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Technische Mechanik
Festigkeitslehre
10., überarb. Aufl. 2012
Springer Vieweg
© Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden 1968, 1972, 1975, 1979, 1982, 1986, 1990,
2002, 2006, 2012
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Vorwort zur 10. Auflage
Nach dem Wechsel der Herausgeberschaft von der 8. zur 9. Auflage hat es natürlich
eine große Anzahl von Rezensionen gegeben. Die Meinungen gingen teilweise weit
auseinander, wobei sich auch bei vielen Punkten keine deutlichen Mehrheiten erga-
ben. Dies lässt sich u. a. damit erklären, dass bezüglich des traditionellen Umfangs
der Festigkeitslehre Erweiterungen in Richtung Betriebsfestigkeit, Werkstoffkunde
etc. gefordert wurden. Hier hat die 10. Auflage nur wenig realisiert, da die Spe-
zialgebiete heute meistens von speziellen Lehrveranstaltungen mit entsprechender
Literatur abgedeckt werden.
Mit der neuen Auflage wird der Weg der schrittweisen und behutsamen Ak-
tualisierung des Lehrbuchklassikers weiter beschritten. Dies betrifft u. a. auch we-
sentliche Änderungen - das Kapitel zur Finite Elemente Methode wurde beispiels-
weise nicht mehr beibehalten, da es mittlerweile zahlreiche, auch deutschsprachige
Lehrbücher zu diesem Gebiet gibt [29; 34; 43]. Diese behandeln die Finite Elemente
Methode in einem notwendigen Umfang und mit hinreichender Tiefe, was innerhalb
eines Kapitels nicht machbar ist. Weniger deutliche Veränderungen gab es bei ein-
zelnen Elementen der Stoffauswahl, die hauptsächlich auf die kritischen Hinweise
der Leser zurückzuführen sind. Dabei muss aber angemerkt werden, das der Um-
fang des Buches limitiert ist, d. h. nicht alle Wünsche aus der Sicht der Kollegen der
Werkstoffkunde, der Konstruktionslehre usw. konnten berücksichtigt werden. Glei-
ches gilt für die grundsätzliche Strukturierung und die Stoffauswahl, die durch den
Rahmen der ursprünglichen Verfasser vorgegeben ist. Hier sind urheberrechtliche
Grenzen gesetzt.
Das neue Layout hat einige Gestaltungselemente, die in der aktuellen Auflage
versuchsweise genutzt wurden, um bestimmte Sachverhalte deutlicher zu machen.
Auch wurde die Anregung aufgenommen, jedes Kapitel mit den wichtigsten For-
meln zusammenzufassen.
Zahlreiche Quellen wurden auf einen aktuelleren Stand gebracht. Dies betrifft
neue Ausgaben der in der 9. Auflage zitierten Literaturreferenzen. Auch bei den
angeführten Normen etc. wurde der Versuch unternommen, aktuellen Tendenzen
zu integrieren. Es muss jedoch an dieser Stelle darauf verwiesen werden, dass bei
der Anwendung von Normen ein Besuch der entsprechenden Normenstellen unaus-
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vi
weichlich ist, da hier ständig neue Entwicklungen eintreten, die dann auch zeitnah
zu beachten sind. Dem an weiteren Lehrbüchern interessierten Leser seien hier in
Ergänzung zur 9. Auflage noch die Referenzen [5; 6; 20; 24; 26; 30; 31; 39; 46; 47]
angegeben.
Neu ist, dass die im Buch aufgeführte Namen mit historischen Anmerkungen
versehen wurden. Dabei musste der Herausgeber feststellen, dass oftmals keine oder
keine gesicherten Quellen vorhanden sind. Dies unterstreicht die Notwendigkeit der-
artiger Fußnoten.
Neben den inhaltlichen Weiterentwicklungen gibt es erneut optische Verände-
rungen. Die 9. Auflage war erstmalig in LATEX erstellt worden, d. h. die traditionelle
Layout-Gestaltung wurde grundsätzlich gegenüber den vorhergehenden Auflagen
und den beiden anderen Bänden Statik“ und Kinematik und Kinetik“ verändert.
” ”
Diese optische Veränderung, die hauptsächlich durch die speziellen Gestaltungs-
elemente, die von Harald Harders entwickelt wurden, geprägt waren, sind erneut
geändert. Dies ist der Umgestaltung der Verlagslandschaft gestundet, in der ein
LATEX-Paket genutzt wurde. Es ist relativ einfach in der Nutzung und enthält weite-
re Elemente gegenüber der Vorgängerversion, so dass es zu hoffen bleibt, dass das
Layout auch beim Leser gut ankommt.
Das Buch entstand mit Unterstützung zahlreicher Helfer. Bei den Zeichnungen
und Korrekturen waren Frau Barbara Renner und Herr Andreas Kutschke hilf-
reich, meine Frau Natascha Altenbach versorgte mich mit aktueller Literatur und
historischen Quellen in gewohnter Qualität. Der Verlag gab alle notwendige Un-
terstützung, wobei stellvertretend Frau Ellen-Susanne Klabunde und Herr Thomas
Zipsner zu nennen sind. Es bleibt zu hoffen, dass das Buch weiterhin auf Resonanz
bei den Studierenden und Lehrenden trifft. Für Hinweise zur Weiterentwicklung des
Buches ist der Herausgeber der 10. Auflage dankbar.
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viii
teratur zeigt schnell, dass vor ca. 30 Jahren das letzte Lehrbuch zur Spannungsoptik
in deutscher Sprache erschienen ist. Das Thema wurde u.a. auch durch Entwicklun-
gen auf dem Gebiet der Methode der Finiten Elemente verdrängt. Die M OHR’schen
Spannungskreise haben heute auch an Bedeutung verloren, so dass sie durch das
Eigenwertproblem des Spannungstensors (Ermittlung der Hauptspannungen und -
richtungen) ersetzt wurden. Damit wurde der Tatsache Rechnung getragen, dass die
graphischen Methoden der Mechanik zunehmend durch analytische und/oder nu-
merische Methoden in der Praxis ersetzt werden. Die M OHR’sche Analogie ist auch
nicht mehr in allen Lehrprogrammen enthalten. Hier wurde daher gleichfalls eine
Kürzung vorgenommen. Im Kapitel 10 wurde das ω-Verfahren ersatzlos gestrichen,
da die das Verfahren begründete DIN entfallen ist. Wichtig erschien jedoch, dass das
Material um Ausführungen zur Differentialgleichung für die Biegelinie 4. Ordnung
sowie durch den zweiten Satz von C ASTIGLIANO ergänzt wird. Im Zusammenhang
mit den Ergänzungen wurde das bisherige Konzept von durchgerechneten Beispie-
laufgaben einschließlich Zahlenrechnung teilweise verlassen. Eine formelmäßige
Lösung scheint gewisse Vorteile zu haben, da sie die Aufmerksamkeit der Studie-
renden zunächst auf das Wesentliche konzentriert.
Das Kapitel über die Finite-Elemente-Methode wurde stark modifiziert, da hierzu
eine Vielzahl von eigenständigen Lehrbüchern in den letzten Jahren entwickelt wur-
de. Für den interessierten Leser sei für den Übergang von Technischer Mechanik zu
numerischen Verfahren nur auf die Bücher [15; 48] verwiesen, welche in besonders
einfacher Art in dieses Gebiet einführen. Der Leser, der sich mit der Methode der
Finiten Elemente vertieft beschäftigen möchte, kann das Kapitel 12 überspringen
und sofort die Spezialliteratur (z. B. [7; 8]) lesen.
Neue Tendenzen sind bisher nur partiell in das Buch eingegangen, insbesondere
die Verknüpfung mit der Werkstofftechnik/Werkstoffprüfung bzw. der Werkstoff-
mechanik lassen sich heute jedoch mit Hilfe [9; 40] finden. Weitergehende Vertie-
fungsmöglichkeiten kann der Leser u.a. in der kontinuumsmechanisch orientierten
Literatur des Teubner-Verlages (z. B. [2; 44]) erhalten.
Weiteren Auflagen wird es vorbehalten sein, die Verbindungen zu neuen Ausbil-
dungsprogrammen sowie Studieninhalten vorzunehmen. Es ist überflüssig zu strei-
ten, ob das vorliegende Buch mehr universitäts- oder fachhochschulorientiert auf-
gebaut ist - die breite Zielgruppe der klassischen und der neuen Studiengänge steht
im Mittelpunkt. Dabei ist sicher in Anlehnung an die bisherige Konzeption der Au-
toren die Lösung praktischer Probleme der Schwerpunkt. Ungeachtet dessen wird
auch versucht, die Theorie nicht völlig zu übergehen, da nur ein tiefes theoretisches
Verständnis hilft, neue Fragestellungen zu beantworten.
Eine Diskussion zu den Einheiten ist im Gegensatz zu anderen Büchern nicht auf-
genommen worden. Es wird davon ausgegangen, dass die Studierenden genügend
Informationen hierzu im Kurs Physik erhalten haben. Grundsätzlich basieren alle
Angaben im Buch auf den SI-Einheiten sowie die im Ingenieurbereich üblichen
Angaben. Neu ist, dass im Rahmen der Überarbeitung sämtliche Formel-, Bilder-
und Tabellennummern verändert wurden. Es bleibt zu hoffen, dass der Leser damit
zurechtkommt, dies akzeptiert und den Unterschied zu den Bänden 1 und 2 nicht als
störend empfinden.
x
Die Überarbeitung des Lehrbuchs wäre ohne meine Mitarbeiter nicht möglich ge-
wesen. Besonderer Dank gilt daher Frau Runkel (Schreibarbeiten) sowie Frau Ren-
ner und Frau Ullrich (Durchsehen der Aufgaben und Beispiele, Zeichenarbeiten),
Herrn Dyogtev und Herrn Pylypenko (Zeichenarbeiten) und Herrn Holweg (PC- und
Reprotechnik). Herrn Dr.-Ing. Feuchte sei für die Unterstützung bei den Verhand-
lungen zur Neubearbeitung und bei der verlagsseitigen Abwicklung des Projektes
gedankt. Ohne die spezielle Unterstützung von Herrn Harders wäre das Layout in
der vorliegenden Form nicht möglich gewesen - er hat zahlreiche Sonderwünsche
in den Teubner-LATEX-Style eingearbeitet. Erwähnt sollte abschließend Herr Kollege
Dreyer sein, der durch Korrekturlesen maßgeblich diesen Band geprägt hat und das
Projekt stets positiv begleitete.
Nachsatz
Zahlreiche Autoren verschweigen heute, dass es neben ihrem eigenen Werk noch
weitere Bücher auf dem entsprechenden Gebiet, für das das eigene Buch geschrie-
ben wurde, gibt. Es sei daher erlaubt, dass folgende Bücher, die in den letzten Jahren
zur Begutachtung oder aus anderen Gründen bei mir eingingen, erwähnt werden sol-
len [10; 12; 13; 18; 23; 25; 28; 32; 33; 35; 48; 49]. Neben den bereits im Vorwort
erwähnten Büchern können diese allen Studierenden zum Lesen empfohlen werden.
Erst durch den Vergleich unterschiedlicher Darstellungen der gleichen Sachverhalte
wird das eigenständige Nachdenken angeregt. Um den Leser nicht zu beeinflussen,
habe ich bewusst keine Kommentare zu den einzelnen Werken gegeben. Daneben
sei noch darauf hingewiesen, dass man sich u.a. mit [14] oder dem Anhang in [48]
die englischen Fachtermini aneignen kann.
Sollte ich bei der Aufzählung das Werk eines Kollegen vergessen haben, kann
das verschiedene Gründe haben - der einfachste - das Übersehen einer aktuellen
Publikation beim Schreiben des Manuskripts - ist der wahrscheinlichste.
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.1 Aufgaben der Festigkeitslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.2 Beanspruchungsarten - Grundbeanspruchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.2.1 Zugbeanspruchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.2.2 Druckbeanspruchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
1.2.3 Schub- oder Scherbeanspruchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
1.2.4 Biegebeanspruchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
1.2.5 Torsionsbeanspruchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
1.2.6 Knickbeanspruchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
1.2.7 Zusammengesetzte Beanspruchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
1.3 Schnittmethode - Spannungen - Krafteinleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
1.4 Formänderungen - Zusammenhang mit den Spannungen . . . . . . . . . 11
xi
xii Inhaltsverzeichnis
2.4.5
Längs der Stabachse veränderliche Spannungen . . . . . . . . . . 45
2.4.5.1 Spannungen durch Eigengewicht . . . . . . . . . . . . . . . 47
2.4.5.2 Körper konstanter Zug- und
Druckbeanspruchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
2.4.5.3 Beanspruchung durch Fliehkräfte . . . . . . . . . . . . . . 50
2.5 Aufgaben zu Kapitel 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
2.6 Formelzusammenfassung Kapitel 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
7.1.2
Torsionsstäbe mit Vollkreisquerschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201
7.1.2.1 Schubspannungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202
7.1.2.2 Torsionswinkel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
7.1.3 Torsionsstäbe mit Kreisringquerschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204
7.1.4 Torsionsstäbe mit beliebiger Querschnittform . . . . . . . . . . . . . 209
7.1.4.1 Dünnwandige Hohlquerschnitte . . . . . . . . . . . . . . . . 210
7.1.4.2 Rechteck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214
7.1.4.3 Dünnwandige offene Profilquerschnitte . . . . . . . . . . 214
7.1.5 Kerbwirkung, Grenzspannungen und zulässige Spannung
bei Torsion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217
7.1.6 Formänderungsarbeit bei Torsion - Drehstabfedern . . . . . . . . 219
7.1.7 Vergleichende Beurteilung von Schubspannung und
Torsionswinkel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222
7.2 Torsionsbeanspruchung gekrümmter Stäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224
7.2.1 Zylindrische Schraubenfedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224
7.3 Aufgaben zu Kapitel 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231
7.3.1 Aufgaben zu Abschnitt 7.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231
7.3.2 Aufgaben zu Abschnitt 7.2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233
7.4 Formelzusammenfassung Kapitel 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383
Kapitel 1
Einführung
Die Festigkeitslehre - als Teilgebiet der Technischen Mechanik - behandelt das Ver-
halten verformbarer fester Körper unter dem Einfluss von äußeren Kräften und Mo-
menten. In der Statik und der Kinetik werden diese Körper im Allgemeinen als starr
vorausgesetzt. Innerhalb der Statik befinden sich die betrachteten Körper im Zustand
der Ruhe oder der gleichförmigen Bewegung, und die Kräfte und die Momente sind
im Gleichgewicht. Während in der Statik die Gleichgewichtsbedingungen am star-
ren Körper hergeleitet und die resultierenden Schnittgrößen (Längs- und Querkräfte,
Biege- und Torsionsmomente) mit deren Hilfe berechnet werden, wird in der Festig-
keitslehre nach der Verteilung dieser Beanspruchungs- oder Schnittgrößen im Innern
der Körper und nach der Verformung gefragt.
Aufgabe der Festigkeitslehre ist es, Berechnungsverfahren zu entwickeln, da-
mit die Kraftwirkungen im Inneren von Körpern und die dadurch hervorgerufenen
Formänderungen der Körper berechnet werden können. Weiter müssen Regeln zur
Beurteilung des Versagens und besonders zur Vermeidung des Versagens der aus
verschiedenen Werkstoffen bestehenden Körper angegeben werden. Diese Körper
stellen in der Regel komplizierte Bauteile von bestimmter Form und Abmessung
dar. Ihre Form muss für eine Berechnung oft vereinfacht werden. In der elementaren
Festigkeitslehre bevorzugt man das Modell linienförmiger Träger für reale Bautei-
le. Diese sind prismatische Körper mit gerader oder gekrümmter Längsachse, deren
Abmessung in Achsenrichtung wesentlich größer als die Querschnittsabmessungen
ist. Aber auch andere Formen sind möglich: Scheibe, Platte usw. Die entsprechen-
den Berechnungsmodelle werden oftmals in Lehrbüchern zur Höheren Festigkeits-
lehre [19] bzw. der Spezialliteratur (z. B. [3]) behandelt, wobei dominant die Me-
thoden der Festigkeitslehre, wie sie auch in diesem Buch behandelt werden, zum
Einsatz kommen. Bei Überbeanspruchung im Betrieb können Bauteile verschieden-
artig versagen, durch Bruch, durch unzulässig große Verformungen oder aber auch
durch Instabilität.
Definition 1.1 (Sicherheit). Mit Sicherheit wird allgemein das Verhältnis einer
Grenzbeanspruchung des Werkstoffs (Werkstoffkennwert) zur errechneten Bean-
spruchung im Bauteil bezeichnet.
Die Sicherheit (auch Sicherheitsbeiwert) ist also eine Verhältniszahl, die immer
größer als 1 sein muss. Die geforderten Mindestwerte sind anwendungsspezifisch
(im Maschinenbau höher als in der Luft- und Raumfahrt).
Die vielfältige Beanspruchung von Bauteilen lassen sich oft auf einige Grundfälle
zurückführen, die je nach Richtung und Wirkung der äußeren Kräfte unterschieden
werden. Die Bauteile werden geometrisch vereinfacht, zumeist als linienförmige
Bauteile, dargestellt. Letztere sind wie folgt definiert.
Definition 1.2 (Linienförmiges Tragwerk). Sind zwei geometrische Abmaße we-
sentlich kleiner als das dritte Abmaß, spricht man von einem linienförmigen Trag-
werk.
Die beiden wesentlich kleineren Abmaße kennzeichnen den Querschnitt. Das drit-
te Maß entspricht der Längsachse, wobei diese gerade oder gekrümmt sein kann.
Weitere Unterscheidungsmöglichkeit sind mit der Beanspruchungsart gegeben.
Definition 1.3 (Stab). Ein Stab ist ein linienförmiges Tragwerk mit gerader Längs-
achse und Beanspruchung in Achsenrichtung. Dabei wird die Längsachse verlän-
gert, verkürzt oder verdreht.
Definition 1.4 (Balken). Ein Balken ist ein linienförmiges Tragwerk mit gerader
Längsachse und Beanspruchung in Achsenquerrichtung. Dabei wird die ursprung-
lich gerade Längsachse gekrümmt.
1.2.1 Zugbeanspruchung
Zugbeanspruchung tritt in Bauteilen auf, die unter dem Einfluss äußerer Zugkräfte F
stehen. Derartige Bauteile werden Zugstäbe genannt (Abb. 1.1). Die Wirkungslinie
der Kräfte (s. Abschnitt 2.1 Kraft und ihre Darstellung in [17]) liegt in Richtung
der Stabachse. Beispiele für Zugstäbe sind Zugstangen, Fachwerkstäbe, Hängeseile,
Ketten, Schrauben sowie dünne umlaufende Ringe.
1.2.2 Druckbeanspruchung
Zug- und Druckstäbe unterscheiden sich nur in der Richtung der wirkenden äuße-
ren Kräfte. Druckbeanspruchung ergibt sich aber auch bei der Berührung zwei-
er Bauteile unter einer Kraftwirkung (Flächenpressung, Abb. 1.2 b). Beispiele für
Druckstäbe sind kurze Säulen und Druckstempel; für Flächenpressung Fundamente,
Lager, Gelenke, Bolzen- und Nietverbindungen (Lochleibungsdruck) .
Schub- oder Scherbeanspruchung tritt auf, wenn die äußeren Kräfte senkrecht zur
Längsachse der Bauteile gerichtet sind und auf der gleichen Wirkungslinie liegen
oder die Wirkungslinien nicht sehr weit voneinander entfernt sind. Beispiele sind
Niete (Abb. 1.3 a), Scherstifte (Abb. 1.3 b), kurze Zapfen (Abb. 1.3 c) sowie hohe
Stege von Kastenträgern und I-Profilen. Scherbeanspruchung ergibt sich auch beim
Blechschneiden oder beim Stanzen von Blechteilen (Abb. 1.3 d).
a) b)
F F
F
F
c) F d) F
1.2.4 Biegebeanspruchung
Wird ein Bauteil durch eine Kraft oder mehrere Kräfte senkrecht zu seiner Achse
oder durch Momente um Achsen quer zur Längsachse belastet und ist seine Länge
um mindestens eine Größenordnung größer als sein Querschnitt, wird es überwie-
gend auf Biegung beansprucht. Linienförmige Bauteile, die so belastet werden,
heißen Balken. Beispiele sind Wellen, Achsen, Konsolen, Decken- und Brücken-
träger (Abb. 1.4). Biegestäbe erfahren aber auch eine zusätzliche Schubbeanspru-
chung.Biegebeanspruchungen erzeugen in den betreffenden Bauteilen Verformun-
gen, die als Durchbiegung bezeichnet werden.
F3
c)
F a a F
F F
1.2.5 Torsionsbeanspruchung
Wird ein Bauteil durch Kräftepaare in einer zu seiner Längsachse senkrechten Ebe-
nen belastet, erfährt es eine Torsions- oder auch Verdrehbeanspruchung (Abb. 1.5).
Beispiele sind Wellen, Drehstabfedern, zylindrische Schraubenfedern, Schrauben
beim Anziehen sowie Drehmomentschlüssel. Torsionsbeanspruchungen führen zu
Winkeländerungen bei Verdrehung.
2a
F
1.2.6 Knickbeanspruchung
Bei einer Druckbeanspruchung schlanker Stäbe tritt Versagen durch seitliches Aus-
biegen (Knicken) ein, obgleich keine äußere Kraft senkrecht zur Stabachse wirkt
(Abb. 1.6). Die rechnerische Behandlung der Knickbeanspruchung stellt ein Sta-
bilitätsproblem dar. Ähnliche Probleme treten auch bei der Druckbeanspruchung
dünner Rohre und Schalen sowie bei Biege- und Verdrehbeanspruchung sehr dünner
Stäbe auf (Beulen, Biegeknicken, Drillknicken). Zu den Besonderheiten der Auf-
gaben zum Knicken gehört, dass die Gleichgewichtsbeziehungen am verformten
Bauteil aufzustellen sind. Die übrigen Aufgaben der Festigkeitslehre beruhen auf
Gleichgewichtsaussagen am unverformten Element.
Die in der Statik verwendete Schnittmethode (s. [17], Kapitel 2 - Grundbegriffe und
Axiome der Statik starrer Körper) wird auch zur Lösung von Festigkeitsaufgaben
herangezogen. In der Statik werden mit dieser Methode die resultierenden Schnitt-
oder Beanspruchungsgrößen (Längs- und Querkräfte, Biege- und Verdrehmomente)
ermittelt.
Für die Festigkeitslehre wird die Schnittmethode wie folgt formuliert.
Definition 1.5 (Schnittmethode). Ein beliebig gestaltetes Bauteil, das unter der
Wirkung äußerer Kräfte und/oder Momente steht, wird geeignet geschnitten (Abb.
1.7 a). Ein Teilstück mit den daran angreifenden Beanspruchungen wird entfernt und
die Wirkungen der mit dem abgeschnittenen Teil entfernten äußeren Beanspruchun-
gen auf die Schnittfläche des stehengebliebenen Teils sind dann zu berücksichtigen
(Abb. 1.7 b).
Die resultierenden Schnittgrößen verteilen sich über die gesamte Schnittfläche als
innere Schnittkräfte, die mit den äußeren Kräften im Gleichgewicht stehen müssen.
Definition 1.6 (Spannung). Die inneren Schnittkräfte, bezogen auf die Schnitt-
fläche oder ein Teilstück derselben (Schnittflächenelement dA), definiert man als
Spannungen.
Die Spannung wird im Allgemeinen in der Einheit N/mm2 angegeben.
