

Aufgabe 4.15 (Biegung einer Rundstange). Eine Rundstange aus Stahl mit dem
Durchmesser d = 20 mm hängt in der Mitte an einem Kran. Bei welcher Länge
l der Stange erreicht die größte Biegespannung in der Stange die Fließgrenze
σbF = 210 N/mm2 des Werkstoffs (Dichte ρ = 7,85 g/cm3 )?

Aufgabe 4.16 (Freiträger). Ein Freiträger ist durch die gleichmäßig verteilte Last
q belastet (Abb. 4.50). Er soll als Träger gleicher Biegbeanspruchung ausgeführt
werden. Welche Form hat der Träger, wenn
a) die Breite des Rechteckquerschnitts,
b) die Höhe des Rechteckquerschnitts
konstant bleibt?

x
Abb. 4.50 Freiträger mit l
gleichmäßig verteilter Last q

Aufgabe 4.17 (Zweifach gestützter Träger). Ein I-Träger 120 DIN 1 025, Bl. 1,
aus S235JR ist zweifach gestützt, Stützweite l = 3 000 mm, und durch q = 20 kN/m
gleichmäßig belastet. Er ist für diese Last zu schwach bemessen und soll oben
und unten durch je zwei angenietete oder geschweißte Laschen 58 mm × 10 mm
verstärkt werden (Abb. 4.51).
a) Wie groß sind die Laschenlängen l1 und l2 zu wählen, damit der Träger der Form
eines Trägers gleicher Biegebeanspruchung angenähert wird?
b) Man stelle den Randspannungsverlauf längs der x-Achse dar.
c) Wie groß ist die größte Biegespannung ohne die Laschen? Was bedeutet dieses
Ergebnis?
4.5 Aufgaben zu Kapitel 4 137

q in kN/m

x
58 × 10 I 120

Abb. 4.51 Träger auf zwei l2


Stützen mit gleichmäßig l1
verteilter Last q sowie l
Verstärkungslaschen

d) Welches I-Profil ist zu wählen, damit ohne Laschen die Biegespannung in der
Mitte nicht größer ist als im Fall a)?
e) Welche Gewichtsersparnis ergibt sich im Fall a) gegenüber d)?

4.5.3 Aufgaben zu Abschnitt 4.3

Aufgabe 4.18 (Gittermast). Ein Gittermast, Höhe 4 300 mm, besteht aus 4 fest
miteinander verbundenen ungleichschenkligen Winkelstählen 100 × 50 × 10 nach
DIN 1 029. Der Einspannquerschnitt am Boden ist in Abb. 4.52 gezeichnet. Zwei
gleiche Zugkräfte der gespannten Drähte wirken an der Spitze des Mastes in den ge-
zeichneten Richtungen. Wie stark dürfen die Drähte gespannt sein, wenn die zulässi-
ge Spannung 25 N/mm2 im Mast nicht überschritten werden darf?

300

S
200

FS z
60◦

Abb. 4.52 Einspannquerschnitt


eines Gittermastes y FS

Aufgabe 4.19 (Freiträger). Ein Freiträger, Länge l = 2 000 mm, aus hochstegigem
T-Stahl 120 nach DIN 1 024 ist am freien Ende durch die um α = 30◦ zur Verti-
kale geneigte Last F = 2 500 N belastet (Abb. 4.53). Lage der Nulllinie und größte
Biegespannung sind zu berechnen.

Aufgabe 4.20 (Belastungsrichtung). In welche Richtung muss ein Träger mit dem
Querschnitt nach Abb. 4.45 a) belastet werden, damit die Nulllinie mit der y-Achse
zusammenfällt und der Träger sich somit in z-Richtung durchbiegt? (In Abschnı́tt
5.6 wird gezeigt, dass bei schiefer Biegung die Durchbiegung senkrecht zur Nullli-
nie erfolgt.)
138 4 Biegebeanspruchung gerader Balken

l
Schnitt A-B
α A
F
F
Abb. 4.53 Freiträger mit
T-Querschnitt und um den y
Winkel α geneigter Einzellast z
F am Ende B

Aufgabe 4.21 (Konsole). Eine Konsole mit Winkelquerschnitt (Abb. 4.54 a), Länge
l = 1 500 mm, ist am freien Ende durch die vertikale Kraft Fz = 12 kN und durch
die horizontale Kraft Fy = 3 kN belastet.

a)
Fz Fz A
Fy
y Fy
z l
B
b) 120 c)
Abb. 4.54 Freiträger mit zwei
Kräften S
S
a) Einzelkräften am freien

30
y y
180

Ende
b) Winkelquerschnitt
c) Querschnitt aus Doppel- z
30
winkel z

a) Man berechne für den Querschnitt (Abb. 4.54 b) die Flächenmomente Iy , Iz und
Iyz , die Lage der Hauptachsen, die Hauptflächenmomente I1 und I2 , die Lage
der Nulllinie sowie die größten Zug- und Druckbiegespannungen. An welchen
Querschnittspunkten treten letztere auf?
b) Zwei Winkelprofile (Abb. 4.54 b) werden zur Konsole (Abb. 4.54 a) fest mitein-
ander verbunden (Abb. 4.54 c) und mit den doppelten Kräften wie oben in y- und
z-Richtung belastet. Wie groß sind nunmehr die größten Zug- und Druckbiege-
spannungen und wo treten sie auf?

4.5.4 Aufgaben zu Abschnitt 4.4

Aufgabe 4.22 (Sicherheit gegen Dauerbruch). Für die in Abb. 4.55 gezeichnete
umlaufende Welle aus Stahl C 60 (σbW = 340 N/mm2 , ηk = 0, 6) mit einer Ril-
lenkerbe (ok = 1, 1) zwischen den Lagern ist die Sicherheit gegen Dauerbruch zu
berechnen, FG = 50 N.
Aufgabe 4.23 (Biegung einer Blattfeder). Eine geschliffene Blattfeder aus einem
Federstahl (σzul = 320 N/mm2 , ηk = 0, 9) mit Rechteckquerschnitt ist am freien
Ende durch die Last F = ±Fa wechselnd auf Biegung beansprucht (Abb. 4.56).
4.5 Aufgaben zu Kapitel 4 139

Abb. 4.55 Umlaufende Welle FG FG


mit Rillenkerbe unter Ge-
X
wichtsbelastung
100 l 100

0, 5r
Einzelheit X

∅10
∅8
a) Die zulässige Last Fa zul ist zu ermitteln.
b) Im Abstand 180 mm vom linken Lager wird zusätzlich eine Querbohrung mit
einem Durchmesser d = 1, 5 mm (αk = 2, 2) angebracht (Abb. 4.56 b). Wie wird
dadurch die Beanspruchung der Feder mit der in a) ermittelten Last beeinflusst?
c) In welchem Abstand vom linken Lager darf die Bohrung höchstens liegen, damit
die wirksame Spannung im gebohrten Querschnitt und die Biegespannung im
rechten Lager gleich groß sind?

180
300 200
Abb. 4.56 Blattfeder a) b)
30 30
5

5
a) Rechteckquerschnitt
b) Querschnitt mit Bohrung ∅1, 5

Aufgabe 4.24 (Gitterträger). Ein Gitterträger (Werkstoff S235JR) auf zwei Stützen
ist aus zwei Profilstählen U 80 nach DIN 1 026 zusammengeschweißt (Abb. 4.57).

Einzelheit A U 80

q
h

y
2 000 A
6 000
10 000
30

Er wird schwellend mit der


gleichmäßig verteilten Last q = (20/3) kN/m über die Länge 6 000 mm belastet. Zu berechnen
sind:
a) der Biegemomentenverlauf längs der Trägerachse,
b) die erforderliche Trägerhöhe h für die zulässige Spannung σzul = 70 N/mm2 und
c) die Sicherheit gegen Dauerbruch, wenn im unteren U-Stahl 30 mm von der Unterkante entfernt
in Trägermitte auf jeder Seite eine Bohrung von 8 mm Durchmesser angebracht wird (βk =
1, 6).

Abb. 4.57 Gitterträger auf zwei Stützen mit gleichmäßig verteilter Last q
140 4 Biegebeanspruchung gerader Balken

4.6 Formelzusammenfassung Kapitel 4

• Flächenmomente 1. Ordnung (statische Flächenmomente)


 
Hz = y dA, Hy = z dA ,

• Koordinaten des Schwerpunktes


 
1 1 1 1
yS = y dA = yi dAi , zS = z dA = zi dAi ,
A A A A
i i

• axiale Flächenmomente 2. Ordnung


 
Iz = y2 dA, Iy = z2 dA ,

• polares Flächenmoment 2. Ordnung


 
Ip0 = r2 dA = (y2 + z2 )dA = Iy + Iz ,

• gemischte Flächenmoment

Iyz = yz dA ,

• Parallelverschiebung der Flächenmomente 2. Ordnung

Iz = Iζ + y2S A, Iy = Iη + z2S A,

Ip0 = IpS + r2S A ,


Iyz = Iηζ + yzA ,
• Drehung der Flächenmomente 2. Ordnung

Iy + Iz Iy − Iz
Iη = + cos 2ϕ − Iyz sin 2ϕ,
2 2
Iy + Iz Iy − Iz
Iζ = − cos 2ϕ + Iyz sin 2ϕ,
2 2
Iy − Iz
Iηζ = sin 2ϕ + Iyz cos2ϕ .
2
• Biegespannung
Mby
σb (z) = z
Iy
Kapitel 5
Durchbiegung gerader Balken - Biegelinie

Ein durch Biegemomente und Querkräfte beanspruchter gerader Balken erfährt


durch die Verlängerung und Verkürzung der einzelnen Fasern beiderseits der neu-
tralen Faser eine Krümmung. Wenn die Querschnittabmessungen klein gegenüber
der Balkenlänge sind, kann die Verformung durch Schubspannungen infolge der
Querkräfte gegenüber der Verformung durch die Biegespannungen vernachlässigt
werden (s. a. Abschnitt 8.6).
Wir berücksichtigen nur die Biegeverformung des Balkens und betrachten da-
bei die Verschiebung der Balkenachse gegenüber dem unbelasteten Zustand. Die
Gestalt, welche die ursprünglich gerade Balkenachse bei der Biegung annimmt, be-
zeichnet man als Biegelinie oder elastische Linie.
Für die Berechnung der elastischen Linie setzen wir zunächst gerade Biegung
voraus, dann ist die Biegelinie eine ebene Kurve.

5.1 Krümmung der Biegelinie

In Abschnitt 4.2.1 wurde der Zusammenhang zwischen dem Krümmungsradius ρ,


der Balkenachse und der Dehnung ε(z) einer Faser im Abstand z von der Nulllinie
gefunden. Aus der zweiten Gl. (4.24) folgt mit ζ = z die Krümmung

1 dx 1 ε(z)
= = . (5.1)
ρ dx z z
Mit Gl. (4.26) erhält man
1 εRand
= . (5.2)
ρ z2
Mit dem H OOKE’schen Gesetz σ = Eε folgt
1 σbRand
= (5.3)
ρ Ez2

141

G. Holzmann et al., Technische Mechanik Festigkeitslehre, DOI 10.1007/978-3-8348-8101-4_5,


© Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
142 5 Durchbiegung gerader Balken - Biegelinie

oder nach Umstellen


σbRand z2
= . (5.4)
E ρ
Bei Balken mit symmetrischem Querschnitt ist z1 = z2 = h/2. Mit σbRand ≡ σb
erhält man
σb h
= . (5.5)
E 2ρ
Satz 5.1 (Biegerandspannung). Die Biegerandspannung in einem Balken verhält
sich zum Elastizitätsmodul seines Werkstoffs wie der Randabstand zum Krümmungs-
radius der Balkenachse.
Mit Hilfe von Gl. (5.5) ist es möglich, den zulässigen Krümmungsradius bzw.
den Rollen- oder Raddurchmesser für die Umlenkung von Seilen, Riemen, Bändern
oder Drähten, die man als dünne Balken auffassen kann, zu ermitteln.
Beispiel 5.1 (Raddurchmesser).
Um welchen Raddurchmesser darf ein Stahlband aus DC04 nach EN 10 130 mit
dem Querschnitt 20 mm × 0,2 mm geschlungen werden, wenn die Biegespannung
ein Drittel der Proportionalitätsgrenze betragen darf?
Lösung 5.1
Mit σP = 600 N/mm2 ist die Biegespannung σb = 200 N/mm2 . Setzt man den Elastizitätsmodul
mit E = 2 · 105 N/mm2 in Rechnung, folgt aus Gl. (5.5) mit h = 0, 2 mm

E 2 · 105 N/mm2
D + h = 2ρ = h= · 0,2 mm = 200 mm, D = 199,8 mm ≈ 200 mm .
σb 2 · 102 N/mm2

Beispiel 5.2 (Randdehnung).


Wie groß ist die Randdehnung in einem weichen Stahldraht mit dem Durchmesser
d = 2 mm, der über eine Rolle mit D = 40 mm Durchmesser gebogen wird?
Lösung 5.2
Aus Gl. (5.2) folgt mit z2 = d/2 und 2ρ = D + d

d 2 mm
εRand = = = 0,047 6 = 4, 8% .
D+d 42 mm

Mit der Fließgrenze σF ≈ 200 N/mm2 für geglühten Stahldraht folgt die rechnerische Fließdeh-
nung εF = σF /E ≈ 1/1 000 = 0, 1%. Der Draht wird beim Biegen um die Rolle stark plastisch
verformt.

5.2 Durchbiegung - Differentialgleichungen der Biegelinie

In Abb. 5.1 ist ein Teilstück der durch das positive Biegemoment gebogenen Balken-
achse dargestellt. Die durch die Krümmung des Balkens hervorgerufene Verschie-
bung aller Punkte der Achse heißt Durchbiegung w. Die Durchbiegung wird nach
unten positiv gezählt. Setzt man die Randbiegespannung aus Gl. (4.29) in Gl. (5.3)
5.2 Durchbiegung - Differentialgleichungen der Biegelinie 143

Abb. 5.1 Teilstück der durch


x
das Biegemoment Mby ge-

ρ
bogenen Achse
α Mby x

w(x)
ds

dw
w(x) dx
Mby

ein, findet man den Zusammenhang zwischen Biegemoment und Krümmung der
Balkenachse
1 Mby (x)
= , (5.6)
ρ EIy
wenn wir den Allgemeinen Fall des mit x veränderlichen Biegemoments berück-
sichtigen. Iy ist das auf die y-Achse des Querschnitts als Nulllinie bezogene
Flächenmoment 2. Ordnung.
Um die Durchbiegung w analytisch ermitteln zu können, müssen wir noch ihren
Zusammenhang mit der Krümmung suchen. Der Neigungswinkel der Tangente an
die Biegelinie ist durch die Beziehung gegeben
dw
tan α = = w . (5.7)
dx
In der Mathematik ist die Krümmung einer ebenen Kurve als die Änderung dα des
Neigungswinkels α bezogen auf die Bogenlänge ds definiert. In dem gewählten Ko-
ordinatensystem (Abb. 5.1) entspricht einem positiven Biegemoment eine Abnahme
des Neigungswinkels α mit fortschreitendem x, also negativem dα. Somit ist auch
die Krümmung negativ
1 dα
=− . (5.8)
ρ ds
Die weitere Umformung dieser Beziehung [11; 22] führt auf die Gleichung

1 w 
=− . (5.9)
ρ (1 + w  2 )3/2

Die Ermittlung der Durchbiegung w(x) über diese allgemeine Beziehung in Verbin-
dung mit Gl. (5.6) führt auf nichtlineare Differentialgleichungen, die im Allgemei-
nen geschlossen nicht lösbar sind.

5.2.1 Differentialgleichung 2. Ordnung

Beschränken wir uns auf die in technischen Balken vorkommenden kleinen Durch-
biegungen und kleinen Neigungswinkel, dann ist w  2  1, und es folgt aus Gl. (5.9)
144 5 Durchbiegung gerader Balken - Biegelinie

1
= −w  . (5.10)
ρ

Die vorstehend getroffene Vernachlässigung ist für Neigungswinkel bis etwa 100
zulässig. Es ist tan 100 = 0,176 3 und tan2 100 = 0,031 1. Der Fehler beträgt also
weniger 5%.
Mit Gl. (5.9) ergibt sich nunmehr aus Gl. (5.10)

d2 w Mby (x)
= w  = − . (5.11)
dx2 EIy

Diese Differentialgleichung der Biegelinie 2. Ordnung ist die Ausgangsgleichung


zur Ermittlung der Durchbiegung. Ist Mby (x) selbst von der Durchbiegung w un-
abhängig, dann kann die Gleichung direkt integriert werden.
Durch einmalige Integration erhält man die Neigung der Tangente an die Biege-
linie mit tan α = w  (x) und damit den Neigungswinkel α, durch zweimalige Inte-
gration die Biegelinie w(x). Die zwei Integrationskonstanten sind aus den kinema-
tischen Randbedingungen (aus der Konstruktion bekannte Werte für w  und w, z.
B. an Lagerstellen) zu bestimmen. Durch Einsetzen bestimmter Werte für x in die
gefundenen Funktionen w  (x) und w(x) kann man Neigungswinkel und Durch-
biegung an jeder gewünschten Stelle ermitteln. Besonders interessieren häufig die
Durchbiegungen an Lastangriffsstellen und die Neigungswinkel an Lagerstellen.
Das Produkt EIy in Gl. (5.11) heißt Biegesteifigkeit. Die Biegeverformungen
sind um so kleiner, je größer der Elastizitätsmodul des Balkenwerkstoffs und das
Flächenmoment 2. Ordnung der Querschnittsfläche, bezogen auf die Nulllinie, sind.
In vielen Fällen ist die Biegesteifigkeit EIy konstant, die Gl. (5.11) schreibt man
dann zweckmäßiger in der Form

EIy w  = −Mby (x) . (5.12)

Ist die Biegesteifigkeit nicht konstant, z. B. bei abgesetzten Wellen mit verschie-
denen Durchmessern, muss die Gl. (5.12) abschnittsweise integriert werden, eben-
falls dann, wenn im Allgemeinen mehr als zwei äußere Kräfte am Balken angreifen
(s. Abschnitt 5.3).
Häufig ist die Vorausschätzung des ungefähren Verlaufs der Biegelinie nützlich.
Dafür ist die Gl. (5.6) geeignet. Mit Mb (x) = 0 ist auch die Krümmung Null, bei
Vorzeichenwechsel des Biegemoments hat die Biegelinie einen Wendepunkt. Wenn
also der Biegemomentenverlauf bekannt ist, kann man die ungefähre Form der Bie-
gelinie mit Nullstellen (in unverschieblichen Lagern) und Wendepunkten angeben.
Aus Gl. (5.6) erkennt man weiter, dass mit Mb = const die Krümmung konstant,
die Biegelinie also ein Kreisbogen ist.
Beispiel 5.3 (Durchbiegung und der Tangentenneigung eines Freiträgers).
Tangentenneigung w  (x) und Durchbiegung w(x) eines Freiträgers mit der Ein-
zellast F am Ende sind durch Integration der Differentialgleichung der Biegelinie
zu ermitteln. Wie groß sind insbesondere Neigungswinkel und Durchbiegung am
freien Ende des Trägers in Beispiel 4.14, Abb. 4.21?
5.2 Durchbiegung - Differentialgleichungen der Biegelinie 145

Lösung 5.3
In die Gl. (5.12) setzen wir Mby = −Fx ein: EIy w  = Fx. Zweimaliges Integrieren ergibt

1 2 1 3
EIy w  = Fx + C1 , EIy w = Fx + C1 x + C2 .
2 6
Im Einspannquerschnitt sind Neigungswinkel und Durchbiegung Null, demnach lauten die Rand-
bedingungen w  (l) = 0 und w(l) = 0. Aus der ersten Randedingung folgt 0 = Fl2 /2 + C1 ,
also
C1 = −Fl2 /2 .
Die zweite Bedingung ergibt 0 = Fl3 /6 + C1 l + C2 , also

C2 = F(l3 /2 − l3 /6) = Fl3 /3 .

Mit diesen Konstanten ist


   
F x2 l2 F x3 l2 x l3
w = − , w= − + .
EIy 2 2 EIy 6 2 3

Für eine zahlenmäßige Auswertung bringt man diese Gleichungen zweckmäßig auf folgende Form:
   
Fl2  x 2 Fl3 1  x 3 3 x
w = −1 , w= − +1 .
2EIy l 3EIy 2 l 2l

Die Maximalwerte am freien Ende des Trägers erhält man mit x = 0 zu

Fl2 Fl3
w  (0) = tan α = − , w(0) = f = .
2EIy 3EIy

Anmerkung 5.1. Bestimmte Beträge der Durchbiegung, z. B. an der Stelle der Last, bezeichnet
man mit dem Buchstaben f.
Mit E = 2,1 · 105 N/mm2 für Stahl und den Zahlenwerten F = 4 kN, l = 1 000 mm sowie
Iy = 283 cm4 folgen

4 000 N · 106 mm2


tan α = − = −0,003 37, α = −0, 1930 ,
2 · 2,1 · 105 N/mm2 · 283 · 104 mm4
4 000 N · 109 mm3
f = = 2,24 mm .
3 · 2,1 · 105 N/mm2 · 283 · 104 mm4

Diese Werte sind außerordentlich klein, die Vernachlässigung von w  2 1 in Gl. (5.9) ist also
zulässig.

Beispiel 5.4 (Durchbiegung und Tangentenneigung eines Balkens).


Tangentenneigung w  (x) und Durchbiegung w(x) eines Balkens auf zwei Stützen
mit gleichmäßig verteilter Last q (Abb. 5.2) sind durch Integration der Differenti-
algleichung der Biegelinie zu ermitteln. Wie groß ist die Tagentenneigung an den

Abb. 5.2 Zweifach gestütz-


A x
ter Träger mit gleichmäßig B
l
verteilter Last q
146 5 Durchbiegung gerader Balken - Biegelinie

Stützen und die Durchbiegung in der Mitte?


Lösung 5.4
Mit der Lagerkraft FA = ql/2 ist das Biegemoment an der Stelle x

ql qx2
Mby (x) = x− .
2 2
Aus Gl. (5.12) ergibt sich nunmehr

ql qx2
EIy w  = − x+ .
2 2
Durch zweimaliges Integrieren erhält man

ql 2 qx3 ql 3 qx4
EIy w  = − x + + C1 , EIy w = − x + + C1 x + C2 .
4 6 12 24
Mit den Randbedingungen w(0) = w(l) = 0 folgt C1 = ql3 /12 − ql3 /24 = ql3 /24 und
C2 = 0. Somit ist
 3   3 
q l lx2 x3 q l x lx3 x4
w = − + , w= − + .
EIy 24 4 6 EIy 24 12 24

Mit x = 0 oder x = l ergibt sich die Tangentenneigung an den Stützen

ql3
w  (0) = −w  (l) = tan α = .
24EIy

Die Durchbiegung in der Mitte ist mit x = l/2

5ql4
w(l/2) = fm = .
384EIy

Ist das Biegemoment Mby keine über die ganze Balkenlänge glatte Funktion,
was meistens der Fall ist, erhalten wir also verschiedene Gleichungen für den Biege-
momentenverlauf, muss die Integration in getrennten Bereichen durchgeführt wer-
den. In jedem Bereich erhält man somit zwei Konstanten. Für den Träger auf zwei
Stützen mit der Einzellast F (Abb. 5.3) wählt man zweckmäßigerweise zwei Abszis-
sen x1 und x2 , die jeweils von den Stützen bis zur Last F gelten. Die Biegemomente
sind dann in den beiden Bereichen

0 < x1 < a : Mb (x1 ) = FA x1 ; 0 < x2 < b : Mb (x2 ) = FB x2

Die Integration der Differentialgleichung (5.12) in beiden Bereichen liefert formal


das gleiche Ergebnis wie in Beispiel 5.3, lediglich die Randbedingungen für die

a b
x1 x2
αA F αB
w1 w2
FA FB
Abb. 5.3 Zweifach gestützter
Träger mit Einzellast F
5.2 Durchbiegung - Differentialgleichungen der Biegelinie 147

Ermittlung der vier Konstanten C1 . . . C4 sind anders zu formulieren, sie lauten

1.w1 (0) = 0, 2.w2 (0) = 0, 3.w1 (a) = w2 (b), 4.w1 (a) = −w2 (b) .

Das Minuszeichen in der Bedingung 4. muss gesetzt werden, weil der Anstieg der
Biegelinie an der Übergangsstelle im x1 -System positiv, im x2 -System negativ ist.
Das Ergebnis ist in Tabelle 5.1 eingetragen, ebenfalls die Ergebnisse aus den Bei-
spielen 5.3 und 5.4. Diese Tabelle enthält für eine Reihe wichtiger Grundbelas-
tungsfälle die notwendigen Angaben über die Neigungswinkel und die Durchbie-
gung. Es wird empfohlen, sich die Gleichungen für w  und w zur Übung selbst
herzuleiten (s. Aufgabe 5.1). Weitere Belastungsfälle sind in der Literatur zu finden.
Für die praktische Berechnung interessieren in vielen Fällen spezielle Werte der
Tangentenneignung an die Biegelinie und der Durchbiegung an bestimmten Stellen
eines Balkens. Bei komplizierten Belastungen, z. B. durch mehrere Kräfte oder Mo-
mente, benutzt man das Überlagerungs- oder Superpositionsgesetz der Mechanik.
Definition 5.1. Die Gesamtformänderung eines Systems ergibt sich als Summe der
Einzelformänderungen von Teilbelastungen des Systems.
Die Werte der Einzelformänderungen (Durchbiegungen und Tangentenneigungen)
entnimmt man Tabelle 5.1 oder entsprechenden Büchern. In Abb. 5.4 wird das Su-
perpositionsgesetz am Beispiel eines Trägers mit zwei Einzellasten gezeigt.
Die Durchbiegung unter der Last F1 ist f1 = f11 + f12 . Der erste Index gibt den
Ort der Durchbiegung an, also an der Stelle der Last (Wirkung), der zweite die Kraft
(oder auch das Moment), welche die Durchbiegung hervorruft, also hier entweder
F1 oder F2 (Ursache). Demnach ist f12 die Durchbiegung an der Stelle 1, verursacht
durch die Last F2 allein. Die Durchbiegung in der Mitte ist dann fm = fm1 + fm2 ,
und die Tangentenneigung in A ist tan αA = tan αA1 + tan αA2 1 .

F1 F2
αA αB
f1 fm f2
FA FB
a1 b1
αA1 F1 αB1

FA1 f11 fm1 f21 FB1


Abb. 5.4 Zweifach gestützter
Träger mit zwei Einzellasten a2 b2
F1 und F2 , Überlagerung der αA2 F2 αB2
Teildurchbiegungen und der
Neigungswinkel FA2 f12 fm2 f22 FB2

1 Es müsste richtig heißen: αA = αA1 + αA2 . Da jedoch nach der getroffenen Voraussetzung
kleiner Durchbiegungen auch die Neigungswinkel klein sind, kann man anstatt der Winkel auch
ihre Tangens addieren. Für die praktische Berechnung ist diese Schreibweise einfacher, sie ist im
folgenden (auch in Kapitel 6) konsequent beibehalten worden.
5 Durchbiegung gerader Balken - Biegelinie

Tabelle 5.1 Durchbiegungen und Neigungswinkel der Tangente an die Biegelinie gerader Träger
Nr. Belastungsfall Gleichung der Biegelinie Durchbiegung Neigung tan α
F l
 
Fl3 3 x 1  x 3 Fl3 Fl2
f
w w= 1− + f= tan α =
3EI 2 l 2 l 3EI 2EI
x α
1
l
Mb Mb l 2  x 2 Mb l 2 Mb l
w w= 1− f= tan α =
2EI l 2EI EI
f x α
2
l/2 F
 
α w f Fl3 x 4  x 2 l Fl3 Fl2
w= 1− ,x  f= tan α =
x 16EI l 3 l 2 48EI 16EI
l
3
l
a        
Fl3  a 2 b 2
b
Fl3 a b 2 x1 l x2 1 l
4 w1 F w2 α2 w1 = 1+ − 1 , f= tan α1 = f 1+
α1 6EI l l l b ab 3EI l l 2a b
f
x2 x1  a  
fmax

x1  
x1max Fl3 b  a 2 x2 l x2 l+b l+b 1 l
w2 = 1+ − 2 , fmax = f tan α2 = f 1+
6EI l l l a ab 3b 3a 2b a
x2  b
(l + b)
x1max = a ,a>b
3a
wenn a < b, dann a ⇔ b
  2  3  2   Fl2 a
l a Fl3 a x1 x 1 Fl a a tan αA =
5 F w1 = 1− f= 1+ 6EI l

w1
6EI l l l 3EI l l

fmax
tan αB = 2 tan αA

w2
αB B
 x1  l  Fl2 a  a
αA
x1 α Fl3 x2
2a 3a x2  x2 2 fmax = √
Fl3 a tan α = 2+3
A x2 w2 = + − 6EI l l

f
6EI l l l l l 9 3EI l
√ x2  a
x1max = l/ 3
148
Tabelle 5.1 Fortsetzung
Nr. Belastungsfall Gleichung der Biegelinie Durchbiegung Neigung tan α
a l 
Fl3 1  x1 3 a  a  x1  
F l/2 a F w1 = − 1+ Fl3  a 2 2a Fl2 a  a
3 l l l l f= 1+ tan α1 = 1+

w2
α2 2EI  

.
 a 2 2a 2EI l 3 l 2EI l l
α1 + 1+ , x1  a
f f l 3 l Fl2 a

fm
x2 Fl3 a
Fl3 a x2  x2  fm = tan α2 =
x1 w2 = 1− , x2  l 8EI l 2EI l
6 2EI l l l
 
l Fl3 x a  a  1  x 2  
l/2 w= 1− − , Fl3  a 2 4a Fl2 a  a
a F a 2EI l l l 3 l f= 1− tan α1 = 1−
w x  a < l/2 2EI l 3 l 2EI l l
F f f  
Fl3 a x  x  1  a 2  
x w w= 1− − , Fl3 a 4  a 2 Fl2 a  a
α1 2EI l l l 3 l fm = 1− tan α2 = 1−2
x α2 8EI l 3 l 2EI l l
7 a  x  l/2

fm
l
 
q ql4 4 x 1  x 4 ql4 ql3
w= 1− + f= tan α =
w 8EI 3 l 3 l 8EI 6EI
f α
x
8
5.2 Durchbiegung - Differentialgleichungen der Biegelinie

l

α q ql4 x  x 2  x 3  5ql4 ql3
9 w
w= 1−2 + fm = tan α =
fm 24EI l l l 384EI 24EI
x l/2

l
l/2 α2 Mb l 2 Mb l
fm = tan α1 =
2 16EI 3EI
Mb Mb l x  x  x
10 α1 w= 1− 2−

w
fm
6EI l l l Mb l2 1
x fmax fmax = √ tan α2 = tan α1
9 3EI 2
√ √
xmax = l( 3 − 1)/ 3
149
150 5 Durchbiegung gerader Balken - Biegelinie

Beispiel 5.5 (Breitflanschträger).


Die Durchbiegung an der Stelle der Last F und in Trägermitte des Breitflansch-
trägers in Beispiel 4.16, Abb. 4.23, sind zu ermitteln. Wie groß ist der Einfluss des
Eigengewichts auf die Durchbiegung in der Mitte?
Lösung 5.5
Mit den in Beispiel 4.16 angegebenen Werten sowie dem E-Modul für Stahl E = 2 · 105 N/mm2
und dem Flächenmoment Iy = 7,223 · 109 mm4 ergibt sich die Durchbiegung unter der Last
(Tabelle 5.1, Fall 4)
    2  2
Fl3  a 2 b 2 3,7 · 105 N · (1,5 · 104 mm)3 6 9
f= = · · = 15,8 mm .
3EIy l l 3 · 2,1 · 105 N/mm2 · 7,223 · 109 mm4 15 15

In Trägermitte ist die Durchbiegung mit x2 = l/2


 
Fl3 b  a 2 x2 l x2
fmF = 1+ − 2
6EIy l l l a ab
 2  
3,7 · 105 N · (1,5 · 104 mm)3 9 6 1 25
= · 3, 5 − = 16,2 mm .
6 · 2,1 · 105 N/mm2 · 7,223 · 109 mm4 15 15 2 24

Die Durchbiegung infolge Eigengewichtes in der Mitte des Trägers findet man (Tabelle 5.1, Fall 9)
aus
5ql4 5 · 3 490 N/m · 15 m · (1,5 · 104 mm)3
fmq = = = 1,52 mm .
384EIy 384 · 2,1 · 105 N/mm2 · 7,223 · 109 mm4
Durch Überlagerung erhält man die Gesamtdurchbiegung in der Mitte

fm = fmF + fmq = 17,7 mm .

Bei einer Stützweite l = 15 m beträgt die Durchbiegung etwa 1, 2/1000 der Länge, das sind
0, 12%. Die zulässige Durchbiegung von Trägern ist im Allgemeinen l/300 bis l/500. Der Anteil
des Eigengewichts an der Gesamtdurchbiegung ist in unserem Beispiel ungefähr 8, 6% (der Anteil
des Eigengewichts an der Biegespannung war ungefähr 6%).

Beispiel 5.6 (Durchbiegung am freien Ende).


Die Durchbiegung am freien Ende des in Abb. 4.47 a) gezeichneten Trägers ist zu
berechnen. Wie groß ist dort der Neigungswinkel?
Lösung 5.6
Die Integration der Differentialgleichung der Biegelinie ist zwar nicht allzu aufwendig (zwei Teil-
bereiche mit vier Konstanten), lässt sich aber vermeiden, indem man das gegebene System in Teil-
systeme aufteilt (Abb. 5.5), für die entsprechende Angaben in Tabelle 5.1 (oder in Taschenbüchern)
enthalten sind. Dies ist insofern berechtigt, als nur die Durchbiegung und Neigung am Ende des
Trägers gesucht sind.
Die Durchbiegung am Ende des Trägers setzt sich aus fünf Anteilen zusammen (Abb. 5.5 b),
die dadurch entstanden sind, dass durch das Freimachen des linken Teils mit der Last q die Schnitt-
größen Mb = ql2 /2 und F = ql auftreten. Deren Anteile müssen berücksichtigt werden. Wir
erhalten
f = fq + fMb + tan αMb l + fF + tan αF l .
Mit den Angaben in Tabelle 5.1, Fall 1, 2 und 8, ist

ql4 ql4 ql3 ql4 ql3 41 ql4


f= + + l+ + l= .
8EI 4EI 2EI 3EI 2EI 24 EI
5.2 Durchbiegung - Differentialgleichungen der Biegelinie 151

Durch Integration der Differentialgleichung erhält man das gleiche Ergebnis; der Leser möge sich
selbst davon überzeugen.
Zur Abschätzung dieses Ergebnisses wollen wir die gleichmäßig verteilte Last als Einzellast
F = ql im Abstand l/2 vom freien Ende wirken lassen (Abb. 5.5 c) und auch damit die Durch-
biegung bestimmen. Die Aufteilung ergibt f = fF + tanαF l/2. Mit den Angaben in Tabelle 5.1
ist
F(3l/2)3 F(3l/2)2 l 40, 5 ql4
f= + · = · .
3EI 2EI 2 24 EI
Der Fehler dieser Abschätzung beträgt nur 1, 22%. Den Neigungswinkel erhält man auf die gleiche
Weise durch Überlagerung (Abb. 5.5 b)

ql3 ql3 ql3 28 ql3


tan α = tan αq + tan αMb + tanαF = + + = · .
6EI 2EI 2EI 24 EI
Das Ersatzsystem zur Abschätzung ergibt

F(3l/2)2 27 ql3
tan α = tan αF = = · .
2EI 24 EI

a) l l

q
f

l
b)

q
ql2
fq Mb =
2
F = ql

l l

fMb
αMb Mb
(tanαMb )l
l l
F
fF
Abb. 5.5 Freiträger (tan αF )l αF
a) mit über die halbe Länge 1 3
gleichmäßig verteilter Last q c) l l
2 2
b) Teilsysteme zur Überlage-
rung der Durchbiegungen und F = ql
Neigungswinkel fF
c) Freiträger nach a) mit (tanαF ) 2l
Ersatzlast F = ql αF
152 5 Durchbiegung gerader Balken - Biegelinie

Der Fehler ist hierbei etwas größer, er beträgt 3, 57%. Mit den Werten aus Aufgabe 4.12 a)
l = 90 cm, q = 600 N/m, I = 18 cm · (4,5 cm)3 /12 = 136,7 cm4 sowie dem E-Modul für
Holz E = 1 · 104 N/mm2 ) erhalten wir

41 · 600 N/m · 0,9 m · (0,9 · 103 mm)3


f= = 49,2 mm
24 · 104 N/mm2 · 136,7 · 104 mm4

und
28 · 600 N/m · 0,9 m · (0,9 · 103 mm)2
tan α = = 0.0373, α = 2, 14◦ .
24 · 104 N/mm2 · 136,7 · 104 mm4
Durch den geringen Fehler bei der einfacheren und schnellen Durchführung der
Abschätzung in dem vorstehenden Beispiel darf man sich nicht verleiten lassen,
immer so zu verfahren. Das folgende Beispiel soll das zeigen.
Beispiel 5.7 (Durchbiegung in der Mitte eines Trägers).
Die Durchbiegung in der Mitte eines Trägers auf zwei Stützen mit gleichmäßig
verteilter Last q ist (Tabelle 5.1, Fall 9)

5 ql4
fm = · .
384 EI
Man ersetze die Streckenlast a) durch eine Einzellast F = ql in der Mitte (Tabelle
5.1, Fall 3), b) durch zwei Einzellasten F = ql/2 im Abstand l/4 von den Stützen
(Tabelle 5.1, Fall 7), berechne die Durchbiegung in Trägermitte und vergleiche die
Ergebnisse.
Lösung 5.7
a) Der Tafel entnimmt man

Fl3 ql4 8 ql4


fm = = = · .
48EI 48EI 384 EI
Der Fehler beträgt hierbei 60%.
b) Mit zwei Einzellasten ist
   
Fl3 a 4  a 2 ql4 1 1 5, 5ql4
fm = · 1− = · 1− =
8EI l 3 l 16EI 4 12 384EI

und der Fehler nur noch 10%.

Besondere Bedeutung besitzt die Ermittlung der Biegeverformung von Maschi-


nenwellen. Mit Rücksicht auf Laufruhe, Schwingungsfreiheit usw. werden diese be-
sonders steif gestaltet, um damit die Verformungen gering zu halten.
Beispiel 5.8 (Durchbiegung, Neigungswinkel).
Durchbiegung und Neigungswinkel der schematisch gezeichneten Welle (Abb. 5.6)
ist an den Lastangriffsstellen C und D zu ermitteln. Der ungefähre Verlauf der Bie-
gelinie ist zu zeichnen. Wie groß ist die maximale Biegespannung?
Lösung 5.8
Die Verformungsrechnung führen wir zunächst allgemein durch, die Zahlenrechnung erfolgt zum
Schluss. Nach dem Schema der Abb. 5.4 nehmen wir die Aufteilung in Einzelbelastungen vor
(Abb. 5.6 b) und entnehmen die entsprechenden Werte der Tabelle 5.1, Fall 4. Die Verhältniswerte
5.2 Durchbiegung - Differentialgleichungen der Biegelinie 153

a) 400
100 34 kN 100

∅60
C D 17 kN
A B

b) a1 b1
F1 = 2F F2 = F
a2 b2
5 1
FA = F FB = F
4 4
a1 F1 b1

α11 f11 f21 α21


w(x)

f12 f22
α12 α22
a2 F2 b2
Abb. 5.6 Welle mit zwei l
entgegengesetzt gerichteten
w(x)
Einzellasten 1
c) MD = − Fl
a) Ansicht, 16
b) freigemachte Welle, Teil- f1 α2 x
systeme zur Überlagerung der α1
W f2
Durchbiegungen und Tangen-
tenneigungen w(x)
c) Biegemomentenverlauf und 5
MC = Fl
Biegelinie M(x) 16

a1 /l = 1/4, b1 /l = 3/4 usw. werden aus der Zeichnung abgelesen. Unter der Last F1 = 2F ist
f1 = f11 + f12 mit den Einzelanteilen
 
F1 l3  a1 2 b1 2 18 Fl3
f11 = = · ,
3EI l l 3 · 162 EI
   
F2 l3 a2 b2 2 a1 l a21 7 Fl3
f12 = w1 (x1 = a1 ) = − · 1+ − =− · .
6EI l l l b2 a2 b2 3 · 16 EI
2

Somit wird
11 Fl3
f1 = f11 + f12 = · .
3 · 16 EI
2

Die Durchbiegung unter F2 ist f2 = f21 + f22 . In gleicher Weise wie oben erhält man mit F2 = F

14 Fl3 9 Fl3 5 Fl3


f21 = · , f22 = − · , f2 = · .
3 · 162 EI 3 · 162 EI 3 · 162 EI
Die Neigung der Tangente an die Biegelinie in C ist tan α1 = tan α11 + tan α12 . Die Einzelanteile
bekommt man durch Differenzieren der Gleichung der Biegelinie und Einsetzen der entsprechen-
den Abszissenwerte
154 5 Durchbiegung gerader Balken - Biegelinie
   
dw1 F1 l2 a1 b1 2 l 3x21
= · 1+ − ,
dx1 6EI l l b1 a1 b1
    
dw1  F1 l2 a1 b1 2
l 3a1 1 Fl2
tan α11 =  = · 1+ − = · .
dx1 a1 6EI l l b1 b1 16 EI

Ebenso ergibt sich


    
dw1  F2 l2 a2 b2 2 l 3a21 0, 5 Fl2
tan α12 =  = − · 1 + − =− · .
dx1 a1 6EI l l b2 a2 b2 16 EI

Somit ist die Tangentenneigung


0, 5 Fl2
tan α1 = · .
16 EI
Die gleiche Rechnung ergibt

0, 5 Fl2
tan α2 = tan α21 + tan α22 = − · .
16 EI
Die Beträge der Neigungswinkel in C und D sind demnach gleich groß. Zum Vergleich sind auch
die Neigungswinkel in den Lagern ausgerechnet, sie betragen (Tabelle 5.1, Fall 4)

1, 125 Fl2 0, 375 Fl2


tan αA = · , tan αB = − · .
16 EI 16 EI
Mit den Zahlenwerten (Abb. 5.6 a) findet man

d4 π
I = Ia = π = · (60 mm)4 = 63,6 · 104 mm4
64 64

sowie mit dem Elastizitätsmodul E = 2,1 · 105 N/mm2

Fl3 17 000 N · (4 · 102 mm)3 Fl2 8,14 mm


= = 8,14 mm, = = 0.0203 .
EI 2,1 · 105 N/mm2 · 63,6 · 104 mm4 EI 400 mm

Die Durchbiegungen ergeben sich dann in C

11
f1 = · 8,14 mm = 0,117 mm,
3 · 162
in D
5
f2 = · 8,14 mm = 0,053 mm .
3 · 162
und die Neigungswinkel an den gleichen Stellen

0, 5
tan α1 = tan α2 = · 0, 0203 = 0, 000669, α1 = 0, 036◦ .
16
Diese Werte sind außerordentlich klein und entsprechen den bei Getriebewellen üblichen. In
Abb. 5.6 c) sind Biegemomentenverlauf und Biegelinie gezeichnet. Bei positivem Biegemoment
ist die Biegelinie nach unten konvex, bei negativem nach unten konkav gekrümmt. Im Schnittpunkt
der Momentenfunktion mit der Abszissenachse Mb (x) = 0 hat die Biegelinie ihren Wendepunkt
W. Das größte Biegemoment ist

5
Mb max = Fl = 2 125 Nm,
16
5.2 Durchbiegung - Differentialgleichungen der Biegelinie 155

das Widerstandsmoment des Kreisquerschnitts mit d = 60 mm ist


π 3
Wb = d = 21,2 · 103 mm3 .
32

Somit erhält man die maximale Biegespannung σb max = Mb max /Wb = 100 N/mm2 .

5.2.2 Differentialgleichung 4. Ordnung

Die Analyse der Biegelinie mit Hilfe der Gl. (5.11) setzt grundsätzlich voraus, dass
der Momentenverlauf Mby (x) bekannt ist. Die Lösung der Differentialgleichung
enthält zwei Integrationskonstanten, die ausschließlich mit kinematischen Randbe-
dingungen befriedigt werden können. In der Praxis treten jedoch Fälle auf, die diese
Vorgehensweise nicht zulassen. Daher soll hier ein alternatives Konzept vorgestellt
werden.
Unter Berücksichtigung der aus [17] (Abschnitt 9.2) bekannte Beziehungen zwi-
schen den Schnittgrößen Biegemoment und Querkraft sowie Querkraft und äußerer
Linienlast gilt
dMby dFqz
= Fqz , = −qz (x) . (5.13)
dx dx
Da sowohl Gl. (5.11) als auch die Beziehungen (5.13) linear sind, kann unter der
Voraussetzung der Differenzierbarkeit zunächst
 
d d2 w dMby
EIy 2 = − = −Fqz
dx dx dx

sowie danach  
d2 d2 w d2 Mby dFqz
EIy 2 = − =− = qz (5.14)
dx2 dx dx 2 dx
ausgerechnet werden. Dies ist eine andere Form der Differentialgleichung zur Er-
mittlung der Biegelinie. Ist noch EIy = const., vereinfacht sich Gl. (5.14) wie folgt

EIy w  = qz . (5.15)

Mit dieser Differentialgleichung der Biegelinie 4. Ordnung kann man jetzt die
Durchbiegungen ermitteln, ohne zunächst den Momentenverlauf mit den Methoden
der Statik zu bestimmen. Daneben kann man jetzt auch dynamische Randbedingun-
gen für die Querkraft und das Biegemoment befriedigen.
Integriert man zunächst Gl. (5.15) einmal, folgt

EIy w  = qz dx + C1 . (5.16)

Dabei stellt C1 eine Integrationskonstante dar. Weitere Integrationen führen auf


156 5 Durchbiegung gerader Balken - Biegelinie

EIy w  = qz dx dx + C1x + C2, (5.17)


x2
EIy w  = qz dx dx dx + C1 + C2 x + C3 (5.18)
2
und 
x3 x2
EIy w = qz dx dx dx dx + C1 + C2 + C3 x + C4 . (5.19)
6 2
Die Größen C2 , C3 und C4 sind gleichfalls Integrationskonstanten. Die Ermittlung
der Integrationskonstanten C1 , . . . , C4 wird exemplarisch in den nachfolgenden Bei-
spielen gezeigt.
Beispiel 5.9 (Biegelinie eines Trägers).
Das Beispiel 5.4 ist mit Hilfe der Differentialgleichung 4. Ordnung für die Biege-
linie zu lösen.
Lösung 5.9
Für den auf Abb. 5.2 dargestellten Träger gilt qz = q0 = const. Damit ist entsprechend Gl. (5.15)
die nachfolgende Differentialgleichung zu lösen

EIy w  = q0 .

Viermalige Integration liefert

EIy w  = q0 x + C1 ,
x2
EIy w  = q0 + C1 x + C2 ,
2
x3 x2
EIy w  = q0 + C1 + C2 x + C3 ,
6 2
x4 x3 x2
EIy w = q0 + C1 + C2 + C3 x + C4 .
24 6 2
Die Integrationskonstanten C1 , . . ., C4 sind aus den Randbedingungen

w(0) = w(l) = 0, Mby (0) = Mby (l) = 0

zu bestimmen. Unter Beachtung des Zusammenhanges zwischen Biegemoment und Durchbiegung


entsprechend Gl. (5.12) folgt

0 0 0
0 = q0 + C1 + C2 + C3 · 0 + C4 ,
24 6 2
l4 l3 l2
0 = q0 + C1 + C2 + C3 l + C4 ,
24 6 2
0
0 = q0 + C1 · 0 + C2 .
2
l2
0 = q0 + C1 l + C2 .
2
Die Integrationskonstanten lauten damit

l l3
C1 = −q0 , C2 = 0, C3 = q0 , C4 = 0 .
2 24
5.2 Durchbiegung - Differentialgleichungen der Biegelinie 157

Damit erhält man für die Biegelinie


 
q0 x4 lx3 l3 x
w= − + .
EIy 24 12 24

Diese Lösung stimmt vollständig mit der Lösung des Beispiels 5.4 überein. Für eine numerische
Auswertung bietet sich die folgende Darstellung an

w̃ = x̃4 − 2x̃3 + x̃

mit der dimensionslosen Durchbiegung w̃ = 24EIy /q0 l4 in Abhängigkeit von der dimensions-
losen Koordinaten x̃ = x/l.

Beispiel 5.10 (Biegelinie eines Kragträgers).


Für den in Tabelle 5.1 in der ersten Zeile behandelten Lastfall soll die Biegelinie
mit Hilfe der Differentialgleichung 4. Ordnung ermittelt werden. Zusätzlich ist die
maximale Durchbiegung und Tangentenneigung auszurechnen. Die Diagramme für
die Durchbiegung, die Tangentenneigung, das Biegemoment sowie die Querkraft
sind grafisch darzustellen.
Lösung 5.10
Mit q(x) = 0 folgen aus Gl. (5.15) die Integrale

EIy w  = C1 ,
EIy w  = C1 x + C2 ,
x2
EIy w  = C1 + C2 x + C3 ,
2
x3 x2
EIy w = C1 + C2 + C3 x + C4 .
6 2
Legt man das Koordinatensystem von links nach rechts, sind drei Randbedingungen einfach zu
formulieren (homogene Randbedingungen)

Mby (0) = −EIy w  (0) = 0, w(l) = 0, w  (l) = 0 .

Die 4. Randbedingung ist eine inhomogene Randbedingung, da am linken Rank x = 0 die Quer-
kraft vorgegeben ist
Fqz (0) = −EIy w  (0) = −F .
Die Auswertung der Randbedingungen führt auf das Gleichungssystem

C1 · 0 + C2 = 0,
l3 l2
C1 + C2 + C3 l + C4 = 0,
6 2
l2
C1 + C2 l + C3 = 0,
2
C1 = F

mit der Lösung


l2 l3
C1 = F, C2 = 0, C3 = −F , C4 = F .
2 3
Damit folgt die Durchbiegung zu
158 5 Durchbiegung gerader Balken - Biegelinie
 
Fl3 3x x3
w= 1− + 3 ,
3EIy 2l 2l

wobei eine ähnliche Darstellungsform wie in Tabelle 5.1 gewählt wurde, und die Tangentenneigung
zu  
Fl2 x2
w = −1 + 2 .
2EIy l
Die Maxima werden entsprechend den Regeln zur Ermittlung von Extremwerten von Funktionen
einer Variablen bestimmt [11]. Das Extremum der Durchbiegung wird wie folgt ermittelt. Die
Lage kann zunächst aus der gleich Null gesetzten ersten Ableitung bestimmt werden, die Art des
Extremums erhält man nach Einsetzen der Koordinaten des Extremums in die zweite Ableitung.
Die erste Ableitung der Durchbiegung lautet

x2
− 1 = 0,
l2
und man erhält als Lösung
x1,2 = ±l .
Die Lösung x2 = −l muss nicht weiter verfolgt werden, da sie einen Punkt beschreibt, der außer-
halb des Balkens liegt. Mit der zweiten Ableitung an der Stelle x1 = l

Fl
w  (x = x1 ) = w  (l) = >0
EIy

kann man schlussfolgern, dass die erste Lösung einem Minimum entspricht. Dies ist nicht verwun-
derlich, da an der Stelle der Einspannung die maximale Durchbiegung nicht auftreten darf. Bei der
Frage nach dem Maximum muss jetzt noch einbezogen, dass dieses auf einem abgeschlossenen
Interval (der Balken geht von x = 0 bis x = l) zu ermitteln ist. Damit muss untersucht werden,
ob das Maximum möglicherweise an den Intervallgrenzen liegt. Die Grenze x = l war bereits
abgeprüft worden, für x = 0 erhält man dann tatsächlich das Maximum der Durchbiegung

Fl3
wmax = .
3EIy

Dieser Wert wird durch die Angaben in Zeile 1 der Tabelle 5.1 bestätigt. Das Maximum der Tan-
gentenneigung kann analog ermittelt werden. Es gilt zunächst für die erste Ableitung der Tangen-
tenneigung
Fl x
w  = = 0.
EIy l
Die Lösung ist somit x = 0. Die zweite Ableitung der Tangentenneigung ist unabhängig von x
und positiv. Damit ist an der Stelle x = 0 das Minimum der Tangentenneigung. Die Ergebnisse
dieser Aufgabe sind nochmals auf Abb. 5.7 zusammengefasst.

Beispiel 5.11 (Kragträger).


Für den auf Abb. 5.8 dargestellten Kragträger ist die Biegelinie mit Hilfe der Diffe-
rentialgleichung 4. Ordnung zu ermitteln.
Lösung 5.11
Das zu behandelnde Problem ist ein Zweifeld-Problem, wobei im ersten Feld keine Linienlast in
Querrichtung wirkt, im zweiten Feld ist die Linienlast konstant. Damit lauten Differentialgleichun-
gen und die dazugehörigen Integrale für die Felder:
5.2 Durchbiegung - Differentialgleichungen der Biegelinie 159

Abb. 5.7 Verläufe der Quer- 0


Fq
kraft, des Biegemoments, der
Tangentenneigung und der
−F
Durchbiegung für das Bei-
−Fx
spiel 5.10 Mb

0
0
w


Fl2

w

0 2EI

Fl3
3EI
0 l

– 0xl
EIy w1 = 0,
EIy w1 = C1 ,
EIy w1 = C1 x + C2 ,
x2
EIy w1 = C1 + C2 x + C3 ,
2
x3 x2
EIy w1 = C1 + C2 + C3 x + C4 .
6 2
– l  x  2l
EIy w2 = q0 ,
EIy w2 = q0 x + C5 ,
x2
EIy w2 = q0 + C5 x + C6 ,
2
x 3 x2
EIy w2 = q0 + C5 + C6 x + C7 ,
6 2
x 4 x 3 x2
EIy w2 = q0 + C5 + C6 + C7 x + C8 .
24 6 2
Die 8 Integrationskonstanten C1 , . . ., C8 lassen sich aus den Rand- und Übergangsbedingungen
bestimmen. Die Randbedingungen lauten:
– an der Einspannstelle x = 0 sind Durchbiegung und Neigung gleich Null

q = q0

l x
l
Abb. 5.8 Kragträger
160 5 Durchbiegung gerader Balken - Biegelinie

x=0: w1 (0) = 0, w1 (0) = 0;

– am freien Ende sind Biegemoment und Querkraft gleich Null

x = 2l : Mby (2l) = 0 bzw. w1 (2l) = 0, Fqz (2l) = 0 bzw. w2 (2l) = 0 .

Das führt auf die Gleichungen

EIy w1 (0) = 0 = C1 · 0 + C2 · 0 + C3 · 0 + C4 ⇒ C4 = 0,
EIy w1 (0) = 0 = C1 · 0 + C2 · 0 + C3 ⇒ C3 = 0,
EIy w2 (2l) = 0 = 2q0 l + C5 ⇒ C5 = −2q0 l,
(2l)2
EIy w2 (2l) = 0 = q0 + (−2q0 l)2l + C6 ⇒ C6 = 2q0 l2 .
2
Diese vier Randbedingungen genügen jedoch nicht zur Bestimmung der acht Integrationskonstan-
ten aus, so dass noch 4 Bedingungen für die Übergangsstelle x = l zwischen den Feldern formu-
liert werden müssen. Da an dieser Stelle keine Einzelkräfte bzw. Einzelmomente gegeben sind, sind
die Übergangsbedingungen einfach zu definieren: die Durchbiegungen, die Tangentenneigung, das
Biegemoment und die Querkraft müssen für das linke und das rechte Feld im Punkt x = l zusam-
menfallen. Die mathematische Formulierung lautet

EIy w1 (l) = EIy w2 (l) ⇒ C1 = q0 l − 2q0 l ⇒ C1 = −q0 l,


l2 3
EIy w1 (l) = EIy w2 (l) ⇒ −q0 l2 + C2 = q0 − 2q0 l2 + 2q0 l2 ⇒ C2 = q0 l2 ,
2 2
EIy w1 (l) = EIy w2 (l)
l2 3 l3 l2 1
⇒ (−q0 l) + q0 l2 · l = q0 − 2q0 l + 2q0 l2 · l + C7 ⇒ C7 = − q0 l3 ,
2 2 6 2 6
EIy w1 (l) = EIy w2 (l)
l3 3 l2 l4 l3 l2 1
⇒ (−q0 l) + q0 l2 = q0 + (−2q0 l) + 2q0 l2 − q0 l3 · l + C8
6 2 2 24 6 2 6
1
⇒ C8 = q0 l4 .
24
Damit ist die Biegelinie wie folgt definiert
⎧  
⎪ q0 l4 2x3 9x2

⎨ 12 − 3 + 2 für 0  x  l,
l l
EIy w(x) =  4 


4 3 2
⎩ q0 l x 8x
− 3 + 2 −
24x 4x
+ 1 für l  x  2l .
24 l4 l l l

Die Korrektheit der Lösung lässt sich aus einfachen Testrechnungen überprüfen. Z. B. kann man
ohne Schwierigkeiten aus der Statik die Lagerreaktionen in der Einspannung mit 3q0 l2 /2 für das
Moment bzw. mit q0 l2 für die Querkraft ermitteln. Diese Werte erhält man auch, wenn man in die
zweite bzw. dritte Ableitung der Bieglinie für das linke Feld x = 0 setzt. Am rechten Rand wirken
weder Einzelmoment noch Einzelkraft. Bildet man die zweite und die dritte Ableitung von w(x)
für das rechte Feld, wird diese Aussage für x = 2l bestätigt. Die maximale Durchbiegung ergibt
sich für x = 2l aus der Biegelinie. Der Wert für die maximale Durchbiegung ist folglich

41q0 l4
wmax = w(2l) = .
24EIy
5.3 Formänderungsarbeit bei der Biegung - Biegefedern 161

5.3 Formänderungsarbeit bei der Biegung - Biegefedern

In Abschnitt 2.2.2 hatten wir die Formänderungsarbeit eines elastisch beanspruch-


ten Körpers bei gleichmäßiger Spannungsverteilung kennengelernt, s. Gln. (2.18)
und (2.19). Die spezifische Formänderungsarbeit in einem Balken dW = σ2b /2E
(mit der Biegespannung σb ) ist wegen der ungleichmäßigen Spannungsverteilung
eine Funktion der Balkenkoordinaten. In einem Volumenelement dV = dx dy dz ist
dann die Formänderungsarbeit

σ2b
dW = ΔW dV = dV .
2E
Die Gesamtarbeit erhält man durch Integration über das Volumen eines Balkens
  2
σb
W = dW = dV .
2E
Setzen wir wieder gerade Biegung voraus und wählen die Spur der Lastebene als
z-Achse, dann ist bei veränderlichem Querschnitt nach Gl. (4.39)

Mb (x)
σb = z,
Iy (x)

und es folgt
l  
1 M2b (x) 2
W= z dy dz dx .
2 EI2y (x)
0

Es kann zuerst über y und z integriert werden. Die Faktoren, die nur von x abhängen,
können dabei als Konstante angesehen und vor das innere Integralzeichen gezogen
werden. Mit dem Flächenelement dy dz = dA erhält man

l  
1 M2b (x)
W= z2 dA dx .
2 EI2y (x)
0

Nach der zweiten Gl. (4.6) ist das Integral in der Klammer gleich dem axialen
Flächenmoment Iy (x) des Querschnitts. Somit erhalten wir

l
1 M2b (x)
W= dx . (5.20)
2 EIy (x)
0

Bei einem Balken mit konstantem Querschnitt und gleichem Material ist die Biege-
steifigkeit EIy konstant. Dann ergibt sich die Formänderungsarbeit
162 5 Durchbiegung gerader Balken - Biegelinie

l
1
W= M2b (x)dx . (5.21)
2EIy
0

Sie ist unter diesen Voraussetzungen demnach nur vom Biegemomentenverlauf und
somit von der Belastung und der Lagerung des Balkens abhängig.
Nach dem Energiesatz ist die im Balken gespeicherte Formänderungsarbeit
gleich der Arbeit der äußeren Kräfte. Somit kann man mit W = 0, 5Ff die durch
eine Last F hervorgerufene Durchbiegung f in Richtung dieser Last berechnen.
Beispiel 5.12 (Formänderungsarbeit, Durchbiegung).
Die Formänderungsarbeit und die Durchbiegung am freien Ende des Freiträgers (Ta-
belle 5.1, Fall 1) sind zu berechnen.
Lösung 5.12
Mit dem Biegemoment Mb (x) = −Fx ergibt Gl. (5.21)

l
1 F2 l3
W= F2 x2 dx = .
2EI 2EI 3
0

Aus dem Energiesatz erhält man die Durchbiegung

2W Fl3
f= = .
F 3EI
Beispiel 5.13 (Eingespannter Träger).
Der einseitig eingespannte Träger (Abb. 5.9) besteht aus einem Teil 1 mit Kreis-
querschnitt und einem Teil 2 mit quadratischem Querschnitt. Über die Formände-
rungsarbeit berechne man die größte Durchbiegung. Gegeben sind F = 1 200 N,
l = 1 000 mm, a = 400 mm, d = 40 mm, b = 50 mm, E = 2,1 · 105 N/mm2 .
Lösung 5.13
Da das Flächenmoment I nicht konstant ist, muss man die Formänderungsarbeit für die beiden
Teilbereiche 1 und 2 getrennt berechnen. Gleichung (5.20) ergibt
⎛a ⎞
 l
1 ⎝ M2b (x) M2b (x) ⎠
W= dx + dx .
2 EI(1) EI(2)
0 a

Aus Mb = −Fx ist

F 2
x 1
d

b

Abb. 5.9 Träger mit Kreis- a


querschnitt (1) und quadrati- l
schem Querschnitt (2)
5.3 Formänderungsarbeit bei der Biegung - Biegefedern 163

Abb. 5.10 Träger auf zwei x1 x2 F


Stützen mit überkragendem
freien Ende B
A
l a

a l
F2 F2 F2 F2
W= x dx +
2
x2 dx = a3 + (l3 − a3 ) .
2EI(1) 2EI(2) 6EI(1) 6EI(2)
0 a

Mit W = Ff/2 erhält man die Durchbiegung am Ende des Trägers


 
F a3 l3 − a3
f= + .
3E I(1) I(2)

Mit I(1) = πd4 /64 = 12,57 · 104 mm4 und I(2) = b4 /12 = 52,1 · 104 mm4 ergibt sich
 
1 200 N (400 mm)3 (1 000 mm)3 − (400 mm)3
f= + = 4,39 mm .
3 · 2,1 · 105 N/mm2 12,57 · 10 mm
4 4 52,1 · 104 mm4

Beispiel 5.14 (Formänderungsarbeit, Durchbiegung).


Für den in Tabelle 5.1, Fall 5, angegebenen Träger ermittle man die Formänderungs-
arbeit und die Durchbiegung f an der Lastangriffsstelle.
Lösung 5.14
Abweichend von der in der Tabelle angegebenen Richtung wählt man zweckmäßig die Koordinate
x2 von rechts (Abb. 5.10). Wegen des verschiedenen Momentverlaufs in beiden Bereichen muss
die Rechnung in diesen getrennt durchgeführt werden. Es ist

Mb (x1 ) = −FA x1 = −F(a/l)x1 für 0  x1  l,


Mb (x2 ) = −Fx2 für 0  x2  a .

Für die Formänderungsarbeit erhält man


⎡ ⎤
l a
F2 ⎣ a 2 2 F2 F2 a2 (l + a)
W= x1 dx1 + x2 dx2 ⎦ =
2
(a2 l + a3 ) = .
2EI l 6EI 6EI
0 0

Ferner ist die Durchbiegung

2W Fa2 (l + a) Fl3  a 2  a
f= = = 1+ .
F 3EI 3EI l l
Biegestäbe finden häufig als Federn Verwendung, z. B. Blattfedern. Dabei ist
ihre Federkonstante c = F/f, wenn F die biegende Kraft und f die Durchbiegung
an der Lastangriffsstelle in Richtung dieser Kraft bedeutet. Bei einer eingespannten
Blattfeder mit einer Einzellast F am Ende (Freiträger) ist dann die Federkonstante

3EI
c= .
l3
164 5 Durchbiegung gerader Balken - Biegelinie

Sie ist wie beim Zugstab, s. Gl. (2.14), dem Elastizitätsmodul sowie hier dem
Verhältnis Flächenmoment I zur dritten Potenz der Länge proportional. Die Fe-
derkonstante einer Biegefeder hängt außerdem noch von der Lagerung ab; dieser
Einfluss ist beim Freiträger durch die Zahl 3 angegeben. Allgemein kann man bei
Biegung die Federkonstante durch die Beziehung angeben
EI F
c=k = . (5.22)
l3 f
Die Konstante k ist eine von der Stützung der Biegefeder abhängige Zahl, beim
Freiträger also k = 3. Bei Belastung nach Tabelle 5.1 (Fall 3) ist z. B. k = 48, nach
Tabelle 5.1 (Fall 4) ist
 2  2
l l
k=3 .
a b
Die Formänderungsarbeit in Federn kann allgemein aus W = ηF ΔW V berech-
net werden (s. Abschnitt 2.2.2). Setzt man ΔW = σ2b max /2E, dann ist dies die spe-
zifische Formänderungsarbeit unter dem Einfluss der größten Biegespannung. Mit
σb max = Mb max /Wb min erhält man

M2b max
ΔW = .
2EWb2min

Durch Vergleich mit der Gl. (5.20) findet man die Raumzahl der Biegefeder

l
M2b (x)
Wb2min dx
Iy (x)
W 0
ηF = = . (5.23)
ΔW V M2b max V

Bei konstantem Querschnitt mit Iy = Wb min zmax (s. Abschnitt 4.2.1) und dem Fe-
dervolumen V = lA erhält man
l
M2b (x)dx
0 Wb min
ηF = · . (5.24)
M2b max zmax Al

Beispiel 5.15 (Raumzahl).


Die Raumzahl η einer Blattfeder mit Rechteckquerschnitt (Breite b und Höhe h)
und der Einzellast F am Ende (Freiträger Tabelle 5.1) ist zu berechnen, wenn sie
a) mit konstantem Querschnitt,
b) als Dreieckfeder (Abb. 4.26 b) ausgebildet ist.
b) Wie verhalten sich die Durchbiegungen des freien Endes?
Lösung 5.15
5.4 Vergleichende Beurteilung von Biegespannung und Durchbiegung 165

a) Mit
l
l3
M2 (x)dx = F2
3
0

(s. Beipiel 5.12), |Mb max | = Fl, Wb min = bh2 /6, A = bh und zmax = h/2 erhält man aus
Gl. (5.24) die Raumzahl
F2 l3 bh2 2 1
ηF = 2 2 = .
3F l 6hlbh 9
b) Da das Flächenmoment Iy wegen der veränderlichen Breite b(x) = b0 x/l des Trägers von
x abhängt, wird Gl. (5.23) herangezogen

l
M2b (x)
Wb2min dx
Iy (x)
0
ηF = .
M2b max V

Mit b(x) = b0 x/l und Iy = b(x)h3 /12 = (b0 h3 /12)(x/l) = I0 x/l ergibt das Integral
im Zähler der vorstehenden Gleichung

l l
M2b (x) F2 l F2 l3
dx = xdx = .
Iy (x) I0 2I0
0 0

Somit erhält man mit dem Volumen V = (b0 h/2)l der Dreieckfeder

b20 h4 6F2 l3 2 1
ηF = = .
36F2 l2 b0 h3 b0 hl 3
Die Ausnutzung des Volumens einer Dreieckfeder ist also dreimal so groß wie die der Feder
mit gleich bleibendem Querschnitt.
c) Die Durchbiegung eines Freiträgers mit gleich bleibendem Querschnitt ist nach Tabelle 5.1
f = Fl3 /3EI0 . Aus dem Energiesatz

l
1 1 M2b (x) F2 l3
W= Ff = dx =
2 2E Iy 4EI0
0

folgt die Durchbiegung der Dreieckfeder f = Fl3 /2EI0 . Die Durchbiegung der Blattfeder ist
bei gleichbleibendem Querschnitt nur zwei Drittel der Durchbiegung der Dreieckfeder.

5.4 Vergleichende Beurteilung von Biegespannung und


Durchbiegung

Die Bemessung eines durch Kräfte und Momente beanspruchten Balkens erfolgt im
Allgemeinen auf Grund der zulässigen Spannung und der zulässigen Verformung.
Lässt man die Verformung ganz außer acht, kann das jedoch häufig zu einer falschen
Bemessung führen. Andererseits kann eine Berechnung nur auf Grund einer vorge-
166 5 Durchbiegung gerader Balken - Biegelinie

Abb. 5.11 In A und B gela- l


gerte Schaltstange mit zwei
gleich großen Einzelkräften a a

d
F F

A 300 300 B
800

gebenen Durchbiegung eine zu große Biegespannung ergeben. An den folgenden


Beispielen sollen diese beiden Möglichkeiten aufgezeigt werden.
Beispiel 5.16 (Schaltstange).
Eine glatte Schaltstange aus E295 mit Kreisquerschnitt ist bei horizontaler Betäti-
gung während des Einschaltvorgangs durch zwei parallele Kräfte F = 4 N (z. B. über
Nocken) auf Biegung beansprucht (Abb. 5.11). Wie groß muss der Durchmesser bei
dreifacher Sicherheit gegen Dauerbruch gewählt werden, und wie groß ist damit die
Durchbiegung in der Mitte?
Lösung 5.16
Bei häufigem Ein- und Ausschalten ist die Beanspruchung schwellend, die zulässige Spannung ist
mit der Schwellfestigkeit σb Sch = 360 N/mm2 für E295

σb Sch 360 N/mm2


σzul = = = 120 N/mm2 .
SD 3
Für die Bemessung folgt mit der ersten Gl. (4.38)

Mb max Fa 4 N · 300 mm
Wb  = = = 10 mm3 .
σzul σzul 120 N/mm2

Aus Wb = πd3 /32 erhält man den Durchmesser



3 32 · 10 mm
3
3 32Wb
d= = = 4,67 mm .
π π

Gewählt wird d = 5 mm mit dem Flächenmoment Ia = 30,7 mm4 .