Definition 1.7 (Spannungsvektor). Unter einem Spannungsvektor1 σ versteht man
den Quotienten aus dem Vektor der Schnittkraft dFF und der zugehörigen Schnitt-
fläche dA
dFF
σ= .
dA
Spannungen sind wie Kräfte gerichtete Größen, also Vektoren2, und im Allgemei-
nen beliebig im Raum gerichtet. Befinden sich alle äußeren Kräfte in einer Ebene,
a) b)
F3
D
Abb. 1.7 Schnittmethode
F1
a) beliebig gestaltetes Bauteil F1
mit einem Schnitt von D nach dFi
E
b) linkes Teilstück mit den F4 dAi
inneren Kräften dFi in der
E
Schnittfläche, dAi Schnitt-
element F2 F2
1 Folgt man der Statik, kann man in Analogie auch Momentenspannungen einführen. Diese werden
τt dA
dann liegen auch die Spannungsvektoren in der gleichen oder dazu parallelen Ebe-
ne. Für die Festigkeitsrechnung ist es zweckmäßig, den Spannungsvektor in zwei
Komponenten normal und tangential zur Schnittfläche zu zerlegen (Abb. 1.8).
Definition 1.8 (Normalspannung). Die Komponente des Spannungsvektors normal
zur Fläche heißt Normalspannung σ.
Durch Multiplikation einer Spannung mit der zugehörigen Schnittfläche erhält man
umgekehrt die in dieser Fläche wirkende Normalkraft σ dA = dFn bzw. Tangential-
oder Schubkraft τ dA = dFt . Normalspannungen können Zug- oder Druckspannun-
gen sein, je nachdem, ob die Spannung an der Fläche zieht“ oder drückt“. Zur
” ”
Unterscheidung der Zug- und Druckspannungen können Indizes an die Formelzei-
chen geschrieben werden, σz (Zugspannung) oder σd (Druckspannung). Häufiger
jedoch ist die Unterscheidung durch ein Vorzeichen (+ für Zug-, − für Druckspan-
nungen). In Zeichnungen werden die Spannungen manchmal symbolisch angegeben
(Abb. 1.9). Eine Vorzeichenregelung für Schubspannungen hat nur für die Richtung
bezüglich der Schnittfläche Bedeutung (Abb. 1.10).
Die Schnittfläche dA wurde beliebig gewählt. Ihre Richtung bzw. Orientierung
im Raum ist durch die Flächennormale n gegeben. Diese muss nicht unbedingt mit
a) b)
+σ −σ
a) b)
F
dF
der Richtung der beanspruchenden Kraft dFF übereinstimmen (Abb 1.11). Daher wird
zur Beschreibung der Spannungen in einem Körper eine neue Größe benötigt - der
Spannungstensor Σ . Es gilt das C AUCHY’sche3 Lemma [2]
σ = Σ ·n
n
mit · als Skalarprodukt. Für das C ARTESI’sche4 Koordinatensystem mit den Ein-
heitsvektoren e i (i = 1, 2, 3) folgt aus σ = σie i , n = nje j und Σ = Σije ie j
σi = Σij nj .
σ τ
τ(z)
σ(y)
y z
dAi dAi
Abb. 1.12 Beispiel für die zeichnerische Darstellung des Spannungsverlaufs in Abhängigkeit von
den Querschnittskoordinaten y und z
3 AUGUSTIN L OUIS C AUCHY (∗ 21. August 1789 in Paris; † 23. Mai 1857 in Sceaux), Mathema-
tiker, Begründer der Elastizitätstheorie
4 R EN É D ESCARTES (latinisiert R ENATUS C ARTESIUS ; ∗ 31. März 1596 in La Haye en Touraine;
a) a F F a b)
F F
a
h
l F l F
F F
Abb. 1.13 Auf Biegung beanspruchte Balken, gleichwertiger Spannungszustand im Abschnitt l
a) Belastung durch Kräfte senkrecht zur Längsachse
b) Belastung durch Kräfte in Richtung der Längsachse
richtungen des Bauteils (senkrecht zur Längsachse) oder senkrecht und parallel zur
Richtung der äußeren Kräfte geführt wird. Unter diesen Voraussetzungen ist der
rechnerische Aufwand für die Spannungsverteilung bei den verschiedenen Bean-
spruchungsarten verhältnismäßig gering, bei schiefen beliebigen Schnittrichtungen
ist er deutlich größer. Bedeutung haben die Spannungen in beliebigen Schnitten erst,
wenn die zusammengesetzte Beanspruchung behandelt wird. Dort wird auch der all-
gemeine Spannungszustand behandelt. Unter Spannungszustand versteht man die
Gesamtheit aller Spannungen in einem oder allen Punkten eines belasteten Körpers
in allen möglichen Richtungen.
Spannungen sind in Körpern nur möglich durch Bindungskräfte und Wechselwir-
kungen, die zwischen ihren Atomen wirksam sind. Im idealen Atomgitter der Me-
talle z. B. liegen die theoretischen Festigkeiten um ein Vielfaches über dem Wert,
den man im Zugversuch an einem Probestab feststellt. Metalle und andere in der
Technik verwendete Werkstoffe sind nicht ideal homogen und isotrop, sondern in
ihrem Atomaufbau sind immer Störstellen zu finden (Gitterfehler, Versetzungen,
Korngrenzen und nichtmetallische Einschlüsse in Metallen).
Bei den üblichen Berechnungsverfahren der Festigkeitslehre beschränkt man sich
im Gegensatz zur Elastizitätstheorie im Allgemeinen auf die Spannungsverteilung
in solchen Bereichen der Bauteile, in denen keine äußeren Kräfte angreifen. In
unmittelbarer Nähe dieser Kräfte weichen die wirklichen Spannungen oft erheb-
lich von den berechneten ab, und ihre Verteilung hängt sehr stark von der Art der
Krafteinleitung in das Bauteil ab. Bei der praktischen Festigkeitsberechnung im Ma-
schinenbau oder Bauwesen wird der Einfluss der Krafteinleitung vernachlässigt.
Dieses ist insofern zulässig, als diese örtlichen Spannungen sehr rasch abklingen
(Prinzip von DE S T. V ENANT5 ). In einem schlanken Biegebalken z. B. ist das Ab-
klingen etwa in einem Abstand von der Krafteinleitungsstelle erfolgt, der der halben
Höhe des Stabes entspricht. In den Abbildungen 1.13 a) und b) liegt der ungestörte
Spannungszustand in der angegebenen Strecke l vor. Trotz verschiedenen Lastan-
griffs sind bei gleichem Biegemoment Mb = Fa beide Spannungszustände gleich.
5A DH ÉMAR J EAN C LAUDE BARR É DE S AINT-V ENANT (∗ 23. August 1797 in Villiers-en-Bière,
Seine-et-Marne; † 6. Januar 1886 in St. Ouen, Loir-et-Cher), Ingenieur, Mathematiker und Physi-
ker, Professor an der École des Ponts et Chaussées in Paris, korrekte Herleitung der Navier-Stokes-
Gleichungen (1843, zwei Jahre vor Stokes), Kompatibilitätsbedingungen für die Verzerrungen,
Torsion, 1868 wurde er Mitglied der Académie des Sciences in der Sektion Mechanik
1.4 Formänderungen - Zusammenhang mit den Spannungen 11
a F F a
Wird ein Bauteil äußeren Kräften und Momenten ausgesetzt, machen sich diese im
Inneren in jedem Punkt als Spannungen bemerkbar. Unter dem Einfluss dieser Span-
nungen werden die Atome voneinander entfernt oder einander genähert. Kehren die
Atome nach Entfernung der äußeren Belastung wieder in ihre Ausgangslage zurück,
nennt man die mit der Lageänderung unter Last verbundene Verformung elastisch.
Diese elastische Verformung geht im Allgemeinen nur bis zu einem bestimmten
Grenzwert der äußeren Belastung. Werden bei darüber hinaus gehender Belastung
die Atome in ihrer gegenseitigen Lage bleibend verändert, spricht man von plasti-
scher oder bleibender Verformung. Werkstoffe, die nach elastischer noch zu plasti-
scher Verformung fähig sind, nennt man duktil (z. B. Eisen, Kupfer, Aluminium).
Werkstoffe, bei denen der Zusammenhalt der Atome untereinander bei Belastung
ohne bleibende Verformung getrennt wird, bezeichnet man als spröde (z. B. gehärte-
ter Stahl, Grauguss GG).
Elastische Verformungen sind im Allgemeinen klein im Vergleich zu plasti-
schen (Ausnahmen bei Gummi und thermoelastischen Kunststoffen), können aber
beim Biegen von dünnem Draht oder Band aus Metall auch große Werte anneh-
men. Bleibende Formänderungen können sehr groß werden, bei Stahl 30. . . 80%,
bei Kunststoffen über 100% der ursprünglichen Länge. Der Zusammenhang zwi-
schen äußerer Last und der Formänderung lässt sich nur versuchsmäßig erfas-
sen, er dient der Festigkeitsberechnung als Grundlage. Üblicherweise werden nur
elastische Verformungen vorausgesetzt. Da diese im Verhältnis zu den Abmessun-
gen der Bauteile fast immer sehr gering sind, werden die in die Festigkeitslehre
übernommenen Gleichgewichtsbedingungen der Statik ebenfalls am unverformten
12 1 Einführung
Zur Berechnung der Spannungen in einem prismatischen Zugstab wendet man die
Schnittmethode (s. Abschnitt 1.3) an. Da die äußeren Kräfte F in Richtung der Stab-
achse zeigen, ist ein Schnitt senkrecht zur Stabachse als geeignet anzusehen. In
dieser Querschnittsfläche können nur Normalspannungen auftreten (Abb. 2.1), weil
Schubspannungen äußere Kräfte senkrecht zur Stabachse erfordern. Die Gleichge-
wichtsbedingung der Kräfte in Stablängsrichtung ergibt mit
n
lim σi dAi = σ dA ⇒ σ dA − F = 0 . (2.1)
dA→0
n→∞ i=1
Geht man von der Annahme aus, dass die Spannungen gleichmäßig über die Quer-
schnittsfläche verteilt sind, dann ist σ = const. und aus Gl. (2.1) folgt
σ dA = σA = F . (2.2)
a)
F F
Abb. 2.1 Zugstab
a) Schnitt
b) Geschnittener Zugstab mit
Normalspannungen σ in der b) σ c)
Schnittfläche F A σi
c) durch σi beanspruchte dAi
Elementarfläche A
13
F 1,25 · 105 N
A = = 1 042 mm2 .
σzul 120 N/mm2
Einer Gewindetabelle [22] entnimmt man das Gewinde M42 mit Kernquerschnitt A3 = 10,45 cm2 .
Der Spannungsnachweis erfolgt mit Gl. (2.3)
F 1,25 · 105 N N
σ= = = 120 .
A3 1 045 mm2 mm2
Mit dem Spannungsquerschnitt AS = 11,21 cm2 [22] ergibt sich die Spannung zu 111,5 N/mm2 .
A0
F
x
19
A0
20
l
Lösung 2.4
Für Referenzzwecke soll zunächst die analytische Lösung abgeleitet werden, die man in diesem
Fall exakt angeben kann. Mit der konstanten Längskraft F erhält man die Normalspannung zu
F
σ(x) = ,
A(x)
σ(x) F
du = dx = dx .
E EA(x)
Der Zugstab mit konstantem Querschnitt führt im Falle des Querschnittsmaßes A0 an der Ein-
spannstelle auf
Fl
u(l) =
EA0
bzw. im Falle des Querschnittsmaßes 19A0 /20 am freien Ende
20Fl Fl
u(l) = = 1, 053 .
19EA0 EA0
40Fl Fl
u(l) = = 1, 026 .
39EA0 EA0
Man erkennt, dass die exakte Lösung von einem oberen Wert (entsprechend dem kleineren Quer-
schnitt) und einem unteren Wert (entsprechend dem größeren Wert) eingeschränkt wird. Der dritte
Wert stimmt in den ersten vier Ziffern (1, 02564 gegen 1, 02587) mit der exakten Lösung überein.
Nimmt man jedoch weitere Kommastellen hinzu, erkennt man auch hier eine Abweichung. Die
Ursache hierfür ist, dass die Theorie der Zugstäbe zunächst nur exakt ist für Zugstäbe konstanter
Querschnittsabmaße. Die erste Lösung entspricht dem Fall veränderlichen Stabquerschnittes.
2.2 Zugversuch
d0
Abb. 2.3 Genormter Propor-
tionalstab für Zugversuche
L0
folgt. An einer vorbereiteten Anfangsmesslänge L0 misst man die mit der Kraft
F zunehmende Verlängerung ΔL, d. h. die Differenz aus aktueller Länge L und L0 .
Der Durchmesser nimmt um Δd ab (Abb. 2.4), da sich Δd aus der Differenz von ak-
tuellem Durchmesser d und Anfangsdurchmesser d0 ergibt. Um von den absoluten
Maßen des Zugstabs unabhängige Größen zu erhalten, bezieht man die Längenände-
rung ΔL auf die Anfangsmesslänge L0 sowie die Durchmesseränderung Δd auf den
Durchmesser d0 . Dabei sind die Vorzeichen von ΔL und Δd von Bedeutung, da sie
eine eindeutige Interpretation der Ergebnisse zulassen.
Definition 2.1 (Technische Dehnung). Als technische Dehnung bzw. Ingenieurdeh-
nung ε wird der Quotient aus Längenänderung zu Anfangsmesslänge bezeichnet
ΔL
ε= .
L0
Bei Zug wird die Länge L in Folge der Beanspruchung größer als die Anfangs-
messlänge L0 , daher sind die Verlängerung ΔL und die Dehnung ε positiv.
Definition 2.2 (Querkontraktion). Als Querkontraktion (Querdehnung) εq wird
der Quotient aus Durchmesseränderung zu Anfangsdurchmesser bezeichnet
Δd/2
d0
1Die nach DIN EN 10 002 ermittelten Kennwerte mit der Dimension Spannung werden mit dem
Buchstaben R statt σ, die mit der Dimension Dehnung mit dem Buchstaben A statt ε bezeichnet.
Dem wird auch hier Rechnung getragen.
18 2 Zug- und Druckbeanspruchung
Δd
εq = .
d0
Dabei ist zu beachten, dass der Anfangsdurchmesser d0 größer als der Durchmesser
in Folge der Beanspruchung d ist, d. h. Δd und die Querdehnung εq sind negativ.
Unabhängig von der Verjüngung des Stabes ist die Zugspannung im Zugversuch
als das Verhältnis der Zugkraft F zum Ausgangsquerschnitt A0 definiert.
Definition 2.3 (Technische Spannung). Als technische Spannung bzw. Ingenieur-
spannung bei Zugbeanspruchung wird der Quotient aus Zugspannung zu Ausgangs-
querschnitt bezeichnet
F
σ= .
A0
Ein anschauliches Bild über das Verhalten einer Probe unter Zugbeanspruchung
erhält man, wenn man die Spannung σ über die Dehnung ε aufträgt. Man gelangt
so zum Spannungs-Dehnungs-Diagramm für die technischen Spannungen und Deh-
nungen. Abbildung 2.5 zeigt ein für zähen Baustahl typisches Diagramm. Man er-
kennt daraus, dass bei kleiner Dehnung zunächst bis zum Punkt P die Dehnung
proportional zur Spannung zunimmt. Bei Entlastung geht die Dehnung ebenfalls
proportional zurück. In Abschnitt 1.4 wurde dieses Verhalten als elastisch bezeich-
a) F
σ=
A0 b)
Ag Ae
c)
E
P
Rm
σZ
Re
σE
σP
net, es wurde erstmalig von H OOKE (1678)2 untersucht. Der Anstieg der so genann-
ten H OOKE’schen Geraden 0P ist für jeden Werkstoff eine spezifische Größe. Die
Proportionalität zwischen Spannung und Dehnung lässt sich durch die Gleichung
σ = Eε . (2.8)
2 ROBERT H OOKE (∗ 18. Juli (jul.)/ 28. Juli 1635 (greg.) in Freshwater, Isle of Wight; † 3. März
1702 (jul.)/ 14. März 1703 (greg.) in London), Universalgelehrter (hauptsächlich auf den Gebie-
ten Physik, Mathematik und Biologie), Elastizitätsgesetz (als Anagramm ceiiinosssttuu“, d. h. ut
”
tensio sic uis bzw. wie die Dehnung, so die Kraft), Kurator und Sekretär der Royal Society
3 S IM ÉON D ENIS P OISSON (∗ 21. Juni 1781 in Pithiviers, Département Loiret; † 25. April 1840
Das elastische Verhalten eines Werkstoffs ist von grundlegender Bedeutung für die
Festigkeitslehre, da die überwiegende Anzahl von Problemen der Praxis unter der
Voraussetzung linear-elastischen Verhaltens gelöst wird. Aus dem H OOKE’schen
Gesetz können eine Reihe von Schlussfolgerungen gezogen werden. Die Gl. (2.8)
sagt z. B. aus, dass in einem Bauteil unter Zugbelastung bei bekanntem E-Modul
aus einer unter Kraft F gemessenen Dehnung ε die Spannung σ berechnet werden
kann. Ist F nicht bekannt, was häufig vorkommt, kann die Kraft bestimmt werden
F = σA = EεA .
Fl
Δl = . (2.12)
EA
Mit dieser Gleichung kann man die zu erwartende Verlängerung eines Zugstabes
von gegebener Länge ermitteln. Das Produkt EA wird auch als Dehnsteifigkeit be-
zeichnet.
Beispiel 2.5 (Zugkraft und Verlängerung in einer Stange).
Eine Stange (d = 10 mm, l = 1000 mm) wird mit der Spannung σ = 105 N/mm2
beansprucht. Wie groß sind die Zugkraft F und die Verlängerung Δl, wenn die Stan-
ge aus Stahl bzw. aus der Legierung AlMgSi nach DIN 1 725 gefertigt ist?
Lösung 2.5
Gleichung (2.3) ergibt
N
F = σA = 105 · 78, 5 mm2 ≈ 8 250 N = 8, 25 kN.
mm2
Für Stahl mit E = 2,1 · 105 N/mm2 wird nach Gl. (2.12)
Fl 8 250 N · 1 000 mm
Δl = = = 0, 5 mm.
EA 2,1 · 105 (N/mm2 ) · 78, 5 mm2
Mit E = 0,7 · 105 N/mm2 für AlMgSi wird die Verlängerung Δl = 1, 5 mm, also dreimal so groß
wie die der Stahlstange bei gleicher Zugkraft F.
Die Eigenschaft eines Körpers, nach Entlasten seine ursprüngliche Form wieder an-
zunehmen, nutzt man bei elastischen Federn aus. Auch ein Zugstab kann als Feder
mit sehr kleinem Federweg angesehen werden (rheologisches Analogiemodell). Das
Verhältnis Federkraft F zum Federweg, hier Verlängerung Δl, nennt man Federkon-
stante5 c
F
c= . (2.13)
Δl
Aus Gl. (2.12) erhält man dann für den Zugstab
A
c=E . (2.14)
l
Die Federkonstante des Zugstabes ist also dem Elastizitätsmodul und dem Verhält-
nis Querschnitt zur Länge proportional. Praktische Anwendung finden Zugstabfe-
dern z. B. als Dehnschrauben und Zuganker.
Wird eine Zugfeder belastet, ist die dazu aufgewendete Arbeit der äußeren Kräfte
in ihr als Formänderungsarbeit gespeichert. Nimmt die Verlängerung Δl proportio-
nal mit der Kraft F zu, ist die Arbeit (s. [16], Abschnitt 2.2.1 Arbeit einer Kraft)
1
W = F Δl . (2.15)
2
Mit F = σA und Δl = ε l erhält man aus Gl. (2.15)
1
W = σεAl. (2.16)
2
Ersetzt man noch die Dehnung ε aus Gl. (2.11) und Al = V, ergibt sich
σ2
W= V. (2.17)
2E
In Gl. (2.17) ist V das wirksame Federvolumen. Für die Formänderungsarbeit eines
elastisch verformten Körpers kann man die allgemeine Beziehung
W = ηF ΔW V (2.18)
σ2
ΔW = (2.19)
2E
die spezifische (auf die Volumeneinheit bezogene) Formänderungsarbeit. Die Ar-
beit der äußeren Kräfte ist gleich der Formänderungsarbeit; durch Vergleich der
Gl. (2.17) mit Gl. (2.18) erkennt man, dass für einen Zugstab mit gleichmäßiger
Spannungsverteilung ηF = 1 ist, das Volumen des Zugstabes wird zu 100% ausge-
nutzt. In Federn mit ungleichmäßiger Spannungsverteilung ist ηF < 1, das Volumen
wird somit unvollständig ausgenutzt.
Beispiel 2.6 (Formänderungsarbeit und Federkonstante einer Zugstange).
Für die Zugstange mit gleichmäßiger Spannungsverteilung (ηF = 1) aus Beispiel
2.5 berechne man die spezifische und die gesamte Formänderungsarbeit sowie die
Federkonstante.
Lösung 2.6
Nach Gl. (2.19) ist
σ2 (1,05 · 102 N/mm2 )2 Nmm Arbeit
ΔW = = = 0,026 = .
2E 2 · 2,1 · 105 N/mm2 mm3 Volumen
Mit V = Al = 78, 5 mm2 · 1000 mm = 7, 85 · 104 mm3 ergibt sich nach Gl. (2.18) die insgesamt
aufgespeicherte Formänderungsarbeit
Nmm
W = ηF ΔWV = 1 · 0,026 · 7,85 · 104 mm3 = 2 041 Nmm ≈ 2,041 Nm .
mm3
Das gleiche Ergebnis erhält man auch aus Gl. (2.15)
1
W= FΔl = 0, 5 · 8 250 N · 0, 5 mm = 2 062,5 Nmm ≈ 2, 062 Nm .
2
Diese Zahlenergebnisse gelten für den Stahlstab, für den legierten Aluminiumstab sind die Beträge
wegen der dreifachen Verlängerung dreimal so groß. Die Federkonstante für den Stahlstab ist nach
Gl. (2.13)
F 8 250 N N
c= = = 16 500 .
Δl 0, 5 mm mm
Für den Aluminiumstab ergibt sich c = 5 500 N/mm.
2.2 Zugversuch 23
2.2.3 Werkstoffkennwerte
Das Spannungs-Dehnungs-Diagramm für zähen Baustahl (Abb. 2.5) weist eine Rei-
he von typischen Merkmalen auf. Oberhalb vom Punkt P weicht die Kurve von der
H OOKE’schen Geraden ab. Dies bedeutet zunehmende plastische (bleibende) Ver-
formung, d. h. nach Entlasten auf σ = 0 geht die Kurve parallel zur H OOKE’schen
Geraden um den Betrag εe zurück, die Messstrecke hat eine bleibende Dehnung er-
fahren (Abb. 2.6). Dem Diagramm werden eine Reihe wichtiger Werkstoffkennwerte
entnommen, die im Folgenden kurz zusammengestellt und erläutert werden sollen6 .
Die Spannungen in den Punkten P und E (Abb. 2.5) heißen
FP
Spannung an der Proportionalitätsgrenze σP = ,
A0
FE
Spannung an der Elastizitätsgrenze σE = .
A0
Bis zur Spannung σP sind Spannung σ und Dehnung ε einander proportional. Die
bis zur Spannung σE nach Entlasten auftretenden geringen bleibenden Formände-
rungen sind messtechnisch schwer erfassbar. Deshalb wird als technische Spannung
an der Elastizitätsgrenze die Dehngrenze bei nichtproportionaler Dehnung Rp ver-
wendet. Beispielsweise ist Rp0,01 (0,01%-Dehngrenze) als diejenige Spannung defi-
niert, die nach Entlasten eine bleibende Dehnung εp = 0,01% hervorruft (Abb. 2.6).
Der Beginn größerer bleibender Verformungen wird bei Baustahl durch ein aus-
geprägtes Fließen bei im Mittel konstanter Kraft gekennzeichnet. Die Spannung
während des Fließens heißt Fließgrenze oder
6 Abweichend von den in der Technischen Mechanik üblichen Bezeichnungsweisen werden hier
die Bezeichnungen entsprechend DIN EN 10 002 verwendet.
24 2 Zug- und Druckbeanspruchung
FE
Streckgrenze Re = .
A0
Nach beendigtem Fließen ist eine weitere Verformung nur bei weiterer Kraftstei-
gerung möglich bis zum Punkt B. Den Maximalwert der Zugkraft FB = Fm , bezogen
auf den Ausgangsquerschnitt A0 definiert man als
Fm
Zugfestigkeit Rm = .
A0
Die Zugfestigkeit ist, wie die anderen Kennwerte auch, eine von den Abmessungen
in weiten Grenzen unabhängige vergleichbare Werkstoffgröße, die u.a. vielfach als
Qualitätsbezeichnung verwendet wird (s. DIN 17 006 Werkstoffbenennung). Nach
Überschreiten der Spannung σP verjüngt sich der Zugstab gleichmäßig (Abb. 2.5
b) bis zum Punkt B in Abb. 2.5 a. Dann aber schnürt er sich örtlich mit erhebli-
cher Dehnung an dieser Stelle ein (Abb. 2.5 c), die Zugkraft F fällt ab, und der Stab
reißt dort bei Erreichen des Punktes Z auseinander. Der Wert σZ = FZ /A0 hat keine
praktische Bedeutung. Als Kennwerte für ein mögliches plastisches Verformungs-
verhalten eines Zugstabes werden die Bruchdehnung und die Brucheinschnürung
definiert.
Definition 2.4 (Bruchdehnung). Die Bruchdehnung ist
Lu − L0
A5 (oder A10 ) = · 100%
L0
je nachdem, ob die Messlänge L0 = 5 d0 (kurzer) oder L0 = 10 d0 (langer Propor-
tionalstab) beträgt. Dabei wird die Größenlänge Lu der ursprünglichen Messstrecke
nach dem Bruch ausgemessen.
Die gesamte Dehnung beim Bruch A7 setzt sich aus der Gleichmaßdehnung Ag
und der Einschnürdehnung Ae , vermindert um die elastische Dehnung in Folge der
Spannung σZ zusammen (Abb. 2.5)
7 An dieser Stelle wird das in der Werkstoffprüfung übliche Formelzeichen A für die Dehnung
verwendet. Dieses ist nicht zu verwechseln mit der Bezeichnung für den Querschnitt.
2.2 Zugversuch 25
σZ
A = Ag + Ae − .
E
Die Gleichmaßdehnung ist der bei gleichmäßiger Verjüngung auftretende Anteil
der Bruchdehnung, die Einschnürdehnung der Anteil während der örtlichen Ein-
schnürung. Um bei Überlastung eines Zugstabes genügend Verformungsreserve zu
bekommen, wird Ag > Ae angestrebt. Man kann das durch Wärmebehandlung, z.
B. bei Stahl, erreichen.
Nur kohlenstoffarme niedriglegierte geglühte Stähle weisen das in Abb. 2.5 ge-
zeigte Spannungs-Dehnungs-Diagramm auf. Vergütete und gehärtete Stähle, Guss-
eisen, Leicht- und Buntmetalle zeigen davon abweichendes Verhalten im Zugver-
such und dementsprechend andere Kurven im Diagramm. In Abb. 2.7 sind die
Diagramme für einige metallische Werkstoffe aufgezeichnet. Das ausgeprägte Flie-
ßen mit konstanter Spannung fehlt bei allen. Gehärteter Stahl und Gusseisen GG
versagen sogar ohne eine messbare bleibende Formänderung (Trennbruch). Für
Werkstoffe ohne ausgeprägtes Fließen wird eine Ersatzstreckgrenze, die 0,2%-
Dehngrenze Rp0,2 definiert. Darunter versteht man diejenige Spannung, bei der nach
Entlasten eine bleibende Dehnung εp = 0,2% gemessen wird.
Der geradlinige Verlauf des Spannungs-Dehnungs-Diagramms kann ganz fehlen,
wie z. B. bei manchen Gusswerkstoffen und bei Kunststoffen (Abb. 2.8). Als Maß
für den Elastizitätsmodul wird entweder der Anfangsanstieg oder der der Ableitung
entsprechende Anstieg dσ/dε der Kurve angegeben.
Je nach dem Verhalten im Zugversuch lassen sich zwei verschiedene Werkstoff-
gruppen unterscheiden.
Definition 2.6 (Duktiler Werkstoff). Diejenigen Werkstoffe, deren Versagen durch
größere bleibende Formänderungen vor dem Zerreißen eingeleitet wird, nennt man
duktil.
In diese Gruppe fallen fast alle gewalzten, geschmiedeten oder ähnlich behandelten
Metalle und viele Kunststoffe.
Definition 2.7 (Spröder Werkstoff). Werkstoffe, deren Versagen ohne bleibende
Formänderung durch Trennen erfolgt, nennt man spröde.
σ 1
2
≈ arctan E
Hierzu gehören gehärtete und hartvergütete Stähle (Federn) und gegossene Metal-
legierungen (z. B. GG).
Die Werkstoffkennwerte werden durch die Behandlung der Werkstoffe beein-
flusst, eine große Rolle spielt aber auch die Prüftemperatur. Viele Bauteile werden
im Betrieb hohen Temperaturen ausgesetzt, so dass die Kenntnis des Temperatu-
reinflusses wichtig ist. Allgemein kann man feststellen, dass Festigkeit und Härte
mit fallender Temperatur, allerdings bei zunehmender Versprödung, steigen und
mit wachsender Temperatur abnehmen. Der Elastizitätsmodul von Metallen nimmt
mit steigender Temperatur ab [22]. Deshalb sind bei höheren Temperaturen über
150 . . .250 ◦ C die elastischen Formänderungen größer als bei Raumtemperatur.
Die bei Baustählen beobachtete ausgeprägte Streckgrenze im Zugversuch ver-
schwindet mit zunehmender Temperatur. Metalle zeigen bei höheren Temperatu-
ren eine bei normaler Temperatur nur bei Kunststoffen beobachtetes Veralten, das
man als Kriechen (bleibende Formänderung bei konstanter Spannung) bezeichnet.
Stähle z. B. beginnen bei 400 . . .450 ◦ C zu kriechen. Für die Verwendung von Stahl
bei Temperaturen über 450 ◦ C (0,3 - 0,5 der Schmelztemperatur in Kelvin) müssen
deswegen neue Kennwerte (DIN 50 119) definiert werden, die diesem Materialver-
halten gerecht werden:
Zeitdehngrenze Rp 1/105 ,
Zeitbruchgrenze Rm/105 .
Man versteht darunter diejenigen (konstanten) Spannungen, die nach 105 Stunden
Belastungszeit 1% bleibende (Kriech-)Dehnung aufweisen oder noch zum Bruch
führen. Aus praktischen Gründen werden diese Kennwerte meist in Kurzzeitversu-
chen (z. B. 103 Stunden) ermittelt und auf längere Zeiten extrapoliert.
Nähere Einzelheiten entnimmt man den entsprechenden Normblättern und Nach-
schlagewerken, z. B. [22]. Bei der Berechnung von zulässigen Spannungen zieht
2.3 Druckversuch 27
man zusätzlich das Verhalten bei möglichem Versagen neben der Art der Bean-
spruchung zur Beurteilung heran. In der Praxis zeigt sich, dass die zügige (sta-
tische) Beanspruchung hierfür nicht ausreicht, sondern dass das dynamische Ver-
halten (Ermüdung des Werkstoffs) eine besondere Rolle spielt (s. Kapitel 3). Un-
terschiedliche Modelle des Werkstoffkriechens und strukturmechanische Analysen
können beispielsweise [36] entnommen werden.
2.3 Druckversuch
a) σ B b) σ
Rm
E
Re
Rm
ε ε
σdF
σdP
P
σdB
Δh
zylindrischen Druckkörpers
h0
Δd
d0 2
tizitätsmodul. Sinngemäß tritt an Stelle der Verlängerung bei Zug eine Verkürzung,
an Stelle der Querkontraktion eine Querdehnung. Man definiert sinngemäß wie bei
Zugbeanspruchung (Abb. 2.10)
Δh
Stauchung ε= ,
h0
Δd
Querdehnung εq = .
d0
2.3.2 Werkstoffkennwerte
FP
Spannung an der Proportionalitätsgrenze σdP = ,
A0
8 Nach DIN 1 340 und 1 350 dienen die kleinen Buchstabenindizes an den Formelzeichen σ und
FS
Spannung an der Quetschgrenze σdF = .
A0
Bei Werkstoffen mit nicht ausgeprägtem Fließverhalten wird statt der Stauchgrenze
die 0, 2-Dehngrenze bestimmt
FdB
Druckfestigkeit σdB = .
A0
∅20
Rundstahlkette
F 3,6 · 105 N
A = = 4 000 mm2 .
σzul 90 N/mm2
Damit erhält man d = 71,4 mm, gewählt wird 72 mm mit der Querschnittsfläche 4 070 mm2 . Der
Spannungsnachweis lautet
F 3,6 · 105 N N
σ= = = 88, 4 < σzul .
A 4 070 mm2 mm2
Die elastische Verlängerung folgt aus Gl. (2.12)
a) 8 000 b) c)
α α
1 2
P
FS1 α α F S2
8 00 α α Δl Δl
vP
0
FG P
P
FG
b) den Durchmesser der Stange 2 aus Aluminium so, dass sie gleiche elastische
Verlängerung erfährt, wie die Stange 1,
c) die Zugspannung in der Stange 2,
d) die Verlängerung beider Stangen und die Verschiebung des Gelenkpunktes P.
Gegeben sind E1 = 2,1 · 105 N/mm2 und E2 = 0,675 · 105 N/mm2 und der Winkel
α = 30◦ .
Lösung 2.9
Aus Symmetriegründen (gleichgroße Winkel) sind die Stangenkräfte gleich groß. Für den gegebe-
nen Winkel gilt sin α = 0, 5. Die Gleichgewichtsbedingung für die Kräfte in vertikaler Richtung
ergibt (Abb. 2.13 a)
FG 104 N
FS = FS1 = FS2 = = = 5,77 · 103 N = 5,77 kN .
2 cos α 2 · 0, 866
FS 5,77 · 103 N N
σ(1) = = = 114,7 .
A1 50, 3 mm2 mm2
b) Damit beide Stangen gleiche Verlängerung erfahren sollen, gilt für beide die Gl. (2.12)
FS l FS l
Δl1 = Δl2 oder = .
E 1 A1 E 2 A2
Daraus erhält man den gesuchten Querschnitt der Stange 2
FS 5,77 · 103 N N
σ(2) = = = 36, 9 .
A2 156,5 mm2 mm2
32 2 Zug- und Druckbeanspruchung
h1 und h2 sind die Höhen der beiden Teilstücke (Abb. 2.14). Durch Umformen obiger Gleichun-
gen ergibt sich
F
27, 5
2
55
h1 N 27, 5 mm
Δh1 = σ = 149, 6 · = 0,092 mm,
E1 mm2 0,45 · 105 N/mm2
a) b) c)
1 1 F S2
F S1 F S1 α α
α α
α α
P
2
l1
l2
vP = δl2
FG δl1
FG
Aus dieser einzigen Gleichgewichtsbedingung kann man die beiden unbekannten Spannungen
nicht berechnen, das System ist einfach statisch unbestimmt (s. [17], Kapitel 7 - Ebene Fachwerke).
Eine weitere Gleichung gewinnt man, wenn man die Verträglichkeitsbedingung (s. Abschnitt 1.4)
heranzieht. Diese ergibt sich hier aus der Bedingung, dass die Formänderung der Drähte zuein-
ander passen müssen, d. h., dass die Drähte auch im belasteten Zustand im Punkt P verbunden
bleiben. Die Spannungen sind durch das H OOKE’sche Gesetz mit den Dehnungen verknüpft.
Aus dem Verschiebungsplan (Abb. 2.15 c) in Verbindung mit den Gln. (2.3) und (2.12) folgen
die Verlängerungen
Löst man diese Gleichungen nach den Spannungen auf und setzt sie in die obige Gleichgewichts-
bedingung ein, ergibt sich
2E1 A1 vP cos2 α E2 A2 vP
+ = FG .
l1 l2
Daraus lässt sich unmittelbar die Verschiebung vP berechnen
FG
vP = .
(2E1 A1 cos2 α/l1 ) + (E2A2 /l2 )
Die Spannungen erhält man aus den Gleichungen für die Verlängerungen
E1 E2
σ(1) = vP cos α , σ(2) = vP .
l1 l2
Mit den oben angegebenen Zahlenwerten wird
2E1 A1 cos2 α E2 A2 4,2 · 105 N/mm2 · 12,5 mm2 · 0, 75 7 · 104 N/mm2 · 12,5 mm2
+ = +
l1 l2 1 500 mm 1 000 mm
= 3 500 N/mm,
5 000 N
vP = = 1,43 mm,
3 500 N/mm
2,1 · 105 N/mm2
σ(1) = 1,43 mm · 0, 866 · = 173 N/mm2 ,
1 500 mm
7 · 104 N/mm2
σ(2) = 1,43 mm · = 100 N/mm2 .
1 000 mm
Eine Kontrollrechnung mit der Gleichgewichtsbedingung ergibt
2 · 173 N/mm2 · 12, 5 mm2 · 0, 866 + 100 N/mm2 · 12, 5 mm2 = 3 750 N + 1 250 N = 5 000 N .
Die gesuchte Kraft Fzul und die Stangenkraft FS2 erhält man aus den Kräftegleichgewichten in
x- und y-Richtung mit α = 33,7◦ (Abb. 2.16 b)
Fzul = FS1 sin α = 164,8 · 103 N, FS2 = −FS1 cos α = −247,1 · 103 N .
b) Mit A2 = 2 · 2 040 mm2 = 4 080 mm2 erhält man die Druckspannung im Stab 2
a) b) c)
A Δl2 P
FS1
Δl1
α P
1
2 000
F S2 vp α
B P
2 α
F
v
3 000 F α
Um die Verschiebung des Knotens P zu berechnen, muss die Verbindung beider Stäbe in die-
sem Punkt gedanklich aufgehoben werden. Die Verlängerung der Stange 1 und die Verkürzung
der Stange 2 werden angezeichnet. Die Lage des verschobenen Punkts P ergibt sich als Schnitt-
punkt der Kreisbögen um die Punkte A und B mit den Radien l1 + Δl1 bzw. l2 + Δl2 (Abb.
2.16 c). Da die Verlängerungen klein sind gegen die Länge der Stangen, können die Kreisbögen
durch ihre Tangenten ersetzt werden
Δl1 u
u = |Δl2 | = 0,865 mm, v= + = 5,475 mm,
sin α tan α
und
vP = u2 + v2 = 5,5 mm .
d) Aus Gl. (2.7) wird der Gesamtquerschnitt des Drahtseils berechnet
Mit d0 = 1, 5 mm ist der Querschnitt eines einzelnen Drahtes A0 = 1, 77 mm2 . Die Anzahl der
Drähte ergibt sich aus
A 686 mm2
i = = 388, 2 ,
A0 1, 77 mm2
d. h. 389 Drähte.
2.4.2 Flächenpressung
Fn
p= pzul , (2.20)
A
wenn A die Berührungsfläche und Fn die Normalkraft senkrecht zu dieser ist. Die
Flächenpressung wird als Druckspannung in das Innere der gepressten Körper über-
tragen. Ist die Flächenpressung eines Körpers auf den anderen größer als die zulässi-
ge (z. B. einer Maschine auf den Boden), schaltet man einen Körper mit größerer
zulässiger Flächenpressung dazwischen (Stahlplatte, Betonfundament o.ä.), um die
Berührungsfläche zu vergrößern.
Beispiel 2.13 (Berechnung der Auflagerlänge).
Ein I-Breitflanschträger 400 DIN 1 025, Bl. 2, ist mit seinem Ende auf einem Mau-
erwerk gelagert (pzul = 0, 7 N/mm2 ), Stützkraft Fn = 105 kN. Wie groß ist die Auf-
lagerlänge zu wählen (Abb. 2.17)?
Lösung 2.13
Aus der Profiltabelle [22] entnimmt man die Trägerbreite b = 300 mm. Mit der Berührungsfläche
A = bl erhält man aus Gl. (2.20) die erforderliche Stützlänge
b
l
4F 60 · 104 N mm2
D= + d2i = + 2,56 · 104 mm2 = 514,1 mm .
πpzul π · 0, 8 N
Gewählt wird D = 520 mm. Die Querschnittsfläche des Sockels ist ASockel = a2 . Mit Gl. (2.20)
erhält man
F 15 · 104 N mm2 √
a= = = 60 · 104 mm2 = 775 mm .
pzul 0, 25 N
Gewählt wird a = 780 mm.
F
da
di
D
a
p p
F F F
p= = = pzul
A ld 1, 2 d2
erhält man
F 6 · 104 N mm2
d = = 52, 8 mm .
1, 2 pzul 1, 2 · 18 N
Gewählt wird d = 55 mm, l = 66 mm. Im Wellenzapfen ist zusätzlich die Biegebeanspruchung
nachzurechnen (s. Abschnitt 4.2).
Nach der Schnittmethode wird ein Stück des Ringes herausgeschnitten und sein
Gleichgewicht betrachtet (Abb. 2.20 b). Als Trägheitskraft wirkt die im Schwer-
punkt angreifende Fliehkraft ΔF = Δmrω2 (s. [16], Abschnitt 5.2 Drehung eines
starren Körpers um eine feste Achse). In den Schnittflächen A wirken die Kräfte
σA. Das Gleichgewicht in radialer Richtung verlangt (Abb. 2.20 c)
Δm = ρΔV ist die Masse des Teilstücks mit der Dichte ρ und dem Volumen
Δ V = ArΔϕ.
Nach dem Grenzübergang Δϕ → 09 erhält man aus Gl. (2.21) die gesuchte Zug-
spannung
Die Zugspannung in einem dünnen umlaufenden Ring ist also unabhängig von der
Größe der Querschnittsfläche A des Ringes. Die Spannung kann somit nur durch
Verringern von Radius oder Winkelgeschwindigkeit vermindert werden, nicht aber
durch Verstärkung“. Da rω = v die Umfangsgeschwindigkeit des Ringes ist, kann
”
für Gl. (2.22) auch geschrieben werden
σ = ρv2 . (2.23)
Die Spannung in einem umlaufenden Ring hängt demnach nur von der Dichte ρ
des Werkstoffs und von der Umfangsgeschwindigkeit v ab. Es ist zu beachten, dass
Gl. (2.23) streng nur für einen dünnen frei umlaufenden Ring gilt, wie z. B. im Man-
a) a) b) c)
ΔF ΔF
t t
σ
σ
r σA ΔF
σA σA Δϕ/2
Δϕ Δϕ/2
M
r σA
sin(Δϕ/2)
9 Es gilt lim = 1.
Δϕ→0 Δϕ/2
40 2 Zug- und Druckbeanspruchung
tel einer Zentrifuge oder in einer Trommel (in gewisser Entfernung von Boden und
Deckel). Wird der Ring dagegen z. B. als Schwungrad durch Speichen mit der Nabe
verbunden, dann beeinflussen diese den Spannungszustand im Ring. Solche Proble-
me lassen sich mit Hilfe der Elastizitätstheorie lösen; darauf einzugehen, übersteigt
den Rahmen dieses Buches.
Beispiel 2.16 (Maximale Drehzahl eines Schwungrades).
Mit welcher höchstzulässigen Drehzahl darf ein Schwungrad aus GG-15 mit dem
mittleren Durchmesser D = 10m bei 5facher Sicherheit gegen Bruch rotieren (Ein-
fluss der Speichen vernachlässigt)?
Lösung 2.16
Setzt man in Gl. (2.23) σzul = Rm /5 = 30 N/mm2 ein und löst nach v auf, dann erhält man mit
ρ = 7,35 · 103 kg/m3
pi ri Δϕ b − 2σ t b sin(Δϕ/2) = 0 . (2.24)
t
umfang verteiltem Innendruck t
pi und eingezeichnetem F σtb
Teilstück mit angreifenden
Kräften ra
ri
Δϕ
σtb
pi
Damit ist die Gültigkeit der Gln. (2.25) und (2.26) abgegrenzt für t/ri ≈ t/ra < 1/5.
Durch Innendruck wird der Umfang U des Ringes vergrößert, durch Außendruck
verkleinert. Die Längenänderung ΔU des Umfanges lässt sich bei elastischer Ver-
formung berechnen
σ ΔU πΔd Δd
ε= = = = .
E U πd d
Die Umfangsänderung ist der Durchmesseränderung proportional, diese erhält man
zu
σ
Δd = d . (2.27)
E
Beispiel 2.17 (Zugspannung und Aufweitung einer Rohrleitung).
Eine Rohrleitung aus PVC (E = 3,5 · 103 N/mm2 ) mit dem Innendurchmesser
250 mm und der Wanddicke 5 mm steht unter dem Innendruck pi = 0, 2 N/mm2 .
Wie groß sind die Zugspannung und die Aufweitung des Außendurchmessers?
Lösung 2.17
Mit Gl. (2.25) ergibt sich
ri N 125 mm N
σ = pi = 0, 2 · =5 .
t mm2 5 mm mm2
Die Vergrößerung des Außendurchmessers da erhalten wir aus Gl. (2.27)
σ 5 N/mm2
Δda = da = 260 mm · = 0, 37 mm .
E 3 500 N/mm2
11 A.D. = Arbeitsgemeinschaft Druckbehälter
42 2 Zug- und Druckbeanspruchung
Δl = l εT = l αT ΔT . (2.29)
Wird diese Ausdehnung bei Erwärmung oder Abkühlung behindert, dann entsteht
in dem Stab aus
σ
εges = + αT ΔT = 0
E
die Spannung
σ = −E αT ΔT = −E εT , (2.30)
sofern das H OOKE’sche Gesetz gilt, also keine bleibenden Formänderungen auftre-
ten.
Beispiel 2.18 (Berechnung der Wärmespannungen in einem Schienenstrang).
Ein endlos verschweißter Schienenstrang aus Stahl (E = 2 · 105 N/mm2 ) wurde
spannungsfrei bei der Temperatur T0 = 25 ◦ C verlegt. Wie groß sind die Span-
nungen bei den Temperaturen
a) T1 = 50 ◦ C,
b) T2 = −15 ◦ C?
Lösung 2.18
a) Mit der Temperaturdifferenz ΔT = T1 − T0 = 25 K erhält man aus der Gl. (2.30) die Druck-
spannung
σ 200 N/mm2 1
εT = − =− 2
=− .
E 2 · 10 N/mm
5 1 000
250 mm
Δl = −lεT = − = −0, 25 mm .
1 000
Der Abstand der Pressflächen muss demnach l = 249, 75 mm betragen. Die notwendige Erwär-
mungstemperatur ergibt sich aus Gl. (2.28) zu
|εT | 1
ΔT = = K = 83 K .
αT 1 000 · 12 · 10−6
2 1
250
Abb. 2.22 Schrumpfrahmen
44 2 Zug- und Druckbeanspruchung
rW N 75 mm
σ=p = 10 · = 150 N/mm2 .
t mm2 5 mm
Das notwendige Untermaß (Schrumpfmaß) des Ringes erhält man aus Gl. (2.27)
σ 150 N/mm2
ΔdS = dW = 150 mm · = 0, 25 mm .
E 0,9 · 105 N/mm2
Der Innendurchmesser des Ringes ist somit auf das Maß di = 149, 75 mm zu bearbeiten.
Mit Gl. (2.28) ist nun die Temperaturerhöhung
εT ΔdS 0, 25 mm · 106
ΔT = = = K = 88 K .
αT dW αT 150 mm · 19
Werden Ring und Welle nach dem Schrumpfen gemeinsam abgekühlt, dann hat der Ring infol-
ge seiner größeren Wärmedehnzahl das Bestreben, sich stärker zusammenzuziehen als die Welle,
Zugspannung und Pressung werden größer. Durch ein gemeinsames Erwärmen dagegen erreicht
man umgekehrt ein Lockern der Verbindung. Die notwendige Temperaturerhöhung zum vollständi-
gen Lösen erhält man aus der Überlegung, dass bei dieser Temperatur der Innendurchmesser des
Ringes und der Wellendurchmesser gleich groß sein müssen (so als wenn sie jeder für sich erwärmt
würden). Ist ΔdR die Ausdehnung des Innendurchmessers des Ringes, ΔdW die der Welle, dann
führt diese Überlegung auf den Ansatz
In der Technik kommt häufig der Fall vor, dass ein Ring in einen zweiten Ring
geschrumpft werden muss (z. B. eine Laufbuchse aus Gusseisen in einen Zylinder-
mantel aus Aluminium bei Verbrennungskraftmaschinen). Hier darf man nicht die
Voraussetzung treffen, dass einer der Ringe als starr anzusehen ist, sondern beide
sind in gleicher Größenordnung deformierbar.