Die Durchbiegung in der Mitte ist nach Tabelle 5.1 mit a/l = 3/8
 
Fl3 a 4  a 2 39 Fl3
fm = 1− = = 12,1 mm .
8EIa l 3 l 2 · 83 EIa

Dieser Betrag ist für eine Schaltstange natürlich zu groß. Lässt man als Maximaldurchbiegung
l/1 000 = 0,8 mm zu, ergibt sich aus der vorstehenden Gleichung

39 Fl3 39 · 4 N · (8 · 102 mm)3


Ia = = = 465 mm4 .
2 · 8 Efm
3
2 · 8 · 2,1 · 105 N/mm2 · 0,8 mm
3

Das entspricht dem Durchmesser



4 64Ia
4
d= = 9 480 mm4 = 9,87 mm .
π
5.4 Vergleichende Beurteilung von Biegespannung und Durchbiegung 167

Wählt man d = 10 mm mit Wb = 98,2 mm3 , ist die Biegespannung

Fa 4 N · 300 mm
σb = = = 12,2 N/mm2
Wb 98,2 mm3
und damit unbedeutend. Ganz anders liegen die Verhältnisse, wenn die Stange in der Mitte z. B.
noch einmal gelagert wird, s. Abschnitt 6.5, insbesondere Beispiel 6.5.

Beispiel 5.17 (Blattfeder).


Eine geschliffene Blattfeder mit Rechteckquerschnitt aus Federstahl DIN 17 221 ist
zweifach gestützt (s. Tabelle 5.1, Fall 3), Stützweite l = 800 mm. Sie soll in der Mit-
te durch die Einzellast F = 5 000 N wechselnd auf Biegung beansprucht werden, der
Federweg in der Mitte soll f = 50 mm betragen. Die Abmessungen des Querschnitts
sind zu berechnen, E = 2 · 105 N/mm2 .
Lösung 5.17
Aus Tabelle 5.1 entnimmt man f = Fl3 /48EI. Aus dieser Gleichung kann das Flächenmoment I
berechnet werden
Fl3 5 000 N · (8 · 102 mm)3
I= = = 5 333 mm4 .
48Ef 48 · 2 · 105 N/mm2 · 50 mm

Wählt man das Verhältnis b/h = 4 für den Rechteckquerschnitt, dann ist mit

bh3 h4
I= =
12 3
die erforderliche Querschnitthöhe
√4

h = 3I = 1,6 · 104 mm4 = 11,25 mm
4

und die Breite b = 4h = 45 mm.


Das Widerstandsmoment ist
bh2 45 mm · (11,25 mm)2
Wb = = = 948 mm3 .
6 6
Mit Mb max = Fl/4 = 5 000 N · 200 mm = 106 Nmm erhält man

Mb max
σb = = 1 054 N/mm2
Wb
als größte Biegespannung.
Für Blattfederstahl der gewählten Güte ist bei wechselnder Beanspruchung die zulässige Span-
nung etwa 400 N/mm2 . Somit ist die Feder erheblich zu hoch beansprucht. Wählt man dagegen
eine geschichtete Blattfeder (Dreieckfeder, s. Abb. 4.26 und 4.27), dann ist die Durchbiegung nach
Beispiel 5.15
(F/2)(l/2)3 Fl3
f= = .
2EI 32EI
Somit ist I = 8 000 mm ; wählt man weiter, z. B. b/h = 54, erhält man aus I = bh3 /36 = 1, 5h4
4

4
4 8 000 mm
h= = 8,5 mm .
1, 5
168 5 Durchbiegung gerader Balken - Biegelinie

Die Breite in Federmitte ist dann b = 54h = 461,5 mm. Das Wiederstandsmoment ist nunmehr

461,5 mm · (6,5 mm)2


Wb = = 3 250 mm3 ,
6

und die Biegespannung beträgt jetzt nur etwa 308 N/mm2 . Eine aus sieben Schichten bestehende
Blattfeder mit dem Blattquerschnitt 50 mm × 6,5 mm erfüllt also die eingangs gestellte Bedingung,
ohne dass dabei die zulässige Spannung wesentlich überschritten wird.

5.5 Durchbiegung bei schiefer Biegung

In Abschnitt 4.3 ist gezeigt worden, dass sich die schiefe Biegung unmittelbar auf
die Überlagerung zweier gerader Biegungen um die beiden Hauptachsen des Quer-
schnitts eines Balkens zurückführen lässt. Auch die Durchbiegungen können in
Richtung der Hauptachsen mit den beiden Biegemomenten Mby und Mbx für sich
allein berechnet werden, die resultierende Durchbiegung ergibt sich dann durch Vek-
toraddition der beiden Teildurchbiegungen (Abb. 5.12).
Entsprechend Gl. (5.22) ist bei einem beliebigen Lastfall die Durchbiegung an
der Lastangriffsstelle f = Fl3 /(kEI). In Abb. 5.12 ist der beliebige Querschnitt eines
Balkens mit dem Biegemomentvektor Mb dargestellt. Die Durchbiegung in Rich-
tung der Hauptachsen v ≡ y und w ≡ z ist, da das Biegemoment Mbz der Kraft-
komponente Fy = F sin α proportional ist und entsprechend Mby ∼ Fx = F cos α gilt,

Fl3 sin α Fl3 cos α


fy = − , fz = − . (5.25)
kEI2 kEI1

Bildet man das Verhältnis der Beträge fz /fy , dann folgt mit Gl. (4.53)
Lastebene

v≡y
Mby ie
llin
α Nul
β
S
Mb
ψ = 900 − β
Mbz fz
β fy

Abb. 5.12 Beliebiger Quer-


schnitt eines Balkens mit f
Biegemomentvektor Mb und
Durchbiegung f w≡z
5.5 Durchbiegung bei schiefer Biegung 169

fz I2 cos α 1 I2
= = = tan β .
fy I1 sin α tan α I1

Die Durchbiegung bei schiefer Biegung erfolgt senkrecht zur Nulllinie, nicht
in der Lastebene. Die neutrale Schicht ist somit Biegeebene.

Es soll nun gezeigt werden, dass, ähnlich wie die Biegespannung, Gl. (4.56), aus
Biegemoment um die Nulllinie und Flächenmoment bezüglich der Nulllinie, auch
die Durchbiegung aus Kraftkomponente senkrecht zur Nulllinie und IN berech-
net werden kann. Dem Abb. 5.12 entnimmt man die resultierende Durchbiegung
f = fz / sin β. In Verbindung mit der zweiten Gl. (5.25) folgt

Fl3 cos α
f= .
kEI1 sin β

Erweitern wir jetzt mit sin(α + β) Zähler und Nenner und beachten die Identität
sin(α + β) = sin α cos β + cosα sin β (s. [11], Abschnitt Trigonometrische Funktio-
nen), dann erhalten wir nach einigen Umformungen

Fl3 sin(α + β)
f= .
kEI1 (tan α tan β cos2 β + sin2 β)

Mit I2 = I1 tan α tan β, s. Gl. (4.53), folgt

Fl3 sin(α + β) Fl3 sin(α + β)


f= = .
kE I2 cos β + I1 sin β
2 2 kE I2 sin (90 − β) + I1 cos2 (900 − β)
2 0

Der Ausdruck im zweiten Nenner der vorstehenden Gleichung ist das Flächenmo-
ment IN bezogen auf die Nulllinie als Achse, dies folgt aus der ersten Gl. (4.14)
mit ψ ≡ ϕ = 900 − β sowie Iy ≡ I1 , Iz ≡ I2 und Iyz ≡ I12 = 0 . Somit ist die
Durchbiegung
Fl3 sin(α + β)
f= · (5.26)
kE IN
Sie kann ohne geometrisches Addieren nunmehr leicht berechnet werden.
Beispiel 5.18 (Durchbiegung eines Freiträgers).
Die größte Durchbiegung des Freiträgers aus Beispiel 4.21 (Abb. 4.34 a) aus einer
Aluminiumlegierung mit E = 0,7 · 105 N/mm2 ist zu berechnen.
Lösung 5.18
Mit den Zahlenwerten α = 22, 50 , I1 = 558 cm4 und I2 = 106 cm4 ist

Fl3 4 000 N · 109 mm3 · 0, 383


fv = sin α = = 6,88 mm,
3EI2 3 · 0,7 · 105 N/mm2 · 106 · 104 mm4

Fl3 4 000 N · 109 mm3 · 0, 924


fw = cos α = = 3,15 mm .
3EI1 3 · 0,7 · 105 N/mm2 · 558 · 104 mm4
170 5 Durchbiegung gerader Balken - Biegelinie

Abb. 5.13 Gegenüber dem Lastebene


Einspannquerschnitt schief F
verschobenes Trägerende des
Freiträger mit Winkelquer- α
schnitt bei schiefer Biegung neutrale Schicht β
y fw
fv f
v

z w

Die resultierende Durchbiegung senkrecht zur Nulllinie ist somit


 
f = f2v + f2w = (47, 3 + 9, 9)mm2 = 7,56 mm .

Aus Gl. (5.26) erhält man mit IN = 185 cm4

Fl3 sin(α + β) 4 000 N · 109 mm3 · 0, 733


f= = = 7,55 mm .
3E IN 3 · 0,7 · 105 N/mm2 · 185 · 104 mm4

In Abb. 5.13 ist das gegenüber dem Einspannquerschnitt schief verschobene Trägerende darge-
stellt.

5.6 Aufgaben zu Kapitel 5

Aufgabe 5.1 (Biegelinie). Für die in Tabelle 5.1 angegebenen Belastungsfälle 3 bis
10 ermittle man aus der Differentialgleichung der Biegelinie durch Integration die
Gleichungen der Tangentenneigung w  (x) und der Durchbiegung w(x).
Aufgabe 5.2 (Freiträger). Die Gleichungen für die Tangentenneigung w  (x) und
die Durchbiegung w(x) eines als Dreiecksfeder (Abb. 4.26 b) ausgebildeten Frei-
trägers mit der Einzellast F am Ende sind zu ermitteln. Wie groß sind insbesondere
Neigung und Durchbiegung am freien Ende?
Aufgabe 5.3 (Superpositionsgesetz). Durchbiegung und Tangentenneigung am En-
de des Freiträgers in Beispiel 4.15 (Abb. 4.22a) sind mit Hilfe des Superpositions-
gesetzes zu ermitteln.
Aufgabe 5.4 (Getriebewelle). Eine Getriebewelle mit konstantem Durchmesser d
(Abb. 5.14) ist durch die Kräfte F1 = F und F2 = 2F auf Biegung beansprucht, Länge
des überstehenden Wellenendes a = l/3. Die Durchbiegung der Welle an den Kraft-
angriffsstellen sind zu berechnen. Welche der in Abb. 5.14 a) und b) gezeichneten
5.7 Formelzusammenfassung Kapitel 5 171

Richtungen der Last F2 ist die günstigste? Man vergleiche dazu die Lagerkräfte und
die Biegemomente.

F1 F1 F2
a) b)

d
A B A B
l a l a
F2
Abb. 5.14 Schema einer Getriebewelle mit zwei Einzellasten F1 und F2
a) Last F2 nach oben gerichtet
b) Last F2 nach unten gerichtet

Aufgabe 5.5. Wie groß darf der Lagerabstand l der Maschinenwelle ohne Bohrung
in Beispiel 4.23 (Abb. 4.38) werden, wenn die Durchbiegung in der Mitte fm gleich
der Durchbiegung f am freien Ende sein soll? Wie groß ist l, wenn die Durchbiegung
in der Mitte auf 1 mm beschränkt bleiben soll? Für beide Fälle berechne man die
Größe der Durchbiegung, E = 2,1 · 105 N/mm2 .
Aufgabe 5.6. Die Durchbiegung am Ende der Blattfeder in Aufgabe 4.23 (Abb. 4.56
a) ist für die Last F = 200 N zu berechnen (Elastizitätsmodul E = 2,1 ·105 N/mm2 ).
Aufgabe 5.7. Wie groß sind kleinster Krümmungsradius ρ, größte Durchbiegung f
und Neigungswinkel α am Ende der vom Kran angehobenen Rundstange, l = 7, 3 m,
in Aufgabe 4.15 (Elastizitätsmodul E = 2,1 · 105 N/mm2 )?
Aufgabe 5.8. Die Durchbiegung am Ende des Freiträgers in Aufgabe 4.19 ist zu
berechnen (Abb. 4.53)
a) aus den Komponenten in Richtung der Hauptachsen,
b) aus Gl. (5.26)
(Elastizitätsmodul E = 2,1 · 105 N/mm2 ).

5.7 Formelzusammenfassung Kapitel 5

• Differentialgleichung der Biegelinie 2. Ordnung

d2 w Mby (x)
2
= w  = −
dx EIy

• Differentialgleichung der Biegelinie 4. Ordnung (allgemeiner Fall)


 
d2 d2 w d2 Mby dFqz
2
EI y 2
= − 2
=− = qz
dx dx dx dx
172 5 Durchbiegung gerader Balken - Biegelinie

• Differentialgleichung der Biegelinie 4. Ordnung (konstante Biegesteifigkeit)

EIy w  = qz

• Formänderungsarbeit
l
1 M2b (x)
W= dx,
2 EIy (x)
0
Kapitel 6
Statisch unbestimmte Systeme

6.1 Allgemeines

Zur Festigkeitsberechnung von Trägern, die auf Biegung beansprucht sind, ist die
Kenntnis des Biegemomentverlaufs und insbesondere des größten Biegemoments
erforderlich. Im Allgemeinen müssen dafür zunächst die Lager- oder Stützkräfte be-
kannt sein. Sind mehr unbekannte Lagerreaktionen vorhanden als Gleichgewichts-
bedingungen zur Verfügung stehen, dann ist ein mechanisches System statisch unbe-
stimmt gelagert (s. [17], Abschnitt 6.2 Statisch bestimmte und statisch unbestimmte
Systeme).
Der Grad der statischen Unbestimmtheit wird aus der Abzählbedingung

k = a + z − 3n (6.1)

berechnet. In dieser Gleichung sind a die Anzahl der unabhängigen Auflagerreak-


tionen, z die Anzahl der unabhängigen Zwischenreaktionen, z. B. Gelenkkraftkom-
ponenten im G ERBER1 träger, und n die Anzahl der Teile, in die ein System zerlegt
werden kann. Ist k > 0, z. B. gleich eins, zwei oder allgemein i, dann ist ein System
einfach, zweifach oder i-fach statisch unbestimmt gelagert.
Zur Berechnung der überzähligen unbekannten Lagerreaktionen, die man sta-
tisch unbestimmte Größen oder kurz statisch Unbestimmte nennt, muss man die Vor-
stellung von der Starrheit eines Bauteils (z. B. eines Trägers oder einer Welle) fallen
lassen. Man berücksichtigt die durch die Belastungen und die noch unbekannten
Lagerkräfte hervorgerufenen Formänderungen. Aus den Verformungsbedingungen
an den überzähligen Lagerstellen gewinnt man dann die neben den Gleichgewichts-
bedingungen zur Bestimmung der Auflager noch fehlenden Gleichungen. Auch in-
nerlich statisch unbestimmte Systeme (geschlossene Rahmen) kann man durch Auf-
schneiden auf die oben geschilderte Weise berechnen, s. Abschnitt 6.6.

1 H EINRICH G OTTFRIED G ERBER (∗ 18. November 1832 in Hof; † 3. Januar 1912 in München),

Bauingenieur, der nach ihm benannte Träger wurde 1866 patentiert

173

G. Holzmann et al., Technische Mechanik Festigkeitslehre, DOI 10.1007/978-3-8348-8101-4_6,


© Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
174 6 Statisch unbestimmte Systeme

a) b) c)

w = 0, w  = 0 w = 0, w  = 0 w = 0, w  = 0
Abb. 6.1 Verformungsbedingungen an Lagerstellen, Lagerung
a) einwertig
b) zweiwertig
c) dreiwertig

6.2 Starre Lagerung

In sehr vielen Fällen sind Träger so gelagert, dass die Lager in Belastungsrich-
tung unverschieblich, d. h. starr, sind oder zumindest als starr angenommen wer-
den können. Die Formänderungen der Lager sind also so gering, dass sie gegenüber
den Formänderungen der Träger vernachlässigt werden können. An einem ein- oder
zweiwertigen Lager (Abb. 6.1 a) und b) lautet die Verformungsbedingung z. B., dass
die Durchbiegung Null ist, an einem dreiwertigen Lager (Abb. 6.1 c) sind Durch-
biegung und Tangentenneigung an die Biegelinie Null.
Ein Lösungsweg zur Ermittlung der statisch Unbestimmten ist die Anwendung
der Superpositionsmethode (indem man etwa die Angaben in Tabelle 4.1 benutzt).
Man zerlegt das gegebene System (z. B. den Träger in Abb. 6.2) in ein statisch
bestimmt gelagertes Hauptsystem mit allen gegebenen Belastungen und in so viele
Zusatzsysteme, wie überzählige Lagerreaktionen vorhanden sind, also k (hier k = 1).
Das statisch bestimmt gelagerte Hauptsystem erhält man, indem man die überzähli-
gen Lager entfernt (A in Abb. 6.2 b) oder eine dreiwertige Einspannung durch ein
zweiwertiges Lager ersetzt (B in Abb. 6.2 d).

q
a)
M0

FA FB
q q
b) d)
αBq

fAq
fAA M0
c) e)
αBM0

FA

Abb. 6.2 Einfach statisch unbestimmt gestützter Träger der Länge l


a) Lageplan
b) 1. Hauptsystem
c) 1. Zusatzsystem
d) 2. Hauptsystem
e) 2. Zusatzsystem
6.2 Starre Lagerung 175

Die unbekannten Reaktionskräfte oder -momente dieser Lager werden in je ei-


nem Zusatzsystem als äußere Belastungen eingeführt - entweder FA in Abb. 6.2
c) oder M0 in Abb. 6.2 e). Nun berechnet man für das Hauptsystem und die Zu-
satzsysteme die Verformungen (z. B. mit Hilfe der Tabelle 4.1) - entweder die
Durchbiegungen fAq = ql4 /(8EI) und fAA = −FA l3 /(3EI) oder die Tangenten-
neigungen tan αBq = −ql3 /(24EI) und tan αBM0 = M0 l/(3EI) an den Stellen
der entfernten Lager oder der Einspannung. Bei starrer Lagerung müssen dann
die bei Superposition erhaltenen Gesamtverschiebungen oder die Tangentennei-
gungen an den betreffenden Lagerstellen Null sein. Im ersten Fall erhält man aus
fA = fAq + fAA = 0 die Lagerkraft FA = 3ql/8. Die zwei verfügbaren Gleichge-
wichtsbedingungen ergeben FB = 5ql/8 und M0 = ql2 /8. Im zweiten Fall ergibt
tan αB = tan αBq + tan αBM0 = 0 das Einspannmoment M0 = ql2 /8.
Grundsätzlich ist es egal, wie man ein statisch unbestimmtes System in ein
statisch bestimmtes Hauptsystem und entsprechende Zusatzssteme zerlegt. Der
zweckmäßigste Weg ist der, welcher bei der Zerlegung auf möglichst einfache Be-
lastungsfälle der Teilsysteme, z. B. nach Tabelle 4.1, führt. In Abb. 6.3 sind an ei-
nem Träger mit der Einzellast F und starrer, d. h. in Lastrichtung unverschieblicher
Lagerung die verschiedenen Möglichkeiten einer Aufteilung in Hauptsysteme und
Zusatzsysteme gegenübergestellt. Die jeweiligen Verformungsbedingungen lauten:

fC = fCF + fCC + fCM0 = 0,
a)
tan αC = tan αCF + tan αCC + tan αCM0 = 0,

fA = fAF + fAA + fAB = 0,
b)
fB = fBF + fBA + fBB = 0,
fA = fAF + fAA + fAM0 = 0,
c)
tan αC = tan αCF + tan αCA + tan αCM0 = 0,

F
B M0
A a1 b1 C
a2 b2
statisch bestimmt gelagerte Hauptsysteme
αCF
a) F b) F c) F αCF d) F αCF
fCF fAF fBF fAF
fBF

Zusatzsysteme
FC fBA αCA fBB αCB
fAA fAA
FA FA FB
fCC α
CC

M0 f fBB M0 fBM0 M0
AB

fCM0 α FB αCM0 αCM0


CM0 fAM0

Abb. 6.3 Zweifach statisch unbestimmt gestützter Träger


a). . . d) verschiedene Möglichkeiten zur Zerlegung in Haupt- und Zusatzsysteme
176 6 Statisch unbestimmte Systeme

fB = fBF + fBB + fBM0 = 0,
d)
tan αC = tan αCF + tan αCB + tan αCM0 = 0 .
Die Gl. (6.1) mit a = 5, z = 0 und n = 1 ergibt k = 2, d. h., der Träger ist zwei-
fach statisch unbestimmt gelagert. Da keine Kräfte in Längsrichtung auftreten, ist
eine Gleichgewichtsbedingung identisch erfüllt. Neben den beiden weiteren Gleich-
gewichtsbedingungen reichen die beiden Verformungsbedingungen gerade zur Be-
rechnung der vier Unbekannten aus. Erkennt man die Richtung der gesuchten La-
gerreaktionen, zeichnet man sie richtig in das Bild ein. Erscheint im Ergebnis ei-
ne Unbekannte mit negativem Vorzeichen, ist der im Ansatz gewählte Richtungs-
sinn umzukehren. Für die gewählten Kraftrichtungen sind die Durchbiegungen und
die Neigungswinkel vorzeichenrichtig in die Verformungsbedingungen einzusetzen.
Die Verformungen, z. B. die Durchbiegungen und die Tangentenneigung, können
nach einem der in Abschnitt 5 angegebenen Verfahren ermittelt oder der Tabelle 4.1
und [22] entnommen werden.
In der höheren Festigkeitslehre sind weitere Lösungswege in Gebrauch. Das Ver-
fahren von C ASTIGLIANO2 ermittelt die Verformungsbedingungen über den Ener-
giesatz aus der Formänderungsarbeit und kann für beliebige Systeme mit beliebiger
Belastung angewendet werden. Es ist nicht nur auf die Biegung beschränkt. Für
n-fach gelagerte Wellen mit zur Längsachse senkrechter Belastung können die so
genannten Dreimomentengleichungen oder C LAPEYRON’schen3 Gleichungen ange-
wendet werden. Wegen des z.T. nicht unbeträchtlichen Aufwandes soll im Rahmen
dieses Buches auf die vollständige Herleitung und Anwendung dieser Verfahren ver-
zichtet werden. Exemplarisch wird lediglich im Abschnitt 6.3 der zweite Satz von
C ASTIGLIANO behandelt.
Beispiel 6.1 (Lagerreaktionen).
Für den Träger (Abb. 6.3) mit der Einzellast F sind die Lagerreaktionen FA , FB ,
FC und M0 zu berechnen, Biegemomentenverlauf und Biegelinie sind zu zeichnen.
Gegeben sind a1 = l/2, b1 = 3l/2 und a2 = b2 = l.
Lösung 6.1
Abbildung 6.4 a) zeigt noch einmal den Lageplan, Abb. 6.4 b) den freigemachten Träger mit sämt-
lichen Lasten. Wir entscheiden uns für die Zerlegung nach Abb. 6.3 b) und können mit Hilfe der Ta-
belle 4.1 die Durchbiegungen unter den Lasten F, FB und FA ermitteln. Für alle sechs Teilbeträge
der Durchbiegungen kommen wir allein mit dem Belastungsfall 1 der Tabelle 4.1 aus (Abb. 6.4 c).
Die Durchbiegung an der Stelle A durch die Last F ist

l F(3l/2)3 F(3l/2)2 l 27 Fl3


fAF = fFF + tan α = + = .
2 3EI 2EI 2 16 EI
Ebenso erhält man mit l/2 als x und 3l/2 als l aus der Tabelle
   
l F(3l/2)3 3 1 1 7 Fl3
fBF = w = 1− · + = .
2 3EI 2 3 54 12 EI

2 C ARLO A LBERTO C ASTIGLIANO (∗ 8. November 1847 in Asti; † 25. Oktober 1884 in Mailand),

Baumeister, Ingenieur und Wissenschaftler


3 B ENO ÎT PAUL É MILE C LAPEYRON (∗ 26. Januar 1799 in Paris; † 28. Januar 1864 in Paris), Phy-

siker, Thermodynamik, Professor für Maschinenbau und Mechanik École des Ponts et Chaussées
6.2 Starre Lagerung 177

a) F

A B C
l/2 l/2 l
c) l/2 3l/2
b) F F
M0

FC fAF fBF
FA
FB α fFF
fFA
d) F 9 fBA
fAA
F
56
22 FA
F 43 3 2l
56 F Fl
56 56
6 α
e) − fFB
56 fBB
x fAB
Mb (x)
Fl

3
11 56 FB
f) l l
56 W2
w(x)

x
W1
Abb. 6.4 Zweifach statisch unbestimmter Träger
a) Lageplan
b) freigemachter Träger
c) Durchbiegungen infolge der Kräfte F, FA und FB
d) Kräfte und Momente am Träger
e) Biegemomentverlauf
f) Biegelinie

In gleicher Weise berechnet man die Durchbiegungen infolge der Lasten FA und FB und bekommt

8 FA l3 5 FA l3 1 FB l3
fAA = − , fBA = − , fBB = −
3 EI 6 EI 3 EI
und
5 FB l3
fAB = fBB + l tan α = −.
6 EI
Die Verformungsbedingungen fA = fB = 0 (Abb. 6.3 b) führen auf das Gleichungssystem

27 8 5 7 5 1
F − FA − FB = 0, F − FA − FB = 0
16 3 6 12 6 3
mit der Lösung
22 43
FA =
F, FB = F.
56 56
Die beiden Gleichgewichtsbedingungen werden so gewählt, dass die fehlenden Unbekannten aus
jeder Gleichung für sich berechnet werden können
  3
Fzi = 0 = FA + FB + FC − F, MiC = 0 = FA 2l + FB l − F l − M0 .
2
178 6 Statisch unbestimmte Systeme

Aus der ersten Gleichung ergibt sich FC = −(9/56)F und aus der zweiten M0 = (3/56)Fl. Da
sich in der Rechnung für die Lagerreaktion FC ein negatives Vorzeichen ergibt, ist ihre Richtung
zu der in Abb. 6.4 b) angegebenen entgegengesetzt. In Abb. 6.4 d) ist der Träger mit allen äußeren
Lasten aufgezeichnet, der Biegemomentenverlauf ist in Abb. 6.4 e) dargestellt. In Abb. 6.4 f) ist
der Verlauf der Biegelinie gezeichnet. Wegen des zweifachen Nulldurchgangs des Biegemoments
hat die Biegelinie zwei Wendepunkte W1 und W2 .
Die Durchbiegung des statisch unbestimmt gelagerten Trägers erhält man ebenfalls durch Über-
lagerung. An der Lastangriffsstelle ist sie z. B.

fF = fFF + fFA + fFB .

Mit
9 Fl3 27 FA l3 11 27 Fl3
fFF = , fFA = − =− ·
8 EI 16 EI 8 56 EI
und
l 7 FB l3 43 Fl3
fFB = fBB + tan α = − =−
2 12 EI 8 · 12 EI
erhält man
19 Fl3
fF = .
24 · 56 EI
Vergleicht man diesen Wert mit der Durchbiegung fFF = 9Fl3 /8EI des statisch bestimmt ge-
lagerten Freiträgers, Abb. 6.4 c) oben, dann ist das Verhältnis fF /fFF = 1/80. Der in A und B
statisch unbestimmt gestützte Träger (Abb. 6.4 a) ist also erheblich steifer, als wenn er nur einge-
spannt wäre.

Beispiel 6.2 (Lagerkräfte).


Die Welle (Abb. 6.5) ist in A, B und C gelagert und durch zwei gleich große Kräfte
F belastet. Infolge eines Bearbeitungsfehlers ist das mittlere Lager um den Betrag
f0 = 3Fl3 /(8 · 48EI) entgegengesetzt zur Lastrichtung versetzt. Man berechne die
Lagerkräfte FA , FB und FC und vergleiche sie mit denen, die sich ergeben, wenn alle
drei Lager in gleicher Höhe liegen, also f0 = 0 ist. Der Verlauf der Biegemomente
in den beiden Fällen ist ebenfalls miteinander zu vergleichen.
Lösung 6.2
Abb. 6.5 a) zeigt den Lageplan mit versetztem Lager, Abb. 6.5 b) zeigt die freigeschnittene Welle
und Abb. 6.5 c) die Aufteilung in zwei Systeme. Die Abzählbedingung liefert k = 1, die Welle ist
also einfach statisch unbestimmt gelagert. Wegen der Verformungsbedingung

fB = −f0 = fBF + fBB

ergibt sich zwangsläufig die Lagerkraft FB als statisch Unbestimmte. Der Tabelle 4.1, Fall 7, ent-
nimmt man die Durchbiegung
 
Fl3 1 4 1 11 Fl3
fBF = · 1− · = .
8EI 4 3 16 8 · 48 EI

Der Belastungsfall 3 entsprechend Tabelle 4.1 ergibt

FB l3
fBB = − .
48EI
Setzt man diese Werte in die Verformungsbedingung ein, dann ist

11 Fl3 FB l3 3 Fl3 14
− =− und FB = F
8 · 48 EI 48EI 8 · 48 EI 8
6.3 Satz von C ASTIGLIANO 179

a) l/4 l/4 l/4 l/4


d) F F F F
F F
1 14 1 2, 5 11 2, 5
F F F F F F
A B C 8 6 8 8 8 8 8
f0
− 3
e) 32 −
32
b) F F
1 x 2, 5 x
FA FB FC 32 32
Mb (x) Mb (x)
c) F F
Fl Fl
a
fBF

fBB
FB
Abb. 6.5 Dreifach gelagerte Welle, Mittellager B um den Betrag f0 versetzt
a) Lageplan mit Lagerschema
b) freigeschnittene Welle
c) Durchbiegungen infolge der Kräfte F und FB
d) Kräfte an der Welle
e) Biegemomentverlauf

die gesuchte Lagerreaktion. 


Aus Symmetriegründen ist FA = FC , aus der Gleichgewichtsbedingung Fiz = 0 folgt
FA = F/8. Das Belastungsschema der Welle und der Biegemomentenverlauf sind in Abb. 6.5 d)
und e) links dargestellt. Bei in gleicher Höhe liegenden Lagern mit f0 = 0 ist die Lagerkraft
FB = (11/8)F, und somit FA = (2, 5/8)F. Die Ergebnisse sind in den Teilbildern rechts dar-
gestellt. Man sieht, dass der Bearbeitungsfehler dieses Betrages das Biegmoment im gefährdeten
Querschnitt verdoppelt.

6.3 Satz von C ASTIGLIANO

Kennt man die Energie eines mechanischen Systems bzw. die Arbeit, die bei einem
Verformungsvorgang geleistet wird, kann man die Verschiebungen, Durchbiegun-
gen usw. an bestimmten Punkten effektiver als mit den bisher eingeführten Metho-
den ermitteln. Nachfolgend wird ein Verfahren vorgestellt, welches die Berechnung
von Verformungen in statisch bestimmten Systemen sowie die Ermittlung von Auf-
lagerreaktionen in statisch unbestimmten Systemen gestattet.

6.3.1 Energetische Betrachtungen zu verformbaren Systemen

Die bisher betrachteten elementaren Beanspruchungszustände lassen die nachfol-


genden energetischen Betrachtungen zu. Betrachtet man einen Zugstab (Abb. 6.6 a),
180 6 Statisch unbestimmte Systeme

a) b) c)

dl

wmax
F F
ϕmax

M
Abb. 6.6 Träger mit unterschiedlichen Belastungen.
a) Zugstab,
b) Biegebalken unter Einzelkraft,
c) Biegebalken unter Einzelmoment

ist die elastische Energie nach Gl. (2.15) unter Beachtung von Gl. (2.12)

1 F2 l
W= .
2 EA
Leitet man diese Gleichung nach der äußeren Kraft ab

∂W Fl
= = dl,
∂F EA
erhält man die Stabverlängerung.
Überträgt man diese Überlegung auf den Biegebalken, Abb. 6.6 b), gilt zunächst
entsprechend Beispiel 5.12
F2 l3
W= .
6EI
Die Ableitung nach der Kraft führt dann auf

∂W Fl3
= = wmax .
∂F 3EI
Analysiert man den Biegebalken unter Einwirkung eines Momentes (Abb. 6.6 c),
kann man zeigen, dass die Formänderungsarbeit W sich wie folgt ausrechnen lässt

M2 l
W= .
2EI
Die Ableitung nach dem Moment erhält man dann als

∂W Ml
= = ϕmax .
∂M EI
Die drei Fälle lassen sich verallgemeinern:
6.3 Satz von C ASTIGLIANO 181

Satz 6.1 (Zweiter Satz von Castigliano). Die partielle Ableitung der elastischen
Energie nach den Kraftgrößen (Kräfte und Momente) liefert die zugehörigen Ver-
schiebungsgrößen (Verschiebung und Neigung) in Richtung der Kraftgrößen.
Dabei ist zu beachten, dass die elastische Energie als Funktion der Kraftgrößen auf-
zuschreiben ist. Der zweiten Satz von C ASTIGLIANO lässt ein alternatives Verfahren
zu den bisher behandelten zur Bestimmung von Verformungen in diskreten Punkten
eines Tragwerkes zu.
Vertauscht man Ursache und Wirkung kann man formulieren:
Satz 6.2 (Erster Satz von Castigliano). Die partielle Ableitung der elastischen
Energie nach den Verschiebungsgrößen (Verschiebung und Neigung) liefert die
zugehörigen Kraftgrößen (Kräfte und Momente) in Richtung der Verschiebungs-
größen.
Dabei ist zu beachten, dass die elastische Energie als Funktion der Verschiebungs-
größen aufzuschreiben ist.

6.3.2 Rechenschema zur Anwendung des 2. Satzes von Castigliano

Bei der Anwendung des zweiten Satzes von C ASTIGLIANO muss man drei Fälle
unterscheiden. Diese werden nachfolgend diskutiert.
1. Statisch bestimmte Systeme
Betrachtet wird der auf Abb. 6.7 dargestellte Kragträger. Zunächst ist die Formän-
derungsarbeit entsprechend Gl. (5.3) aufzuschreiben

l
1 M2b
W= dx .
2 EI
0

Diese Gleichung vereinfacht sich bei EI = const. Im hier betrachteten Fall der
Balkenbiegung gilt weiterhin

Mb = F(l − x) .

Die Ableitung lässt sich folgendermaßen ausrechnen

F
x EI

Abb. 6.7 Kragträger unter l


Einzellast
182 6 Statisch unbestimmte Systeme

Tabelle 6.1 Rechenschema zur Anwendung des Satzes von C ASTIGLIANO

l
∂Mb ∂Mb ∂Mb
Bereich Mb Mb Mb dx
∂F ∂F ∂F
0

Fl3
0  x  l F(l − x) l − x F(l − x)2
3

l
∂W 1 ∂Mb
= Mb dx .
∂F EI ∂F
0

Die Rechnung lässt sich damit entsprechend Tabelle 6.1 ausführen. Abschließend
erhält man die Durchbiegung in Richtung der Kraft

Fl3
w= .
3EI
Man kann sofort erkennen, dass dieses Ergebnis mit der Durchbiegung in Tabel-
le 5.1 (Fall 1) übereinstimmt.
Anmerkung 6.1. Man erkennt relativ schnell, dass der Anwendung des 2. Sat-
zes von Castigliano selbst bei nicht korrektem Vorzeichen des Biegemomentes zu
einem korrekten Ergebnis, da das Biegemoment quadratisch in die Formände-
rungsarbeit eingeht.
2. Berechnung der Verformung an Stellen, an denen keine äußere Kraftgröße an-
greift
Dieser Fall kann auf den Fall 1 zurückgeführt werden, wenn man an der Stelle
der gesuchten Durchbiegung eine Hilfskraft FH in Richtung der Durchbiegung
oder bei gesuchtem Neigungswinkel ein Hilfsmoment MH in Richtung der Win-
kelneigung einführt. Dann verläuft der Rechenrozess wie unter 1. Am Schluss
der Rechnung wird die Hilfsgröße gleich Null gesetzt.
Ist beispielsweise der Neigungswinkel am Ende eines Kragträgers (Abb. 6.8) zu
ermitteln, setzt man dort das Moment MH an und schreibt

Mb = F(l − x) + MH

Dann ist die partielle Ableitung des Biegemoments nach dem Hilfsmoment

∂Mb
= 1,
∂MH
und man erhält
6.3 Satz von C ASTIGLIANO 183

l
∂W 1 1 Fl2
ϕ= = [F(l − x) + MH ] · 1dx = + MH l
∂MH EI EI 2
0

Setzt man nun MH = 0, ergibt sich für die Balkenneigung am Ende

Fl2
ϕ= .
2EI
Man kann auch hier erkennen, dass dieses Ergebnis mit der Neigung in Tabelle
5.1 (Fall 1) übereinstimmt.
3. Analyse statisch unbestimmter Systeme
Das in Abb. 6.9 dargestellte System ist einfach statisch unbestimmt gelagert, da
es drei unbekannte Lagergrößen enthält, während nur zwei Gleichgewichtsbe-
dingungen zu ihrer Berechnung zur Verfügung stehen. Man setzt zunächst eine
Lagerreaktion (z. B. FB ) als bekannt voraus. Das System ist damit statisch be-
stimmt und die Lagerreaktionen sowie der Biegemomentenverlauf lassen sich
als Funktion von FB ausrechnen. Nach Ausführung aller Rechenschritte für die
Ermittlung der Durchbiegung an der Stelle der Kraft FB , d. h. der Berechnung
von
l
1 ∂Mb
wB = Mb dx ,
EI ∂FB
0

wird die Durchbiegung gleich Null gesetzt (wB = 0), da im Lager keine Durch-
biegung auftreten darf. Damit hat man eine Bestimmungsgleichung für die unbe-
kannte Lagerkraft FB .
Für das betrachtete Beispiel sieht der Rechengang wie folgt aus:
– Berechnung der Schnittmomente
Für den Fall, dass zunächst die Einspannungskraft FA und das Einspannungs-
moment MA als unbekannt angenommen werden und die Lagerkraft FB als
bekannt angesehen wird, bietet sich an, die Koordinatenrichtung x im Punkt
B beginnend nach links zu legen. Damit ergeben sich die Schnittmomente und
deren Ableitungen für die beiden Abschnitte zu

∂Mb
0  x  l : Mb (x) = FB x, =x
∂FB
und

F MH
x EI

Abb. 6.8 Kragträger mit l


Hilfsmoment
184 6 Statisch unbestimmte Systeme

Abb. 6.9 Einfach statisch l l


unbestimmtes System
MA
F

B
A
FB
FA

∂Mb
l  x  2l : Mb (x) = FB x − F(x − l), = x.
∂FB
– Die Durchbiegung im Punkt B wB erhält man wie folgt
⎧l ⎫
   
1 ⎨ ⎬
2l
  1 8 5
wB = FB x2 dx + FB x2 − F(x − l)x dx = FB l3 − Fl3 .
EI ⎩ ⎭ EI 3 6
0 l

– Die Durchbiegung ist wegen des Festlagers im Punkt B gleich 0

8 5 5
wB = 0 ⇒ FB l3 − Fl3 = 0 ⇒ FB = F .
3 6 16
– Die restlichen Lagerreaktionen kann man jetzt aus den Gleichgewichtsbedin-
gungen ermitteln
11
FA − F + FB = 0 ⇒ FA = F,
16
3
MA − Fl + FA · 2l = 0 ⇒ MA = − Fl .
8
Beispiel 6.3 (Einfach unbestimmt gelagerter Träger).
Für den auf Abb. 6.2 a) dargestellten einfach statisch unbestimmten Träger sollen
die Lagerreaktionen ermittelt werden.
Lösung 6.3
Setzt man zunächst die Auflagerkraft FA als bekannt voraus, ist die Bedingung, dass die Durch-
biegung im Lager verschwindet, zu erfüllen

l
1 ∂Mb
wA = Mb dx = 0 .
EI ∂FA
0

Zunächst sind die übrigen Lagerreaktionen mit Hilfe der Statikgleichungen als Funktionen der
Lagerreaktion FA auszudrücken

ql2
FB = ql − FA , MB = − FA .
2
Schneidet man jetzt den Balken zwischen den Lagern, erhält man das Schnittmoment für den linken
Teil zu
qx2
M b = FA x − .
2
6.4 Elastische Lagerung 185

Die Ableitung nach FA folgt zu


∂M
= x.
∂FA
Nach Einsetzen in die Bestimmungsgleichung für wA und Ausrechnen erhält man

l    
1 qx2 1 l3 l4
wA = FA x − xdx = FA − q 0.
EI 2 EI 3 8
0

bzw. abschließend
3
FA =
ql .
8
Dieses Ergebnis stimmt mit dem entsprechenden Ergebnis im Rahmen der Betrachtungen zu
Abb. 6.2 überein. Die übrigen Lagerreaktionen lassen sich aus den Gleichgewichtsbeziehungen
bestimmen
5 1
FB = ql, MB = ql2 .
8 8
Dies ist nicht der einzige Lösungsweg. Aus der Bedingung für die Einspannung

l
 1 ∂Mb
wB = Mb dx = 0 .
EI ∂MB
0

lässt sich das Einspannungsmoment MB direkt ermitteln. Die Lagerkraft FB kann als Funktion
des Einspannungsmoments aus den Gleichgewichtsbeziehungen ausgerechnet werden

MB ql
FB = + .
l 2
Nach Schnitt kann das Schnittmoment für den rechten Teil aufgeschrieben werden

qx2  x q(lx − x2 )
Mb = −MB + FB x − = −1 + MB + ,
2 l 2
so dass die Ableitung nach MB lautet

∂Mb x
= −1 + .
∂MB l
Einsetzen und Ausrechnen führt dann auf das im ersten Teil bereits angeführte Ergebnis.

6.4 Elastische Lagerung

Sind die Formänderungen der Lager von mechanischen Systemen nicht vernachläs-
sigbar klein, dann sind diese bei der Berechnung der Lagerreaktionen in den Defor-
mationsbedingungen zu berücksichtigen. Das ist z. B. der Fall bei Pendelstützen
oder Querträgern. Die Formänderungen der Lagerungen sind elastisch und der
Größe der Lagerreaktion proportional.

Beispiel 6.4 (Stahlträger).


Ein Stahlträger I 300 nach DIN 1 025 Bl. 1 mit der Last F = 45 kN ist in A und C
186 6 Statisch unbestimmte Systeme

starr und in B auf einem Querträger I 180 nach DIN 1 025 Bl. 1 aus Stahl elastisch
gelagert (Abb. 6.10). Zu berechnen sind die Lagerkräfte FA , FB und FC , die größten
Biegespannungen in beiden Trägern und die Durchbiegung im Lager B sowie an
der Angriffsstelle der Last F. Wie groß sind die Lagerkräfte und Beanspruchungen,
wenn das Lager B starr angenommen wird, wie groß Beanspruchung und größte
Durchbiegung des Trägers, wenn das Lager fehlt?
Lösung 6.4
Der Träger ist einfach statisch unbestimmt gelagert. Die Zerlegung in zwei Systeme (Abb. 6.10 c)
führt beide Male auf den Belastungsfall 4 der Tabelle 4.1, der man mit a = 2l/3 und b = l/3
die Durchbiegungen entnimmt
 
Fl3 2 1 1 1 7 Fl3
fBF = · · · 1+3− = ,
6EI 3 9 3 2 6 · 81 EI
FB l3 4 1 4 FB l3
fBB = − · · =− .
3EI 9 9 3 · 81 EI

In diesen Gleichungen ist I = Iy = 9 800 cm4 das axiale Flächenmoment des Trägers I 300. Mit
dem Flächenmoment I1 = 1 450 cm4 des Trägers I 180 und seiner Länge l1 ist die Federkonstante

a) 60
00
30
00
00
10
A 30
00 00
10
B F

C
b) F
F B = cB f B
FA FC
l/3 l/3
l

c) F

fBF fFF

fBB
FB fFB
Abb. 6.10 Elastisch gestütz- 1
ter Träger d) −
15
a) Lageplan
2 x
b) freigeschnittener Träger Mb (x)
c) Durchbiegungen infolge 15
Fl
der Kräfte F und FB e)
d) Biegemomentverlauf
W x
e) Biegelinie w(x)
6.4 Elastische Lagerung 187

cB = 48EI1 /l31 (s. Tabelle 4.1, Fall 3). Die Verformungsbedingung des mittleren Lagers lautet
mit der Federkonstanten cB
FB
fB = fBF + fBB = .
cB
Setzt man die einzelnen Anteile in diese Verformungsbedingung ein, ergibt sich

7 Fl3 4 FB l3 FB l31
− = .
6 · 81 EI 3 · 81 EI 48EI1
Da beide Träger aus gleichem Werkstoff sind, kann man den E-Modul kürzen und wir erhalten die
Lagerkraft
7F
FB = .
81 l31 I
8+
8 l3 I1
Mit l1 /l = 2/9 und I/I1 = 6, 76 ist

7
FB = F = 36 kN .
8, 75
Aus der Gleichgewichtsbedingung
 2 1
MiA = 0 = FC l − F l + FB l
3 3
folgt
2 1 2
FC =
F − FB = F = 18 kN .
3 3 5

Die Bedingung Fiz = 0 = FA + FB + FC − F ergibt

6 1
FA = F − F = − F = −9 kN .
5 5
Das größte Biegemoment ist im Querschnitt an der Angriffsstelle der Last F und beträgt

FC l
Mb max = = 5,4 · 107 Nmm .
3
Mit dem Widerstandsmoment Wb = 653 cm3 erhält man die größte Biegespannung

Mb max
σb max = = 82,7 N/mm2 .
Wb

In dem Querträger I 180 ist Mb max = FB l1 /4 = 1,8 · 107 Nmm und mit Wb = 161 cm3 die
Biegespannung σb = 111,7 N/mm2 . Mit dem Elastizitätsmodul E = 2 · 105 N/mm2 betragen die
Durchbiegungen in B

FB l31 36 · 103 N · (2 · 103 mm)3


fB = = = 2,07 mm
48EI1 48 · 2 · 105 N/mm2 · 1 450 · 104 mm4

und an der Stelle der Last F


4 Fl3 7 FB l3
fF = fFF + fFB = − =
3 · 81 EI 6 · 81 EI
Wird das Lager B starr angenommen, erhält man aus der Verformungsbedingung
188 6 Statisch unbestimmte Systeme

fB = fBF + fBB = 0

die Aussage
7 3 2
FB = F, FC = F, FA = − F .
8 8 8
Mit dem größten Biegemoment Mb max = Fl/8 = 5,06 · 107 Nmm ist σb max = 77,5 N/mm2 und
damit nur wenig geringer als bei elastischer Lagerung. Ohne das Lager B ist das größte Biegemo-
ment
2 1 2
Mb max = F · l = Fl = 9 · 107 Nmm
3 3 9
und somit die größte Biegespannung σb max = 137,7 N/mm2 . Nach Tabelle 4.1, Fall 4, ergibt sich
die größte Durchbiegung zu

4 2 4 4 2 Fl3
fmax = fFF = = 30 mm .
3 3 3 · 81 3 3 EI
Durch die statisch unbestimmte Lagerung ist die Beanspruchung des Trägers um etwa 40 %, die
Verformung dagegen um mehr als 70 % geringer geworden.

6.5 Einfluss der statisch unbestimmten Lagerung bei Wellen und


Trägern auf die Biegebeanspruchung und die Durchbiegung

Dem Aufwand erheblich höherer Fertigungskosten, die mit der Lagerung einer Ma-
schinenwelle z. B. in mehr als zwei Lagern verbunden sind, steht die Verwirklichung
der Forderung nach hoher Steifigkeit bei geringsten Verformungen und damit ver-
bundener größerer Laufruhe gegenüber. In den Beispielen 6.1 und 6.4 wurde bereits
auf diese Einflüsse hingewiesen. Aber auch die Biegebeanspruchung ist häufig bei
statisch unbestimmter Lagerung geringer, so dass man mit geringeren Abmessun-
gen für die Bauteile auskommt und somit der Forderung nach Leichtbau entsprechen
kann. In den folgenden Beispielen sollen diese Probleme besonders betont werden.
Beispiel 6.5 (Lagerkräfte, Biegespannung, Durchbiegung).
Die Schaltstange in Beispiel 5.16 (Abb. 5.11) ist zusätzlich in der Mitte gelagert. Zu
berechnen sind die Lagerkräfte, die größte Biegespannung und die Durchbiegung
an den Kraftangriffstellen für den Stangendurchmesser d = 5 mm.
Lösung 6.5
Wir bezeichnen die Lagerkräfte von links nach rechts mit FA , FB und FC (Abb. 6.5) und können
die Berechnung ähnlich wie in Beispiel 6.2 durchführen. Die Verformungsbedingung lautet

fB = fBF + fBB = 0 .

Dem Beispiel 5.16 entnehmen wir

39 Fl3
fBF = fm = .
2 · 83 EIa
Mit
FB l3
fBB = −
48EIa
6.5 Einfluss der statisch unbestimmten Lagerung bei Wellen und Trägern 189

aus Beispiel 6.2 folgt

39 Fl3 F l3 117
− B =0 und FB = F = 7,31 N .
2 · 8 EIa 48EIa
3 64
Die übrigen Lagerreaktionen sind dann
 
1 117
FA = FC = 2F − F = 0,344 N .
2 64

Das größte Biegemoment im Querschnitt im mittleren Lager beträgt (Abb. 5.11)


 
l l
Mb max = FA − F − a = 0,344 N · 400 mm − 4 N · 100 mm = −262 Nmm .
2 2

Mit dem Widerstandsmoment Wb = 12,3 mm3 erhält man die Biegespannung

262 Nmm
σb max = = 21,3 N/mm2 .
12,3 mm3

Dieser Betrag ist gegenüber der in Beispiel 5.16 gerechneten zulässigen Spannung 120 N/mm2
unbedeutend.
Die Durchbiegung an der Stelle der Kraft F erhält man aus fF = fFF + fFB . Tabelle 4.1, Fall 7,
ergibt mit a/l = 3/8
 
Fl3 32 4 3 9 Fl3
fFF = · 2 1− · = · .
2EIa 8 3 8 4 · 8 EIa
2

Aus Tabelle 4.1, Fall 3, folgt


 
FB l3 3 4 32 39 FB l3
fFB = w(x = a) = − · 1− · 2 = − .
16EIa 8 3 8 4 · 83 EIa

Somit ist die Durchbiegung

3 · (24F − 13FB )l3 45 Fl3 45 · 4 N · (8 · 102 mm)3


fF = = · = = 0,109 mm .
4 · 8 EIa
3 4 · 8 EIa
5
4 · 85 · 2,1 · 105 N/mm2 · 30,7 mm4

Gegenüber der Durchbiegung ohne Mittellager in Beispiel 5.16 ist das weniger als der hundertste
Teil.

Beispiel 6.6 (Träger).


Ein Träger I 400 nach DIN 1 025 Bl. 1 aus S235JR (σzul = 140 N/mm2 ) ist in A
und B statisch bestimmt gestützt und in der Mitte des überstehenden Endes durch
die Gewichtskraft FG = 100 kN belastet (Abb. 6.11 a). Zu berechnen sind die Durch-
biegung des Trägerendes C und die größte Biegespannung. Das überstehende Ende
des Trägers soll eine zusätzliche Streckenlast q = 30 kN/m tragen. Zur Abstützung
ist in C eine starre Stütze angebracht (Abb. 6.11 b). Wie groß ist die Stützkraft FC
und die größte Biegespannung? Mit welchem I-Trägerprofil würde man nun aus-
kommen?
Lösung 6.6
Die Durchbiegung am Ende des Trägers berechnen wir nach Tabelle 4.1, Fall 5, mit a = l/2 und
I = 29 210 cm4
190 6 Statisch unbestimmte Systeme

a)
l a a

FG

A fGG C
B
fCG

α
FG q
b)

A B C

fCq
Abb. 6.11 Träger auf zwei
Stützen mit der Einzellast FG
auf dem überkragenden Ende
a) Lageplan, Durchbiegung c)
unter der Last FG fCC
b) Träger mit Zusatzlast q
zusätzlich in C gelagert
c) Durchbiegungen infolge q
und FC FC

fCG = fGG + (tan α)a


FG l3 a2  a  FG l2 a  a FG l3 a2  a 13 FG l3
= · 2 1+ + · 2+3 a= · 2 4+5 =
3EI l l 6EI l l 6EI l l 6 · 8 EI
13 · 105 N · (4 · 103 mm)3
= = 28,3 mm .
6 · 8 · 2,1 · 105 N/mm2 · 29 210 · 104 mm4

Mit dem größten Biegemoment

Mb max = FG a = 2 · 108 Nmm

und dem Widerstandsmoment Wb = 1 460 cm3 erhält man die Biegespannung

σb = 137 N/mm2 < σzul .

Zur Ermittlung der Lagerkraft FC bei dreifacher Lagerung benötigen wir die Verformungsbedin-
gung
fC = fCG + fCq + fCC = 0 .
[22] entnehmen wir die Durchbiegung in C unter der Streckenlast
 2  
q2al3 2a 3 2a 7 q2al3
fCq = 1+ · = · .
6EI l 4 l 6·4 EI
6.6 Geschlossene Rahmen 191

Die Durchbiegung an der Stelle der unbekannten Stützkraft FC entnimmt man Tabelle 4.1, Fall 5,
(mit 2a anstatt a der Tabelle)
 2  
FC l3 2a 2a 2 FC l3
fCC = − 1+ =− · .
3EI l l 3 EI

Die obenstehende Verformungsbedingung ergibt

13 FG l3 7 q2al3 2 FC l3
· + − = 0.
6 · 8 EI 6 · 4 EI 3 EI
Nach Auflösen dieser Gleichung erhalten wir

13 7
FC = FG + q2a = 40,6 · 103 N + 52,5 · 103 N = 93,1 · 103 N .
32 16
Nunmehr sind die Biegemomente an der Stelle von FG

qa2
MbG = FC a − = 93,1 · 103 N · 2 · 103 mm − 60 · 103 N · 1 · 103 mm = 126 · 106 Nmm
2
und im Lager B
MbB = FC 2a − q2a2 − FG a = −67,6 · 106 Nmm .
Man erhält mit dem größten Biegemoment an der Stelle von FG die Spannung σb = 86,5 N/mm2 ,
das ist weniger als vorher.
Um die neue Profilgröße zu bestimmen, rechnen wir das erforderliche Widerstandsmoment mit
σzul = 140 N/mm2 aus

Mb max 1,26 · 108 Nmm


Wb = = = 902 · 103 mm3 .
σzul 140 N/mm2

Aus der Profiltafel entnimmt man, dass das I-Profil 340 mit Wb = 923 cm3 ausreicht. Bei insge-
samt mehr als doppelt so großer Last ergibt die dreifache Lagerung des Trägers mit dem I-Profil
340 ca. 26 % Gewichtsersparnis.

6.6 Geschlossene Rahmen

In der Praxis kommen des öfteren geschlossene Konstruktionen vor, z. B. Fe-


derbügel, Gehäuse o.ä., die man als Rahmen bezeichnet. Sie können eingliedrig oder
auch mehrgliedrig sein und sind innerlich statisch unbestimmt, d. h., der Zusam-
menhang zwischen äußeren Kräften und den Schnittreaktionen ist aus den Gleich-
gewichtsbedingungen allein nicht zu erfassen.
In einfacheren Fällen lassen sich die Schnittreaktionen mit Hilfe der Superpo-
sitionsmethode nach dem in den vorigen Abschnitten gezeigten Vorgehen berech-
nen. Auch das in Abschnitt 6.4 behandelte Verfahren von C ASTIGLIANO kann zur
Berechnung von Rahmen herangezogen werden, wenn diese nicht mehr als 2 bis
3fach innerlich statisch unbestimmt sind. Der Einsatz von Computern eröffnet z. B.
über die Finite-Elemente-Methode die Möglichkeit, auch hochgradig statisch unbe-
stimmte ebene und räumliche Probleme zu behandeln. Das folgende Beispiel soll
192 6 Statisch unbestimmte Systeme

zeigen, wie man in einem geschlossenen Rechteckrahmen (Federbügel) elementar


durch Anwendung der Superpositionsmethode die Schnittreaktionen und damit den
Biegemomentenverlauf ermitteln kann.
Beispiel 6.7 (Rechteckrahmen).
Ein in den Ecken biegesteifer geschlossener Rechteckrahmen aus Araldit B (Modell
eines Federbügels) ist durch die zwei gegenüberliegenden Einzelkräfte 2F = 670 N
beansprucht (Abb. 6.12 a). Gesucht sind Biegemomentenverlauf längs der Rahmen-
achse sowie Biegespannungen und Verformungen der Querschnitte I und II.
Lösung 6.7
Um die Schnittreaktionen berechnen zu können, wenden wir die Schnittmethode an. Aus Symme-
triegründen kann ein durch die Schnitte I-I und II-II abgegrenztes Rahmenviertel für sich allein
betrachtet werden, es ist in Abb. 6.12 b) vereinfacht dargestellt. Als unbekannte Schnittreaktionen
sind in den Schnittstellen die Momente M1 und M2 eingezeichnet. Das Momentegleichgewicht
ergibt
M1 + M2 − Fa = 0 .
Da weitere Gleichgewichtsbedingungen nicht zur Verfügung stehen (sie sind identisch erfüllt), ist
das Rahmenviertel einfach statisch unbestimmt. Als weitere Bedingung wählen wir die Verfor-
mungsbedingung tan α1 = 0; sie sagt aus, dass die Mittellinie im Querschnitt I keine Änderung
des Neigungswinkels erfährt. Die Ersatzsysteme zur Überlagerung der Formänderungen sind in
den Bildern 6.12 c) und d) gezeichnet, das untere Ende kann man dabei vorübergehend als einge-
spannt annehmen mit den Einspannreaktionen M2 und F.
Tabelle 4.1 entnimmt man (Fall 1 mit l = a und Fall 2 mit l = b und Mb = Fa)

Fa2 Fa Fa  a 
tan α1F = + b= +b .
2EI EI EI 2
Desgleichen ist nach Tabelle 4.1, Falle 2, mit Mb = M1 , l = a bzw. l = b

a) 2F b) c) d)
I a a a
F F
I M1 M1
40

b
b

b
2b = 300 mm

M2
II II F
10 mm
dick
40 40
40

2F
2a = 200 mm

Abb. 6.12 Rechteckrahmen.


a) Rechteckrahmen mit Einzelkräften,
b) vereinfachtes Teilsystem,
c) und d) Teilsystem zur Überlagerung
6.6 Geschlossene Rahmen 193

M1 a M1 b M1
tan α1M1 = + = (a + b) .
EI EI EI
Die Überlagerung ergibt

Fa  a  M
1
tan α1 = tan α1F − tanα1M1 = +b − (a + b) = 0 .
EI 2 EI
Daraus folgt
a/2 + b
M1 = Fa
a+b
oder mit b = 1, 5a
M1 = 0, 8Fa .
Setzt man M1 in die Gleichgewichtsbedingungen ein, erhält man

a/2
M2 = Fa − M1 = Fa
a+b
und wieder mit b = 1, 5a
M2 = 0, 2Fa .
Der Biegemomentenverlauf über der Rahmenmittellinie ist in Abb. 6.13 aufgezeichnet, im Teil 2a
ist das Biegmoment linear veränderlich, im Teil 2b ist es konstant, die größte Beanspruchung ergibt
sich im Querschnitt I.
Die Biegespannungen sind mit

1
Wb = 10 mm · (40 mm)2 = 2,67 · 103 mm3
6

und M1 = 0, 4 · 6,7 · 104 mm im Querschnitt I σb = 10 N/mm2 , mit M2 = 0,67 · 104 Nmm


im Querschnitt II σb = 2,5 N/mm2 . Im Querschnitt II addiert sich zur Biegespannung noch die
Druckspannung
F 335 N
σd = = = 0,84 N/mm2 .
A 400 mm2
Somit ist im Querschnitt II links die Druckspannung 3,35 N/mm2 und rechts die Zugspannung
1,67 N/mm2 .
Als Verformungsgrößen der Querschnitte I und II ergeben sich Verschiebungen f1v und f1h
infolge Biegung, Druck und Schub; letztere sollen vernachlässigt werden. Die Durchbiegung im
Querschnitt I ergibt sich ebenfalls durch Überlagerung aus den Teilsystemen (Abb. 6.12 c) und d).
Aus Tabelle 4.1 entnimmt man für die gleichen Fälle wie oben

Fa3 Fa Fa2  a 
f1F = +a b= +b
3EI EI EI 3

2
2F Fa
10

8
Fa
10
2b

Abb. 6.13 Biegemomentenverlauf


im Rechteckrahmen 2a 2F
194 6 Statisch unbestimmte Systeme

sowie
M 1 a2 M1 b M1 a  a 
f1M1 = +a = +b .
2EI EI EI 2
Die Überlagerung ergibt

Fa2  a  Fa2  a  2 Fa2


f1v = f1F − f1M1 = + b − 0, 8 +b = (3b − a) .
EI 3 EI 2 30 EI
Mit b = 1, 5a ist
7 Fa3 Fa3
f1v = ≈ 0, 233 .
30 EI EI
Mit I = 10 mm · (40 mm)3 /12 = 5,33 · 104 mm4 und E = 3,5 · 103 N/mm2 für Araldit ist

f1v = 0,418 mm .

Berücksichtigt man noch die Zusammendrückung des vertikalen Teils mit l = 150 mm

Fl 335 N · 150 mm
dl = = = 0,036 mm,
EA 3,5 · 103 N/mm2 · 400 mm2

ergibt sich als Gesamtverschiebung (ohne Schubverformung im Teil 2a) 0,454 mm. Die Verschie-
bung des Querschnitts II in horizontaler Richtung ist gleich der Verschiebung des Querschnitts I
bei festgehaltenem unteren Ende

Fa 2 M1 2
f1hF = b , f1hM1 = b .
2EI 2EI
Die Überlagerung ergibt

Fab2 Fab2 1 Fab2


f2h = f1h = f1hF − f1hM1 = − 0, 8 = .
2EI 2EI 10 EI
Mit b = 1, 5a ist
Fa3
f2h = 0, 225 = 0,404 mm .
EI

6.7 Aufgaben zu Kapitel 6

Aufgabe 6.1 (Lagerreaktionen). Für den Träger in Beispiel 6.1 (Abb. 6.4 a) er-
mittle man die Lagerreaktionen FA , FB , FC und M0 durch Zerlegung des gegebenen
Systems in die Teilsysteme nach Abb. 6.3 a), c) und d).

Aufgabe 6.2 (Maschinenwelle). Eine Maschinenwelle (Durchmesser d = 30 mm)


ist vierfach gelagert und in der Mitte durch die Last F = 4,4 kN belastet, a = 80 mm,
l = 240 mm (Abb. 6.14). Zu berechnen sind die Lagerkräfte, die Biegespannung und
die Durchbiegung in der Mitte der Welle. Man vergleiche Spannung und Durchbie-
gung mit dem Fall, dass die beiden äußeren Lager fehlen (E = 2,1 · 105 N/mm2 ).

Aufgabe 6.3 (Träger under verteilter Last). Ein Träger, Stützweite l = 12 m, ist
durch die gleichmäßig verteilte Last q = 10 kN/m belastet (Abb. 6.15 a).
6.7 Aufgaben zu Kapitel 6 195

l
a l/2 a

Abb. 6.14 Vierfach gelagerte


Welle mit Einzellast A B C D

q
Abb. 6.15 Träger auf zwei q
Stützen
a) mit gleichmäßig verteilter A B A C B

h
l
Last
b) in C zusätzlich gestützt l/2

1. Welches I-Profil nach DIN 1 025 Bl. 1 ist zu wählen, wenn die zulässige Span-
nung σzul = 90 N/mm2 vorgeschrieben ist?
2. Die Last soll auf q  = 20 kN/m verdoppelt werden. Zur Unterstützung wird in
die Mitte ein I-Träger 320 DIN 1 025 Bl. 1, mit einer Höhe h = 3 750 mm als
Pendelstütze eingesetzt (Abb. 6.15 b). Wie groß sind die Stützkraft FC , wenn die
Stütze
a) starr,
b) elastisch
angenommen wird? Wie groß ist im Fall a) die größte Biegespannung im Decken-
träger und die Druckspannung im Stützträger? Welche Profil-Nr. ist unter Aus-
nutzung der zulässigen Biegespannung für den Deckenträger ausreichend?

Aufgabe 6.4 (Stützkräfte, Biegemomente). Für die in Abb. 6.16 a) und b) gezeich-
neten Träger sind die Stützkräfte und die Biegemomente in den maßgebenden Quer-
schnitten zu berechnen. Anleitung zu 6.4 b): Man wähle die Gelenkkraft als statisch
Unbestimmte, fGF = 0!

a) b)
2F
F F F
A l/4 l/3 B A B G C D
l/2
l l
2l l/2
3l
4l

Abb. 6.16 Mehrfach gelagerter Träger


a) doppelt eingespannter Träger mit zwei Einzellasten
b) vierfach gelagerter G ERBER -Träger
196 6 Statisch unbestimmte Systeme

Abb. 6.17 Träger auf drei q


F
Stützen, durch gleichmä-
ßige Last q und Einzellast F
belastet A B C
3 000 3 000
8 000

Aufgabe 6.5 (Biegespannungen im gefährdeten Querschnitt). Ein I-Träger 240


DIN 1 025 Bl. 1 ist durch die gleichmäßig verteilte Last q = 25,6 kN/m und die
Einzellast F = 43,5 kN belastet (Abb. 6.17). Die Lagerkräfte sind zu ermitteln. Wie
groß ist die Biegespannung im gefährdeten Querschnitt?

6.8 Formelzusammenfassung Kapitel 6

• Grad der statischen Unbestimmtheit

k = a + z − 3n

• Formänderungsarbeit bei Biegung

l
1 M2b
W= dx .
2 EI
0

• Durchbiegungen an der Stelle einer Kraft

l
1 ∂Mb
w= Mb dx ,
EI ∂F
0

• Tangentenneigung an der Stelle eines Momentes

l
1 ∂Mb
w = Mb dx ,
EI ∂M
0
Kapitel 7
Torsion prismatischer Stäbe

7.1 Torsion gerader Stäbe

Ein prismatischer Stab ist ein Stab mit konstanter Querschnittform. Die Kreisform
ist dabei die einfachste, von der wir ausgehen wollen. Der Stab wird verdreht (oder
tordiert), wenn Kräftepaare F und −FF, auf ihn einwirken, wobei die Wirkungsebe-
nen senkrecht zur Stabachse liegen oder deren Momentvektoren die Richtung der
Stabachse haben (Abb. 7.1). Das Moment des Kräftepaares heißt Drehmoment oder
Torsionsmoment bzw. Drillmoment Mt . Der Stab wird auch kurz als Torsionsstab
oder Drehstab bezeichnet.
Wir wollen untersuchen, welche Beanspruchungen und Verformungen das Dreh-
moment im Stab hervorruft und wenden die Schnittmethode an. Durch zwei im
Abstand dx benachbarte Querschnitte denken wir uns ein Stababschnitt abgegrenzt
(Abb. 7.2). Ist das äußere Drehmoment längs der Stabachse konstant, wirkt in je-
dem betrachteten Querschnitt als Schnittgröße das gleiche Moment Mt . Dieses ist
gleichzeitig das resultierende Moment aller Kräfte aus den im Querschnitt wirken-
den Spannungen.
Normalspannungen im Querschnitt eines Drehstabes können kein resultieren-
des Moment um die Stabachse ergeben. Wenn solche Spannungen vorhanden sind,

Mt

F −F
−F
y
x
F Mt
Abb. 7.1 Torsionsstab z

197

G. Holzmann et al., Technische Mechanik Festigkeitslehre, DOI 10.1007/978-3-8348-8101-4_7,


© Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
198 7 Torsion prismatischer Stäbe

Abb. 7.2 Stabteil Mt

dr
r

dx
d
τ(r)

können sie nur ein Gleichgewichtssystem bilden. Aus Symmetriegründen kann man
jedoch schließen, dass Normalspannungen nicht möglich sind.
Somit können nur Spannungen tangential zum Querschnitt vorhanden sein. Im
Abschnitt 1.3 haben wir diese als Schubspannungen τ definiert. Der Index t (von
Torsion) bei τt soll angeben, dass es sich um eine Torsionsschubspannung handelt;
er kann weggelassen werden, wenn eine Verwechslung mit einer anderen Schub-
spannung ausgeschlossen ist.
Aus dem Stabteil (Abb. 7.2) denken wir uns durch zwei Zylinderschnitte ein
dünnes Rohr abgegrenzt. Die auf dieses Rohr entfallenden Anteile der Schubspan-
nungen im Querschnitt können aus Symmetriegründen nur tangential zu den Au-
ßenrändern gerichtet ein, sie sind eingezeichnet. Das gleiche gilt naturgemäß für
jedes Rohr im Stab, so dass im Kreisquerschnitt alle Schubspannungen tangential
zum Außenrand verlaufen. Zwei benachbarte Rohre können sich an ihren Wänden
gegenseitig nicht verschieben, Zylinderschnittflächen sind also spannungsfrei.
Die beiden benachbarten Querschnitte in Abb. 7.2 erfahren infolge des Drehmo-
ments Mt eine relative Verdrehung zueinander um den Winkel dϕ (Abb. 7.3). Ein
Punkt A1 auf dem Umfang des oberen Kreisquerschnittes erfährt eine Verschiebung
nach B1 , die gleiche Verschiebung führt Punkt A2 nach B2 aus und somit jeder
Punkt auf dem Umfang, es gilt A1 B1 = A2 B2 . Da keine Normalspannungen in den
Querschnitten wirken, ändert sich bei der Verdrehung der Abstand dx nicht.
Wir fassen die bisher gewonnen Erkenntnisse über die Verdrehung zusammen.

Mt

d
dx

Mo
Mu
dϕ B2
B1
Abb. 7.3 Verdrehung am A1 A2
Stabteil C1 C2
7.1 Torsion gerader Stäbe 199

Bei der Torsion prismatischer Stäbe treten in den Querschnitten Schubspan-


nungen auf. Zwei benachbarte Querschnitte erfahren eine relative Verdrehung
zueinander.

Bevor wir uns mit der Torsion weiter befassen, sollen zunächst einige allgemeine
Gesetze über Schubspannungen hergeleitet werden.

7.1.1 Schubspannung und Schubverformung - Hooke’sches Gesetz


- Formänderungsarbeit

Aus dem Stababschnitt in Abb. 7.3 denken wir uns ein an der Oberfläche durch
A1 A2 C2 C1 begrenztes dünnes Rohrstück (Element) mit der Dicke dz herausge-
schnitten (Abb. 7.4). Nach dem oben gesagten wirken in den oberen und unteren
Begrenzungsflächen der Abb. 7.4 a) Schubspannungen, die wir τxy nennen wollen1 .
Die Schubkräfte Ty = τxy dy dz stehen für sich allein nicht im Gleichgewicht, weil
sie ein Kräftepaar (τxy dy dz) dx bilden. In der rechten und der linken Seitenfläche
müssen demnach ebenfalls Schubspannungen τyx vorhanden sein (Abb. 7.4 b),
deren Schubkräfte Tx = τyx dx dz ein Kräftepaar (τyx dx dz) dy bilden. Aus der
Gleichgewichtsbedingung

Miz = 0 = τxy dy dz dx − τyx dx dz dy

folgt
τxy = τyx = τ . (7.1)
Die Gl. (7.1) und der in Abb. 7.4 b) dargestellte Sachverhalt geben den Satz über
die Gleichheit der zugeordneten Schubspannungen an.
Satz 7.1 (Satz über die Gleichheit der zugeordneten Schubspannungen). Schub-
spannungen treten in zwei aufeinander senkrechten Schnittflächen immer paarweise

a) dz τxy b) dz τxy

A1 A2 A1 A2

τyx
dx

dx

τyx

C1 τxy C2 C1 τxy C2
Abb. 7.4 Element mit Schub- dy dy
spannungen

1 Der erste Index, also x, gibt die Richtung der Flächennormalen, der zweite y die Richtung der

Spannung an.
200 7 Torsion prismatischer Stäbe

auf. Sie sind gleich groß, zeigen senkrecht zur Schnittkante und sind beide entweder
zur Schnittkante hin oder von ihr weggerichtet.
In der Literatur wird diese Aussage auch teilweise als B OLTZMANN-Axiom2 for-
muliert.
Die Rohrwand in Abb. 7.3 erfährt durch die Schubkräfte eine Verformung,
die aus einer Verschiebung der Punkte A1 und A2 nach B1 und B2 besteht. Das
Rohrstück (Abb. 7.5) verschiebt sich in die gestrichelt gezeichnete Lage. Die bei-
den Kanten A1 C1 und B1 C1 schließen den Gleitwinkel γ ein. Wie das Experiment
zeigt, sind Gleitwinkel γ und Schubspannung τ für hinreichend kleine Verformun-
gen bei vielen Werkstoffen zueinander proportional

τ = Gγ. (7.2)

Gleichung (7.2) ist das H OOKE’sche Gesetz für Schubbeanspruchung. Es hat für die
Festigkeitslehre die gleiche Bedeutung, wie das H OOKE’sche Gesetz zwischen den
Normalspannungen σ und den Dehnungen ε. Der Proportionalitätsfaktor G ist der
Gleit- oder Schubmodul, der ebenso wie der Elastizitätsmodul E und die Querkon-
traktionszahl ν einen Materialkennwert darstellt3 .
Die auf die Volumeneinheit bezogene Formänderungsarbeit wurde früher be-
reits als spezifische Formänderungsarbeit definiert (s. Abschnitt 2.2.2). Wir wollen
sie auch für Schubbeanspruchung herleiten. Entlang des Weges ds = γ dx leistet

ds
A1 τ

B1 A2 B2

τ
dx

γ
τ
τ

Abb. 7.5 Verschiebung durch C1 dy C2


den Gleitwinkel

2 L UDWIG E DUARD B OLTZMANN (∗ 20. Februar 1844 in Wien; † 5. September 1906 in Duino

bei Triest), Physiker und Philosoph, bedeutende Beiträge zur Thermodynamik (Deutung der Entro-
pie) und statistischen Mechanik, Professor in Graz, München, Wien, Leipzig, 1891 Mitglied der
Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 1896 Mitglied der Accademia dei Lincei
3 Zwischen diesen drei Kennwerten besteht für isotrope Werkstoffe die Beziehung (der Beweis

erfolgt in Abschnitt 9.3.2) G2(1 + ν) = E. Für Stahl z. B. erhält man mit E = 2,1 · 105 N/mm2
und ν = 0, 3 den Gleitmodul

2,1 · 105 N/mm2


G= = 8,1 · 104 N/mm2 .
2, 6
7.1 Torsion gerader Stäbe 201

die Schubkraft τ dy dz die Arbeit (Abb. 7.5) dW = 0, 5τ dy dzγ dx. Als spezifische
Formänderungsarbeit bei Schub folgt somit
1
ΔW = τ γ . (7.3)
2
Ersetzen wir in dieser Gleichung den Gleitwinkel aus Gl. (7.2) durch die Schub-
spannung, ergibt sich
τ2
ΔW = . (7.4)
2G

7.1.2 Torsionsstäbe mit Vollkreisquerschnitt

Ist der Querschnitt eines Torsionsstabes kreisförmig und treten im Querschnitt keine
Normalspannungen auf, sind aus Symmetriegründen keine Querschnittsverwölbun-
gen möglich. Kreisquerschnitte bleiben bei der Verdrehung eben und zwei benach-
barte Querschnitte verdrehen sich relativ zueinander (Abb. 7.3).
Wir wollen nun das Verteilungsgesetz der Torsionsschubspannungen herleiten
und betrachten den in Abb. 7.3 durch die Punkte Mo A1 B1 C1 Mu abgegrenzten so
genannten Verformungskeil (Abb. 7.6). Ist an einem beliebigen Radius r der Gleit-
winkel γ(r) und am Außenradius γ, entnimmt man dem Abb. mit dem Kreisdurch-
messer d die Beziehungen

γ(r) r d
= , γ dx = dϕ . (7.5)
γ d/2 2

Die erste Gleichung aus (7.5) stellt für die Torsion von Stäben mit Kreissymmetrie
die Kompatibilitätsbedingung dar. Sie sagt aus, dass der Gleitwinkel γ(r) linear mit
dem Radius r nach außen zunimmt.

Mo

r d/2

B1
Mu A1
γ(r) A1 B1
γ
dx

C1

Abb. 7.6 Verformungskeil C1


202 7 Torsion prismatischer Stäbe

7.1.2.1 Schubspannungen

Nach dem H OOKE’schen Gesetz (7.2) folgt mit

τ(r) = G γ(r), τt = G γ

aus der ersten Gleichung (7.5) die Schubspannung im Abstand r vom Kreismittel-
punkt
r
τ(r) = τt (7.6)
d/2
Mit τt ist hier die Randschubspannung bezeichnet, die nach Gl. (7.6) der Maximal-
wert aller Schubspannungen τ(r) ist.
Das resultierende Moment aller im Querschnitt wirkenden Schubkräfte τ(r) dA
ist dem Drehmoment gleich (Abb. 7.2)


d/2

rτ(r) dA = Mt , dA = 2πrdr . (7.7)


0

Setzt man noch τ(r) aus Gl. (7.6) ein, ergibt sich


d/2 
d/2
r τt
r τt dA = r2 dA = Mt . (7.8)
d/2 d/2
0 0

Das Integral in Gl. (7.8)


 ist nach Gl. (4.7) das polare Flächenmoment 2. Ordnung
des Kreisquerschnitts r2 dA = Ip = (π/32)d4 , bezogen auf den Mittelpunkt als
Pol. Somit ist
Mt d
τt = (7.9)
Ip 2
die größte Schubspannung am Außenrand des Kreisquerschnitts. Mit Gl. (7.6) folgt
die Schubspannungsverteilung
Mt
τ(r) = r. (7.10)
Ip

Beide Gleichungen sind in ihrem Aufbau mit denjenigen für die Biegespannungen
identisch, s. Abschnitt 4.2.1. Wie dort, definiert man auch bei der Torsion als (pola-
res) Widerstandsmoment gegen Torsion den Quotienten

Ip π
Wp = = d3 (7.11)
d/2 16

mit d/2 als Randabstand. Damit lautet der Ausdruck für die Randschubspannung
7.1 Torsion gerader Stäbe 203

Abb. 7.7 Kreisquerschnitt


mit eingezeichneten Schub-
spannungen τt

r)
τ(
r

d
Mt
τt = . (7.12)
Wp

Diese größte Schubspannung soll die zulässige Spannung nicht überschreiten, und
man erhält als Festigkeitsbedingung

Mt
 τzul . (7.13)
Wp

Aus dieser Gleichung folgen wieder wie bei der Biegung die Tragfähigkeit eines
Drehstabes (das zulässige Drehmoment)

Mt zul  Wp τzul (7.14)

und die Bemessung eines Drehstabes

Mt
Wp  . (7.15)
τzul
In Abb. 7.7 ist die Schubspannungsverteilung nach Gl. (7.10) in den Kreisquer-
schnitt eingezeichnet. Aus dem Satz der zugeordneten Schubspannungen folgt, dass
in Längsschnittflächen senkrecht zum Querschnitt auch Schubspannungen vorhan-
den sein müssen. Ihr Vorhandensein kann man in einem Verdrehversuch nachweisen
(s. Abschnitt 7.1.5).

7.1.2.2 Torsionswinkel

Die relative Verdrehung zweier benachbarter Querschnitte gegeneinander ergibt die


zweite Gleichung (7.5)
dx
dϕ = γ
d/2
204 7 Torsion prismatischer Stäbe

oder mit dem H OOKE’schen Gesetz


τt dx
dϕ = .
G d/2

Hat ein Torsionsstab die Länge l, ist mit dx = l der Torsionswinkel über die Länge

τt l
ϕ = dϕ = . (7.16)
Gd/2

Ersetzt man τt nach Gl. (7.9), wird


Mt l
ϕ= . (7.17)
GIp

Den Ausdruck GIp im Nenner der vorstehenden Beziehung nennt man analog zur
Biegesteifigkeit EIy die Torsionssteifigkeit. Sie hängt vom Werkstoff und vom Quer-
schnitt ab. Für die Torsion ist wie bei der Biegung nicht nur die Größe des Quer-
schnitts maßgebend, sondern vor allem seine Form.

7.1.3 Torsionsstäbe mit Kreisringquerschnitt

Teilt man einen Torsionsstab mit Vollkreisquerschnitt in einen Kern mit dem Durch-
messer di und einen Kreiszylinder mit dem Innendurchmesser di und dem Außen-
durchmesser da , bleiben Spannungs- und Formänderungszustand gleich. Demzufol-
ge kann man den Kern entfernen und erhält einen Hohlstab. Wegen der Kreissym-
metrie gelten alle in den vorigen Abschnitten angestellten Überlegungen sinngemäß.
Gleichung (7.6) ergibt die Schubspannung im Abstand r zwischen Innen- und Au-
ßenradius
r
τ(r) = τt . (7.18)
da /2
Da nur der Ringquerschnitt für das
 resultierende Drehmoment der Schubkräfte zur
Verfügung steht, ist in Gl. (7.8) r2 dA = Ip das polare Flächenmoment der Kreis-
ringfläche. Führen wir das Durchmesserverhältnis α = di /da ein, ist
π 4 π
Ip = (d − d4i ) = d4a (1 − α4) .
32 a 32
Für die größte Schubspannung am Außenrand erhalten wir

Mt da
τt = . (7.19)
Ip 2

Für die Schubspannungsverteilung gilt sinngemäß Gl. (7.10). Am Innenrand des


Hohlstabes ist
7.1 Torsion gerader Stäbe 205

Abb. 7.8 Kreisquerschnitt


mit eingezeichneten Schub-
spannungen τt

τ(r)
τti
r

da
di
t

Mt di
τti = = α τt .
Ip 2
Mit dem Widerstandsmoment gegen Torsion

Ip π
Wp = = d3 (1 − α4) (7.20)
da /2 16 a

ist die Randschubspannung


Mt
τt =
Wp
wie beim Vollquerschnitt. Die Beziehungen in den Gln. (7.13) bis (7.15) gelten dann
ebenfalls sinngemäß.
Für dünnwandige Kreisringquerschnitte mit dem mittleren Durchmesser dm , der
Wanddicke t ist Ip = (π/4)d3m t und Wp ≈ Ip /(dm /2) = (π/2)d2m t = 2Am t, wenn
t  dm gilt. Am = (π/4)d2m ist der von der Mittellinie des Ringes eingeschlossene
Flächeninhalt (s. Abschnitt 7.1.4). In Abb. 7.8 ist die Spannungsverteilung im Quer-
schnitt gezeichnet, für dünnwandige Querschnitte kann τ(r) annähernd gleichmäßig
über die Wand t verteilt angenommen werden.
Für die Ermittlung des Torsionswinkels in zylindrischen Hohlstäben gelten eben-
falls die Gln. (7.16) und (7.17). Häufig werden in Bauteilen nicht nur zulässige
Spannungen vorgeschrieben, sondern die Einhaltung bestimmter Grenzen des Tor-
sionswinkels verlangt. Bauteile, die als gerade Torsionsstäbe angesehen werden
können, sind Wellen und Drehstabfedern. Die reine Torsion kommt in diesen Teilen
jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen vor, häufiger ist die Kombination mit
der Biegebeanspruchung. Der Drehstab (Abb. 7.9) z. B. wird nach Abb. 7.9 a) durch
die Kraft gebogen und verdreht, während durch das Anbringen eines Lagers nach
7.9 b) die Biegebeanspruchung praktisch ausgeschaltet ist.
Beispiel 7.1 (Gelenkwelle).
Die Gelenkwelle aus Stahl in einem Kraftfahrzeug ist für ein maximales Dreh-
moment Mt = 264 Nm zu bemessen. Wie groß ist der Torsionswinkel zwischen
206 7 Torsion prismatischer Stäbe

Abb. 7.9 Torsionsstab a) b)


a) mit zusätzlicher Biegung
b) Biegung verhindert R

F F

s
ϕ

den Gelenken bei der Länge l = 2,5 m? Gegeben sind τzul = 30 N/mm2 sowie
G = 8,1 · 104 N/mm2 .
Lösung 7.1
Für die Bemessung benötigt man Gl. (7.15)

Mt 264 · 103 Nmm


Wp  = = 8,8 · 103 mm3 .
τzul 30 N/mm2

Der Durchmesser folgt aus Gl. (7.11)



3 16 · 8,8 · 10 mm
3 3
3 16Wp
d= = = 35,5 mm .
π π
Gewählt wird d = 36 mm. Den Drehwinkel ergibt Gl. (7.17). Mit dem polaren Flächenmoment
Ip = (π/32)d4 = 16,49 · 104 mm4 ist

Mt l 264 · 103 Nmm · 2 500 mm


ϕ= = = 0, 0494 = 2,83◦ .
GIp 8,1 · 104 N/mm2 · 16,49 · 104 mm4

Beispiel 7.2 (Schiffswelle).


Eine Schiffswelle aus Stahl (G = 8,1 · 104 N/mm2 ), Länge l = 16 m, Nenndreh-
zahl n = 80 min−1 , soll so bemessen werden, dass beim größten Drehmoment die
zulässige Schubspannung τzul = 40 N/mm2 nicht überschritten wird. Hierbei darf
der Drehwinkel zwischen den Wellenenden höchstens ϕ = 4◦ betragen. Wie groß
ist der Durchmesser auszuführen, und welche Leistung kann die Welle bei der an-
gegebenen Drehzahl höchstens übertragen?
Lösung 7.2
Zur Berechnung des Durchmessers benötigt man Gl. (7.16), in die τt = τzul einzusetzen ist. Auf-
gelöst nach dem Durchmesser d ergibt sich (dabei ist ϕ in rad einzusetzen)

2τzul l 2 · 40 N/mm2 · 16 · 103 mm


d= = = 226 mm .
Gϕ 8,1 · 104 N/mm2 · π(4◦ /180◦ )

Gewählt wird d = 230 mm. Das höchstzulässige Drehmoment liefert Gl. (7.14)

π · (230 mm)3
Mt zul = Wp τzul = · 40 N/mm2 = 9,56 · 107 Nmm .
16
Die Leistung erhält man mit ω = 2πn aus der Beziehung

80 −1 Nmm Nm
P = Mt ω = 9,56 · 107 Nmm · π · s = 8 · 108 = 8 · 105 = 800 kW .
30 s s
7.1 Torsion gerader Stäbe 207

Beispiel 7.3 (Drehmomentenschlüssel).


Ein Drehmomentschlüssel aus Federstahl mit geradem zylindrischen Schaft soll bei
dem Drehmoment Mt = 50 Nm den Winkelausschlag ϕ = 10◦ , bezogen auf die
Schaftlänge, ergeben. Gegeben sind τzul = 150 N/mm2 , G = 8,1 · 104 N/mm2 . Zu
berechnen sind der Schaftdurchmesser d und die Schaftlänge l.
Lösung 7.3
Der Durchmesser folgt wie in Beispiel 7.1 aus Gl. (7.15)

Mt 5 · 104 Nmm
Wp = = = 333 mm3
τzul 150 N/mm2

und Gl. (7.11)


3 16Wp 3 16 · 333 mm3
d= = = 11,9 mm .
π π
Wir wählen d = 12 mm und erhalten für das polare Flächenmoment Ip (π/32)d4 = 2 036 mm4 .
Löst man Gl. (7.17) nach l auf, erhält man die Schaftlänge

GIp 8,1 · 104 N/mm2 · 2 036 mm4 10◦


l= ϕ= π = 575 mm .
Mt 5 · 104 Nmm 180◦

Beispiel 7.4 (Masseersparnis).


In welchem Verhältnis zum Durchmesser d eines Stabes mit Vollkreisquerschnitt
muss der Außendurchmesser da eines zylindrischen Hohlstabes (Durchmesser-
verhältnis ist α = di /da ) größer sein, wenn in beiden Stäben bei der Torsion durch
das gleiche Drehmoment die Randschubspannungen gleich groß sein sollen? Wie
groß ist dann die prozentuale Masseersparnis beim Hohlstab?
Lösung 7.4
Aus dem Ansatz
Mt Mt
τt = = = const
Wp(Voll) Wp(Hohl)
folgt
π 3 π 3
d = d (1 − α4 ) .
16 16 a
Somit ist das gesuchte Durchmesserverhältnis

da 1
= √ .
1 − α4
3
d

Da die Massen bei gleicher Länge den Querschnitten proportional sind, kann man die Masseer-
sparnis aus einem Flächenvergleich ermitteln

dm dA AVoll − AHohl d2 − d2a (1 − α2 ) d2


= = = = 1 − a2 (1 − α2 ) .
m A AVoll d2 d

Setzt man noch die oben erhaltene Beziehung für da /d ein, ist

dm 1 − α2
= 1− √ .
( 1 − α4 )2
3
m

In Abb. 7.10 sind Durchmesservergrößerung und Masseersparnis in Abhängigkeit vom Durchmes-


serverhältnis α = di /da aufgetragen. Ersetzt man z. B. eine Vollwelle mit d = 100 mm durch
208 7 Torsion prismatischer Stäbe

Abb. 7.10 Durchmesservergröße-


rung (Kurve 1) und Masseer- 

sparnis (Kurve 2) 2, 4 100

1 Durchmesservergrößung da /d

2 Masseersparnis in %
2, 2
80
2, 0
1, 8 60

1, 6


2 40
1, 4
1, 2 1 20

1 0
0 0, 1 0, 2 0, 3 0, 4 0, 5 0, 6 0, 7 0, 8 0, 9 1
Durchmesserverhältnis α = di /da

eine Hohlwelle mit α = 0, 8, entnimmt man dem Bild da = 1, 19d = 119 mm, den Innendurch-
messer erhält man zu di = 0, 8da = 95 mm. Die dabei erzielte Masseersparnis ist etwa 49 %.
Aus der Darstellung in Abb. 7.10 ersieht man ferner, dass man durch dünnwandige Hohlquer-
schnitte beachtliche Masseersparnis erzielen kann. Weil sehr dünne Rohre bei der Torsion aus-
beulen, ist die Ersparnis aber begrenzt. Ein Aufbohren bis zum Verhältnis α = 0, 5 erfordert eine
Zunahme des Außendurchmessers um nur 2 % und ergibt eine Masseersparnis von annähernd 22%.

Beispiel 7.5 (Torsionsstab).


Der in Abb. 7.11 gezeichnete Torsionsstab ist in einer Versuchseinrichtung durch
das Drehmoment Mt beansprucht. Dabei wird über die Länge l der Drehwinkel
ϕ = 2,25◦ gemessen. Gegeben sind l = 300 mm, l1 = 100 mm, D = 30 mm,
d = 20 mm und G = 4,6 · 104 N/mm2 (Magnesiumlegierung).
a) Wie groß sind das eingeleitete Drehmoment Mt und die Schubspannungen?
b) Der Stab soll durch einen neuen mit konstantem Durchmesser bei gleicher Länge
l ersetzt werden.
– Wie groß ist der Durchmesser bei gleichem Drehmoment und gleichem Dreh-
winkel wie in a) zu wählen?
– Wie groß ist dann die Schubspannung τt ?
Lösung 7.5

a) Das Drehmoment berechnen wir bei gegebenem Drehwinkel aus Gl. (7.17). Hierbei ist jedoch
zu beachten, dass der Durchmesser des Stabes sich sprunghaft ändert. Es gilt somit der Ansatz

l
l1 l1
D

Abb. 7.11 Torsionsstab


7.1 Torsion gerader Stäbe 209
 
Mt 2l1 l − 2l1
ϕ= + = 2,25◦ = 0,039
G Ip1 Ip2

mit Ip1 = (π/32)D4 = 7,95 cm4 und Ip2 = (π/32)d4 = 1,571 cm4 . Löst man nach dem
gesuchten Drehmoment auf, erhält man

4,6 · 104 N/mm2 · 0,039 3


Mt = = 2,035 · 105 Nmm .
200 mm/7,95 cm4 + 100 mm/1,571 cm4

Die Schubspannung erhält man aus Gl. (7.12) mit Hilfe der Gl. (7.11). Im Stabteil mit dem
Durchmesser D ist das Widerstandsmoment Wp = (π/16)D3 = 5,3 cm3 und die Schub-
spannung
Mt 2,035 · 105 Nmm
τt = = = 38,4 N/mm2 .
Wp 5,3 · 103 mm3
Im mittleren Stabteil ist Wp = (π/16)d3 = 1,517 cm3 und τt = 129,5 N/mm2 .
b) Über Gl. (7.17) berechnen wir für den neuen Stab das notwendige polare Flächenmoment

Mt l 2,035 · 105 Nmm · 300 mm


Ip = = = 3,38 · 104 mm4 .
Gϕ 4,6 · 104 N/mm2 · 0,039 3

Mit Ip = (π/32)d4 ergibt sich der Durchmesser



4 32Ip

d= = 4 34,4 · 10 mm = 24,2 mm .
π

Ausgeführt wird der Durchmesser d = 25 mm mit Wp = 3 068 mm3 . Nunmehr ist die Schub-
spannung
2,035 · 105 Nmm
τt = = 66,3 N/mm2 .
3,068 · 103 mm3

7.1.4 Torsionsstäbe mit beliebiger Querschnittform

Die mathematische Behandlung der Torsion von Stäben mit nicht kreisförmigem
Querschnitt ist erheblich schwieriger als die der Stäbe mit kreissymmetrischen
Querschnitten. Die Querschnitte der Stäbe bleiben, wie auch Versuche bestätigt ha-
ben, nicht eben. Es treten Querschnittsverwölbungen auf, die nicht vernachlässigt
werden dürfen. Mit elementaren Mitteln lassen sich somit Spannungen und Formän-
derungen nicht mehr erfassen. Eine Ausnahme bildet hier lediglich die Behand-
lung dünnwandiger geschlossener Hohlquerschnitte. Eine geschlossene Lösung ist
möglich, auf deren Herleitung jedoch verzichtet werden soll.
Durch Einführung entsprechender Querschnittgrößen lassen sich die Berech-
nungsgleichungen für Stäbe mit nicht kreisförmigem Querschnitt auf ähnliche Form
bringen, wie die für Stäbe mit kreissymmetrischem Querschnitt, s. Gln. (7.12),
(7.16) und (7.17)
Mt
τt = , (7.21)
Wt
210 7 Torsion prismatischer Stäbe

Mt l
ϕ= . (7.22)
GIt
Ersetzt man in Gl. (7.22) das Drehmoment Mt mit Hilfe der Gl. (7.21), ist auch
τt lWt τt l
ϕ= = . (7.23)
GIt GIt /Wt

In diesen Gleichungen bedeuten


– Wt eine dem Widerstandsmoment Wp bei Kreisquerschnitt entsprechende Größe,
– It eine dem polaren Flächenmoment Ip bei Kreisquerschnitt entsprechende Grö-
ße,
– It /Wt eine dem Randabstand d/2 bzw. da /2 bei Kreisquerschnitt entsprechende
Größe.
It wird als Torsionsflächenmoment bezeichnet.
Nur bei kreissymmetrischen Querschnitten ist

Wt = Wp , It = Ip , It /Wt = d/2 bzw. da /2 .

Das Produkt GIt ist wieder die Torsionssteifigkeit. In der Tabelle 7.1 sind die Be-
ziehungen für die drei angegebenen Größen für die wichtigsten Querschnittformen
zusammengestellt.
Die Schubspannung τt ist die in dem jeweiligen Querschnitt vorkommende ma-
ximale Schubspannung, so dass wieder die der Gl. (7.13) entsprechende Festigkeits-
bedingung gilt
Mt
 τzul . (7.24)
Wt
Besonderheiten bei den einzelnen Querschnittformen sollen im folgenden kurz be-
sprochen werden:

7.1.4.1 Dünnwandige Hohlquerschnitte

In diese Gruppe fallen alle geschlossenen Kastenprofile, deren Wanddicke t klein


ist gegenüber den sonstigen Querschnittabmessungen. Die Schubspannungen in den
Querschnitten wirken überall tangential zur Berandung und können gleichmäßig
über die Wanddicke verteilt angenommen werden. Aus einer Gleichgewichtsbedin-
gung an einem Flächenelement des Hohlquerschnitts ergibt sich, dass das Produkt
aus Schubspannung und Wanddicke konstant ist, man bezeichnet es als Schubfluss
T (Abb. 7.12)
T = τ(t)t = τt tmin = const .
τt ist somit die größte Schubspannung in der dünnsten Wandstelle.
Tabelle 7.1 Querschnittsgrößen bei der Torsion von Stäben mit nicht kreisförmigem Querschnitt

Querschnitt Wt It It /Wt Bemerkungen

in
dünnwandiger geschlossener 4A2m 2A Am - Inhalt der von der Mit-
tm Hohlquerschnitt mit veränder- 2Am tmin  dU  m
dU tellinie umgrenzten Fläche
licher Wanddicke tmin

t
t t
7.1 Torsion gerader Stäbe

t dünnwandiger geschlossener dUm - Umfangselement mit


4A2m t 2Am
Hohlquerschnitt mit konstanter 2Am t der Wanddicke t,
Um Um Um - Länge der Mittellinie
Wanddicke

größte Spannung τt in den

a
Endpunkten der kleinen Ach-
Ellipse π π a3 b3 a2
ab2 2
b se, Schubspannung in den
n = a/b  1 16 16 a2 + b2 a + b2 Endpunkten der großen Ach-
se ist τ2 = τt /n
b
211
7 Torsion prismatischer Stäbe

Tabelle 7.1 Fortsetzung


Querschnitt Wt It It /Wt Bemerkungen
größte Spannungen τt in
den Mitten der größten Sei-
η2 ten, Schubspannungen in den
Rechteck η1 hb2 = η1 nb3 η2 hb3 = η2 nb4 η1
b;
Mitten der kleinen Seiten
h

n = h/b  1 η1 η2 η1 , η2 , η3 τ2 = η3 τt ,
s. Tabelle 7.2 s. Tabelle 7.2 Tabelle 7.2 (η3 s. Tabelle 7.2)
in den Ecken ist
τt = 0
b
größte Spannungen τt in den
gleichseitiges Drei- a3 a4 a Mitten der Seiten, in den
eck 20 46, 2 2, 31 Ecken ist τt = 0
a
bi

dünnwandige offene 
größte Spannungen τt in der
hi hi bi3 1 Mitte der größten Seite des
Querschnitte (Walz- 1 hi bi3 bmax
hi 3 bmax 3 Rechtecks mit der größten
träger usw.)
Dicke bmax

bi
212
7.1 Torsion gerader Stäbe 213

Tabelle 7.2 Konstanten bei der Torsion von Stäben mit Rechteckquerschnitt

n 1 1,5 2 3 4 6 8 10 ∞

η1 0,209 0,230 0,247 0,269 0,284 0,299 0,307 0,312 0,333

η2 0,141 0,196 0,229 0,263 0,281 0,298 0,307 0,312 0,333

η2
0,675 0,852 0,927 0,978 0,989 0,997 1,000 1,000 1,000
η1

η3 1,000 0,858 0,796 0,753 0,745 0,743 0,743 0,743 0,743

Abb. 7.12 Darstellung des τ(t)


Schubflusses

τt t

tm
in

Die Bezeichnung Schubfluss hat man in Analogie zur Kontinuitätsgleichung der


inkompressiblen Strömung geprägt4. Das Abb. 7.13 zeigt die Schubspannungslini-
en an einer Ecke eines geschlossenen Kastenquerschnitts. An der inneren Kante tre-
ten bei scharfkantiger Ausbildung starke Spannungserhöhungen ein, in der äußeren
Kante sind die Schubspannungen Null. Die Spannungserhöhungen können durch
Abrunden der Ecken vermindert werden (Abb. 7.13 b).

a) b)

Abb. 7.13 Ecke eines Kas-


tenquerschnittes τ τ
a) Schubspannungslinien
b) abgerundete Ecke

4 Die mathematische Behandlung der Torsion (S T. V ENANT ) führt auf die Potentialgleichung für
die Verwölbung, die eine Analogie mit der Potentialgleichung der Strömungslehre für reibungs-
freie, inkompressible Strömung erkennen lässt (Strömungsgleichnis). Die Schubspannungen ent-
sprechen der Strömungsgeschwindigkeit in einem Gefäß mit der gleichen Querschnittform wie der
Torsionsstab, in der eine reibungsfreie, inkompressible Flüssigkeit zirkuliert. Die Strömungslinien
entsprechen den Schubspannungslinien, das sind gedachte Verbindungslinien hintereinanderlie-
gender Schubspannungen.
214 7 Torsion prismatischer Stäbe

Abb. 7.14 Spannungsverteilung τ


a) b) τ
bei der Torsion eines Stabes
mit Rechteckquerschnitt τ
a) gedrungenes b) schmales
τ
Rechteck

h
b

1, 5b
b

7.1.4.2 Rechteck

Die Ecken eines Rechteckquerschnitts sind frei von Schubspannungen, man darf
sie deshalb abrunden, ohne dass der Torsionsstab dadurch wesentlich geschwächt
wird. Die Schubspannungsverteilung entlang einer Rechteckseite ist annähernd pa-
rabelförming (Abb. 7.14 a). Ist jedoch das Seitenverhältnis n = h/b > 3 (langge-
strecktes Rechteck), dann ändern sich die Schubspannungen im mittleren Bereich
der langen Seiten nicht, erst in der Entfernung 1, 5b von den Ecken nehmen die
Schubspannungen parabelförmig auf Null ab (Abb. 7.14 b).

7.1.4.3 Dünnwandige offene Profilquerschnitte

Das angegebene Berechnungsverfahren ist eine grobe Näherung und gilt nur für
völlig freie Torsion, d. h. ohne Einspanneffekt, der die freie Längsverschiebung be-
hindern würde. Man denkt sich den Querschnitt aus einzelnen Teilrechtecken zu-
sammengesetzt, deren Seitenverhältnis i. Allg. größer als 10 ist. In der Praxis sind
derartige Torsionsstäbe immer angeflanscht (geschraubt, genietet oder geschweißt),
und es treten erhebliche Abweichungen der Schubspannungen und Verformungen
von den errechneten Werten auf.
Beispiel 7.6 (Zulässige Drehmomente, Torsionswinkel).
Zulässige Drehmomente und Torsionswinkel von Torsionsstäben mit verschiede-
nen Querschnitten gleichen Flächeninhalts nach Tabelle 7.1 sind zu berechnen
und mit denen für Kreis- und Kreisringquerschnitt zu vergleichen. Gegeben sind
τzul = 120 N/mm2 , l = 1 000 mm, A = 800 mm2 , G = 8,1 · 104 N/mm2 .
Lösung 7.6
Es empfiehlt sich, die Rechnung für dieses Beispiel tabellarisch durchzuführen, sie ist in Tabel-
le 7.3 zusammengestellt. In der letzten Spalte sind die Federkonstanten, s. Gl. (7.27) mit aufge-
nommen worden, die einen besseren direkten Vergleich der verschiedenen Formen gestatten. Die
Bezugsgröße ist gleiches Materialgewicht, da Al = const. Geschlossene dünnwandige Hohlprofi-
le ertragen die höchste Belastung und haben die größte Steifigkeit. Von den Vollquerschnitten hat
der Kreisquerschnitt die größte Steifigkeit, während durch das Längsschlitzen eines Hohlprofils ge-
genüber dem geschlossenen die Steifigkeit ganz erheblich abnimmt. Offene Hohlprofile sind also
7.1 Torsion gerader Stäbe 215

sehr verdrehweich! Die Berechnungen wurden unter Nutzung folgender Gleichungen ausgeführt

τzul l Mt
Mt zul = Wt τzul , ϕ= cϕ = .
GIt /Wt ϕ

Beispiel 7.7 (Torsionsstab).


Ein Torsionsstab (Länge l = 800 mm, G = 8,1 · 104 N/mm2 ) mit Rechteckquer-
schnitt (Breite b = 20 mm, Höhe h = 160 mm) ist durch dein Drehmoment
Mt = 2 kNm beansprucht. Zu berechnen sind
a) die größte Schubspannung τt ,
b) der Torsionswinkel ϕ.
c) Wie groß muss der Durchmesser eines Stabes mit Kreisquerschnitt bei gleicher
Länge sein, wenn er gleiche Torsionssteifigkeit haben soll?
d) Man berechne die Schubspannung τt bei gleichem Drehmoment.
e) Die Massen sind miteinander zu vergleichen.
Lösung 7.7

a) Für n = h/b = 8 entnimmt man Tabelle 7.2 die Konstanten η1 = η2 = 0, 307. Somit ist

Wt = η1 nb3 = 0, 307 · 8 · 8 cm3 = 19,65 · 103 mm3

und die Schubspannung nach Gl. (7.21)

Mt 2 · 106 Nmm
τt = = = 101,8 N/mm2 .
Wt 19,65 · 103 mm

b) Mit It = η2 nb4 = 39,3 cm4 erhält man den Drehwinkel aus Gl. (7.22)

Mt l 2 · 106 Nmm · 800 mm


ϕ= = = 0, 0502 = 2,88◦ .
GIt 8,1 · 104 N/mm2 · 39,3 · 104 mm4

c) Gleiche Drehsteifigkeit bedeutet bei gleichem Material und gleicher Länge auch gleicher Dreh-
winkel. Dann ist für den Kreisquerschnitt Ip = It = 393 · 103 cm4 . Daraus erhält man den
Durchmesser  √4
d = 4 (32/π)Ip = 400 · 10 mm = 44,7 mm .

Ausgeführt wird d = 45 mm mit Wp = 17,9 · 103 mm3 .

d) Die Schubspannung ist τt = Mt /Wp = 112 N/mm2 .


e) Der Massenvergleich besteht bei gleicher Länge aus einem Vergleich der Querschnitte

mRechteck /mVollkreis = ARechteck /AVollkreis = 3 200 mm2 /1 590 mm2 ≈ 2/1 .

Der Rechteckstab ist rund doppelt so schwer wie der Kreisstab.


7 Torsion prismatischer Stäbe

Tabelle 7.3 Beispiel 7.6


Querschnitt Abmessungen Wt It It /Wt Mt zul ϕ cϕ
mm 103 mm3 104 mm4 mm Nm ◦ Nm/◦
b2 h2 h
Kasten h = 75, 6 2bht = 21, 60 2 t = 54, 4 b = 25, 2 2592 3, 4 769
b+h b+h
h
=2 b = 37, 8
b
t 1
= t = 3, 78
b 10
π π a3 b3 a2
Ellipse a = 45 ab2 = 4, 47 = 8, 05 b = 18 542 4, 7 115
16 16 a2 + b2 a2 + b2
a
=2 b = 22, 5
b
η2
Rechteck h = 40 η1 hb2 = 3, 95 η2 hb3 = 7, 33 b = 18, 54 474 4, 6 104
η1
h
=2 b = 20 η1 = 0, 247 η2 = 0, 229
b
gleichseitiges a3 a4
a = 43 = 3, 97 = 7, 40 ≈ 0, 433a = 18, 6 476 4, 6 104
Dreieck 20 46, 2
in Längsrichtung h = 75, 6
1 1
geschlitztes b = 37, 8 2(b + h)t2 = 1, 08 2(b + h)t3 = 0, 408 t = 3, 78 130 22, 5 6
Kastenprofil t = 3, 78 3 3
π 3 π 4
Vollkreis d = 32 d = 6, 43 d = 10, 29 d/2 = 16 7, 71 5, 3 144
16 32
Kreisring
da = 53 π 3 π 4
di d (1 − α4 ) = 17, 26 d (1 − α4 ) = 45, 7 da /2 = 26, 5 20, 71 3, 2 649
α= = 0, 8 di = 42, 5 16 a 32 a
216

da
7.1 Torsion gerader Stäbe 217

7.1.5 Kerbwirkung, Grenzspannungen und zulässige Spannung bei


Torsion

Querbohrungen, Querschnittübergänge, Rillen, Nuten, Verzahnungen usw. wirken


in Torsionsstäben als Kerben und ergeben eine Spannungserhöhung gegenüber
der Nennschubspannung τn = Mt /Wt . Bei ruhender Beanspruchung berücksich-
tigt man die Kerbwirkung wie bei Zug-Druck- und Biegebeanspruchung durch die
Formzahl αk = τk /τn , bei schwingender Beanspruchung durch die Kerbwirkungs-
zahl βk . In Vollwellen und Hohlwellen mit Querbohrungen treten am Bohrungsrand
unter 45◦ zur Achsrichtung Normalspannungen σmax = σk auf (Abb. 7.15), die Boh-
rung wird elliptisch verformt. In diesem Fall ist die Formzahl αk = σk /τn . An klei-
nen Bohrungen in dünnwandigen Hohlwellen ist αk ≈ 4. Für Vollwellen mit kleiner
Querbohrung erhält man mit dem Wellendurchmesser D und dem Bohrungsdurch-
messer d näherungsweise Wt = (1 − 0, 9d/D)Wp mit Wp = (π/16)D3.
In Torsionsstäben mit kreissymmetrischen Querschnitten können nach den oben
angegebenen Gleichungen Schubspannungen und Torsionswinkel exakt berechnet
werden. Aus diesem Grund eignen sich Stäbe mit Kreisquerschnitt besonders für
Torsionsversuche zur Ermittlung von Werkstoffkennwerten. Als statische Kennwer-
te sind von Bedeutung
– τtF Torsionsfließgrenze,
– τtB Torsionsfestigkeit .
Ersterer hat Bedeutung bei duktilen Werkstoffen, der zweite bei spröden.
Dynamische Prüfungen können gleichfalls leicht durchgeführt werden. Für die
Durchführung der Versuche und die Auswertung der Versuchsergebnisse gilt das
gleiche sinngemäß wie in Abschnitt 3.2.1 bei Zug-Druck-Beanspruchung. Dauer-
festigkeitsschaubilder für Torsion findet man u.a. in [22]. Insbesondere werden die
beiden folgenden dynamischen Kennwerte benötigt
– τtW Torsionswechselfestigkeit,
– τtSch Torsionsschwellfestigkeit .
Besonders charakteristisch bei Torsionsversuchen ist die mögliche Art des Versa-
gens; sie kann je nach Werkstoff auf drei verschiedene Weisen erfolgen:
– Abscheren senkrecht zur Stabachsrichtung bei duktilen Werkstoffen.
– Trennbruch unter 45◦ zur Stabachse bei ruhender Beanspruchung spröder Werk-
stoffe (Kreide!) und bei dynamischer Beanspruchung auch duktiler Werkstoffe.
Man findet diese Bruchform häufig an Torsionsstabfedern (s. auch Abschnitt 9.4).

Abb. 7.15 Drehstab mit


a) b) Druckspannungen
Querbohrung
a) unverformt
D

b) verformt durch Drehmo- Mt Mt


Zugspannungen
ment
218 7 Torsion prismatischer Stäbe

15 r
Abb. 7.16 Drehstab

0,
∅10, 8

∅9
l1 = 120 poliert l2 = 150

– Abscheren und Aufreißen in Richtung der Stabachse bei gewalztem zeiligen Fe-
derstahl und bei in Faserrichtung herausgearbeiteten Holzstäben. Diese Tatsache
ist ein Beweis für das Vorhandensein von Schubspannungen in Längsrichtung.
Das über die Sicherheit und die zulässige Spannung im Kapitel 3 Gesagte gilt hier
sinngemäß.
Bei dynamischer Beanspruchung ist die Sicherheit
τD
SD = (7.25)
o k βk τ n
und die zulässige Spannung
τD
τzul = .
ok βk SD
Beispiel 7.8 (Welle).
Eine Welle aus E360 (D = 40 mm) mit der polierten Querbohrung (d = 8 mm) hat
(ohne Biegung) das wechselnde Drehmoment Mt = 650 Nm aufzunehmen. Die Si-
cherheit gegen Dauerbruch ist zu berechnen.
Lösung 7.8
Mit dem Verhältnis d/D = 0, 2 ist
π 3
Wt = (1 − 0, 18) D = 0,82 · 12,57 cm3 = 10,3 · 103 mm3
16
und die Nennschubspannung

Mt 65 · 104 Nmm
τn = = = 63,1 N/mm2 .
Wt 10,3 · 103 mm3

Dem Buch [45] entnimmt man die Formzahl αk = τk /τn = 1, 5. Mit ηk = 0, 6 (Tabelle 3.1) ist
die Kerbwirkungszahl
βk = 1 + (αk − 1)ηk = 1, 3 .
Dem Dauerfestigkeitsschaubild für E360 entnimmt man die Wechselfestigkeit τtW = 190 N/mm2 .
Nunmehr ergibt sich aus Gl. (7.25) mit ok = 1 die Sicherheit

190 N/mm2
SD = = 2, 32 .
1, 3 · 63,1 N/mm2
Beispiel 7.9 (Abgesetzte Welle).
Die abgesetzte Welle (schematisch in Abb. 7.16 gezeichnet) ist wechselnd auf Tor-
sion beansprucht. Wie groß darf der zwischen den Enden gemessene Drehwinkel
höchstens sein, wenn zweifache Sicherheit gegen Dauerbruch gewährleistet sein
soll? Wie groß ist dann das Drehmoment? Gegeben sind: Werkstoff E335 mit
ηk = 0, 5 (Tabelle 3.1) und G = 8 · 104 N/mm2 .
7.1 Torsion gerader Stäbe 219

Lösung 7.9
Maßgebend für das Drehmoment Mt  Wp τzul ist der kleine Durchmesser am Übergang. Aus
[22] entnimmt man mit t/ρ = 0,90 mm/0,15 mm = 6 und a/ρ = 4,5 mm/0,15 mm = 30 die
Formzahl αk = 2, 14. Die Kerbwirkungszahl ist dann βk = 1, 57. Mit τtW = 160 N/mm2 und
Wp = (π/16)d3 = 143,1 mm3 erhält man dann für ok = 1

τtW 160 N/mm2


τzul = = = 51,0 N/mm2
βk SD 1, 57 · 2
und
Mt  0,143 · 103 mm3 · 51,0 N/mm2 = 7,3 · 103 Nmm .
Den Drehwinkel berechnen wir wie in Beispiel 7.5. Mit den Flächenmomenten

Ip1 = (π/32)D4 = 0,134 cm4 , Ip2 = (π/32)d4 = 0,064 cm4

ist
   
Mt l1 l2 7,3 · 103 Nmm 120 mm 150 mm
ϕ + = +
G Ip1 Ip2 8 · 104 N/mm2 0,134 · 104 mm4 0,064 · 104 mm4
= 0, 0294 = 1,69◦ .

7.1.6 Formänderungsarbeit bei Torsion - Drehstabfedern

Wie bei der Biegung ist wegen der ungleichförmigen Spannungsverteilung bei
der Verdrehung eines Stabes die spezifische Formänderungsarbeit ΔW = τ2 /2G,
Gl. (7.2), eine Funktion der Stabkoordinaten. Da der Verlauf der Schubspannun-
gen nur bei kreissymmetrischen Querschnitten exakt bekannt ist, wollen wir uns
zunächst darauf beschränken.
In einem Element dV = dA dx ist dann die Formänderungsarbeit

τ2
dW = ΔWdV = dV .
2G
Die gesamt Formänderungsarbeit erhält man durch Integration über das Volu-
men. Für den allgemeinsten Fall des mit der Stabachse x veränderlichen Drehmo-
ments und bei schwach veränderlichem Querschnitt ist mit τ = [Mt (x)/Ip (x)]r die
Formänderungsarbeit

l  
1 M2t (x) 2
W= r dA dx .
2 GI2p (x)
0

Alle von x abhängigen Faktoren in vorstehender Gleichung können vor das innere
Integral gezogen werden (s. auch Abschnitt 5.3)
220 7 Torsion prismatischer Stäbe

l  
1 M2t (x)
W= r2 dA dx .
2 GI2p (x)
0

Nach Gl. (4.7) ist r2 dA = Ip (x) das polare Flächenmoment des Querschnitts und
man erhält
l
1 M2t (x)
W= dx .
2 GIp (x)
0

Bei einem Stab mit konstantem kreissymmetrischem Querschnitt und gleichem Ma-
terial ist die Torsionssteifigkeit GIp konstant. Dann ist

l
1
W= M2t (x)dx .
2GIp
0

Ist insbesondere auch das Drehmoment über die Länge l konstant, erhält man
schließlich
M2t l
W= . (7.26)
2GIp
Nach dem Energiesatz folgt durch Vergleich mit der Arbeit des äußeren Moments
W = (1/2)Mt ϕ der Torsionswinkel ϕ, s. Gl. (7.17)

Mt l
ϕ= .
GIp

Beispiel 7.10 (Welle).


Für die Welle in Beispiel 7.5 ermittle man über die Formänderungsarbeit den Dreh-
winkel.
Lösung 7.10
Wegen der verschiedenen Durchmesser berechnet man die Formänderungsarbeit in zwei Teilberei-
chen ⎛ ⎞
l1 l
1 2
Mt ⎜ dx dx ⎟
Mt ϕ = W = ⎝2 + ⎠.
2 2G Ip1 Ip2
0 2l1

Daraus folgt  
Mt 2l1 l − 2l1
ϕ= + .
G Ip1 Ip2
Ebenso häufig wie Biegefedern kommen in der Praxis des Maschinenbaus Torsions-
federn (auch Drehstabfedern genannt) mit kreisförmigem oder beliebigem Quer-
schnitt vor. Die Torsionsfederkonstante einer Torsionsstabfeder mit überall glei-
chem beliebigen Querschnitt ist mit Gl. (7.22)

Mt GIt
cϕ = = . (7.27)
ϕ l
7.1 Torsion gerader Stäbe 221

Ist eine Torsionsstabfeder wie in Abb. 7.9 b) eingespannt, dann erfährt die Kraft
F am Hebel R die Verschiebung s. Mit Mt = FR, s = ϕR und der Federkonstante
c = F/s ist
FR2
cϕ = = cR2
s
und somit
cϕ GIt
c= 2 = 2. (7.28)
R lR
Die Formänderungsarbeit in Federn kann allgemein durch die Beziehung

W = ηF ΔWV

angegeben werden (s. a. Abschnitt 2.2.2), ηF ist die Raumzahl (auch Gütezahl) der
Feder und V das wirksame Federvolumen. Die spezifische Formänderungsarbeit der
größten (Nenn-) Schubspannung τt ist ΔW = τ2t /2G. Mit τt = Mt /Wt erhält man

M2t
ΔW = .
2GWt2

Durch Vergleich mit Gl. (7.26), deren Gültigkeit wir auch auf beliebige Querschnitt-
formen übertragen und in der wir Ip durch It ersetzen, findet man eine Beziehung
für die Raumzahl der Drehstabfeder

W W2l
ηF = = t (7.29)
ΔWV It V
oder mit dem Federvolumen V = lA
Wt /A
ηF = . (7.30)
It /Wt

Beispiel 7.11 (Drehstabfedern).


Für Drehstabfedern mit Kreis-, Kreisring-, Rechteck- und Dreieckquerschnitt sind
die Gütezahlen ηF zu ermitteln.
Lösung 7.11
Kreis:
π 3 π 2
d / d
ηF = 16 4 = 0, 5,
d/2
Kreisring:
π 3 π
da (1 − α4 )/ d2a (1 − α2 )
ηF = 16 4 = 0, 5(1 + α2 ),
da /2
Rechteck:
η1 hb2 /hb η2
ηF = η2 = 1 (s. Tabelle 7.2),
b η2
η1
gleichseitiges Dreieck:
222 7 Torsion prismatischer Stäbe

a3 3 2
/ a
ηF = 20 4 = 0, 267 .
0, 433a
Die Volumenausnutzung der Federn mit Vollquerschnitt ist gering, sie wird um so besser, je
gleichmäßiger die Spannungsverteilung ist. Für dünnwandige geschlossen Hohlprofile ist ηF ≈ 1
(s. Kreisring mit α → 1).

Beispiel 7.12 (Drehstabfeder).


Eine Drehstabfeder aus Stahl (τzul = 400 N/mm2 , G = 8,1 · 104 N/mm2 ) mit Kreis-
querschnitt soll beim größten Winkelausschlag ϕ = 9◦ die Arbeit W = 270 Nm
aufnehmen können. Durchmesser und Länge der Feder sind zu berechnen.
Lösung 7.12
Zunächst ermitteln wir das Drehmoment aus W = (1/2)Mt ϕ

2W 54 · 104 Nmm
Mt = = = 344 · 104 Nmm .
ϕ 0, 157
Gleichung (7.11) ergibt das Widerstandsmoment

Mt 344 · 104 Nmm


Wp  = = 8,6 · 103 mm3 .
τzul 400 N/mm2

Diesem Wert entspricht der Durchmesser d = 35 mm mit Ip = 14,73 cm4 . Die notwendige
Schaftlänge erhält man aus Gl. (7.17)

GIp ϕ 8,1 · 104 N/mm2 · 14,73 · 104 mm4 · 0, 157


l= = = 545 mm .
Mt 344 · 104 Nmm

7.1.7 Vergleichende Beurteilung von Schubspannung und


Torsionswinkel

Wie auch bei der Biegung erfolgt die Bemessung eines Drehstabes i. Allg. auf Grund
der zulässigen Spannung. Getriebewellen, Steuerstangen usw. dürfen jedoch nur
sehr geringe Drehverformungen aufweisen, so dass eine Festigkeitsrechnung unter
Umständen zu geringe Abmessungen ergeben kann. Mit Rücksicht auf ihre Ver-
formung sind solche Bauteile dann manchmal wesentlich steifer auszuführen. Der
zulässige Torsionswinkel wird auf die Längeneinheit bezogen angegeben und ist für
Triebwerkswellen
ϑzul = ϕzul /l  0,25◦ /m .
Wegen der verschiedenen Einflüsse kann man keine allgemein gültigen Beziehun-
gen aufstellen. Die Problemstellung soll an den folgenden Beispielen aufgezeigt
werden.
Beispiel 7.13 (Welle).
Die Welle eines Schiffsantriebes soll so bemessen werden, dass der Torsionswin-
kel ϑzul = 0,25◦ /m und die Schubspannung τzul = 30 N/mm2 nicht überschritten
werden. Gegeben sind Mt = 1,71 · 105 Nm, l = 12 m, G = 8,2 · 104 N/mm2 .
7.1 Torsion gerader Stäbe 223

Lösung 7.13
Die Verformungsbedingung Gl. (7.17) ergibt das erforderliche polare Flächenmoment

Mt 1,71 · 108 Nmm


Ip  = = 4,78 · 108 mm4 .
Gϑzul 8,2 · 10 N/mm2 · 0,436 · 10−5 mm−1
4

Dies ergibt den Durchmesser



4 32
d= Ip = 48,7 · 108 mm = 264 mm .
4

π
Die Festigkeitsbedingung Gl. (7.15) liefert

Mt 1,71 · 108 Nmm


Wp  = = 5,7 · 106 mm3
τzul 30 N/mm2

und den Durchmesser



3 16
3
d= Wp = 29 · 106 mm = 307 mm .
π
Maßgebend ist der größere Durchmesser, ausgeführt wird die Welle mit d = 310 mm. Zur Kon-
trolle rechnen wir den Torsionswinkel nach. Mit Ip = 9,07 · 108 mm4 ist

Mt 1,71 · 108 Nmm · 1 000 mm/m


ϑ= = = 0,002 3 m−1 = 0,132◦ /m < ϑzul .
GIp 8,2 · 104 N/mm2 · 9,07 · 108 mm4

Beispiel 7.14 (Steuerstange).


Über eine Steuerstange mit quadratischem Querschnitt, Länge l = 2 000 mm, soll
ein Steuerimpuls ausgeführt werden, der das Drehmoment Mt = 1 Nm erfordert. Die
Stange ist für τzul = 100 N/mm2 und ϑzul = 0,5◦ /m zu bemessen, der Schubmodul
G = 8,1 · 104 N/mm2 .
Lösung 7.14
Aus der Festigkeitsbedingung erhält man

Mt 1 000 Nmm
Wt  = = 10 mm3 .
τzul 100 N/mm2

Bezeichnen wir die Seitenlänge des Quadrates mit a und entnehmen wir der Tabelle 7.2 mit
n = a/b = 1 die Konstante η1 = 0, 209, ergibt Tabelle 7.1 Wt = η1 a3 . Durch Vergleich

folgt a = Wt /η1 = 3 47, 8 mm = 3,63 mm. Aus der Verformungsbedingung berechnen wir
3

Mt 1 000 Nmm
It  = = 1 415 mm4 .
Gϑzul 8,1 · 104 N/mm2 · 0,872 · 10−5 mm−1

Mit It = η2 a4 und η2 = 0, 141 folgt a = 10 mm. In diesem Fall ist die Verformung maßgebend,
denn für a = 10 mm ist die Schubspannung nur noch etwa 5 N/mm2 und somit unbedeutend.
224 7 Torsion prismatischer Stäbe

7.2 Torsionsbeanspruchung gekrümmter Stäbe

7.2.1 Zylindrische Schraubenfedern

Wird ein Stab (Draht) räumlich nach Art einer Schraubenlinie gewunden, erhält
man ein in der Technik sehr häufig vorkommendes Bauelement, die Schraubenfeder
(Abb. 7.17). Ist der Durchmesser jeder Windung gleich groß, dann nennt man die
Schraubenfeder zylindrisch. Bei Kegelstumpffedern nimmt der Durchmesser nach
Form eines Kegelstumpfes ab. Im folgenden soll nur die zylindrische Form behan-
delt werden.
Die Wirkungslinie der belastenden Kraft F fällt i. Allg. mit der Federachse zu-
sammen. Sie kann die einzelnen Windungen zusammendrücken (Druckfeder) oder
auseinanderziehen (Zugfeder). Der Drahtquerschnitt ist vielfach kreisförmig, wird
aber auch häufig quadratisch oder rechteckig gestaltet. Ein ebener Querschnitt senk-
recht zur gekrümmten Stabachse wird durch eine Normalkraft, eine Querkraft, ein
Biegemoment und ein Drehmoment beansprucht. Bei den üblichen kleinen An-
stiegwinkeln α kann man Normalkraft und Biegemoment gegenüber Querkraft und
Drehmoment vernachlässigen, bei nicht zu kleinen Windungsradius kann auch die
Querkraft vernachlässigt werden. Eine zylindrische Schraubenfeder wird also nur
auf Torsion berechnet.
Mit dem Drehmoment Mt = FR cos α ≈ FR ist die Schubspannung im Drahtquer-
schnitt nach Gl. (7.21)
Mt FR
τt = = . (7.31)
Wt Wt
Bei Kreisquerschnitt ist Wt = Wp . Infolge der Krümmung der Stabachse wird je-
doch die Schubspannung nach Gl. (7.31) an der dem Krümmungsmittelpunkt zuge-
wandten Seite vergrößert

R
α
Federachse

Abb. 7.17 Zylindrische


Schraubenfeder
7.2 Torsionsbeanspruchung gekrümmter Stäbe 225

FR
τi = ki (7.32)
Wt
und an der gegenüberliegenden Seite verkleinert
FR
τa = ka . (7.33)
Wt
Die von der Stabkrümmung abhängigen Faktoren ki und ka wollen wir abschätzen
(Abb. 7.18). Für ein gerades Stabelement mit der Länge Δl ist nach Gl. (7.23) der
Torsionswinkel
τt Δl
ϕ= .
GIt /Wt
Löst man nach der Schubspannung τt auf, erhält man

It 1
τt = ϕG .
Wt Δl

Geht man von der Überlegung aus, dass sich am gekrümmten Stabteil im Mittel der
gleiche Drehwinkel ergibt, dann ist an der Innenseite

It 1
τi = ϕG .
Wt Δli
Setzen wir beide Spannungen ins Verhältnis zueinander, folgt

τi Δl Rβ R
= = =
τt Δli Ri β Ri
und
R
ki = > 1.
Ri
Ra

R
i
R

Δla
Δli

Δl
β

Abb. 7.18 Stabelement aus


einer zylindrischen Schrau-
benfeder
226 7 Torsion prismatischer Stäbe

Ra Ra
a) b) c)
Ri

h
Ri h

b
d
b
Ri

R
R
Ra R

Abb. 7.19 Bauformen zylindrischer Schraubenfedern


a) Kreisquerschnitt
b) Rechteck hoch gestellt
c) Rechteck flach gestellt

Entsprechend ist
R
ka = < 1.
Ra
Für die Federberechnung ist die maximale Spannung wichtig, also der Faktor ki .
In Abb. 7.19 sind die drei wichtigsten Bauformen der Schraubenfedern im
Schnittbild dargestellt. Als Maß für die Krümmung der Stabachse wird das Win-
dungsverhältnis ξ definiert, für Kreisquerschnitt (Abb. 7.19 a) ξ = d/2R, für hoch-
gestelltes Rechteck (Abb. 7.19 b) ξ = b/2R und für flachgestelltes Rechteck (Abb.
7.19 c) ξ = h/2R. Da der Faktor ki mit wachsendem ξ stark ansteigt, soll das Win-
dungsverhältnis einer Schraubenfeder ξ  1/4 sein.
Mit Hilfe der Umrechnung Ri = R − d/2 (oder R − b/2 bzw. R − h/2) kann man
die Faktoren ki für alle 3 Federformen auf die gleiche Form bringen

R 1
ki = = . (7.34)
Ri 1 − ξ
Dies ist insofern von Bedeutung, als bei der Bemessung einer Schraubenfeder die
Maße vorab nicht festliegen und man ξ besser schätzen kann als etwa d oder R.
Als Festigkeitsbedingung folgt aus Gl. (7.32)

FR
ki  τzul . (7.35)
Wt
τzul ist die zulässige Schubspannung für den geraden Stab.
Bei der Federberechnung spielt neben der Spannung vor allem auch die Verfor-
mung eine große Rolle. Durch die in Richtung der Federachse wirkende Kraft F
werden die Abstände der einzelnen Windungen zueinander verändert. Je nach Bau-
7.2 Torsionsbeanspruchung gekrümmter Stäbe 227

form und Anzahl der Windungen können Schraubenfedern relativ große Federwege
ausführen.
Bezeichnen wir den Federweg mit s, erhält man eine Abschätzung mit dem An-
satz s = Rϕ. Dabei ist ϕ der Torsionswinkel des geraden Stabes unter dem Einfluss
des Torsionsmoments Mt = FR. Mit Gl. (7.22) erhält man

F R2
s= l.
G It
Hier ist l die (abgewickelte) Länge des Federdrahtes. Ist i die Anzahl der tragenden
Windungen (rechnerische Windungszahl), ist l ≈ 2πRi. Die tatsächliche Windungs-
zahl ist i. Allg. um 1,5. . . 2 (nichttragende) Windungen größer als die rechnerische.
Somit erhalten wir für den Federweg die Beziehung

2πiR3
s= F. (7.36)
GIt
Als Beurteilungsgröße für eine Feder ist die Federkonstante wichtig
F GIt
c= = . (7.37)
s 2πiR3
Kombinieren wir Gl. (7.35) mit Gl. (7.36), erhält man eine weitere Beziehung für
den Federweg, die manchmal für die Rechnung nützlich ist

2πiR2
szul = τzul . (7.38)
ki GIt /Wt

Für die Bemessung einer Feder sind i. Allg. die Querschnittabmessungen, der Fe-
derradius R und die Windungszahl i gesucht. Für diese drei Größen stehen nur zwei
Bestimmungsgleichungen, Gl. (7.35) und Gl. (7.36), zur Verfügung. Eine der drei
gesuchten Größen muss somit zunächst geschätzt werden. Besser ist es jedoch, ein
Windungsverhältnis ξ anzunehmen. Oft muss die Rechnung wiederholt werden, bis
die Größen aufeinander und auf den Verwendungszweck (Einbaumaße) abgestimmt
sind (s. Beispiel 7.15). Schraubenfedern werden von den Herstellern in Typenreihen
hergestellt. Man findet meist für jeden Zweck eine passende Größe. Nomogramme
erleichtern die Federberechnung [22].
In der Tabelle 7.4 sind die wichtigsten Gleichungen für die Federberechnung
der drei Bauformen zusammengestellt. Beim flachgestellten Rechteck ist zu beach-
ten, dass die kleinere Rechteckseite der Federachse am nächsten liegt. Nach Tabel-
le 7.2 ist in deren Mitte die Spannung bei gerader Stabachse die Schubspannung
τ2 = η3 Mt /Wt und somit bei gekrümmter Achse

Mt
τi = η3 ki .
Wt
228 7 Torsion prismatischer Stäbe

Tabelle 7.4 Zusammenstellung der Berechnungsgleichungen für zylindrische Schraubenfedern


Querschnitt Kreis Abb. 7.19 a) Rechteck Abb. 7.19 b) Rechteck Abb. 7.19 c)
ξ d/2R b/2R h/2R
FR FR FR
τi ki ki η3 k i , η3 k i > 1
Wp Wt Wt
FR
, η3 k i  1
Wt
π 3
Wp , Wt d η1 nb3 , n = h/b  1
16
τzul Wp τzul Wt τzul Wt
Fzul η3 k i > 1
ki R ki R η3 k i R
τzul Wt
η3 k i  1
R
τzul π τzul 2η1 n τzul 2η1
Fzul ξd2 ξb2 ξb2 , η3 ki > 1
8ki ki η3 k i
τzul 2η1 ξb2 , η3 ki  1


8ki F ki F η3 k i F
d, b , η3 k i > 1
πξτzul 2η1 nξτzul 2η1 ξτzul

F
, η3 k i  1
2η1 ξτzul

2πiR3 2πiR3
s F F
GIp GIt
π 4
Ip , It d η2 nb4
32
64iR3 2πiR3
s F F
Gd4 Gη2 nb4
F Gd4 Gη2 nb4
c=
s 64iR3 2πiR3
4πiR2 2πiR2 τzul 2πiR2 τzul
szul τzul , η3 k i > 1
ki Gd ki (Gη2 /η1 )b η3 ki G(η2 /η1 )b
2
2πiR τzul
, η3 k i  1
G(η2 /η1 )b
0, 5 η21 η21
ηF , η3 k i > 1
k2i η2 k2i η2 (η3 ki )2
η21 /η2 , η3 ki  1
Einbaulänge lE
Druckfeder (1, 1i + 2)d + s (1, 1i + 2)h + s (1, 1i + 2)b + s
Zugfeder (i + 2)d (i + 2)h + x (i + 2)b + x
(Windungen x - fertigungsbedingter Abstand
anliegend) zwischen den Windungen
7.2 Torsionsbeanspruchung gekrümmter Stäbe 229

Für ein kleines Windungsverhältnis ξ und bei schmalen Rechtecken kann η3 ki < 1
werden. Die größte Spannung ist somit in der Mitte der langen Rechteckseite. In
die Tabelle wurden die Einbaulängen lE der Federn im ungespannten Zustand mit
aufgenommen.
Beispiel 7.15 (Zylindrische Schraubendruckfeder).
Eine zylindrische Schraubendruckfeder mit Kreisquerschnitt soll für die Federkraft
F = 2 kN bei einem Federweg s = 100 mm bemessen werden. Gegeben sind die fol-
genden Kennwerte: die zulässige Schubspannung τzul = 400 N/mm2 und der Schub-
modul G = 8,1 · 104 N/mm2 . Gesucht sind Drahtdurchmesser d, Windungsradius
R und Windungszahl i.
Lösung 7.15
Für eine erste Berechnung nehmen wir ξ = 0, 2 an, dann ist nach Gl. (7.34) ki = 1/(1 − 0, 2) =
1, 25. Der Tabelle 7.4 entnehmen wir

8ki F 8 · 1, 25 · 2 000 N
d= = 2
= 79, 6 mm = 8,92 mm .
πξτzul π · 0, 2 · 400 N/mm

Wir wählen d = 9 mm und erhalten aus ξ = d/2R = 0, 2

R = d/2ξ = 9 mm/0, 4 = 22,5 mm .

Die Windungszahl i folgt mit c = F/s = 20 N/mm aus der Tabelle 7.4

Gd4 8,1 · 104 N/mm2 · (9 mm)4


i= = = 36, 4 .
64cR 3 64 · 20 N/mm · (22,5 mm)3

Die Einbaulänge als Druckfeder ist (Tabelle 7.4)

lE = (1, 1i + 2)d + s = 42 · 9 mm + 100 mm = 478 mm .

Der Außendurchmesser ist D = 2R + d = 54 mm. Würde die Feder in einer Hülse geführt werden
können (oder auf einem Dorn), könnten wir die Maße beibehalten, frei belastet würde sie jedoch
ausknicken. Für eine nochmalige Rechnung wählen wir ξ = 0, 1 und erhalten mit dem gleichen
Rechenweg wie oben

d = 12 mm, R = 60 mm, i = 6, 075, lE = 204 mm und Da = 132 mm .

Bei diesen Abmessungen ist ein Ausknicken nicht zu befürchten.

Beispiel 7.16 (Schwingfeder).


Die Schwingfeder eines Resonanzpulsers für Zug- und Druckwechselbelastung
ist als zylindrische Schraubenfeder mit dem hochgestellten Rechteckquerschnitt
h = 25 mm, b = 20 mm ausgeführt, Windungsradius R = 61 mm, i = 4, 5. Bei
der Höchstlast F ist die Feder um den Betrag s = ±23 mm ausgelenkt, G = 8,1 ·
104 N/mm2 . Man berechne
a) die Höchstlast F,
b) die größte Schubspannung in der Feder,
c) die Gütezahl ηF .
230 7 Torsion prismatischer Stäbe

Lösung 7.16

a) Mit n = 1, 25 entnimmt man der Tabelle 7.2 den (interpolierten) Wert η2 = 0, 17. Tabelle 7.4
ergibt

Gη2 nb4 8,1 · 104 N/mm · 0, 17 · 1,25 · 104 mm4


F= s= · 23 mm = 9 870 N ≈ 10 kN .
2πiR 3 2 · π · 4, 5 · (61 mm)3
˙ cm)3 = 2 200 mm3 sowie
b) Mit η1 = 0, 22 und Wt = 0, 22 · 1, 25(2

ki = R/Ri = R/(R − b/2) = 61 mm/51 mm = 1, 196

erhalten wir
FR 104 N · 61 mm
τi = ki = 1, 196 = 332 N/mm2 .
Wt 2,2 · 103 mm3
c) Die Gütezahl entnehmen wir Tabelle 7.4

η21 0, 222
ηF = = = 0, 199 ≈ 20% .
2
η2 k i 0, 17 · 1, 1952

Beispiel 7.17 (Zylindrische Schraubenfeder).


Eine zylindrische Schraubenfeder aus Bronze (G = 5,5 · 104 N/mm2 ) mit flachge-
stelltem Rechteckquerschnitt (h = 20 mm, b = 5 mm), Windungsradius R = 30 mm,
soll bei der Druckkraft F = 1 kN den Federweg s = 62,5 mm ergeben. Zu berechnen
sind die rechnerische Windungszahl i und die größte Schubspannung.
Lösung 7.17
Für n = 4 erhält man aus Tabelle 7.2 die benötigten Konstanten η1 = 0, 284, η2 = 0, 281 sowie
η3 = 0, 745. Mit
h 20 mm 1
ξ= = =
2R 60 mm 3
ist ki = 1/(1 − 1/3) = 1, 5 und η3 ki = 1, 118 > 1. Weiter ist die Federkonstante

F 1 000 N N
c= = = 16 .
s 62,5 mm mm
Aus Tabelle 7.4 folgt die Windungszahl

Gη2 nb4 5,5 · 104 N/mm2 · 0, 281 · 4 · (5 mm)4


i= = = 14, 2 .
2πcR3 2 · π · 16 N/mm · (30 mm)3

Mit Wt = η1 nb3 = 0, 284 · 4 · (5 mm)3 = 142 mm3 folgt die Schubspannung

FR 1 000 N · 30 mm N
τi = η3 ki = 1, 118 = 236 .
Wt 142 mm3 mm2
7.3 Aufgaben zu Kapitel 7 231

7.3 Aufgaben zu Kapitel 7

7.3.1 Aufgaben zu Abschnitt 7.1

Aufgabe 7.1 (Getriebewelle). Eine Getriebewelle soll die Leistung P = 18,75 kW


bei der Drehzahl n = 460 min−1 übertragen, τzul = 35 N/mm2 . Die Welle ist
a) als Vollwelle bzw.
b) als Hohlwelle mit α = di /da = 0, 75
zu bemessen. Welche Masseersparnis bringt die Ausführung als Hohlwelle?