In Abb. 2.23 sind die Verhältnisse vor und nach dem Schrumpfen dargestellt
(Index 1 für den äußeren, 2 für den inneren Ring). Aus dem Bild kann man das
erforderliche Schrumpfmaß entnehmen, es ist
Für die Berechnung kann man nun den äußeren Ring 1 als Rohr unter Innendruck,
den inneren als Rohr unter Außendruck (ohne Längskraft) ansehen, mit der gemein-
samen Pressung p als Innen- und Außendruck (Abb. 2.23). Die notwendigen Be-
rechnungsunterlagen erhält man aus den Gln. (2.25) - (2.27) und (2.30), in die die
jeweils richtigen Bezeichnungen einzusetzen sind. Häufig sind die Zugspannungen
im äußeren Ring oder ein erforderliches Schrumpfmaß vorgeschrieben, über die an-
2.4 Berechnung von Bauteilen unter Zug- und Druckbelastung 45
gegebenen Gleichungen können dann die anderen Größen berechnet werden (s. Auf-
gaben 2.12 und 2.13).
Ändern sich in Zug- oder Druckstäben die Querschnitte längs der Stabachse, ändern
sich die Spannungen ebenfalls. Ist die Querschnittsänderung nur gering, dann ist
die Annahme gerechtfertigt, dass die Spannungen in jedem Querschnitt gleichmäßig
verteilt sind (s. Abschnitt 2.1). Auch bei der Beanspruchung von stabförmigen Bau-
teilen durch Volumenkräfte (Eigengewicht, Fliehkräfte) in Richtung der Stabachse
ändern sich die Spannungen. In Abb. 2.24 ist ein Zugstab mit einem veränderlichen
Querschnittsverlauf A(x) dargestellt, der sowohl durch die äußere Kraft F als auch
durch Volumenkräfte beansprucht ist. Nach der Schnittmethode ist ein Körperele-
ment, begrenzt durch die Querschnittsflächen A und A + dA im Abstand dx von-
einander, herausgeschnitten; in der linken Fläche sind die Zugspannungen σ, in
der rechten Fläche haben sie sich um dσ geändert. Die am Element angreifenden
Kräfte
(dK Volumenkraft) sind im Gleichgewicht. Die Gleichgewichtsbedingung
Fix = 0 ergibt
−σA + (σ + dσ)(A + dA) + dK = 0. (2.32)
Nach dem Ausmultiplizieren und Kürzen erhält man
1 2 p = pi = pa
pa
Δd2
ΔdS
2
2
2
Δd1
2
pi
d0
da
di
dK
F σA (σ + dσ)(A + dA)
x
dx A A + dA
dx
x=0
Abb. 2.24 Zugstab mit veränderlichem Querschnitt unter Einwirkung einer äußeren Kraft F und
Volumenkräften dK mit herausgeschnittenem Teilstück
Das Glied dσdA ist von höherer Ordnung klein gegenüber den anderen und kann
vernachlässigt werden. Berücksichtigt man noch, dass nach der Produktregel der
Differentialrechnung d(σA) = σdA + dσA ist, dann führt Gl. (2.33) auf den Aus-
druck
(.σA) + dK = 0. (2.34)
Dies ist eine Differentialgleichung, sie kann unter Beachtung der Randbedingun-
gen für verschiedene Fälle gelöst werden und gilt ganz allgemein sowohl bei Zug-
als auch bei Druckbeanspruchung. Für den Zugstab mit A = const. ohne Volumen-
kräfte (dK = 0) ergibt Gl. (2.34) d(σA) = 0, d. h. σ = const. Unter Beachtung der
Randbedingung σA = F hat man wieder Gl. (2.3).
Neben der Spannung interessiert auch die Verformung des Stabes. Unter dem
Einfluss der angreifenden Kräfte erfährt das Element in Abb. 2.24 eine Verschiebung
nach rechts und eine Verlängerung. Bezeichnet man die Verschiebung der Quer-
schnittsfläche A mit u und die Verlängerung mit du (Abb. 2.25), dann ist die Deh-
nung des Elements die Längenänderung du bezogen auf die ursprüngliche Länge
dx
du
ε= . (2.35)
dx
Mit σ = Eε ergibt sich
u + du
u
dσ = −gρdx . (2.37)
a) b)
x
FL
dx
l
FL + dFL
Mit der Randbedingung für x = l ist σ = F/A; es folgt dann die Integrationskon-
stante
F
C = + gρl .
A
Für die Zugspannung in einem beliebigen Querschnitt an der Stelle x erhalten wir
F
σ = gρ(l − x) + . (2.38)
A
Die größte Spannung tritt im Aufhängquerschnitt auf (x = 0), die Festigkeitsbedin-
gung lautet somit
F
σmax = gρl + σzul . (2.39)
A
Um die Verlängerung zu berechnen zu können, benötigt man Gl. (2.36) und erhält
mit Gl. (2.38)
1 F
du = gρ(l − x) + dx
E A
sowie nach Ausführung der Integration
1 1 F
u= gρ lx − x2 + x + D .
E 2 A
Die Konstante D ist mit der Randbedingung u = 0 für x = 0 ebenfalls Null. Somit
ergibt sich die Gesamtverlängerung des Zugstabes für x = l
gρl2 Fl
Δl = u(l) = + . (2.40)
2E EA
Das Eigengewicht spielt bei Zugbeanspruchung in Förderseilen, bei Druckbean-
spruchung in Säulen, Mauerwerk und dgl. eine Rolle, wenn also das Gewicht eines
Bauteils in gleicher Größenordnung wie die äußere Belastung liegt (s. Aufgaben
2.14 und 2.15). Wird z. B. ein Seil nur durch sein Gewicht belastet, dann ist die
äußere Kraft F = 0, und als größte Zugspannung ergibt für diesen Fall Gl. (2.39)
σmax = gρl .
Als Reisslänge lR bezeichnet man diejenige Länge, bei der ein Seil unter seinem
Eigengewicht allein abreißen würde, bei der also die Maximalspannung σmax die
Zugfestigkeit des Werkstoffs Rm erreicht
Rm
lR = . (2.41)
gρ
Die Reisslänge ist unabhängig von der Form und von der Größe des Querschnitts.
2.4 Berechnung von Bauteilen unter Zug- und Druckbelastung 49
Bauteile, in denen in jedem Querschnitt die Spannungen gleich groß sind, be-
zeichnet man als Körper konstanter Beanspruchung. Für Bauteile, die infolge ihrer
Beanspruchung längs der Stabachse an sich veränderliche Spannungen aufweisen
würden, sind demnach die einzelnen Querschnitte längs der Achse derart zu gestal-
ten, dass die Forderung nach überall konstanter Spannung erfüllt ist.
Für den Fall der Belastung durch Eigengewicht werden diese Querschnitts-
veränderung wie folgt berechnet werden. Aus der Differentialgleichung (2.34) erhält
man mit dK = gρAdx sowie der Spannung σ = σzul
dA gρ
=− dx
A σzul
und nach Ausführung der Integration
gρ
ln A = − x + C.
σzul
F 5 · 106 N
A0 = = = 5 · 106 mm2 .
σzul 1 N/mm2
50 2 Zug- und Druckbeanspruchung
50, 00
h
b1
Mit h = 5 000 mm ist die Breite des oberen Querschnitts b0 = 1 000 mm. Die untere Querschnitts-
fläche erhält man aus Gl. (2.43) mit x = 0. Der Exponent in dieser Gleichung ist
kg
gρl 9.81 sm2 · 2,4 · 103 m 3 · 50 m
= = 1.117 .
σzul 1 · 106 m2
N
Somit ist die untere Querschnittsfläche A1 = A0 e1 = A0 e1,117 = 15,3·106 mm2 , die untere Breite
ist b1 = 3 056 mm.
Rotiert ein Stab mit konstantem Querschnitt A um eine zur Zeichenebene senk-
rechte Drehachse in x = 0 (Abb. 2.28) mit der Winkelgeschwindigkeit ω, können
die Spannungen ebenfalls aus Gl. (2.34) berechnet werden. Mit dK = dm xω2 und
dm = ρA dx nimmt die Gleichung die Form an
Die Fläche A kürzt sich heraus, und nach Ausführung der Integration erhält man
1
σ = − ρ ω2 x2 + C .
2
Mit der Randbedingung σ = 0 für x = l ist die Konstante
ω
x
1
C = ρ ω2 l2 .
2
Die Zugspannung durch die Fliehkräfte ist nunmehr
1
σ = ρ ω2 (l2 − x2) . (2.45)
2
Führt man noch die Umfangsgeschwindigkeit des äußeren Stabendes v = ωl ein,
dann ist mit ξ = x/l
σ = 0, 5ρ v2 (1 − ξ2 ) . (2.46)
Näherungsweise stabförmige Bauteile unter Fliehkraftbeanspruchung sind z. B.
Propeller in Verbrennungskraftmaschinen oder Schaufeln in Turbinen. Wenn die
Querschnitte längs der Stabachse nicht gleich groß sind oder die Konturen zeichne-
risch gegeben sind, ermittelt man die Spannungen durch ein Näherungsverfahren.
Aufgabe 2.2 (Anzahl der Einzeldrähte). Wie viele Einzeldrähte mit dem Durch-
messer d0 = 2 mm aus Stahl (σzul = 210 N/mm2 ) muss das Drahtseil einer Kran-
winde für die Höchstkraft Fmax = 150 kN enthalten?
50
1
Aufgabe 2.7 (Bemessung eines Kranauslegers). Der auf Abb. 2.30 dargestellte
Kranausleger besteht aus der Schließe 1 und der Strebe 2, die im Punkt K gelen-
kig miteinander verbunden sind. Die Schließe 1 wird aus zwei Rundstahlstangen
3 000
K
1
F
18
2
00
00
Abb. 2.30 Kranausleger mit 25
angehängter Last F
mit E = 2 · 105 N/mm2 und d = 20 mm, die Strebe 2 aus zwei ungleichschenkli-
gen Winkelstählen 130 × 65 × 10, DIN 1 029, mit gleichem E-Modul gebildet.
In einem Belastungsversuch wurde unter der Kraft F an einer Stange der Schließe 1
die Längsdehnung ε = 0, 06 % gemessen. Zu ermitteln sind
2.5 Aufgaben zu Kapitel 2 53
Aufgabe 2.12 (Aufschrumpfen äußerer auf inneren Ring). Ein äußerer Ring
(da = 350 mm, d0 = 340 mm, E1 = 1,8 · 105 N/mm2 ) soll auf einen inneren Ring
(di = 320 mm, d0 = 340 mm, E2 = 1,2 · 105 N/mm2 ) mit der Pressung p = 5 N/mm2
warm aufgeschrumpft werden.
1. Zu berechnen sind
a) die Spannungen in beiden Ringen,
b) das notwendige Schrumpfmaß ddS ,
c) die zum Aufschrumpfen notwendige Erwärmungstemperatur dT des äußeren
Ringes (αT = 16 · 10−6 K−1 ).
2. Welche Fließgrenzen müssen beide Werkstoffe bei zweifacher Sicherheit gegen
Fließen mindestens aufweisen?
3. Welche Spannungen würden sich im äußeren Ring ergeben, wenn er auf eine (als
starr anzunehmende) Vollwelle (Durchmesser d0 ) mit gleichem Schrumpfmaß,
wie oben errechnet, aufgeschrumpft würde?
54 2 Zug- und Druckbeanspruchung
∅38
∅40
∅48
Aufgabe 2.13 (Aufschrumpfen einer Stahlbuchse auf einen Ring). In einem Alu-
miniumring (E = 0,7 · 105 N/mm2 , αT = 24 · 10−6 K−1 ) soll eine Stahlbuchse
(E = 2,1 ·105 N/mm2 , αT = 12 ·10−6 K−1 ) eingeschrumpft werden (Abb. 2.31). Das
vorgeschriebene Schrumpfmaß habe den Wert ΔdS = 0,05 mm. Zu berechnen sind
– die Pressung p zwischen Ring und Buchse,
– die Spannung in Ring und Buchse,
– die Mindesttemperaturdifferenz, die entweder zum Erwärmen des Ringes oder
zum Unterkühlen der Buchse beim Aufschrumpfvorgang erforderlich ist. Welche
der beiden Maßnahmen beim Schrumpfen ist sinnvoller?
Aufgabe 2.14 (Verlängerung eines Seils durch Eigengewicht). Mit welcher Kraft
Fzul darf das Stahldrahtseil (σzul = 150 N/mm2 ) einer Förderanlage (Seillänge
l = 890 m) belastet werden? Das Seil setzt sich aus 200 Einzeldrähten je 1 mm
Durchmesser zusammen. Wie groß ist die Verlängerung des Seiles unter Eigenge-
wichtskraft und Kraft Fzul ?
• Zugspannung
F
σ=
A
σ - Zugspannung, F - Kraft in Zugrichtung, A - Querschnittsfläche
• Druckspannung
F
σ=−
A
σ - Druckspannung, F - Kraft in Druckrichtung
• Zulässige Spannung
|F|
|σ| = σzul
A
σzul - zulässige Spannung
• Tragfähigkeit
|Fzul | Aσzul
Fzul - zulässige Kraft
• Dimensionierung
|F|
Azul
σzul
Azul - zulässiger Querschnitt
• Dehnung
ΔL
ε=
L
ε - Dehnung, ΔL - Verlängerung, L - Ausgangslänge
• Querdehnung (Rundstab)
Δd
εq =
d
εq - Querdehnung, Δd - Durchmesseränderung, d - Ausgangsdurchmesser
• Hooke’sches Gesetz
σ = Eε
E - Elastizitätsmodul
• Zugkraft
F = EAε
• Verlängerung
Fl
Δl =
EA
• Wärmedehnungen
εT = αT ΔT .
αT - linearer Wärmeausdehnungskoeffizient, ΔT - Temperaturdifferenz
56 2 Zug- und Druckbeanspruchung
Δl = l εT = l αT ΔT .
• Spannung
σ = −E αT ΔT = −E εT ,
Kapitel 3
Zulässige Beanspruchung und Sicherheit -
Beurteilung des Versagens
Definition 3.2 (Zulässige Spannung). Die zulässige Spannung σzul ist das Verhält-
nis einer aus Versuchen ermittelten Grenzspannung σG zu einer Sicherheit S.
57
Werden Bauteile zügig bis zu einem Höchstwert F belastet und ändert sich dieser
zeitlich nicht, nennt man die Beanspruchung ruhend oder statisch. Je nach dem Ver-
sagen der Werkstoffe im statischen Versuch (z. B. Zugversuch) werden Sicherheit
und zulässige Spannung aus den entsprechenden Kennwerten berechnet.
Bei Versagen durch Trennbruch ohne messbare bleibende Formänderung ist
Rm
Sicherheit gegen Bruch SB = , (3.1)
σ
Rm
zulässige Spannung σzul = . (3.2)
SB
Besteht dagegen die Gefahr des Versagens durch große bleibende Formänderungen,
dann ist
σF
Sicherheit gegen plastisches Fließen SF = , (3.3)
σ
σF
zulässige Spannung σzul = . (3.4)
SF
Die errechnete Spannung σ in den Gln. (3.1) und (3.3) ist auf einen glatten Stab
bezogen. Die Fließgrenze σF als Oberbegriff umfasst die Streckgrenze Re bzw. die
0, 2 - Dehngrenze Rp0,2 im Zugversuch oder ähnliche Kennwerte, die auch bei ande-
ren Beanspruchungsarten (z. B. Druck oder Biegung) den Beginn größerer bleiben-
der Formänderungen anzeigen. Anhaltswerte für übliche Sicherheiten sind
SB = 2 . . . 4, SF = 1, 2 . . . 2,
Ruhende Beanspruchung in Bauteilen kommt in der Praxis relativ selten vor, häufi-
ger sind Bauteile Beanspruchungen ausgesetzt, die zeitlich schwanken. Man nennt
diese Beanspruchungen schwingend oder dynamisch (z. B. bei Fahrzeugen). Erfah-
rungen zeigen immer wieder, dass Bauteile unter der Wirkung dynamischer Bean-
spruchung nach längerer Zeit bei Spannungen zu Bruch gehen können, die weit
unterhalb der statischen Bruchfestigkeit des betreffenden Werkstoffs, ja sogar un-
terhalb seiner Proportionalitätsgrenze liegen.
Die aus dem Quotienten von Grenzspannung und errechneter Spannung gebildete
Sicherheit kann nach den Angaben im Abschnitt 3.1 zwar größer als 1 sein, die
3.2 Schwingende oder dynamische Beanspruchung 59
tatsächliche Sicherheit ist jedoch kleiner als 1, da das Bauteil zerstört wurde. Dieses
muss zweierlei Gründe haben:
1. Die tatsächliche Grenzspannung bei schwingender Beanspruchung ist geringer
als bei ruhender Beanspruchung.
2. Die wirkliche Spannung im Bauteil ist größer als die nach den üblichen Regeln
errechnete Spannung (bei Zugbeanspruchung z. B. σ = F/A).
Beide Einflüsse werden in den folgenden Abschnitten besprochen.
Infolge der Bruchgefahr bei Spannungen häufig schon unterhalb der Proportiona-
litätsgrenze sind Dauerbrüche auch bei sonst duktilem Werkstoff spröde Trenn-
brüche. Diese kündigen sich nicht durch bleibende Formänderungen an. Ausgangs-
punkt sind Mikroschädigungen, die nicht gleich erkannt werden, ständig zunehmen
und daher besonders gefährlich sind.
Auf Abb. 3.1 a) ist als Beispiel eine beliebige zeitliche Belastungsfolge in einem
Bauteil dargestellt. Die einfachste Methode zur Prüfung besteht darin, dass man
dem Diagramm nur die kleinste und die größte Spannung entnimmt und Proben mit
diesen Werten sinusförmig belastet (Abb. 3.1 b). Eine zweite Methode besteht darin,
die Belastungsfolgen nach der Häufigkeitsverteilung auszuwerten. Die Proben oder
auch die Bauteile werden zwar ebenfalls periodisch, aber mit verschieden hohen
Beanspruchungen von unterschiedlicher Dauer geprüft (Belastungskollektiv, Abb.
3.1 c). Wir wollen nur die am weitesten verbreitete erste Methode weiterverfolgen
1 AUGUST W ÖHLER (∗ 22. Juni 1819 in Soltau; † 21. März 1914 in Hannover), Ingenieur, er-
forschte die Werkstoffe Stahl und Eisen, W ÖHLER linie, Ehrendoktor 1901 TH Charlottenburg
(heute TU Berlin)
60 3 Zulässige Beanspruchung und Sicherheit - Beurteilung des Versagens
und die Kennwerte als Grundlage für eine Festigkeitsberechnung bei schwingender
Beanspruchung liefert.
Die in Abb. 3.1 b) gezeichneten Beanspruchungen2 kann man zerlegen in eine
σo + σu
Mittelspannung σm = ,
2
die ruhend ist, und einen dieser Mittelspannung überlagerten
σo − σu
Spannungsausschlag σa = .
2
Es gilt
Oberspannung σo = σm + σa , Unterspannung σu = σm − σa .
Die Methode des von W ÖHLER begründeten klassischen Dauerversuchs ist in die
Normung aufgenommen worden (DIN 50 100) und wird wie folgt durchgeführt:
Eine Anzahl (meist 6. . . 8) gleicher Proben des gleichen Werkstoffs (im Allgemeinen po-
liert oder feingeschliffen, Durchmesser 8. . . 10 mm) wird in einer Dauerprüfmaschine je-
weils bei gleicher Mittelspannung σm mit verschieden hohen Spannungsausschlägen ±σa
bis zum Bruch beansprucht. Die Zahl N der Schwingspiele bis zum Bruch wird bei jeder
Probe festgehalten und die Spannung σa in Abhängigkeit von der Bruchschwingspielzahl
N aufgetragen (Abb. 3.2), die Abszisse ist logarithmisch geteilt.
Verbindet man die einzelnen Punkte miteinander, erhält man das so genannte
W ÖHLERschaubild (W ÖHLERkurve). Man erkennt aus dem typischen Aussehen,
dass mit immer geringer werdender Spannung σa die ertragbaren Schwingspielzah-
len bis zum Bruch immer größer werden, bis bei einer Grenzschwingspielzahl keine
Brüche mehr auftreten und die Kurve waagerecht verläuft. Diese Grenzschwing-
spielzahl beträgt bei Stahl N = 2 · 106 . . . 107 , so dass man dann die
Dauerfestigkeit σD = σM ± σA (3.5)
a) b) c)
σ σ σ
σu σa σa
σo
σm
σu
t t t
Abb. 3.1 Beispiele zeitlicher Beanspruchungsfolgen
a) beliebige Beanspruchung in einem Bauteil
b) sinusförmige Beanspruchung in einer Probe
c) Beanspruchung verschiedener Höhe und Zeitdauer in einer Probe
auf endliche Lastwechselzahlen beziehen kann (Abb. 3.2). σA ist der ertragbare
Spannungsausschlag (Ausschlagfestigkeit), der durch den wagerechten Verlauf der
W ÖHLERkurve gegeben ist. Nichteisenmetalle zeigen auch nach größeren Schwing-
spielzahlen noch Dauerbrüche, so dass hier höhere Grenzschwingspielzahlen zu-
grunde gelegt werden müssen (bei Aluminium z. B. 5 · 107 . . . 108 ).
Häufig spielt auch die Zeitfestigkeit eine Rolle, das ist die Schwingbeanspru-
chung für eine Bruchschwingzahl, die kleiner als die Grenzschwingspielzahl ist,
z. B. σA(105 ) in Abb. 3.2. Sie ist größer als die Dauerfestigkeit. Vergleicht man
die Ergebnisse von Dauerfestigkeitsversuchen an gleichen Proben mit verschie-
den hohen Mittelspannungen σm miteinander, stellt man fest, dass der ertragbare
Spannungsausschlag σA mit zunehmender Mittelspannung σm kleiner wird. Die-
se Abhängigkeit kann anschaulich in einem Dauerfestigkeitsschaubild nach S MITH
dargestellt werden, es ist in der DIN 50 100 genormt (Abb. 3.3 a). Dabei wird über
der Mittelspannung der Dauerfestigkeit σM als Abszisse die zugehörige Ober- und
Unterspannung der Dauerfestigkeit σO = σM + σA und σU = σM −σA nach Gl. (3.5)
als Ordinate aufgetragen. Sie haben von der unter 45◦ verlaufenden so genannten
Leitgraden nach oben und unten gleichen Abstand.
Da Fließen auf jeden Fall vermieden werden soll, wird bei Werkstoffen mit plas-
tischen Verformungsverhalten das Schaubild nach oben durch die Fließgrenze be-
schränkt (Abb. 3.3 b). In der üblichen Darstellung werden die gekrümmten Grenz-
spannungslinien durch Geraden ersetzt sind (Abb. 3.3 c). Im Druckbereich kann die
Dauerfestigkeit größer sein als im Zugbereich, z. B. bei Gusseisen. Aus dem Dauer-
festigkeitsschaubild nach S MITH können nun die schon von VON BACH3 eingeführ-
ten drei Lastfälle abgeleitet werden, nach denen auch heute noch vielfach gearbeitet
wird:
Lastfall I Ruhende Beanspruchung, Grenzspannungen sind Zugfestigkeit oder
Fließgrenze (oder entsprechende Kennwerte bei anderen Beanspruchungsarten),
σa
σm = const
σA (105 )
σA Ausschlagfestigkeit bei
σm = const, σA(105 ) Zeit-
festigkeit bezogen auf 105
Schwingversuche 103 104 105 106 107 N
3 J ULIUS C ARL VON B ACH (∗ 8. März 1847 in Stollberg/Erzgeb.; † 10. Oktober 1931 in Stuttgart),
a) b) c)
σD σD σD
σO σF
σA σA
σSch
σF
σM
σW
σM σM II I σM
σU
III
Abb. 3.3 Dauerfestigkeitsschaubilder (nach S MITH ) auf der Zugseite
a) allgemeine Darstellung (σO obere Grenzspannung, σU untere Grenzspannung)
b) Schaubild nach oben durch die Fließgrenze σF begrenzt, bei Zug ist σF = Re
c) vereinfachte Darstellung mit geraden Grenzspannungslinien
σW = ±σA . (3.7)
Auch für andere Beanspruchungsarten (z. B. Biegung, Torsion) erhält man ähnliche
Dauerfestigkeitsschaubilder, die Grenzspannungen werden durch entsprechende In-
dizes gekennzeichnet σbW , τtSch . Aus der Wechselfestigkeit, der Schwellfestigkeit
und der Fließgrenze kann ein Dauerfestigkeitsschaubild näherungsweise konstru-
iert werden (s. Bsp. 3.1).
Die Dauerfestigkeit σD metallischer Werkstoffe ist sehr stark von der Beschaf-
fenheit der Oberfläche der Proben abhängig. Je glatter diese ist, um so größer
wird auch σM . Schon kleine Oberflächenbeschädigungen, z. B. durch feine Ris-
se, durch Scheuerwirkung in Presssitzen, Korrosionsangriff sowie Guss- und Walz-
haut, können die Dauerfestigkeit erheblich herabsetzen. Aus diesen Gründen begin-
nen Dauerbrüche auch bei gleichmäßiger Spannungsverteilung fast ausnahmslos an
der Oberfläche. Die angeführten Einflüsse wirken sich vor allem in einer Ernied-
rigung der Ausschlagfestigkeit σA aus, Dauerfestigkeitsschaubilder mit derartigen
Einflüssen erscheinen schmal und lang (Abb. 3.4, Kurve 2).
3.2 Schwingende oder dynamische Beanspruchung 63
σM
Die wirkliche oder wirksame Spannung in einem Bauteil kann durch verschiedene
Einflüsse höher sein als die errechnete Spannung (auch Nennspannung σn genannt):
– Unsicherheiten der Berechnung infolge unbekannter Kräfteverteilung oder
komplizierter Bauform sind einer Berechnung im Allgemeinen nicht zugänglich.
Die wirklichen Beanspruchungen können jedoch z. B. durch Dehnungsmessun-
gen in den betreffenden Bauteilen erfasst werden. Von dieser Möglichkeit wird
viel Gebrauch gemacht, z. B. an Triebwerken, Fahrzeugen, Flugzeugen u. a. m.
(s. Abschnitt 9.3.5).
– Ungünstige Betriebsbedingungen durch Stoßbelastungen und unkontrollierba-
re Überlastungen. Die Kräfteverteilung in Bauteilen ist zwar oft bekannt, durch
Betriebseinflüsse, z. B. durch Stoßwirkung, können die Kräfte gegenüber den
rechnerisch anzunehmenden jedoch größer werden. Man berücksichtigt diese
Einflüsse durch eine so genannte Stoßziffer ϕ, die auf Grund von Erfahrung
geschätzt werden kann [27].
3.2.2.1 Kerbwirkung
Einflüsse, die den gleichmäßigen Kraftfluss in einem Bauteil stören, führen zu ei-
ner ungleichmäßigen, von der errechneten Spannung abweichenden Spannungsver-
teilung. Man fasst diese unter dem Begriff Kerbwirkung zusammen. Als Kerben
wirken u.a. Querbohrungen, Längs- und Querrillen, Nuten und plötzliche Quer-
schnittsübergänge. Durch elastizitätstheoretische Berechnungen [37] oder durch nu-
merische Verfahren (z. B. Finite-Elemente-Methode [29]) kann man entweder die
ungleichmäßige Spannungsverteilung als Ganzes oder zumindest deren, meist nur
allein interessierenden Maximalwert bei vielen in der Praxis vorkommenden Kerb-
formen ermitteln.
64 3 Zulässige Beanspruchung und Sicherheit - Beurteilung des Versagens
σk
σk
σn
σn
ρ
d t d
B D
F F
σk = αk σn . (3.8)
αk nennt man Formzahl oder Formfaktor. Sind die Kerbspannung σk und die Nenn-
spannung σn bekannt, dann kann aus Gl. (3.8) die Formzahl berechnet werden
σk
αk = . (3.9)
σn
Ist die Kerbspannung z. B. durch Dehnungsmessung im Kerbgrund ermittelt wor-
den, dann ergibt sich die Formzahl nach dem H OOKEschen Gesetz mit σk = εk E
zu
εk E
αk = . (3.10)
σn
Die Formzahl hängt von der Form und den Abmessungen der Kerbe (Kerbtiefe t,
Krümmungsradius ρ im Kerbgrund) sowie von der Beanspruchungsart ab. Sie ist
um so größer, je schärfer“ die Kerbe ist, d. h., je kleiner der Kerbradius ist. Für
”
eine Reihe von Kerbformen sind die Formzahlen bekannt und in Handbüchern zu-
sammengestellt [22; 27; 37; 45].
3.2 Schwingende oder dynamische Beanspruchung 65
Bei spröden Werkstoffen und ruhender Beanspruchung wird durch Kerbwirkung die
Bruchgefahr immer erhöht, die Formzahl αk ist daher voll in Rechnung zu setzen.
Die Gln. (3.1) und (3.2) lauten nunmehr
Rm
Sicherheit gegen Bruch SB = , (3.11)
αk σn
Rm
Zulässige Spannung σzul = . (3.12)
αk SB
Wird ein gekerbter Zugstab aus duktilem Werkstoff belastet, erreicht bei stetiger
Laststeigerung zunächst die Kerbspannung die Fließgrenze des Werkstoffs, dort be-
ginnt also plastische Verformung. Bei weiterer Lastzunahme können weiter innen
liegende Bereiche, in denen nun ebenfalls die Fließgrenze erreicht wird, fließen,
ohne dass die Spannungen die Fließgrenze überschreiten. Das führt zu einem Ab-
bau der Spannungsspitzen und zu einer Stützwirkung der noch nicht so hoch bean-
spruchten Querschnittsbereiche. Überlastungen, die zu einer teilweisen plastischen
Verformung im Kerbgrund und den eng benachbarten Bereichen führen, sind im
Allgemeinen dann nicht schädlich, wenn der Werkstoff genügend plastische Verfor-
mungsreserve aufweist und keine Verformungsbehinderung durch zu scharfe Ker-
ben eintritt. Man kann diesem Umstand durch Einführung einer Stützziffer n0,2 [45]
Rechnung tragen, die auf eine maximale plastische Dehnung von 0,2 % bezogen
ist. Mit dieser Stützziffer kann die Werkstofffließgrenze multipliziert (Formdehn-
grenze) und in die Berechnung eingeführt werden. Die Gln. (3.3) und (3.4) lauten
dann
n0,2 σF
Sicherheit gegen Fließen SF = , (3.13)
αk σn
n0,2 σF
Zulässige Spannung σzul = . (3.14)
αk SF
Die Stützziffer wird in Abhängigkeit von der so genannten Fließdehnung εF = σF /E
berechnet [45]. Ist keine Stützwirkung vorhanden, z. B. bei sprödem Werkstoff,
dann ist n0,2 = 1, bei voller Stützwirkung, z. B. bei Werkstoffen mit ausgeprägter
Fließgrenze, ist n0,2 = αk , weil dann keine Wirkung der Kerbe mehr vorhanden ist.
Diese Berechnungsmethode setzt voraus, dass genügende plastische Verfor-
mungsfähigkeit des Werkstoffs gegeben ist, die Funktionsfähigkeit der Bautei-
le nicht gestört wird und ausreichende Sicherheit gegen Bruch gewährleistet ist.
Für duktile Werkstoffe mit nicht zu hoher Festigkeit, z. B. Baustähle, kann mit
n0,2 /αk = 1 gerechnet werden, d. h., man kann so vorgehen, als ob keine Kerbe
vorhanden wäre.
66 3 Zulässige Beanspruchung und Sicherheit - Beurteilung des Versagens
Gestaltfestigkeit, Professor für Werkstoffkunde an der TH Darmstadt und Leiter der Staatlichen
Materialprüfanstalt, Rektor 1932/33
3.2 Schwingende oder dynamische Beanspruchung 67
αk σ n βk σn
σn (αk − 1)σn σn ηk (αk − 1)σn
βk − 1
ηk = . (3.18)
αk − 1
Für andere Kerbformen in Bauteilen des gleichen Werkstoffs kann somit aus αk und
ηk die Kerbwirkungszahl βk über Gl. (3.17) berechnet werden (s. Beispiel 3.4).
Berechnung nach S IEBEL5 und P ETERSEN. Das Berechnungsverfahren berück-
sichtigt neben der Kerbform und der Werkstofffestigkeit auch die Steilheit der Span-
nungsspitze, das so genannte Spannungsgefälle an der höchstbeanspruchten Stelle
der Bauteile im Kerbgrund. Nach S IEBEL und P ETERSEN [45] ist
1 + ρ∗ χglatt
βk = αk . (3.19)
1 + ρ∗ χgekerbt
χglatt und χgekerbt sind die bezogenen Spannungsgefälle bei glattem und gekerbtem
Bauteil, ρ∗ stellt den Radius einer so genannten Ersatzkerbe dar, der den Einfluss
der Werkstoffestigkeit und des kristallographischen Werkstoffgefüges angibt [45].
Die Berechnung nach T HUM hat sich in der Praxis am meisten durchgesetzt
und aus vielen Versuchen liegen Anhaltswerte für die Empfindlichkeitsziffer ηk vor
(s. Tabelle 3.1).
Materialprüfer, Grundlagen zum Bau von Dampfkesseln und Druckgefäßen, Professor für Werk-
stoffkunde, Materialprüfung und Festigkeitslehre an der TH Stuttgart und Vorstand der Material-
prüfanstalt)
68 3 Zulässige Beanspruchung und Sicherheit - Beurteilung des Versagens
Die nachfolgenden Beispiele beziehen sich auf die komplexen Fragestellungen des
Kapitels 3 und sind daher separat hier aufgeführt. Die Zuordnung zu bestimmten
Sachverhalten wäre eine unzulässige Einschränkung gewesen.
3.3 Anwendung auf Zug-Druck-Beanspruchung 69
F 1,8 · 105 N
σa = = = 200 N/mm2
A 900 mm2
σD in N/mm2
900
800 A
700
σA
600
500
Re
400 1
σSch
300
σM
σa
σW
200
σm
100
0
100 200 300 400 500 600 700 800 900
−100
σM in N/mm2
σW
−200
−300
−400
1
σSch
2
Abb. 3.7 Dauerfestigkeitsschaubild für den Stahl 30 CrNiMo 8 V 1 100 . . . 1 300 N/mm2
(1 Gerade 0A zum Aufsuchen der Ausschlagfestigkeit σA bei konstantem Verhältnis σm /σa )
70 3 Zulässige Beanspruchung und Sicherheit - Beurteilung des Versagens
σW 380 N/mm2
SD = = = 1, 9 .
σa 200 N/mm2
Fo
σo = = 200 N/mm2 .
A
Mit σD = σSch , ok βk = 1 und σn = σa wird die Sicherheit
σA 260 N/mm2
SD = = = 2, 6 .
σa 100 N/mm2
Da die Beanspruchung oberhalb der schwellenden liegt, ist auch ausreichende Sicherheit gegen
Fließen nachzuweisen
Re 900 N/mm2
SF = = = 3.
σo 300 N/mm2
d) In gleicher Weise wie in c) erhält man
d. h. σm /σa = 3/1. Abbildung 3.7 entnimmt man bei σM = 660 N/mm2 die Ausschlagfes-
tigkeit σA = 220 N/mm2 . Nunmehr ist
SD = 2, 2 und SF = 2, 25 .
βk = 1 + (αk − 1)ηk = 1 + 1, 5 · 0, 8 = 2, 2 .
Mit den gleichen Zahlenwerten wie in Beispiel 3.1 c) für die Spannungen und mit ok = 1 ergibt
sich aus Gl. (3.20)
σA 260 N/mm2
SD = = = 1, 18 .
βk σa 220 N/mm2
3.3 Anwendung auf Zug-Druck-Beanspruchung 71
Diese Sicherheit ist nicht mehr ausreichend. Würde bei gleicher Höchstlast die Ausschlagkraft
verringert (z. B. F = (2,1 · 105 ± 0,6 · 105 ) N), sind σm = 233,3 N/mm2 und σa = 66,7 N/mm2 ,
d. h. σm /σa = 3, 5/1. Abbildung 3.7 entnimmt man dann bei σM = 700 N/mm2 die Ausschlag-
festigkeit σA = 200 N/mm2 .
Nunmehr ist die Sicherheit
200 N/mm2
SD = = 1, 36 .
2, 2 · 66,7 N/mm2
Fo 2,6 · 105 N
σo = = = 207 N/mm2 .
A 1 257 mm2
Gleichung (3.20) ergibt mit ok = βk = 1 und σD = σSch
Die Sicherheit ist somit ausreichend, da sie über 1,5 liegt. Um die Tragfähigkeit der quergebohrten
Stange berechnen zu können, muss zunächst die zulässige Spannung ermittelt werden. Gl. (3.21).
Mit dem Verhältnis d/D = 12/40 = 0, 3 erhält man aus dem Diagramm A 15 im Anhang des
Buches [45] die Formzahl einer quergebohrten Rundstange zu αk = 2, 1. Aus Tabelle 3.1 interpo-
liert man für E360 die Empfindlichkeitsziffer ηk = 0, 6. Die Kerbwirkungszahl kann nun aus Gl.
(3.17) berechnet werden
βk = 1 + (αk − 1)ηk = 1 + 1, 1 · 0, 6 = 1, 66 .
Der Querschnitt der Stange ist durch die Querbohrung verkleinert; wenn d/D < 0, 5 ist, kann
die Projektion der Bohrung als Rechteckfläche angesehen werden. Der Kerbquerschnitt ergibt sich
somit zu
π π d
An = D2 − dD = D2 − .
4 4 D
Mit den gegebenen Zahlenwerten ist An = 777 mm2 .
a) Die zulässige Spannung bei schwellender Beanspruchung ist
Die Schwellbelastung der gekerbten Stange darf also F = (48, 5 ± 48, 5) kN betragen.
b) Für wechselnde Belastung ist die zulässige Spannung
σW 230 N/mm2
σzul = = = 70 N/mm2 .
βk SD 1, 66 · 1, 98
Somit ist die Tragfähigkeit
Lösung 3.4
Der gefährdete Querschnitt der Zugstange mit d = 80 mm liegt an der Rillenkerbe. Mit
kann die Formzahl berechnet werden [22; 27]. Man findet αk = 3, 5. Die Kerbwirkungszahl der in
Dauerversuchen geprüften Probestäbe ist mit Gl. (3.16)
βk − 1 1, 5 − 1
ηk = = = 0, 5 .
αk − 1 2−1
Nunmehr kann die Kerbwirkungszahl der Zugstange mit Rillenkerbe aus Gl. (3.17) abgeschätzt
werden
∅90
t
2, 5
∅80
βk = 1 + (αk − 1)ηk = 1 + (2 − 1) · 0, 5 = 1, 5 .
Die Nennspannung im Kerbquerschnitt beträgt mit An = 5 030 mm2
F 2,5 · 105 N
σn = = = 49, 7 N/mm2 .
An 5 030 mm2
Aus Gl. (3.20) folgt die Sicherheit mit ok = 1 bei polierter Oberfläche
σW 210 N/mm2
SD = = = 2, 82 .
βk σn 1, 5 · 49,7 N/mm2
X Einzelheit X
dS
lF
lS
di
Abb. 3.9 Dehnschraube zur da
Befestigung des Lagerdeckels
einer Pleuelstange, der ge-
drückte Flanschquerschnitt ist F
doppelt schraffiert gezeichnet
74 3 Zulässige Beanspruchung und Sicherheit - Beurteilung des Versagens
a) b) c)
2Fa
α
β
FB
FB
Fm
F0
F0
Kräfte
Kräfte
FV
FV
FV
β
FV
α
ΔlS ΔlB ΔlB ΔlS ΔlB
ΔlF ΔlF
Verlängerung Verkürzung
Abb. 3.10 Verspannungsschaubild
Über der Längenänderung der Schraube ΔlS (Abb. 3.10 a) und der Verkürzung des Flan-
sches ΔlF (Abb. 3.10 b) werden die Kräfte senkrecht aufgetragen, die gegenseitige Abhängig-
keit ist durch das H OOKEsche Gesetz gegeben. Die Richtungen der Kraft-Verformungsgeraden
sind durch die Winkel α und β gegeben, die den Federkonstanten von Schraube cF und vom ge-
drückten Flanschquerschnitt cS proportional sind, s. Gl. (2.13) und (2.14). In Abb. 3.10 c sind
beide Teilbilder zusammengezeichnet. Mit den Abmessungen von Abb. 3.9 (für den gedrück-
ten Flanschquerschnitt ist da = 50 mm angenommen, di = 27 mm) kann die Zahlenrechnung
durchgeführt werden (einige Zwischenrechnungen wurden fortgelassen). Der Schaftquerschnitt ist
AF = 3,14 cm2 , der Flanschquerschnitt AS = 13,91 cm2 ; mit dem Elastizitätsmodul für Flansch
und Schraube E = 2,1 · 105 N/mm2 ergibt sich aus Gl. (2.15) die Federkonstante
AS 314 mm2
cS = E = 2,1 · 105 N/mm2 · = 1,1 · 106 N/mm,
lS 60 mm
AF 1 391 mm 2
cF = E = 2,1 · 105 N/mm2 · = 4,17 · 106 N/mm .
lF 70 mm
Die erforderliche Vorspannkraft FV gewinnt man aus der Bedingung, dass bei Betriebskraft die
restliche Vorspannkraft im Flansch > Null sein muss. Für unser Beispiel soll FV = FV /3 gewählt
sein. Abbildung 3.10 entnimmt man die Beziehungen zwischen den Kräften und den Federkon-
stanten, da
FB − 2Fa
tan α ∼ cS = 2Fa /Δlb und tan β ∼ cF =
Δlb
sowie
FB cS
tan α + tanβ ∼ cS + cF = , 2Fa = FB
Δlb cS + c F
und cF
FV − FV = FB − 2Fa = FB
cS + c F
gilt. Aus der letzten Gleichung erhält man mit FV = FV /3 die notwendige Vorspannkraft zu
3 cF 4,17 · 106
FV = FB = 1,5 · 105 N · = 118,6 · 103 N .
2 cS + c F 5,27 · 106
Die vorletzte Gleichung liefert die wechselnde Belastung 2Fa = 20,8·103 N, die auf die Schraube
wirkt. Somit wird im Betrieb die Schraube mit der Kraft
20, 8 kN
für Pleuelschraube
120
100 kN
100
80
118, 6 kN
60
Kräfte in KN
40
39, 4 kN
20
0 2 4 6 8 10 2 1 0
×10−3 cm
Verlängerung ΔlS Verkürzung ΔlS
Da der Schaftquerschnitt kleiner ist als der Gewindekernquerschnitt, erübrigt sich ein Nachrechnen
der Gewindespannungen. Für die Schraubengüte 10,9 mit Re = 900 N/mm2 ist die Sicherheit
gegen Fließen im Schaft
Re 900 N/mm2
SF = = = 2, 03 .
σo 443 N/mm2
Einem Dauerfestigkeitsschaubild für Schrauben [22] entnimmt man σA = 60 N/mm2 . Somit ist
die auf den Schaftquerschnitt bezogene Sicherheit gegen Dauerbruch
σA 60 N/mm2
SD = = = 1, 82 .
σa 33 N/mm2
Auf den Kernquerschnitt Ak = 454 mm2 bezogen ist σa = 23 N/mm2 und SD = 2, 61. Das ist
voll ausreichend, wenn mindestens zweifache Sicherheit im Gewinde verlangt wird.
In Abb. 3.11 ist das Verspannungsschaubild maßstäblich gezeichnet, die Verformungen unter der
Vorspannkraft erhält man aus Gl. (2.13)
d
mit einem Dauerbruch im
Kerbquerschnitt
1 Dauerbruchfläche
2 statische Restbruchfläche
ARest = 0, 3An ,
An = D2 [(π/4) − (d/D)]
2
σzul = Rm /SB ,
SF = σF /σ,
σzul = σF /SF ,
78 3 Zulässige Beanspruchung und Sicherheit - Beurteilung des Versagens
• Mittelspannung
σm = (σo + σu )/2,
• Spannungsausschlag
σa = (σo − σu )/2,
• Oberspannung
σo = σm + σa ,
• Unterspannung
σu = σm − σa ,
• Dauerfestigkeit
σD = σM ± σA
• Kerbspannung
σk = αk σn ,
• Formzahl
αk = σk /σn ,
• Sicherheit gegen Bruch bei Kerben
SB = Rm /αk σn ,
σzul = Rm /αk SB ,
SF = (n0,2 σF )/(αk σn ),
• Wirksame Kerbspannung
σkw = βk σn ,
• Kerbwirkungszahl
βk = σAglatt /σAgekerbt .
• Sicherheit gegen Dauerbruch
SD = (σD αk )/(ok βk σn ),
Ein Stab wird auf Biegung beansprucht, wenn Einzelkräfte und Streckenlasten senk-
recht zu seiner Längsachse (Stabachse) wirken oder wenn Kräftepaare in einer Ebe-
ne auf ihn einwirken, welche die Längsachse enthält (Abb. 1.4). Auf Biegung be-
anspruchte gerade stabförmige Bauteile werden auch Balken oder Träger genannt.
Eine gedachte Schnittfläche, die senkrecht zur Längsachse gelegt wird, heißt Quer-
schnittsfläche oder kurz Querschnitt. Die Querschnittsabmessungen sind klein ge-
genüber der Balkenlänge. Die resultierenden Schnittreaktionen in einem beliebigen
Querschnitt des Balkens an der Stelle x (die Balkenlängsachse ist die x-Achse) sind
die Querkraft Fq (x) und das Biegemoment Mb (x) ([17], Kapitel 9 Schnittgrößen
des Balkens). Sind die äußeren Kräfte schräg zur Balkenachse gerichtet, können
auch Längskräfte Fn (x) auftreten. Die Zug- oder Druckbeanspruchung infolge der
Längskräfte kann wie in Kapitel 2 berechnet werden.
Bei der Zug-Druck-Beanspruchung spielt nur die Größe der Querschnittsfläche
eine Rolle, bei der Biegebeanspruchung kommt es dagegen auch auf ihre Gestalt
an. In den Gleichungen für die Biegespannungsverteilung kommen so genannte
Flächenmomente vor. Sie stellen geometrische Größen dar, die vorweg behandelt
werden sollen.
4.1 Flächenmomente
79
4.1.1 Begriffsbestimmung
Bei der Begriffsbildung kann man zunächst von der nachfolgenden, für Probleme
der Festigkeitslehre relevanten Definition ausgehen.