Aufgabe 7.2 (Torsionsfeder mit Kreisquerschnitt). Für ein Messinstrument ist ei-
ne gerade Torsionstabfeder mit Kreisquerschnitt zu entwerfen. Bei dem Torsions-
moment Mt = 0,8 Nm beträgt der Torsionswinkel ϕ = 50◦ , τzul = 500 N/mm2 ,
G = 8,1 · 104 N/mm2 . Zu berechnen sind Durchmesser d, Länge l und Formände-
rungsarbeit W.

Aufgabe 7.3 (Torsionsfeder mit Rechteckquerschnitt). Eine gerade Torsionsstab-


feder mit Rechteckquerschnitt (h = 150 mm, b = 15 mm) und der Länge l = 500 mm,
ist durch das Torsionsmoment Mt = 3 kNm beansprucht, G = 8,1 · 104 N/mm2 .
a) Schubspannung τt und Torsionswinkel ϕ sind zu berechnen.
b) Der Torsionsstab soll durch einen neuen mit Vollkreisquerschnitt ersetzt werden.
Man berechne hierfür den erforderlichen Durchmesser (bei gleicher Schubspan-
nung wie in a) und ermittle den Torsionswinkel ϕ. Was ergibt ein Massenver-
gleich?

Aufgabe 7.4 (Zunahme Schubspannung, Masseersparnis). Welche Zunahme der


Schubspannung bei gleichem Torsionsmoment und welche Masseersparnis ergibt
sich, wenn ein Torsionsstab mit Kreisquerschnitt auf verschiedene Durchmesser-
verhältnisse aufgebohrt wird (α = di /da , d = da )?

Aufgabe 7.5 (Torsionsstab mit Rechteckquerschnitt). Je ein Torsionsstab mit


Rechteckquerschnitt (h = 100 mm, b = 25 mm) und Kreisquerschnitt (d = 40 mm)
sind mit dem gleichen Torsionsmoment Mt = 4 kNm beansprucht, Werkstoff Stahl
mit G = 8,1 · 104 N/mm2 .
a) Für beide Stäbe berechne man die Schubspannungen τzul .
b) Die Länge des Kreisstabes ist l2 = 600 mm. Man bestimme die Länge l1 des
Rechteckstabes so, dass beide Stäbe den gleichen Torsionswinkel aufweisen; wie
groß ist dieser?
c) In beiden Fällen berechne man die Formänderungsarbeit. Was ergibt ein Massen-
vergleich?

Aufgabe 7.6 (Träger). Der Träger mit dem Querschnitt nach Abb. 7.20 ist auf Tor-
sion beansprucht. Es sind zu berechnen (G = 8,1 · 104 N/mm2 ):
232 7 Torsion prismatischer Stäbe

a) das zulässige Torsionsmoment für τzul = 120 N/mm2 ,


b) der auf 1 m Länge bezogene Torsionswinkel,
c) die Formänderungsarbeit W.

7
70
Abb. 7.20 Querschnitt eines
Torsionsstabes 70

Aufgabe 7.7 (Torsionsstabfedern). Torsionsstabfedern nach dem Schema des Bil-


des 7.9 b) sollen mit den drei Querschnittformen Kreis, Kreisring (α = 0, 7) und
Rechteck (n = h/b = 10) entworfen werden. Gegeben sind

F = 2 kN, R = 250 mm, l = 400 mm, τzul = 250 N/mm2 , G = 8 · 104 N/mm2 .

Man berechne
a) die Abmessungen (aufgerundet),
b) die Verschiebung s unter der Last (Hebel R starr),
c) die Federkonstante c = F/s,
d) die Formänderungsarbeit W.
Die Massen sind miteinander zu vergleichen.

Aufgabe 7.8 (Abgesetzte Welle). Die abgesetzte Welle (Abb. 7.21) ist wechselnd
durch das Torsionsmoment Mt = 1,2 kNm beansprucht. Man berechne die Sicher-
heit gegen Dauerbruch und den Torsionswinkel über die ganze Länge. Gegeben
sind: Werkstoff Stahl mit τtW = 320 N/mm2 , ηk = 0, 8 und G = 8 · 104 N/mm2 .
1r
∅36

∅40
∅50

poliert
Abb. 7.21 Torsionsstab mit 500
900
Längsbohrung
7.3 Aufgaben zu Kapitel 7 233

7.3.2 Aufgaben zu Abschnitt 7.2

Aufgabe 7.9 (Federwaage). Für eine Federwaage ist eine Zugfeder als zylindri-
sche Schraubenfeder aus Stahldraht (zulässige Schubspannung τzul = 500 N/mm2
und Schubmodul G = 8 ·104 N/mm2 ) mit Kreisquerschnitt zu entwerfen. Höchstlast
F = 300 N, Anzeigegenauigkeit 0,2 mm/N, ξ = 0, 2. Man berechne
a) Drahtdurchmesser d, Windungsradius R, Windungszahl i,
b) die Einbaulänge (Windungen berühren sich im entspannten Zustand),
c) die notwendige Drahtlänge.

Aufgabe 7.10 (Zylindrische Schraubenfeder mit Rechteckquerschnitt). In ei-


ne Maschine ist eine zylindrische Schraubenfeder mit flachgestelltem Rechteck-
querschnitt eingebaut, h = 60 mm, b = 15 mm, R = 60 mm, i = 15, Höchstlast
F = ±8,5 kN, Werkstoff Stahl mit G = 8,1 · 104 N/mm2 .
a) Man berechne den Federweg s, die Federkonstante c und die größte Schubspan-
nung.
b) Bei einer Umkonstruktion der Maschine sollen zwei parallel geschaltete Federn
mit Kreisquerschnitt die gegebene Last aufnehmen, Federweg s und Windungs-
radius R sollen gleich bleiben. Man berechne den erforderlichen Drahtdurchmes-
ser d (Anleitung: Man setze zunächst ki = 1 und rechne mit τzul = 150 N/mm2 ,
d nach oben aufrunden) und die erforderliche Windungszahl i. Die Schubspan-
nung ist zur Kontrolle nachzurechnen, man vergleiche die Gewichte miteinander.

Aufgabe 7.11 (Zylindrische Schraubendruckfeder). Zur Abstützung von Funda-


menten werden häufig zylindrische Schraubendruckfedern verwendet. Ein aus zwei
parallel geschalteten Federn bestehendes Federpaket (quadratischer Querschnitt,
Kantenlänge a = 20 mm), Windungsradius R = 50 mm, Windungszahl i = 10, soll
durch eine Feder mit gleicher Querschnittsform ersetzt werden, die die gleiche Last
aufzunehmen hat, wie beide vorherigen zusammen. Federweg s und Einbaulänge
lE sollen in beiden Fällen etwa gleich sein. Werkstoff Stahl mit τzul = 330 N/mm2 ,
G = 8 · 104 N/mm2 . Man ermittle
a) für die gegebenen Federn Fzul , s und lE ,
b) für die neue Feder Kantenlänge a, Windungsradius R, die Windungszahl i sowie
die Einbaulänge lE (Anleitung: Man rechne mit gleichem Windungsverhältnis
ξ).

Aufgabe 7.12 (Zylindrische Schraubenfeder mit Kreisquerschnitt). Eine zylin-


drische Schraubenfeder mit Kreisquerschnitt hat den Federradius R = 25 mm, den
Drahtdurchmesser d = 8 mm und die Windungszahl i = 10. Werkstoff: Stahl mit
τzul = 200 N/mm2 , G = 8,1 · 104 N/mm2 . Man berechne den zulässigen Federweg
szul , die Federkonstante c, die Last Fzul und die Formänderungsarbeit W.
234 7 Torsion prismatischer Stäbe

7.4 Formelzusammenfassung Kapitel 7

• H OOKE’sches Gesetz für die Schubspannungen

τ = G γ,

• Schubspannungsverteilung
Mt
τ(r) = r,
Ip
• Widerstandsmoment gegen Torsion
Ip π
Wp = = d3 ,
d/2 16

• Torsionswinkel 
τt l
ϕ = dϕ = ,
Gd/2
• Formänderungsarbeit
M2t l
W=
2GIp
Kapitel 8
Schubbeanspruchung durch Querkräfte

8.1 Einfache Scherung

Greifen zwei Kräfte F quer zur Längsachse des Stabes (Abb. 8.1) mit dicht neben-
einander liegenden Wirkungslinien an, treten in dem dazwischen liegenden Quer-
schnitt Schubspannungen auf, die man auch als (Ab-)Scherspannung τa bezeichnet.
Diese Art der Beanspruchung tritt z. B. in Nieten, Bolzen, Scherstiften, Kleb- und
Schweißverbindungen und beim Schneiden oder Stanzen von Blechen auf. Der hier-
durch ausgelöste komplexe Spannungszustand (neben Schubspannungen können
auch Zug-, Druck- und Biegespannungen auftreten) braucht bei praktischen Berech-
nungen nicht erfasst zu werden, da die übrigen Spannungen i. Allg. vernachlässigbar
klein gegenüber den Schubspannungen sind.
Die vereinfachende Annahme, dass die Schubspannungen im Querschnitt gleich-
mäßig verteilt sind1 , führt auf die Beziehung

F
τa = (8.1)
A

A τa

Abb. 8.1 Stab zur Kennzeich- F


nung der Scherbeanspruchung

1Dies bedeutet einen Widerspruch zu dem Satz der zugeordneten Schubspannungen τxy = τyx ,
den man aber hinnimmt.

235

G. Holzmann et al., Technische Mechanik Festigkeitslehre, DOI 10.1007/978-3-8348-8101-4_8,


© Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
236 8 Schubbeanspruchung durch Querkräfte

Abb. 8.2 Knotenblech mit a) b)


angenieteten Flachstäben
a) Draufsicht 20
A
b) Schnitt A-B
15 15

F F

60
d
s
B

mit der Festigkeitsbedingung τa  τzul . F ist die scherende Kraft und A die Scher-
fläche. Bei Presspassungen in Niet-, Stift- und Scherverbindungen vernachlässigt
man den Einfluss der Biegung, Abb. 1.4 a) und b), bei Spiel zwischen Stift oder
Bolzen und Bohrung kann der Einfluss der Biegung jedoch erheblich sein (s. Bei-
spiel 8.4).
Um zwischen den tatsächlichen Verhältnissen und der durch die Gl. (8.1) ausge-
drückten Annahme möglichst Übereinstimmung zu erzielen, untersucht man Werk-
stoffproben unter gleichen Bedingungen im Scherversuch und ermittelt so die Scher-
festigkeit τaB . Für duktile Metalle ist τaB ≈ 0, 8Rm , für Gusseisen ist τaB ≈ Rm und
τzul = τaB /S.
Beispiel 8.1 (Knotenblech).
An ein Knotenblech sind zwei Flachstäbe angenietet (Abb. 8.2). Die Verbindung
ist durch die Zugkraft F = 120 kN beansprucht. Zu berechnen sind der erforderliche
Nietdurchmesser d1 (τzul = 100 N/mm2 ) und die Flächenpressung (Lochleibungs-
druck) zwischen Niet und Knotenblech.
Lösung 8.1
Zur Berechnung des Nietdurchmessers nimmt man an, dass jeder Niet gleichmäßig belastet ist,
bei drei Nieten je mit F/3. Jeder Niet hat zwei wirksame Scherflächen (zweischnittige Nietverbin-
dung), also ergibt Gl. (8.1)
F/3
τa =  τzul .
2A1
Somit ist A1 = 4 · 104 N/(2 · 100 N/mm2 ) = 200 mm2 und der Nietdurchmesser d1 = 16 mm.
Gewählt wird 17 mm. Die Flächenpressung erhält man (s. Abschnitt 2.4.2) aus

F/3 4 · 104 N
p= = = 117,5 N/mm2 .
sd1 20 mm · 17 mm

Beispiel 8.2 (Scherstift).


Zwei Rohre sind ineinandergesteckt und durch einen Scherstift gehalten (Abb. 8.3).

a) Welche Zugkraft kann die Rohrverbindung mit Rücksicht auf Abscheren aufneh-
men (τzul = 140 N/mm2 )?
b) Beide Rohre sollen miteinander verklebt werden. Wie groß muss die Klebelänge
l bei gleicher Zugkraft mindestens sein (τzul = 10 N/mm2 )?
8.1 Einfache Scherung 237

Abb. 8.3 Rohrverbindung l


mittels Scherstift

∅100
∅80
∅50
∅80
∅15

Lösung 8.2

a) Bei zwei Scherflächen ist F = 2Aτzul = 2 · (π/4) · (15 mm)2 · 140 N/mm2 = 49,5 · 103 N.
b) Mit d = 80 mm ist die Klebefläche A = πdl. Aus Gl. (8.1) ergibt sich dann die notwendige
Klebelänge
F 49,5 · 103 N
l= = = 19,7 mm .
πdτzul π · 80 mm · 10 N/mm2

Beispiel 8.3 (Presskraft eines Standwerkzeuges).


Aus Blech von s = 10 mm Dicke (τaB = 290 N/mm2 ) sollen Ronden mit d = 42 mm
Durchmesser gestanzt werden. Mit welcher Presskraft für das Stanzwerkzeug ist zu
rechnen?
Lösung 8.3
Die zu stanzende (abzuscherende) Fläche ist A = πds = π · 42 mm · 10 mm = 1 320 mm2 . Somit
ergibt sich die Kraft F = τaB A = 290 N/mm2 · 1 320 mm = 38,3 · 104 N.

Beispiel 8.4 (Laschenverbindung).


Für die Laschenverbindung (Abb. 8.4) berechne man die mittlere Scherspannung im
Bolzen. Wie groß ist die Biegespannung im Bolzen, wenn die zulässige Zugspan-
nung in den Laschen σzul = 100 N/mm2 beträgt?
Lösung 8.4
Aus Gl. (8.1) erhält man mit der Scherkraft F = 4 · 104 N und der Scherfläche
π
A= (30 mm)2 = 707 mm2 ,
4
F 4 · 104 N
τa = = = 56,6 N/mm2 .
A 707 mm2
Für die größte Zugspannung in der Lasche ist der gebohrte Querschnitt maßgebend. Mit der La-
schenbreite 3d und dem Bohrungsdurchmesser d ist der maßgebende Flächeninhalt A = 2db/2.
Aus dem Ansatz
F
σ=  σzul
A
ergibt sich die Dicke der mittleren Lasche

F 4 · 104 N
b = = 13,3 mm .
σzul d 100 N/mm2 · 30 mm

Gewählt wird b = 14 mm.


238 8 Schubbeanspruchung durch Querkräfte

a) b)

F = 40 kN F = 80 kN
F = 40 kN

∅30

d
c)
F

b
2F

3
4
90

b
3
2
F

Abb. 8.4 Laschenverbindung


a) Geometrie, Belastungen
b) wirkendes Kräftesysteme am Bolzen
c) äquivalentes Einzelkräftesystem

Das auf den Bolzen wirkende Kräftesystem (Abb. 8.4 b) kann man durch die in den Laschen-
mitten wirkende Einzelkräfte (Abb. 8.4 c) ersetzen. Für die Biegebeanspruchung des Bolzens erhält
man so den ungünstigeren Fall. Mit Mb max = F · 3b/4 = 4 · 104 N · 3 · 14 mm/4 = 42 · 104 Nmm
und Wb = (π/32)(30 mm)3 = 2,65 · 103 mm3 ist die Biegespannung

Mb max 42 · 104 Nmm


σb = = = 158,5 N/mm2 .
Wb 2,65 · 103 mm3
Die Flächenpressung zwischen Lasche und Bolzen rechnen wir zur Kontrolle. Es ist

F 4 · 104 N
p= = = 190,5 N/mm2 .
db/2 30 mm · 7 mm

Man sieht, dass die Schubbeanspruchung für eine Laschenverbindung in diesem Fall von unterge-
ordneter Bedeutung ist, Biegebeanspruchung des Bolzens und Flächenpressung sind zu groß. Im
Allgemeinen ist pzul ≈ σzul , die Laschenverbindung ist für

F = 20 kN . . . 25 kN

richtig dimensioniert.

Eine Berechnung der Formänderungen von auf Abscheren beanspruchten Verbin-


dungselementen nimmt man wegen ihrer bedeutungslosen Kleinheit nicht vor.

8.2 Schubspannungen durch Querkräfte bei Biegung

Bei einer Biegebeanspruchung mit veränderlichem Biegemoment treten Querkräfte


auf, die in jedem Querschnitt des Balkens Schubspannungen τq bewirken. Aus dem
Satz der zugeordneten Schubspannungen, Gl. (7.1), folgt, dass in der oberen und der
8.2 Schubspannungen durch Querkräfte bei Biegung 239

F1
1
τ=0 3
3 τq
Mby (x)
x
τl
Fq (x)
τ=0
z
FA 2
x

Abb. 8.5 Abgeschnittenes Balkenstück mit äußeren Kräften und Schnittreaktionen

unteren Ecke 1 und 2 des Querschnitts (Abb. 8.5) die Schubspannungen senkrecht
zur Oberfläche Null sein müssen, da die Oberfläche des Balkens unbelastet ist, also
dort auch keine Schubspannungen wirken. Weiter folgt aus dem Satz, dass Schub-
spannungen τl = τq in Längsschnitten parallel zur Nullfaser auftreten (z. B. Faser
3 in Abb. 8.5). Durch Vergleich der Verformung eines massiven Holzbalkens (Abb.
8.6 a) mit der eines lose aufeinanderliegenden Bretterstapels (Abb. 8.6 b) unter Ein-
wirkung einer Kraft F kann man das Auftreten der Längsschubspannungen τl an-
schaulich erklären. Die relative Verschiebung der einzelnen Bretter zueinander kann
nur durch Schubkräfte verhindert werden. An den freien Oberflächen können keine
Schubkräfte übertragen werden, dort müssen die Schubspannungen verschwinden.
Eine gleichmäßige Verteilung der Schubspannungen über einen Querschnitt, wie
sie in Abschnitt 8.1 angenommen wurde, kann also nur eine Näherung sein, die hier
nicht zutrifft.
Die Resultierende aller Schubkräfte τq dA ist die Querkraft Fq (x)

τq dA = Fq (x) .

Aus dieser Gleichung ist eine Berechnung der Schubspannungsverteilung τq nicht


möglich. Für die Herleitung einer Näherungslösung für die Schubspannung τq set-
zen wir gerade Biegung voraus, d. h., die Querkraft Fq hat die Richtung der Haupt-
achse z, und betrachten das Teilstück eines Balkens (Abb. 8.7 a) mit beliebiger Quer-
schnittsfläche (Abb. 8.7 b). In die Schnittflächen sind die Schub- und Biegespannun-

a) F b) F

Abb. 8.6 Verformung unter Querkraft


a) massiver Holzbalken
b) gebogener Bretterstapel
240 8 Schubbeanspruchung durch Querkräfte

a) b)

x S

h
y b(z)
τl τh

τq τq
τq τr

σb (x) x dx σb (x + dx) z
z

0
Abb. 8.7 Zur Herleitung der Näherungslösung für die Schubspannung
a) Teilstück eines Balkens mit eingezeichneten Normal- und Schubspannungen
b) Ansicht eines beliebig gestalteten, einfach symmetrischen Querschnitts

gen eingezeichnet. Man macht für die Berechnung folgende Voraussetzungen:


1. Im beliebigen Querschnitt schneiden sich die Schubspannungen τr in der Faser
z = const. in einem Pol 0. Den Pol 0 erhält man aus der Bedingung, dass τr in
der Oberfläche tangential zum Rand verläuft.
2. Die parallel zur Querkraft gerichtete Vertikalkomponente von τr ist die Schub-
spannung τq , sie wird konstant über die Breite b angenommen.
3. Die aus den Horizontalkomponenten τh der Schubspannung τr resultierenden
Schubkräfte bilden ein Gleichgewichtssystem in symmetrischen Querschnitten.
Zwischen der Querkraft Fq (x) und dem Biegemoment Mb (x) in einem Balken gilt
die Beziehung der Gl. (4.21)

dMb (x)
Fq (x) = .
dx
Das Abb. 8.7 a) zeigt, dass die Differenz der Normalkräfte in der linken und rechten
Schnittfläche des Teilstücks nur durch die Schubkraft im Längsschnitt ausgeglichen
sein kann. Die Gleichgewichtsbedingung für die Kräfte in x-Richtung am Teilstück
verlangt
  
Fix = − σb (x) dA − τl b(z) dx + σb (x + dx) dA = 0 .
8.2 Schubspannungen durch Querkräfte bei Biegung 241

Mit den Biegespannungen

Mb (x) Mb (x) + dMb(x)


σb (x) = z und σb (x + dx) = z,
Iy Iy

wobei dMb (x) die Zunahme des Biegemoments mit x angibt, erhält man nach dem
Weglassen gleicher Ausdrücke

dMb (x)
τl b(z)dx = z dA .
Iy

Da dMb (x) und das Flächenmoment Iy von z unabhängig sind, kann man beide vor
das Integral ziehen 
dMb (x)
τl b(z)dx = z dA .
Iy
In dieser Gleichung ist das Integral das Flächenmoment 1. Ordnung (statisches
Flächenmoment) Hy des in Abb. 8.7 b) schraffierten Teils der Querschnittsfläche
bezüglich der y-Achse (s. Abschnitt 4.1.1.1), es ist mit z veränderlich. Berücksich-
tigt man ferner noch Gl. (4.21), ergibt sich mit τl = τq für die Schubspannung

Fq (x)Hy (z)
τq = . (8.2)
Iy b(z)

Aus dieser Gleichung erhält man den Verlauf der Schubspannungen über die Quer-
schnittshöhe, wenn die Form des Querschnitts gegeben ist. Für den Rechteckquer-
schnitt z. B. ist das statische Moment Hy (z) der schraffierten Fläche (Abb. 8.8)


h/2      
b h2 bh2 z 2
Hy (z) = b ζ dζ = − z2 = 1− .
2 4 8 h/2
z

Setzt man dieses Ergebnis in Gl. (8.2) ein und berücksichtigt ferner Iy = bh3 /12,
erhält man für die Schubspannungsverteilung im Rechteckquerschnitt (A = bh)
   
Fq (x) z 2
τq = 1, 5 1− . (8.3)
A h/2

Dies ist die Gleichung einer Parabel mit dem Scheitelwert

3Fq (x)
τq max = 1, 5Fq (x)/A =
2bh
in der Mitte für z = 0. In Abb. 8.8 b) und c) ist die Verteilung der Schub- und
Biegespannungen im Querschnitt zum Vergleich nebeneinander aufgezeichnet.
242 8 Schubbeanspruchung durch Querkräfte

a) b b) τq c) σb

y τq max

h
ζ
z

h/2
τq (z)

z z z

Abb. 8.8 Spannungsverteilungen im Rechteckquerschnitt


a) Ansicht des Querschnitts
b) Schubspannungen
c) Biegespannungen

Satz 8.1 (Schubspannungsverlauf). Die Schubspannung im Querschnitt hat ihren


Maximalwert in der Nulllinie, und sie ist dort Null, wo die Biegespannung am
größten ist.
Auch für Kreisquerschnitte erhält man parabolische Schubspannungsverteilung τq
(s. Beispiel 8.5) mit dem Maximalwert

4Fq(x)
τq max = [4Fq (x)]/(3A) = .
3πr2
Für Balken mit beliebigen Querschnitten kann man allgemein schreiben
Fq
τq max = k .
A
Die Zahlenkonstante k ist nur von der Form des Querschnitts abhängig. Für Kreis-
ringquerschnitte ist z. B.
4 r2 + ra ri + r2i
k= · a 2 ,
3 ra + r2i
für dünnwandige Kreisringe mit ri ≈ ra ist k = 2. Für beliebige Querschnitte wer-
tet man den Quotienten Hy (z)/b(z) in Gl. (8.2) numerisch aus und kann so die
Konstante ermitteln.
8.3 Abschätzung der Größenordnung der Schubspannung 243

8.3 Abschätzung der Größenordnung der Schubspannung im


Verhältnis zur Biegespannung

Zur Abschätzung der Größenordnung der Schubspannungen im Vergleich zur Bie-


gespannung bilden wir das Verhältnis der größten Schubspannung zur größten Bie-
gespannung. Die größte Schubspannung ergibt sich nach Gl. (8.1) und Abb. 8.7
für z = 0. Dann hat das statische Flächenmoment Hy (z) seinen maximalen Wert
Hy max . Wir erhalten somit

Fq max Hy (0)
τq max = .
Iy b(0)

Die größte Biegespannung ist σb max = Mb max /Wby (oder Mb max /Wb min bei zur
y-Achse unsymmetrischen Querschnitten). Wir erhalten nunmehr

τq max Fq max Hy (0)


= . (8.4)
σb max Mb max (Iy /Wby )b(0)

Für einen Freiträger mit Rechteckquerschnitt (Abb. 8.9) ergibt sich z. B. mit
Fq max = F, Mb max = Fl, Hy (0) = bh2 /8 und Iy /Wby = h/2

τq max 1h
= .
σb max 4 l
Die Schubspannung hat die gleiche Größenordnung wie die Biegespannung, wenn
die Höhe h in gleicher Größenordnung wie die Länge l ist. Sie beträgt weniger als
5 % der Biegespannung, wenn h < l/5 ist. Allgemein kann man für Gl. (8.4) auch
schreiben
τq max h
=c . (8.5)
σb max l
Die Konstante c ist eine nur von der Querschnittform und der Balkenlagerung
abhängige Zahlenkonstante.

l
Schnitt A-B
b F B
h

y x

Abb. 8.9 Freiträger mit z B


Rechteckquerschnitt
244 8 Schubbeanspruchung durch Querkräfte

Satz 8.2. Das Verhältnis der Schubspannungen zur Biegespannung in einem Balken
ist dem Verhältnis von Balkenhöhe zur Länge proportional.

Die Schubspannungen bei der Biegung sind dann zu berücksichtigen, wenn


Höhe und Länge eines Balkens gleiche Größenordnung haben, der Balken
also extrem kurz ist. Sind die Längenabmessungen wesentlich größer als die
Höhe, können die Schubspannungen vernachlässigt werden.

Beispiel 8.5 (Wellenzapfen).


Für einen Wellenzapfen (als Freiträger) mit Kreisquerschnitt (Durchmesser d) mit
der Länge l, der am freien Ende durch die Einzellast F auf Biegung beansprucht ist,
ermittle man die Schubspannungsverteilung τq und das Verhältnis τq max /σb max .
Lösung 8.5
Wir berechnen das Flächenmoment Hy (z) (Abb. 8.10). Mit

ζ = (d/2) sin ϕ, b(ζ) = 2(d/2) cos ϕ, dζ = (d/2) cos ϕ dϕ

ist


d/2

Hy (z) = ζb(ζ) dζ
z

π/2 
π/2
d d d d3 d3
= sin ϕ cos ϕ cos ϕ dϕ = sin ϕ cos2 ϕ dϕ = cos3 α .
2 2 2 4 12
α α

Mit b(z) = d cos α und A = πd2 /4 sowie Iy = πd4 /64 ist


  2 
4 Fq (x) 4 Fq (x) 4 Fq (x) z
τq = cos α =
2
(1 − sin α) =
2
1−
3 A 3 A 3 A d/2

b(z)
b(ζ)
α

y
ϕ

τh
ζ
d/2

τq
Abb. 8.10 Kreisquerschnitt, τr
τr resultierende Randschub-
spannung, τq Vertikalkompo- z
nente von τr ,τh Horizontal-
komponente von τr 0
8.4 Schubspannungen in Profilträgern - Schubmittelpunkt 245

und
4 Fq (x)
τq max = .
3 A
An der Wellenoberfläche ist τr = τq / cos α (Abb. 8.10). Man erhält für das gesuchte Verhältnis
mit σb max = Fl/Wb und Wb = πd3 /32

τq max 4 Wb 1d
= = .
σb max 3l A 6 l
Die Schubspannungen im Wellenzapfen sind geringer als 5 % der Biegespannung, wenn die Länge
l größer als 3, 33 d ist.

Bei Holz beträgt die Scherfestigkeit in Richtung der Faser etwa 1/10 der Biege-
festigkeit, also τB /σbB ≈ 1/10. In einem Holzzapfen mit Rechteckquerschnitt ist bei
Biegebeanspruchung senkrecht zur Faserrichtung demnach das kritische Längen-
verhältnis l/h = (1/4)σbB /τB = 2, 5. Ist l < 2, 5h, dann ist ein Schubbruch in
Längsrichtung in der Mitte zu erwarten, bei l > 2, 5h kann mit einem Biegebruch
gerechnet werden.

8.4 Schubspannungen in Profilträgern - Schubmittelpunkt

Profilträger (z. B. I-, U- oder L-Träger) haben im Verhältnis zu ihrer Höhe nur ge-
ringe Dicke der Stege und Flansche. Die Schubspannungen kann man deshalb paral-
lel zur Querschnittberandung verlaufend und über die Dicke gleichmäßig verteilt an-
nehmen. Betrachten wir z. B. den I-Querschnitt (Abb. 8.11). Im Flansch treten ver-
tikale Schubspannungen und horizontale Schubspannungen auf, deren Verteilungs-
gesetz eingezeichnet ist (Herleitung s. Beispiel 8.6). Infolge des schroffen Quer-
schnittübergangs vom Flansch zum Steg steigt die Spannung in diesem stark an.
Die vertikalen Schubspannungen im Flansch können im Allgemeinen vernachlässigt
werden, die Querkraft hat im wesentlichen der Steg aufzunehmen (Schubversteifung
in dünnwandigen Profilen, z. B. Querrippen zwischen Flansch und Steg). In solchen

τh

τq τq

ζ ζ

S
y

Abb. 8.11 Schubspannungen


im I-Profil z z
246 8 Schubbeanspruchung durch Querkräfte

Abb. 8.12 Schubspannungen


τh
im U-Profil,
Schubmittelpunkt dx

hm
τq
e

y S 0 S

Fq (x)
z

Fällen ist es oft ausreichend, mit der mittleren Schubspannung τm = Fq (x)/ASteg zu


rechnen.
Bei symmetrischen Profilen heben sich die durch die horizontalen Schubspan-
nungen hervorgerufenen Schubkräfte in den Flanschen bei einer Gleichgewichtsbe-
trachtung am abgeschnittenen Teilstück gegenseitig auf. In unsymmetrischen Pro-
filen ist dies nicht der Fall, z. B. dem U-Profil (Abb. 8.12). Die aus den Schub-
spannungen resultierenden Flansch-Schubkräfte Fth ergeben ein Kräftepaar, das eine
Verdrehung um die Längsachse des Trägers zur Folge hat. Diese Verdrehung kann
man durch ein entgegengesetzt drehendes Kräftepaar aus Stegschubkraft und exzen-
trischer Kraft Fq (x) verhindern, wenn also die Lastebene nicht durch den Schwer-
punkt geht, sondern parallel dazu durch den sogenannten Schubmittelpunkt S. Für
den Abstand dieses Puntkes vom Punkt 0 erhält man die Beziehung

Fq e = Fth hm . (8.6)

Bei einfach symmetrischen Querschnitten gilt allgemein



Fq e = τ(s)t(s)r(s)ds . (8.7)

Dabei sind τ(s) die Schubspannung, t(s) die die Profildicke und r(s) der ent-
sprechende Hebelarm. Der Schubmittelpunkt spielt vor allem bei dünnwandigen
Blechprofilen (Abkantprofile, Leichtbau) eine große Rolle. Die Drehung kann allge-
mein verhindert werden, wenn man zwei unsymmetrische Profile (durch Schrauben,
Schweißen oder Nieten) steif zu einem symmetrischen zusammensetzt.
Beispiel 8.6 (I-Träger).
Für einen I-Träger mit dem Breitflanschprofil PBv 320 nach DIN 1 025 Bl. 4 ist die
Schubspannungsverteilung zu ermitteln und aufzuzeichnen. Bei welchem Längen-
verhältnis ist τzul = 0, 6 σb max , wenn der I-Träger als Balken auf zwei Stützen in
der Mitte durch die Einzellast F belastet ist (Abb. 8.13)?
8.4 Schubspannungen in Profilträgern - Schubmittelpunkt 247

Lösung 8.6
Wir berechnen die Schubspannungen mit Hilfe der Gl. (8.2). Mit den Bezeichnungen aus Abb. 8.14
ergibt sich die horizontale Schubspannung im Flansch

Fq (x)Hy Fq (x)zSt tη Fq (x)zSt


τh = = = η.
Iy t Iy t Iy

Sie nimmt von außen zur Mitte hin linear zu und erreicht ihren Maximalwert für η = b/2. Der
Profiltabelle in [22] entnimmt man A = 312 cm2 , b = 30,9 cm und Iy = 68 130 cm4 . Hiermit
erhält man
Fq (x)Hy zS1 Ab 15,95 cm · 312 cm2 · 30,9 cm Fq (x) Fq (x)
τh max = = = 1, 128 .
A 2Iy 2 · 68 130 cm4 A A

Die vertikalen Schubspannungen verlaufen parabolisch, ihr Maximalwert am Übergang vom


Flansch zum Steg ist

Fq (x)zS1 tb Fq (x) zS1 Ab t t Fq (x)


τq1 = = = 2τh max = 0, 292 .
Iy b A Iy b b A

Lassen wir zunächst den allmählichen Übergang vom Flansch zum Steg außer Acht, dann ändert
sich die Schubspannung zum Steg hin im Verhältnis b/s

b Fq (x)
τq2 = τq1 = 4, 3 ,
s A
von hier steigt sie weiter parabolisch an. Die größte Schubspannung im Steg ergibt sich für
z = 0. Der Profiltabelle [22] entnimmt man für die halbe Querschnittfläche das statische Moment
Hy (0) = 2 220 cm3 . Zur Übung wollen wir es unter Berücksichtigung des Übergangsbogens vom
Flansch zum Steg ausrechnen (Abb. 8.15):
– Flansch: Hy (0)Fl = 15,95 cm · 30,9 cm · 4 cm = 1 971 cm3 ,
– Rundung: Hy (0)R = 2 · (2,7 cm)2 · 12,6 cm − 0, 5π(2,7 cm)2 · 12,39 cm = 42 cm3 ,
– Steg: Hy (0)St = 2,0 cm · 13,95 cm · 6,975 cm = 205 cm3 .
Insgesamt erhält man somit Hy (0) = 2 218 cm3 , nur unbedeutend weniger als der Tabellenwert.
Die größte Schubspannung ist

Fq (x) Hy (0)A Fq (x) 2 220 cm3 · 312 cm2 Fq (x)


τq max = = = 4, 84 .
A Iy s A 68 130 cm4 · 2,1 cm A

Die Spannungsverteilung ist in Abb. 8.14 gezeichnet. In dem Übergang vom Flansch zum Steg ist
die allmähliche Zunahme der Schubspannungen dargestellt.
Im Träger auf zwei Stützen mit Mittellast F ist die Querkraft Fq (x) = F/2 und das Biegemo-
ment Fx/2 mit dem Maximalwert Fl/4. Mit σb max = Mb max /Wb erhält man

l/2
F

Abb. 8.13 I-Träger mit l


Einzellast
248 8 Schubbeanspruchung durch Querkräfte

b = 309 τq
S1
τh τq1
τq2
zS1 = 159, 5

t = 40
η

27
139, 5

s = 21
112, 5

η τq max

359
279
y

τmax
τh

z
z
Abb. 8.14 Schubspannungen im I-Breitflanschprofilträger

τb max F 4Wb
= 4, 84 · = 0, 6 .
σb max 2A Fl

Der Profiltabelle entnimmt man Wb = 3 800 cm3 , somit kann die Länge l berechnet werden

4, 84 · 2 · 3 800 cm3
l= = 196,5 cm .
312 cm2 · 0, 6
Im Verhältnis zur Höhe h = 35,9 cm erhält man
l 196,5 cm
= = 5, 47 .
h 35,9 cm

Für einen Träger auf 2 Stützen mit Vollrechteckquerschnitt und Einzellast in der
Mitte ist nach Gl. (8.3) das Verhältnis τq max /σb max = h/2l. Bei l/h = 5, 5 ist somit
τq max = (1/11)σb max . Beim I-Träger ist der Anteil der Schubspannung ungefähr
sechseinhalb Mal so groß wie beim Träger mit Rechteckquerschnitt.
Satz 8.3 (Schubanteil). Allgemein ist bei offenen Profilträgern der Schubanteil
größer als bei Trägern mit Vollquerschnitt.

54
27
13, 5
11, 4

Abb. 8.15 Übergangsbögen


y
112, 5

vom Flansch zum Steg des


Breitflanschprofils
8.4 Schubspannungen in Profilträgern - Schubmittelpunkt 249

Häufig werden Profilträger zur Gewichtsersparnis mit kreisförmigen Durchbrüchen


versehen (Abb. 8.16 a). Da diese in der neutralen Faser der Biegung liegen, haben
sie auf die Biegespannungen nur wenig Einfluss. Die Schubspannungen erfahren
jedoch eine beträchtliche Vergrößerung, die man nicht außer Acht lassen darf.
Die im Längsschnitt einer Teilung t des ungeschwächten Steges wirkende Schub-
spannung ist bei in diesem Bereich unveränderlicher Querkraft2 (Abb. 8.16 b)

Fq (x)Hy (0)
τl = τq max = . (8.8)
Iy b

Die hieraus resultierende Schubkraft Ft muss beim gelochten Steg vom Restquer-
schnitt s · b aufgenommen werden

Ft = τl tb = τlm sb

Da nach dem Satz der zugeordneten Schubspannungen eine gleichmäßige Span-


nungsverteilung τlm nicht möglich ist (in A und B ist τl = 0, s. Abb. 8.16 b), rechnet
man mit parabolischer Spannungsverteilung. Der Maximalwert der Schubspannung
im Längsschnitt AB ist
t
τl max = 1, 5τlm = 1, 5τl .
s
Berücksichtigt man die Gl. (8.8), ergibt sich

Fq Hy (0) t
τl max = 1, 5 . (8.9)
Iy b s

a) b) Einzelheit X τm

t d
τmax
τl

A B
A s B
Fq (x)
Fq (x)

s
t
X t

Abb. 8.16 Profilträger mit kreisförmigen Durchbrüchen


a) Geometrie
b) Schubspannungsverteilung im Schnitt AB

2 Ändert sich die Querkraft Fq längs der Teilung, nimmt man den Mittelwert.
250 8 Schubbeanspruchung durch Querkräfte

8.5 Berechnung von genieteten und geschweißten Trägern

Profilträger sind oft aus einzelnen Teilen (Gurtblechen, Stegblechen, Winkeln) zu-
sammengesetzt (Abb. 8.17 a und b), gewalzte Profilträger sind mit Gurtblechen
verstärkt (Abb. 8.17 c). Die Verbindungsmittel (Niete, Bolzen oder Schweißnähte in
Stahlkonstruktionen, Nägel oder Leim in Holzkonstruktionen) müssen die Längs-
schubkräfte Ft infolge der Längsschubspannungen aufnehmen.
Die in der Teilung t zu übertragende Schubkraft zwischen Flansch und Gurtblech
des genieteten Trägers (Abb. 8.18) ist

Fq (x)Hy Gurt t
Ft = τl b1 t = . (8.10)
Iy

Ist die Anzahl der in der Teilung t nebeneinander liegenden Niete z (meist 2 oder
4) und A die Querschnittfläche eines Nietes, dann gilt die Beziehung

Ft
 τzul . (8.11)
zA
Aus den letzten beiden Gleichungen erhält man für den erforderlichen Nietquer-
schnitt die Beziehung
Fq (x)Hy Gurt t
A . (8.12)
Iy zτzul
Für die Stegnietung (Abb. 8.17 a) ist in Gl. (8.10) das Flächenmoment 1. Ordnung
Hy der Gurtfläche und der Winkel einzusetzen, weil die Schubkräfte dieser Teile
durch den Stegquerschnitt geleitet werden.
Für die Schweißung (Abb. 8.18 c) erhält man mit der Schweißnahtlänge t die
Längsschubkraft
Ft = τl b1 t = τS 2at .
a ist die Dicke des Nahtquerschnitts. Für die Schubspannung τS in der Naht ergibt
sich
Fq (x)Hy Gurt
τS =  τzul . (8.13)
2Iy a
Die erforderliche Nahtdicke berechnet man aus

a) b) c)
a

Abb. 8.17 Querschnitt von


Profilträgern
a) genietet
b) geschweißt
c) mit aufgeschweißten
Verstärkungsblechen
8.5 Berechnung von genieteten und geschweißten Trägern 251

Abb. 8.18 Genieteter Träger a) b) c)


a) und b) Teilstücke eines t b1 b1

a
genieteten Trägers
c) I-Träger mit aufge-
schweißtem Verstärkungs- t
blech

x y y
z z

Fq (x)Hy Gurt
a . (8.14)
2Iy τzul

Für die Berechnung der Schweißnähte ist allerdings zu beachten, dass sie infolge
Biegung zusätzlich noch Zug- oder Druckspannungen erfahren können, maßgebend
ist somit die Vergleichsspannung σV (s. Abschnitt 9.4.1).
Beispiel 8.7 (Kurzer Träger aus Blechen).
Ein kurzer Träger ist aus Blechen zusammengesetzt und durch die konstante Quer-
kraft Fq = 160 kN belastet. Das Stegblech 300 mm x 12 mm ist einmal mit den Gurt-
blechen 120 mm x 10 mm über die Winkelstähle 55 mm x 8 mm nach DIN 1 028
durch Niete verbunden (Abb. 8.17 a), zum anderen mit ihnen verschweißt (Abb.
8.17 b). Für die Nietteilung der Gurtniete ist t = 200 mm gegeben, die Dicke der
Schweißnaht beträgt a = 4 mm, τzul = 100 N/mm2 für die Niete. Die Flächenmo-
mente für den Querschnitt mit Winkeln bzw. ohne Winkel sind 14 500 cm4 bzw.
8 600 cm4 . Zu berechnen sind
a) der Nietdurchmesser d1 der Gurtniete,
b) dieTeilung t der Stegniete bei gleichem Nietdurchmesser,
c) die Schubspannung in der Schweißnaht sowie
d) in beiden Fällen die größten Schubspannungen im Träger.
Lösung 8.7
a) Die vom Gurt auf die Winkel übertragene Schubkraft ist nach Gl. (8.10)

16 · 104 N · 15,5 cm · 12 cm2


Ft = 20 cm = 4,1 · 104 N .
14 500 cm4

Mit z = 2 ist A1  4,1 · 104 N/(2 · 100 N/mm2 ) = 205 mm2 . Daraus ergibt sich der Niet-
durchmesser (aufgerundet) d1 = 17 mm.
b) Für die Nietteilung t der zweischnittigen Stegniete folgt mit den Gln. (8.10) und (8.11)

Fq (Hy Gurt + Hy Winkel )


t = 2A1 τzul .
Iy

Mit dem Schwerpunktabstand der Winkel 13,36 cm und dem Querschnitt AW = 8,23 cm2 (Pro-
filtabelle DIN 1 028) ist Hy Gurt + Hy Winkel = 186 cm3 + 2 · 13,36 cm · 8,23 cm2 = 406 cm3 .
Für d1 = 17 mm ergibt sich A1 = 2,27 cm2 . Somit erhält man für die Teilung der Stegniete

2 · 2,27 · 102 mm2 · 100 N/mm2 · 14 500 cm4


t= = 10,1 cm .
16 · 104 N · 406 cm3
252 8 Schubbeanspruchung durch Querkräfte

Abb. 8.19 Verwölbung der dx


ebenen Querschnitte eines
Balkenteilstücks infolge der
Schubspannungen dwq Ver-
schiebung der Mittellinie A1 A2

dwq
γ x

h
z

Ausgeführt wird t = 100 mm, es sind demnach im Steg doppelt soviel Niete erforderlich wie
auf einer Seite im Gurt.
c) Die Schubspannung in der Schweißnaht berechnen wir aus Gl. (8.13)

16 · 104 N · 186 · 103 mm3


τs = = 43,9 N/mm2 .
2 · 8 460 · 104 mm4 · 4 mm
d) Für die größten Schubspannungen in der Mitte des Querschnitts benötigt man noch das stati-
sche Flächenmoment der halben Stegfläche Sy Steg = 7,5 cm · 18 cm2 = 135 cm3 . Im genieteten
Träger erhält man

16 · 104 N · 541 · 103 mm3


τq max = = 49,7 N/mm2 ,
14 500 · 104 mm4 · 12 mm
desgleichen im geschweißten Träger

16 · 104 N · 321 · 103 mm3


τq max = = 50,6 N/mm2 .
8 460 · 104 mm4 · 12 mm

8.6 Schubverformung

Nach dem H OOKE’schen Gesetz, Gl. (7.2), haben Schubspannungen Winkelände-


rungen zur Folge. Wegen der ungleichmäßigen Schubspannungsverteilung, z. B. im
Rechteckquerschnitt eines Balkens, bei Biegung durch Querkräfte u. a. m. erfährt
der Querschnitt durch verschieden große Schiefstellung der einzelnen Volumenele-
mente eine Verwölbung (Abb. 8.19). Es zeigt sich also, dass die bei der Biegung
getroffene Annahme vom Ebenbleiben nur bei reiner Biegung erfüllt sein kann. So-
mit ist jedoch auch die Schubspannung nach Gl. (8.2) nur näherungsweise richtig,
da sie von der Voraussetzung des Ebenbleibens der Querschnitte ausging.
Zwei benachbarte Querschnitte A1 und A2 (Abb. 8.19) verschieben sich durch
die Schubbeanspruchung um den Betrag dwq in z-Richtung gegeneinander. Für die
Abschätzung der Verformung wollen wir die Formänderungsarbeit heranziehen und
diese mit der Arbeit der Querkraft vergleichen. Diese ist dWq = (1/2)Fq (x)dwq .
8.6 Schubverformung 253

Andererseits ist die Formänderungsarbeit in einem differentiell kleinen Volumen-


element dV, Gl. (7.3), dWq = (τ2q /2G)dV. Setzt man hier τq aus Gl. (8.2) ein, wird
 
1 Fq (x)Hy (z) 2
dWq = dV .
2G Iy b(z)

Für ein Balkenteilstück der Länge dx mit dem Querschnitt A erhält man durch In-
tegration über den Querschnitt
 2
1 Fq (x)Hy (z)
dWq = dA dx .
2G Iy b(z)
A

Zur Abkürzung führt man ein


 2
Hy (z)
κ=A dA .
Iy b(z)
A

κ ist ein nur von der Querschnittform abhängiger Zahlenfaktor (Querschnittfaktor).


Er stellt die Schubkorrektur dar. Nunmehr ergibt sich

F2q (x)
dWq = κ dx .
2GA
Durch Gleichsetzen der beiden Ausdrücke für dWq erhält man

1 F2q (x)
Fq (x)dwq = κ dx
2 2GA
und somit für die Durchbiegung dwq infolge Querkraft

Fq (x)dx
dwq = κ . (8.15)
GA
Mit Fq (x)dx = dMb (x) wird schließlich nach Integration

Mb (x)
wq = κ + w0 . (8.16)
GA
Satz 8.4 (Querkraftbiegung). Die durch die Querkraft verursachte Durchbiegung
wq ist dem Biegemoment direkt und der Schubsteifigkeit GA umgekehrt proportio-
nal.
Die Konstante w0 erhält man aus den Randbedingungen.
Für den Querschnittfaktor erhält man nach Durchführung der Integration für

Rechteckquerschnitt κ = 1, 2 Kreisquerschnitt κ = 10/9 ≈ 1, 1 .


254 8 Schubbeanspruchung durch Querkräfte

Für I-Profile ist je nach Größe κ = 1, 0 . . .2, 4 [22]. Wir wollen die Durchbiegung
am Ende des Freiträgers (Abb. 8.9), hervorgerufen durch die Schubspannungen, mit
der Durchbiegung f = Fl3 /3EIy vergleichen (s. Beispiel 5.3 und Tabelle 5.1). Aus
Gl. (8.16) erhalten wir mit Mb (l) = −Fl für x = l und wq = 0 die Konstante

Fl
w0 = κ .
GA
Somit ist wq max = w0 für x = 0 am freien Ende des Trägers. Ersetzt man nach
Gl. (9.61) den Gleitmodul durch den Elastizitätsmodul, ergibt sich

wq max Fl 3EIy 1 + ν h2
=κ = 1, 2 .
f GA Fl3 2 l2
Die Schubverformung ist somit dem Quadrat des Verhältnisses h/l proportional.
Für h/l = 1/5 (die größte Schubspannung beträgt dann 5 % der Biegespannung) ist
für Metalle mit ν = 0, 3 die Schubverformung wq max = 1, 2(2, 6/100)f, also 3,1 %
der Biegeverformung, und kann vernachlässigt werden. Für kurze, dicke Balken gilt
diese Aussage nicht mehr. Für h/l = 1/3 ist wq max = 1, 2(1, 3/18)f, d. h. ca. 9 %,
bei h/l = 1/2 ist wq max = 1, 2(1, 3/8)f, d. h. ca. 20 %.
Beispiel 8.8 (Breitflanschträger).
Für den Breitflanschträger in Beispiel 5.5 (Abb. 4.2) ist die Durchbiegung wq max
durch die Last F = 370 kN zu berechnen und mit der dort gerechneten größten
Durchbiegung zu vergleichen.
Lösung 8.8
Der Profiltabelle in [22] entnimmt man A = 444 cm2 . Mit Mb max = Fab/l und κ = 2, 4 für
große I-Profile ergibt Gl. (8.16)

Fab 37 · 104 N · 6 m · 9 000 mm


wq max = κ = 2, 4 = 0,89 mm .
GAl 15 m · 8,1 · 104 N/mm2 · 444 · 102 mm2

Das sind ungefähr 5 % von fm = 17,72 mm im Beispiel 5.5. Dieser Anteil ist somit unbedeutend;
bei kürzeren Trägern kann er jedoch erheblich höher liegen.

8.7 Aufgaben zu Kapitel 8

Aufgabe 8.1 (Kurze Konsole). Eine kurze Konsole aus dem hochstegigen T-Stahl
140 nach DIN 1 024 trägt am freien Ende die Einzellast F.
a) Bei welcher Länge l beträgt die größte Schubspannung weniger als 10 % der
größten Biegespannung?
b) Die größte Schubspannung ist für F = 21 kN zu berechnen.

Aufgabe 8.2 (Träger). Ein Stahlträger ist aus einem Stegblech 240 mm × 18 mm
und zwei Gurtblechen 180 mm × 15 mm zu einem I-Profil zusammengeschweißt
8.7 Aufgaben zu Kapitel 8 255

(Abb. 8.17 b), die Schweißnahtdicke beträgt 5 mm. In dem Träger wirkt die kon-
stante Querkraft Fq = 90 kN. Das Stegblech ist mit kreisförmigen Durchbrüchen
versehen.
a) Wie groß sind die Schubspannungen in den Schweißnähten?
b) Welchen Abstand s müssen die Durchbrüche (d = 80 mm, Abb. 8.16 a) mindes-
tens voneinander haben, wenn τzul = 80 N/mm2 ?

Aufgabe 8.3 (Träger). Der Träger mit dem Querschnitt (Abb. 8.20) ist durch die
Querkraft Fq = 120 kN beansprucht, sie ist über die Länge des Trägers konstant. Der
erforderliche Nietdurchmesser d1 und die Schubspannung in der mittleren Faser
sind zu berechnen; die zulässige Schubspannung im Niet ist τzul = 100 N/mm2 ,
t = 90 mm.

170

12
U180
DIN 1026

Abb. 8.20 Querschnitt eines


aus zwei I-Profilen und zwei
Blechen genieteten Trägers z

Aufgabe 8.4 (Träger). Ein Träger auf zwei Stützen (Stützweite l) ist durch eine
Einzelkraft F in der Mitte zwischen den Stützen auf Biegung beansprucht.
a) Wie groß muss die Stützweite l mindestens sein, wenn die größte Schubspannung
1/8 der größten Biegespannung betragen darf?
b) Für diesen Fall ermittle man die Tragfähigkeit Fzul . Gegeben sind Profilträger aus
Stahl I PE 300 DIN 1 025 Bl. 5 und σzul = 120 N/mm.

Aufgabe 8.5. Ein geschweißter Kastenträger soll im gezeichneten Querschnitt (Abb.


8.21) das Biegemoment Mb = 15 kNm und die Querkraft Fq = 60 kN aufnehmen.
Zu berechnen sind
a) die größte Biegespannung,
b) die größte Schubspannung und
c) Biege- und Schubspannungen in den Schweißnähten.
256 8 Schubbeanspruchung durch Querkräfte

100
90

200
160
190
Abb. 8.21 Profil eines ge-
schweißten Kastenträgers z

8.8 Formelzusammenfassung Kapitel 8

• Schubspannungen
F
τa =
A
• Schubspannung bei Querkraftschub

Fq (x)Hy (z)
τq = ,
Iy b(z)

• Schubspannung bei Querkraftschub im Rechteckquerschnitt


   
Fq (x) z 2
τq = 1, 5 1− ,
A h/2

• Durchbiegung in Folge Querkraft

Mb (x)
wq = κ + w0 .
GA
w0 wird aus den Randbedingungen ermittelt, k ist ein Querschnittsfaktor
• Querschnittsfaktor
 
Hy (z) 2
κ=A dA
Iy b(z)
A
Kapitel 9
Zusammengesetzte Beanspruchung

9.1 Einteilung und Beispiele

In den vorhergehenden Abschnitten haben wir einfache Beanspruchungen in stabför-


migen Bauteilen kennen gelernt und die dafür kennzeichnenden Spannungen und
die Verformungen berechnet. In der Praxis des Maschinenbaus treten jedoch häufig
zwei oder mehrere dieser Beanspruchungsarten, demzufolge auch verschiedenartige
Spannungen, gleichzeitig auf.
Definition 9.1. Unter zusammengesetzter Beanspruchung versteht man das gleich-
zeitige Vorhandensein zweier oder mehrerer einfacher Beanspruchungen in einem
Bauteil.
Es liegt nahe, nach einer gewissen Systematik zu suchen, mit der eine Einteilung
der zusammengesetzten Beanspruchung erfolgen kann. Einfache Beanspruchungen
unterteilt man in solche, die im Querschnitt nur Normalspannungen, und andere, die
im Querschnitt nur Schubspannungen hervorrufen. Somit kann man die folgende
Gliederung vornehmen:
1. zusammengesetzte Normalspannungen an gleichen Schnittflächen,
2. zusammengesetzte Schubspannungen an gleichen Schnittflächen,
3. zusammengesetzte Normalspannungen an gleichen Schnittflächen und Schub-
spannungen sowie
4. zusammengesetzte Normalspannungen in zwei oder drei zueinander senkrechten
Richtungen und Schubspannungen.
In den Fällen 1 und 2 kann man die resultierenden Spannungen durch Superposition
der einzelnen Spannungen im Querschnitt gewinnen, da gleichartige Spannungen in
gleichen Schnittflächen vorhanden sind. In den einzelnen Punkten der Schnittfläche
können die Spannungen algebraisch addiert werden.
In dem Querschnitt einer Stange wirkt die gleichmäßig verteilte Zugspannung
F
σ= = 50 N/mm2
A

257

G. Holzmann et al., Technische Mechanik Festigkeitslehre, DOI 10.1007/978-3-8348-8101-4_9,


© Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
258 9 Zusammengesetzte Beanspruchung

a)
C σ = 50 N/mm
2 b) σb = −80 N/mm2 C
Mb
F

B B σb = 80 N/mm2
Abb. 9.1 Stange mit Spannungsverteilung
a) belastet auf Zug
b) belastet auf Biegung

(Abb. 9.1 a). Wird die Stange zusätzlich durch das Biegemoment Mb gebogen und
erhält man als Maximalwerte der Biegespannungen am unteren und oberen Rand
die Werte
Mb
σb = ± = ±80 N/mm2
Wb
(s. Abb. 9.1 b), sind die resultierenden Spannungen

im Punkt B σ = 50 N/mm2 + 80 N/mm2 = 130 N/mm2 ,

im Punkt C σ = 50 N/mm2 − 80 N/mm2 = −30 N/mm2 .

In den Fällen 3 und 4, bei denen Spannungen entweder in verschiedenen Rich-


tungen wirken oder aber an gleichen Schnittflächen verschiedenartige Spannungen
(Normal- und Schubspannungen) vorkommen, ist eine einfache Überlagerung nicht
mehr möglich. Hierfür sind Vergleichsspannungen definiert, die auf Grund von theo-
retischen Überlegungen gefunden wurden (Hypothesen) und die die Wirkung einer
mehrachsigen Beanspruchung aus gleich- oder verschiedenartigen Spannungen auf
eine gleichwertige einachsige Spannung zurückführt (s. Abschnitt 9.4.1).
Abbildung 9.2 zeigt eine Übersicht über die Kombinationsmöglichkeiten der ein-
zelnen einfachen Beanspruchungen, geordnet in der Reihenfolge der oben angege-
benen vier Fälle. In den folgenden drei Abschnitten wollen wir an einigen Bei-
spielen das Superpositionsgesetz anwenden. In einem Fall werden wir die Span-
nungsverteilung noch einmal von Grund auf herleiten (stark gekrümmter Träger), in
anderen Fällen gehen wir von den bekannten Grundbeanspruchungen aus.

9.1.1 Zusammengesetzte Zug- oder Druck- und


Biegebeanspruchung

Da sich Zug- und Druckkräfte in Bezug auf einen Körper nur durch ihre Richtun-
gen (Vorzeichen + oder −) unterscheiden, sollen sie gemeinsam behandelt wer-
den. Wir betrachten den beliebig gestalteten Querschnitt eines Balkens (Abb. 9.3 a),
in dem als Schnittreaktionen das Biegemoment Mb (x) und die Normalkraft Fn (x)
vorhanden sind, Querkräfte sind nach den Voraussetzungen des Abschnitt 8.3 ver-
9.1 Einteilung und Beispiele 259

einfache
Grund- Zug Druck Biegung Schub Torsion
bean-
spruchungen

1. zusammen-
gesetzte Zug oder Druck
Normal- + Biegung
spannungen

2. zusammen-
gesetzte Schub
Schub- + Torsion
spannungen

Zug oder Druck + Schub

Zug oder Druck + Torsion

3. zusammen- Biegung + Schub


gesetzte
Normal- und
Biegung + Torsion
Schub-
spannungen
Biegung + Schub + Torsion

Zug oder Druck + Biegung + Schub + Torsion

4. zusammen-
gesetzte Nor- Zug oder Druck in zwei Richtungen
malspannun- + Biegung + Torsion
gen in zwei
oder drei
Richtungen Zug oder Druck in drei Richtungen
und Schub- + Biegung + Torsion
spannungen
Abb. 9.2 Übersicht und Einteilung der zusammengesetzten Beanspruchung

nachlässigt. Das Biegemoment kann sowohl durch Kräfte senkrecht zur x-Achse des
Balkens hervorgerufen sein (s. Abschnitte 4.2 und 4.3), es kann aber auch von einer
Kraft herrühren, deren Wirkungslinie parallel zur x-Achse liegt (zum Querschnitt-
schwerpunkt S exzentrischer Lastangriff), s. Abb. 9.3 b). Der im Punkt P angreifen-
den Kraft gleichwertig ist das Kräftesystem, welches aus dem Kräftepaar F n , −FFn
mit dem Betrag F n · r als Biegemoment Mb und der Normalkraft Fn im Schwerpunkt
S der Fläche besteht (s. auch [17], Abschnitt 4.1.1 Zwei Kräfte. Kräftepaar).
Das in der Fläche gewählte y, z-Koordinatensystem ist ein Hauptachsensystem
(s. Abschnitt 4.1.3.3); dann erhält man die Biegespannung aus Gl. (4.50) mit I1 ≡ Iy
260 9 Zusammengesetzte Beanspruchung

a) b)

−F
n
y S S F S
α n Fn
Mb

r
α

zP
nr
α

y =F

r
r
S P F P F P
Fn
(x yP n n
(x) ) x
Mb u
r
z

P
P z
ΔA
σx
y

Abb. 9.3 Überlagerung von Biegung und Zug


a) Biegemoment und Normalkraft in einem beliebigen Querschnitt
b) exzentrische Normalkraft

und I2 ≡ Iz
Mb (x) cos α Mb (x) sin α
σb = z− y.
Iy Iz
Die Spannung infolge der Normalkraft aus Gl. (2.3) bzw. Gl. (2.4) ist

Fn (x)
σ=± .
A
Das zweite Vorzeichen in dieser Gleichung und in den folgenden gilt für Druckbe-
anspruchung. Die Gesamtspannung ergibt sich durch Addieren

σx = σb + σ,

Mb (x) cos α Mb (x) sin α Fn (x)


σx = z− y± . (9.1)
Iy Iz A
Der Index x bezeichnet die Richtung der Spannung. Die Nulllinie im Querschnitt
des Balkens erhalten wir mit σx = 0 aus Gl. (9.1). Löst man diese nach z auf, folgt

Iy Fn (x) Iy
z = tan α y∓ . (9.2)
Iz Mb (x) cos α A

Die Nulllinie ist wie bei der allgemeinen Biegung eine Gerade, sie geht jedoch
nicht durch den Schwerpunkt der Fläche. Der Anstieg der Geraden ist tan α(Iy /Iz )
und entspricht nach Gl. (4.51) dem Wert bei der allgemeinen Biegung (s. Ab-
schnitt 4.3.1). Die Nulllinie schließt bei zusammengesetzter Zug- oder Druck- und
Biegebeanspruchung mit der Hauptachse z den gleichen Winkel β ein, wenn die
Spur der Lastebene um den Winkel α geneigt ist (s. Abb. 9.4).
9.1 Einteilung und Beispiele 261

a) b)
σx σx

z0 nie
llli
Nu

y S y0
y0
y S
u
0 u

β
β u u

nie
z0

llli
u

Nu
0

u
z z
Abb. 9.4 Spannungsverteilungen im Trägerquerschnitt
a) bei Biegung und Zug
b) bei Biegung und Druck

Satz 9.1 (Lage der Nullinie). Bei zusammengesetzter Zug- oder Druck- und Bie-
gebeanspruchung geht die Nulllinie nicht durch den Schwerpunkt der Querschnitts-
fläche.
Die Achsenabschnitte der Nulllinie auf y- und z-Achse sind, wenn wir zur Abkür-
zung i2 = I/A einführen,

Fn (x) Fn (x)
y0 = ± i2 , z0 = ∓ i2 . (9.3)
Mb (x) sin α z Mb (x) cos α y

Bei exzentrischem Kraftangriff mit Mb = Fn r lauten die entsprechenden Beziehun-


gen für die Spannung σx 1
 
Fn (x) r cos α r sin α
σx = z− 2 y+1 (9.4)
A i2y iz

oder mit den aus Abb. 9.3 b) entnommenen Abständen des Lastangriffspunktes P
von der z- bzw. y-Achse, yP = −r sin α und zP = r cos α
 
Fn (x) zP yP
σx = z+ 2 y+1 . (9.5)
A i2y iz

Als Gleichung der Nulllinie erhält man

1Das zweite Vorzeichen entfällt hier, da bei einer Druckkraft auch das Biegemoment die Richtung
wechselt.
262 9 Zusammengesetzte Beanspruchung

Iy i2y
z = tan α y+ (9.6)
Iz zP
und für die Achsenabschnitte der Nulllinie

i2z i2y
y0 = − , z0 = − . (9.7)
yP zP
Die charakteristischen Spannungsverteilungen sind in Abb. 9.4 gezeichnet, und
zwar in a) für die Überlagerung von Zug und Biegung sowie in b) für Druck und
Biegung. Die Spannungen steigen linear mit dem Abstand u von der Nulllinie aus an
und erreichen Maximalwerte in den Querschnittspunkten mit dem größten Abstand
von der Nulllinie. Als Festigkeitsbedingung folgt wie in Abschnitt 4.2.2

|σmax |  σzul .

Über die Verschiebung der Nulllinie aus dem Schwerpunkt kann man nachfolgende
Aussage treffen.
Satz 9.2 (Verschiebung der Nulllinie). Bei Überlagerung von Zug und Biegung ist
die Nulllinie zur Biegedruckseite hin, bei Druck und Biegung zur Biegezugseite hin
verschoben.
Im ersten Fall wächst die Zugspannung gegenüber derjenigen bei Biegung allein,
im zweiten Fall die Druckspannung. Überlagerung von Druck und Biegung (bei
exzentrischer Druckkraft) hat eine gewisse Bedeutung in Bauwerken, die aus zug-
spannungsempfindlichen Werkstoffen (z. B. Beton oder Mauerwerk) hergestellt
sind. Diese müssen so bemessen oder belastet sein, dass in ihnen möglichst kei-
ne Zugspannungen auftreten. Das bedeutet aber nach dem oben Gesagten, dass die
Nulllinie außerhalb des Querschnitts verlaufen muss oder ihn im Grenzfall gera-
de berührt. Für die Grenzlagen beschreibt der Kraftangriffspunkt P (Bild 9.3 b)
einen geschlossenen Kurvenzug um den Schwerpunkt. Die hiervon eingeschlossene
Fläche ist der so genannte Querschnittkern und der Abstand von S ist die Kernwei-
te. Liegt der Kraftangriffspunkt P(yP , zP ) einer exzentrischen Druckkraft innerhalb
der Kernumrandung, dann liegt die Nulllinie außerhalb des Querschnitts und die-
ser wird nur durch Druckspannungen beansprucht. Die Kernweiten auf den Achsen
erhält man aus Gl. (9.7), wenn für y0 und z0 die Randabstände y1,2 bzw. z1,2 des
Querschnitts in Richtung der Koordinatenachsen eingesetzt werden

i2z i2y
y∗P = − , z∗P = − . (9.8)
y1,2 z1,2

Für einen Kreisquerschnitt mit dem Durchmesser d ist i2y = i2z = d2 /16 und
y1,2 = z1,2 = d/2. Somit ist die Kernweite in allen Richtungen gleich groß

y∗P = z∗P = −d/8 .

Der Kern ist ein Kreis mit dem Durchmesser d/4.


9.1 Einteilung und Beispiele 263

Im Abschnitt 4.3.1 hatten wir eine direkte Methode zur Berechnung der Biege-
spannung bei allgemeiner Biegung kennen gelernt. Mit Gl. (4.56) können wir die
resultierenden Spannungen direkt in Abhängigkeit vom Abstand u (gemessen vom
Schwerpunkt aus in Richtung senkrecht zur durch den Winkel β festgelegten Null-
linie) angeben
Mb (x) sin(α + β) Fn (x)
σx = u± . (9.9)
IN A
IN ist das Flächenmoment 2. Ordnung bezüglich der Nulllinie.
Aus dem Ansatz σx = 0 erhalten wir mit i2N = IN /A den Abstand der Nulllinie
vom Schwerpunkt direkt

Fn (x)
u0 = ∓ i2 . (9.10)
Mb (x) sin(α + β) N

Führen wir noch die Koordinate u = u + u0 von der Nulllinie aus ein (Abb. 9.4),
erhält man die der Gl. (4.56) ähnliche Beziehung

Mb (x) sin(α + β)
σx = u. (9.11)
IN

Die Rechnung gestaltet sich einfacher als durch die Überlagerung der Einzelspan-
nungen, wenn die Lage der Nulllinie bekannt ist. Man sieht sofort die Querschnitt-
stellen größter Beanspruchung.
Bei einem exzentrischen Kraftangriff erhält man für den Abstand u0 der Nulllinie
(Bild 9.4) mit uP = r sin(α + β)

i2N
u0 = − (9.12)
uP
sowie für die Spannungen

Fn (x) r sin(α + β) Fn (x) u


σx = u= . (9.13)
A i2N A u0

Bei gerader Biegung, wenn also die Spur der Lastebene mit einer der Hauptachsen
zusammenfällt, liegt die Nulllinie, je nachdem, ob die y- oder z-Achse in der Las-
tebene liegt, parallel zu der z- oder y-Achse. Für α = 0 ist z. B. die z-Achse Spur
der Lastebene, dann ist die Spannung mit dem Biegemoment Mby

Mby Fn
σx = z± . (9.14)
Iy A

Die Gleichung für die Nulllinie lautet


Fn 2
z = z0 = ∓ i . (9.15)
Mby y
264 9 Zusammengesetzte Beanspruchung

Bei exzentrischem Kraftangriff erhält man


 
Fn (x) r
σx = z + 1 (9.16)
A i2y

und
i2y
z0 = −
. (9.17)
r
Durch zyklische Vertauschung von y und z ergeben sich entsprechende Gleichungen
für α = 90◦ .
Beispiel 9.1 (Fachwerksstäbe).
Fachwerkstäbe sind i. Allg. an Knotenbleche angeschlossen. Besteht der Stab eines
Fachwerks z. B. aus einem Winkelstab, liegt die Kraftrichtung nicht in der Schwer-
achse. Zu berechnen ist die größte Spannung, die durch die exzentrische Zugkraft
Fn = F in dem Winkelstahl 100 × 10 DIN 1 028 hervorgerufen wird, Lastangriffs-
punkt ist P (Bild 9.5 a).
Lösung 9.1
Aus einer Profiltafel [22] entnimmt man r = e = 2,82 cm, A = 19,2 cm2 , Iy = I1 = 280 cm4
und Iz = I2 = 73,3 cm4 . In Bild 9.5 b) ist der Querschnitt (Maßstabsfaktor mL = 2,5 cm/cmZ )
gezeichnet. Gleichung (4.53) ergibt mit α = 45◦

1 I2 1 73,3 cm4
tan β = = · = 0,262
tan α I1 1 280 cm4
und β = 14, 7◦ , den Richtungswinkel der Nulllinie (gestrichelt eingezeichnet). Das Flächenmo-
ment IN ist nach Gl. (4.18) mit ψ = 90◦ − β = 75, 3◦

a)
S
b)
P
F

α
Nulllinie
x
ma

S
u

0
u
r

y P z
F
Abb. 9.5 Winkelstahl
a) exzentrischer Lastangriff am Knotenanschluss
b) Winkelquerschnitt, Maßstabsfaktor mL = 2,5 cm/cmZ , Richtung der Nulllinie eingezeichnet
9.1 Einteilung und Beispiele 265

353,3 cm4 206,7 cm4


IN = + (−0, 871) = 86,56 cm4 .
2 2
Den Abstand u0 der Nulllinie liefert Gl. (9.12)

i2N i2N 86,65 cm4


u0 = − =− =− = −1,85 cm .
uP r sin(α + β) 19,2 cm2 · 2,82 cm · 0, 863

Abbildung 9.5 entnimmt man umax = 5,75 cm, somit erhält man aus Gl. (9.13) die Spannung

Fn umax Fn 5,75 cm Fn
σmax = = = 3, 1 .
A u0 A 1,85 cm A

Die Biegespannung beträgt demnach etwas mehr als das Dreifache der Zugspannung Fn /A! Ex-
zentrischer Lastangriff kann in einem solchen Fall vermieden werden, wenn zwei Winkelstähle auf
verschiedenen Seiten eines Bleches angeschlossen und durch Bindebleche miteinander verbunden
sind.

Beispiel 9.2 (Balken).


Ein Balken mit dem Rechteckquerschnitt b × h (Abb. 9.6) ist in einer Ecke P durch
die Druckkraft Fn belastet. Zu berechnen sind die Lage der Nulllinie, die größte
Spannung und die Kernweiten. Der Querschnittkern und die Spannungsverteilung
sind zu zeichnen.
Lösung 9.2
Aus der Gl. (4.52) folgt die Richtung der Nulllinie

σ
5 Fn
A

u
1 2
nie

7 Fn
llli

A
Nu

h
− b
6M
h h
S −
h

y 6 6
P 
h
La

Abb. 9.6 Exzentrisch ge-


β 6α
ste

drückter Rechteckquerschnitt
be
ne

eines Balkens mit Spannungs- P


verteilung und Querschnitt-
kern (1 Kraftangriff in P, 2 z Fn
b
Kraftangriff in P  )
266 9 Zusammengesetzte Beanspruchung

I1
tan α tan β = 1.
I2

Mit Iy = I1 = bh3 /12, Iz = I2 = hb3 /12 und tan α = b/h folgt auch tan β = b/h. Die
Achsenabschnitte der Nulllinie ergeben die Gln. (9.7)

i2z b2 /12 b
y0 = − =− = ,
yP −b/2 6

entsprechend ist
h
z0 = − .
6
Die größte Spannung wirkt in der Ecke P, sie ergibt sich aus Gl. (9.4) unter Beachtung von
r cos α = h/2, r sin α = b/2, z = h/2 und y = −b/2 zu
   
Fn h/2 h b/2 b Fn
σmax = 2
− 2 − +1 = 7 .
A h /12 2 b /12 2 A

Ist z. B. Fn = −108 kN, b = 60 mm und h = 90 mm, ist die Spannung

σmax = −7 · 108 kN/5 400 mm2 = −140 N/mm2 .

Aus der Gl. (9.8) ergeben sich die Kernweiten auf den beiden Achsen

y∗P = ±b/6, z∗P = ± h/6.

Spannungsverteilung und Kern sind in Abb. 9.6 eingezeichnet. Liegt der Lastangriffspunkt auf der
Kernumrandung, z. B. in P  , dann geht die Nulllinie durch die obere linke Ecke des Querschnitts.
Die Spannungsverteilung für diesen Fall ist mit in das Abb. gezeichnet.

Beispiel 9.3 (Pressenständer).


Der Querschnitt eines Pressenständers hat die in Abb. 9.7 gezeichnete Gestalt und
ist durch die exzentrische Last F = 1 500 kN auf Zug und Biegung beansprucht. Die
Spannungen sind zu berechnen und zeichnerisch darzustellen.
Lösung 9.3
Spur der Lastebene ist die z-Achse, es liegt also gerade Biegung or. Mit dem Flächeninhalt
A = 2 000 cm2 erhält man die Schwerpunktabstände z1 = 70 cm und z2 = 30 cm. Das Flächen-
moment Iy berechnen wir mit Hilfe des S TEINER ’schen Satzes

10 · 803 4 60 · 203 4
Iy = cm + 2 · 400 · 302 cm4 + cm + 1200 · 202 cm4 = 1,67 · 106 cm4 .
12 12
Weiter ist i2y = 1,67 · 106 cm4 /2 000 cm2 = 833 cm2 . Die Nulllinie hat den Abstand z0 = −i2y /r
von der y-Achse, Gl. (9.17). Mit r = 70 cm ergibt sich z0 = −833 cm2 /70 cm = −11,9 cm. Aus
Gl. (9.16) berechnen wir die Spannungen. Für z = z2 = 30 cm ist die größte Zugspannung mit
Fn = F    
F rz2 F 70 cm · 30 cm F
σ= + 1 = + 1 = 3, 52 .
A i2y A 833 cm2 A
Analog ist mit z = −z1 = −70 cm die größte Druckspannung σ = −4, 88F/A. Da die Last
F = 1,5 · 106 N beträgt, ist F/A = 7,5 N/mm2 , die Spannungen betragen somit 26,4 N/mm2 und
−36,6 N/mm2 . Die Spannungsverteilung ist in Abb. 9.7 eingezeichnet.
9.1 Einteilung und Beispiele 267

30
20
10
Spannung σ in N/mm2

−60 −50 −40 −30−20−10


0
0 10 20 30
−10
z0 z in cm
−20
−30

−40

z1 z2
50

Nulllinie

S z F

600
50

y 400
200
1000

Abb. 9.7 Querschnitt eines Pressenständers mit Spannungsverteilung

9.1.2 Biegung stark gekrümmter Träger

Ist die Längsachse eines Trägers gekrümmt, dann treten als Beanspruchungsgrößen
in einem Querschnitt im Allgemeinen ein Biegemoment, eine Querkraft und eine
Normalkraft auf. Die Querkraft bewirkt im Querschnitt Schubspannungen, die wir
in den folgenden Betrachtungen außer Acht lassen. Wir berechnen die Normalspan-
nungen durch das Biegemoment und die Normalkraft bei gerader Biegung.
Sind die Abmessungen des Querschnitts eines Trägers klein gegenüber dem
Krümmungsradius der Trägerachse, spricht man von einem schwach gekrümmten
Träger, es kann wie im vorhergehenden Abschnitt verfahren werden. Liegen dage-
gen beide in gleicher Größenordnung, nennt man den Träger stark gekrümmt. Die
Spannungsverteilung ist infolge der starken Krümmung, wie im folgenden gezeigt
wird, nicht mehr linear.
Abbildung 9.8 zeigt ein Stück eines stark gekrümmten Trägers mit dem Biege-
moment Mby und der Normalkraft Fn im Querschnitt. Das Koordinatensystem im
Querschnitt ist so gewählt, dass das positive Biegemoment Mby die Krümmung des
Trägers verstärkt. Spur der Lastebene im Querschnitt ist die z-Achse. In Abb. 9.8 b)
ist die Verformung eines durch zwei Radialschnitte herausgeschnittenen Elements
268 9 Zusammengesetzte Beanspruchung

a) b)

r0 ϕ

z1

r
Mby
Mby S x0 x

z2

z
y Fn x dx0 Fn

z z

Abb. 9.8 Stark gekrümmter Träger


a) Normalkraft und Biegemoment im Querschnitt
b) Verformung eines Körperelements

dargestellt. Unter der Voraussetzung, dass ein Querschnitt eben bleibt, kann die
Verformung aufgefasst werden als Parallelverschiebung des Querschnitts um den
Betrag dx0 und eine Drehung um die y-Achse mit dem Winkel dϕ. Der Abbildung
entnimmt man die Beziehungen

x0 = r0 ϕ, x = rϕ = (r0 + z)ϕ, dx = dx0 + zdϕ .

Die Dehnung einer Faser im Abstand z von der y-Achse ist


dx dx0 + zdϕ
εx = =
x (r0 + z)ϕ

Teilt man Zähler und Nenner durch x0 = r0 ϕ und führt mit ε0 = dx0 /x0 die Deh-
nung der in der Trägerachse liegenden Faser ein, ergibt sich

ε0 + zdϕ/r0ϕ
εx = .
1 + z/r0

In dieser Gleichung ergänzen wir im Zähler ε0 (z/r0 ) − ε0 (z/r0 ) und erhalten


 
z dϕ
− ε0  
r0 ϕ dϕ z
εx = ε0 + = ε0 + − ε0 .
1 + z/r0 ϕ r0 + z

Für den Klammerausdruck, der unabhängig von z ist, setzen wir zur Abkürzung
ε1 = dϕ/ϕ − ε0 und erhalten die Dehnung
z
εx = ε0 + ε1 . (9.18)
r0 + z
9.1 Einteilung und Beispiele 269

Über das H OOKE’sche Gesetz erhält man die Spannung


z
σx = Eεx = Eε0 + Eε1 . (9.19)
r0 + z
Für die Berechnung der beiden unbekannten Größen ε0 und ε1 benötigen wir zwei
Bestimmungsgleichungen. Auf ein Flächenelement dA wirkt die Kraft σx dA. Für
die Kräftesumme im Querschnitt und für die Summe der Momente um die y-Achse
erhält man  
σx dA = Fn , zσx dA = Mby .

In beiden Gleichungen setzen wir σx aus Gl. (9.19) ein und erhalten somit die zwei
Bestimmungsgleichungen für ε0 und ε1

z
Eε0 A + Eε1 dA = Fn , (9.20)
r0 + z
 
z2
Eε0 zdA + Eε1 dA = Mby . (9.21)
r0 + z

Da die y-Achse durch den Schwerpunkt des Querschnitts geht, ist z dA = 0. Zur
Abkürzung benutzen wir den Querschnittfaktor

z2
Z = r0 dA,
r0 + z
dann erhält man aus Gl. (9.21)
Mby r0
Eε1 = . (9.22)
Z
Das Integral in Gl. (9.20) formen wir um, indem wir im Zähler z2 − z2 ergänzen
    
z 1 r 0 z + z 2 − z2 1 z2 Z
dA = dA = z dA − dA = − 2 .
r0 + z r0 r0 + z r0 r0 + z r0

Nunmehr ergibt sich aus Gl. (9.20) mit Gl. (9.22)


Mby r0 Z
Eε0 A − = Fn .
Z r20

Die zweite Unbekannte ist somit


Fn Mby
Eε0 = + . (9.23)
A Ar0
Nach Einsetzen der Gln. (9.22) und (9.23) in Gl. (9.19) und nach Ordnen erhält man
für die Spannung σx
270 9 Zusammengesetzte Beanspruchung
 
Fn Mby Mby r20 A z
σx = 1+ + . (9.24)
A Fn r0 Fn r0 Z r0 + z

Satz 9.3 (Normalspannungen in einem stark gekrümmten Träger). In einem


stark gekrümmten Träger verteilen sich die Normalspannungen σx nach einem Hy-
perbelgesetz.
Bevor wir uns dem Querschnittfaktor Z zuwenden, wollen wir prüfen, welchem
Grenzwert dieser beim geraden Träger zustrebt, wenn also der Krümmungsradius
r0 unendlich groß ist
 
z2
lim Z = lim dA = z2 dA = Iy .
r0 →∞ r0 →∞ 1 + z/r0

Wie zu erwarten war, ist der Grenzwert gleich dem axialen Flächenmoment 2. Ord-
nung bezüglich der y-Achse. Dann erhält man aus Gl. (9.24)

Mby Fn
lim σx = z+
r0 →∞ Iy A

in Übereinstimmung mit Gl. (9.14). Der Querschnittfaktor Z ist von der Geometrie
des Querschnitts abhängig und kann nur für wenige Querschnittformen exakt durch
geschlossene Lösung des Integrals berechnet werden. In den meisten Fällen ermit-
telt man ihn näherungsweise, z. B. numerisch durch die S IMPSON2 -Regel (s. Bei-
spiel 9.5).
Für einen Rechteckquerschnitt, Breite b und Höhe h wollen wir das Integral
berechnen. Aus der oben genannten Umformung des Integrals in Gl. (9.20) folgt

z
Z = −r20 dA . (9.25)
r0 + z

Mit dA = bdz, z1 = z2 = h/2 und der Substitution u = r0 + z erhält man

r0 +h/2


h/2
u − r0
z
r0 +z dA = b du
−h/2 u
r0 −h/2  
r0 +h/2 r0 1 + h/2r0

= b(u − r0 ln u) = −bh ln −1 .
r0 −h/2 h 1 − h/2r0

Somit ist  
r0 1 + h/2r0
Z = r20 A ln −1 . (9.26)
h 1 − h/2r0
Beispiel 9.4 (Gefährdeter Querschnitt in einem gekrümmten Träger).
Der gefährdete Querschnitt eines gekrümmten Trägers (Rechteck, Breite b und

2T HOMAS S IMPSON (∗ 20. August 1710 in Market Bosworth, Leicestershire; † 14. Mai 1761),
Mathematiker
9.1 Einteilung und Beispiele 271

Höhe h, mittlerer Krümmungsradius r0 = h) ist durch die Zugkraft Fn und das Bie-
gemoment Mby = Fn r0 beansprucht. Die Randspannungen sind zu berechnen und
mit denen eines geraden Trägers zu vergleichen. Die Spannungsverteilungen sind
für beide Fälle in Abhängigkeit von z/r0 aufzutragen.
Lösung 9.4
Wir berechnen zunächst den Querschnittfaktor Z aus Gl. (9.26). Mit r0 /h = 1 und h/2r0 = 0, 5
ist  
1, 5
Z = r20 A ln − 1 = 0, 0986 r20 A .
0, 5
Die Spannungen erhält man aus Gl. (9.24)
   
Fn 1 z Fn z/r0
σx = 1+1+ = 2 + 10, 14 .
A 0, 0986 r0 + z A 1 + z/r0

Die Randspannungen sind für

Fn Fn
z = −h/2 = −0, 5r0 : σx = (2 − 10, 14) = −8, 14 ,
A  A
Fn 0, 5 Fn
z = h/2 = 0, 5r0 : σx = 2 + 10, 14 = 5, 38 .
A 1, 5 A

Mit σx = 0 ergibt sich der Abstand der Nulllinie von der y-Achse zu

z0 = −2r0 /12, 14 = −0, 1647r0 .

Für den geraden Träger erhalten wir die Spannungen aus Gl. (9.14), die entsprechend umgeformt
ist
     
Fn r2 A z Fn h2 bh12 z Fn z
σx = 1+ 0 = 1+ , σ x = 1 + 12 .
A Iy r0 A bh3 r0 A r0

Die Randspannungen sind mit z/r0 = −05 bzw. z/r0 = 0, 5 −5Fn /A und 7Fn /A. In Abb. 9.9
sind die Spannungsverteilungen gezeichnet. Auf der am stärksten gekrümmten Innenseite des

7
6 2
5 1
4
Fn /A
σ

3
2
bezogene Spannung

1
-0,4 -0,2
0 0 0, 2 0, 4
-1 z/r0
-2 z0
Abb. 9.9 Spannungsverteilung -3
-4 r0
in einem stark gekrümmten
Träger mit Recht- -5
eckquerschnitt (1 mit -6
Berücksichtigung der -7
Krümmung, 2 lineare -8
Spannungsverteilung im
geraden Träger)
272 9 Zusammengesetzte Beanspruchung

a) b) h d)
z1 z2
dz 200
1
Mby 150

a
z

b(z)

σx in N/mm2
100 2
Fn S

b
50 z in cm
y 1 2 3 4 5
A y B 0
r0 z c) −3 −2 −1 0
−50
r y z −100
A B
Mby
F Fn
Abb. 9.10 Lasthaken
a) Geometrie
b) Querschnitt AB des Lasthakens
c) Seitenansicht des Hakens mit Normalkraft Fn und Biegemoment Mby im Querschnitt AB
d) Spannungsverteilung im Querschnitt AB des Lasthakens (1 mit Berücksichtigung der
Krümmung, 2 im geraden Träger)

Trägers sind die Spannungen um 61 % größer als beim geraden Träger. Das ist besonders zu be-
achten, wenn auf dieser Seite Zugspannungen herrschen.

Beispiel 9.5 (Lasthaken).


Der Lasthaken (Abb. 9.10) hat Trapezquerschnitt und ist mit einer Kraft F = 100 kN
belastet. Gegeben sind r0 = 100 mm, r = 80 mm, a = b = 30 mm, h = 90 mm. Im
gefährdeten Querschnitt AB sind die Spannungen zu berechnen und zeichnerisch
darzustellen.
Lösung 9.5
Mit den aus Abb. 9.10 b) entnommenen Abmessungen und den gegebenen Zahlenwerten erhält
man die Lage des Schwerpunktes (s. Beispiel 4.5)

h 3a + b
z1 = = 40 mm
3 2a + b

und die Querschnittfläche A = h(2a + b)/2 = 40,5 cm2 . Den Querschnittfaktor Z kann man
auch für Trapezquerschnitte durch Integration berechnen, jedoch soll hier die numerische Integra-
tion mit Hilfe der S IMPSON -Regel gezeigt werden. Gleichung (9.25) formen wir um
 
1 z 1 z
Z = −r20 A dA = λr20 A mit λ = − dA .
A r0 + z A r0 + z

Es wird über die gesamte Fläche integriert. Setzen wir dA = b(z)dz ein, erhalten wir für das
Integral

2
z 5
zb(z) Δh
I= dz = f(z) dz = (f0 + 4f1 + 2f2 + 4f3 + f4 ) .
r0 + z 3
−z1 −4

Tabelle 9.1 enthält die Ausrechnung mit der Schrittweite Δh = 2,25 cm. Man erhält

2,25 cm
I= (−3,792 cm) = −2,85 cm2 .
3
9.1 Einteilung und Beispiele 273

zb(z)
Tabelle 9.1 Berechnung des Integrals dz für den Lasthaken mit der S IMPSON -Regel
r0 + z

zb(z)
z b(z) zb(z) r0 + z S IMPSON - Si×f(z)
r0 + z
cm cm cm2 cm cm Faktoren cm

-4 6 -24 6 -4 1 -4
-1,75 5,25 -9,19 8,25 -1,114 4 -4,456
0,5 4,5 2,25 10,5 0,214 2 0,428
2,75 3,75 10,31 12,75 0,809 4 3,236
5 3 15 15 1 1  1
−3, 792 cm

Somit ist λ = 2,84 cm2 /40,5 cm2 = 0, 0701. Mit Fn = F und Mby = −Fr lautet nunmehr
Gl. (9.24) für die Spannung
 
F r r r20 A z
σx = 1− − .
A r0 r0 Z r0 + z

Setzen wir noch Z = 0, 0701r20 A und r/r0 = 0, 8 ein, ist


 
F z
σx = 0, 2 − 11, 41 .
A r0 + z

Die Ausrechnung dieser Funktion ist mit F/A = 105 N/4,05 · 103 mm2 = 24,7 N/mm2 in Abhän-
gigkeit von z in Tabelle 9.2 vorgenommen worden, die Spannungsverteilung ist in Abb. 9.10 d)
gezeichnet. Der Maximalwert der Spannungen liegt wieder an der am stärksten gekrümmten Seite
vor, er beträgt 193 N/mm2 , die größte Druckspannung ist −89 N/mm2 . Für den geraden Träger
erhält man mit Iy = 263 cm4 die Spannungen 146 N/mm2 und −128 N/mm2 an den Rändern.
Die lineare Spannungsverteilung enthält ebenfalls Abb. 9.10 d).

 
F z
Tabelle 9.2 Berechnung der Spannung σx = 0, 2 − 11, 41
A r0 + z

 
z z Fn
z r0 + z −11, 45 σx / σx
r0 + z r0 + z A
cm cm N/mm2

-4 6 -0,666 7,61 7,81 193


-3 7 -0,429 4,90 5,10 126
-2 8 -0,250 2,85 3,05 75
-1 9 -0,111 1,27 1,47 36
0 10 0,000 0,00 0,02 5
1 11 0,091 -1,04 -0,84 -21
2 12 0,166 -1,90 -1,70 -42
3 13 0,231 -2,64 -2,44 -60
4 14 0,286 -3,27 -3,07 -76
5 15 0,333 -3,80 -3,60 -89
274 9 Zusammengesetzte Beanspruchung

9.1.3 Zusammengesetzte Schub- und Torsionsbeanspruchung

Wir betrachten einen Stab, der nach Abb. 9.10 durch die exzentrisch angreifende
Last Fx belastet ist. In einem Querschnitt im Abstand x (Abb. 9.11 b) von der Ein-
spannung erhalten wir die folgenden Schnittgrößen:
– das Biegemoment Mby = − Fx (l − x),
– das Torsionsmoment Mt = Fx y und
– die Querkraft Fq = Fx .
Am Balkenende (x = l) und bei sehr kurzen Balken ist das Biegemoment klein
gegen die anderen Schnittgrößen und kann vernachlässigt werden. Das ist erlaubt,
wenn x sich immer mehr dem Wert l nähert. Aber auch bei extrem kurzen Stäben,
also kleiner Länge l, kann das Biegemoment vernachlässigbar klein sein.
Im dem betrachteten Querschnitt treten Schubspannungen infolge der Querkraft
Fx und infolge des Torsionsmoments Fx y auf. In Abb. 9.11 c) sind die Verteilungen
der Schubspannungen in den Kreisquerschnitt eingezeichnet. Im Punkt B ist z. B.
die resultierende Spannung

a) b) c)

l τq τt E
x
t H
τ
y Mt Mby τq
B D
Fz τq
Fz
x z τ C
z
y
z
y
 
h
d) τt z = ±
2
 
b b
τq τt y = ±
2
H E
τq

τt
B τ D
h

y
τt
C
z z

Abb. 9.11 Zusammengesetzte Schub- und Verdrehbeanspruchung im Träger mit Kreis- und Recht-
eckquerschnitt
a) Träger mit exzentrischer Last Fz
b) Kreisquerschnitt mit Schnittgrößen
c) Kreisquerschnitt mit den Spannungsverteilungen für Schub und Verdrehung
d) Rechteckquerschnitt mit Spannungsverteilungen
9.2 Spannungszustand - Geometrie der Spannungen 275

4 Fz Fz y
τ = τq + τt = + .
3 A Wp

Im Punkt D ist sie τ = τq − τt , in C und E ist τq = 0, also τ = τt . In den Quer-


schnittpunkten, in denen die Schubspannungen gleichgerichtet sind, können sie al-
gebraisch addiert werden. Anders ist es dagegen im Punkt H. Dort ist τ = τ q + τ t ,
die Schubspannungen sind dort vektoriell zu addieren.
Ähnlich wie oben gezeigt, geht man auch bei nicht kreisförmigen Querschnitten
vor. In Abb. 9.11 d) sind die Verhältnisse am Rechteckquerschnitt unter den vor-
stehend geschilderten Bedingungen dargestellt. Die Maximalspannungen treten in
beiden Fällen im Punkt B auf, wo Torsionsschub und Querkraftschub gleichgerich-
tet sind.

9.2 Spannungszustand - Geometrie der Spannungen

In den bisherigen Betrachtungen haben wir die Grundbeanspruchungsarten und ih-


re einfachen Kombinationen kennengelernt. Wir haben uns dabei auf stabförmige
Körper beschränkt, da man viele Bauteile auf eine derartige Form zurückführen
kann. Jeder Beanspruchungsart sind bestimmte Spannungen zugeordnet, die wir
durch Anwendung der Schnittmethode berechnet haben. Im Abschnitt 1.3 haben wir
zur Erläuterung der Schnittmethode von geeigneten oder vernünftigen Schnittrich-
tungen gesprochen, die im Allgemeinen durch Symmetrien der Bauteile oder La-
strichtung gekennzeichnet sind. In stabförmigen Bauteilen sind geeignete Schnitte
immer Querschnitte senkrecht zur Stabachse (Zug, Druck und Biegung) oder Längs-
schnitte parallel zur Stabachse (Schub, Torsion).
Für die folgenden Betrachtungen wählen wir einen Zugstab. In einem Quer-
schnitt A wirken nur Normalspannungen σ = F/A, die wir als gleichmäßig verteilt
annehmen können, sofern der Querschnitt genügend weit von der Krafteinleitungs-
stelle entfernt ist und sich entlang der Stabachse nicht oder nur wenig ändert.
Durch den Zugstab (Abb. 9.12) legen wir einen beliebigen schrägen Schnitt unter
dem Winkel ϕ und betrachten das Gleichgewicht der Kräfte an dem abgeschnittenen
Teilkörper. Als resultierende Schnittgröße erhalten wir in der schrägen Schnittfläche

a) b) c)
ϕ ϕ
ϕ
P
F F F Fn σϕ
A A σ σ
A
τϕ
Ft

Abb. 9.12 Zugstab.


a) mit schrägem Schnitt und Spannung im Querschnitt,
b) schräg geschnittenes Teilstück mit angreifenden Kräften,
c) Spannungen im Punkt
276 9 Zusammengesetzte Beanspruchung

die Zugkraft F. Wir zerlegen sie in die Normalkomponente senkrecht zur Fläche
Fn = F cos ϕ und die Tangentialkomponente parallel zur Fläche Ft = F sin ϕ.
Setzen wir gleichmäßige Spannungsverteilung auch in der schrägen Schnittfläche
voraus, können wir nach Abschnitt 1.3 die Spannungen berechnen. Mit der Schnitt-
fläche A  = A/ cos ϕ ist die Normalspannung

Fn F cos ϕ F
σϕ = = = cos2 ϕ
A A A
und die Schubspannung

Ft F sin ϕ F
τϕ = 
= 
= sin ϕ cos ϕ .
A A A
Mit cos2 ϕ = 0, 5(1 + cos2ϕ) und sin ϕ cos ϕ = 0, 5 sin 2ϕ sowie σ = F/A wird
σ
σϕ = (1 + cos2ϕ), (9.27)
2
σ
τϕ = sin 2ϕ . (9.28)
2
In einem schrägen Schnitt durch einen Zugstab wirken Normalspannungen und
Schubspannungen, die sich mit der Richtung ϕ der Schnittfläche stetig ändern. Für
ϕ = 0 ist σϕ = σ = F/A und τϕ = 0, für ϕ = 90◦ ist σϕ = τϕ = 0. Die größten
Normalspannungen sind demnach nur in einem Querschnitt möglich, Längsschnitte
im Zugstab sind spannungslos. Die Schubspannung τϕ erreicht einen Maximalwert
für ϕ = 45◦ , dann ist τϕ=45◦ = σϕ=45◦ = σ/2. Die Aussagen zu den Extremwerten
der Normal- und Schubspannungen lassen sich auch mathematisch begründen. Da
die Werte der Spannungen Funktionen des Winkels ϕ sind, sind die Extremwerte
der Spannungen durch Nullsetzen der ersten Ableitung nach dem Winkel ermitteln
dσϕ σ dτϕ σ
= −2 sin 2ϕ = 0, = 2 cos 2ϕ = 0 .
dϕ 2 dϕ 2
Extremwerte für die Normalspannungen ergeben sich für 2ϕ = 0◦ , 180◦, . . . , für
die Schubspannungen 2ϕ = 90◦ , 270◦, . . . Die zweiten Ableitungen bei den entspre-
chenden Winkeln gestatten Aussagen über die Art des Extremwerts. Die zweiten
Ableitungen lauten

d2 σϕ d2 τϕ
= −2σ cos2ϕ, = −2σ sin 2ϕ .
dϕ2 dϕ2
Mit 2ϕ = 0◦ folgt für die Normalspannungen −2σ cos 0◦ < 0 (man beachte, dass
Zugspannungen σ vereinbart waren), für 2ϕ = 180◦ erhält man −2σ cos 180◦ > 0.
Man erkennt, dass für ϕ = 0◦ der Maximalwert der Normalspannungen erreicht
wird, ϕ = 90◦ entspricht dem Minimalwert. Für 2ϕ = 90◦ folgt für die Schub-
spannungen −2σ sin 90◦ < 0, für 2ϕ = 270◦ erhält man −2σ270◦ > 0. In diesem
Sinne sind Schubspannungen in einem 45◦ -Schnitt Maximalwerte, für 135◦ erhält
9.2 Spannungszustand - Geometrie der Spannungen 277

man formal einen Minimalwert. Die am Zugstab angestellten Überlegungen haben


natürlich ebenfalls für einen Druckstab Gültigkeit.
Das Auftreten einer maximalen Schubspannung unter 45◦ zur Stabrichtung gibt
eine Erklärung für das Verhalten von spröden Werkstoffen (Grauguss, Beton) bei
Druckbeanspruchung, die Bruchfläche verläuft dabei annähernd unter 45◦ . Für das
Versagen ist also die kleinere Schubfestigkeit maßgebend. Auch das Auftreten von
Gleitlinien unter 45◦ zur Zugrichtung bei duktilen Stählen oder bei manchen Kunst-
stoffen (PVC) ist hiermit zu erklären, da Gleiten durch Überschreiten einer Grenz-
schubspannung bewirkt wird. Ein spröder Werkstoff bei Zugbeanspruchung dage-
gen reißt unter 0◦ , also senkrecht zur größten Normalspannung, hier ist die Trenn-
festigkeit geringer als die Schubfestigkeit. Da in einem gebogenen Balken bei rei-
ner Biegung ebenfalls nur Zug- oder Druckspannungen in Querschnitten wirken,
können die am Zugstab angestellten Überlegungen bezüglich der Schnittrichtung
auch auf jeden Punkt eines Balkens ausgedehnt werden.
Betrachten wir nun einen beliebigen Punkt P der Schnittfläche im Zugstab
(Abb. 9.12 c), sind jeder Schnittrichtung ϕ durch diesen Punkt bestimmte Spannun-
gen zugeordnet, die durch die Gln. (9.27) und (9.28) beschrieben sind. Die Gesamt-
heit aller Spannungen in einem Punkt eines Körpers nennt man Spannungszustand.
Ist der Spannungszustand in jedem Punkt eines Körpers gleich, dann ist er homogen
(z. B. Zug- oder Druckstab). Sind die Spannungen in einem Körper von Punkt zu
Punkt veränderlich, also Funktionen der Ortskoordinaten, dann ist der Spannungs-
zustand inhomogen.
Bevor wir die Abhängigkeit der Spannungen von der Schnittrichtung allge-
mein untersuchen, wollen wir den besonderen Spannungszustand in dünnwandigen
Behältern kennenlernen.

9.2.1 Geschlossene dünnwandige zylindrische und kugelförmige


Behälter unter innerem und äußerem Überdruck

Im Abschnitt 2.4.3.2 haben wir die in Umfangrichtung von zylindrischen Behältern


wirkenden Normalspannungen berechnet. Die Behälter standen unter innerem oder
äußerem Überdruck (im folgenden kurz Innendruck oder Außendruck genannt).
Wir haben dabei angenommen, dass in Längsrichtung keine Spannungen auftre-
ten, konnten also einen schmalen Ring betrachten, der durch gleichmäßig über den
Innen- oder Außenumfang verteilte Flächenkräfte pi oder pa belastet ist.
In geschlossenen Behältern, vor allem in Kugelbehältern, kann diese Annahme
nicht aufrecht erhalten werden. Es treten Spannungen auch in Längsrichtung der
zylindrischen Behälter bzw. in beliebiger Richtung im Kugelbehälter auf.
Normalspannungen in Umfangrichtung wollen wir mit σt bezeichnen, in Längs-
richtung mit σl . Für einen zylindrischen Behälter sind nach den Gln. (2.25) und
(2.26) die Spannungen in Umfangsrichtung
278 9 Zusammengesetzte Beanspruchung

ri
bei Innendruck pi σt = pi ,
t
ra
bei Außendruck pa σt = −pa .
t

Nach dem Prinzip von DE S T. V ENANT, s. Abschnitt 1.3, können diese Glei-
chungen in genügender Entfernung von dem Ende (z. B. dem Boden) eines zy-
lindrischen Behälters als gültig angesehen werden. Die Längsspannungen werden
durch den Druck auf den Deckel oder den Boden hervorgerufen. Das Gleichgewicht
der Kräfte in Längsrichtung an dem durch einen Querschnitt abgeschnittenen Teil
(Abb. 9.13) ergibt bei Innendruck

Fix = 0 = −σl t 2πrm + pi πr2i .

Löst man nach der Längsspannung σl auf, erhält man


1 ri ri
σl = pi .
2 t rm
Bei Außendruck ergibt sich
1 ra ra
σl = − pa .
2 t rm
Bei der in Abschnitt 2.4.3.2 getroffenen Voraussetzung kleiner Wanddicke t, d. h.
t  rm , wird ri ≈ rm ≈ ra , und es folgt für die Längsspannung

1 ri σt
bei Innendruck pi σl = pi = , (9.29)
2 t 2
1 ra σt
bei Außendruck pa σl = − pa = . (9.30)
2 t 2

Satz 9.4 (Kesselformel). In dünnwandigen zylindrischen Behältern sind die Nor-


malspannungen in Längsrichtung halb so groß wie die Normalspannungen in Um-
fangsrichtung.

σl
rm

ra
ri

pi

Abb. 9.13 Teilstück eines


geschlossenen zylindrischen
Behälters unter Innendruck
9.2 Spannungszustand - Geometrie der Spannungen 279

Abb. 9.14 Rohrelement mit σt


den Spannungen σl und σt σl

σl

t
σ
In Abb. 9.14 ist ein aus der Rohrwand herausgeschnittenes Element mit den bei In-
nendruck wirkenden Spannungen dargestellt. Da Spannungen in zwei aufeinander
senkrechten Schnittflächen wirken, liegt ein so genannter zweiachsiger Spannungs-
zustand vor, mit dem wir uns im folgenden Abschnitt allgemein beschäftigen wer-
den. Spannungen σr in der dritten Richtung (radial), hervorgerufen durch den Druck
(pi oder pa ) auf die Wand, können gegenüber den beiden anderen Spannungen ver-
nachlässigt werden, wenn rm t ist. In jedem Schnitt durch den Mittelpunkt des
Kugelbehälters liegen die gleichen Verhältnisse vor wie in dem Querschnitt eines
zylindrischen Behälters. Demzufolge sind die Spannungen in allen Richtungen des
Kugelumfangs gleich groß und betragen

1 ri
bei Innendruck pi σt = pi , (9.31)
2 t
1 ra
bei Außendruck pa σl = − pa . (9.32)
2 t

9.2.2 Ebener - zweiachsiger - Spannungszustand

In Abb. 9.15 ist ein dünner Blechstreifen perspektivisch dargestellt, der in zwei auf-
einander senkrechten Richtungen in der Blechebene zunächst nur durch die Zug-
kräfte Fx und Fy beansprucht ist. Die Zugkräfte sollen gleichmäßig an den Begren-
zungsflächen angreifen.
In Schnittflächen parallel zur x- und y-Achse treten Normalspannungen σy und
σx auf. Nach dem oben in Abschnitt 9.2 Gesagten werden durch jede der beiden
Kräfte Fx und Fy in einem schrägen Schnitt Normal- und Schubspannungen hervor-
gerufen, die sowohl von der Spannung σx als auch von der Spannung σy abhängen.
In je einem parallel zu den Achsen (Abb. 9.15 b) und schräg unter dem Winkel ϕ
(Abb. 9.15 c) herausgeschnittenen Element sind die jeweiligen Spannungen einge-
zeichnet. Da alle Spannungen in der gleichen Ebene liegen (der x, y-Ebene) und die
Begrenzungsflächen parallel zur Betrachtungsebene z = const spannungsfrei sind,
280 9 Zusammengesetzte Beanspruchung

a)
Fx
Fy
y
F ty Ft
x
Ft
x F ty
x ϕ
Fy Fx

b) dx c) dx d)
σy σϕ σy
y y
τϕ
τyx
ϕ 2
τ ϕ+π/ dy
2 τxy
σx σx 2 σ ϕ+π/ σx
σ ϕ+π/
dy

σx
τ ϕ+π/
2 τxy

x τϕ τyx x
σϕ
σy σy

Abb. 9.15 Blechstreifen


a) Belastung durch überall gleichmäßig über die Seitenflächen verteilten Kräften
b), c), d) Elemente mit eingezeichneten Spannungen

nennt man den durch alle Spannungen σϕ und τϕ beschriebenen Spannungszustand


eben oder zweiachsig.
Definition 9.2 (Ebener Spannungszustand). Ein ebener Spannungszustand liegt
vor, wenn die Schnittflächen parallel zu einer Ebene (z. B. der x, y-Ebene) span-
nungsfrei sind.
Einen allgemeinen ebenen Spannungszustand in einem Punkt kann man also durch
die Normal- und Schubspannungen an einem Element dxdy wie in Abb. 9.15 c)
darstellen, die Dicke dz des Elements senkrecht zur Betrachtungsebene wird un-
berücksichtigt gelassen. Wir erkennen, dass auch der spezielle Spannungszustand
(Abb. 9.14) in dünnwandigen Behältern unter Innen- oder Außendruck eben ist.
Um die Betrachtungen noch allgemeiner zu gestalten, denken wir uns das Blech
(Abb. 9.15 a) parallel zu den seitlichen Begrenzungsflächen zusätzlich durch Schub-
kräfte Ftx und Fty beansprucht. In dem Element parallel zu den Achsen wirken
dann außer den Normalspannungen σy und σx noch Schubspannungen τxy und
τyx (Abb. 9.15 d).
Im Abschnitt 7.1.1 ist gezeigt worden, dass in zwei zueinander senkrechten
Schnittflächen die Schubspannungen zugeordnet sind, d. h., dass τxy = τyx = τ ist.
Somit ist in Abb. 9.15 c) auch τϕ = τϕ+π/2 . Im Folgenden soll die Abhängigkeit
der Spannungen des ebenen Spannungszustands von der Schnittrichtung allgemein
untersucht werden.
9.2 Spannungszustand - Geometrie der Spannungen 281

9.2.2.1 Abhängigkeit der Spannung von der Schnittrichtung -


Hauptspannungen

Wir betrachten ein Element (Abb. 9.16 a) mit den Seitenlängen dx und dy und der
Dicke dz senkrecht zur Betrachtungsebene, das unter dem Winkel ϕ senkrecht zur
x, y-Ebene geschnitten ist. Somit erhalten wir ein dünnes dreieckiges Prisma. Die
schräge Schnittfläche ist dA, die in ihr angreifenden Spannungen nennen wir σϕ
und τϕ . Die in den anderen beiden Schnittflächen dA sin ϕ und dA cos ϕ wirkenden
Spannungen σx , σy und τxy setzen wir als gegeben voraus, und wir wollen die
Spannungen σϕ und τϕ durch die gegebenen ausdrücken. Das Element ist unter
der Wirkung der aus den Spannungen resultierenden Kräfte im Gleichgewicht. Die
Gleichgewichtsbedingungen der Kräfte in x- und y-Richtung lauten

Fix = 0 = −σϕ dA sin ϕ + τϕ dA cosϕ + σx dA sin ϕ − τ dA cosϕ, (9.33)

Fiy = 0 = σϕ dA cos ϕ + τϕ dA sin ϕ − σy dA cos ϕ + τ dA sin ϕ . (9.34)
Multipliziert man die erste Gleichung mit − sin ϕ und die zweite mit cos ϕ und
addiert, ergibt sich

σϕ = σx sin2 ϕ + σy cos2 ϕ − 2τ sinϕ cos ϕ . (9.35)

Ebenso erhält man, wenn die erste Gleichung mit cos ϕ und die zweite mit sin ϕ
multipliziert wird, nach Addieren

τϕ = (σy − σx ) sin ϕ cos ϕ + τ(cos2 ϕ − sin2 ϕ) . (9.36)

Mit den Beziehungen

a) b) c) ◦
σ 45
y y τ ma
x
dx σ1 x
τ ma

σϕ σ 45
y
τϕ σ2
τ ◦
dy

σx σ 45 x
dA -α + π/2 x τ ma
dA sin ϕ ϕ τ ma ϕ ◦
σ 45
ϕ σ2 45◦
x -α x x
τ dA cos ϕ ψ -α
σy
σ1

Abb. 9.16 Flächenelement im Gleichgewicht.


a) Gleichgewicht am Dreieckselement,
b) gedrehtes Element mit Hauptspannungen,
c) gedrehtes Element mit größten Schubspannungen
282 9 Zusammengesetzte Beanspruchung

cos2 ϕ = 0, 5(1 + cos2ϕ), sin2 ϕ = 0, 5(1 − cos2ϕ),

2 sin ϕ cos ϕ = sin 2ϕ, cos2 ϕ − sin2 ϕ = cos 2ϕ


ergeben sich die Spannungen σϕ und τϕ
σx + σy σy − σx
σϕ = + cos2ϕ − τ sin 2ϕ, (9.37)
2 2
σy − σx
τϕ = sin 2ϕ + τ cos2ϕ . (9.38)
2
Aus diesen beiden Gleichungen kann man die Spannungen in jeder beliebigen
Schnittrichtung berechnen.
Wir fragen, für welche Schnittrichtungen die Normalspannungen Extremwerte
annehmen. Als Bedingung hierfür gilt, dass die Ableitung dσϕ /dϕ verschwindet

dσϕ
= −(σy − σx ) sin 2ϕ − 2τ cos2ϕ = 0 .

Die Auflösung führt auf die Gleichung


tan 2ϕ1 = − . (9.39)
σy − σx

Hier wollen wir über die Größe der Spannungen σx und σy eine Vereinbarung tref-
fen, die für den Richtungssinn von Bedeutung ist. Das x, y-Koordinatensystem ist
so gewählt, dass die Beziehung σy > σx gilt. Wir erinnern uns, dass Zugspan-
nungen positiv, Druckspannungen negativ sind. Ist z. B. σy = 20 N/mm2 und
σx = −30 N/mm2 , dann ist vorstehende Vereinbarung erfüllt. Für die folgenden Be-
trachtungen hat auch das Vorzeichen der Schubspannung τ Bedeutung (Abb. 1.10),
die Schubspannung τϕ in Abb. 9.16 a) ist somit positiv, ebenso τ in der Schnitt-
fläche dA cos ϕ, während τ in der Schnittfläche dA sin ϕ negativ ist.
In Gl. (9.39) ist somit der Quotient 2τ/(σy − σx ) positiv, der 1. Hauptwert der
Tangensfunktion also negativ. Da tan 2ϕ1 = tan 2(ϕ1 + π/2) = tan 2ϕ2 ist, gibt es
zwei aufeinander senkrechte feste Schnittrichtungen ϕ1 = −α und ϕ2 = −α + π/2,
für die die Normalspannungen Extremwerte annehmen. Wir wollen weiter diejeni-
gen Schnittrichtungen feststellen, in denen τϕ = 0 sein kann. Aus Gl. (9.38) folgt


tan 2ϕ1 = − .
σy − σx

Dies ist aber die gleiche Bedingung wie für Extremwerte der Normalspannungen.
Definition 9.3 (Hauptschnitte und -spannungen). Schubspannungsfreie Schnitt-
richtungen nennt man Hauptschnitte, die Extremwerte der Normalspannungen in
diesen Schnitten sind Hauptspannungen, sie sind Maximal- oder Minimalwerte der
Spannungen für alle Schnittrichtungen durch einen Punkt.
9.2 Spannungszustand - Geometrie der Spannungen 283

Zur Vereinfachung schreibt man die Hauptspannungen σϕ1 ≡ σ1 und σϕ2 ≡ σ2 .


Mit der oben getroffenen Vereinbarung σy > σx sind σ1 der Maximalwert und σ2
der Minimalwert, also gilt σ1 > σ2 . Die Extremwerte ergeben sich durch Einsetzen
des Winkels 2ϕ1 aus Gl. (9.39) in Gl. (9.37). Mit der Umwandlung

1 tan 2ϕ1
cos 2ϕ1 = und sin 2ϕ1 =
1 + tan2 2ϕ1 1 + tan2 2ϕ1

und Ersetzen des Tangens durch die Spannungen nach Gl. (9.39) erhält man nach
algebraischer Umformung die Hauptspannungen

 
σx + σy σy − σx 2
σ1,2 = ± + 4τ2 (9.40)
2 τ

Es liegt nun nahe, auch nach Extremwerten der Schubspannung zu suchen. Die
Bedingung hierfür lautet dτϕ /dϕ = 0

dτϕ
= (σy − σx ) cos 2ϕ − 2τ sin2ϕ = 0 .

Dies führt auf die Gleichung
σy − σx
tan 2ϕ3 = . (9.41)

Mit tan 2ϕ3 = tan 2(ϕ3 + π/2) = tan 2ϕ4 gibt es somit wieder zwei aufeinander
senkrechte Schnittrichtungen, in denen die Schubspannungen Extremwerte anneh-
men. Weiterhin gilt mit der Gleichung tan 2ϕ3 = −1/ tan 2ϕ1 auch ϕ3 = ϕ1 + π/4
und ϕ4 = ϕ2 + π/4, d. h., in unter 45◦ zu den Hauptschnitten gelegenen Schnitt-
richtungen nehmen die Schubspannungen Maximalwerte an. In Abb. 9.16 b) und c)
sind gedrehte Flächenelemente mit den Hauptspannungen und den Extremwerten
der Schubspannungen gezeichnet. Setzt man Gl. (9.41) in die Gln. (9.37) und (9.38)
ein, erhält man nach einiger Zwischenrechnung

σx + σy 1
σ45◦ = und τmax = (σy − σx )2 + 4τ2 .
2 2
Drücken wir nun die Spannungen in beliebigen Schnittrichtungen durch die Haupt-
spannungen aus, dann folgt mit dem neuen Winkel ψ = ϕ + α (Abb. 9.16 b) und
σy ≡ σ1 , σx ≡ σ2 sowie τ = 0 unmittelbar aus den Gln. (9.37) und (9.38)
σ1 + σ2 σ1 − σ2
σψ = + cos 2ψ, (9.42)
2 2
σ1 − σ2
τψ = sin 2ψ . (9.43)
2
284 9 Zusammengesetzte Beanspruchung

Diese Gleichungen können geometrisch in einem Kreis (M OHR’scher3 Spannungs-


kreis) dargestellt werden. Aus Gl. (9.43) erhalten wir die Maximalwerte der Schub-
spannungen für ψ = 45◦ zu τmax = (σ1 − σ2 )/2.

9.2.2.2 Mohr’scher Spannungskreis

Nimmt man in den Gln. (9.42) und (9.43) die folgenden Umbezeichnungen vor

σψ = u = σ, τψ = v = τ,

und
σ1 + σ2 σ1 − σ2
= u0 , = r, cos2ψ = cos ϕ, sin 2ψ = sin ϕ,
2 2
ergibt sich an Stelle der Gln. (9.42) und (9.43)

u = u0 + r cos ϕ, v = r sin ϕ

Dies ist die Gleichung eines um u0 in positiver Richtung der u-Achse verschobe-
nen Kreises im u-v-Koordinatensystem mit dem Radius r. Diese Analogie geht auf
M OHR zurück. Die grafische Interpretation ist auf Abb. 9.17 gegeben. Man erkennt
relativ schnell erkennen, dass die Konstruktion des M OHR’schen Spannungskrei-
ses elementar ist. Gleichzeitig ist exemplarisch gezeigt, dass sich zahlreiche weitere
Werte des ebenen Spannungszustandes ablesen lassen.
Anmerkung 9.1. Die Konstruktion derartiger Kreise ist auch für die Flächenmo-
mente 2. Ordnung sowie die Massenträgheitsmomente möglich, da die Drehung von
Koordinatensysteme in diesen Fällen auf ähnliche Transformationsregeln führt.

τ σ1
σ45◦

−σ
2
τmax

σ2 σ1
2
τϕ/2

ϕ
σ
σ1 + σ2
2

σϕ/2
Abb. 9.17 M OHR ’scher
Spannungskreis

3 C HRISTIAN OTTO M OHR (∗ 8. Oktober 1835 in Wesselburen/Holstein; † 2. Oktober 1918 in

Dresden), Ingenieur und Baustatiker, Professor in Stuttgart und Dresden


9.2 Spannungszustand - Geometrie der Spannungen 285

Anmerkung 9.2. Die Konstruktion von M OHR’schen Kreise ist nicht auf ebene
Zustände beschränkt.

9.2.2.3 Beziehungen zwischen den Spannungen am Flächenelement

Am Ende des Abschnitt 9.2 haben wir festgestellt, dass viele Beanspruchungen zu
einem inhomogenen Spannungszustand führen, die Spannungen sind Funktionen
der Ortskoordinaten. Beim ebenen Spannungszustand stehen die Spannungen un-
tereinander in Beziehungen, die nicht immer durch die Gleichgewichtsbedingungen
zwischen den äußeren Kräften und den Schnittkräften angegeben werden können.
Um die Abhängigkeit der Spannungen voneinander zu erkennen, betrachten wir das
Gleichgewicht der Kräfte an einem Element mit den Abmessungen dx und dy. Die
Spannungen σx , σy , τyx und τxy sind Funktionen der Koordinaten x und y, die
Änderung der Spannungen können wir durch ihren Zuwachs im Inneren als Ergeb-
nis einwirkender Volumenkräfte fx (x, y) und fy (x, y), z. B. (∂σx /∂x)dx angeben
(Abb. 9.18). Setzen wir für die Dicke des Elements senkrecht zur Zeichenebene dz,
dann lautet die Gleichgewichtsbedingung für die Kräfte in x-Richtung
 
 ∂σx
Fix = 0 = −σx dydz + σx + dx dydz
∂x
 
∂τyx
− τyx dxdz + σx + dy dxdz + fxdxdydz .
∂y

Nach dem Wegheben gleicher Ausdrücke erhält man

∂σx ∂τyx
+ + fx = 0 . (9.44)
∂x ∂y

Aus der Bedingung Fiy = 0 folgt in gleicher Weise

∂σy
σy + dy
∂y
y
∂τyx
τyx + dy
∂y
∂τxy
τxy + dx
σx M ∂x
dy

∂σx
τxy σx + dx
∂x

x
τyx
Abb. 9.18 Flächenelemente σy
mit veränderlichen Spannun-
dx
gen
286 9 Zusammengesetzte Beanspruchung

∂τxy ∂σy
+ + fy = 0 . (9.45)
∂x ∂y

Die dritte Gleichgewichtsbedingung MiM = 0 führt auf das schon bekannte Ge-
setz der zugeordneten Schubspannungen (s. Abschnitt 7.1) τxy = τyx = τ. Bei zahl-
reichen Aufgaben kann man die Volumenkräfte vernachlässigen, d. h. fx = fy = 0.
Beispiel 9.6 (Schubspannungsverteilung).
Die Schubspannungsverteilung in einem durch Querkräfte beanspruchten Balken ist
zu ermitteln.
Lösung 9.6
Legen wir ein Element in die x, z-Ebene (Abb. 9.19) des Trägers, dann lautet Gl. (9.44) mit fx = 0

∂σx ∂τ
+ = 0.
∂x ∂z
Hier ist σx die Biegespannung nach Gl. (4.39)

Mby(x)
σx = z.
Iy

Mit
∂σx ∂Mby(x) z
=
∂x ∂x Iy
und
∂Mby(x)
= Fq (x)
∂x
erhält man
∂τ ∂σx Fq (x)
=− =− z.
∂z ∂x Iy
Wir wollen diese Gleichung für einen Träger mit Rechteckquerschnitt (Breite b, Höhe h) weiter
auswerten. Da Fq (x) und Iy nicht von z abhängen, kann vorstehende Gleichung direkt integriert
werden. Vorher erweitern wir noch mit b und erhalten
Fq (x) z2
τb = − b + c(x) .
Iy 2

y
h

x
τ σx

Abb. 9.19 Balken mit einge-


zeichnetem Schnittelement z
9.2 Spannungszustand - Geometrie der Spannungen 287

Die Integrations- Konstante“ c(x) ist nur bezüglich z konstant, kann also im Allgemeinen von x

abhängen. Aus der Randbedingung τ = 0 für z = ±h/2 folgt

Fq (x) (h/2)2
c(x) = b ,
Iy 2

und es ergibt sich


Fq (x) b   Fq (x)
τb = (h/2)2 − z2 = Hy (z) .
Iy 2 Iy
Hy (z) ist das Flächenmoment 1. Ordnung des zwischen z und dem Rand gelegenen Teils der
Querschnittfläche. In Übereinstimmung mit Gl. (8.1) aus Abschnitt 8.2 erhalten wir die Schub-
spannung
Fq (x)Hy (z)
τ(x, z) = .
Iy b
Diese Gleichung gilt streng genommen nur für einen schmalen Streifen (Scheibe) gleicher Dicke
b (Abb. 9.19).

Da für drei unbekannte Spannungen σx , σy und τ in einem beliebig belasteten


Körper nur die Gln. (9.44) und (9.45) zur Verfügung stehen, muss man sich eine
weitere Gleichung über geometrisch mögliche Formänderungen verschaffen (Ver-
träglichkeitsbedingung), s. Abschnitt 1.4. Die Auswertung dieser Gleichungen ist
Aufgabe der Elastizitätsthoerie.

9.2.3 Räumlicher - dreiachsiger - Spannungszustand

In einem Punkt eines belasteten Körpers ist der Spannungszustand dreiachsig, wenn
der Spannungsvektor s Komponenten in drei zueinander senkrechten Richtungen
hat. Abbildung 9.20 zeigt ein Körperelement mit den möglichen Spannungen in den
drei sichtbaren Begrenzungsflächen. In jeder Fläche sind eine Normalspannung und
zwei Schubspannungen vorhanden.

σz

τzx τzy
ϕ τyz
τxz σy
τyx
dz

y
σx τxy
dx
Abb. 9.20 Dreiachsiger
Spannungszustand am dy
x
Körperelement
288 9 Zusammengesetzte Beanspruchung

Legt man durch das Körperelement einen schrägen Schnitt, hängt der Span-
nungsvektor s wie beim ebenen Spannungszustand von der Richtung dieser Schnitt-
fläche ab. Die Richtung kann durch den Normalenvektor n beschrieben werden.
Die Abhängigkeit des Spannungsvektors von der Schnittfläche ist eindeutig gekenn-
zeichnet, wenn man ihn als Funktion des Normalenvektors n angibt. Die Abhängig-
keit ist linear, in der Mathematik bezeichnet man eine solche Funktion als Tensor,
hier Spannungstensor.
Die neun Komponenten der Spannungsvektoren in den drei zueinander senkrech-
ten Schnittflächen kann man auch als Spannungsmatrix schreiben
⎛ ⎞
σx τxy τxz
⎝ τyx σy τyz ⎠ .
τzx τzy σz

Im Abschnitt 7.1.1 haben wir gezeigt, dass in zwei aufeinander senkrechten Schnitt-
flächen die Schubspannungen gleich groß sind (zugeordnete Schubspannungen). Es
ist also
τyx = τxy , τzx = τxz , τzy = τyz .
Die Spannungsmatrix ist symmetrisch zur Hauptdiagonale. Es genügen demnach
sechs Spannungen zur Kennzeichnung eines dreiachsigen Spannungszustands.
Man kann beweisen, dass in einem Punkt eines Körpers in drei zueinander senk-
rechten ganz bestimmten Schnittrichtungen die Schubspannungen verschwinden;
die Normalspannungen nehmen dort Extremwerte an. Die diesen Richtungen zuge-
ordneten Normalspannungen sind die Hauptspannungen σI , σII und σIII des räum-
lichen Spannungszustands (Abb. 9.21). Der ebene Spannungszustand folgt als Son-
derfall des räumlichen, wenn alle Spannungen in Schnittflächen parallel zur x, y-
Ebene verschwinden, also σz = τzx = τzy = 0 sind.
Die Berechnung der Hauptspannungen stellt mathematisch gesehen ein Eigen-
wertproblem dar. Bleibt man bei der hier eingeführten Spannungsmatrix zur Kenn-
zeichnung des räumlichen Spannungszustandes in einem Punkt des Körpers, las-

σII

σI σI

σIII

Abb. 9.21 Körperelement


mit den Hauptspannungen
σI , σII und σIII σII
9.2 Spannungszustand - Geometrie der Spannungen 289

sen sich die Hauptspannungen und deren Richtungen aus folgender Vektor-Matrix-
Gleichung bestimmen
⎡ ⎤⎡ ⎤ ⎡ ⎤
σ1 − σ τ12 τ13 n1 0
⎣ τ12 σ2 − σ τ23 ⎦ ⎣ n2 ⎦ = ⎣ 0 ⎦ . (9.46)
τ13 τ23 σ3 − σ n3 0

Dabei entsprechen 1, 2, 3 drei zueinander orthogonalen Koordinatenrichtungen. Wei-


terhin wurden die für die Normal- und für die Schubspannungen üblichen Bezeich-
nungen gewählt. Die Hauptspannungen ergeben sich aus dem Nullsetzen der Deter-
minante der Matrix  
 σ1 − σ τ12 τ13 

 τ12 σ2 − σ τ23  = 0 . (9.47)
 
 τ13 τ23 σ3 − σ 
Die Lösung für Gl. (9.47) erhält man aus dem charakterischen Polynom, welches
hier eine Gleichung dritten Grades bezüglich σ ist. Dieses lässt sich verkürzt allge-
mein wie folgt aufschreiben

σ3 − I1 (σij )σ2 + I2 (σij )σ − I3 (σij ) = 0 . (9.48)

Hierbei sind σij die Elemente der Spannungsmatrix (i = j entspricht Normalspan-


nungen, i = j Schubspannungen) und I1 , I2 und I3 so genannte Spannungsinvarian-
ten, die von den Elementen der Spannungsmatrix in folgender Form abhängen

I1 = σ1 + σ2 + σ3 ,
     
σ τ  σ τ  σ τ 
I2 =  1 12  +  1 13  +  2 23  ,
τ12 σ2 τ13 σ3 τ23 σ3
  (9.49)
 σ1 τ12 τ13 
 
I3 =  τ12 σ2 τ23  .
 τ13 τ23 σ3 

Aufgrund der Tatsache, dass die Spannungsmatrix nur reelle Elemente enthält und
symmetrisch ist, erhält man nur reelle Lösungen für das charakteristische Polynom.
Diese lassen sich stets wie folgt ordnen

σI  σII  σIII .

Man sieht, dass 3 Fälle auftreten können:


– drei verschiedene Lösungen,
– eine Doppellösung und eine Einfachlösung oder
– eine Dreifachlösung.
In einem weiteren Lösungsschritt müssen jetzt die Richtungen der Hauptspannun-
gen bestimmt werden. Dabei setzt man jeweils eine Lösung σ = σk mit k = I, II, III
in das Ausgangsgleichungssystem ein. Mit
290 9 Zusammengesetzte Beanspruchung

(k) (k) (k)


(σ1 − σk ) n1 + τ12 n2 + τ13 n3 = 0,
(k) (k) (k)
τ12 n1 + (σ2 − σk ) n2 + τ23 n3 = 0, (9.50)
(k) (k) (k)
τ13 n1 + τ23 n2 + (σ3 − σk ) n3 = 0

erhält man jetzt ein algebraisches homogenes Gleichungssystem, welches nur mit
einer Zusatzbedingung einer Lösung zugeführt werden kann. Als Zusatzbedingung
kann man die Orthogonalitätsbedingung für die Koordinatenrichtungen verwenden,
d. h. für jedes k gilt
n21 + n22 + n23 = 1 .
Die Lösungstechnik soll nun zunächst an einfachen Beispielen trainiert werden.
Beispiel 9.7 (Einachsiger Zug).
Der Zugzustand in einem Stab kann als Sonderfall des räumlichen Spannungszu-
standes aufgefasst werden. Für den Fall, dass die Stabachse mit der x-Achse und
der Belastungsrichtung zusammenfällt, ist das einzige von Null verschiedene Ele-
ment der Spannungsmatrix σ1 = σx . Man bestimme die Hauptspannungen und de-
ren Richtung.
Lösung 9.7
Die Bestimmung der Hauptspannungen lässt sich mit Hilfe des charakteristischen Polynoms (9.48)
realisieren. Mit den Werten der Invarianten I1 = σx , I2 = I3 = 0 folgt

σ3 − σx σ2 = σ2 (σ − σx) = 0,

und die Lösung lautet


σI = σx , σII = σIII = 0 .
Dies entspricht dem Fall einer Einfachlösung und einer Doppellösung. Die größte Hauptspannung
entspricht erwartungsgemäß der Zugspannung, die beiden übrigen Hauptspannungen sind gleich
Null. Die Richtung der ersten Hauptspannung folgt aus dem Gleichungssystem
(I) (I) (I)
(σx − σx )n1 + 0n2 + 0n3 = 0,
(I) (I) (I)
0n1 − σx n2 + 0n3 = 0,
(I) (I) (I)
0n1 + 0n2 − σx n3 = 0.

Bei der Aufstellung der Gleichungen wurde von der Lösung σ = σI = σx ausgegangen. Aus
(I) (I)
der 2. und 3. Gleichung folgt unmittelbar, dass n2 = 0 und n3 = 0 sind (sonst können diese
Gleichungen nicht erfüllt werden, da σx = 0 sein muss). Man kann jetzt sehen, dass aus der
(I)
ersten Gleichung n1 = 0 gefunden werden kann. Genauere Aussagen ergeben sich erst aus der
Auswertung der Zusatzbedingung
 
(I) 2
n1 = 1.
(I)
Die Lösung lautet n1 = ±1. Damit wird bestätigt, dass die x-Achse mit der Richtung der größten
Hauptspannung zusammenfällt. Die ermittelten n1 , n2 , n3 drücken die Richtungscosinuse zwi-
schen der x-Achse und der Richtung der größten Hauptspannung, der y-Achse und der Richtung
der größten Hauptspannung sowie der z-Achse und der Richtung der größten Hauptspannung aus.
Für die Doppellösung k = II, III erhält man keine Aussagen über die Richtung der entsprechen-
den Hauptspannungen. Dies bedeutet, dass jede zur Richtung der größten Hauptspannung ortho-
gonale Richtung gleichfalls Hauptrichtung ist (Abb. 9.22).
9.2 Spannungszustand - Geometrie der Spannungen 291

Abb. 9.22 Hauptspannungen a) b)


im Zugstab
a) Ausgangszustand
b) Hauptachsensystem x nI
σx = const σI = σx

Beispiel 9.8 (Schubspannungszustand). Man bestimme die Hauptspannungen und


Hauptrichtungen für den im Abb. 9.23 dargestellten Schubspannungszustand in
der x, y-Ebene. Die einzigen von Null verschiedenen Spannungen seien dabei
σxy = σyx = τ.
Lösung 9.8
Die Ermittlung der Hauptspannungen erfolgt durch Auswertung der Determinante (9.47)
 
 −σ τ 0 
 
 τ −σ 0  = −σ3 + στ2 = (−σ2 + τ2 )σ = 0 .
 
 0 0 −σ 

Die Lösung lautet


σI = τ, σII = 0, σIII = −τ .
Dies entspricht dem Fall von drei verschiedenen Lösungen. Die Richtung der ersten Hauptspan-
nung folgt aus dem Gleichungssystem
(I) (I) (I)
−τn1 + τn2 + 0n3 = 0,
(I) (I) (I)
τn1 − τn2 + 0n3 = 0,
(I) (I) (I)
0n1 + 0n2 − τn3 = 0 .

(I)
Da τ = 0 sein muss, folgt aus der 3. Gleichung unmittelbar n3 = 0. Aus der 1. und 2. Gleichung
(I) (I)
erhält man n1 = n2 . Weitere Aussagen ergeben sich aus der Auswertung der Zusatzbedingung
      1√
(I) 2 (I) 2 (I) 2 (I)
n1 + n2 = 2 n1 = 1 ⇒ n1 = ± 2
2
sowie
(I)1√
n2 = ± 2.
2
Die Richtung der zweiten Hauptspannung folgt aus dem Gleichungssystem

a) b)
y τ σII σI
y
I
n

45◦
nI

τ τ z, nIII x
I

Abb. 9.23 Hauptspannungen


für reinen Schub
z x
a) Ausgangszustand τ
b) Hauptachsensystem
292 9 Zusammengesetzte Beanspruchung
(II) (II) (II)
0n1 + τn2 + 0n3 = 0,
(II) (II) (II)
τn1 + 0n2 + 0n3 = 0,
(II) (II) (II)
0n1 + 0n2 + 0n3 = 0.

(II) (II)
Mit τ = 0 folgt aus der 1. und 2. Gleichung n1 = 0 und n1 = 0. Aus der 3. Gleichung erhält
man keine weitere Aussage, so dass die Zusatzbedingung herangezogen werden muss
 
(II) 2 (II)
n3 = 1 ⇒ n3 = ±1 .

Die Richtung der dritten Hauptspannung folgt aus dem Gleichungssystem


(III) (III) (III)
τn1 + τn2 + 0n3 = 0,
(III) (III) (III)
τn1 + τn2 + 0n3 = 0,
(III) (III) (III)
0n1 + 0n2 + τn3 = 0.

(III)
Mit τ = 0 ergibt sich aus der 3. Gleichung wieder n3 = 0. Aus der 1. und 2. Gleichung erhält
(III) (III)
man n1 = −n2 . Weitere Aussagen ergeben sich aus der Auswertung der Zusatzbedingung
          1√
(III) 2 (III) 2 (III) 2 (III) 2 (III) 2 (III)
n1 + n2 = n1 + −n1 = 2 n1 = 1 ⇒ n1 =± 2
2
sowie
1√
(III)
n2 =∓
2.
2
Das Hauptachsensystem ist gegenüber dem ursprünglichen Koordinatensystem um 45◦ gegen den
Uhrzeigersinn um die z-Achse gedreht (Abb. 9.23).

Beispiel 9.9 (Biaxialer Zustand). Man bestimme die Hauptspannungen und Haupt-
richtungen für einen biaxialen Zug-Druck-Zustand (σx = σ0 , σy = −σ0 , Abb. 9.24).
Lösung 9.9
Die Ermittlung der Hauptspannungen erfolgt durch Auswertung der Determinante (9.47)
 
 σ0 − σ 0 0 

 0 −σ0 − σ 0  = (σ0 − σ)(−σ0 − σ)(−σ) = 0 .

 0 0 −σ 
Die Lösung lautet
σI = σ0 , σII = 0, σIII = −σ0 .
Dies entspricht dem Fall von drei verschiedenen Lösungen. Die Richtung der ersten Hauptspan-
nung folgt aus dem Gleichungssystem

a) b)
y σy nII

Abb. 9.24 Hauptspannungen σx


für biaxialen Zug-Druck-
Zustand
a) Ausgangszustand, z x nIII nI
b) Hauptachsensystem
9.2 Spannungszustand - Geometrie der Spannungen 293
(I) (I) (I)
(σ0 − σ0 )n1 + 0n2 + 0n3 = 0,
(I) (I) (I)
0n1 + (−σ0 − σ0 )n2 + 0n3 = 0,
(I) (I) (I)
0n1 + 0n2 − σ0 n3 = 0 .

(I)
Da σ0 = 0 sein muss, folgt aus der 3. Gleichung unmittelbar n3 = 0. Aus der 2. Gleichung erhält
(I)
man n2 = 0. Weitere Aussagen ergeben sich aus der Auswertung der Zusatzbedingung
 
(I) 2 (I)
n1 = 1 ⇒ n1 = ±1 .

Die Richtung der zweiten Hauptspannung folgt aus dem Gleichungssystem


(II) (II) (II)
σ0 n1 + 0n2 + 0n3 = 0,
(II) (II) (II)
0n1 − σ0 n2 + 0n3 = 0,
(II) (II) (II)
0n1 + 0n2 + 0n3 = 0.

(II) (II)
Mit σ0 = 0 folgt aus der 1. und 2. Gleichung n1 = 0 und n2 = 0. Aus der 3. Gleichung
erhält man keine weitere Aussage, so dass die Zusatzbedingung herangezogen werden muss
 
(II) 2 (II)
n3 = 1 ⇒ n3 = ±1 .

Die Richtung der dritten Hauptspannung folgt aus dem Gleichungssystem


(III) (III) (III)
(σ0 + σ0 )n1 + 0n2 + 0n3 = 0,
(III) (III) (III)
0n1 + (−σ0 + σ0 )n2 + 0n3 = 0,
(III) (III) (III)
0n1 + 0n2 + σ0 n3 = 0.

(III)
Mit σ0 = 0 ergibt sich aus der 3. Gleichung wieder n3 = 0. Aus der 1. Gleichung erhält man
(III)
n1 = 0. Weitere Aussagen ergeben sich aus der Auswertung der Zusatzbedingung
 
(III) 2 (III)
n2 = 1 ⇒ n1 = ±1 .
Das Hauptachsensystem fällt mit dem ursprünglichen Koordinatensystem zusammen (Abb. 9.24).
Vergleicht man das Beispiel 9.8 mit den Ergebnissen dieses Beispiels, stellt man fest:
– Die Werte der Hauptspannungen fallen für τ = σ0 zusammen.
– Die Hauptrichtungen unterscheiden sich um den Winkel von 45◦ .

Beispiel 9.10 (Hydrostatischer Spannungszustand).