Definition 4.1 (Flächenmomente). Unter dem Flächenmoment einer beliebigen
Fläche A (Abb. 4.1) versteht man mathematische Ausdrücke der Form
n n
y dA, z dA, yn/2 zn/2 dA (4.1)
a) z b) z ζ
y yS η
dA dA
ρ
ζ
S
r
z
rS η
zS
0 A y 0 A y
Abb. 4.1 Beliebige Fläche A zur Definition der Flächenmomente (dA Flächenelement)
a) beliebiges y, z-Koordinatensytem
b) y, z-Koordinatensystem und paralleles η, ζ-System durch den Schwerpunkt S
k
i dAi = y dA.
yn n
lim
k→∞,dAi →0
i=1
Sie sind bezogen auf die z- bzw. y-Achse und werden wegen der Ähnlichkeit
ihrer mathematischen Form mit derjenigen der statischen Momente von Kräften
auch als statische Flächenmomente bezeichnet. In der Statik ([17], Abschnitt 5.2
- Schwerpunkte von Flächen und Linien) werden die Flächenmomente 1. Ordnung
zur Berechnung von Flächenschwerpunkten herangezogen, die wichtigsten Bezie-
hungen werden hier wiederholt. Sind yS und zS die Schwerpunktkoordinaten im
y, z-System (Abb. 4.1 b), gilt
Hz = y dA = yS A Hy = z dA = zS A . (4.3)
2 Die Summenschreibweise benutzt man bei der Unterteilung der Fläche in wenige einfache
Teilflächen.
82 4 Biegebeanspruchung gerader Balken
Die analytische Berechnung der Flächenmomente 2. Ordnung ist nur für einfache
Flächen durch Ausführung der Integration möglich. Für eine näherungsweise Be-
4.1 Flächenmomente 83
rechnung kann man das Integral durch eine Summe ersetzen, indem die Fläche in
möglichst kleine einfache Teilflächen zerlegt wird. Für komplizierte Flächen, die
z. B. durch Konstruktionszeichnungen gegeben sind, kann man die Summenbil-
dung anwenden, indem man die Fläche z. B. in Rechteckstreifen zerlegt und deren
Flächenmomente addiert. Für die Berechnung der Flächenmomente komplizierter
Flächen stehen Computerprogramme zur Verfügung.
4.1.2.1 Rechteck
Die y, z-Achsen legen wir so in den Schwerpunkt des Rechtecks (Abb. 4.2), dass
sie parallel zu seinen Begrenzungslinien liegen. Zur Berechnung des Flächenmo-
ments Iy wählen wir einen zur y-Achse parallelen Flächenstreifen. Da die Breite
unveränderlich ist, gilt dA = b dz, und die zweite Gleichung (4.6) ergibt
+h/2
h/2 h/2 bh3
1 2
Iy = z2 b dz = bz3 = bz3 = .
3 −h/2 3 0 12
−h/2
Vertauscht man b und h, erhält man das Flächenmoment bezüglich der z - Achse
hb3
Iz = .
12
Zur Berechnung des gemischten Flächenmoments wählt man dA = dy dz und erhält
nach Ausführung der Integration von Gl. (4.8) als Doppelintegral
+b/2
+h/2
y2 b/2 z2 h/2
Iyz = yz dy dz = = 0.
2 −b/2 2 −h/2
−b/2 −h/2
z
dz
z
S
h
b u
Abb. 4.2 Rechteckfläche
84 4 Biegebeanspruchung gerader Balken
Dieses Ergebnis ist ohne Weiteres einzusehen, da die gewählten Achsen Symmetrie-
achsen sind (s. Abschnitt 4.1.3.3) und die positiven Anteile im 1. und 3. Quadranten
die negativen im 2. und 4. Quadranten aufheben.
Iy + Iz = 2Ia = IpS .
Daraus folgen die axialen Flächenmomente bezüglich der a-Achse für die Kreis-
ringfläche
1 π 4
Ia = IpS = d − d4i
2 64 a
z
dr
r
ri ra
S y
4.1.2.3 Dreieck
Das Koordinatensystem wird so gewählt, dass die y-Achse parallel zur Grundseite
b durch den Dreiecksschwerpunkt geht (Abb. 4.4). Ein Flächenstreifen parallel zur
y-Achse mit der Höhe dz hat die Breite b(z) = (2/3)b − (b/h)z. Aus der zweiten
Gleichung (4.6) ergibt sich mit dA = b(z)dz
+2h/3
2 1 2 3 z4 +2h/3 bh3
Iy = 2
z − z b dz = b z − = .
3 h 3 4h −h/3 36
−h/3
Viele Flächen können in Rechtecke, Dreiecke oder Kreise und Kreisstücke zerlegt
werden, so dass man im Allgemeinen mit den oben angegebenen Formeln für die
Flächenmomente 2. Ordnung dieser drei Flächen auskommt, um die Flächenmo-
mente beliebig zusammengesetzter Flächen in Verbindung mit dem Satz von S TEI -
NER3 (Abschnitt 4.1.3.1) berechnen zu können. In Tabelle 4.1 sind die Flächen-
momente 2. Ordnung einiger wichtiger Querschnittsflächen zusammengestellt. Flä-
chenmomente der Normprofile von Stahl und Leichtmetallträgern sind in Profilta-
feln zusammengestellt [22]. Dem Anfänger werden die Aufgaben 4.1 a . . . c zum
Üben empfohlen.
z
dz
h
z
0
h/3
S y
b(z)
b
Abb. 4.4 Dreiecksfläche
3 JAKOB S TEINER (∗ 18. März 1796 in Utzenstorf; † 1. April 1863 in Bern), Mathematiker
86 4 Biegebeanspruchung gerader Balken
y S Iy = Iz = Ia =
a
hb3 y 12
Iz =
b 12 a
z z
z
S S y
H
h
S H 3 − h3 b/2 BH3 − bh3
H
h
y Iy = b Iy =
12 12
bB B
b
bh3 ζ z
b
Iy2 = Iyz = 0
y2 4
2h/3
y bh3 S η b2 h2
h
S Iy = Iηζ =
h
36 y 72
b y1 0
bh3
Iy1 =
12
z a
πd4 πd4
S Iy = Iz = Ia = IpS = 2Ia =
y 64 32
d
4
π 4 πd4a di
a Iy = Iz = Ia = (d − di ) =
4
1−
64 a 64 da
S 4
dm
π 4 πd4a di
y IpS = 2Ia = (da − d4i ) = 1−
32 32 da
di für kleine Wanddicken mit da − di = 2t, da ≈ di ≈ dm
da π π
Ia = d3m t IpS = d3m t
8 4
z
π π
a
S
y Iy = ba3 Iz = ab3
4 4
b
π π
α< α=
2 2
1 1 1 4
z Iy = (r4a − r4i ) α − sin 2α Iy = (r − r4i )
ra 8 2 16 a
ri 1 4 1
Iz = (ra − ri ) α + sin 2α
4
Iz = Iy
α 8 2
0
y 1 4 π 4
Ip0 = (ra − ri )α
4
Ip0 = (r − r4i )
4 8 a
1 1
Iyz = (r4a − r4i ) sin2 α Iyz = (r4a − r4i )
8 8
4.1 Flächenmomente 87
In Abb. 4.1 b sind zwei Koordinatensysteme gegeben. Das η, ζ-System hat seinen
Ursprung im Schwerpunkt S, das y, z-System ist gegenüber diesem parallel ver-
schoben. Das auf die y-Achsebezogene Flächenmoment 2. Ordnung ist nach der
zweiten Gleichung (4.6) Iy = z2 dA. Mit z = zS + ζ folgt
Iy = (zS + ζ) dA = zS dA + 2zS ζ dA + ζ2 dA .
2 2
2 ζ dA ist nach der zweiten Gleichung (4.5) Null,
Das Flächenmoment 1. Ordnung
somit erhalten wir mit Iη = ζ dA
Iy = Iη + z2S A . (4.9)
Entsprechend ergibt sich mit y = yS + η und η dA = 0 das Flächenmoment
bezüglich der z-Achse
Iz = Iζ + y2S A . (4.10)
Das polare Flächenmoment ist gleich der Summe der axialen, also
Auf die gleiche Weise erhält man das gemischte Flächenmoment 2. Ordnung
Iyz = yzdA = (yS + η)(zS + ζ)dA,
Der Satz von S TEINER wird zur praktischen Berechnung von Flächenmomenten
beliebiger Flächen angewendet, die aus einfachen Teilflächen zusammengesetzt sind
(Tabelle 4.1). Das bestimmte Integral ist als Grenzwert einer Summe entstanden, es
gilt somit der nachfolgende Satz.
Satz 4.5 (Additivität der Flächenmomente 2.Ordnung). Flächenmomente 2. Ord-
nung verschiedener Flächen dürfen addiert oder voneinander subtrahiert werden,
wenn sie sich auf die gleichen Bezugsachsen beziehen.
Aus diesem Satz ergibt sich die Regel zur Berechnung der Flächenmomente beliebig
zusammengesetzter Flächen.
Satz 4.6 (Berechnung von Flächenmomenten 2. Ordnung beliebiger Flächen).
Flächenmomente 2. Ordnung beliebiger Flächen berechnet man, indem man die
Flächenmomente der einzelnen Teilflächen nach dem Satz von S TEINER auf ge-
meinsame Bezugsachsen umrechnet und die einzelnen Beträge dann addiert oder
voneinander subtrahiert.
An der in Abb. 4.5 gezeichneten Fläche eines Winkels soll gezeigt werden, wie
die Flächenmomente Iy , Iz und Iyz bezüglich eines Koordinatensystems mit dem
Ursprung im Schwerpunkt S bestimmt werden. Die Winkelfläche zerlegt man in
zwei Teilrechtecke 1 und 2. Mit den Bezeichnungen in Abb. 4.5 findet man
b1 h31 b2 h32
Iη = + ζ21 b1 h1 + + ζ22 b2 h2 ,
12 12
h1 b31 h2 b32
Iζ = + η21 b1 h1 + + η22 b2 h2 ,
12 12
Iηζ = 0 + η 1 ζ 1 b1 h 1 + 0 + η 2 ζ 2 b2 h 2 .
Ein anderer Lösungsweg ergibt sich, wenn man die Differenz der Flächenmomente
des großen Rechtecks (b1 + b2 )h2 und des kleinen Rechtecks b1 (h2 − h1 ) bildet
(s. Beispiel 4.3).
Bei der Berechnung von Flächenmomenten 2. Ordnung zusammengesetzter Flä-
chen macht man oft von folgendem Sachverhalt Gebrauch.
4.1 Flächenmomente 89
h1
S1 η1
ζ1
ζ2
S η
h2
S2 η2
zS
0 yS y
b 1 b2
Häufig muss man den Satz von S TEINER auch in seiner Umkehrung anwenden,
um Flächenmomente 2. Ordnung, bezogen auf ein beliebiges Achsenkreuz, auf die
dazu parallelen Schwerachsen umzurechnen, z. B., wenn eine Ausrechnung für be-
liebige Achsen sinnvoller ist. Man erhält dann
y y y
Abb. 4.6 Flächen mit glei-
chem Flächenmoment Iy
90 4 Biegebeanspruchung gerader Balken
2
h bh3 bh3 bh3
Iu = Iy + bh = + = .
2 12 4 3
1 1 1 1
Iy = Iη + z2S A = bh3 + h2 · bh = bh3 .
36 9 2 12
Die Zahlenrechnung liefert das Ergebnis Iy = 162 cm4 . Zur Berechnung der Flächenmomente
Iζ und Iηζ zerlegen wir das Dreieck in zwei Teildreiecke 1 und 2 (Abb. 4.7). Die Abstände der
Teilflächenschwerpunkte von der ζ-Achse sind η1 = −2b/9 und η2 = b/9. Nunmehr folgt aus
Gl. (4.10)
2 2
hb31 2 b1 h hb32 1 b2 h
Iζ = + b + + b .
36 9 2 36 9 2
Mit b1 = b/2 und b2 = 2b/3 erhält man
7 7
Iζ = hb3 = · 6 cm · (9 cm)3 = 94,5 cm4 .
324 324
Zu dem gleichen Ergebnis gelangt man, wenn man zunächst Iz berechnet und dann Gl. (4.10) mit
yS = b/9 anwendet
2
hb31 hb32 1 1 1 bh 7
Iz = + = hb3 , Iζ = hb3 − b = hb3 .
12 12 36 36 9 2 324
b21 h2 b22 h2
Iη1 ζ1 = + und Iη2 ζ2 = − .
72 72
z ζ
ζ1 η1 η2 ζ2
h
S1 S2 η
zS
0 yS y
Abb. 4.7 Dreiecksfläche, b1 b2
aufgeteilt in Teildreiecke 1 b
und 2
4.1 Flächenmomente 91
Zur Umrechnung auf die Bezugsachsen η und ζ aus Gl. (4.12) folgt mit ζ1 = ζ2 = 0 (s. Ab-
schnitt 4.1.3.1)
h2 2
Iηζ = Iη1 ζ1 + Iη2 ζ2 =(b − b22 ),
72 1
1 2 2 1
Iηζ =− b h =− · (9 cm)2 · (6 cm)2 = −13,5 cm4 .
216 216
Beispiel 4.3 (Flächenmoment Winkelfläche).
Die Winkelfläche (Abb. 4.5) hat die Abmessungen b2 = h1 = 20 mm, b1 = 60 mm
und h2 = 120 mm. Man berechne die Flächenmomente Iη , Iζ und Iηζ in cm4 .
Lösung 4.3
Die Schwerpunktabstände berechnet man aus den Gln. (4.4), sie betragen yS = 5, 67 cm und
zS = 7, 67 cm. Die Teilflächenschwerpunktabstände sind dann η1 = −2, 67 cm, ζ1 = 3, 33 cm,
η2 = 1, 33 cm und ζ2 = − 1, 67 cm. Die Ausrechnung ergibt
Auf die gleiche Weise erhält man Iζ = 172 cm4 . Das gemischte Flächenmoment ist
das Flächemoment auf die y-Achse bezogen. Mit Hilfe des Satzes von S TEINER folgt das Flächen-
moment bezogen auf die zur y-Achse parallelen Schwerachse
10
90
S
60
η
zS
15
0 u, y
70
1
Iy = (1 cm · (6 cm)3 + 4 cm · (1,5 cm)3 + 2 cm · (9 cm)3 ) = 562,5 cm4 .
3
Mit dem Abstand des Schwerpunktes von der y-Achse aus dem Teilschwerpunktsatz Gl. (4.4)
zi dAi 3 cm · 6 cm2 + 0,75 cm · 6 cm2 + 4,5 cm · 18 cm2
zS = = = 3,45 cm
A 30 cm2
ist
Iη = Iy − z2S A = 562,5 cm4 − (3,45 cm)2 · 30 cm2 = 205,4 cm4 .
ah3 bh3 h3
Iy = + = (4a + b) .
3 12 12
Entsprechend [22] erhält man
h 3a + b 2a + b
zS = · , A=h ,
3 2a + b 2
z a
S
h
η
zS
und es folgt
h3 h2 (3a + b)2 2a + b
Iη = Iy − z2S A = (4a + b) − h .
12 9(2a + b)2 2
Nach Umformung ergibt sich für das Flächenmoment, bezogen auf die Schwerachse η,
h3 6a2 + 6ab + b2
Iη = .
36 2a + b
Lösung 4.6
Einer Profiltafel [22] entnimmt man für den Winkelstahl L 120x12 das Flächenoment um eine zur
y-Achse parallelen Achse durch den Schwerpunkt S1 IL = 368 cm4 , die Fläche A = 27, 5 cm2
und den Schwerpunktabstand e = 3, 4 cm. Mit den aus der Zeichnung abgelesenen Abmessungen
erhält man die Flächenmomente
1,2 cm · (48 cm)3
IySteg =2 = 2,21 · 104 cm4 ,
12
IyWinkel = 4 368 cm4 + (20,6 cm)2 · 27,5 cm2 = 4,82 · 104 cm4 ,
36
IyGurt =2 · 1, 23 cm4 + 24, 6 cm2 · 43,2 cm2 = 5,23 · 104 cm4 .
12
360
34
S1 120 × 12
246
206
12
S
480
Die Gesamtfläche ist A = 311,6 cm2 . Die prozentualen Anteile sind nachstehend gegenüberge-
stellt.
Iy A
Steg 18 % 37 %
Winkel 39,3 % 35,3 %
Gurt 42,7 % 27,7 %
Da die Fläche dem Trägergewicht proportional ist, haben die Gurtbleche bei kleinstem Ge-
wicht den größten Anteil am Flächenmoment, etwa den gleichen Anteil bringen die lediglich zur
Verbindung zwischen Gurt und Steg dienenden Winkel. Die zum Zusammenhalt notwendigen Ste-
ge ergeben bei größtem Gewicht - etwa gleich dem der Winkel - den geringsten Beitrag zum
Flächenmoment. Wegen der Zunahme der axialen Flächenmomente 2. Ordnung mit dem Quadrat
des Abstandes der Flächenteilchen liefern die von der Bezugsachse entfernteren Flächenteile den
größten Beitrag zum Flächenmoment. Deshalb findet man häufig Träger mit I-Querschnitt.
z ζ
S S1 y=η
terweise ein y, z-System in der Querschnittsfläche gewählt, da die Längsachse eines Balkens als
x-Achse festgelegt ist.
4.1 Flächenmomente 95
+ yz cos2 ϕ dA − yz sin2 ϕ dA .
Da ϕ = const. ist, können sin2 ϕ, cos2 ϕ und sin ϕ cos ϕ vor die Integrale gesetzt
werden. Mit
a) b)
z z
ζ ζ
η w y dA
ζ
η
ζ
dA
y
ϕ
S
η
α
ϕ
ϕ
0 η y
v
erhält man
1 1
cos2 ϕ = (1 + cos2ϕ), sin2 ϕ = (1 − cos2ϕ), 2 sin ϕ cos ϕ = sin 2ϕ
2 2
ist
Iy + Iz Iy − Iz
Iη = + cos 2ϕ − Iyz sin 2ϕ,
2 2
Iy + Iz Iy − Iz
Iζ = − cos 2ϕ + Iyz sin 2ϕ, (4.15)
2 2
Iy − Iz
Iηζ = sin 2ϕ + Iyz cos 2ϕ .
2
Addiert man die ersten beiden Gln. (4.15), folgt
Iη + Iζ = Iy + Iz = IpS . (4.16)
Satz 4.7 (Summe der axialen Flächenmomente). Die Summe der axialen Flächen-
momente 2. Ordnung, bezogen auf zwei zueinander senkrechte Achsen, ist invariant
gegenüber der Drehung des Koordinatensystems.
Wir fragen nun nach derjenigen Lage des Koordinatensystems, für die das gemischte
Flächenmoment Null wird. Die dritte Gl. (4.15) ergibt mit Iηζ = 0
2Iyz
tan 2ϕ = − . (4.17)
Iy − Iz
Wegen tan 2ϕ = tan(2ϕ + 180◦) = tan 2(ϕ + 90◦ ) gibt es zwei aufeinander senk-
recht stehende Achsen η und ζ (Abb. 4.12) für die das gemischte Flächenmoment
verschwindet.
Definition 4.6 (Hauptachsen). Hauptachsen sind Achsen, die durch den Schwer-
punkt gehen und für die das gemischte Flächenmoment 2. Ordnung verschwindet.
Ohne Einschränkung der Allgemeingültigkeit soll das y, z-Koordinatensystem
so gewählt werden, dass Iy > Iz und Iyz > 0 sind. Dann hat Gl. (4.17) die beiden
Lösungen π
2ϕ1 = −2α, 2ϕ2 = −2α + π = 2 −α + .
2
Bei symmetrischen Flächen entspricht jedem Flächenelement mit positivem ein
Flächenelement mit gleich großem negativen gemischten Flächenmoment.
4.1 Flächenmomente 97
S
η≡v
Satz 4.8 (Hauptachsen). Symmetrieachse und deren Senkrechte durch den Schwer-
punkt einer Fläche sind Hauptachsen.
Diese Situation ist in Abb. 4.13 dargestellt. Die den Hauptachsen zugehörigen axia-
len Flächenmomente 2. Ordnung Iv ≡ I1 und Iw ≡ I2 heißen Hauptflächenmomente.
Satz 4.9 (Hauptflächenmomente). Die Hauptflächenmomente sind Extremwerte
von allen möglichen, auf zwei beliebig senkrecht zueinander stehende Achsen durch
den Schwerpunkt bezogenen axialen Flächenmomenten 2. Ordnung.
Zum Beweis dieses Satzes differenzieren wir die erste Gl. (4.15) nach ϕ und setzen
als Bedingung für Extremwerte die erste Ableitung gleich Null
dIη
= −(Iy − Iz ) sin 2ϕ − 2Izy cos 2ϕ = 0
dϕ
und erhalten
2Iyz
tan 2ϕ = − .
Iy − Iz
Dies ist das gleiche Ergebnis, das für das Verschwinden des gemischten Flächen-
momentes gefunden wurde, s. Gl. (4.17). Die zweite Ableitung ist
d 2 Iη
= −2(Iy − Iz ) cos 2ϕ + 4Iyz sin 2ϕ .
dϕ2
Mit ϕ1 = −α und cos(−2α) = cos 2α sowie sin(−2α) = − sin 2α erhält man
d2 Iη
= −2(Iy − Iz ) cos 2α − 4Iyz sin 2α < 0,
dϕ2
ϕ1 =−α
mit ψ (ψ = ϕ + |α|), dann ist in den Gln. (4.15) Iy ≡ I1 , Iz ≡ I2 und Iyz ≡ I12 = 0,
und man erhält
I1 + I2 I1 − I2
Iη = + cos 2ψ,
2 2
I1 + I2 I1 − I2
Iζ = − cos 2ψ, (4.18)
2 2
I1 − I2
Iηζ = sin 2ψ .
2
Für I1 = I2 folgt aus der letzten dieser Gleichungen, dass dann das gemischte
Flächenmoment unabhängig von der Drehung des Koordinatensystems immer Null
ist. Aus den ersten beiden dieser Gleichungen folgt weiter, dass dann auch Iη = Iζ
ist.
Satz 4.10 (Gleichheit der axiale Flächenmomente). Sind für die beiden Haupt-
achsen im Schwerpunkt einer Fläche die axialen Flächenmomente gleich, dann sind
sie auch für alle gedrehten Achsen gleich. In diesem Fall sind alle Achsen durch den
Schwerpunkt Hauptachsen.
Das gilt z. B. für Kreisflächen und Quadrate, aber auch für das Profil im Beispiel
4.7. Manchmal sind für zwei beliebige, aufeinander senkrechte Achsen y und z ei-
ner Fläche die Flächenmomente 2. Ordnung bekannt und die Hauptflächenmomente
gesucht. Setzt man ψ = α in die Gln. (4.18) ein, dann ist
Iy I1 + I2 I1 − I2
= ± cos 2α,
Iz 2 2 (4.19)
I1 − I2
Iyz = sin 2α .
2
Die Differenz der ersten beiden Gleichungen ergibt
Iy − Iz = (I1 − I2 ) cos 2α .
Werden diese Gleichung und die letzte der Gln. (4.19) quadriert und addiert, ist
Die Richtung der Hauptachsen erhält man aus der Gl. (4.17).
Beispiel 4.8 (Größe der Hauptflächenmomente).
Die Größe der Hauptflächenmomente und die Richtung der Hauptachsen für die
Winkelfläche (Abb. 4.5) im Beispiel 4.3 sind zu berechnen.
Lösung 4.8
Mit Iη ≡ Iy = 492 cm4 , Iζ ≡ Iz = 172 cm4 und Iηζ ≡ Iyz = −160 cm4 ergibt sich aus Gl. (4.17)
4.2 Gerade Biegung 99
−320 cm4
tan 2ϕ1 = − = +1, 2ϕ1 = 45◦ .
492 cm4 − 172 cm4
Daraus folgt der Richtungswinkel ϕ1 = α = 22,5◦ . Die Hauptachsen sind also um 22,5◦ ma-
thematisch positiv (entgegen dem Uhrzeigersinn) gegen das η, ζ-System zu drehen. Die Haupt-
flächenmomente sind mit Gl. (4.20)
I1 1 2 I1 = 558 cm4 ,
= 332 cm4 ± 320 + 4 · 1602 cm4 = (332 ± 226) cm4 ,
I2 2 I2 = 106 cm4 .