Man bestimme die Hauptspannungen für den hydrostatischen Spannungszustand.
Lösung 9.10
Der Spannungszustand ist durch folgende Spannungsmatrix gekennzeichnet: σij = σh δij . Die
Bestimmung der Hauptspannungen lässt sich mit Hilfe des charakteristischen Polynoms oder mit
der Auswertung der entsprechenden Determinante realisieren. Dabei erhält man

(σh − σ)3 = 0,

und die Lösung lautet


σI = σII = σIII = σh .
Dies entspricht dem Fall einer Dreifachlösung. Damit kann keine Hauptrichtung ermittelt werden.
Diese mathematische Schlussfolgerung ist auch plausibel: beim vollständigen Eintauchen eines
294 9 Zusammengesetzte Beanspruchung

kugelförmigen Ballons in Wasser wird der Ballon durch hydrostatischen Druck (überall gleich)
beansprucht und es gibt keine Vorzugsrichtung.

9.3 Formänderungen des ebenen Spannungszustands

Im Abschnitt 1.4 hatten wir festgestellt, dass in der Festigkeitsrechnung im All-


gemeinen nur elastische Verformung vorausgesetzt wird. Aus dem Zugversuch ist
dann ein linearer Zusammenhang zwischen Spannung σ und Dehnung ε bei den
meisten Werkstoffen bekannt (H OOKE’sches Gesetz). Dieser Zusammenhang ist al-
len bisherigen Betrachtungen bei einfacher (einachsiger) Beanspruchung zugrunde
gelegt worden. Im folgenden wollen wir nun die Zusammenhänge bei mehrachsiger
Beanspruchung, insbesondere für den zweiachsigen (ebenen) Spannungszustand un-
tersuchen.

9.3.1 Allgemeines Hooke’sches Gesetz für den ebenen


Spannungszustand

Für die Aufstellung der Beziehungen zwischen Spannungen und Verzerrungen im


elastischen Bereich gilt das bereits mehrfach benutzte Superpositionsgesetz. Wir
betrachten den ebenen Spannungszustand an einem quadratischen Element, der
durch die Spannungen σx , σy und τ gegeben ist (Abb. 9.25) und zerlegen ihn in
drei Einzelspannungszustände, je zwei einachsige Normalbeanspruchungen und ei-
ne Schubbeanspruchung. Unter der Spannung σx allein erhalten wir in x - Rich-
tung die Dehnung εx = σx /E und in y-Richtung die Dehnung (Querkontraktion)
εy = − νσx /E, s. Gln. (2.8) und (2.9). Entsprechendes gilt für die Spannung σy .
Man erhält in der y-Richtung εy = σy /E und quer dazu εx = −νσy /E. Wirken
jetzt beide Spannungen σx und σy gleichzeitig, überlagern sich die entsprechenden
Dehnungsanteile

1 1
εx = (σx − νσy ), εy = (σy − νσx ) . (9.51)
E E

y σy 1 σy 1
εx dx εx dx
τ dx 2 2 τ

σx τ σx σx τ
dy

τ σx τ
1
γ
εy dy

τ x 1 2
εy dy

τ γ
σy σy 2
1
2

1
2

Abb. 9.25 Zerlegung der Formänderungen des ebenen Spannungszustands σx , σy und τ


9.3 Formänderungen des ebenen Spannungszustands 295

Diese Gleichungen bezeichnet man als erweitertes H OOKE’sches Gesetz für den
ebenen Fall. Die Spannungen σx und σy ergeben noch eine Querkontraktion in z-
Richtung
ν
εz = − (σx + σy ) . (9.52)
E
Man sieht, dass beim ebenen Spannungszustand Dehnungen in drei Richtungen auf-
treten. Einem zweiachsigen Spannungszustand entspricht also ein dreiachsiger Ver-
zerrungszustand. In der elementaren Festigkeitslehre wird der Einfluss der Quer-
kontraktion εz vernachlässigt.
Die Schubspannung τ bewirkt eine Winkeländerung (Gleitung) γ (Abb. 9.25).
Beide sind durch das H OOKE’sche Gesetz miteinander verknüpft (s. Abschnitt 7.1)

γ = τ/G, τ = Gγ . (9.53)

Dehnungen und Winkeländerungen, allgemein auch Verzerrungen genannt, dürfen


naturgemäß nicht zueinander addiert werden, ihre gemeinsame Wirkung besteht dar-
in, dass das unter dem Einfluss der Normalspannungen σx und σy zu einem Recht-
eck vergrößerte quadratische Flächenelement durch die Schubspannungen zu einem
Rhombus verzerrt ist (Abb. 9.25).
Satz 9.5 (Wirkungen der Spannungen im isotropen Fall). Normalspannungen
haben eine Volumenänderung des Elements zur Folge, Schubspannungen bewirken
nur eine Gestaltänderung.
Lösen wir nun die Gl. (9.51) nach den Spannungen auf, ergibt sich

E E
σx = (εx + νεy ), σy = (εy + νεx ) . (9.54)
1 − ν2 1 − ν2
Der durch diese Gleichungen ausgedrückte Sachverhalt spielt eine große Rolle in
der experimentellen Spannungsanalyse.

Zur Berechnung der Normalspannung nach Gl. (9.54) in einer beliebigen


Schnittrichtung müssen die Dehnungen in dieser und einer dazu senkrechten
Richtung bekannt sein.

Man kann zeigen, dass zwischen den Verformungsgrößen ε und γ in beliebigen


Richtungen analoge Beziehungen wie zwischen Normal- und Schubspannungen be-
stehen. In Richtung der Hauptspannungen nehmen die Dehnungen Extremwerte an.
Die Dehnung in Richtung der Hauptspannung σ1 ist die Hauptdehnung ε1 , die dazu
senkrechte die Hauptdehnung ε2 . Zwischen den Hauptdehnungen und den Haupt-
spannungen bestehen die gleichen Beziehungen, wie sie in den Gln. (9.51), (9.52)
und (9.54) ausgedrückt sind

1 1
ε1 = (σ1 − νσ2 ), ε2 = (σ2 − νσ1 ), (9.55)
E E
296 9 Zusammengesetzte Beanspruchung
ν
εz = − (σ1 + σ2 ), (9.56)
E
E E
σ1 = (ε1 + νε2 ), σ2 = (ε2 + νε1 ) . (9.57)
1 − ν2 1 − ν2
Die den Gln. (9.42) und (9.43) analogen lauten für die Verzerrungen
ε1 + ε2 ε1 − ε2
εψ = + cos 2ψ, (9.58)
2 2
1 ε1 − ε2
γψ = sin 2ψ . (9.59)
2 2
Für die Richtung der Hauptdehnung erhält man die der Gl. (9.39) entsprechende
Gleichung
2γ/2
tan 2ϕ1 = − . (9.60)
εy − εx
Ersetzen wir nach Gl. (9.51) die Dehnungen in Gl. (9.60) durch die Spannungen und
berücksichtigen ferner das H OOKE’sche Gesetz für Schubspannungen, folgt

2τ/2G
tan 2ϕ1 = − .
(1/E)(1 + ν)(σy − σx )

Diese Gleichung ist nur dann mit Gl. (9.39) identisch, wenn 2G(1 + ν) = E ist
(s. Abschnitt 9.3.2). Wir können zusammenfassend folgende Aussage treffen.
Satz 9.6 (Gleichheit der Hauptrichtungen). Die Hauptdehnungsrichtungen sind
mit den Hauptspannungsrichtungen identisch.
Da für die Richtung der Hauptspannungen der Winkel ψ = 0 ist, folgt aus Gl. (9.59)
γ = 0.
Satz 9.7 (Winkeländerungen). Ein Element, das parallel zur Richtung der Haupt-
spannungen herausgeschnitten wird, ist frei von Winkeländerungen.
Beispiel 9.11 (Hauptdehnungen).
Die Hauptdehnungen in einem zylindrischen Stab mit dem Durchmesser d = 20 mm
sind zu berechnen. Der Stab ist durch eine Zugkraft F = 27 kN und ein Drehmoment
Mt = 85 Nm belastet. Als Werkstoff wird Stahl mit E = 2,1·105 N/mm2 und ν = 0, 3
eingesetzt.
Lösung 9.11
Setzt man einen zweidimensionalen Spannungszustand voraus, wirken folgende Spannungen im
Stab:
– die Normalspannung in Richtung der Stabachse

F 27 · 103 N
σ= = = 86 N/mm2 ,
A π(10 mm)2
– die Schubspannung
Mt 17 · 103 Nmm
τ= = = 54 N/mm2 .
Wt π(10 mm)2
9.3 Formänderungen des ebenen Spannungszustands 297

Die Hauptspannungen σi , i = 1, 2 folgen aus


 
 σ − σi τ 
  = 0.
 τ −σi 

Mit σ1 = 112 N/mm2 und σ2 = −26 N/mm2 erhält man

1 (112 + 0, 3 · 26)N/mm2
ε1 = (σ1 − νσ2 ) = = 5,71 · 10−4 ,
E 2,1 · 105 N/mm2
1 (26 + 0, 3 · 112)N/mm2
ε2 = (σ2 − νσ1 ) = = −2,84 · 10−4 .
E 2,1 · 105 N/mm2

Beispiel 9.12 (Kugelbehälter).


An einem Punkt der Oberfläche eines Kugelbehälters (dm = 6 000 mm, s = 12 mm)
werden bei einem Belastungsversuch mit dem Innendruck pi in zwei aufeinander
senkrechten Richtungen die Dehnungen ε1 = ε2 = 0, 037% gemessen. Gegeben sind
E = 2,1 · 105 N/mm2 , ν = 0, 3. Wie groß sind die Spannungen und der Innendruck?
Lösung 9.12
Gleichung (9.57) ergibt mit ε1 = ε2

Eε1 Eε1 2,1 · 105 N/mm2 · 0,000 37


σt = σ1 = (1 + ν) = = = 111 N/mm2 .
1 − ν2 1−ν 0, 7
Mit ri ≈ rm = 3 000 mm erhält man aus Gl. (9.31)
r 12 mm
pi = 2σt = 222 N/mm2 · = 0,888 N/mm2 .
ri 3 000 mm

9.3.2 Beziehungen zwischen den isotropen Werkstoffkennwerten

Die drei Kennwerte E, G und ν sind Werkstoffkennwerte, die für ein bestimmtes
Material bei definierten Umgebungsbedingungen charakteristische, feste Werte be-
sitzen. Es soll der Zusammenhang zwischen diesen drei Größen gezeigt werden. Wir
betrachten einen reinen Schubspannungszustand und untersuchen die Formänderun-
gen an dem Element (Abb. 9.26) mit dx = dy. Die Hauptspannungen lassen sich
elementar berechnen: σ1 = τ, σ2 = −τ. Somit folgt für die Hauptdehnungen aus
Gl. (9.55)
τ τ
ε1 = (1 + ν) = ε, ε2 = − (1 + ν) = −ε .
E E
Aus Abb. 9.26 c) entnimmt man, da ε und γ sehr kleine Größen sind,

γ γ ε/2
tan ≈ = = ε.
2 2 1/2

Setzt man ε = τ(1 + ν)/E ein, ergibt sich

2τ(1 + ν)
γ= .
E
298 9 Zusammengesetzte Beanspruchung

a) b) c)
σ1 /2
◦ −γ A
45 M
A

τ
τ

dy/2
(1 + ε)dy
σ2 σ2 γ/
A  90◦ − γ 2

dy
A
τ

B
dx B B B
(1 − ε)dx εdx/2
σ1

Abb. 9.26 Reiner Schubspannungszustand


a) quadratisches Element
b) Verformung des Elements
c) Drehung des schraffierten Dreiecks um M

Andererseits ist γ = τ/G und durch Vergleich folgt

E
G= . (9.61)
2(1 + ν)

Das elastische Verhalten eines isotropen Werkstoffs ist bereits durch zwei von den
drei elastischen Kennwerten vollständig festgelegt. Hat man zwei durch Versuche
ermittelt, kann der dritte nach Gl. (9.61) berechnet werden.

9.3.3 Volumenänderung

Ein Würfelelement mit den Kantenlängen dx = dy = dz hat im unbelasteten Zustand


das Volumen V = dxdydz. Die Längenänderungen der 3 Kanten unter dem Einfluss
der beiden Hauptspannungen σ1 und σ2 entsprechen daher den Dehnungen ε1 , ε2
und εz = ε3 . Das Volumen nach der Belastung ist dann

V  = (1 + ε1)(1 + ε2 )(1 + ε3 )dxdydz

und somit die relative Volumenänderung

ΔV V−V
= = (1 + ε1 )(1 + ε2 )(1 + ε3 ) − 1 .
V V
Die Produkte der Dehnungen sind klein gegen die Dehnungen selbst und können
vernachlässigt werden. Dann ist die relative Volumenänderung
ΔV
= ε1 + ε2 + ε3 .
V
9.3 Formänderungen des ebenen Spannungszustands 299

Ersetzt man mit Hilfe der Gl. (9.55) und (9.56) die Dehnungen durch die Spannun-
gen, ergibt sich
ΔV 1
= (1 − 2ν)(σ1 + σ2 ) . (9.62)
V E
Ist σ1 + σ2 positiv, wird das Volumen vergrößert, sofern 1 − 2ν > 0 ist.

9.3.4 Abschätzung der Größenordnung der Querkontraktionszahl

Die Gl. (9.62) können wir benutzen, um die Werte der Querkontraktionszahl ν und
ihre Grenzen abzuschätzen. Zwei Grenzfälle sind bei der elastischen Verformung
eines Körpers denkbar. Dazu betrachten wir einen Zugstab im einachsigen Zugver-
such:
1. Trotz der Belastung tritt keine Volumenänderung auf, dann ist mit σ2 = 0 nach
Gl. (9.62)
ΔV 1
= (1 − 2ν)σ1 = 0 .
V E
Das ist nur möglich für ν = 0, 5. Dieser Wert gilt für ideal inkompressible Me-
dien. Wasser z. B. ist nahezu inkompressibel, bei Gummi und bei Kunsthar-
zen ist ν = 0, 45 . . .0, 48. Diese Stoffe erfahren praktisch keine Volumenände-
rung. Für zahlreiche metallische Werkstoffe liegt ν in der Größenordnung von
0, 25 . . .0, 35; mit dem Mittelwert 0, 3 wird häufig gerechnet.
2. Die relative Volumenänderung ist gleich der Dehnung ε1 = σ1 /E in Zugrichtung.
Dann ist 1 − 2ν = 1 und ν = 0, d. h. es ist keine Querkontraktion vorhanden.
Näherungsweise wird mit ν = 0 bei Beton gerechnet.
ν = 0 ist der untere im Experiment für isotrope klassische Konstruktionswerkstof-
fe ermittelte Grenzwert. Negative Querkontraktionszahlen (ν < 0) bedeuten, dass
der Durchmesser einer Zugprobe im Zugversuch zunimmt. Die obere Grenze für
die Querkontraktionszahl folgt aus der Überlegung, dass das Volumen bei Zugbean-
spruchung nicht abnimmt, d. h. die Querkontraktionszahl kann den Wert 0,5 nicht
übersteigen. Somit gilt

0  ν  0, 5 .

Satz 9.8 (Volumenänderung). Bei Zugbeanspruchung wächst das Volumen eines


elastischen Körpers, bei Druckbeanspruchung nimmt es ab.
Die hier gegebene Abschätzung ist nicht mit der elastizitätstheoretischen identisch.
Diese führt auf den unteren Wert ν > −1 aus energetischer Sicht4 .
4 Aus der Überlegung, dass die Verzerrungsenergie positiv definit sein muss, lässt sich zeigen,

dass zumindest theoretisch die Untergrenze der Querkontraktionszahl -1 ist. Negative Querkon-
traktionszahlen wurde u.a. bei bestimmten Schaumstoffen nachgewiesen [21].
300 9 Zusammengesetzte Beanspruchung

9.3.5 Dehnungsmessungen - Berechnung der Spannungen

Viele Bauteile sind bei komplizierter Gestalt, unklaren Lastannahmen und (oder)
innerer statischer Unbestimmtheit einer Festigkeitsberechnung nur schwer oder gar
nicht zugänglich. Da es aber von Bedeutung ist, die Beanspruchungen zu kennen,
sind Verfahren entwickelt word, die es gestatten, die durch unbekannte Spannungen
bewirkten relativen Verformungen, die Dehnungen, zu messen. Die Fortschritte auf
dem Gebiet der Messtechnik haben in den vergangenen Jahren diese Entwicklung
sehr gefördert. Die Auswertung vieler Einzelmessungen an verschiedenen Punkten
eines Bauteils durch Eingabe der Messergebnisse in Computer ist schnell möglich.
Dehnungen können nur an der freien Oberfläche der Bauteile gemessen werden.
Da in den meisten Fällen die größten Beanspruchungen in der Oberfläche auftreten,
sind diese Messungen häufig ausreichend. Der Spannungsverlauf im Innern kann
u.a. durch Modellverfahren (z. B. Spannungsoptik) in gewissen Grenzen bestimmt
werden.
Im Allgemeinen interessieren in einem Bauteil die Maximalspannungen, und es
ist nicht immer einfach, diese mit ihren Richtungen zu lokalisieren. Vorbereitende
Messungen (z. B. mit Hilfe des Reißlackverfahrens) können Aufschlüsse darüber
geben. Da ein auf das Bauteil aufgespritzter spröder Lacküberzug unter Beanspru-
chung senkrecht zur Richtung der größten Zughauptspannung reißt, kann man auf
die Richtungen der Hauptspannungen schließen. Dort, wo die Risse zuerst auftreten,
ist die Beanspruchung größer als an anderen Stellen.
Die Messung der Dehnungen εx und εy in beliebigen Richtungen an vielen Stel-
len setzt gleichzeitig Winkelmessungen zur Ermittlung von τ voraus, denn nur aus
σx , σy und τ kann man die Hauptspannungen σ1 und σ2 berechnen. Winkelmessun-
gen sind aber wegen der Kleinheit von γ sehr umständlich und in der Praxis kaum
realisierbar.
Wegen der Fortschritte in der Dehnungsmesstechnik (Ermittlung der Dehnun-
gen über die Widerstandsänderung in einem dünnen Draht) und der leichtmöglichen
Auswertung sehr vieler Messungen, hat die so genannte Dreikomponentenmessung,
welche kurz geschildert werden soll, besondere Bedeutung gewonnen.
Zur Berechnung der Hauptspannungen müssen die Hauptdehnungen bekannt
sein. Da sowohl Größe als auch Richtung der Hauptdehnungen unbekannt sind,
benötigt man drei Bestimmungsgrößen. Man misst in dem interessierenden Punkt in
drei je unter 45◦ gegeneinander versetzten Richtungen, die sonst beliebig orientiert
sein können, die Dehnungen εa , εb und εc (Abb. 9.27). Ist α die unbekannte Rich-
tung der Hauptdehnung ε1 (von dieser Richtung aus positiv gemessen) gegenüber
a, dann ergibt Gl. (9.58) mit ψ1 = α, ψ2 = α + 45◦ und ψ3 = α + 90◦ drei Bestim-
mungsgleichungen für α, ε1 und ε2
9.3 Formänderungen des ebenen Spannungszustands 301

Abb. 9.27 Dehnungsmessrichtungen


a, b und c, α unbekannter
Richtungswinkel der c 45 ◦
Hauptdehnung ε1

2
σ2 , ε

b 45

P α a
σ1 ,
ε1

1
εa = [ε1 + ε2 + (ε1 − ε2 ) cos 2α],
2
1
εb = [ε1 + ε2 − (ε1 − ε2 ) sin 2α],
2
1
εc = [ε1 + ε2 − (ε1 − ε2 ) cos 2α] .
2
Die Auflösung dieser drei Gleichungen ergibt

εa − 2εb + εc
tan 2α = , (9.63)
εa − εc
 √ 
ε1 εa + εc 2
= ± (εa − εc )2 + (εb − εc )2 . (9.64)
ε2 2 2
Die Messung der Dehnungen über die Widerstandsmessung beruht auf dem in ei-
nem gewissen Bereich linearen Zusammenhang zwischen der Längen- und der Wi-
derstandsänderung eines sehr dünnen Drahtes mit hohem Eigenwiderstand. Die als
Dehnmessstreifen bekannten Messobjekte sind fest auf das Bauteil geklebt und elek-
trisch mit einer Widerstandsmessbrücke verbunden. Die Dehnung kann entweder di-
rekt auf einem Instrument abgelesen werden, oder das Messsignal wird von einem
PC registriert. Die Auswertung der Gl. (9.63) und (9.64) erfolgt dann im Rechner
automatisch.
Beispiel 9.13 (Spannungen und Kräfte).
An einer Stange mit d = 50 mm als Durchmesser sind bei einer unbekannten Kraft-
wirkung an verschiedenen Stellen der Oberfläche folgende Dehnungen gemessen
worden: εa = 200 · 10−5 , εb = 70 · 10−5 , εc = −60 · 10−5 , Richtung der Dehnung
εa in Stangenlängsrichtung. Zu berechnen sind die Spannungen und Kräfte in der
Stange, Werkstoff mit Al mit E = 7 · 104 N/mm2 und ν = 0, 3.
Lösung 9.13
Gleichung (9.63) ergibt tan 2α = (200 − 140 − 60)/260 = 0. Mit Hilfe von Gl. (9.64) erhält man
 √
ε1 2 2
= 70 · 10−5 ± 130 + 1302 · 10−5 = (70 ± 130) · 10−5 .
ε2 2
302 9 Zusammengesetzte Beanspruchung

Abb. 9.28 Dehnungsmessung a) b)


an einer Welle.

30
a) eingezeichnete Messrich- b ε2


tungen am Umfang, a
b) Zuordnung der Hauptdeh- a

ε1
nungen zur Messrichtung α

Somit ist ε1 = 200 · 10−5 und ε2 = −60 · 10−5 . Da ε2 = −νε1 und α = 0 sind, liegt ein ein-
achsiger Spannungszustand vor mit σ2 = 0 und σ1 = Eε1 = 140 N/mm2 . Die Stange ist durch
die Kraft F = σ1 A = 27,5 · 104 N auf Zug beansprucht.

Beispiel 9.14 (Beanspruchungen).


An einer Welle aus Stahl (E = 2,08 · 105 N/mm2 , ν = 0, 3) mit dem Durchmesser
40 mm sind an mehreren Stellen am Wellenumfang die Dehnungen

εa = 86,7 · 10−5 , εb = −50 · 10−5 , εc = − 86,7 · 10−5

gemessen worden, die Richtung von εa ist um 30◦ gegen die Wellenlängsrichtung
geneigt (Abb. 9.28 a). Wie groß sind die Spannungen in der Welle? Durch welche
Kräfte oder Momente ist die Welle beansprucht?
Lösung 9.14
Für die Richtung der Dehnung ε1 erhalten wir tan 2α = (86, 7 + 100 − 86, 7)/173, 4 = 0, 577
oder α = 15◦ . Die Hauptdehnungen sind
 √
ε1 2
= 0± 136, 72 + 36, 72 · 10−5 = ±100 · 10−5 .
ε2 2

Die Hauptdehnungen liegen unter 45◦ zur Wellenachse (Abb. 9.28 b) und sind entgegengesetzt
gleich, die Welle wird durch ein Drehmoment beansprucht. Die Schubspannung ist

E Eε1 20,8 · 104 N/mm2


τ = σ1 = (ε1 − νε2 ) = = · 100 · 10−5 = 160 N/mm2 .
1−ν 2 1+ν 1, 3
Das Drehmoment beträgt Mt = τWp = 2,01 kNm.

9.4 Festigkeitshypothesen - Versagen bei mehrachsiger


Beanspruchung

Bei den einfachen Grundbeanspruchungsarten (Zug, Druck, Biegung und Verdre-


hung) sowie bei einfach zusammengesetzter Beanspruchung (durch Superposition)
nach den Fällen 1 und 2 des Bildes 9.2 erfolgt die Festigkeitsberechnung unter
Verwendung der bei den Grundbeanspruchungen im Versuch erhaltenen Werkstoff-
kennwerte (Grenzspannungen). Für die Ermittlung der zulässigen Spannung oder
der Sicherheit ist neben der Art der Beanspruchung die Art des möglichen Versa-
gens maßgebend. Je nach Art und Behandlungszustand des Werkstoffs kann man
das Versagen immer innerhalb der Grenzen Trennbruch (sprödes Verhalten) und
9.4 Festigkeitshypothesen - Versagen bei mehrachsiger Beanspruchung 303

Verformungs- oder Gleitbruch (duktil, plastisches Verhalten) einordnen. Maßgebend


ist entweder die Trennfestigkeit (größte Zug-Normalspannung) oder die Gleitfestig-
keit (größte Schubspannung), häufig auch beide miteinander.
Für eine zusammengesetzte, mehrachsige Beanspruchung nach den Fällen 3 und
4 des Bildes 9.2 stehen entsprechende Kennwerte nicht zur Verfügung, und es ist
nicht ohne weiteres möglich, aus dem Versagen bei einachsiger Beanspruchung
auf das Verhalten bei mehrachsiger Beanspruchung zu schließen. Hierfür wurden
vielmehr schon in früherer Zeit theoretische Untersuchungen vorgenommen, deren
Ergebnisse in Festigkeits- oder Bruchhypothesen zusammengefasst und für die Be-
rechnung empfohlen sind. Von den vielen vorhandenen Hypothesen haben sich drei
als brauchbar erwiesen, die im folgenden besprochen werden sollen. Als Maß für
die Brauchbarkeit ist die Bestätigung durch Versuche anzusehen.
Die Hypothese der größten (Zug-)Normalspannung (G ALILEI5 , L AM É6 , C LA -
PEYRON , M AXWELL 7 ) geht von der Überlegung aus, dass ein Versagen bei mehr-
achsiger Beanspruchung stattfindet, wenn unabhängig von den anderen Spannun-
gen die größte Normal- oder Hauptspannung σ1 einen Grenzwert, die Trennfes-
tigkeit, erreicht. Sie wird experimentell bestätigt bei ruhender überwiegender Zug-
beanspruchung spröder, trennbruchempfindlicher Werkstoffe (Grauguss, gehärteter
Stahl) und bei Verformungsbehinderung durch räumliche Zugbeanspruchung und
Kerbwirkung in zähen Werkstoffen. Ein Stück Kreide z. B. bricht bei Verdrehbe-
anspruchung unter 45◦ zur Achse, also senkrecht zur größten Zughauptspannung.
Ein sehr zäher Stahl, etwa S235JR, bricht bei allseitig gleicher Zugbeanspruchung
spröde wie Gusseisen im einachsigen Zugversuch.
Die Hypothese der größten Schubspannung (C OULOMB8 , G UEST, T RESCA9 ,
M OHR) macht für das Versagen die bei räumlicher Beanspruchung größte Schub-
spannung verantwortlich. Sie beruht auf der Auffassung, dass Gleitverformungen
durch Schubspannungen ausgelöst werden, sobald τmax den Grenzwert der Schub-
spannung, die Gleitfestigkeit oder Schubfließgrenze erreicht. Die Gültigkeit die-
ser Hypothese ist bestätigt bei ruhender Zug- und Druckbeanspruchung verfor-
mungsfähiger metallischer Werkstoffe mit ausgeprägtem Fließverhalten, wenn al-
so Versagen durch plastische Verformung eintritt, und für spröde Werkstoffe (z. B.
Grauguss) bei überwiegender Druckbeanspruchung. Eine Druckprobe aus Grauguss
oder Beton (Werkstoffe, die nur geringe oder keine Zugfestigkeit besitzen) versagt

5 G ALILEO G ALILEI (∗ 15. Februar 1564 in Pisa; † 8. Januar 1642 in Arcetri bei Florenz), Philo-
soph, Mathematiker, Physiker und Astronom, Fallgesetze, Elastizität des Balkens
6 G ABRIEL L AM É (∗ 22. Juli 1795 in Tours; † 1. Mai 1870 in Paris), Mathematiker und Physiker,

Lamé’sche Konstanten, Professor an der École Polytechnique in Paris


7 JAMES C LERK M AXWELL (∗ 13. Juni 1831 in Edinburgh; † 5. November 1879 in Cam-

bridge),Physiker, Grundlagen der Elektrizitätslehre und des Magnetismus, erste Farbfotografie,


Professor für Physik in Cambridge, Mitglied der Royal Society
8 C HARLES AUGUSTIN DE C OULOMB (∗ 14. Juni 1736 in Angoulême; † 23. August 1806 in

Paris), Physiker, Begründer der Elektrostatik sowie der Magnetostatik, Reibungsgesetz


9 H ENRI É DOUARD T RESCA (∗ 12. Oktober 1814 in Dünkirchen; † 21. Juni 1885 in Paris), Inge-

nieur, Urmeter, Mechanikprofessor am Conservatoire National des Arts et Métiers in Paris


304 9 Zusammengesetzte Beanspruchung

im Druckversuch durch Gleiten (Schubbruch) unter etwa 45◦ zur Druckrichtung


(Abb. 2.11 b).
Die Hypothese der größten Gestaltänderungsenergie (H UBER10 , VON M ISES11 ,
H ENCKY12 ) sagt aus, dass ein Versagen bei mehrachsiger Beanspruchung möglich
ist, wenn der Wert der Gestaltänderungsenergie einen Grenzwert erreicht. In Ab-
schnitt 9.3.1 ist gezeigt worden, dass Normalspannungen eine Volumenänderung
eines Körperelements, Schubspannungen dagegen eine Änderung der Gestalt des
Elements durch Schiebungen bewirken. Die Erfahrung zeigt, dass ein Körper unter
allseitig gleichem Druck, der nur Volumenänderung hervorruft, nicht bricht. Von der
gesamten Formänderungsarbeit in einem Körperelement kann man den Anteil, der
durch Volumenänderung hervorgerufen wird, abziehen. Den übriggebliebenen An-
teil, der für die Gestaltänderung aufzubringen ist, bezeichnet man als Gestaltände-
rungsarbeit oder -energie. Diese Hypothese vergleicht also die im räumlichen Span-
nungszustand für die Gestaltänderung erforderliche Energie mit einem Grenzwert
bei einachsiger Beanspruchung. Die Gültigkeit dieser Hypothese ist insbesondere
bei dynamischer, und hier vor allem bei wechselnder Beanspruchung unabhängig
von Belastungsart und Werkstoff nachgewiesen. Sie wird deswegen heute mit Vor-
zug angewendet, aber auch bei ruhender bzw. schwellender Beanspruchung für duk-
tile Werkstoffe mit nicht ausgeprägter Fließgrenze, also insbesondere Nichteisenme-
talle, gebraucht.

9.4.1 Vergleichsspannung

Das Ziel bei der Aufstellung von Festigkeitshypothesen ist es, Berechnungsglei-
chungen für mehrachsige Beanspruchung zu finden. Man führt die Spannungen des
mehrachsigen Spannungszustands auf eine gleichwertige einachsige Vergleichss-
pannung σV zurück, mit der man dann den Spannungszustand mit einem einach-
sigen vergleicht.
Definition 9.4. Die Vergleichsspannung σV ist eine rechnerische Spannung, die auf
Grund von Hypothesen mehrachsige, auch ungleichartige, Spannungszustände auf
eine gleichwertige einachsige Spannung umrechnet und vergleichbar gemacht.
Man kann somit die Vergleichsspannung bei mehrachsiger Beanspruchung mit einer
zulässigen Spannung vergleiche, die aus den bei einachsiger Beanspruchung ermit-
10 M AKSYMILIAN T YTUS H UBER (∗ 4. Januar 1872, Krosćienko/Donau; † 9. Dezember 1950),
Ingenieur, Festigkeitslehre, Professor Polytechnikum Lemberg (Rektor 1922/23), Polytechnilum
Warschau, Polytechnikum Gdansk, Bergakademie Krakow
11 R ICHARD E DLER VON M ISES (∗ 19. April 1883 in Lemberg, Österreich-Ungarn, heute Lwiw,

Ukraine; † 14. Juli 1953 in Boston, Massachusetts), Mathematiker, numerische Mathematik, Plas-
tizitätstheorie, Fluidmechanik, Professor in Straßburg, Dresden, Berlin, Harvard/Boston, Gründer
der Zeitschrift für Angewandte Mathematik und Mechanik
12 H EINRICH H ENCKY (∗ 2. November 1885 in Ansbach; † 6. Juli 1951), Ingenieur, Kontinuums-

mechanik und Rheologie, insbesondere Plastizitätstheorie, Promotion in Darmstadt, Habilitation


in Dresden, Lektor in Delft, Professor MIT, Tätigkeit in Charkow und Moskau
9.4 Festigkeitshypothesen - Versagen bei mehrachsiger Beanspruchung 305

telten Kennwerten errechnet ist. Im folgenden sollen die Ausgangsgleichungen für


die einzelnen Hypothesen entwickelt werden.

9.4.1.1 Hypothese der größten Hauptspannung

In einem beliebig belasteten Körper treten in jedem Punkt drei Hauptspannungen


σ1 , σ2 , σ3 auf. Ist σ1 > σ2 > σ3 , dann ist die größte Hauptspannung σ1 als Ver-
gleichsspannung definiert, die beiden übrigen Hauptspannungen bleiben dabei un-
berücksichtigt
σV(N) = σmax = σ1  σzul . (9.65)

9.4.1.2 Hypothese der größten Schubspannung

Die größte Schubspannung verläuft unter 45◦ zu jeder der drei Hauptspannungen.
Unter der Annahme, dass für die Hauptspannungen σ1 > σ2 > σ3 gilt, ist die abso-
lut größte Schubspannung gleich der halben Differenz der größten und der kleinsten
Hauptspannung. Somit ist die Vergleichsspannung

σV(Sch) = 2τmax = σ1 − σ3  σzul . (9.66)

Man sieht als besonderes Merkmal der Schubspannungshypothese, dass die Ver-
gleichsspannung unabhängig von der mittleren Hauptspannung ist, diese hat keinen
Einfluss auf das Versagen.

9.4.1.3 Hypothese der größten Gestaltänderungsenergie

Im Abschnitt 9.3.1 ist gezeigt worden, dass für die Gestaltänderung eines Elements
nur Schubspannungen verantwortlich sind. Die Gestaltänderungsenergie bei räum-
lichem Spannungszustand in einem Körperelement kann durch die drei größten
Schubspannungen ausgedrückt werden. Ohne hier auf ihre Ableitung näher einge-
hen zu können, lautet die Beziehung

1 2
ΔWGest = (τ + τ2II + τ2III ) .
3G I
Ersetzt man die Schubspannungen durch die Differenzen der jeweiligen Hauptspan-
nungen, z. B. τI = (σ2 − σ3 )/2 usw., folgt

1
ΔWGest = [(σ1 − σ2 )2 + (σ1 − σ3 )2 + (σ2 − σ3 )2 ] .
12G
Für den Grenzfall des einachsigen Spannungszustands mit der Spannung σ1 = σV
ist
306 9 Zusammengesetzte Beanspruchung

 1 2
ΔWGest = σ .
6G V

Durch Vergleich ΔWGest = ΔWGest erhält man

1
σV(GE) = [(σ1 − σ2 )2 + (σ1 − σ3 )2 + (σ2 − σ3 )2 ]  σzul . (9.67)
2

9.4.2 Berechnungsgleichungen - Korrekturzahl nach von Bach

Vorstehend wurden die einzelnen Vergleichsspannungen durch die Hauptspannun-


gen ausgedrückt, die im Allgemeinen nicht direkt bekannt sind. Beschränken wir
uns auf den ebenen Spannungszustand. Vielfach sind nur die Spannungen σx , σy
und τ in zwei zueinander senkrechten Schnittrichtungen gegeben. Es ist zweck-
mäßig, die Vergleichsspannungen durch diese Spannungen auszudrücken. Aus dem
Vergleich zwischen den Vergleichsspannungen bei einachsiger Zug- und bei reiner
Schubbeanspruchung nach den verschiedenen Hypothesen ersieht man, dass sich
verschiedene Verhältniszahlen ϕ zwischen σ und τ ergeben. Vergleicht man weiter
die bei Zug oder Biegung und bei Torsion in Versuchen ermittelten Kennwerte der
verschiedenen Werkstoffe miteinander, erkennt man eine gewisse Zuordnung zum
Verhältniswert ϕ nach den einzelnen Hypothesen. Bei Grauguss ist z. B. Rm /τB
etwa gleich 1, für zähen Stahl ist das Verhältnis der Fließgrenzen σbF /τF ungefähr
2 und das Verhältnis der Wechselfestigkeiten σbW /τW etwa 1,7, entsprechend dem
oben in Abschnitt 9.4 angegebenen möglichen Anwendungsbereich der einzelnen
Hypothesen.
Liegt ein inhomogener Werkstoff vor (z. B. Holz mit unterschiedlichen Festig-
keiten in verschiedenen Richtungen) oder unterliegen Normal- und Schubbeanspru-
chung verschiedenartiger Belastungsfolge (z. B. Biegung wechselnd und Torsion
ruhend o.ä.), ist von C ARL VON BACH eine Korrektur der Gleichungen vorgeschla-
gen worden, mit der man dieser Tatsache Rechnung tragen kann. Mit Hilfe einer
Korrekturzahl α0 , Anstrengungsverhältnis genannt, als Faktor von τ, rechnet man
die Schubspannung τ auf den jeweiligen Lastfall der Normalspannung um
σzul
α0 = .
ϕτzul
Diese Zahl α0 ist so zu ermitteln, dass unabhängig von der jeweiligen Hypothese
bei reinem Schub σψ = τ wird. Der Faktor ϕ im Nenner berücksichtigt dann die
jeweilige Hypothese.
Da die z. B. aus Tabellen entnommenen zulässigen Spannungen recht willkürlich
sein können, empfiehlt es sich, mit im Versuch ermittelten Grenzspannungen, den
Werkstoffkennwerten, zu arbeiten, also mit σzul = σGrenz /S∗σ und τzul = τGrenz /S∗τ .
Geht man von gleichen Sicherheiten für Normal- und Schubbeanspruchung S∗σ = S∗τ
aus, folgt
9.4 Festigkeitshypothesen - Versagen bei mehrachsiger Beanspruchung 307
σGrenz
α0 = .
ϕτGrenz
Beispiel 9.15 (Korrekturzahl).
Eine Welle aus E295 ist durch das Biegemoment Mb und das Drehmoment Mt
belastet. Wie groß ist nach der Hypothese der größten Gestaltänderungsenergie die
Korrekturzahl α0 , wenn
a) die Biegung wechselnd, die Torsion ruhend,
b) beide wechselnd,
c) die Biegung ruhend, die Torsion wechselnd erfolgt?
Lösung 9.15
Dauerfestigkeitsschaubildern für E295 entnimmt man die Grenzspannungen

σbF = 370 N/mm2 , σbW = 240 N/mm2 , τF = 190 N/mm2 , τW = 140 N/mm2 .

Es ist also mit ϕ = 3

a) α0 = σbW /ϕτF = 240 N/mm2 / √3 · 190 N/mm2 = 0,73,
b) α0 = σbW /ϕτW = 240 N/mm /√ 3 · 140 N/mm2 = 0,99 ≈ 1,
2

c) α0 = σbF /ϕτW = 370 N/mm2 / 3 · 140 N/mm2 = 1,53 .


In die Vergleichsspannung σV geht somit die Torsionsschubspannung τ = Mt /Wt im Fall a)
abgeschwächt, im Fall c) verstärkt ein. Bei gleichartiger Belastung nach Fall b) ist α0 = 1.

Bei der Berechnung von Wellen oder Trägern unter Biege- und Verdrehbean-
spruchung ist es manchmal zweckmäßig, das so genannte Vergleichsmoment MV
einzuführen
MV = Wb σV .
Mit der größten Biegespannung σb = Mb /Wb und der im gleichen Querschnitts-
punkt wirkenden Schubspannung τ = Mt /Wt ist z. B. nach der M OHRschen Hypo-
these

   
Mb 2 α 0 Mt 2
σV = +4 .
Wb Wt
Setzt man für Wt = κWb ein, dann folgt

 
α 0 Mt 2
σV Wb = M2b + 4 = MV .
κ

Bei Wellen mit kreissymmetrischem Querschnitt ist Wt = Wp und κ = 2.


Die Vergleichsmomente können für die drei Hypothesen ausgerechnet werden.
Für die Ermittlung der zulässigen Spannung und der Sicherheit gelten sinngemäß
die gleichen Überlegungen, wie in den Kapiteln 3 und 4. Bei dynamischer Bean-
spruchung z. B. ist die Sicherheit gegen Dauerbruch

σD b0
SD = (9.68)
ok βk σV
und die zulässige Spannung
308 9 Zusammengesetzte Beanspruchung

∅150
Abb. 9.29 Welle F
Mt Mt

500
1100

σD b0 σD
σzul = = ∗ . (9.69)
SD ok βk S
Bei gekerbten Bauteilen sind Oberflächen-, Kerb- oder sonstige Einflüsse in den
Gleichungen für die Vergleichsspannungen entweder bei den Einzelspannungen σ
und τ zu berücksichtigen oder - was häufig einfacher ist - man multipliziert die
Vergleichsspannung σV direkt mit den entsprechenden Faktoren (wirksame Ver-
gleichsspannung), wie es in Gl. (9.68) geschehen ist.
Beispiel 9.16 (Welle). Die Welle (Abb. 9.29) ist durch die Einzellast F = 60 kN
schwellend beansprucht, ein wechselndes Drehmoment Mt = 18 kNm ist der Biege-
beanspruchung überlagert. Die Maximalwerte der Spannungen treffen zeitlich zu-
sammen. Zu berechnen ist die Sicherheit gegen Dauerbruch. Für den Werkstoff -
vergüteter Baustahl 34 CrMo4 - sind die an 10-mm-Proben ermittelten Kennwer-
te σb Sch = 580 N/mm2 und τW = 220 N/mm2 . Kerbwirkung und Oberfläche, die
ohne genaue Konstruktionsmerkmale nicht erfasst werden könne, sind mit ok βk zu
berücksichtigen.
Lösung 9.16
Da die Welle dynamisch beansprucht ist, rechnen wir die Vergleichsspannung nach der Gestaltän-
derungsenergie(GE)-Hypothese. Mit dem größten Biegemoment

Mb max = (6/11) · 6 · 104 N · 500 mm = 1,637 · 107 Nmm

und dem Widerstandsmoment des Kreisquerschnitts Wb = 331 · 103 mm3 ist die Biegespannung
im gefährdeten Querschnitt σb = 49,5 N/mm2 . Die Schubspannung im gleichen Querschnitt er-
gibt sich mit Wp = 2Wb zu τ = 27,2 N/mm2 . Den Korrekturfaktor α0 findet man aus Gl. (9.68)
zu √
α0 = σb Sch /ϕτW = (580 N/mm2 )/( 3 · 220 N/mm2 ) = 1, 52 .
Somit erhält man die Vergleichsspannung
 
σV(GE) = σ2b + 3(α0 τ)2 = 4,952 + 3(1, 52 · 2,72)2 · 10 N/mm2 = 87 N/mm2 .

Mit dem Größenfaktor b0 = 0, 6 (Abb. 4.37) ist die Sicherheit

σb Sch b0 580 N/mm2 · 0, 6


SD = = = 2.
ok βk σV 2 · 87 N/mm2

Beispiel 9.17 (Dehnschraube).


Eine Dehnschraube (Schaftdurchmesser 22 mm) steht in einer Schraubenverbin-
dung unter ruhender Zugbelastung F = 91,2 kN. Nach dem Anziehen der Schraube
ist infolge Reibung an den Auflageflächen und im Gewinde das Drehmoment Mt
9.4 Festigkeitshypothesen - Versagen bei mehrachsiger Beanspruchung 309

verblieben, wodurch die Schraube im Schaft zusätzlich belastet ist. Wie groß darf
das Drehmoment sein, wenn zweifache Sicherheit gegen Erreichen der Streckgrenze
Re = 600 N/mm2 im Schaftquerschnitt gewährleistet sein soll?
Lösung 9.17
Die Zugspannung ist σz = F/A = 9,12 · 104 mm/380 mm2 = 240 N/mm2 . Wir rechnen mit der
M OHR ’schen Hypothese 
σV(Sch) = σ2z + 4τ2  σzul .
Löst man die Gleichung nach der unbekannten Schubspannung auf, erhält man

1
τ= σ2zul − σ2z .
2

Bei zweifacher Sicherheit ist σzul = 300 N/mm2 , also



τ = 32 − 2, 42 · 50 N/mm2 = 90 N/mm2 .

Das Drehmoment ist Mt = τWp = 90 N/mm2 · 2,09 · 103 mm3 = 1,881 · 105 Nmm.

Beispiel 9.18 (Ritzelwelle).


Welche Leistung kann die Ritzelwelle (Geradverzahnung, Eingriffswinkel 20◦ ) aus
St 70 (Abb. 9.30) bei 2 900 min−1 übertragen, wenn zweifache Sicherheit gegen
Dauerbruch verlangt ist? Das Drehmoment wird durch die Umfangskraft Fu abge-
geben, die Drehrichtung ist ständig gleich bleibend. Die Hohlkehlen sind poliert.
Lösung 9.18
Die größte Beanspruchung tritt im Übergang von 16 auf 20 mm auf. Die Biegebeanspruchung
ist wechselnd, die Torsionsbeanspruchung kann wegen der ständig gleichen Drehrichtung als ru-
hend (oder bei häufigem An- und Abschalten schwellend) angesehen werden. Unter Verwen-
dung der GE-Hypothese rechnen wir mit dem Ansatz MV /Wb  σzul . Die zulässige Span-
nung berechnen wir aus Gl. (9.68). Dem Taschenbuch [22] entnehmen wir für t/ρ = 2 und
a/ρ = 8 die Formzahl bei Biegung αk = 2. Mit ηk = 0, 6 erhalten wir die Kerbwirkungszahl
βk = 1 + (αk − 1)ηk = 1, 6. Für E360 ist die Biegewechselfestigkeit σbW = 320 N/mm2 . Bei
16 mm Durchmesser ist b0 = 0, 95 (Abb. 4.37). Somit ergibt sich aus Gl. (9.68)

Fu

1r
∅16
∅40
∅20

16
Abb. 9.30 Ritzelwelle
310 9 Zusammengesetzte Beanspruchung

320 N/mm2 · 0, 95
σzul = = 95 N/mm2 .
1 · 1, 6 · 2
Mit
Fu Wp
Mb = · 1,6 cm = Fu · 1,7 cm, Mt = Fu · 2 cm, κ= =2
cos 20◦ Wb
und
σbW 320 N/mm2
α0 = =√ = 0, 71 (τF = τSch = 260 N/mm2 )
ϕτF 3 · 260 N/mm2
ist das Vergleichsmoment

 2
0, 71 · 2
M V = Fu 1, 72 + 3 cm = Fu · 2,1 cm
2

Mit Wb = 402 mm3 erhält man aus MV = Wb σzul die Umfangkraft

402 mm3 · 95 N/mm2


Fu = = 1,82 · 103 N .
21 mm
Schließlich ergibt sich aus der Gleichung P = Mt ω die Leistung

2900 −1
P = 1,82 · 103 N · 20 mm · 2π s = 11,1 · 106 Nmms−1 = 11,1 · 103 Nms−1 = 11,1 kW .
60

9.5 Aufgaben zu Kapitel 9

9.5.1 Aufgaben zu Abschnitt 9.1

Aufgabe 9.1 (Winkelstahl). Der ungleichschenklige Winkelstahl 200 × 100 × 10


nach DIN 1 029 (Abb. 9.31) ist durch die Zugkraft F = 60 kN belastet. Die Wir-
kungslinie der Kraft liegt in der Ecke A. Zu berechnen sind die Lage der Nulllinie
sowie die größte Zug- und Druckspannung; wo treten diese auf?

F
A B

Abb. 9.31 Ungleichschenkliger


Winkelstahl mit exzentrischer
Zugkraft F C
9.5 Aufgaben zu Kapitel 9 311

Aufgabe 9.2. Maximale Spannungen in einem Hebel Der Hebel (Abb. 9.32) ist
durch die Last F = 10 kN belastet. Zu berechnen sind die Lage der Nulllinie und

Schnitt AB
10 A

Fx

40
y Mby x

20 ◦

25
z B F
Abb. 9.32 Hebel mit Zug-
125
kraft F

die größten Spannungen im Einspannquerschnitt.

Aufgabe 9.3 (Spurzapfen). Der Spurzapfen einer senkrecht stehenden Welle ist
durch die vertikale Lagerkraft Fx = 80 kN und durch die horizontale Lagerkraft
Fz = 60 kN belastet (Abb. 9.33). Für die zulässige Spannung σzul = 110 N/mm2
ist der Durchmesser d des Zapfens zu berechnen. Wie groß sind die Druck- und
Biegespannungen im Übergangsquerschnitt auf den größeren Durchmesser (ohne
Berücksichtigung der Kerbwirkung)?

a)
Fx

x
1, 2d

Fz

d
b)
Fz Fx
z
Abb. 9.33 Spurzapfen
a) Ansicht
b) Schnitt y

Aufgabe 9.4 (Gebogener Träger). Der zu einem Viertelkreis gebogene Träger mit
Kreisquerschnitt (Durchmesser d) ist durch die Last F belastet (Abb. 9.34). Der
Querschnittsfaktor Z, die Lage der Nulllinie und die Randspannungen sind zu be-
rechnen (r0 = d, r = r0 ). Die Spannungsverteilung ist in Abhängigkeit von z zu
312 9 Zusammengesetzte Beanspruchung

F
a) r

r0
ϕ

b) y c)
Abb. 9.34 Viertelkreisbogenträger
a) Ansicht

b(z)
b) Einspannquerschnitt mit S

d
Zugkraft F und Biegemoment z z
Mby F
c) Zerlegung der Kreisfläche Mby = −Fr0
in Flächenstreifen dz z

zeichnen und mit der linearen Spannung zu vergleichen.


Anleitung: In Z = λr20 A ist


d/2
1 z
λ=− 2 dA .
πd /4 r0 + z
−d/2

Mit dA = b(z)dz, z = (d/2) sin ϕ, b(z) = d cos ϕ, dz = (d/2) cos ϕdϕ, d/2r0 = a
und cos2 ϕ = 1 − sin2 ϕ erhält man (Abb. 9.34 c)


π/2
2 a sin3 ϕ − a sin ϕ
λ= dϕ .
π a sin ϕ + 1
−π/2

Man dividiere den Zähler durch den Nenner. Neben Grundintegralen erhält man das
Integral 
1
dϕ = I .
a sin ϕ + 1
Die allgemeine Lösung lautet

2 tan(ϕ/2) + a
I= √ arctan √ .
1−a 2 1 − a2
9.5 Aufgaben zu Kapitel 9 313

9.5.2 Aufgaben zu Abschnitt 9.2

Aufgabe 9.5 (Dünnwandiges Rohr). Ein dünnwandiges Rohr steht unter der Wir-
kung des Innendrucks pi , des Biegemoments Mb und des Drehmoments Mt . Die
folgenden Spannungen sind berechnet worden:

σl = 25 N/mm2 , σt = 50 N/mm2 , σb = ±25 N/mm2 , τ = 50 N/mm2 .

Man ermittle jeweils Größe und Richtung der Hauptspannungen je auf der maxima-
len Zugbiegeseite und Druckbiegeseite. Wie ändern sich die Werte, wenn entweder
σb = 0 oder τ = 0 ist?

Aufgabe 9.6 (Hauptspannunge, maximale Schubspannungen). Ein auf Abb. 9.35


dargestellte Quader ist durch die Kräfte Fn1 , Fn2 , Ft1 und Ft2 gleichmäßig über die
Seitenflächen belastet. Zu ermitteln sind die Hauptspannungen, die größten Schub-
spannungen und deren Richtungen.

Fn2 = 36 kN

Ft2 = 72 kN
10

Ft1 = 120 kN
60

Fn1 y
100

Fn1 = 120 kN
Ft1

Ft2
Fn2
Abb. 9.35 Entlang der Sei-
tenflächen belasteter Quader

9.5.3 Aufgaben zu Abschnitt 9.3

Aufgabe 9.7 (Hauptdehnungen). Für die in den Aufgaben 9.5 und 9.6 angegebe-
nen Belastungsfälle sind die Hauptdehnungen zu berechnen, E = 2 · 105 N/mm2 ,
ν = 0, 3.
314 9 Zusammengesetzte Beanspruchung

Aufgabe 9.8 (Hauptspannungen). Wie lauten die Gl. (9.57), wenn


a) σ1 = σ2 = σ (Spannungszustand in einer Hohlkugel),
b) σ1 = τ, σ2 = −τ (reine Schubbeanspruchung, Torsion) und
c) σ1 = 2σ2 (dünnwandiger Hohlzylinder unter Innen- oder Außendruck)
ist?
Aufgabe 9.9 (Rohrförmiger Träger). Ein rohrförmiger Träger (Abb. 9.36) aus
Stahl (E = 2 · 105 N/mm2 , ν = 0, 3) ist einer unbekannten Kraftwirkung ausge-
setzt, Außendurchmesser des Rohres da = 100 mm, Innendurchmesser da = 50 mm.
An zwei gegenüberliegenden Stellen und auf der Oberfläche (durch Vorversuche als
die höchstbeanspruchten Stellen gefunden) sind die Dehnungen in drei Richtungen
gemessen
A: εa = 46,5 · 10−5 , εb = −12 · 10−5 , εc = −18,5 · 10−5 ,
B: εa = 18,5 · 10−5 , εb = 12 · 10−5 , εc = −46,5 · 10−5 .
Zu berechnen sind Größe und Richtung der Hauptspannungen sowie Normal- und
Schubspannungen in x- und y-Richtung. Durch welche Kräfte oder Momente ist der
Träger beansprucht?

y
b
a
c

D di C
da

C
45 ◦

x
Abb. 9.36 Träger mit Rohr-
querschnitt, A und B Deh-
nungsmessstellen

Aufgabe 9.10 (Taucherkugel). Die aus vergütetem Edelstahl (E = 2,1·105 N/mm2 ,


ν = 0, 3) gefertigte Taucherkugel mit einem Außendurchmesser 2 180 mm und
einer Wanddicke 120 mm befindet sich in 11 500 m Wassertiefe. Wie groß sind die
Spannung und die Durchmesseränderung?
Aufgabe 9.11 (Zylindrischer Kunststoffbehälter). An einem zylindrischen Kunst-
stoffbehälter wurde bei einer Innendruckprobe die Vergrößerung des Außendurch-
messers da = 105 mm um dda = 0,408 mm gemessen, Wanddicke t = 1,25 mm,
E = 3,5 · 103 N/mm2 , ν = 0, 3. Zu berechnen sind die Spannungen σt und σl sowie
der Innendruck pi .

9.5.4 Aufgaben zu Abschnitt 9.4

Aufgabe 9.12 (Vergleichsspannungen). Für die in Aufgabe 9.5 und 9.6 angegebe-
nen Belastungsfälle ermittle man die Vergleichsspannungen nach den drei Hypothe-
sen.
9.5 Aufgaben zu Kapitel 9 315

Abb. 9.37 Rechteckquerschnitt 10


eines Balkens mit Schnitt-
größen

M
Mby t
1

40
y

5
8, 75
2

Mbz

12, 5
3
4

5 6 7
z 2, 5

Aufgabe 9.13 (Biegebalken). Der Rechteckquerschnitt eines Balkens (Abb. 9.37)


ist durch die Biegemomente Mbz = 45 Nm und Mby = 192 Nm sowie durch das
Drehmoment Mt = 78 Nm beansprucht. In den angegebenen Querschnittpunkten
1 . . . 7 sind die Vergleichsspannungen nach der Schubspannungs-Hypothese zu er-
mitteln.
Aufgabe 9.14 (Rundstab). Ein Rundstab aus AlCuNi (Durchmesser 40 mm) ist
durch das Drehmoment Mt beansprucht. An der Oberfläche wurde die Dehnung
unter 45◦ zur Längsrichtung ε45◦ = 0, 122% gemessen worden. Durch welche Zug-
spannung kann der Stab zusätzlich noch beansprucht werden, wenn 1,5fache Si-
cherheit gegen Fließen gewährleistet sein soll? Wie groß sind dann Zugkraft und
Drehmoment? Größe und Richtung der Hauptspannungen und der Hauptdehnungen
für diesen Fall sind zu berechnen. Gegeben sind E = 7,3 · 104 N/mm2 , ν = 0, 35 und
Rp0,2 = 270 N/mm2 .
Aufgabe 9.15 (Getriebezwischenwelle). Die Getriebezwischenwelle (Abb. 9.38)
mit dem Nenndurchmesser 50 mm ist in Höhe der Teilkreise der Zahnräder durch die
Umfangskräfte Fu1 = 7 kN und Fu1 = 17,5 kN belastet (die Radialkomponenten der
Zahnkräfte sind in der Rechnung zu vernachlässigen). Die Drehrichtung der Welle
wechselt ständig. Die Sicherheit gegen Dauerbruch ist zu ermitteln. Im gefährdeten
Querschnitt ist mit der Formzahl αk = 2, 5 zu rechnen, ok = 1, 2. Wellenwerkstoff
34 CrMo 4 mit σbW = 400 N/mm2 und ηk = 0, 7.
Aufgabe 9.16 (Leistungsübertragung). Welche Leistung kann die Ritzelwelle (Ge-
radverzahnung) aus E360 (Abb. 9.39) bei einer Drehzahl von 1 450 min−1 und zwei-
facher Sicherheit gegen Dauerbruch übertragen? Das Drehmoment wird durch die
Umfangskraft Fu abgegeben, die Drehrichtung ist ständig gleich bleibend, die Hohl-
kehle (αk = 2, 1) ist poliert. Gegeben ist für E360

σbW = 320 N/mm2 , τtF = 260 N/mm2

sowie ηk = 0, 6; für ∅ 44 ist b0 = 0, 75.


316 9 Zusammengesetzte Beanspruchung

Fu1

60

80

80

200
Fu2

80
y x
Abb. 9.38 Schematisch ge-
zeichnete Getriebewelle z

Fu

70

∅300
∅44

Abb. 9.39 Ritzelwelle

Aufgabe 9.17 (Kugelkessel). Ein geschweißter Kugelkessel mit da = 1 200 mm,


s = 6 mm (Werkstoff S275JR mit ν = 0, 3, σzSch = 240 N/mm2 , βk = 1, 6) weitet
sich bei pulsierendem Druckbetrieb um den Betrag Δda = 0,3 mm auf. Zu berech-
nen sind
a) die Spannungen in dem Kessel,
b) die Sicherheit gegen Dauerbruch,
c) der wirkende Höchstdruck pi .
9.6 Formelzusammenfassung Kapitel 9 317

Aufgabe 9.18 (Stahlwelle). Eine Stahlwelle (d = 20 mm, σbW(∅ 20) = 240 N/mm2 ,
E = 2,1 · 105 N/mm2 , ν = 0, 3) ist wechselnd durch das Drehmoment Mt bean-
sprucht. Über Dehnmessstreifen misst man dabei an der Oberfläche die maximale
Dehnung ε45◦ = 0, 034%.
a) Aus der gemessenen Dehnung errechne man Spannung τt und Drehmoment Mt .
b) Welches zusätzliche wechselnde Biegemoment Mb kann die Welle bei 2facher
Sicherheit gegen Dauerbruch ertragen?
c) Für diesen Fall ermittle man die Hauptspannungen auf der Zugbiegeseite und er-
rechne die Hauptdehnungen. In welcher Richtung gegen die Längsachse müssen
Dehnmessstreifen angebracht sein, um die Hauptdehnungen zu erfassen?

9.6 Formelzusammenfassung Kapitel 9

• Spannungen in beliebigen Schnittrichtungen


σx + σy σy − σx
σϕ = + cos 2ϕ − τ sin2ϕ,
2 2
σy − σx
τϕ = sin 2ϕ + τ cosϕ,
2
• Hauptspannungen beim ebenen Spannungszustand

 
σx + σy σy − σx 2
σ1,2 = ± + 4τ2,
2 τ

• Dehnungen im Falle des ebene Spannungszustandes


1 1
εx = (σx − νσy ), εy = (σy − νσx ),
E E
• Querkontraktion in der spannungsfreien Richtung
ν
εz = − (σx + σy ),
E
• Auflösung nach den Spannungen

E E
σx = (εx + νεy ), σy = (εy + νεx ),
1 − ν2 1 − ν2
• Volumenänderung
ΔV 1
= (1 − 2ν)(σ1 + σ2 ),
V E
318 9 Zusammengesetzte Beanspruchung

• Hypothese der größten Hauptspannung

σV(N) = σmax = σ1  σzul ,

• Hypothese der größten Schubspannung

σV(Sch) = 2τmax = σ1 − σ3  σzul ,

• Hypothese der größten Gestaltänderungsenergie



1
σV(GE) = [(σ1 − σ2 )2 + (σ1 − σ3 )2 + (σ2 − σ3 )2 ]  σzul ,
2
Kapitel 10
Knicken und Beulen

10.1 Euler’sche Knickkraft

Das einfachste Beispiel des Stabilitätsverlustes ist der durch eine Druckkraft bean-
spruchte Stab. Dabei wird untersucht, bei welcher kritischen Kraft ein Druckstab
ausknickt, d. h. eine Verformung erfährt, die nur vom Biegebalken bekannt ist.

10.1.1 Außermittiger Kraftangriff

Durch Zugkräfte beanspruchte Stäbe können ihre Funktion als Trag- oder Verbin-
dungselemente erfüllen, solange die Spannung σz = F/A die Streckgrenze nicht
überschreitet. Lange Stäbe, die durch Druckkräfte belastet sind, zeigen dagegen ein
anderes Verhalten. Schon bevor die Druckspannung σd = F/A die Quetschgrenze
erreicht, können auch bei mittiger Druckkraft plötzlich große seitliche Ausbiegun-
gen auftreten, durch die eine Funktionsfähigkeit nicht mehr gewährleistet ist. Man
spricht dann vom Knicken des Bauteils. Die Kraft, bei der diese Erscheinung ein-
tritt, heißt Knickkraft FK . Wir wollen zunächst das Verhalten von Druckstäben bei
außermittigem Kraftangriff untersuchen, weil sich in der Praxis auch bei planmäßig
mittig gedrückten Stäben eine geringe Exzentrizität nicht vermeiden lässt.
An einem beiderseits gelenkig und quer zur Stabrichtung unverschieblich gela-
gerten Stab, dessen Querabmessungen klein gegen seine Länge sind (Abb. 10.1 a),
werden die Gleichgewichtsbedingungen bei einer mit der Exzentrizität e angreifen-
den Druckkraft F untersucht. Dabei muss man die Durchbiegung w(x) im Ansatz
der Momente berücksichtigen, weil man aus der Voraussetzung eines geraden Sta-
bes keine Aussagen für einen gebogenen Stab herleiten kann. Der Stab wird also im
bereits ausgebogenen Zustand untersucht (Abb. 10.1 b).
Der Hebelarm der exzentrischen Druckkraft beträgt w(x) + e. Bei Gleichgewicht
der Momente am gedanklich abgetrennten Teilkörper um die zur Zeichenebene
senkrechte y-Achse durch den Schwerpunkt des Querschnittes gilt (Abb. 10.1 c)

319

G. Holzmann et al., Technische Mechanik Festigkeitslehre, DOI 10.1007/978-3-8348-8101-4_10,


© Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
320 10 Knicken und Beulen

a) b)

e
F F F x F

l
w

w(x)
c)
F x e

Mby
F
w

Abb. 10.1 Druckstab mit außermittiger Belastung


a) gerader Stab
b) stark durchgebogener Stab
c) Kräfte und Momente am Teilstab

Mby − F(w + e) = 0 . (10.1)

Biegemoment Mby und Durchbiegung w(x) sind außerdem durch die Beziehung

Mby w 
=− (10.2)
EIy (1 + w 2 )3/2

(s. Abschnitt 5.2) verknüpft. Bei kleiner Durchbiegung, die zu Beginn des Knickvor-
ganges noch vorausgesetzt werden kann, darf w 2 gegen 1 vernachlässigt werden,
so dass Mby = − EIy w  ist. Diesen Wert setzt man in Gl. (10.1) ein und erhält

F
w  + (w + e) = 0 . (10.3)
EIy

Führt man die neue Variable u(x) = w(x) + e ein, ist u  = w  , und Gl. (10.3) geht
in
F
u  + u=0 (10.4)
EIy
über. Zur Abkürzung wollen wir die Bezeichnung

F
κ= (10.5)
EIy

einführen. Die Gl. (10.4) hat damit die Lösung (s. [11])

u = C1 sin κx + C2 cos κx ⇒ w = u − e = C1 sin κx + C2 cos κx − e . (10.6)

Als Randbedingungen gelten w = 0 für x = 0 und x = l

0 = C2 − e, 0 = C1 sin κl + C2 cos κl − e .

Aus diesen Bestimmungsgleichungen für die Integrationskonstanten erhält man


10.1 Euler’sche Knickkraft 321

1 − cosκl κl
C2 = e, C1 = e = e tan
sin κl 2
und damit die Gleichung für die Biegelinie
 
κl
w(x) = e tan sin κx + cosκx − 1 . (10.7)
2

Mit
 
κl κl l
κl sin sin κx + cos cos κx cos κ 2 − x
tan sin κx + cosκx = 2 2 =
2 κl κl
cos cos
2 2
erhält man ⎡   ⎤
l
⎢ cosκ − x ⎥
2
w(x) = e ⎢
⎣ − 1⎥
⎦. (10.8)
κl
cos
2
Die maximale Durchbiegung des Stabes tritt wegen Symmetrie in der Mitte bei
x = l/2 auf ⎛ ⎞
⎜ 1 ⎟
wmax = e ⎝ − 1⎠ . (10.9)
κl
cos
2
Aus Gl. (10.9) ist ersichtlich, dass die Durchbiegung w sehr groß wird, wenn der
Kosinus gegen Null geht, d. h., wenn das Argument des Kosinus gegen π/2 geht.
Dabei spielt die Größe der Exzentrizität keine Rolle, sie kann noch so gering sein.
Das Knicken tritt also auch bei planmäßig mittig gedrückten Stäben ein, wenn
κl/2 = π/2 ist. Dann ist mit Gl. (10.5)

π2 EIy
F = FK = . (10.10)
l2
Diese Kraft wurde von E ULER1 eingeführt und heißt E ULERsche Knickkraft.
in Gl. (10.9) den Ausdruck κl/2 mit Hilfe der Gln. (10.10) und
Ersetzt man
(10.5) durch F/FK π/2 und trägt wmax über F/FK auf (Abb. 10.2), sieht man, dass
der Übergang von kleinen zu großen Durchbiegungen um so plötzlicher erfolgt, je
kleiner die Exzentrizität e ist.
Der Zusammenhang zwischen Durchbiegung und Kraft ist eindeutig, solange
e = 0 ist. Das Gleichgewicht ist stabil. Bei e = 0 ergibt sich ein unbestimmter

1 L EONHARD E ULER (∗ 15. April 1707 in Basel; † 7. September (jul.)/ 18. September 1783 (greg.)
in Sankt Petersburg), Mathematiker, Summenzeichen, Variationsrechnung, Differential- und Inte-
gralrechnung, Hydromechanik, Stabilitätstheorie
322 10 Knicken und Beulen

Abb. 10.2 Durchbiegung in 10


Abhängigkeit von der Kraft
für verschiedene Exzentrizi-
täten
8

m
2m
6

1 mm

0,1 mm
e=
4

wmax in mm

0 0, 2 0, 4 0, 6 0, 8 1, 0
bezogene Druckkraft F/FK

Ausdruck (0/0) für w, wenn F/FK = 1 ist. Bei Erreichen der Knickkraft sind belie-
bige Durchbiegungen möglich, die Gleichgewichtslage ist indifferent.
Der Bruch erfolgt wegen Überschreitens der Bruchspannung durch die Stabspan-
nung, die man nach Abschnitt 9.1.1 aus Biegespannung und Druckspannung über-
lagert

Mmax F F(wmax + e) F Fe F
σmax = + = + = + . (10.11)
Wb A Wb A κl A
Wb cos
2
Auch die maximale Spannung wird unabhängig von der Größe der Exzentrizität
größer als die Bruchspannung, wenn die Druckkraft sich der E ULERkraft nähert.
Bei größerer Exzentrizität erreicht die Spannung allerdings schon weit unterhalb
der Knickspannung unzulässig hohe Beträge. Deshalb wird bei planmäßig mittig
gedrückten Stäben, bei denen man geringe Exzentrizitäten nicht ausschließen oder
schätzen kann, mit hohen Sicherheitsfaktoren gerechnet, damit die Unsicherheiten
bezüglich des Kraftangriffs überdeckt werden.

10.1.2 Mittiger Kraftangriff

Setzt man in der Differentialgleichung (10.3) die Exzentrizität e = 0 (Abb. 10.3),


lautet die Lösung
w = C1 sin κx + C2 cos κx . (10.12)
10.1 Euler’sche Knickkraft 323

Abb. 10.3 Planmäßig mittig a)


gedrückter Stab mit gelenkig F
geführten Enden
a) gerader Stab
b) durchgebogener Stab
b)

w
FK x FK

w
l

Bei gelenkig geführten Enden ist die Randbedingung w(0) = 0 durch C2 = 0 zu


befriedigen. Die Randbedingung w(l) = 0 kann nur durch

F
C1 = 0 oder l = nπ
EIy

erfüllt werden. Die Bedingung C1 = 0 beschreibt die Gleichgewichtslage bei gera-


dem Stab, die hier nicht interessiert. Die zweite Bedingung kann bei vorgegebenen
Stababmessungen nur für einzelne bestimmte Beträge der Kraft, die Knickkräfte

π2 EIy
FK = n2 , (10.13)
l2
erfüllt werden (n ganzzahlig).
Die Tragfähigkeit eines Stabes ist erschöpft, wenn die Belastung gleich der
kleinsten der nach Gl. (10.15) möglichen Kräfte ist (n = 1). Diese kleinste Kraft
nennt man im engeren Sinne die E ULER’sche Knickkraft

π2 EIy
FK = . (10.14)
l2
Die für größere n möglichen Knickkräfte sind für den Ingenieur uninteressant, weil
der nur wissen möchte, bis zu welcher Kraft der Stab nicht knickt. Die Biegelinie
ist eine Sinuslinie (Abb. 10.3 b), die durch die Gleichung

w = C1 sin κx (10.15)

beschrieben wird. Darin ist C1 unbestimmt.


Bei der Herleitung der Gl. (10.14) waren wir davon ausgegangen, dass der Druck-
stab nur in der Zeichenebene, also senkrecht zur y-Achse des Stabquerschnittes,
ausbiegen kann. Bei einem räumlich (z. B. in einer Kugelpfanne) gelagerten Stab
ist jedoch ein Ausknicken in jeder Ebene möglich, die die x-Achse enthält. Bei
gleicher Stablänge erhält man die kleinste Knickkraft für das Ausknicken senk-
recht zur Querschnittsachse mit dem kleinsten Flächenmoment I2 = Imin (s. Ab-
324 10 Knicken und Beulen

schnitt 4.1.3.3), wenn nicht durch konstruktive Maßnahmen die Biegeebene vorge-
geben ist.

10.1.3 Knicksicherheit

In einem Bauteil soll eine gewisse Sicherheit gegen Ausknicken vorhanden sein. Die
zulässige Druckkraft muss deshalb kleiner als die Knickkraft sein. Der Quotient aus
Knickkraft FK und vorhandener Kraft F heißt Knicksicherheit
FK
SK = .
F
Damit ergibt sich die zulässige Druckkraft

FK π2 EImin
Fzul = = . (10.16)
SK SK l2
Beispiel 10.1 (Betätigungsstange).
Eine beiderseits gelenkig geführte Betätigungsstange aus Stahl mit dem Elastizitäts-
modul E = 2,1 · 105 N/mm2 hat 8 mm Durchmesser und 400 mm Länge. Wie groß
ist die Knickkraft? Wie groß ist die zulässige Belastung bei einer Knicksicherheit
SK = 3, 5?
Lösung 10.1
Das Flächenmoment 2. Ordnung beträgt

πd4 π · (8 mm)4
Ia = = = 201 mm4 .
64 64
Damit wird
π2 · 2,1 · 105 N/mm2 · 201 mm4
FK = = 2,6 · 103 N .
(400 mm)2
Man dividiert durch den Sicherheitsfaktor und erhält die zulässige Belastung

FK 2,6 · 103 N
Fzul = = = 744 N .
SK 3, 5

Beispiel 10.2 (Gelenkig gelagerter Stab).


Wie lang darf ein gelenkig gelagerter Stab aus Winkelstahl 60 × 40 × 5 (DIN 1 029)
ohne vorgegebene Biegeebene höchstens sein, wenn er bei einer Knicksicherheit
von SK = 3 mit einer Druckkraft F = 5 kN belastet wird? Wie groß ist die Druck-
spannung?
Lösung 10.2
Der entsprechenden Tabelle aus [22] entnimmt man A = 479 mm2 und Imin = Iη = 3,5·104 mm4 .
Damit wird
π2 EImin
S K F  FK =
l2
und
10.1 Euler’sche Knickkraft 325

π2 EImin π2 · 2,1 · 105 N/mm2 · 3,5 · 104 mm4


l2  = ⇒ l  2 200 mm .
SK F 3 · 5 · 103 N
Die Spannung beträgt σ = F/A = 5 · 103 N/479 mm2 = 10,4 N/mm2 .

Beispiel 10.3 (Druckstab).


Der Druckstab eines Kranauslegers mit U-Profil (DIN 1 026) aus Stahl soll bei der
Länge 4 m die Druckkraft 30 kN bei einer Knicksicherheit SK = 3, 5 übertragen. Die
Enden sind gelenkig gelagert, und das Knicken um die Achse mit dem kleinsten
Flächenmoment (z-Achse) ist durch seitliche Anschlüsse nicht möglich. Welches
Profil ist zu wählen?
Lösung 10.3
Die Knickkraft muss mindestens das 3, 5fache der größten Kraft während des Betriebs betragen

π2 EIy l2 SK F (4 · 103 mm)2 · 3, 5 · 3 · 104 N


S K F  FK = , Iy  = = 81 · 104 mm4 .
l2 π2 E π2 · 2,1 · 105 N/mm2

Man wählt das Profil U 80 mit Iy = 106 · 104 mm4 (in den Tabellen Ix [22]).

10.1.4 Andere Randbedingungen

Bei der Herleitung der E ULER’schen Knickkraft im Abschnitt 10.1.2 war ange-
nommen worden, dass die Enden des Druckstabes gelenkig gelagert sind. Für
Druckstäbe mit anderen Randbedingungen (Abb. 10.4) kann man ebenfalls Diffe-
rentialgleichungen aufstellen und die Knickkräfte berechnen (s. [11]). Die Kräfte
kann man sich veranschaulichen, wenn man die hier gezeigten Biegelinien mit der
Biegelinie in Abb. 10.4 a) (Sinuslinie) des gelenkig gelagerten Stabes vergleicht. An
den Wendepunkten der Biegelinie mit w  = 0 ist nämlich wegen Gl. (10.2) auch
M = 0, bezüglich der Biegelinien liegen also die gleichen Bedingungen zwischen
den Wendepunkten wie für den beiderseits gelenkig gelagerten Stab vor. Wenn die
Längskräfte im Stab konstant sind, muss also

π2 EI
FK = (10.17)
l2K

gelten, wobei lK , die Knicklänge, der Abstand zwischen den Wendepunkten der
Biegelinie ist.
Für den beidseitig gelenkig gelagerten Stab ist also lK = l. Für den einseitig
eingespannten und auf der anderen Seite freien Stab ist lK = 2l (Abb. 10.4 b), für
den beidseitig eingespannten Stab ist lK = l/2 (Abb. 10.4 c). Der am einen Ende
eingespannte und am anderen Ende gelenkig geführte Stab (Abb. 10.4 d) hat eine
Knicklänge lK = 0, 7l, die sich aus der Bedingung w  (0) = 0 (M = 0) aus der
Gleichung der Biegelinie errechnen lässt.
In der Praxis kann man die Randbedingungen nur selten einem der vier ideali-
sierten Knickfälle (Abb. 10.4) zuordnen. Häufig liegt elastische Einspannung auf
326 10 Knicken und Beulen

l = lK
FK FK a) π2 EI π2 EI
FK = =
l2K l2

lK
l
FK b) π2 EI 1 π2 EI
FK = =
ME (2l)2 4 l2
FK

l
FK lK FK
π2 EI π2 EI
c) FK = =4 2
(l/2)2 l
ME ME
l

Q
FK
FK EI π2 EI π2 EI
d)FK = 20, 2 ≈ ≈2 2
l2 (0, 7l)2 l
ME
Q lK

Abb. 10.4 Zur Definition der Knicklänge


a) beide Enden gelenkig geführt
b) ein Ende eingespannt, ein Ende frei
c) beide Enden eingespannt
d) ein Ende eingespannt, ein Ende gelenkig geführt

beiden Seiten vor, wie z. B. bei den Stäben eines Fachwerks, die zwar bei der Er-
mittlung der Stabkräfte als gelenkig gelagert angenommen werden, in Wirklichkeit
jedoch durch Knotenbleche mit mehreren Stäben des Fachwerks verbunden sind.
Weil diese Stäbe deformierbar sind, kann die Lage der Einspanntangente nicht er-
halten bleiben. Damit ist die Bedingung starrer Einspannung nicht erfüllt. Der Ein-
spanngrad hängt beim Knicken in der Fachwerkebene von der Biegesteifigkeit (Abb.
10.5 a) und bei Knicken aus der Ebene heraus überdies von der Torsionssteifigkeit
der Nachbarstäbe ab (Abb. 10.5 b). Deshalb liegt die Knicklänge zwischen lK = l
für den Gelenkstab und lK = l/2 für den starr eingespannten Stab. Greifen nur
Druckstäbe vergleichbarer Biegesteifigkeit an einem Knotenpunkt an (Abb. 10.5 c),
ist eine Verdrehung des Knotenpunktes bei Knicken aller Stäbe möglich und damit
keine gegenseitige Einspannung vorhanden. Man setzt also lK = l.
Beispiel 10.4 (Hochdruckgasbehälter).
Ein Hochdruckgasbehälter (Abb. 10.6) mit der Gewichtskraft FG = 4 600 kN ist auf
24 Stahlrohrstützen von 8 m Länge gelagert, die mit der Vertikale einen Winkel
α = 10◦ bilden. Die Rohre haben eine Wanddicke t = 0, 1 dm . Wie groß ist der
Durchmesser bei einer Knicksicherheit SK = 5 zu wählen?
10.1 Euler’sche Knickkraft 327

a) b) c)
lK
l
FK FK FK FK
l
lK
Mt Mt
Mb Mb

Abb. 10.5 Knicken im Verband


a) elastische Einspannung durch Biegestäbe
b) elastische Einspannung durch Torsionsstäbe
c) Knotenpunkt mit vier Druckstäben

Lösung 10.4
Die Belastung einer Stütze wird aus dem Gleichgewicht der senkrechten Kräfte berechnet

Fy = 0 = FG − 24F cos α,

FG 4 600 kN
F= = = 195 kN .
24 cos α 24 cos 10◦
Die Stäbe sind am Behälter an Verstärkungsblechen (Pratzenblechen) verschweißt und damit ein-
gespannt, am Boden gelenkig gelagert. Man darf aber nicht die in Abb. 10.4 d) gezeigten Randbe-
dingungen ansetzen, weil die Endpunkte des Trägers nicht unverschieblich gegeneinander gelagert
sind. Die mögliche seitliche Verschiebung des Behälters gegen den Boden kann vom Behälter aus
als Verschiebung der Fußpunkte angesehen werden, so dass man die in Abb. 10.4 b) gezeigten
Randbedingungen zugrunde legen muss. Es ist also lK = 2l = 16 m und

π2 EIa SK F4l2 5 · 195 · 103 N · 4 · (8 000 mm)2


SK F  , Ia  = = 1,20 · 108 mm4 .
(2l)2 π2 E π2 · 2,1 · 105 N/mm2

Der Tabelle 4.1 entnimmt man für kleine Wanddicken das Flächenmoment Ia

π 3 π 1,2 · 108 mm4 · 8


Ia = d t = · 0, 1 d4m  1,2 · 108 mm4 , d4m  = 30,6 · 108 mm4 ,
8 m 8 0, 1π
8m

10 ◦

Abb. 10.6 Kugelbehälter


328 10 Knicken und Beulen

dm  235 mm, t  24 mm .
Gewählt wird da = dm + t = 1, 1 dm ≈ 260 mm.

Beispiel 10.5 (Fachwerkstab).


Ein Fachwerkstab mit U-Profil (DIN 1 026) aus Stahl ist vier Meter lang und soll
die Kraft F = 38 kN bei 3,5facher Knicksicherheit übertragen. Die größte Quer-
schnittabmessung (z-Achse) liegt in der Fachwerkebene, die y-Achse senkrecht da-
zu. Man bemesse den Stab
a) gegen Knicken in der Fachwerkebene mit lK = l,
b) dasselbe für lK = 0, 5l,
c) gegen Knicken senkrecht zur Fachwerkebene mit lK = 0, 7l.
Lösung 10.5
Die Knickkraft muss größer als 3, 5 · 38 kN = 133 kN sein: FK = π2 EIy /l2K  133 kN.
a)
FK l2K 133 · 103 N · (4 000 mm)2
Iy  = = 103 · 104 mm4 .
π2 E π2 · 2,1 · 105 N/mm2
Gewählt wird U 80 mit Iy = 106 · 104 mm4 .
b) Die Länge geht quadratisch in die Gleichung ein, also ist bei halber Länge

Iy  103 · 104 mm4 /4 = 25,8 · 104 mm4

erforderlich. Man wählt U 50 mit Iy = 26,4 · 104 mm.


c)
133 · 103 N · (0, 7 · 4 000 mm)2
Iz  = 50,3 · 104 mm4 .
π2 · 2,1 · 105 N/mm2
Hier wird U 140 mit Iz = 62,7 · 104 mm4 benötigt.

Beispiel 10.6 (Spiralbohrer).


Wie lang darf ein Spiralbohrer mit dem in Abb. 10.7 gezeigten Querschnitt maxi-
mal sein, wenn seine Knickkraft mindesten FK = 2 kN betragen soll? Gegeben sind
d = 2r = 10 mm, 2α = 90◦ .
Lösung 10.6
Das kleinste Flächenmoment 2. Ordnung für den vereinfachten Querschnitt (Abb. 10.7) beträgt
(Tabelle 4.1)
d4 (10 mm)4  π 
Iz = (2α − sin 2α) = − 1 = 89,2 mm4 .
64 64 2

a) b)
y


r

Abb. 10.7 Bohrerquerschnitt


z

a) wirkliche Form
b) vereinfachte Form
10.1 Euler’sche Knickkraft 329

Der Bohrer ist in der Maschine eingespannt und durch die Körnung des Werkstücks seitlich unver-
schieblich gelenkig gelagert. Es ist also lK = 0, 7 l zu setzen


EIz 2,1 · 105 N/mm2 · 89,2 mm4
lK = 0, 7l = π =π = 304 mm ⇒ l = 434 mm .
FK 2 · 103 N

Beispiel 10.7 (Spannung im Träger).


Man berechne mit Hilfe der Gl. (10.11) die Spannung im Träger U 140 aus Bei-
spiel 10.5 mit lK = 0, 7l = 2,8 m, wenn als Exzentrizität e = 20 mm angenommen
wird. Dieser Abstand entspricht ungefähr dem Abstand des Querschnittschwerpunk-
tes von der Mittelfläche des Anschlussknotenbleches.
Lösung 10.7
Mit den Angaben aus [22] gilt

A = 2,04 · 103 mm2 , I = 62,7 · 104 mm4 , Wb = 14,8 · 103 mm3 .

Beachtet man weiterhin e = 20 mm und F = 38 kN, ist zunächst



κlK F lK
= · = 0, 752 .
2 EI 2
Das entspricht einem Winkel 41, 2◦ . Aus Gl. (10.11)) ergibt sich dann

3,8 · 104 N 3,8 · 104 N · 20 mm


σmax = +
2,04 · 103 mm2 14,8 · 103 mm3 · cos 41, 2◦
= 18,6 N/mm2 + 68,3 N/mm2 = 87 N/mm2 .

Man sieht hier den großen Einfluss der Exzentrizität auf die Maximalspannung. Der Konstrukteur
darf diesen Gesichtspunkt bei außermittigen Anschlüssen nicht außer Betracht lassen.

10.1.5 Knicken bei behinderter Wärmedehnung

Das Knicken eines Stabes kann außer durch äußere Druckbelastung auch durch be-
hinderte Wärmedehnung hervorgerufen werden (s. Abschnitt 2.4.4). Nach Gl. (2.28)
verlängert sich ein Stab bei einer Temperaturerhöhung Δϑ um

Δl = lεϑ = l αϑ Δϑ

mit dem vom Material abhängigen linearen Wärmeausdehnungskoeffizienten αϑ .


Will man den erwärmten Stab nun zwischen zwei Festlagern einzwängen, muss
die thermische Verlängerung durch eine Druckkraft, die von den Lagern auf den
Stab ausgeübt wird, rückgängig gemacht werden. Die Lagerkraft F bewirkt nach
Gl. (2.12) eine Verkürzung (Abb. 10.8)

Fl
Δl = .
EA
Hierin ist E der Elastizitätsmodul, A der Stabquerschnitt und l die Stablänge. Diese
330 10 Knicken und Beulen

Abb. 10.8 Wärmedehnung a) l Δl


a) freie Wärmedehnung
b) behinderte Wärmedehnung

b)

elastische Verkürzung muss gleich der thermischen Verlängerung sein, wenn der
Stab zwischen die Festlager passen“ soll

Fl
= l αϑ Δϑ
EA
oder
F = EA αϑ Δϑ . (10.18)
Diese Kraft muss kleiner als die E ULER’sche Knickkraft sein, wenn der Stab nicht
knicken soll. Bei gelenkig angenommenen Stabenden gilt also die Bedingung

π2 EI
EA αϑ Δϑ < .
l2
Bei vorgegebenen Abmessungen und Temperaturgrößen kann somit die zulässige
Länge bestimmt werden

π2 I π 2 i2 πi
l2 < = ⇒ l< √ . (10.19)
A αϑ Δϑ αϑ Δϑ αϑ Δϑ
Die an der Knickgrenze auftretende Druckspannung in dem Rohr ergibt sich aus
Gl. (10.18). Sie ist von der Querschnittsabmessung A unabhängig

F
σ= = E αϑ Δϑ . (10.20)
A
Beispiel 10.8 (Heizungsrohr).
Ein Heizungsrohr aus Stahl mit d = 200 mm Durchmesser und t = 4 mm Wanddicke
wird um dϑ = 80 K erwärmt. Bei welchem Lagerabstand kann das Rohr knicken?
Der lineare Wärmeausdehnungskoeffizient für Stahl beträgt αϑ = 12 · 10−6 K−1 .
Lösung 10.8
√ entnimmt man I = (π/8)dm t und A = πdm t. Somit wird i = I/A = dm /8
Aus Tabelle 4.1 3 2 2

und i = dm / 8. Der mittlere


√ Durchmesser ist dm = d − t = 200 mm − 4 mm = 196 mm. Damit
erhält man i = 196 mm/ 8 = 69,3 mm und mit Gl. (10.19) die zulässige Länge

πi π · 69,3 mm
l= √ =√ = 7,03 m .
αϑ dϑ 12 · 10−6 K−1 · 80 K
10.2 Knickspannungsdiagramm 331

Abb. 10.9 Dehnungsausgleich

Die im Rohr vorhandene und auf die Festlager ausgeübte Kraft ist dann mit E = 2,1 · 105 N/mm2
nach Gl. (10.18)

F = 2,1 · 105 N/mm2 · 2,46 · 103 mm2 · 12 · 10−6 K−1 · 80 K = 496 kN .

Die Druckspannung im Rohr erhält man durch Dividieren der Längskraft durch die Querschnitts-
fläche oder auch direkt aus Gl. (10.20)
496 kN
σ= = 202 N/mm2 .
2,46 · 103 mm2
Diese Spannung liegt bei Berücksichtigung eines Sicherheitsfaktors oberhalb der im Stahlbau
zulässigen Spannung. Auch die auf die Lager ausgeübte Kraft ist sehr hoch. Deshalb wird im Rohr-
leitungsbau die Wärmedehnung auch nicht längselastisch, sondern durch U-förmige Dehnungsaus-
gleicher (Abb. 10.9), die als elastische Biegefedern angesehen werden können, ausgeglichen. Die
bei der elastischen Verbiegung der Ausgleichsbögen auftretenden Kräfte und Spannungen sind
erheblich geringer als die vorstehend für den linearen Dehnungsausgleich berechneten.

10.2 Knickspannungsdiagramm

Als Knickspannung definiert man die sich aus der Division der E ULER’schen Knick-
kraft durch die Querschnittfläche des Stabes ergebende Größe

FK π2 EImin
σK = = 2 . (10.21)
A lK A

Sie nimmt zu, wenn die Stablänge abnimmt. Bei Halbierung der Stablänge wächst
die Knickspannung z. B. auf das Vierfache des vorherigen Wertes. Dabei kann die
Spannung weit unterhalb der Quetschgrenze liegen. Wenn die Spannung die Pro-
portionalitätsgrenze erreicht, ist die Gl. (10.21) aber nicht mehr gültig, weil sie die
Gültigkeit des H OOKE’schen Gesetzes voraussetzt. Man muss also zwei Bereiche
unterscheiden: den elastischen Bereich für schlanke Stäbe, in dem die vorhandene
Spannung unterhalb der Knickspannung, und den plastischen Bereich für gedrun-
gene Stäbe, in dem sie unterhalb der Quetschgrenze bleiben muss. In Abb. 10.10 ist
die Spannung über einem Stabkennwert, dem Schlankheitsgrad

lK
λ=
imin

mit der Größe imin = Imin /A aufgetragen. Damit nimmt Gl. (10.21) die Form
332 10 Knicken und Beulen

π2 E
σK = (10.22)
λ2
an. Das Abb. dieser Funktion ist auf der rechten Seite des (σK , λ)-Diagramms
(Abb. 10.10) gezeichnet. Die Kurve heißt E ULERkurve.
Die Grenze λg zwischen elastischem und plastischem Bereich liegt dort, wo die
Knickspannung die Proportionalitätsgrenze σdP erreicht

π2 E E
σK = 2 = σdP ⇒ λg = π . (10.23)
λg σdP

Für S235JR ist σdP = 210 N/mm2 , also


2,1 · 105 N/mm2


λg = π ≈ 100 .
210 N/mm2

Für S355JR mit σdP = 290 N/mm2 und gleichem Elastizitätsmodul ergibt sich
λg = 85, und für AlCuMg2F44 mit σdP = 220 N/mm2 und E = 7,15 · 104 N/mm2
ist λg = 57.
Im elastischen Bereich (λ > λg , E ULERbereich) ist die Knickspannung un-
abhängig von der Festigkeit des Materials. Sie ist außer vom Schlankheitsgrad nur
vom Elastizitätsmodul abhängig. Da für die meisten Stähle E = 2,1 · 105 N/mm2

300 σ (AlCuMg)
dF
T ETMAJER -Gerade

250
σdF (St37)
J OHNSON -Parabel σdP (St37)
200 σdP (AlCuMg)

St37
150
Knickspannung σK in N/mm2

100
AlCuMg2F44

50 E ULER -Kurven
λg (AlCuMg) λg (S235JR)

0 50 100 150 200


Schlankheitsgrad λ

Abb. 10.10 Knickspannungsdiagramm


10.2 Knickspannungsdiagramm 333

beträgt, ist ihr Verhalten im E ULERbereich unabhängig von der Stahlsorte und es
lohnt sich nicht, bei Knickbeanspruchung hochfestes Material zu verwenden. Durch
Vergüten wird also die Tragfähigkeit bei Knickbeanspruchung nicht erhöht, sondern
nur der E ULERbereich zu kleineren λ-Werten vergrößert.
Die Tragfähigkeit eines Aluminiumstabes ist im E ULERbereich erheblich gerin-
ger als die Tragfähigkeit eines Stahlstabes gleicher Abmessung, weil der Elasti-
zitätsmodul des Aluminiums nur etwa ein Drittel des Elastizitätsmoduls von Stahl
beträgt. Allerdings liegt bei ausgehärteten Aluminiumlegierungen die Grenze des
elastischen Bereiches niedriger als bei Stahl. Aluminiumstäbe knicken also noch
elastisch, wenn für Stahlstäbe gleicher Abmessung schon der plastische Bereich
maßgebend ist.
Der Übergang vom elastischen zum plastischen Bereich ist nicht abrupt. Knick-
versuche zeigen eine starke Streuung der Messergebnisse bei Schlankheitsgraden
λ < λg . Man kann nun, wie T ETMAJER2 , eine Gerade durch die Messpunkte le-
gen, die die E ULERkurve bei λ = λg und σK = σdP schneidet und im Bereich
σdP  σK  σdF maßgebend ist, oder, wie J OHNSON3 , eine Parabel wählen, die die
σK -Achse bei σdF mit horizontaler Tangente trifft und bei λ = λg in die E ULERkurve
übergeht (Abb. 10.10). Die Gleichung der J OHNSON-Parabel lautet
 2
λ
σK = σdF − (σdF − σdP ) . (10.24)
λg

Beispiel 10.9 (Winkelstahl).


Ein Stab aus dem Winkelstahl L 100 × 50 × 10 nach DIN 1 029 (Werkstoff S235JR
mit σdF = 250 N/mm2 , σdP = 210 N/mm2 , λg = 100) wird durch eine Druckkraft
F = 50 kN in Richtung seiner Achse zentrisch belastet. Die Knicklänge beträgt
lK = 1 500 mm.
a) Man berechne die Knicksicherheit.
b) Wie hoch darf ein Druckstab gleicher Länge bei gleicher Sicherheit wie in a)
belastet werden, wenn dafür zwei Winkelstähle steif miteinander verbunden sind
(Abb. 10.11)?
Lösung 10.9
a) Aus der entsprechenden Tabelle in [22] entnimmt man Imin = 15,5 cm4 und A = 14,1 cm2 ,
berechnet daraus imin = 1,05 cm und λ = 143. Es liegt also elastische Knickung vor. Dann ist

FK π2 EImin π2 · 2,1 · 105 N/mm2 · 15,5 · 104 mm4


SK = = = = 2, 9 .
F l2K F (1 500 mm)2 · 5 · 104 N

b) Man berechnet die Flächenmomente

2 L UDWIG VON T ETMAJER (∗ 14. Juli 1850 in Krompach, Ungarn; † 1. Februar 1905 in Wien),

Professor des Zürcher Polytechnikums (heute ETH Zürich), Pionier der Materialprüfung und -
forschung, Begründer der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt
3 J OHN B UTLER J OHNSON (∗ 11. Juni 1850 in Malboro, Ohio; † 23. Juni 1902 in Madison,

Wisconsin), Ingenieur, Professor für Bauingenieurwesen Washingto University in St. Louis, Dekan
des Ingenieur-Colleges der University of Wisconsin, Rahmenkonstruktionen
334 10 Knicken und Beulen

Abb. 10.11 Miteinander


verbundene Winkelstäbe

y S

Iz = 2 · 141 cm4 = 282 cm4 , Iy = 2 · [23,4 cm4 + 14,1 cm2 · (1,2 cm)2 ] = 87,4 cm4 .

Das Knicken erfolgt also um die y-Achse, weil Iy das kleinere Flächemoment ist. Man be-
rechnet  
imin = Iy /2A = 87,4 cm4 /28,2 cm2 = 1,76 cm
sowie λ = 150 cm/1,76 cm = 85 und erhält mit Gl. (10.24), da λ < λg ,

σK = 250 N/mm2 − 40 N/mm2 · 0,852 = 221 N/mm2 .

Die zulässige Spannung beträgt dann

σK 221 N/mm2
σzul = = = 76,2 N/mm2
SK 2, 9

und die zulässige Belastung Fzul = σzul 2A = 76,2 N/mm2 · 28,2 · 102 mm2 = 215 kN. Bei
doppelter Fläche, d. h. doppelter Masse, kann mehr als die vierfache Belastung übertragen
werden.

10.3 Beulung dünnwandiger Hohlkörper

10.3.1 Kreiszylinder unter Axialdruck

Bei der Berechnung der rohrförmigen Stützen des Kugelbehälters (Beispiel 10.4)
hatten wir das erforderliche Flächenmoment 2. Ordnung bei vorgegebenem Verhält-
nis von Wanddicke zu Durchmesser berechnet. Lässt man nun die Wanddicke kon-
stant und vergrößert den Durchmesser allein, kann auch dadurch ein genügend
großes Flächenmoment erreicht werden. Von einem gewissen Verhältnis von Durch-
messer zu Wanddicke an tritt dann aber unter axialer Drucklast eine neue Erschei-
nung ein, bei der zwar die Rohrachse gerade bleibt, jedoch der Mantel des Rohres
sich nach schachbrettartigem Muster faltet. Man nennt diesen Vorgang Beulen. Die
Theorie der Stabilität von dünnwandigen Hohlkörpern ist sehr komplex und geht
über den Rahmen dieses Buches hinaus. Hier sollen daher lediglich einige Ergeb-
nisse mitgeteilt werden. Die theoretische Beulspannung für ein dünnwandiges Rohr
unter Axialdruck beträgt für gelenkig gelagerte (drehbare) Ränder (mit ν = 0, 3 für
metallische Werkstoffe)
10.3 Beulung dünnwandiger Hohlkörper 335

E t t t
σBeul = · ≈ 0, 6E = 1, 2E ,
3(1 − ν )
2 r r d

wenn t die Wanddicke, d der mittlere Durchmesser und r der mittlere Radius sind.
Versuche zeigen erhebliche Abweichungen von diesem Wert und weisen außerdem
erhebliche Streuung auf. Das liegt teilweise an den nicht ideal erfüllten Randbedin-
gungen im Versuch und teilweise an den unvermeidlichen Bauungenauigkeiten. So
wurden z. B. bei nahtlos gezogenen Rohren wesentlich höhere Beulspannungen als
bei geschweißten Rohren gemessen. Für jene kann man mit
t t
σBeul = 0, 25E = 0, 5E (10.25)
r d
die Versuchsergebnisse erfassen, während man bei geschweißten Rohren auf etwa
0, 3Et/d bis 0, 4Et/d heruntergehen muss.
Beispiel 10.10 (Kreiszylindrische Stütze).
Wie sind Durchmesser d und Wanddicke t einer dünnwandigen kreiszylindri-
schen Stütze von l = 4 m Länge aus Dural mit den Werten E = 7 · 104 N/mm2 ,
σdP = 220 N/mm2 zu wählen, damit Knicksicherheit und Beulsicherheit jeweils
S = 3 sind? Der Stab ist an einem Ende eingespannt, am anderen Ende frei und mit
F = 10 kN belastet.
Lösung 10.10
Die beiden Bedingungen lauten
F
S= σBeul = σK .
A
Mit den Näherungen I = (π/8)d3 t und A = πdt für dünnwandige Rohre liefert die linke
der vorstehenden Gleichungen in Verbindung mit Gl. (10.25) eine Bestimmungsgleichung für die
Wanddicke t
SF t
= 0, 5E ,
πdt d

SF 3 · 104 N
t= = = 0,522 mm .
0, 5πE 0, 5π · 7 · 104 N/mm2
Die zweite Gleichung in Verbindung mit Gl. (10.21) und mit lK = 2l gibt den Zusammenhang
zwischen Wanddicke t und Durchmesser d
t π2 EI π2 E(π/8)d3 t π2 Ed2
0, 5E = 2 = 2
= ,
d lK A lK πdt 8 l2K


3 4l2K t 3 4 · 8 0002 · 0, 522
d= = mm = 238 mm .
π2 π2
Man würde ein Rohr mit d = 240 mm und t = 0, 6 mm vom Stabilitätsstandpunkt und Leichtbau
her als optimal ansehen. Aus konstruktiven Gründen (Krafteinleitung) nimmt man im Allgemeinen
größere Wanddicken. Dadurch wird die Beulspannung heraufgesetzt, während die Knickspannung
bei dünnwandigen zylindrischen Rohren von der Wanddicke unabhängig ist. Die hier durchgeführ-
te Rechnung ist nur unterhalb der Proportionalitätsgrenze zulässig. Diese Bedingung ist hier erfüllt,
denn es ist
SF 3 · 104 N
= = 66,3 N/mm2 < σdP = 220 N/mm2 .
πdt π · 240 mm · 0,6 mm
336 10 Knicken und Beulen

10.3.2 Konstanter Außendruck

Wird ein Behälter durch äußeren Überdruck oder inneren Unterdruck belastet, treten
ebenfalls bei gewissen Beträgen des Druckes Beulerscheinungen auf. Die Theorie
ergibt für einen Zylinder mit der Länge l und dem mittleren Radius r im Bereich
0, 2  l/r  5 einen Beuldruck
 5/2
r t
pBeul = 0, 92E ,
l r

während in Versuchen nur 70 % dieses Wertes gemessen wurden. Man rechnet also
besser mit  
r t 5/2
pBeul = 0, 65 E . (10.26)
l r
Für Rohre, deren Länge groß gegen den Durchmesser ist (l/d > 3), gilt die Glei-
chung
 3  3
t t
pBeul = 0, 275E = 2, 2E . (10.27)
r d
Kugelbehälter mit äußerem Überdruck zeigen noch größere Unterschiede zwischen
Theorie und Versuch. Während die Theorie
 2
t
pBeul = 1, 2E
r

liefert, erreicht man im Versuch nur


 2
t
pBeul = 0, 36E . (10.28)
r

Beispiel 10.11 (Beuldruck). Wie groß ist der Beuldruck eines zylindrischen Öltanks
aus Stahl mit dem Durchmesser d = 18 m, der Höhe h = 10 m und einer (konstant
angenommenen mittleren) Wanddicke t = 9 mm?
Lösung 10.11
Aus Gl. (10.26) berechnet man
 2,5
9m 9 mm
pBeul = 0, 65 · 2,1 · 105 N/mm2 · = 3,88 · 10−3 N/mm2 .
10 m 9 000 mm

Der Flüssigkeitsspiegel darf bei geschlossenem Ventil und ρ = 8,2 kN/m3 nur um den Betrag
h = pBeul /ρ = 0,47 m abgesenkt werden.

Beispiel 10.12 (Tiefseetauchkulgel).


Wie groß muss die Wanddicke einer Tiefseetauchkugel aus Stahl mit dem Durch-
messer d = 2 m mindestens sein, wenn die Kugel in der Tiefe h = 3 km operieren
(ρ = 10,3 kN/m3 ) und die Beulsicherheit mindestens SBeul = 4 sein soll?
10.4 Aufgaben zu Kapitel 10 337

Lösung 10.12
Der Wasserdruck in 3000 m Tiefe beträgt

p = ρh = 10,3 kN/m3 · 3 000 m = 3,09 · 104 kN/m2 = 30,9 N/mm2 .

Der vierfache Wasserdruck soll kleiner als der Beuldruck sein. Mit Gl. (10.28) ergibt sich
 2
t
4p  pBeul = 0, 36E ,
r

t 4p 4 · 30,9 N/mm2
 = = 4,04 · 10−2 ,
r 0, 36E 0, 36 · 2,1 · 105 N/mm2
t  4,04 · 10−2 · 1 000 mm = 40,4 mm .

Beispiel 10.13 (PVC-Rohrleitung).


Wie dick muss die Wand einer PVC-Rohrleitung von 300 mm Durchmesser gewählt
werden, wenn ein Unterdruck p = 4 N/cm2 zu erwarten ist und die Beulsicherheit
SBeul = 3 betragen soll? Wie groß ist die Bruchsicherheit SB (E = 3,4 · 103 N/mm2 ,
Rm = 20 N/mm2 )?
Lösung 10.13
Aus Gl. (10.27) folgt
 3
t
3p  pBeul = 2, 2E ,
d

t 3p 3 · 0,04 N/mm2
= 3
= 3
= 2,52 · 10−2 ,
d 2, 2E 2, 2 · 3,4 · 103 N/mm2
t  2,52 · 10−2 · 300 mm = 7,56 mm .
Gewählt wird t = 8 mm. Damit beträgt die Druckspannung

d 0,04 N/mm2 · 300 mm


σ = −p =− = −0,75 N/mm2 .
2t 2 · 8 mm
Die Bruchsicherheit ist dann

Rm 20 N/mm2
SB = = ≈ 27 .
σ 0,75 N/mm2

Bei Werkstoffen mit kleinem Elastizitätsmodul ist auf Versagen der Konstruktion durch Beulen
besonders zu achten.

10.4 Aufgaben zu Kapitel 10

Aufgabe 10.1 (Ladebaum). Der 8 m lange stählerne Ladebaum eines Schiffes wird
durch die Druckkraft F = 200 kN belastet. Man bemesse den Baum als gelenkig
gelagertes Stahlrohr mit dem Verhältnis t/d = 0, 05 für fünffache Knicksicherheit
(E = 2,1 · 105 N/mm2 ).
338 10 Knicken und Beulen

Aufgabe 10.2 (Ventilstößelstange). Man berechne die zulässige Belastung einer


Ventilstößelstange aus Stahl bei beidseitig gelenkiger Lagerung. Die Länge beträgt
l = 300 mm, der Durchmesser d = 10 mm und die Knicksicherheit SK = 3.

Aufgabe 10.3 (Druckstange). Die Druckstrebe eines Kranauslegers ist 4 m lang


und soll die Kraft F = 80 kN übertragen. Sie soll aus zwei U-Profilen (DIN 1 026,
S235JR) nach Abb. 10.12 durch Bindebleche zu einem biegesteifen Stab zusam-
mengesetzt werden. Man nehme gelenkige Lagerung an.

Abb. 10.12 Querschnitt einer


d
Druckstrebe

a) Welches Profil ist bei einer Knicksicherheit SK = 2, 5 zu wählen, wenn der Ab-
stand d so eingerichtet ist, dass die Flächenmomente 2. Ordnung für die Haupt-
achsen gleich groß sind?
b) Wie groß ist d?

Aufgabe 10.4 (Dreibock). Bei Kanalisationsarbeiten werden Rohre mit Hilfe eines
Dreibocks in einen Graben gesenkt. Der Dreibock besteht aus drei Holzstämmen
(E = 1,3 · 104 N/mm2 ) von 20 cm Durchmesser und 8 m Länge, die oben gelenkig
miteinander verbunden sind und deren Fußpunkte in gleichmäßigen Abständen auf
einem Kreis von 6 m Durchmesser unverschieblich gelagert sind. Welche Last kann
bei einer Knicksicherheit SK = 2, 5 maximal von dem Dreibock getragen werden?

Aufgabe 10.5 (Druckstrebe). Man bemesse eine Druckstrebe (l = 2,5 m) eines


Fachwerks, deren Knicklänge wegen elastischer Einspannung mit lK = 0, 8l ange-
geben werden kann, für die Kraft 35 kN und σzul = 140 N/mm2 . Vorgesehen ist ein
gleichschenkliges Winkelprofil (DIN 1 028, S235JR).

Aufgabe 10.6 (Druckstab). Ein Stab mit dem Profil U 100 (DIN 1 026, S235JR)
wird durch die Druckkraft F = 27 kN in der Mitte des Steges belastet. Die Knicklänge
beträgt lK = 3 m. Man berechne die Spannung nach Gl. (10.11).
10.5 Formelzusammenfassung Kapitel 10 339

Aufgabe 10.7 (Beulsicherheit). Wie groß muss die Wanddicke eines Raketenkör-
pers aus einer Titanlegierung mit dem Elastizitätsmodul E = 10 N/mm2 bei 1,5fa-
cher Beulsicherheit mindestens sein, wenn sein Durchmesser d = 2 m und die
Schubkraft F = 80 kN betragen?

Aufgabe 10.8 (Öltank). Ein Öltank aus Stahl hat die Form eines stehenden Kreis-
zylinders mit einer Kugelkappe als Dach. Der Durchmesser beträgt d = 6 m, die
Zylinderhöhe h = 4,5 m, die Wanddicke t = 10 mm und der Krümmungsradius der
Dachkappe rD = 9 m. Wie ist die Wanddicke tD der Dachhaube zu wählen, damit
der Beuldruck des Daches gleich dem Beuldruck des Zylinders ist? Wie groß ist
dieser? Bei der Lösung ist von Gl. (10.26) auszugehen.

10.5 Formelzusammenfassung Kapitel 10

• E ULER’sche Knickkraft
π2 EIy
F = FK = .
l2
E - Elastizitätsmodul, Iy - Flächenmoment, l - Stablänge
• Knicksicherheit
FK
SK = .
F
• Zulässige Druckkraft
FK π2 EImin
Fzul = = .
SK SK l2
• Knickkraft bei beliebigen Randbedingungen (lK Knicklänge)

π2 EI
FK =
l2K

– beide Enden gelenkig geführt


lK = l
– ein Ende eingespannt, ein Ende frei

lK = 2l

– beide Enden eingespannt


l
lK =
2
– ein Ende eingespannt, ein Ende gelenkig geführt

lK ≈ 0, 7l
340 10 Knicken und Beulen

• Knickspannung
π2 E
σK =
λ2
• zulässige Länge, bei der kein Knicken in Folge behinderter Wärmedehnung
auftritt
πi
l< √
αϑ Δϑ
αϑ - linearer Wärmeausdehnungskoeffizient, Δϑ - Temperaturerhöhung
• Beulspannung für ein dünnwandiges Rohr
E t
σBeul = ·
3(1 − ν2) r

ν - Querkontraktionszahl, t - Wanddicke, r - mittlerer Radius


Kapitel 11
Rotationssymmetrischer Spannungszustand in
Scheiben

Die Beanspruchung in rotationssymmetrischen Bauteilen bei rotationssymmetri-


scher Belastung ist bereits im Abschnitt 2.4.3 behandelt worden. Wir haben uns
dort jedoch auf zylindrische Ringe beschränkt, d. h. die Voraussetzung getroffen,
dass die Bauteilabmessungen in radialer Richtung gering gegenüber dem mittle-
ren Radius sind. Unter dieser Voraussetzung konnte mit der Annahme gleichmäßi-
ger Spannungsverteilung gerechnet werden. In vielen Bauteilen mit größeren radia-
len Abmessungen (dickwandige Hochdruckbehälter, Naben, rotierende Räder und
Scheiben) führt diese Annahme zu falschen Ergebnissen. Die wirklichen Spannun-
gen sind dann in radialer Richtung nicht mehr gleichmäßig verteilt.
Die strenge Berechnung der Spannungsverteilung in derartigen Bauteilen ist
recht schwierig und nur mit großem mathematischen Aufwand möglich. Für die
praktische Berechnung führen vereinfachende Annahmen zu relativ einfachen Lö-
sungen und ergeben Spannungen, die nur wenig von den tatsächlichen abweichen.

11.1 Herleitung der Grundgleichungen

Im Folgenden wollen wir die allgemein gültigen Grundgleichungen herleiten, die


zur Berechnung der Spannungsverteilung in rotationssymmetrischen Bauteilen bei
beliebiger rotationssymmetrischer Belastung durch äußere Kräfte oder Volumen-
kräfte verwendet werden. In Abschnitt 11.2 werden die allgemeinen Gleichungen
auf die Berechnung dickwandiger Hohlzylinder unter Innen- und Außendruck an-
gewendet. Zur Berechnung rotierender Scheiben muss auf die Literatur, z. B. [19],
verwiesen werden.
Durch zwei eng benachbarte Schnitte senkrecht zur Längsachse eines Rohres
z. B. erhält man eine dünne Scheibe. Unter der Annahme vernachlässigbar kleiner
Schubspannungen in Ebenen parallel zur Scheibenmittelebene und Unabhängig-
keit der Spannungen von der Scheibendicke bei Belastung in der Scheibenebene
erhält man einen ebenen Spannungszustand (s. Abschnitt 9.2.2). Diese Annahmen
sind auch gültig, wenn die Scheibendicke sich unter Wahrung der Rotationssym-

341

G. Holzmann et al., Technische Mechanik Festigkeitslehre, DOI 10.1007/978-3-8348-8101-4_11,


© Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
342 11 Rotationssymmetrischer Spannungszustand in Scheiben

metrie allmählich ändert (z. B. in Turbinenrädern) oder wenn Kräfte senkrecht zur
Scheibenebene, also in Achsrichtung auftreten (z. B. in dickwandigen geschlosse-
nen Behältern unter Innen- oder Außendruck).

11.1.1 Gleichgewichtsbedingungen

Wir betrachten eine rotationssymmetrische Scheibe, deren Dicke δ mit dem Radius
r veränderlich ist und denken uns durch Radial- und Zylinderschnitte ein Körper-
element herausgeschnitten (Abb. 11.1). Wir wollen unsere Betrachtungen auf ro-
tationssymmetrische Bauteile beschränken, die kein Drehmoment von außen nach
innen zu übertragen haben. Dann sind die gezeichneten Schnittflächen schubspan-
nungsfrei und die Normalspannungen (σr in radialer Richtung, σt in tangentialer
Richtung) sind Hauptspannungen (s. Abschnitt 9.2.3). Da aus Symmetriegründen
die Spannungen unabhängig vom Winkel ϕ sind, empfiehlt es sich, mit Polarkoor-
dinaten zu rechnen, weil dann die Spannungen nur vom Radius r abhängen.
Wenn man die Spannungen mit den zugehörigen Schnittflächen (Abb. 11.1 b)
multipliziert, ergeben sich die in diesen wirkenden Kräfte. Mit dfr als einer belie-
bigen radialen Volumenkraft verlangt die Gleichgewichtsbedingung der Kräfte in
radialer Richtung

a)
δ
r

d
b) σr δ rdϕ + (σr δ rdϕ)dr
dr
σ
tδ c)
dr
r

σ
df

eδ tδ
Abb. 11.1 Körperelement i ck dr dϕ
D σt δ dr sin
eines rotationssymmetrischen 2

σt

Körpers
δr

δd

a) rotationssymmetrische
σt
r

r
σ

Scheibe
δd


r

b) Körperelement mit Schnitt- 2


und Volumenkräften dϕ
r dr
c) Kräfteplan
11.1 Herleitung der Grundgleichungen 343

d dϕ
−σr δ r dϕ + σr δ r dϕ + (σr δ r dϕ)dr − 2σt δ dr sin + dfr = 0 . (11.1)
dr 2
Mit sin(dϕ/2) ≈ dϕ/2 erhält man

d
(σr δ r dϕ)dr − σt δ dr dϕ + dfr = 0 .
dr
Dividiert man diese Gleichung durch δ dr dϕ, ergibt sich

1 d dfr
(σr δ r) − σt + = 0.
δ dr δ dr dϕ
Nach Anwendung der Produktregel ist
 
1 d dfr
σr δ + r (σr δ) − σt + = 0.
δ dr δ dr dϕ

Setzt man in dieser Gleichung dV ≈ r δ dr dϕ als Volumen des Körperelements und


ordnet, dann ist
r d dfr
(σr δ) + σr − σt + r = 0. (11.2)
δ dr dV
Diese Gleichung ist eine lineare Differentialgleichung zwischen den gesuchten
Spannungen σr (r) und σt (r), die beide Funktionen des Radius r sind. Sie allein
reicht zur Ermittlung der beiden unbekannten Funktionen nicht aus, man benötigt
eine zweite Gleichung, die man aus den geometrischen Bedingungen für die Verfor-
mungen gewinnt.

11.1.2 Verträglichkeitsbedingung

Damit unter dem Einfluss der Spannungen σr und σt keine Klaffungen oder Über-
deckungen in der Scheibe auftreten, ist nur die in Abb. 11.2 gezeichnete Verformung
des Elements möglich. Die nach außen (radial) gerichtete Verschiebung ist u, deren
Änderung zwischen Außen- und Innenrand des Teilchens du. Dem Abb. entnimmt
man die Dehnungen

(u + du) − u du
εr = = als Radialdehnung,
dr dr
(r + u)dϕ − r dϕ u
εt = = als Tangentialdehnung.
r dϕ r
Differenziert man die zweite Gleichung nach r und setzt in die erste ein, ergibt sich

du d dεt
εr = = (εt r) = r + εt
dr dr dr
344 11 Rotationssymmetrischer Spannungszustand in Scheiben

du
Abb. 11.2 Verformung des

+
Körperelements

u
(r +
u

u)

rd


ϕ
r dr

oder nach Ordnen


dεt
r + εt − εr = 0 . (11.3)
dr
In Gl. (11.3) werden nun die Dehnungen über das allgemeine H OOKE’sche Gesetz
(s. Abschnitt 9.3.1) durch die Spannungen ausgedrückt

1 1
εr = (σr − νσt ), εt = (σt − νσr ) .
E E
Nach Einsetzen, Ordnen und Kürzen des Faktors E ergibt sich
 
dσr dσt
r ν − + (1 + ν)(σr − σt ) = 0 . (11.4)
dr dr

Diese Verträglichkeitsbedingung ist die noch fehlende zweite Differentialgleichung


zwischen den Spannungen σr (r) und σt (r).

11.2 Dickwandige zylindrische Behälter unter Innen- und


Außendruck

Schneidet man einem zylindrischen Behälter zweimal senkrecht zur Achse, so dass
man eine dünne Scheibe erhält, ist die Dicke δ konstant. Die Volumenkräfte dfr sind
Null und aus Gl. (11.2) erhält man
dσr
r + σr − σt = 0 . (11.5)
dr
Im System der beiden Differentialgleichungen (11.4) und (11.5) wird zunächst eine
der beiden unbekannten Funktionen eliminiert. Es ist hier zweckmäßig, Gl. (11.5)
nach σt aufzulösen, nach r zu differenzieren und σt sowie dσt /dr in Gl. (11.4)
einzusetzen
dσr
σt = σr + r , (11.6)
dr
11.2 Dickwandige zylindrische Behälter unter Innen- und Außendruck 345

dσt dσr d2σr dσr


= +r 2 + . (11.7)
dr dr dr dr
Nach Einsetzen und Ordnen erhält man
d2 σr dσr
r2 + 3r = 0. (11.8)
dr2 dr
Dies ist eine homogene lineare Differentialgleichung 2. Ordnung für die unbekannte
Radialspannung σr , die somit berechnet werden kann.

11.2.1 Spannungsverteilung - Vergleichsspannung

Der Potenzansatz σr = Crn erfüllt die Differentialgleichung (11.8) für n = 0 und


n = −21 mit beliebiger Konstante C. Somit lautet die allgemeine Lösung für die
Radialspannung mit den neuen Konstanten c1 und c2
c2
σr = c1 + . (11.9)
r2
Die Tangentialspannung erhält man, wenn nach Gl. (11.9) die Spannung σr und ihre
erste Ableitung nach r in Gl. (11.6) eingesetzt wird
c2
σt = c1 − . (11.10)
r2
Die Konstanten c1 und c2 bestimmt man aus den Randbedingungen. Nachfolgend
sollen sie getrennt für den Innendruck pi und den Außendruck pa berechnet werden.

11.2.1.1 Innendruck

Die Randbedingungen lauten 1. für r = ri ist σr = −pi und 2. für r = ra ist σr = 0.


Durch Einsetzen in Gl. (11.9) ergibt sich ein Gleichungssystem für c1 und c2 mit
den Lösungen

1 Setzt man σr = Crn in Gl. (11.8) ein, ist mit

dσr d2 σr
= nCrn−1 , = n(n − 1)Crn−2
dr dr2

r2 n(n − 1)Crn−2 + 3rnCrn−1 = 0 oder Crn [n(n − 1) + 3n] = 0 .


Da der vor der eckigen Klammer stehende Faktor für beliebiges r nicht verschwindet, muss der
Klammerausdruck Null werden. Das ergibt die Bedingungsgleichung

n(n − 1) + 3n = n2 + 2n = n(n + 2) = 0

mit den Lösungen n = 0 und n = −2 [11].


346 11 Rotationssymmetrischer Spannungszustand in Scheiben

r2i r2i
c1 = pi , c2 = −pi r2a .
r2a − r2i r2a − r2i
Hiermit lauten nunmehr die Gleichungen für die Spannungen
 2 
r2 ra
σr = −pi 2 i 2 − 1 , (11.11)
ra − ri r2
 
r2i r2a
σt = pi + 1 . (11.12)
r2a − r2i r2
Für die Berechnung von Druckbehältern ist auch die aus der Verschiebung resultie-
rende Durchmesseränderung von Interesse. Man erhält sie aus der Radialverschie-
bung u über die Tangentialdehnung εt
r
Δd = 2u = 2rεt = 2 (σt − νσr ),
E
 2 
pi r2i ra
Δd = 2r (1 + ν) + 1 − ν . (11.13)
E r2a − r2i r2
Für einen an den Enden geschlossen Behälter erhält man infolge der Längszugkraft
Fz = pi πr2i eine Normalspannung σl , die gleichmäßig über den Querschnitt verteilt
ist
Fz r2i
σl = = p i 2 . (11.14)
π(r2a − r2i ) ra − r2i

11.2.1.2 Außendruck

Mit den Randbedingungen 1. für r = ri ist σr = 0 und 2. für r = ra ist σr = −pa


erhält man in gleicher Weise wie oben

r2a r2a
c1 = −pa , c2 = pa r2i .
r2a − r2i r2a − r2i

Die Gleichungen für die Spannungen lauten somit


 
r2 r2
σr = −pa 2 a 2 1 − i2 , (11.15)
ra − ri r
 
r2a r2i
σt = −pa 1+ . (11.16)
ra − r2i
2 r2
Die Durchmesseränderung beträgt
 2 
pa r2a ri
Δd = −2r (1 + ν) + 1 − ν . (11.17)
E r2a − r2i r2
11.2 Dickwandige zylindrische Behälter unter Innen- und Außendruck 347

Die Längsspannung ist in diesem Fall eine Druckspannung

r2a
σl = −pa . (11.18)
r2a − r2i

Um ein anschauliches Bild vom Verlauf der Spannungen im zylindrischen Teil, be-
sonders auch von der Beanspruchung des Behälterwerkstoffs zu bekommen, stellen
wir den Spannungsverlauf zeichnerisch dar. Für die Zahlenrechnungen empfiehlt es
sich, das Durchmesserverhältnis η = da /di = ra /ri einzuführen.
In Tabelle 11.1 sind alle erforderlichen Gleichungen übersichtlich zusammen-
gestellt. Darunter sind die Spannungsverteilungen in Abhängigkeit vom Radius r
aufgezeichnet. Man erkennt, dass bei Innendruck Tangential- und Längsspannun-
gen Zugspannungen sind, während bei Außendruck alle drei Spannungen Druck-
spannungen sind, die Kurven für σt und σr liegen symmetrisch zur Längsspan-
nung σl . Die größten Spannungen treten in beiden Fällen am Innenrand auf. Aus
den Gleichungen ersieht man weiter, dass die Spannungen σr und σt in zylindri-
schen Behältern unabhängig von deren absoluter Größe sind. Sie hängen nur vom
Durchmesserverhältnis η ab. Geometrisch ähnliche Druckgefäße unter Innen- oder
Außendruck sind bei gleicher Druckbelastung gleich hoch beansprucht.
Die Möglichkeit eines Versagens bei Überschreiten einer zulässigen Höchstbe-
lastung hat wegen der damit verbundenen Gefahr besondere Bedeutung bei Innen-
druck und soll im folgenden für abgeschlossene Druckbehälter einer besonderen
Betrachtung unterzogen werden. Der Spannungszustand in einem dickwandigen
Druckbehälter unter Innendruck ist zwei- bzw. dreiachsig. Für die Ermittlung der
Werkstoffbeanspruchung ist demnach eine Vergleichsspannung σV für den Innen-
rand als der höchstbeanspruchten Zone maßgebend (s. Abschnitt 9.4.2).
Nach der M OHR’schen Hypothese ist die Differenz zwischen größter und kleins-
ter Hauptspannung als Vergleichsspannung anzusetzen, die Größe der (mittleren)
Längsspannung spielt hierbei keine Rolle

σV(Sch) = σti − σri . (11.19)

Setzt man die entsprechenden Beziehungen für die Spannungen aus Tabelle 11.1
ein, ergibt sich
η2 + 1 2η2
σV(Sch) = pi 2 + p i = pi 2 . (11.20)
η −1 η −1
Die Gestaltänderungsenergie-Hypothese liefert nach Abschnitt 9.4.2 die Gleichung

1
σV(GE) = [(σti − σri )2 + (σti − σl )2 + (σl − σri )2 ] . (11.21)
2
Dem linken Abb. in Tabelle 11.1 entnimmt man die Beziehungen
1
σti − σl = (σti − σri )
2
348 11 Rotationssymmetrischer Spannungszustand in Scheiben

Tabelle 11.1 Spannungen in dickwandigen zylindrischen Behältern


unter Innendruck unter Außendruck
pa
pi

da
di
ra
η= > 1, 2 dickwandiger Behälter
ri
 2   
1 ra η2 r2i
σr = −pi 2 − 1 σ r = −p a 2 1 −
η − 1 r2 η −1 r2
 2   
1 ra η 2 r2i
σt = pi 2 + 1 σ t = −p a 2 1 +
η − 1 r2 η −1 r2
1 η 2
σl = pi 2 σl = −pa 2
η −1 η −1
Randspannungen
r = ri r = ri
η2 + 1 η2
σri = −pi , σti = pi 2 σri = 0, σti = −2pa 2
η −1 η −1
r = ra r = ra
1 η2 + 1
σra = 0, σta = 2pi 2 σra = −pa , σta = −pa 2
η −1 η −1
2η2
σV max = σti − σri = pi 2
η −1
σ

σ
σV(Sch)
σti

σt
σti − σri

σl
σl

r r
0 0 ra
ri ra ri
σr
σri

σr

σl

σt
11.2 Dickwandige zylindrische Behälter unter Innen- und Außendruck 349

und
1
σl − σri = (σti − σri ) .
2
Setzt man diese in die Gl. (11.21) ein, erhält man

3
σV(GE) = (σti − σri ) (11.22)
2
und mit den Spannungen aus Tabelle 11.1
√ 2

σV(GE) = pi 2 . (11.23)
η −1
Für die Festigkeitsberechnung eines dickwandigen zylindrischen Behälters ist also
die Beanspruchung der Innenwandung maßgebend. Die Festigkeitsbedingung lautet
nun
σV  σzul . (11.24)
Hoch- und Höchstdruckbehälter sowie Rohrleitungen und dgl. sind fast ausnahms-
los aus Stahl mit ausgeprägter Fließgrenze gefertigt, so dass die Werkstofffließgren-
ze Re als Berechnungskennwert bei ruhender Beanspruchung in Frage kommt

Re
σzul = . (11.25)
SF
Die Sicherheit gegen Fließen ist im Allgemeinen in Vorschriften festgelegt (s. Ab-
schnitt 11.2.3) und soll den Wert SF = 1, 5 nicht unterschreiten.
Für die Berechnung der Tragfähigkeit, also der zulässigen Innendruckbelastung,
erhält man aus den Gln. (11.20) bzw. (11.23) mit Gl. (11.24) nach der M OHR’schen
Hypothese
η2 − 1
pi zul  σzul (11.26)
2η2
und nach der Gestaltänderungshypothese

η2 − 1
pi zul  σzul √ . (11.27)
3η2
Schließlich erhält man für die Bemessung eines Behälters das erforderliche Wand-
dickenverhältnis η und damit bei meist vorgegebenem Innendurchmesser di den
notwendigen Außendurchmesser da = ηdi nach der M OHR’schen Hypothese

σzul
η (11.28)
σzul − 2pi

und nach der Gestaltänderungshypothese



σzul
η √ . (11.29)
σzul − 3pi
350 11 Rotationssymmetrischer Spannungszustand in Scheiben

Den letzten beiden Gleichungen kann man eine Einschränkung für den in einem
dickwandigen Behälter überhaupt aufzunehmenden Innendruck beim Entwurf der
Abmessungen entnehmen, denn der Nenner in den beiden Gleichungen muss immer
größer sein als Null. Diese Einschränkung lautet

pi < 0, 5σzul bzw. pi < 0, 577σzul .

Im linken Abb. der Tabelle 11.1 ist der Verlauf der Vergleichsspannung σV (Sch) ge-
strichelt eingezeichnet; diese, und damit die Beanspruchung des Werkstoffs, nimmt
von innen nach außen sehr stark ab. Der Werkstoff eines dickwandigen Hohlzy-
linders unter Innendruck ist also sehr schlecht ausgenutzt. Der oben angegebe-
nen Einschränkung für den Innendruck pi kann weiter entnommen werden, dass
Höchstdrücke auch bei noch so hoher Werkstofffestigkeit selbst durch extrem große
Wanddicken in einfachen Behältern nicht zu verwirklichen sind. Aus den genannten
Gründen hat man überlegt, wie die aus dem mehrachsigen elastischen Spannungs-
zustand abgeleiteten Berechnungsverfahren abzuändern seien, um einerseits wirt-
schaftlicher konstruieren zu können, andererseits aber auch die Forderungen der
Praxis nach immer höheren Innendrücken zu verwirklichen. In den folgenden drei
Abschnitten gehen wir auf diese Gesichtspunkte näher ein.
Beispiel 11.1 (Zylindrischer Druckbehälter).
Ein zylindrischer Druckbehälter, Innendurchmesser di = 80 mm, aus Baustahl
(Fließgrenze Re = 270 N/mm2 ) soll mit dem Innendruck pi = 80 N/mm2 ruhend
beansprucht werden. Zu berechnen sind
a) der notwendige Außendurchmesser da bei 1,5facher Sicherheit gegen Fließen
nach der M OHR’schen Hypothese,
b) die Randspannungen. Die Spannungsverteilung ist maßstäblich zu zeichnen.
Lösung 11.1
Mit σzul = Re /SF = 270 N/mm2 /1, 5 = 180 N/mm2 aus Gl. (11.25) ergibt Gl. (11.28) das
Durchmesserverhältnis
σzul 180
η= = = 3.
σzul − 2pi 20
Der notwendige Außendurchmesser ist dann da = ηdi = 3 · 80 mm = 240 mm. Die Randspan-
nungen berechnen wir aus den Gleichungen der Tabelle 11.1.

σri = −pi = −80 N/mm2 , σra = 0,

η2 + 1 10
σti = pi = 80 N/mm2 · = 100 N/mm2 ,
η2 − 1 8
1 1
σta = 2pi = 160 N/mm2 · = 20 N/mm2 ,
η2 − 1 8
1 1
σl = pi 2 = 80 N/mm2 · = 10 N/mm2 .
η −1 8
Die Spannungsverteilung ist in Abb. 11.3 dargestellt. Die Ergebnisse der Rechnung sind in Tabelle
11.2 dargestellt.
11.2 Dickwandige zylindrische Behälter unter Innen- und Außendruck 351

Abb. 11.3 Spannungsverteilung


in dem zylindrischen Druck- 140
behälter aus Beispiel 11.1 σt
(Volllinie Spannungen bei 120
240 mm Außendurchmesser,
Strichlinie Spannungen bei
144 mm Außendurchmesser, 100
s. Beispiel 11.2)
80

60

σ in N/mm2
40 σl

a
r
σt

20
ri σl

0
20 40 60 72 80 100 120
r in mm
−20 σr

σr
−40

−60

−80

Tabelle 11.2 Berechnung der Spannungsverteilung (zu Beispiel 11.1)


r mm 40 60 80 100 120
ra /r - 3 2 1, 50 1, 20 1
(ra /r)2 - 9 4 2, 25 1, 44 1
(ra /r)2 − 1 - 8 3 1, 25 0, 44 0
σr N/mm2 −80 −30 −12, 50 −4, 40 0
(ra /r)2 + 1 - 10 5 3, 25 2, 44 2
σt N/mm2 100 50 32, 50 24, 40 20

11.2.2 Fließbeginn - vollplastischer Grenzzustand

Sowohl theoretisch als auch durch Berstversuche wurde gezeigt, dass in dickwandi-
gen Hohlzylindern aus im Zugversuch duktilen Werkstoffen bei stetiger Steigerung
des Innendrucks vor einem Versagen durch Trennbruch große bleibende Formände-
rungen auftreten. Unter dieser Voraussetzung beginnt der Werkstoff eines zylindri-
schen Druckbehälters zu fließen, sobald die Vergleichsspannung σV an der Innensei-
te die Fließgrenze Re erreicht. Setzen wir für die weiteren Überlegungen die Gültig-
keit der M OHR’schen Hypothese voraus - in den Gleichungen der √ Gestaltänderungs-
hypothese erscheint lediglich anstatt des Faktors 2 der Faktor 3 - , wie es in den
352 11 Rotationssymmetrischer Spannungszustand in Scheiben

meisten Berechnungsvorschriften der Fall ist (s. Abschnitt 11.2.3), dann folgt mit
σV = Re aus der Gl. (11.20) der Innendruck piI bei Fließbeginn an der Innenwand

η2 − 1
piI = 0, 5Re . (11.30)
η2
Wird nun der Innendruck weiter über den Wert piI gesteigert, dann setzt sich der
Fließvorgang von innen nach außen hin fort. Der plastische Zustand breitet sich
aus, bis - genügende Verformungsfähigkeit des Werkstoffs vorausgesetzt - auch die
äußeren Wandbereiche ins Fließen kommen.
Wie aus dem Zugversuch bekannt ist, bleibt mit zunehmender plastischer Ver-
formung im Fließgebiet eines duktilen Stahles die Spannung annähernd konstant
σ = Re . Demzufolge bleibt auch die Vergleichsspannung σV = σt − σr = Re an je-
der Stelle r des zylindrischen Behälters konstant. Mit dieser Voraussetzung und der
weiteren Annahme, dass auch im vollplastischen Grenzzustand die Gleichgewichts-
bedingungen des elastischen Spannungszustands gültig sind (die Verträglichkeitsbe-
dingung ist allerdings nicht mehr erfüllt!), kann die Spannungsverteilung des voll-
plastischen Zustandes abgeschätzt werden. Bezeichnen wir die plastischen Span-
nungen mit σ∗ , dann folgt aus der Gl. (11.5)

dσ∗r
r = σ∗t − σ∗r = Re .
dr
Diese Gleichung kann nach Trennung der Variablen integriert werden
  r
∗ dr
dσr = Re ⇒ σ∗r = Re ln .
r c
Die Integrationskonstante c ergibt sich aus der Randbedingung σ∗r = 0 für r = ra zu
c = ra . Damit erhält man die Radialspannung

σ∗r = −Re ln(ra /r) . (11.31)

Aus Gl. (11.6) folgt die Tangentialspannung

σ∗t = Re [1 − ln(ra /r)] . (11.32)

In Abb. 11.4 sind die elastischen Spannungen in einem Hohlzylinder für η = 2, 5


bei Fließbeginn und die vollplastischen Spannungen in Abhängigkeit vom Radius
r einander gegenübergestellt. Man erkennt den geänderten Charakter der Tangenti-
alspannung σ∗t des vollplastischen Zustands gegenüber dem elastischen. Die größte
Tangentialspannung tritt nun am Außenrand auf, dort ist bei weiterer Drucksteige-
rung ein Trennbruch zu erwarten. Versuche haben dies bestätigt.
Der Innendruck piIII bei Erreichen des vollplastischen Zustand ergibt sich aus
Gl. (11.31) mit der Bedingung für r = ri ist σ∗r = −piIII zu

piIII = Re ln η . (11.33)
11.2 Dickwandige zylindrische Behälter unter Innen- und Außendruck 353

1, 2
Abb. 11.4 Spannungsverteilung

in einem Hohlzylin- 0, 8 η = 2, 5 σt

bezogene Spannung σ/σF


der unter Innendruck, σ
t
η = da /di = 2, 5 (σr , σt 0, 4

σF
Spannungen im elastischen

σF
Bereich, σ∗r , σ∗t Spannungen
0 r ri ra
beim Erreichen des vollplasti-
schen Grenzzustands) σr
−0, 4

σr
−0, 8

Im vollplastischen Zustand bleibt die Form eines Behälters und damit seine Funkti-
onsfähigkeit nicht erhalten. Deshalb kann dieser Zustand nicht als Grundlage einer
Festigkeitsberechnung dienen. Es erscheint jedoch vernünftig, unter Zugrundele-
gung einiger Zehntel Prozent bleibender Formänderung an der Innenwand eine Be-
rechnung anzustreben, die sich auf den teilplastischen Zustand erstreckt.
In Abb. 11.5 sind die bezogenen Innendrücke piI /Re bei Fließbeginn nach
Gl. (11.30) und bei Erreichen des vollplastischen Zustands nach Gl. (11.33) in
Abhängigkeit vom Durchmesserverhältnis η aufgetragen. Man erhält somit zwei
Grenzkurven I und III: unterhalb I ist der Spannungszustand elastisch, oberhalb III
vollplastisch. Dazwischen befindet sich der teilplastische Bereich, der für eine Be-
rechnung ausgenutzt werden soll.

11.2.3 Näherungsrechnung im teilplastischen Bereich -


Berechnungsvorschriften

Der Versuch einer Ableitung praktischer Gebrauchsformeln aus dem Spannungszu-


stand des teilplastischen Bereichs von zylindrischen Druckbehältern führt auf nicht
überschaubare und umständliche Gleichungen. Es erscheint deshalb angebracht,
Näherungsgleichungen zu entwickeln und diese mit den Grenzkurven in Abb. 11.5
zu vergleichen. Als einfache Näherung bietet sich die früher im Kesselbau übliche
Berechnungsweise für dünnwandige Behälter an. Unter Vernachlässigung der Radi-
alspannung σr = pi gegenüber der Tangentialspannung, Gl. (2.25), σt = pi ri /t ist
die Vergleichsspannung
ri ri 1
σV = σt = pi = pi = pi .
t ra − ri η−1
Den auf die Fließgrenze bezogenen Innendruck erhält man daraus mit σV = Re zu
pi
= η −1. (11.34)
Re
354 11 Rotationssymmetrischer Spannungszustand in Scheiben

vollplastisch ∞
1, 4
III

2
1, 2 IIb
η−1
bezogener Innendruck pi /Re

2
η+1
1, 0 η
1 ln teilplastisch

0, 8
η−

IIb/β IIa 1
η−1
η
IIb/1, 7
0, 6 0, 77
4 η−1 IIc
√ IIa/1, 5
3 3η + 1
0, 5
0, 4 I
IIb/β1, 7
η2 − 1
0, 5
η2
0, 2 elastisch

0
1 1, 2 1, 5 1, 8 2, 0 2, 5 3, 0 3, 5 4, 0 4, 5
Durchmesserverhältnis η = ra /ri

Abb. 11.5 Bezogener Innendruck pi /Re in Abhängigkeit vom Durchmesserverhältnis Grenzkur-


ven und Berechnungskurven s. Text und Tabelle 11.3

Diese Gerade ist in Abb. 11.5 gestrichelt eingezeichnet. Man sieht, dass sie im voll-
plastischen Bereich liegt. Sie ist demnach für die Berechnung dickwandiger Hohl-
zylinder völlig unbrauchbar.
Ersetzt man jedoch in der Gleichung für σt den Innenradius ri durch den Außen-
radius ra , dann ist
ra ra η
σV = pi = pi = pi .
t ra − ri η−1
Der bezogene Innendruck wird somit
pi IIa η−1
= . (11.35)
Re η
Diese Gleichung ist als Kurve IIa im Abb. 11.5 gezeichnet.
Durch eine Abschätzung, die hier nicht näher erläutert werden kann, lässt sich
zeigen, dass in dem Bereich von η = 1 . . .5 die bleibende Dehnung an der Innenwand
bei dem Innendruck piIIa den Wert 0,2 % nicht übersteigt.
Legt man nun wieder die Sicherheitszahl SF gegen Fließen zugrunde, erhält man
aus der Gl. (11.35) den zulässigen Innendruck
11.2 Dickwandige zylindrische Behälter unter Innen- und Außendruck 355

pi IIa η−1
pi zul = = σzul . (11.36)
SF η
In Abb. 11.5 ist der zulässige bezogenen Innendruck für 1,5fache Mindestsicherheit
in Abhängigkeit von η gestrichelt eingezeichnet (Kurve IIa/1,5). Für η  3 bleibt der
Spannungszustand im Behälter bei diesem Innendruck elastisch, da die gestrichelte
Linie unterhalb der Grenzkurve I für Fließbeginn liegt.
Für das Durchmesserverhältnis erhält man die Gleichung
σzul
η= . (11.37)
σzul − pi
Als Grenzbedingung für den ertragbaren Innendruck pi folgt aus dieser Gleichung

pi < σzul .