Wir betrachten einen Balken mit Rechteckquerschnitt (Abb. 4.14 a), der in A und B
gestützt und durch die Einzelkräfte F1 und F2 auf Biegung beansprucht ist. Durch
einen Schnitt an der Stelle x wird an dem Teilkörper (Abb. 4.14 b) der Querschnitt 1
freigelegt. Die y- und die z-Achse des in dieser Fläche gewählten Koordinatensys-
tems sind wegen der Symmetrie Hauptachsen. Die x-Achse geht durch die Schwer-
punkte aller Querschnitte, sie ist Balkenachse 2. Die Hauptachsen aller Querschnit-
te liegen in einer Ebene, der Balken ist nicht verdreht. Die von den Kraftvektoren
aufgespannte Ebene nennt man Lastebene 3. Der Vektor des durch die Kräfte her-
vorgerufenen resultierenden Schnittmoments Mby an der Stelle x steht senkrecht
zur Lastebene.
Soll der Balken nur auf Biegung beansprucht werden, muss die Balkenachse in
der Lastebene liegen. Ist dies nicht der Fall, tritt neben der Biegebeanspruchung
noch Verdrehung auf, oder der Balken kippt.
Lastebene 3 und Querschnittsfläche 1 schneiden sich. Ist die Schnittgerade (Spur)
mit einer der Hauptachsen identisch, spricht man von gerader Biegung.
Definition 4.7 (Gerade Biegung). Gerade Biegung liegt vor, wenn die Spur der
Lastebene mit einer der beiden Hauptachsen des Balkenquerschnitts zusammenfällt.
a) b)
F1 3
2 3
F2 F1
A
2
1
Mby
Abb. 4.14 Gerade Biegung FA
a) Balken zur Kennzeichnung x y x
B Fq
der Lastebene x
b) Teilkörper mit Schnittreak- z
tionen
100 4 Biegebeanspruchung gerader Balken
Bei der Biegebeanspruchung durch Einzel- oder Streckenlasten ist das Biegemo-
ment im Allgemeinen nicht konstant, sondern eine Funktion von x: Mby = Mby (x).
In Sonderfällen bleibt das Biegemoment konstant, z. B. in Abb. 4.15 a) zwischen den
beiden Kräften F.
Definition 4.8 (Reine Biegung). Die Beanspruchung durch ein konstantes Biege-
moment nennt man reine oder querkraftfreie Biegung.
Aus der zwischen Querkraft und Biegemoment bestehenden Beziehung (s. [17],
Abschnitt 9.2 Beziehungen zwischen Belastung, Querkraft und Biegemoment)
dMb (x)
Fq (x) = (4.21)
dx
folgt, dass für konstantes Biegemoment die Querkraft Null ist, s. Abb. 4.15 b) und
c). Demnach können in den Querschnittsflächen eines Balkens bei reiner Biegung
keine Schubspannungen auftreten.
F a F a
a)
b)
F
x
F
Fq (x)
c)
Mb =Fa
Mby
d) x Schnitt
y
Fa Fa x
z
Definition 4.9. Bei reiner Biegung wird ein Balken nur durch ein konstantes Biege-
moment beansprucht.
In Abb. 4.15 d) ist eine dem Teilbild a) näherungsweise gleichwertige Beanspru-
chung des Balkens dargestellt (gleichwertig nur für den Bereich mit konstantem
Biegemoment). Der zur Zeichenebene senkrechte Momentenvektor des Kräftepaa-
res Fa ist durch einen gekrümmten Pfeil dargestellt. Mit den oben getroffenen Vor-
aussetzungen wollen wir nun im folgenden die Spannungen im Balken berechnen.
Wir fassen diese Voraussetzungen noch einmal zusammen:
1. Die Balkenachse ist gerade und liegt in der Lastebene.
2. Die Spur der Lastebene ist Hauptachse jedes Querschnitts (gerade Biegung).
3. Das Biegemoment ist konstant (reine Biegung).
Betrachtet man einen Balken (Abb. 4.16 a), der durch ein konstantes Biegemo-
ment beanspruchtet wird, mit einem nur zur z-Achse symmetrischen Querschnitt
(Abb. 4.16 b), dann ist die z-Achse Hauptachse. In jedem Schnitt an der Stelle x
wirkt das Biegemoment Mby = const. Die Erfahrung zeigt, dass der Balken durch
die Kräftepaare Mb gebogen wird (Abb. 4.16 d) und dass bei positivem Biegemo-
ment die oberen Balkenfasern gedrückt (verkürzt), die unteren gezogen (verlängert)
werden. Somit können nach Abschnitt 2.2.1 und 2.3.1 in jeder Querschnittsfläche
nur Normalspannungen auftreten. Zwischen beiden Bereichen liegt eine Schicht,
die ihre ursprüngliche Länge behält, die neutrale Schicht NS. Die Schnittgerade
der neutralen Schicht mit dem Querschnitt ist die Nulllinie (Abb. 4.16 b). An je-
dem Flächenelement dA im Abstand ζ von der Nulllinie bzw. der neutralen Schicht
(Abb. 4.16 c) greift die Normalspannung σb , auch Biegespannung genannt, an. Die-
se hängt in noch unbekannter Weise von ζ ab, also σb = σb (ζ). Aus der Gleichge-
wichtsbedingung der Kräfte in x-Richtung Fix = 0 folgt
σb (ζ)dA = 0 . (4.22)
a) b) c)
gedrückte Fasern
Schnitt
Mb Mb
Mby y S
x Mby NS
d) M Mb η
ζ
b
1 dA Nulllinie
σb (ζ)
2
ζ z gezogene Fasern
Da keine äußere Kraft in x-Richtung angreift, halten sich die Kräfte σb (ζ)dA im
gesamten Querschnitt das Gleichgewicht.
Die Kraft σb (ζ)dA hat bezüglich der η-Achse ein Moment mit dem Hebelarm
ζ. Die Summe aller dieser Momente über die gesamte Schnittfläche hält dem Bie-
gemoment
das Gleichgewicht. Aus dem Momentegleichgewicht um die η-Achse
Miη = 0 folgt
ζσb (ζ)dA = Mby . (4.23)
Aus den Gln. (4.22) und (4.23) kann man die Biegespannungen σb noch nicht be-
rechnen, da weder die Lage der Nulllinie noch der funktionale Zusammenhang zwi-
schen σb und ζ bekannt sind. Für die weitere Berechnung trifft man die Annahme,
dass die Spannungen σb über die Breite des Querschnitts konstant, also unabhängig
von y sind. Diese Annahme trifft streng genommen nur für einen sehr schmalen
Balken zu. Im Flansch eines I-Querschnitts ist die Annahme nicht mehr erfüllt, in
der technischen Balkenbiegungslehre wird der dadurch entstehende Fehler jedoch
vernachlässigt.
Wie bei vielen Aufgaben der Festigkeitslehre reichen auch hier die Gleichge-
wichtsbedingungen der Statik des starren Körpers nicht zur Berechnung der inneren
Kräfte aus. Man muss die Verformungen mit heranziehen. Da das Biegemoment bei
reiner Biegung in jedem Querschnitt gleich groß ist, wird jedes Balkenelement glei-
cher Länge, das durch zwei dicht benachbarte Querschnitte begrenzt ist, gleich ver-
formt. Die Balkenachse erfährt überall die gleiche Krümmung, die gebogene Bal-
kenachse ist also Teil eines Kreises. Es ist anzunehmen, dass jeder Stabquerschnitt
in sich eben bleibt. Diese Annahme wurde erstmals von J. B ERNOULLI5 (1705) ge-
troffen und stimmt mit den experimentellen Ergebnissen überein. Somit können sich
zwei benachbarte, ursprünglich parallele Querschnitte (Abb. 4.17 a) nur gegenein-
ander drehen, bleiben aber in sich eben (Abb. 4.17 b). Mit dem Krümmungsradius
ρ der Stabachse, dem Randabstand ζ2 vom unteren Rand zur neutralen Schicht NS
sowie den Verlängerungen dΔx bzw. dΔxRand je einer Faser mit den Abständen ζ
bzw. ζ2 entnimmt man aus Abb. 4.17 b) die Proportionen
dΔx ζ dΔx ζ
= und = . (4.24)
dΔxRand ζ2 Δx ρ
Die Koordinate ζ ist von der noch unbekannten Nulllinie aus gemessen. Durch Um-
formen der ersten Gl. (4.24) erhält man
dΔx dΔxRand ζ
= . (4.25)
Δx Δx ζ2
Nach der Definition in Abschnitt 2.2.1 sind dΔx/Δx und dΔxRand /Δx die Dehnun-
gen ε(ζ) und εRand ; hiermit wird aus Gl. (4.25)
5 JAKOB I. B ERNOULLI (∗ 27. Dezember 1654 (jul.)/ 6. Januar 1655 (greg.) in Basel; † 16. Au-
b)
K
a)
ζ1
z1
y NS η
x
h
Abb. 4.17 Balkenelement der
ζ
Länge Δx
ζ2
z2
a) unverformt dΔx
b) elastisch verformt (NS neu-
trale Schicht, K Krümmungs-
mittelpunkt, ζ1 , ζ2 Rand- Δx Δx dΔxRand
abstände zur neutralen
Schicht) z ζ
εRand
ε(ζ) = ζ = cζ. (4.26)
ζ2
Die aus der Biegebeanspruchung resultierenden Dehnungen nehmen proportional
mit dem Abstand ζ von der Nulllinie zu. Gleichung (4.26) gibt die Verträglich-
keitsbedingung an. Diese Gleichung und die aus den Gleichgewichtsbedingungen
folgenden Gln. (4.22) und (4.23) sind durch das H OOKE’sche Gesetz miteinander
zu verknüpfen. Mit σ = Eε folgt aus Gl. (4.26)
σb Rand
σb (ζ) = ζ. (4.27)
ζ2
Für die Berechnung der unbekannten Randspannung σb Rand und der unbekannten,
durch den Randabstand ζ2 gegebenen Lage der Nulllinie reichen die Gln. (4.22) und
(4.23) gerade aus. Setzt man zunächst die Spannung aus Gl. (4.27) in Gl. (4.22) ein,
ist
σb Rand
σb (ζ) dA = ζdA = 0 (4.28)
ζ2
und somit ζ dA = 0. Nach Gl. (4.5) geht dann die η-Achse als Nulllinie durch den
Schwerpunkt der Querschnittsfläche, sie fällt also mit der y-Achse zusammen, und
ζ2 = z2 ist der Schwerpunktabstand vom unteren Rand. Fällt bei der geraden Bie-
gung die Spur der Lastebene mit der einen Hauptachse des Querschnitts zusammen,
dann ist die zweite Hauptachse die Nulllinie.
Setzt man aus Gl. (4.27) die Spannung in Gl. (4.23) ein, ergibt sich nun mit
σb Rand 2
zσb (z)dA = z dA = Mby . (4.29)
z2
104 4 Biegebeanspruchung gerader Balken
Nach Abschnitt 4.1.1 ist z2 dA = Iy das axiale Flächenmoment 2. Ordnung der
Querschnittsfläche, bezogen auf die y-Achse als Nulllinie. Wird die Lastebene um
90◦ gedreht, dann ist die y-Achse Spur der Lastebene und die z-Achse Nulllinie, in
den Gleichungen sind y und z vertauscht.
Löst man Gl. (4.29) nach der unbekannten Randspannung auf und setzt diese in
Gl. (4.27) ein, erhält man die Biegespannung
Mby
σb (z) = z (4.30)
Iy
Mbz
σb (y) = − y. (4.31)
Iz
Balken werden im Allgemeinen so belastet, dass diejenige Hauptachse Nulllinie
ist, für die das axiale Flächenmoment am größten ist. In diesem Fall ist der Wi-
”
derstand“ gegen Biegung am größten; die Biegespannungen sind geringer als bei
anderer Anordnung, da die Flächenmomente der 3. Potenz der Balkenhöhe propor-
tional sind. Ausnahmen hiervon bilden z. B. Blattfedern, die zur Erzielung größerer
Durchbiegung um die zur langen Rechteckseite parallele Achse gebogen werden.
Aus Gl. (4.30) für die Biegespannung folgt mit z = ζ2 = z2 die größte Zugbiege-
spannung und mit z = −ζ1 = −z1 die größte Druckbiegespannung
Mby Mby
σbz = z2 , σbd = − z1 .
Iy Iy
Mby
|σb max | = . (4.34)
Wb min
Diese größte Spannung soll die zulässige Spannung σzul nicht überschreiten. Somit
erhält man die Festigkeitsbedingung
4.2 Gerade Biegung 105
Mby
σzul . (4.35)
Wb min
Aus dieser Gleichung folgen die Tragfähigkeit und die Bemessung eines Balkens
Mby
Mbyzul Wb min σzul und Wb min . (4.36)
σzul
In Abb. 4.18 sind die Verteilungen der Biegespannungen bei zur y-Achse unsymme-
trischem (a) und symmetrischem (b) Querschnitt über die Höhe des Balkens darge-
stellt. Bei symmetrischem Querschnitt sind mit z1 = z2 = h/2 auch die Widerstands-
momente Wb1 = Wb2 = Wb = 2Iy /h, und Zug- sowie Druckbiegespannungen sind
gleich groß
Mby
|σbd | = |σbz | = |σb max | = σzul . (4.37)
Wb
Für die Tragfähigkeit eines Balkens und seine Bemessung erhält man analog zu den
Gln. (4.36)
Mby
Mbyzul Wb σzul und Wb . (4.38)
σzul
Aus der Definitionsgleichung der Widerstandsmomente ergibt sich ein wichtiger
Satz (s. Beispiel 4.9).
Satz 4.12 (Addition von Widerstandsmomenten). Widerstandsmomente zusam-
mengesetzter Flächen, die sich auf die gleiche Achse beziehen, dürfen nicht addiert
werden, wenn die einzelnen Teilflächen verschiedene Randabstände haben.
Beispiel 4.9 (Widerstandsmomente).
Für die in Abb. 4.19 gezeichneten Flächen sind die Widerstandsmomente, bezogen
auf die y-Achse als Nulllinie, zu ermitteln.
a) b)
−Mb /Wb1 σb −Mb /Wb σb
h/2
z1
NS
y x
NS
h/2
y x
z2
Mb /Wb2 Mb /Wb
z z
Abb. 4.18 Biegespannungsverlauf
im zur Nulllinie
a) unsymmetrischen und
b) symmetrischen Querschnitt
106 4 Biegebeanspruchung gerader Balken
a) b) c) da d) 100
10
dm 20
d b t di
z1
S
S S S y
100
h
y y y
z2
z z z z
Lösung 4.9
a) Aus Tabelle 4.1 entnimmt man Iy = πd4 /64; mit dem Randabstand d/2 ist das Widerstands-
moment Wb = Iy /(d/2) bzw. Wb = πd3 /32.
b) Iy = bh3 /12,
z1= h/2, Wb = bh2 /6.
4
π di π 3 di 4
c) Iy = d4a 1 − , z1 = da /2, Wb = da 1 − .
64 da 32 da
Für dünnwandige Kreisringe ist entsprechend Tabelle 4.1 Iy = (π/8)d3m t, z1 ≈ dm /2,
Wb ≈ (π/4)d2m t.
d) Aus der zweiten Gleichung (4.4) erhält man z1 = 37 mm, folglich gilt
z2 = 100 mm − 37 mm = 63 mm .
Unter Anwendung des Satzes von S TEINER (s. Abschnitt 4.1.3.1) ist Iy = 283 cm4 . Die Wi-
derstandsmomente sind
283 cm4 283 cm4
Wb1 = = 76,5 cm3 , Wb2 = = 44,9 cm3 .
3,7 cm 6,3 cm
Mb zul = Wb min σzul = 64,7 · 103 mm3 · 120 N/mm2 = 7,76 · 106 Nmm .
An der oberen Seite des Querschnitts ist dann die Biegespannung mit
a) b)
d
400 400
F F
z1
1 400
h
y S
d
z2
u b z
(h/2) − z2
b−d = h .
z2 − (d/2)
Mit z1 + z2 = h ist somit z2 = h/4. Setzt man dies in die obige Beziehung ein, erhält man
die gesuchte Breite
h
b = d+h .
h − 2d
Die Zahlenrechnung ergibt
12 cm
b = 2 cm + 12 cm = 20 cm .
12 cm − 4 cm
b) Wir berechnen zunächst das Flächenmoment Iy . Aus
(b − d)d3 dh3 1 1
Iu = + = · 18 cm · (2 cm)3 + · 2 cm · (12 cm)3 = 1 200 cm4
3 3 3 3
folgt
Iy = Iu − z22 A = 1 200 cm4 − (3 cm)2 · 60 cm2 = 660 cm4 .
Das Biegemoment ist Mby = 22 000 N · 400 mm = 8,8 · 106 Nmm. Nunmehr ergeben sich die
Spannungen
Mb 90 · 104 Nmm
Wb = = 15 · 103 mm3 .
σzul 60 N/mm2
Mb 90 · 104 Nmm
σb = = = 55,1 N/mm2 < σzul .
Wb 16,33 · 103 mm3
4.2 Gerade Biegung 109
Mby (x)
σb (x, z) = z, (4.39)
Iy
wenn die z-Achse des Querschnitts als Hauptachse die Spur der Lastebene und die
y-Achse Nulllinie ist.
Die maximale Biegespannung σb max tritt bei Balken mit konstantem Querschnitt
am Rande desjenigen Querschnitts auf, in dem das Biegemoment seinen größten
Wert hat, bei zur Nulllinie unsymmetrischem Querschnitt in denjenigen Randpunk-
ten, die von ihr den größten Abstand haben. Der Querschnitt der größten Beanspru-
chung wird auch gefährdeter Querschnitt genannt, er braucht aber nicht immer mit
dem Querschnitt des größten Biegemoments identisch zu sein (z. B. bei veränder-
lichem Balkenquerschnitt und bei Kerbwirkung). Somit lautet die Festigkeitsbedin-
gung
Mb max
|σb max | = σzul (4.40)
Wb min
oder, wenn bei zur Nulllinie symmetrischem Querschnitt z1 = z2 = h/2 ist,
Mb max
|σb max | = σzul . (4.41)
Wb
Tragfähigkeit und erforderliches Widerstandsmoment errechnet man sinngemäß, in
dem man das größte Biegemoment Mb max in die Gln. (4.36) und (4.38) einsetzt.
Beispiel 4.14 (Freiträger mit Einzellast).
Der Freiträger (l = 1 000 mm) mit der Einzellast F = 4 kN am freien Ende in
Abb. 4.21 hat den gleichen Querschnitt wie in Beispiel 4.9 d) (Abb. 4.19 d). Zu
berechnen sind die Biegespannungen an der Stelle x1 = 400 mm und im gefährde-
ten Querschnitt.
Lösung 4.14
In dem Querschnitt an der Stelle x1 ist das Biegemoment
110 4 Biegebeanspruchung gerader Balken
a)
Schnitt A-B l
F A
y S z2 z1 x
z x1
Mb (x1 ) = −Fx1
B
Mb (x) in Nm
b) −4000
Mb (l) = −Fl
−3000
−2000
−1000
0
x
1000
σb σb
z z
a) 750
550
300
F3
F1
x
F2
b)
−500
Mb (x) in Nm
0
100 200 300 400 500 600 700
x in mm
500
1000
1500
Aus dem vorstehenden Beispiel geht hervor, dass bei Biegung mit veränderlichem
Biegemoment der Werkstoff eines Balkens bei unveränderlichem Querschnitt nur
unvollständig ausgenutzt ist, s. Abschnitt 4.2.3.
Beispiel 4.15 (Träger mit drei Einzelkräften).
Ein Träger ist durch drei Einzelkräfte F1 = 2 kN, F2 = 10 kN und F3 = 10 kN belastet
(Abb. 4.22 a). Es ist ein hochstegiger T-Stahl nach DIN 1 024 (σzul = 70 N/mm2 )
zu wählen.
Lösung 4.15
Betrag und Ort des größten Biegemoments ergeben sich aus der Berechnung des Biegemomenten-
verlaufs längs der x-Achse
Nach Abb. 4.22 b) wirkt das größte Biegemoment am Angriffspunkt der Last F3 , es beträgt
Mb max = 1 400 Nm. Die größte Biegespannung ist eine Zugspannung. Aus der zweiten Gl. (4.36)
erhält man
Mb max 1,4 · 106 Nmm
Wb min = = 20 · 103 mm3 = 20 cm3 .
σzul 70 N/mm2
Dieser Bedingung genügt das Profil T 100 mit Wb = 24,6 cm3 . Spannungsnachweis:
l
a b
F qE
x y
z
F
qE l
b a
FA = F FB = F
l l2 l
8
qE
x
1
ab
l
2
F
Mb (x)
3
ba
Mb max = FA a = F .
l
In Verbindung mit Gl. (4.38) und mit Wb = 14,33 · 106 mm3 aus der Profiltabelle [22] folgt
l 15 000 mm
Fzul = Wb σzul = · 14,33 · 106 mm3 · 100 N/mm2 = 3,98 · 105 N .
ba 9 000 mm · 6 000 mm
Nach der gleichen Tabelle beträgt das Eigengewicht je Längeneinheit qE = 3 490 N/m. Den Bie-
gemomentenverlauf durch Eigengewicht als gleichmäßig über die Länge l verteilte Last zeigt
Abb. 4.23 c). Der Maximalwert für x = l/2 ist
Damit ist σb max E = 9,82 · 107 Nmm/(14,33 · 106 mm) = 6,85 N/mm2 .
Da Last F und Eigengewicht gleichgerichtet sind, kann man die Biegemomente und somit auch
die Biegespannungen addieren. Für den Querschnitt x = 6 000 mm erhält man mit
qE l2 x x 2
MbE (x) = − = 9,42 · 107 Nmm
2 l l
die Spannungen σbE = 6,6 N/mm2 und σb max = 106,6 N/mm2 > σzul . Damit die zulässige Bie-
gespannung nicht überschritten wird, müsste Fzul auf rund 370 kN beschränkt werden.
Für die Bemessung langer Biegeträger wie im vorstehenden Beispiel ist häufig nicht
allein die zulässige Spannung maßgebend, sondern auch die Durchbiegung, s. Bei-
spiel 5.5.
Beispiel 4.17 (Winkelhebel).
Ein Winkelhebel (Abb. 4.24) ist in 0 gelagert und durch die Kräfte F1 und F2 belastet.
In den Querschnitten AB, CD und EF sind die Biegespannungen zu berechnen. Die
Querschnitte AB und EF können als Rechtecke mit der Fläche b × h angenommen
werden.
Lösung 4.17
Mit r1 = 500 mm und r2 = 1 000 mm ist
Für die Wiederstandsmomente in den entsprechenden Querschnitten erhält man mit Tabelle 4.1
und Gl. (4.32)
Schnitt AB
40
120
F1 Schnitt CD Schnitt EF
0
20
∅
130
0
l1 = 400
16
50
r1 = 500
45
D
E F2 = 8 kN
A 0 B
Abb. 4.24 Auf Biegung be-
anspruchter Winkelhebel, l2 = 900
AB, CD, EF gefährdete Quer- F
r2 = 1 000
C
schnitte
114 4 Biegebeanspruchung gerader Balken
20
Abb. 4.25 Querschnitt CD 50 σd
mit den aus den Spannungen
Fd
σd und σz resultierenden
Biegekräften Fd und Fz
r = 90
∅160
∅200
r = 90
σz
Fz
Die Spannungen im Querschnitt C-D lassen sich näherungsweise auch folgendermaßen ermitteln
(Abb. 4.25):
Man denkt sich die Spannungen in den beiden schraffierten Flächen gleichmäßig verteilt. Die
resultierende Kraft in einer Fläche ist Fd = Fz = F. Dann ist MbCD = 2r · F mit r = 90 mm.
Daraus erhält man
MbCD 80 · 105 Nmm
F= = = 4,44 · 104 N .
2r 180 mm
Mit A = 1 000 mm2 ergibt sich σd = σz = σCD = F/A = 44,4 N/mm2 . Der Fehler gegenüber
der genaueren Rechnung beträgt ungefähr 10%. Diese Näherungsrechnung wird häufig auch bei
Trägern mit dünnem Steg und kräftigem Flansch angewandt.