Vergleicht man mit den entsprechenden Einschränkungen, die aus den Gln. (11.28)
und (11.29) folgen, kann im Grenzfall bei gleichen Abmessungen etwa doppelter
Innendruck zugelassen werden, oder bei gleichem Innendruck können die Abmes-
sungen erheblich geringer gehalten werden (s. Beispiel 11.2).
Beispiel 11.2 (Druckbehälter).
Für den Druckbehälter aus Beispiel 11.1 sind zu berechnen
a) der notwendige Außendurchmesser da nach Gl. (11.37) im teilplastischen Be-
reich, die erzielte Masseersparnis und die Randspannungen bei einem Innen-
druck von pi = 80 N/mm2 ,
b) der zulässige Innendruck nach Gl. (11.36) und die Randspannungen, wenn die
Abmessungen des Beispiel 11.1 beibehalten werden.
Lösung 11.2

a) Das Durchmesserverhältnis ist

σzul 180 N/mm2


η= = = 1, 8 .
σzul − pi 100 N/mm2

Daraus folgt der Außendurchmesser da = ηdi = 144 mm. Die Massen sind dem Quadrat der
Durchmesser proportional
π
m = ρV = ρ(πr2a h − πr2i h) = ρ h(d2a − d2i ),
4
somit ergibt sich eine Masseersparnis Δm von

mMohr ρπh(r2a Mohr − r2iMohr )


Δm = =
mteilplast ρπh(r2a teilplast − r2iteilplast )
d 2 − d2iMohr )
= 2 a Mohr
da teilplast − d2iteilplast )
(24 cm)2 − (8 cm)2
= · 100% = 3, 6% .
(14,4 cm)2 − (8 cm)2
356 11 Rotationssymmetrischer Spannungszustand in Scheiben

Tabelle 11.3 Gleichungen für die Berechnung zylindrischer Hohlkörper unter Innendruck
pi zul da
σV η= Vorschrift Bemerkungen
σzul di

ra η−1 σzul
pi (IIa) DIN 2 413 (I, II a) η  1, 7
t η σzul − pi
AD-Merkblatt B 1 η  1, 2
(ϑ < 120◦ )
rm η−1 2σzul + pi
pi 2 (IIb) DIN 2 413 (III) η  1, 7
t η+1 2σzul − pi
AD-Merkblatt B 1 η  1, 2
(ϑ > 120◦ )
√  W. u. B. η  1, 6
3 rm  4 η−1 2, 3σzul − pi
pi + pi √ AD-Merkblatt B 10 η = 1, 2 . . .1, 5
2 t 3 3η − 1 2, 3σzul − 3pi
(IIc)
rm η−1 1 2σzul + βpi
β pi 2 η > 1, 6
t η+1 β 2σzul − βpi
(IIb/β) β = 0, 6 + 0, 25η

Die Randspannungen berechnen wir wie in Beispiel 11.1 aus Tabelle 11.1 und erhalten

σri = −80 N/mm2 , σra = 0, σti = 152 N/mm2 , σta = 72 N/mm2 .

Somit liegt die größte Beanspruchung am Innenrand σV max = σti − σri = 232 N/mm2 noch
unterhalb der Fließgrenze 270 N/mm2 des Werkstoffs. Zum Vergleich ist die Spannungsvertei-
lung in Abb. 11.3 gestrichelt eingezeichnet worden.
b) Mit den Abmessungen di = 80 mm und da = 240 mm aus Beispiel 11.1 erhält man den
Innendruck
η−1 2
pi zul = σzul = 180 N/mm2 · = 120 N/mm2 .
η 3
Dies ist eine Steigerung von 50 % gegenüber dem Behälter im Beispiel 11.1. Somit sind die
Randspannungen

σri = −120 N/mm2 , σti = 150 N/mm2 , σta = 30 N/mm2 , σl = 15 N/mm2

ebenfalls um 50 % größer als in Bsp 11.1. Mit σV = σti − σri = 270 N/mm2 erreicht dann
die Beanspruchung am Innenrand gerade die Fließgrenze des Werkstoffs.

Die zur Zeit gültigen Berechnungsgleichungen für zylindrische Hohlkörper un-


ter Innendruck sind in DIN 2 413, den AD (Arbeitsgemeinschaft Druckbehälter)-
Merkblättern B 1 und B 10 sowie den W. u. B. (Werkstoff- und Bauvorschriften für
Dampfkessel) wiedergegeben. Sie sind in Tabelle 11.3 zusammengestellt und leiten
sich aus den Näherungsgleichungen für die Vergleichsspannung in der oben ge-
schilderten Weise her (s. 1. Spalte). So sind z. B. auch die Kurven IIb bzw. IIb/β im
Abb. 11.5 aus der Berechnungsgleichung für dünnwandige Behälter mit dem mitt-
leren Radius rm , anstatt mit ri entwickelt. Da die Gleichung IIb, wie aus Abb. 11.5
ersichtlich, für η > 1, 6 zu hohe Innendrücke ergibt, wird mit einem Faktor 1/β
niedriger gewählt, wobei β = 0, 6 + 0, 25η ist. Bei einer Mindestsicherheit 1,7 bleibt
die Kurve IIb/β1, 7 auch für eine größeres Durchmesserverhältnis η als 1,6 immer
11.2 Dickwandige zylindrische Behälter unter Innen- und Außendruck 357

unterhalb der Grenzkurve I für den Fließbeginn. Die aus dieser Kurve entwickelten
Gleichungen werden also bei Behältern mit größeren Wanddicken angewendet.
Im Beispiel 11.2 b wird demnach mit η = 3, β = 1, 35 sowie

σzul = 270 N/mm2 /1, 7 = 159 N/mm2

der zulässige Innendruck

2 1
pi zul = 2 · 159 N/mm2 · · = 118 N/mm2 .
4 1, 35

Dies ist allerdings nur wenig unter 120 N/mm2 .


Die mit IIc bezeichnete Kurve in Abb. 11.5 berücksichtigt als einzige die Gestalt-
änderungsenergie-Hypothese. Die Näherungsgleichung für die Vergleichsspannung
enthält hier jedoch auch die Radialspannung (s. Tabelle 11.3).
Die Darstellung der verschiedenen Berechnungsgleichungen im Abb. 11.5 ge-
stattet eine allgemeine Aussage über die Größenverhältnisse zylindrischer Druck-
behälter. Aus dem Kurvenverlauf ist ersichtlich, dass es unwirtschaftlich ist, das
Durchmesserverhältnis viel größer als η = 2 . . . 4 zu wählen. Eine wesentliche Stei-
gerung des Innendrucks ist dann nur noch durch Erhöhung der Werkstofffließgrenze
möglich. Aber auch hier sind Grenzen gesetzt. Im nächsten Abschnitt soll gezeigt
werden, wie man durch konstruktive Maßnahmen auch bei gleichen Abmessungen
eine Erhöhung des Innendrucks erreichen kann.

11.2.4 Mehrlagenbehälter - Schrumpfverbindungen

Ein weiterer Weg zum Erreichen hohen Innendrucks besteht darin, Behälter aus
zwei oder mehreren Teilen (Lagen) zu fertigen, die gegeneinander vorgespannt sind.
Auf einen inneren geschlossenen Behälter können z. B. eine oder mehrere Lagen
Stahlband warm aufgewickelt oder einzelne Ringe aufgeschrumpft werden. Beim
Erkalten erzeugen diese wegen der behinderten Wärmedehnung Schrumpfspannun-
gen, denen sich dann die Betriebsspannungen durch den Innendruck überlagern.
Am Beispiel eines aus zwei Lagen bestehenden Behälters wollen wir die Pro-
blemstellung und den Rechnungsgang erläutern. Durch das Aufschrumpfen eines
oder mehrerer äußerer zylindrischer Ringe auf einen inneren Zylinderbehälter er-
zeugt man in beiden Teilen eine Vorspannung infolge der in der Trennfuge herr-
schenden Pressung p (s. auch Abschnitt 2.4.4, Abb. 2.23 und Aufgabe 2.12). Das
innere Rohr steht somit unter Außendruck p, das äußere entsprechend unter In-
nendruck p. Dieser Vorspannung wird die Spannung aus dem Betriebsdruck pi als
Innendruck im inneren Rohr überlagert. Dabei stellt man sich beide Teile als ein
ganzes Rohr vor. Man addiert dann die Spannungen aus der Vorspannung und aus
dem Innendruck pi .
358 11 Rotationssymmetrischer Spannungszustand in Scheiben

Beispiel 11.3 (Druckbehälter).


Ein geschlossener zylindrischer Druckbehälter (Innendurchmesser di = 80 mm,
Außendurchmesser d1 = 144 mm) soll dem Innendruck pi = 180 N/mm2 ausge-
setzt werden. Zur Verstärkung werden einzelne kurze Ringe (Innendurchmesser
d1 = 144 mm, Außendurchmesser da = 240 mm) aufgeschrumpft (Abb. 11.6), die
Pressung zwischen Ring und Behälter ist p.
a) Wie groß muss die Pressung p gewählt werden, damit im Betriebszustand die Be-
anspruchung der Ringe gerade die Fließgrenze Re = 270 N/mm2 des Werkstoffs
erreicht?
b) Für diesen Fall sind die Spannungen im Behälter und im Ring zu berechnen und
zeichnerisch darzustellen.
Lösung 11.3
a) Die Randspannungen entnimmt man der Tabelle 11.1 unter Verwendung der Durchmesser-
verhältnisse

ηi = d1 /di = 1, 8, ηa = da /d1 = 5/3, η = da /di = 3 .

Die Pressung p wirkt auf den äußeren Ring wie ein Innendruck“. Am Innenrand des Ringes

gilt also
  η2 + 1
σr1 = −p, σt1 = p a2 .
ηa − 1
Für beide Teile als ein Ganzes ist mit r = r1 bei Betriebsdruck pi

 η2a − 1  η2a + 1
σr1 = −pi , σt1 = pi .
η2 − 1 η2 − 1

Durch Überlagerung erhält man die Gesamtspannungen

  η2a − 1
σr1 = σr1 + σr1 = −p − pi ,
η2 − 1
 
  p pi
σt1 = σt1 + σt1 = (η2a + 1) + .
η2a − 1 η2 − 1
Nunmehr ergibt sich die Vergleichsspannung an der Innenseite des Ringes (nach M OHR )

η2a η2a
σV = σt1 − σr1 = 2p + 2pi .
ηa − 1
2 η −1
2

Mit σV = Re kann somit die Pressung p aus obiger Gleichung berechnet werden

η2a − 1 η2 − 1 16 16
p = 0, 5Re − pi a2 = 135 N/mm2 · − 180 N/mm2 · = 46,4 N/mm2 .
ηa2 η −1 25 9·8

pi
da
d1
di

Abb. 11.6 Zylindrische


Druckbehälter mit
Verstärkungsringen
11.2 Dickwandige zylindrische Behälter unter Innen- und Außendruck 359

Tabelle 11.4 Berechnung der Spannungsverteilung (zu Beispiel 11.3)


Spannungen in N/mm2
Innenrohr Außenring
 =0
σri  = −46,4 σ  = −46,4 σ  = 0
σr1 r1 ra
 = −180 σ  = −40
σri  = −40
σr1 σra = 0
r1
σri = −180 σr1 = −86,4 σr1 = −86,4 σra = 0
 = −134,2 σ  = −87,8 σ  = 98,6
σti σta = 52,2
t1 t1
 = 225
σti  = 85
σt1  = 85
σt1 σta = 45

σti = 90,8 σt1 = −2,8 σt1 = 183,6 σta = 97,2

b) Mit den Gleichungen der Tabelle 11.1 erhält man die Spannungsverteilung im inneren Behälter
für ri  r  r1
   2 
η2 r2 1 ra
σr = σr + σr = −p 2 i 1 − i2 − pi 2 − 1 ,
ηi − 1 r η − 1 r2
   2 
η2i r2i 1 ra
σt = σt + σt = −p 1 + + pi 2 + 1 ,
η2i − 1 r2 η − 1 r2
im äußeren Ring für r1  r  ra
   2 
1 r2a 1 ra
σr = σr + σr = −p − 1 − pi 2 − 1 ,
η2a − 1 r2 η − 1 r2
   2 
1 r2a 1 ra
σt = σt + σt = p + 1 + pi + 1 .
η2a − 1 r2 η2 − 1 r 2
Die Randspannungen sind in Tabelle 11.4 zusammengestellt, die Verteilung der Spannungen
ist in Abb. 11.7 aufgezeichnet. Die durch den Innendruck bewirkte Längskraft muss von dem
inneren Behälter allein aufgenommen werden, somit ist die Längsspannung

1 1
σ1 = pi = 180 N/mm2 · = 80,4 N/mm2 .
η2i − 1 2, 24

Die Beanspruchung des Behälters, gegeben durch die größte Hauptspannungsdifferenz nach
der M OHR ’schen Hypothese am Innenrand, ist

σV = σti − σri = 90,8 N/mm2 + 180 N/mm2 = 270,8 N/mm2 .

Sie liegt gegenüber der Beanspruchung des Ringes weiter im Druckbereich und hat den glei-
chen Betrag. Wären Behälter und Ring aus einem Stück gefertigt, würde die Beanspruchung

σV = σti
 
− σri = 225 N/mm2 + 180 N/mm2 = 405 N/mm2

betragen. Das Aufschrumpfen der Ringe auf den Behälter führt also zu einem wesentlich güns-
tigeren Beanspruchungsverlauf in dickwandigen Behältern.

Zum Schrumpfen eines Ringes z. B. (Durchmesser d1 und da , ηa = da /d1 ) auf


ein Rohr (Durchmesser di und d1 , ηi = d1 /di ) mit der Pressung p ist ein bestimm-
tes Übermaß zwischen Innendurchmesser des Ringes und Außendurchmesser des
Rohres erforderlich (2.31). Dieses Übermaß oder Schrumpfmaß erhält man aus der
Beziehung
ΔdS = |dd(1) | + |dd(2)| .
360 11 Rotationssymmetrischer Spannungszustand in Scheiben

Hier ist Δd(1) die Durchmesseränderung des äußeren Ringes (1) unter dem Innen-
druck p und Δd(2) die des inneren Rohres (2) mit dem Außendruck p. Man erhält
sie aus den Gln. (11.13) und (11.17). Sind E1 und E2 die Elastizitätsmoduln der
beiden Werkstoffe für Ring und Rohr, ist
p 1
Δd(1) = d1 [η2 (1 + ν) + 1 − ν],
E1 η2a − 1  a 
p η2i 1
Δd(2) = d1 (1 + ν) + 1 − ν
E2 η2i − 1 η2i

und das Schrumpfmaß


  2   
1 ηa + 1 1 η2i + 1
ΔdS = d1 p +ν + −ν . (11.38)
E1 η2a − 1 E2 η2i − 1

Bei gleichem Werkstoff, also mit E1 = E2 = E, hebt sich die Querkontraktionszahl


ν heraus, und die Gleichung lautet
 
p η2a + 1 η2i + 1
ΔdS = d1 + . (11.39)
E η2a − 1 η2i − 1

200
σt


160 σt

120
σ in N/mm2

σl
80 σ
t
σt

40
Abb. 11.7 Spannungsverteilung
in dem durch aufgeschrumpf-
te Ringe verstärkten 0
20 40 60 80 100 120
Druckbehälter aus Beispiel σ
r in mm
11.3 (dünne Volllinie σr , −40
r 
σr
σt Spannungen infolge
σ 

r
r

Schrumpfpressung p, Strich-
−80 
linie σr , σt Spannungen σt
infolge Innendrucks pi
ohne Schrumpfpressung, −120
dicke Volllinie σr , σt
resultierende Spannungen, σl −160
Längsspannungen im inneren
Behälter)
11.3 Aufgaben zu Kapitel 11 361

Die beiden vorstehenden Gleichungen können auch angewendet werden, wenn eine
Nabenverbindung mit einer Hohlwelle zu berechnen ist. Häufig ist ein Ring (Nabe)
auf eine Vollwelle zu schrumpfen. Unter dem Einfluss der Pressung p sind in einer
Vollwelle mit dem Durchmesser dW Radial- und Tangentialspannung gleich groß

σr = σt = −p .

Somit ergibt sich die Durchmesseränderung der Welle

dW dW
Δd(2) = dW εt = (σt − νσr ) = p(1 − ν) .
E E
Mit dW ≈ d1 erhält man somit das Schrumpfmaß
  2  
1 ηa + 1 1
ΔdS = d1 p + ν + (1 − ν) . (11.40)
E1 η2a − 1 E2

Bei gleichem Werkstoff ist

p 2η2a
ΔdS = d1 . (11.41)
E η2a − 1

Für den Behälter im Beispiel 11.3 soll das notwendige Schrumpfmaß für die Pres-
sung bei einem Druck von p = 46,4 N/mm2 berechnet werden. Mit den dort
angegebenen Zahlenwerten und E = 2,1 · 105 N/mm2 für Stahl erhält man aus
Gl. (11.39)2
 
144 mm · 46,4 N/mm2 34/9 4, 24
ΔdS = + = 0,128 mm.
2,1 · 105 N/mm2 16/9 2, 24

11.3 Aufgaben zu Kapitel 11

Aufgabe 11.1 (Einspritzpumpe). In Einspritzpumpen für Dieselmotoren kommen


Spitzendrücke bis 100 N/mm2 vor.
a) Wie groß sind die Spannungen in den Einspritzleitungen (d1 = 3 mm, da = 6 mm)
bei dem Innendruck pi = 90 N/mm2 ?
b) Mit welchem Höchstdruck pi dürfen diese Rohrleitungen belastet werden, wenn
die Innenwand gerade bis an die Fließgrenze Re = 360 N/mm2 beansprucht wer-
den darf? Welche Sicherheit ergibt diese Rechnung nach den W. u. B. (Tabelle
11.4)?

2 Nicht zu vermeidende Fertigungstoleranzen können naturgemäß zu Maßabweichungen führen,

die Änderungen der errechneten Pressung p zur Folge haben. Darauf kann im Rahmen dieses
Buches nicht eingegangen werden.
362 11 Rotationssymmetrischer Spannungszustand in Scheiben

Aufgabe 11.2 (Pressenzylinder). Drei Pressenzylinder mit jeweils gleichem Innen-


durchmesser di = 200 mm sollen für die Druckstufen

pi1 = 57 N/mm2 , pi2 = 82,5 N/mm2 , pi3 = 100 N/mm2

entworfen werden, Werkstoff Stahl mit σzul = 200 N/mm2 .


a) Die erforderlichen Außendurchmesser da sind nach DIN 2 413 (I u. II a) (Tabelle
11.4) zu berechnen. Wie groß sind die tatsächlichen Vergleichsspannungen nach
der M OHR’schen Hypothese?
b) Wie groß würden sich die Außendurchmesser aus der Gleichung des elastischen
Spannungszustands nach der GE-Hypothese ergeben? Welche Masseersparnis
bringt die Rechnung nach a)?
Aufgabe 11.3 (Hochdruckbehälter). Ein zylindrischer Hochdruckbehälter besteht
aus einem inneren Teil aus Kupfer mit di = 100 mm; d1 = 120 mm; ηi = 1, 2;
ECu = 1,25 · 105 N/mm2 sowie einem äußeren Teil aus Stahl (d1 = 120 mm;
da = 180 mm; ηa = 1, 5; ESt = 2,1 · 105 N/mm2 ), die ohne Spiel und ohne Zwang
aufeinander gefügt sind. Aus der allgemeinen Lösung für dickwandige Hohlzylin-
der unter Innendruck ermittle man die Spannungsverteilung für den Innendruck
pi = 150 N/mm2 (Querzahl νCu = νSt = 0, 3).
Anleitung:
c2,4 c2,4
σr = c1,3 + 2 , σt = c1,3 − 2 ,
r r
Indizes 1 und 2 für Kupferrohr, 3 und 4 für Stahlrohr. Die Randbedingungen lauten:
für r = ri ist σr = −pi ; für r = r1 sind σrCu = σrSt und εtCu = εtSt ; für r = ra ist
σr = 0.
Aufgabe 11.4 (Hochdruckbehälter). Ein Hochdruckbehälter besteht aus drei in-
einander geschrumpften Rohren aus Stahl mit den Durchmessern di = 40 mm;
d1 = 60 mm; d2 = 120 mm; da = 180 mm.
a) Zu ermitteln ist der maximale Innendruck pi und die Schrumpfdrücke p1 zwi-
schen innerem und mittlerem Rohr und p2 zwischen mittlerem und äußerem
Rohr, wenn die Vergleichsspannungen nach der M OHR’schen Hypothese an den
Innenwänden der drei Rohre jeweils σV = 400 N/mm2 betragen dürfen? Man
berechne die jeweiligen Randspannungen.
b) Wie groß ist die Vergleichsspannung bei gleichem Innendruck in einem ungeteil-
ten Rohr mit gleichem Innen- und Außendurchmesser wie oben?
Anleitung: Man berechne die Spannungen durch Überlagerung in jedem der drei
Rohre
σ = σ  + σ  .
σ  sind die Spannungen in den Teilrohren, inneres Rohr unter Außendruck p1 , mitt-
leres Rohr unter Innendruck p1 und Außendruck p2 , äußeres Rohr unter Innendruck
p2 . σ  sind die Spannungen im ungeteilten Rohr unter Innendruck pi (s. auch Bei-
spiel 11.3). Man führe ein: ηi = d1 /di ; η1 = d2 /d1 ; ηa = da /d2 und η = da /di .
Anhang A
Lösungen zu den Aufgaben

A.1 Kapitel 2

Lösung der Aufgabe 2.1


σ = 140 N/mm2 , F = 280 N, Δh = 0,06 mm
Lösung der Aufgabe 2.2
228 Einzeldrähte
Lösung der Aufgabe 2.3
a) äußere Drähte: σ = 149 N/mm2 , Δl = 4,97 mm,
innerer Draht: σ = 239 N/mm2 , Δl = 7,97 mm,
b) äußere Drähte: σ = 209 N/mm2 , Δl = 6,97 mm,
innerer Draht: σ = 119 N/mm2 , Δl = 3,97 mm
Lösung der Aufgabe 2.4
Stahlzylinder σ = −120 N/mm2 , Graugussrohr σ = −72 N/mm2 ,
F = 253 kN, σ = −293 N/mm2 .
Ja, da diese Spannung weit unter der Druckfestigkeit von Grauguss liegt (σdB > 500 N/mm2 ).
Lösung der Aufgabe 2.5
Lösungsweg wie in Beispiel 2.11 mit α = 0 und l1 = l2 . Verlängerung Δl = 2,62 mm
Aluminiumstange: σ = 68 N/mm2 , Stangenkraft 12 kN,
Stahlstange: σ = 204 N/mm2 , Stangenkraft 16 kN
Lösung der Aufgabe 2.6
Gewindegröße M 24
Lösung der Aufgabe 2.7
a) σ(1) = 120 N/mm2 , FS1 = 75 kN,
b) F = 56 kN (Abb. A.1 a),
c) FS2 = 94 kN, σ(2) = 25,2 N/mm2 ,
d) Δl1 = 1,8 mm, dl2 = 1,8 mm, vK = 3,5 mm (Abb. A.1 b)
Lösung der Aufgabe 2.8
σ = 100 N/mm2
Lösung der Aufgabe 2.9
7 650 min−1

363

G. Holzmann et al., Technische Mechanik Festigkeitslehre, DOI 10.1007/978-3-8348-8101-4,


© Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
364 A Lösungen zu den Aufgaben

Abb. A.1 Kranausleger a) b)


K Δl1
a) Kräfteplan für den
Δl2
Knoten K FS1 FS2
b) Verschiebungsplan
vK

10 kN 1 mm

Lösung der Aufgabe 2.10


di = 1 798 mm, Δϑ = 93 K, p = 13,3 N/mm2
Lösung der Aufgabe 2.11

a) dw = 250,54 mm,
b) di = 249,775 mm,
c) σ = 108 N/mm2 , p = 8,64 N/mm2
Lösung der Aufgabe 2.12
1. a) 170 bzw. 85 N/mm2 ,
b) 0,56 mm,
c) 103 K,
2. 340 bzw. 170 N/mm2 ,
3. 297 N/mm2
Lösung der Aufgabe 2.13
a) Mit der Anleitung in Abschnitt 2.4 und den Bezeichnungen von Abb. 2.23 ist
 
σAl σSt
ΔdS = Δd1 + Δd2 = d0 +
EAl ESt

Aus den Gln. (2.25) und (2.26) werden die Spannungen in der obigen Gleichung durch die
gemeinsame Pressung p ersetzt, die man nummehr aus den gegebenen Größen berechnen kann:
p = 7,5 N/mm2 .
b) Im Ring σAl = 37,5 N/mm2 , in der Buchse σSt = −150 N/mm2 .
c) Zum Erwärmen des Ringes Δϑ = +52 K, zum Unterkühlen der Buchse Δϑ = −104 K. Das
Anwärmen des Ringes ist sinnvoller und einfacher durchzuführen.
Lösung der Aufgabe 2.14
Fzul = 12,55 kN, Verlängerung unter Eigengewichtskraft 14,8 cm, unter Last 12,55 kN ist die
Verlängerung 33,9 cm
Lösung der Aufgabe 2.15

a) Querschnittsfläche A = 90,9 · 104 mm2 , a = 960 mm,


b) 46%,
c) d = 163 cm,
d) Mit F.G = γAx. erhält man die Eigengewichtskraft FG durch Integration

h γ(h−x)
FG = γAx. mit A = A0 e σzul
und l = h.
0
A.3 Kapitel 4 365

A0 = 62,5 · 104 mm2 , a0 = 790 mm, A1 = 85,5 · 104 mm2 , a1 = 925 mm, Eigengewichtskraft
36, 7%

A.2 Kapitel 3

Lösung der Aufgabe 3.1


1. a) 2, 26,
b) 1, 67,
c) 1, 44,
2. a) ±19,2 kN,
b) 14 ± 14 kN
Lösung der Aufgabe 3.2
a) F = ±17,7 kN,
b) F = 7, 3 ± 14,6 kN,
c) F = 12, 3 ± 12,3 kN,
d) F = 20, 25 ± 6,75 kN
Lösung der Aufgabe 3.3
σSch = 310 N/mm2 ,
1. SD = 2,
2. Fzul = 94 ± 94 kN
Lösung der Aufgabe 3.4
1. F = 25 kN,
2. σn = 162 N/mm2 , σwirksam = 235 N/mm2 , σW = 180 N/mm2 ,
ein Dauerbruch war nicht zu vermeiden
3. ca. 28 cm Durchmesser
Lösung der Aufgabe 3.5
Zum Zeichnen des Verspannungsschaubilds A.2 werden benötigt
Fn = pd0 = 300 N/mm, FB = pi di = 380 N/mm, ΔdAl = 0,021 mm, ΔdSt = 0,029 mm
Pressung im Aluminiumring , p0 = 12,9 N/mm2 ,
Spannungen σ = σm ± σa = 51 ± 13,5 N/mm2 , mit σA = 50 N/mm2 ist SD = 2, 31,
Restpressung pV in der Stahlbuchse 3,4 N/mm2 , Spannungen σ = −68 N/mm2 , ohne Schrump-
fung σ = +190 N/mm2

A.3 Kapitel 4

A.3.1 Abschnitt 4.1

Lösung der Aufgabe 4.1


a) Iy = 15,21 · 107 mm4 < 10,50 · 104 mm4 >, Iy = 6,47 · 107 mm4 < 1,72 · 104 mm4 >,
b) Ia = 1,63 · 107 mm4 < 0,71 · 104 mm4 >, IpS = 3,26 · 107 mm4 < 1,42 · 104 mm4 >,
c) Ia = 3,58 · 107 mm4 < 12,76 · 104 mm4 >, IpS = 7,16 · 107 mm4 < 25,52 · 104 mm4 >
366 A Lösungen zu den Aufgaben

Abb. A.2 Verspannungsschaubild

pi di = 380 N/mm
p0 d0 = 510 N/mm
pd0 = 300 N/mm

136 N/mm
pV d0 =
ΔdAl ΔdSt

Lösung der Aufgabe 4.2


Für Halbkreisring ist

2 d3a − d3i
γS = = 16,1 mm, Iy = 25,5 · 104 mm4 , Iη = 5,1 · 104 mm4
3π d2a − d2i

Lösung der Aufgabe 4.3 √ √


Die Diagonale a teilt das Quadrat in zwei Dreiecke: für ein Dreieck (b = 2a, h = 2a/2) ist
(Tabelle 4.1) Ia = bh /12 = a /24, für das Quadrat ist demnach Ia = 2a /24 = a4 /12 = Iy
3 4 4

Lösung der Aufgabe 4.4


zS = 198 mm, Iy = 15,8 · 108 mm4 , Iz = 2,7 · 108 mm4
Lösung der Aufgabe 4.5
zS = 129 mm, Iy = 6,66 · 107 mm4 , Anteil des Flächenmoments 17, 5%, der Masse 30%
Lösung der Aufgabe 4.6
di = 136 mm, da = 170 mm
Lösung der Aufgabe 4.7
Iy − Iz
(a + ey )2 = + e2z (Iy und Iz aus Profiltafel [22]), 2a = 142 mm
A
Lösung der Aufgabe 4.8
a) Iy = 1 584 cm4 , Iz = 466 cm4 , Iyz = 624 cm4 , ϕ1 = −α = −24, 1◦ , I1 = 1 864 cm4 , I2 =
186 cm4 (Abb. A.3 a),
b) Iy = 1 923 cm4 , Iz = 856 cm4 , Iyz = 180 cm4 , ϕ1 = −α = −9, 35◦ , I1 = 1 952 cm4 , I2 =
827 cm4 , yS = 43,6 mm, zS = 78,6 mm (Abb. A.3 b),
c) Iy = 41,25 cm4 , Iz = 13,13 cm4 , Iyz = −11,63 cm4 , ϕ1 = α = 19, 8◦ , I1 = 45,44 cm4 ,
I2 = 8,94 cm4 , yS = 13,3 mm, zS = 23,3 mm (Abb. A.3 c)
A.3 Kapitel 4 367

a) b) c)
z w z w z w

v
y y

S S y
S
v
v

Abb. A.3 Querschnitte mit Koordinatensystemen

A.3.2 Abschnitt 4.2

Lösung der Aufgabe 4.9


a) Wb = 444 · 103 mm3 ,
b) z1 = 66 mm, z2 = 94 mm, Wb1 = 295 · 103 mm3 , Wb2 = 207 · 103 mm3 ,
c) z1 = 86,7 mm, z2 = 73,3 mm, Wb1 = 317 · 103 mm3 , Wb2 = 375 · 103 mm3
d) z1 = 136 mm, z2 = 139 mm, Wb1 = 555 · 103 mm3 , Wb2 = 545 · 103 mm3
Lösung der Aufgabe 4.10
a) 1. σb = 50 N/mm2 ,
2. σb = 53, 5 bzw. 84,5 N/mm2 ,
b) da = 102 mm bzw. 120 mm, di = 51 bzw. 96 mm (Abb. A.4),
c) Masseersparnis nach a) 25% bzw. 64%, nach b) 22% bzw. 48%, Zunahme der Randspannungen
nach a) 7% bzw. 69%, nach b) 0%

a) b) c)
50 N/mm2 σb 53,5 N/mm2 σb 84,5 N/mm2 σb

67,5 N/mm2
21,75 N/mm2
∅100

∅100

∅100
∅80
∅50

z z z
Abb. A.4 Biegespannungsverlauf
a) in der Vollwelle
b) in einer Hohlwelle mit großer Wandstärke
c) in einer Hohlwelle mit kleiner Wandstärke
368 A Lösungen zu den Aufgaben

Lösung der Aufgabe 4.11


a) a = 64 mm, Mb zul = 6,1 · 106 Nmm,
b) h = 90 mm, b = 45 mm, Mb zul = 8,5 · 106 Nmm,
c) d = 72 mm, Mb zul = 5,15 · 106 Nmm,
d) I, 220 Mb zul = 39 · 106 Nmm,
e) L 130 × 75 × 10, Mb zul = 11 · 106 Nmm,
f) da = 120 mm, di = 96 mm, Mb zul = 14 · 106 Nmm .
Tragfähigkeit, bezogen auf den Kreisquerschnitt, bei a) 1, 18, b) 1, 65, c) 1, d) 7, 57, e) 2, 14,
f) 2, 72fach. Die Kreiswelle als übliche Querschnittsform im Maschinenbau für Hebel, Wellen
usw. hat die geringste Tragfähigkeit. Die Werkstoffausnutzung ist um so besser, je weiter das
Material von der Nulllinie entfernt liegt. Also Hohlwellen im Maschinenbau, Bauprofile im
Stahl- und Hochbau verwenden (Leichtbau).
Lösung der Aufgabe 4.12
a) qzul = 600 N/m,
b) Fzul = 10 · 104 N
Lösung der Aufgabe 4.13
z1 = 57,5 mm, Iy = 2 875 mm4 , σbd = 40 N/mm2 , σbz = 99 N/mm2 (Abb. A.5)

−40 N/mm2 σb

Abb. A.5 Biegespannungsverlauf 99 N/mm2


im T-Trägerquerschnitt z

Lösung der Aufgabe 4.14


a) σb = 145 N/mm2 ,
b) da = 57 mm, di = 40 mm,
c) 39%
Lösung
der Aufgabe 4.15
l= dσF /ρ = 7,3 m

Lösung der Aufgabe 4.16


a) h(x) = h0 x/l, Gerade, Abb. A.6 a)
b) b(x) = b0 x2 /l2 , Parabel, Abb. A.6 b)
A.3 Kapitel 4 369

Abb. A.6 Formgebung von a) b0


Freiträgern nach Abb. 4.50

h(x)
mit gleichmäßig verteilter
Last q für gleiche Biegebe-

h0
anspruchung, Begrenzung der x
Längsschnitte
a) Gerade Linien l
b) Parabel

b) h0

b(x)

b0
x

Lösung der Aufgabe 4.17


a) Aus der Tabelle in [22] für I-Stahl erhält man Wb = 54,7 cm3 , mit einer Lasche ist Wb1 =
117 cm3 , mit zwei Laschen Wb2 = 184 cm3 :
 
ql2 x  x 2 ql2
Mb (x) = − , Mb max = = 225 · 105 Nmm, σb max = 122 N/mm2 .
2 l l 8

Für eine zeichnerische Lösung ist die folgende Parabel darzustellen


 
Mb (x) Mb (x) x  x 2
Wb (x) = = Wb2 = = Mb2 4 − .
σb max Mb max l l

Die diese Parabel schneidenden, zur x-Achse parallelen Geraden im Abstand Wb und Wb1
ergeben die gesuchten Längen: l1 ≈ 2 500 mm, l2 ≈ 1 800 mm (Abb. A.7 a).

a) 0 0, 5 1 x/l b) x/l
Wb /4Wb2
Wb1 /4Wb2

100 σb max
Wb2 /4Wb2

Mb max /Wb1
200
σb Rand [N/mm2 ]

300
Wb /4Wb2

Mb max /Wb
400

l2 /l = 0, 6
l1 /l = 0, 83

Abb. A.7 Trägers annähernd konstanter Biegebeanspruchung nach Abb. 4.33


a) Widerstandsmomentlinie Wb (x)
b) Randspannungsverlauf
370 A Lösungen zu den Aufgaben

Rechnerische Lösung: Aus der Parabelgleichung folgt die quadratische Gleichung für x
 x 2 x 1 Wb (x)
− − =0
l l 4 Wb2
mit der hier brauchbaren Lösung


x 1 Wb (x)
= 1− 1− .
l 2 Wb2

Da  
x1,2 1 l1,2
= 1−
l 2 l
ist (Abb. A.7 a), ergibt sich

Wb Wb1
l1 = l 1 − = 0, 84l = 2,52 m, l2 = l 1− = 0, 6l = 1,80 m .
Wb2 Wb2

b) Abb. A.7 b
c) σb = 410 N/mm2 , der Träger würde diese Spannung nie erreichen, da das Material vorher
fließt.
d) I 200, Wb = 214 cm3 , σb = 105 N/mm2 ,
e) 7, 7%

A.3.3 Abschnitt 4.3

Lösung der Aufgabe 4.18


Iy = 7,8 · 107 mm4 , Iz = 4,45 · 107 mm4 , Iyz = 0 mm4 , FS = 2 kN, α = 60◦ , β = 18, 25◦ ≈ 18◦
(Abb. A.8)

Null
linie

α = 60◦
mm

z
β= 18◦
140

S
e
ben
ste
La

Abb. A.8 Nulllinie und


Lastebene des Gittermastes y

Lösung der Aufgabe 4.19


β = 40, 1◦ ≈ 40◦ , σb max = 123 N/mm2 (Abb. A.9)
Lösung der Aufgabe 4.20
Die Spur der Lastebene liegt um 21, 5◦ gegenüber der z-Achse nach rechts geneigt.
A.4 Kapitel 5 371
◦ β=
30
Abb. A.9 Nulllinie und Las- α= 40 ◦
tebene des Freiträgers

y
S

La
ste
ie
67

in

ben
m

lll
m

Nu

e
z

Lösung der Aufgabe 4.21


a) Iy = 24,9 · 106 mm4 , Iz = 8,7 · 106 mm4 , Iyz = 8,1 · 106 mm4 , α = 22, 5◦ ,
I1 = 28,25 · 106 mm4 , I2 = 5,35 · 106 mm4 , β = 14, 35◦ ,
Zug 143 N/mm2 links oben, 138,5 N/mm2 rechts unten,
b) Zug 76 N/mm2 links oben, 90 N/mm2 rechts unten

A.3.4 Abschnitt 4.4

Lösung der Aufgabe 4.22


αK = 2, 46, SD = 1, 65
Lösung der Aufgabe 4.23
a) Fa,zul = 200 N,
b) βK = 2, 08, βK σn = 420 N/mm2 zulässige Spannung überschritten,
c) 135 mm
Lösung der Aufgabe 4.24
a) Mb1 = 40 · 106 Nmm, Mb2 = 40 · 106 Nmm,
b) h = 970 mm .
c) Mit der Zugschwellfestigkeit σz Sch = 220 N/mm2 und σwirksam = 105 N/mm2 ist SD = 2, 1 .

A.4 Kapitel 5

Lösung der Aufgabe 5.1


s. Tabelle 5.1
Lösung der Aufgabe 5.2
Fl3  x 2 Fl3 Fl2  x  Fl2
I0 = b0 h30 /12, w(x) = 1− ,f = , w  (x) = − 1 , tanα = −
2EI0 l 2EI0 EI0 l EI0
372 A Lösungen zu den Aufgaben

Lösung der Aufgabe 5.3


Aus Abb. 4.21 a) entnimmt man F1 = F = 2 000 N, F2 = F3 = 5F, l = 750 mm, l2 = 450 mm,
l3 = 200 mm, l2 /l = 3/5, l3 /l = 4/15, dann ist
   
l2 l3 91 Fl3
f = f11 + f21 + tan α21 l 1 − + f31 + tan α31 l 1 − =− 4 = −0,505 mm,
l l 3 · 5 EI

2 Fl2
tan α = tan α11 + tan α21 + tanα31 = = 0,000 665, α = 0, 0381◦
32 EI
Lösung der Aufgabe 5.4
a)
l3  a Fl3
f1 = F1 + F2 · 3 =3 ,
48EIa l 48EIa
l3 a ! a a " Fl3
f2 = − 3F1 + F2 · 16 1+ = −5, 74 ,
48EIa l l l 48EIa
7 13 7 8
FA = F, FB = − F, Mb F1 = Fl, Mb B = Fl,
6 6 12 12
b)
l3  a Fl3
f1 = F1 − F2 · 3 = −1 ,
48EIa l 48EIa
l3 a ! a a " Fl3
f2 = − 3F1 − F2 · 16 1+ = 3, 74 ,
48EIa l l l 48EIa
1 19 1 8
FA = − F, FB = F, Mb F1 = − Fl, Mb B = − Fl
6 6 12 12
Die Lastrichtung in b) ist mit Rücksicht auf die Durchbiegung günstiger, mit Rücksicht auf die Bie-
gemomente gleichwertig und mit Rücksicht auf die Lagerkräfte ungünstiger als die Lastrichtung
in a).
Lösung der Aufgabe 5.5
Der Ansatz f = fm (Tabelle 5.1, Zeile 6) ergibt die quadratische Gleichung
 a 2 3a 3
+ − =0
l 2 l 8
mit der brauchbaren positiven Lösung a/l = 0, 218, l = 458 mm, f = fm = 3,5 mm. Mit fm =
1 mm ist l = 245 mm und f = 2,08 mm.
Lösung der Aufgabe 5.6
f = 21,3 mm
Lösung der Aufgabe 5.7
ρ = 10 m, f = 333 mm, α = 6, 9◦
Lösung der Aufgabe 5.8
fy = 16,65 mm, fz = 7,5 mm, f = 11,65 mm

A.5 Kapitel 6

Lösung der Aufgabe 6.1


s. Beispiel 6.1
A.6 Kapitel 7 373

Lösung der Aufgabe 6.2


FA = FD = −(27/88)F = −1,35 kN,
FB = FC = (77/88)F = 3,55 kN, σb = 58,9 N/mm2 ,
fF = (17/44)Fl3 /48EI = 0,058 5 mm,
σb = 99,7 N/mm2
Lösung der Aufgabe 6.3
1. I 450
2. a) FC = 5ql/8 = 150 kN, σb = 44,1 N/mm2 ,

5ql/8
b) FC = = 1,491 · 105 N, σd = 19,3 N/mm2 , I 360
48hI
1+ 3
l A
Lösung der Aufgabe 6.4
a) FA = 1, 363F, MA = −0, 289Fl, FB = 1, 637F,
MB = −0, 343Fl, Mb F = 0, 052Fl, Mb 2F = 0, 203Fl,
b) FA = 0, 25F, FB = F, FC = F, FD = −0, 25F,
Mb (l/2) = Mb (5l/2) = 0, 125Fl, Mb (l) = Mb (3l) = −0, 25F
Lösung der Aufgabe 6.5
FA = 26,1 kN, FB = 84,2 kN, FC = 10,0 kN, gefährdeter Querschnitt in B σb = 104 N/mm

A.6 Kapitel 7

A.6.1 Abschnitt 7.1

Lösung der Aufgabe 7.1


a) d = 40 mm,
b) da = 44 mm, di = 33 mm (aufgerundet), 47%
Lösung der Aufgabe 7.2
d = 2 mm, l = 139 mm, W = 350 Nmm
Lösung der Aufgabe 7.3
a) τt = 285 N/mm2 , ϕ = 6, 7◦ ,
b) d = 38 mm, ϕ = 5, 2◦ , m /m◦ ≈ 2
Lösung der Aufgabe 7.4
α4 /(1 − α4 ), α2 (Abb. A.10)
Lösung der Aufgabe 7.5
a) τt = 225 N/mm2 bzw. 318 N/mm2 ,
b) l1 = 1 050 mm, ϕ = 6, 8◦ ,
c) W = 237 · 10 Nmm,
3 m /m◦ ≈ 3, 5
Lösung der Aufgabe 7.6
a) Mt = 1,47 · 107 Nmm,
b) ϑ = 1, 75◦ /m,
c) W = 224 · 103 Nmm
374 A Lösungen zu den Aufgaben

Abb. A.10 Schubspannungszunahme

1 Schubspannungszunahme in %
100

2 Masseersparnis in %
(1) und Masseersparnis (2)
in % in Abhängigkeit vom
Wanddik-kenverhältnis α 80

60

40
2
20
1

0 0, 2 0, 4 0, 6 0, 8 1, 0
Wanddickenverhältnis α

Lösung der Aufgabe 7.7


Kreis Kreisring Rechteck
a) d = 22 mm, da = 22 mm, di = 17 mm, h = 90 mm, s = 30,5 mm,
b) s = 27,2 mm, s = 25,6 mm, s = 30,5 mm,
c) c = 74 N/mm, c = 78 N/mm, c = 66 N/mm,
d) W = 272 · 102 Nmm, W = 256 · 102 Nmm, W = 305 · 102 Nmm
Massen verhalten sich wie 1, 65 : 1 : 3, 5 .
Lösung der Aufgabe 7.8
αk = 1, 93, SD = 1, 9, ϕ = 2, 3◦

A.6.2 Abschnitt 7.2

Lösung der Aufgabe 7.9


a) d = 3,1 mm, R = 7,75 mm, i = 49,5,
b) lE = 160 mm + Anschlussösen,
c) l ≈ 2 500 mm
Lösung der Aufgabe 7.10
a) s = 37,5 mm, c = 226 N/mm, τi = 198,5 N/mm2 ,
b) d = 2,1 cm, i = 10, τi = 169,5 N/mm2
Die Rechteckfeder ist etwa doppelt so schwer wie die beiden Kreisfedern.
Lösung der Aufgabe 7.11
a) Fzul = 8,8 kN (für eine Feder), s = 38,3 mm, lE = 298 mm,
b) a = 28,3 mm, R = 71 mm, i = 7, lE = 303 mm
Lösung der Aufgabe 7.12
szul = 20 mm, c = 33 N/mm, Fzul = 660 N, W = 66 · 102 Nmm
A.8 Kapitel 9 375

A.7 Kapitel 8

Lösung der Aufgabe 8.1


a) l = 51 cm,
b) τq max = 16,5 N/mm2
Lösung der Aufgabe 8.2
τs = 28,5 N/mm2 , s = 55 mm
Lösung der Aufgabe 8.3
d1 = 15 mm, τp max = 43,7 N/mm2
Lösung der Aufgabe 8.4
4, 7 m, 57 kN
Lösung der Aufgabe 8.5
a) 98,5 N/mm2 ,
b) 37 N/mm2 ,
c) 79 bzw. 24,5 N/mm2

A.8 Kapitel 9

A.8.1 Abschnitt 9.1

Lösung der Aufgabe 9.1


β = 5, 9◦ , u0 = 11,9 cm, σ = 102 N/mm2 in A, σ = −53 N/mm2 in B
Lösung der Aufgabe 9.2
z0 = 6,95 mm, σ = 97 N/mm2 , σ = −47 N/mm2
Lösung der Aufgabe 9.3
d = 11,9 mm, σd = 13,5 N/mm2 , σb = ±96,5 N/mm2
Lösung der Aufgabe 9.4


 
r20 ⎣ d/2 2 ⎦
λ = 8 2 1− 1− −1
d r0

oder umgeformt
 2
d/2
1− 1−
r0
λ=

 2 = 0, 0718 .
d/2
1+ 1−
r0
Da 1 + (Mby /Fn r0 ) = 1 − (Fr0 /Fr0 ) = 0, ist z0 = 0.

F F
σx (z = −d/2) = 13, 92 , σx (z = d/2) = 4, 64
A A
(Abb. A.11). Nach linearer Biegegleichung 9F/A bzw. −7F/A.
376 A Lösungen zu den Aufgaben

F/A
σx
14
12

bezogene Spannung
10 2
8
6
4
z/d
2 1
0, 25 0, 5
0
−0, 5 −0, 25 0
−2
−4
−6

Abb. A.11 Spannungsverteilung

A.8.2 Abschnitt 9.2

Lösung der Aufgabe 9.12


Abb. A.12
Zugseite 1: σ1 = 100 N/mm2 , σ2 = 0 N/mm2 , α = 45◦ ,
Druckseite 2: σ1 = 81 N/mm , 2
σ2 = −31 N/mm2 , α = 31, 7◦ ,
σb = 0 N/mm , 2
3: σ1 = 89 N/mm , 2
σ2 = −14 N/mm2 , α = 38, 5◦ ,
2 2
τ = 0 N/mm , Zugseite 4: σ1 = σ2 = 50 N/mm ,
τ = 0 N/mm2 , Druckseite 4: σ1 = 50 N/mm2 , σ2 = 0 N/mm2 , α = 0◦

σt

τ
σb −τ σb
σl
−σb σl −σb
−τ
τ

σt
Abb. A.12 Lösungsbild

Lösung der Aufgabe 9.13


σ1 = 180 N/mm2 , σ2 = −120 N/mm2 , α = 26, 5◦ ,
τmax = 150 N/mm2 , σ45◦ = −30 N/mm ,2
β = −18, 5◦
A.8 Kapitel 9 377

α = −19, 3◦
a
a
ε1 , σ 1 ε2 , σ 2 α = 19, 3◦
ε1 , σ 1
α  = 25, 7◦
α  = −25, 7◦
ε2 , σ 2

τ τ
σb σb

Abb. A.13 Lösungsbild

A.8.3 Abschnitt 9.3

Lösung der Aufgabe 9.7


1. 1 : 0, 05% − 0, 015%, 2 : 0, 0452% − 0, 0277%, 3 : 0, 0466% − 0, 0204%, 4 : 0, 0175%,
5 : 0, 025% − 0, 0075%
2. 0, 108% − 0, 087%
Lösung der Aufgabe 9.8
a) σ = Eε/(1 − ν), ε1 = ε2 = ε,
b) τ = Eε45◦ /(1 + ν), ε2 = −ε1 = ε45◦ ,
c) σ1 = Eε1 /(1 − ν/2), σ2 = Eε2 /(1 − 2ν), ε1 = (2 − ν)ε2 /(1 − 2ν)
Lösung der Aufgabe 9.9
A: B:
ε1 = 55,6 · 10−5 , ε1 = 27,6 · 10−5 ,
ε2 = −27,6 · 10−5 , ε2 = −55,6 · 10−5 ,
α = 19, 3◦ , α = −19, 3◦ ,
σ1 = 104 N/mm2 , σ1 = 24 N/mm2 ,
σ2 = −24 N/mm2 , σ2 = −104 N/mm2
Normalspannungen σx = σb = ±80 N/mm2 , Schubspannungen τ = 50 N/mm2 (Abb. A.13),
Biegemoment ca. 6 kNm, Drehmoment ca. 7,5 kNm
Lösung der Aufgabe 9.10
σ = 523 N/mm2 , Δda = 3,8 mm
Lösung der Aufgabe 9.11
σt = 16 N/mm2 , σl = 8 N/mm2 , pi = 0,4 N/mm2
378 A Lösungen zu den Aufgaben

A.8.4 Abschnitt 9.4

Lösung der Aufgabe 9.12


1. 1: σV(N) = σV(Sch) = σV(GE) = σ1 = 100 N/mm2 ,
2: 81/112/100 N/mm 2 ,
3: 89/103/96,7 N/mm2 ,
4 und 5: je 50 N/mm2 ,
2. 180/300/261,5 N/mm2
Lösung der Aufgabe 9.13
1: 150, 2: 159, 3: 160, 4: 151, 5: 139, 5, 6: 130, 7: 123,7 N/mm
Lösung der Aufgabe 9.14
123,7 N/mm2 , 154 kN, 830 Nm, 151,3 N/mm2 , −28,7 N/mm2 , 0,221 %, −0,112 %, 23, 6◦
Lösung der Aufgabe 9.15
1, 48fache Sicherheit (mit b0 = 0, 7) nach der GE-Hypothese
Lösung der Aufgabe 9.16
119 kW
Lösung der Aufgabe 9.17
a) 75 N/mm2 ,
b) 2,
c) 1,5 N/mm2
Lösung der Aufgabe 9.18
a) 55 N/mm2 , 86 Nm,
b) 57,5 Nm,
c) 103 N/mm2 bzw. −30 N/mm2 , 0, 053 bzw. −0, 029 %, 28 bzw. 118◦

A.9 Kapitel 10

Lösung der Aufgabe 10.1


dm = 200 mm, t = 10 mm
Lösung der Aufgabe 10.2
Fzul = 3,77 kN
Lösung der Aufgabe 10.3
a) Ierf = 154 mm2 U 80,
b) d = 27 mm
Lösung der Aufgabe 10.4
F = 175 kN
Lösung der Aufgabe 10.5
mind. 65 × 9 (σ = 137 N/mm2 )
Lösung der Aufgabe 10.6
σ = 92,9 N/mm2
A.10 Kapitel 11 379

Lösung der Aufgabe 10.7


t  0,875 mm
Lösung der Aufgabe 10.8
tD = 8 mm(7, 9), pBeul = 0,058 5 N/mm2

A.10 Kapitel 11

Lösung der Aufgabe 11.1


a) σri = −90 N/mm2 , σti = 150 N/mm2 , σV max = 240 N/mm2 ,
b) pi = 135 N/mm2 (11.30), mit β = 1, 1 ist nach W. u. B. σV = βpi rm /t = 222,5 N/mm2
Lösung der Aufgabe 11.2
a) da1 = 280 mm, da2 = 340 mm, da3 = 400 mm, σV = 233/252/267 N/mm 2 ,
b) da1 = 280 mm, da2 = 375 mm, da3 = 550 mm, 0%/25%/54%
Lösung der Aufgabe
 11.3

ESt η2i + 1 η2 + 1
Mit N = − μ + a2 + μ ist
ECu ηi − 1
2 ηa − 1

1 2pi ESt 2 1
c1 = pi − η = 0, 14pi ,
η2i − 1 N ECu i (η2i − 1)2
r2 2pi ESt 1
c2 = −pi 2 1 + = 0, 792pi r21 ,
ηi − 1 N ECu (η2i − 1)2
2pi ESt 1 1
c3 = = 0, 522pi ,
N ECu (η2i − 1)2 (η2a − 1)2
2pi r2a ESt 1 1
c4 = − = −0, 522pi r2a
N ECu (η2i − 1)2 (η2a − 1)2

im Kupferrohr im Stahlrohr
σri = −150 N/mm2 , σr1 = −98 N/mm2 ,
σti = 192 N/mm2 , σt1 = 254,5 N/mm2 ,
σr1 = −98 N/mm2 , σra = 0 N/mm2 ,
σt1 = 140 N/mm2 , σra = 156,5 N/mm2 ,
σV max = 342 N/mm2 , σV max = 352,5 N/mm2
Lösung der Aufgabe 11.4
a) Der Ansatz σV = σt − σr für die Innenwandungen der drei Teilrohre führt auf das Glei-
chungssystem
η2 η2
σV = −2p1 2 i + 2pi 2 ,
ηi − 1 η −1
η 2 η 2 2
η η 2
σV = 2p1 2 i − 2p2 2 1 + 2pi 21 a ,
ηi − 1 η1 − 1 η −1
η2 η2
σV = 2p2 2 a + 2pi 2 a
ηa − 1 η −1
380 A Lösungen zu den Aufgaben

mit den Lösungen


pi = 372,5 N/mm2 , p1 = 106,5 N/mm2 , p2 = 87 N/mm2
σri = −372,5 N/mm2 , σt1 = 27,5 N/mm2 ,
σr1 = −261,5 N/mm2 , σt1 = −84/138,5 N/mm2 ,
σr2 = −111 N/mm2 , σt2 = −12/289 N/mm2 ,
σra = 0 N/mm2 , σta = 178 N/mm2 ,
σV max = 785 N/mm2 ,
b) σV = 785 N/mm2
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Sachverzeichnis

Abscheren, 217, 238 Beulen, 6, 319, 334


Achse, 5, 130 Beulspannung, 334f.
Ausgangsquerschnitt, 18, 24 Bezugsachse, 80, 88f.
Ausschlagfestigkeit, 61, 66 Biegebalken, 10, 180
Außendruck, 40, 277, 336, 341 Biegebeanspruchung, 99, 103, 109, 188, 205,
Axialdruck, 334 238, 245, 260, 308f.
dynamische, 126
Balken, 5, 79, 99, 119, 141, 238 ruhende, 125, 127
Balkenachse, 79, 99, 101f., 119, 141 schwingende, 127
Baustahl, 18, 23, 308 Biegebruch, 245
Bauteile, 1 Biegedehngrenze, 125
Berechnung, 29 Biegefeder, 161, 164, 220, 331
ringförmige, 38 Biegefestigkeit, 126f., 245
rotationssymmetrische, 341 Biegefließgrenze, 125
Beanspruchung Biegelinie, 141f., 144, 321, 325
dynamische, 58, 217 Differentialgleichung 2. Ordnung, 144
einfache, 257 Differentialgleichung 4. Ordnung, 155
mehrachsige, 294, 303f. Biegemoment, 10, 79, 100, 125, 141, 173, 258,
ruhende, 58, 61, 217 267, 320
schwellende, 62 Biegemomentvektor, 119, 120, 168
schwingende, 58 Biegerandspannung, 104
statische, 58 Biegespannung, 28, 101f., 104, 109, 120, 123,
wechselnde, 62 125, 141, 161, 166, 235, 322
zusammengesetzte, 6, 109, 257, 303 maximale, 109
Beanspruchungsart, 2f. resultierende, 119
Behälter, 40, 277 Biegesteifigkeit, 144
dünnwandiger, 277 Biegeverformung, 141
kugelförmiger, 277 Biegung, 5, 79, 99, 173, 275
zylindrischer, 277, 344 allgemeine, 119
dickwandiger, 342 gerade, 99, 263
Belastungsfälle querkraftfreie, 100
einfache, 29 reine, 100, 252
Belastungskollektiv, 59 schiefe, 119, 168
Bemessung, 68, 105, 113, 165, 203, 222, 227, Blattfeder, 104, 163
349 geschichtete, 116
B ERNOULLI , 102 B OLTZMANN , 200
Beuldruck, 336 Bruch, 24, 26, 58ff., 65, 125, 322

383

G. Holzmann et al., Technische Mechanik Festigkeitslehre, DOI 10.1007/978-3-8348-8101-4,


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384 Sachverzeichnis

Bruchdehnung, 24 Einschnürung, 25
Brucheinschnürung, 24 elastische Energie, 180
Bruchfläche, 24, 277 elastische Feder, 21
Bruchhypothesen, 303 elastische Linie, 141
Bruchmoment, 125 Elastizitätsgrenze, 23
Elastizitätsmodul, 19, 25f., 142, 144, 200, 332
C ASTIGLIANO , 176 Empfindlichkeitszahl, 66
C AUCHY , 9 Energiesatz, 162, 220
C LAPEYRON , 176 Entlastung, 18
C OULOMB , 303 Ersatzstreckgrenze, 25
E ULER , 321
Dauerbruch, 59, 68, 126f., 307f. E ULER ’sche Knickkraft, 321
Dauerfestigkeit, 59f. E ULER bereich, 332
Dauerfestigkeitsschaubild, 217 E ULER kurve, 332, 333
DE S T. V ENANT, 10
E ULER ’sche Knickkraft, 323
Dehngrenze, 23, 25, 29, 58 exzentrischer Lastangriff, 259
bei nichtproportionaler Dehnung, 23
Dehngrenzenverhältnis, 125
Dehnung, 17ff., 47, 102, 141, 268, 294f., Feder, 21, 116, 221, 227
298ff. Federkonstante, 21, 74, 163, 164, 221, 227
beim Bruch, 24 Federkraft, 21
bleibende, 23, 25, 125 Federvolumen, 22
plastische, 65 Federweg, 21, 227
technische, 17 Festigkeitsbedingung, 14, 48, 104, 109, 203,
Dehnungsmessung, 300 210, 226, 236, 262, 349
Descartes, 9 Festigkeitsberechnung, 2, 10f., 57, 60, 173,
Dimensionierung, 2, 14 300, 302, 349
Drehmoment, 197f., 342 Festigkeitshypothese, 302ff.
Drehstab, 197, 222 Festigkeitslehre, 1, 2, 7, 10f., 57, 80, 102, 176,
Drehstabfeder, 5, 205, 220 295
Dreieckfeder, 116 Aufgabe, 1
Drillmoment, 197 Berechnungsverfahren, 2
Druck, 6, 14, 125, 193, 262, 275, 278f.
Teilaufgaben, 2
Druckbeanspruchung, 4, 14, 27f., 36, 79, 260,
Ziele, 2
277, 299, 303
Flächenmoment, 80
Druckbeanspruchung schlanker Stäbe, 6
0. Ordnung, 80
Druckbehälter, 6, 12, 346f., 351, 353, 357
1. Ordnung, 81
Druckfestigkeit, 29, 125
Druckkraft, 125, 261, 319, 322, 324, 329 2. Ordnung, 82
Druckspannung, 8, 14, 27f., 36, 125, 262, 319, axiale, 82
322, 347 Dreieck, 85
Druckstab, 4, 14, 35, 277, 319, 325 Kreisring, 84
Druckversuch, 27, 29, 304 Rechteck, 83
Durchbiegung, 5f., 141f., 166, 179, 188, 253 Vollkreis, 84
bei schiefer Biegung, 168 gemischte, 82
kleine, 143 statische, 81
resultierende, 168 Flächenpressung, 36, 38
Durchmesseränderung, 17, 41, 346 Fliehkraft, 51
Durchmesserverhältnis, 204, 347 Fließgrenze, 23, 58
Formänderungen, 173
Ebenbleiben der Querschnitte, 252 Formänderungsarbeit, 21, 161, 164, 200, 219,
Eigengewicht, 45, 47, 49 221, 252
Eigenspannung, 42 spezifische, 22, 161, 164, 201, 219, 221
Einschnürdehnung, 24 Formzahl, 64, 217
Sachverzeichnis 385

G ALILEI , 303 Ingenieurdehnung, 17


G ERBER , 173 Ingenieurspannung, 18
Gestaltänderung, 295, 305 Innendruck, 40, 277, 279, 345, 347, 350, 351,
Gestaltänderungsenergie, 304 353, 356f.
Gleichgewichtsbedingung, 13 innere Schnittkräfte, 7
Gleichgewichtsbedingungen, 173
Gleichmaßdehnung, 24 J OHNSON , 333
Gleitbruch, 303 J OHNSON -Parabel, 333
Gleitfestigkeit, 303
Gleitmodul, 200 Körper
Gleitung, 295 homogener, 2
Gleitwinkel, 200f. isotroper, 2
Grenzbeanspruchung, 2 konstanter Beanspruchung, 49
Grenzschwingspielzahl, 60 Kastenprofil, 210
Grenzspannung, 57ff., 61f., 125f., 217, 302, Kennwerte, 17, 24, 26, 28, 58, 60, 200, 217,
306 297f., 306
Grundbeanspruchung, 3, 302 Kerbform, 63f., 66
Biegebeanspruchung, 5 Kerbgrund, 64f., 67
Druckbeanspruchung, 4 Kerbspannung, 64f.
Knickbeanspruchung, 6 wirksame, 66
Torsionsbeanspruchung, 5 Kerbwirkung, 63, 65f., 68, 109, 119, 126, 217,
Verdrehbeanspruchung, 5 303, 308
Zugbeanspruchung, 3 Kerbwirkungszahl, 66, 217
Grundbeanspruchungsarten, 275 Kesselformel, 278
Knicken, 319
Hauptachsen, 96 Knickkraft, 319, 322
Hauptdehnung, 295 Knicklänge, 325
Richtung, 296 Knicksicherheit, 324
Hauptflächenmomente, 97 Knickspannung, 331
Hauptschnitt, 282 Knickspannungsdiagramm, 331
Hauptspannung, 282, 288, 295, 342 Kompatibilitätsbedingung, 201
Berechnung, 288 Krümmung, 141ff., 224
Richtung, 289 Krümmungsradius, 64, 102, 141f., 267, 270,
Hauptsystem, 174 339
Hencky, 304 Kraftangriff
Hilfskraft, 182 außermittig, 319
Hilfsmoment, 182 exzentrischer, 261
Hohlkörper Kriechen, 26
zylindrischer, 40
Hohlquerschnitt, 209 Längskraft, 79
dünnwandiger, 208, 210 Lagerreaktion, 173
Hohlstab, 204 Lamé, 303
H OOKE, 19 Lastfälle, 61
H OOKE’sches Gesetz, 19 linienförmiger Träger, 1
erweitertes, 295 Lochleibungsdruck, 38
H OOKE’sche Gerade, 19, 27
H OOKE’sches Gesetz, 200 M AXWELL, 303
H UBER , 304 Mittelspannung, 60
Hypothese der größten Gestaltänderungs- M OHR , 284
energie, 304f. M OHR ’SCHER Spannungskreis, 284
Hypothese der größten Hauptspannung, 305
Hypothese der größten Normalspannung, 303 Neigungswinkel, 143
Hypothese der größten Schubspannung, 303, kleiner, 143
305 Nennschubspannung, 217
386 Sachverzeichnis

Nennspannung, 63f., 68, 128 Schub, 275


neutrale Schicht, 101 Schubbeanspruchung, 4
Normalkraft, 258 Schubfestigkeit, 277
Normalspannung, 8, 13, 197, 257, 275f., 342 Schubfluss, 210
Nulllinie, 101, 119, 260, 262 Schubkraft, 250
Schubmittelpunkt, 246
Oberflächeneinfluss, 67 Schubmodul, 200
Oberflächenfaktor, 68 Schubspannung, 8, 198, 238, 245, 257, 274,
Oberflächenziffer, 68 276
Oberspannung, 60 Schubspannungsverteilung, 202
offener Profilquerschnitt, 214 parabolische, 242
Schwellfestigkeit, 62
Pendelstütze, 185 Sicherheit, 2, 57, 307
P OISSON , 19 Sicherheitsbeiwert, 57
P OISSON ’sches Gesetz, 19 S IEBEL, 67
P OISSON ’sche Konstante, 19 S IMPSON , 270
P OISSON ’sches Gesetz, 28 Spannung, 7, 13
Poissonzahl, 20 technische, 18
polares Flächenmoment, 82, 210 wirksame, 63
Presspassungen, 236 zulässige, 57, 218, 307
Pressung, 38, 44, 357ff., 361 Spannungs-Dehnungs-Diagramm, 18, 27
Prinzip von DE S T. V ENANT, 10, 14, 278 Spannungsausschlag, 60
Profilträger, 245 Spannungsgefälle, 67
Proportionalitätsgrenze, 23, 28 Spannungsmatrix, 288
Spannungstensor, 288
Querdehnung, 17, 28 Spannungsvektor, 7, 288
Querkontraktion, 17 Spannungszustand, 10
Querkontraktionszahl, 20 dreiachsiger, 288
Querkräfte, 79, 238 ebener, 280, 288, 294
Querschnittsfaktor, 269 homogener, 277
Querschnittsverwölbung, 201, 209 inhomoger, 277
Querträger, 185 komplexer, 235
Quetschgrenze, 29 räumlicher, 288
zweiachsiger, 279f., 294
Rahmen, 191 Spiel, 236
Randbedingung Stützwirkung, 65, 125f.
dynamische, 155 Stützziffer, 65
homogene, 157 Stabverlängerung, 180
inhomogene, 157 Stauchung, 27f.
kinematische, 144 S TEINER , 85
Randschubspannung, 202, 205 Stoßziffer, 63
Raumzahl, 164 Streckgrenze, 24
Rechteckquerschnitt, 214 Superpositionsgesetz, 147, 294
Superpositionsmethode, 174
Satz von S TEINER , 87
Scherbeanspruchung, 4 Tangentialspannung, 8
Scherfestigkeit, 236 Teilschwerpunktsatz, 81
Scherspannung, 235 Tetmajer, 333
Scherversuch, 236 Thum, 66
Schlankheitsgrad, 331 Torsion, 275
Schnittgrößen, 7 Torsionsbeanspruchung, 5, 82, 309
Schnittmethode, 7, 13, 275 Torsionsfeder, 220
Schraubenfeder, 224 Torsionsfestigkeit, 217
Schrumpfspannungen, 42 Torsionsfließgrenze, 217
Sachverzeichnis 387

Torsionsmoment, 197 Wärmeausdehnungsgesetz, 42


Torsionsschubspannung, 198 Wärmeausdehnungskoeffizient, 42
Torsionsschwellfestigkeit, 217 Wärmedehnung, 329
Torsionsstab, 197 behinderte, 42
Torsionssteifigkeit, 204, 210 Wärmespannungen, 42
Torsionsversuch, 217 W ÖHLER , 59
Torsionswechselfestigkeit, 217 W ÖHLER kurve, 60
Torsionswinkel, 204 Wechselfestigkeit, 62
Träger, 79 Werkstoff
schwach gekrümmter, 267 duktiler, 25, 65, 125, 217
stark gekrümmter, 267 spröder, 26, 65, 125, 217
Tragfähigkeit, 14 Werkstoffkennwert, 297, 306
Trennbruch, 302 Werkstoffkunde, 2
Trennfestigkeit, 277, 303 Werkstoffprüfung, 2
T RESCA , 303 Werkstoffverhalten
duktiles, 303
Unterspannung, 60 elastisches, 20
sprödes, 302
Verdrehung, 198 Widerstandsmoment, 104, 202, 210
Verformung, 5f., 267 Windungsverhältnis, 226
bleibende, 11
elastische, 11 Zeitbruchgrenze, 26
plastische, 11, 23 Zeitdehngrenze, 26
Verformungsbedingungen, 173 Zeitfestigkeit, 61
Verformungsbruch, 303 Zerreißen, 17, 25
Vergleichsmoment, 307 Zug, 6, 14, 125, 262, 275
Vergleichsspannung, 251, 258, 304 Zugbeanspruchung, 3, 17f., 28, 48, 59, 68, 79,
wirksame, 308 126, 277, 299, 303
Verlängerung, 20 Zugfeder, 21, 224
Versagen Zugfestigkeit, 24, 29, 48, 61, 76, 107, 125, 303
bleibende Formänderungen, 58 Zugkraft, 18, 24, 125
Trennbruch, 58 Zugspannung, 8, 13, 18, 38, 44, 47, 48, 51,
Verträglichkeitsbedingung, 344 125, 262, 347
Verwölbung, 252 Zugstab, 3, 13, 21f., 24, 45ff., 64f., 114, 179,
Volumenänderung, 298 275, 277, 299
Volumenkräfte, 45 Dehnung, 20
VON B ACH , 61 genormter, 17
VON M ISES, 304 Zugversuch, 10, 17f., 25f., 29, 58, 294, 299,
351f.
Wöhler, 59 Zusatzsystem, 174

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