Der Idealfall eines überall gleich hoch beanspruchten Bauteils ist ein Zugstab mit
konstantem Querschnitt; der Werkstoff wird voll ausgenutzt. In einem solchen Bal-
ken sind wegen des veränderlichen Biegemoments die Beanspruchungen eine Funk-
tion von x. Der Querschnitt muss jedoch entsprechend der größten Biegerandspan-
nung bemessen werden, der Werkstoff wird also schlecht ausgenutzt. Eine bessere
Ausnutzung erreicht man, wenn die größten Randspannungen in jedem Querschnitt
gleich groß sind. Derartige Träger bezeichnet man als Träger konstanter Biegebe-
4.2 Gerade Biegung 115
anspruchung. Bei reiner Biegung eines Balkens mit konstem Querschnitt ist dies
wegen des konstanten Biegemoments der Fall.
Für ein veränderliches Biegemoment dagegen ergibt die Forderung nach gleicher
Randspannung den Ansatz
Mb (x)
σb Rand = = const = σzul . (4.42)
Wb
Sie lässt sich nur dann verwirklichen, wenn
Mb (x)
Wb = Wb (x) = (4.43)
σzul
ist. Das Widerstandsmoment jedes Stabquerschnitts muss also wie das Biegemo-
ment eine Funktion von x sein. Dies soll an einigen Querschnittsformen für den
Freiträger mit Einzellast am freien Ende (Abb. 4.26 a) betrachtet werden.
1. Träger hat Rechteckquerschnitt b0 h0 in der Einspannung und die entlang der
Trägerachse veränderliche Breite b = b(x).
Aus den Gln. (4.42) und (4.43) folgt mit Wb = bh2 /6
6Fx 6Fl
σb = = σzul . (4.44)
b(x)h20 b0 h20
a) l
F b)
b(x)
x
b1
Fx
F
b0
x x
Fl
Mb (x)
c)
nh0
b1 = b0 /n
h0
F d)
2l
F = 50 kN F = 50 kN
2F
Die Breite des Querschnitts ändert sich linear mit x. Dies ist z. B. bei Dreieckfe-
dern der Fall (Abb. 4.26 b). Denkt man sich die Feder in n Streifen geschnitten,
diese zu gleichen Teilen zusammengefügt (Breite b1 = b0 /n) und untereinander
angeordnet, dann erhält man eine geschichtete Blattfeder (Abb. 4.26 c) und d),
die einzelnen Blätter biegen sich einzeln. Die erforderlichen Abmessungen b0
und h0 bekommt man aus dem Vergleich mit σzul in der Gl. (4.44)
6Fl
b0 h20 = . (4.46)
σzul
Eine der beiden Abmessungen b0 oder h0 muss vorgegeben sein, dann kann die
andere berechnet werden.
Beispiel 4.18 (Geschichtete Blattfeder).
Eine geschichtete Blattfeder aus Federstahl ist nach Abb. 4.27 geformt und belas-
tet. Gegeben sind: die Breite b1 = 100 mm, 2l = 1 600 mm, n = 12 Federblätter,
σzul = 500 N/mm2 . Die erforderliche Blattdicke h0 ist zu berechnen.
Lösung 4.18
Gleichung (4.46) ergibt
F
b0
F
h0 /2
h(x)
h0
h0 /2
h(x)
h0
x
x
x
strichelt) aus. Anwendung findet diese Form bei Rahmen, Trägern, Traversen
usw.
3. Träger hat Kreisquerschnitt mit dem Durchmesser d0 im Einspannquerschnitt
und entlang der Trägerachse veränderlichen Durchmesser d = d(x) (Abb. 4.29).
Den erforderlichen Durchmesser d0 erhält man aus Gl. (4.38) mit Wb = (π/32)d30
32Fl
d30 = . (4.49)
πσzul
Die Begrenzung ist eine Funktion 3. Grades. Die Form wird näherungswei-
se durch einen Kegelstumpf erreicht und z. B. bei Getriebewellen (s. Bei-
spiel 4.19) angewendet. Für andere Trägerformen und Belastungsarten lassen
sich Träger angenähert konstanter Biegebeanspruchung konstruieren, indem man
Wb (x) = Mb (x)/σzul streckenweise berücksichtigt, z. B. Profilträger mit auf-
geschweißten Verstärkungsblechen (Aufgabe 4.17) und abgesetzte Wellen.
F
d0
d0
d(x)
2
3
x
Abb. 4.29 Funktion 3. Ge-
rades als Begrenzung des
Freiträgers konstanter Bie-
gebeanspruchung mit Kreis- x
querschnitt
118 4 Biegebeanspruchung gerader Balken
2F
a)
dN
lZ lZ
d1
dZ
dZ
d2
x
F 100 F
2l
c) 2F
5
b)
∅112
∅130
∅80
∅65
d0
l
F 39
78
x 50
der Mitte soll ein Rad aufgekeilt werden, Gesamtlast in der Mitte 2F. Die Welle
soll als Träger annähernd konstanter Biegebeanspruchung konstruiert werden,
die fehlenden Maße sind zu berechnen. Die Lagerkräfte sind als Einzelkräfte in
Lagermitte angenommen. In Abb. 4.30 b) ist das Ersatzschema der halben Welle
gezeichnet. Gegeben sind:
F = 40 kN, σzul = 59 N/mm2 , lZ = 1, 2dZ , l = 250 mm.
Lösung 4.19
Aus Gl. (4.49) ergibt sich
32 · 40 000 N · 250 mm
d0 = 3 = 120 mm .
π · 59 N/mm2
Mit Rücksicht auf die Keilnut wird dN = 130 mm gewählt. Den Zapfendurchmesser dZ erhält
man aus den Gleichungen
4.3 Schiefe oder allgemeine Biegung 119
und
Mb (x) πd3Z
WbZ = = .
σzul 32
Setzt man den Ausdruck für Mb aus der ersten der beiden Gleichungen in die zweite ein, ergibt
sich nach Umformung
Da der Biegemomentvektor zur Lastebene senkrecht steht, fällt also die Spur der
Lastebene ebenfalls nicht in die Richtung einer Hauptachse (Abb. 4.31). Wir set-
zen wieder voraus, dass die Balkenachse in der Lastebene liegt. Durch Zerlegen
des Biegemomentvektors in Richtung der beiden Hauptachsen lässt sich die schiefe
Biegung unmittelbar auf die Überlagerung zweier gerader Biegungen zurückführen.
Die resultierende Biegespannung erhält man durch algebraisches Addieren der je-
weiligen Einzelspannungen. Da jede Biegespannung für sich linear mit den Quer-
schnittkoordinaten zunimmt, steigt auch die resultierende Biegespannung linear an.
Die Querschnittpunkte, in denen die Biegespannung Null ist, bilden die Nulllinie;
sie ist eine Gerade durch den Schwerpunkt des Querschnitts.
120 4 Biegebeanspruchung gerader Balken
4.3.1.1 Biegespannungen
Unter Beachtung der Vorzeichen von y und z kann man aus Gl. (4.50) die Spannun-
gen in jedem Punkt des Querschnitts berechnen.
Beispiel 4.20 (Biegespannungen).
Man berechne die Biegespannungen im gefährdeten Querschnitt des Freiträgers
(Abb. 4.33 a), Länge l = 1 000 mm, dessen Einzellast F = 7 kN am freien Ende um
α = 22,5◦ zur z-Achse geneigt ist. Die Maße des Querschnitts sind b = 100 mm
und h = 200 mm. Der Spannungsverlauf über dem Querschnitt ist maßstäblich dar-
zustellen.
Lösung 4.20
Die Widerstandsmomente bezüglich der Hauptachsen y und z betragen
a) b)
Las
y Mb S
teb
ene
v=y S v
Mb
Die Gl. (4.50) kann mit Iy = Wby h/2 und Iz = Wbz b/2 in folgende, für die Berechnung
zweckmäßige Form gebracht werden
Fl cos α z Fl sin α y
σb = − + .
Wby h/2 Wbz b/2
Mit
Fl cos α = 7 · 106 Nmm · 0, 924 = 6,46 · 106 Nmm
und
Fl sin α = 7 · 106 Nmm · 0, 383 = 2,68 · 106 Nmm
ist der zweite Anteil der Biegespannung längs der Kante AB(y = −b/2)
und längs der Kante CD(y = b/2) σb = 8,05 N/mm2 . Längs der Kante BC(z = −h/2) ist der
erste Anteil
Fl cos α 6,46 · 106 Nmm
σb = = = 9,69 N/mm2
Wbz 667 · 103 mm3
und längs der Kante AD(z = h/2) σb = −9,69 N/mm2 . Die resultierenden Spannungen in den
Ecken betragen demnach in
)
σ b(u
Lastebene
u1
v≡y
α ini e
Nulll
β
u2
α
Mb
u γ
MN
σ b Rand
dA
y
z
w≡z
Abb. 4.32 Beliebiger Querschnitt eines Balkens bei schiefer Biegung mit Momentvektoren, Null-
linie, Spur der Lastebene und senkrecht zur Nulllinie aufgetragener Biegespannungsverteilung
122 4 Biegebeanspruchung gerader Balken
Mit diesen Werten ist der Biegespannungsverlauf gezeichnet (Abb. 4.33 b). Die Nulllinie ist durch
die Schnittpunkte E und F der resultierenden Spannungslinien zwischen AB und CD mit der Quer-
schnittbegrenzung festgelegt. Sie geht durch den Schwerpunkt S der Fläche und ist eine Gerade.
4.3.1.2 Nulllinie
Die Nulllinie, als geometrischer Ort aller Punkte im Querschnitt eines Balkens, in
denen die Biegespannung Null ist, erhält man aus Gl. (4.50) mit σb = 0
Mb cos α Mb sin α I1
0= z− y oder z = y tan α . (4.51)
I1 I2 I2
Ist β der Winkel zwischen der großen Hauptachse w ≡ z und der Nulllinie (4.33),
kann man für die Gleichung der Nulllinie auch schreiben
π 1
z = tan −β y = y. (4.52)
2 tan β
Durch Vergleich der Gln. (4.51) und (4.52) folgt mit den Hauptflächenmomenten I1
und I2 die Beziehung
I2
tan α tan β = . (4.53)
I1
Die Spur der Lastebene und die Nulllinie liegen auf verschiedenen Seiten der großen
Hauptachse w. Da nach der Voraussetzung in Abschnitt 4.1.3.3 das Verhältnis
I2 /I1 < 1 ist, folgt aus der Gl. (4.53), dass die Winkelsumme α + β < 90◦ ist.
Nulllinie und Spur der Lastebene stehen nicht senkrecht aufeinander, sondern die
Nulllinie liegt schief zur Spur der Lastebene (daher schiefe Biegung). Nur im Fall
der geraden Biegung ist α = 0◦ oder 90◦ , dann ist β = 90◦ oder 0◦ .
a) b)
Schnitt G-H
α C 1,64
74
17, B
E
Nul
l
e
ben
F
llin
G
ste
C B F
ie
La
C, B S
Mbz y
h
y S Mby x
D, A F 4
z 17,7
64 A−
D A 1,
b H − D z
Ist die Lage der Nulllinie bekannt, kann man die Biegespannungen auch ohne
Gl. (4.50) auf einfache Weise berechnen, indem man berücksichtigt, dass sie linear
mit dem Abstand von der Nulllinie ansteigen (Abb. 4.32). Ist u der senkrechte Ab-
stand eines Flächenteilchens dA von der Nulllinie und u2 der Abstand der Nulllinie
zum unteren Rand, dann folgt mit der Randspannung σb max
σb Rand
σb (u) = u. (4.54)
u2
Ferner verlangt die Gleichgewichtsbedingung der Momente für ein abgeschnittenes
Balkenstück bezüglich der Nulllinie
MiN = 0 = u σb (u)dA = MN . (4.55)
Mb (x) sin(α + β)
σb (x, u) = u, (4.56)
IN
Mb max sin(α + β)
σb max = umax . (4.57)
IN
Führt man noch das Widerstandsmoment bezüglich der Nulllinie WbN = IN /umax
ein, erhält man
Mb max sin(α + β)
σb max = σzul . (4.58)
WbN
Beispiel 4.21 (Nulllinie und Biegerandspannungen).
Ein Freiträger mit dem Querschnitt aus den Beispielen 4.3 und 4.8 ist am freien
Ende durch eine Last F = 4 kN in Richtung der z-Achse belastet (Abb. 4.34 a). Die
Lage der Nulllinie und die Biegerandspannungen sind zu berechnen.
Lösung 4.21
In Abb. 4.34 b) ist die Querschnittsfläche maßstäblich gezeichnet. Man beachte die gegenüber
124 4 Biegebeanspruchung gerader Balken
Lastebene
ie
in
a) b)
α lll
Schnitt A-B
1 000
O β Nu
u1
F
F
20 A
v
z2 z1
y S
120
y S
x
20 z
B
u2
80
U
w
z
Abb. 4.34 Freiträger mit Winkelquerschnitt
a) Einzellast F am freien Ende (schiefe Biegung)
b) Winkelquerschnitt, Maßstabsfaktor (vgl. [17], Abschnitt 1.3 Darstellung physikalischer Größen)
mL = 25/8 cm cm
Z
Abb. 4.5 geänderte Lage der Fläche gegenüber dem y, z-Koordinatensystem. Gleichung (4.53)
ergibt mit den Zahlenwerten für α = 22,5◦ , I1 = 558 cm4 und I2 = 106 cm4 aus Beispiel 4.8 das
Ergebnis tan β = 0, 459 und β = 24,65◦ .
Aus der ersten Gl. (4.18) erhält man mit ψ = 65,35◦
Mit den Werten u1 = −4, 75 cm und u2 = 5, 35 cm (Abb. 4.34 b) sowie dem größten Biege-
moment Mb max = −4 · 106 Nmm errechnet man die Spannungen aus Gl. (4.56) im Querschnitts-
punkt O
und ähnlich für den Punkt U σb = −84,9 N/mm2 . Es soll nun gezeigt werden, welchen Fehler
man begeht, wenn man die Voraussetzungen für die gerade Biegung nicht beachtet und mit der
y-Achse als Nulllinie rechnet. Aus den Gln. (4.33) folgt mit
Iy 492 cm4
Wb1 = = = −113,5 cm3 und Mby = Mb max = −4 · 106 Nmm
z1 −4,33 cm
die Spannung entlang der oberen Kante σb = 35,2 N/mm2 und mit
4.4.1 Grenzspannung
Querschnittsform y y
(Biegeachse y-y)
lichen Stoffen mit der Biegefestigkeit σbB = MbB /Wb ist also größer als 1. Es ist
abhängig von der Form des Querschnitts und beträgt für Grauguss bei Rechteck-
querschnitt etwa 1,7 und bei Kreisquerschnitt etwa 2,2.
Bei schwingender (dynamischer) Biegebeanspruchung werden Grenzspannun-
gen wie bei Zugbeanspruchung in Dauerversuchen ermittelt. Die Ergebnisse sind
in Dauerfestigkeitsschaubildern zusammengestellt. Wegen des Spannungsgefälles
(Abb. 4.36) und der damit verbundenen Stützwirkung sind die meist an runden Pro-
ben ermittelten Dauerfestigkeitswerte bei Biegung größer als die bei gleichmäßi-
ger Spannungsverteilung in Zugstäben gewonnenen Werte, erfahrungsgemäß ist
σbD ≈ (1, 2 . . . 1, 4)σzD . Allerdings ist hier eine Einschränkung hinsichtlich der
Probengröße zu machen. Während die Dauerfestigkeit bei gleichmäßiger Span-
nungsverteilung nahezu unabhängig von der Größe des Querschnitts ist, ist sie
bei der ungleichmäßigen Spannungsverteilung der Biegung von der Probengröße
abhängig. Die Wahrscheinlichkeit eines Dauerbruchs bei hoch beanspruchtem Ma-
terialvolumen ist größer als bei geringem Volumen, in dem die Spannung steil
abfällt (Abb. 4.36). Die in Dauerfestigkeitsschaubildern meist mit der Probengröße
von etwa 10 mm Durchmesser enthaltenen Werte der Dauerfestigkeit σbD 10 sind
für größere Querschnitte mit einem Größenfaktor b0 < 1 zu multiplizieren, also
σbD = b0 σbD 10 . Für Wellen bei Umlaufbiegung sind Mittelwerte für b0 in Abb.
4.37 aufgetragen. In dünnwandigen Konstruktionen wird bei Biegung häufig mit
der Dauerfestigkeit bei Zugbeanspruchung gerechnet, weil die kräftigen Flansche z.
B. von I-Profilen annähernd gleichmäßig nur auf Zug oder Druck beansprucht sind
(s. Aufgabe 4.24).
4.4.2 Kerbwirkung
Ähnlich wie bei der Zugbeanspruchung tritt auch bei der Biegung Kerbwirkung an
Bohrungen, Querschnittsübergängen, Rillen, Nuten, Passsitzen u.a. auf. Diese wird
ebenfalls durch die Formzahl αk bzw. die Kerbwirkungszahl βk erfasst und, falls
x 1
Mb /Wb
σb
∅10
Abb. 4.36 Biegespannungs-
verteilung in einer Welle
σb
mit kleinem und großem
Durchmesser
∅100
nötig, durch Indizes z für Zug, b für Biegung und t für Torsion unterschieden, Zah-
lenwerte findet man in Taschenbüchern, z. B. [22; 27; 45] oder in [37].
n0,2 Re n0,2 Re
SF = und σzul = . (4.59)
σb SF
Bei spröden Werkstoffen gelten sinngemäß die Gln. (3.1), (3.2) und (3.11) mit der
Biegefestigkeit σbB .
Ist Versagen bei schwingender Biegebeanspruchung durch Dauerbruch möglich,
dann ist
b0 σD b0 σD
SD = und σzul = . (4.60)
ok βk σbn ok βk SD
σbn ist die auf den gekerbten Querschnitt bezogene Biegenennspannung.
Für die Bemessung von Biegestäben kann man die noch unbekannten Einflüsse
von Kerbwirkung, Größe usw. wieder in einer Sicherheitszahl S∗ zusammenfassen.
ok βk SD
S∗ = .
b0
0, 8
Größenfaktor b0
0, 6
Mit dem Größenfaktor b0 = 0, 6 (Abb. 4.37), der Wechselfestigkeit σbW = 320 N/mm2 für E360
und der auf den Durchmesser d1 bezogenen Nennspannung σbn = σzul = 59 N/mm2 ist die Si-
cherheit nach Gl. (4.60)
Am Übergang von Durchmesser d2 auf dZ erhält man auf die gleiche Weise mit t2 /ρ2 = 3, 75 und
a2 /ρ2 = 16, 25 die Formzahl αk = 2, 45, das entspricht der Kerbwirkungszahl βk = 1, 94. Mit
dem Größenfaktor b0 = 0, 65 ist die Sicherheit SD = 1, 82. Rechnet man am Nabensitz (Erhöhung
von 120 mm rechnerischem Durchmesser auf 130 mm) mit der geschätzten Kerbwirkungszahl
βk ≈ 2, 5 für Längsnut, ist
Lösung 4.23
Das Biegemoment zwischen den Lagern ist konstant und beträgt Mb = FG a. Die erste Gl. (4.38)
ergibt
FGzul = Mb zul /a = Wb σzul /a .
Da die Welle wechselnd auf Biegung beansprucht ist, benötigt man die Biegewechselfestigkeit.
Einem Schaubild für E360 [22] entnimmt man σbW = 280 N/mm2 . Mit b0 = ok = βk = 1 ergibt
die zweite Gl. (4.60) die zulässige Spannung
280 N/mm2
σzul = = 140 N/mm2 .
2
Das Widerstandsmoment für Kreisquerschnitt ist Wb = πd3 /32 = 98,2 mm3 . Somit ist
Diese Rechnung ist zulässig, wenn die Bohrung in der Mitte der Welle liegt. Für das Bohrungs-
verhältnis d/D = 0, 3 entnimmt man die Formzahl αk = 1, 9 [45], die Kerbwirkungszahl aus
Gl. (3.17) beträgt dann βk = 1, 54. Nunmehr ist
a) a a b)
l
∅3 d
∅10
FG FG y
z
D
d
b) Biegemomentenverlauf A C
B D a
b)
FG (a − l1 )
FG a
x
Mb (x)
verhältnis l1 /a ist die wirksame Spannung im Querschnitt CD gleich groß wie die
Spannung im Querschnitt AB?
Lösung 4.24
Setzt man in beiden Querschnitten gleichen Oberflächenbehandlungszustand voraus und ver-
nachlässigt den Einfluss des Lagersitzes im Querschnitt AB, dann ergibt sich aus der gestellten
Bedingung der Ansatz
σb(AB) = βk σb(CD) .
Dem Abb. 4.39 b) entnimmt man die Biegemomente
FG a 32 FG (a − l1 )32
= βk
πD3 πd3
und
1 d3
a − l1 = a.
βk D3
Das gesuchte Längenverhältnis ergibt sich daraus zu
3
l1 1 d
= 1− .
a βk D
Man wählt den Durchmesser d1 = 140 mm mit Wb1 = 269,4 cm3 . Damit ist σn1 = 81,3 N/mm2 .
Für den Übergang von d1 auf den mit 150 mm angenommenen Bunddurchmesser ist t1 /ρ1 = 0, 5
und a1 /ρ1 = 7, wenn man als Radius ρ1 = 10 mm vorsieht. Dem entspricht die Formzahl
αk = 1, 6 und die Kerbwirkungszahl βk = 1, 45. Nimmt man wenig bearbeitete Oberfläche
(ok = 1, 3) an und wählt b0 = 0, 6 (Abb. 4.37), dann ist nach Gl. (4.60) die Sicherheit bei wech-
selnder Biegebeanspruchung
400 N/mm2 · 0, 6
SD = = 1, 57 .
1, 3 · 1, 45 · 81,3 N/mm2
In Analogie erhält man im Querschnitt CD mit den Zahlenwerten d2 = 90 mm, Wb2 = 71,6 cm3 ,
σn2 = 62,8 N/mm2 , t2 /ρ2 = 5, a2 /ρ2 = 9, αk = 2, 2, βk = 1, 9, ok = 1 (polierter Übergang
mit ρ2 = 5 mm) und b0 = 0, 61 die Sicherheit SD = 2, 04. Die Achse ist in den gefährdeten
Querschnitten ausreichend bemessen, wenn mindestens 1,5fache Sicherheit verlangt wird.
a)
60 200
F
A C
d2
d1
5r
1 000
10r 90 90
B D
Fh
Fq
b)
Mb (x) in Nm
12 500
21 900
4 500
40 y
60
Aufgabe 4.3 (Flächenmoment Quadrat). Man zeige, dass für ein Quadrat (Tabel-
le 4.1) Ia = Iy = a4 /12 ist.
Aufgabe 4.4 (Abstand des Schwerpunktes). Wie groß sind der Abstand zS des
Schwerpunktes von der unteren Kante und die Flächenmomente Iy und Iz des Quer-
schnitts in Abb. 4.42?
z
60
180
60
480
S y
60
zS
360
Abb. 4.42 I-Querschnitt
4.5 Aufgaben zu Kapitel 4 133
Aufgabe 4.5 (Schwerpunktabstand Träger). Ein Träger ist aus einem Stegblech
und vier ungleichschenkligen Winkelstählen zusammengesetzt. Man berechne den
Schwerpunktabstand zS von der unteren Kante und das Flächenmoment Iy der
Querschnittsfläche (Abb. 4.43). Man vergleiche die Anteile des Flächenmoments
z
*
L100 × 50 × 10
DIN1029
S
240
y
zS
Abb. 4.43 Zusammen-
gesetzter Querschnitt 10
und des Gewichts der Stegfläche mit denen der Gesamtfläche in Prozenten.
Aufgabe 4.7 (Gleichgroße Flächenmomente). Ein Träger ist aus vier ungleich-
schenkligen Winkelstählen 200 × 100 × 10 zusammengesetzt (Abb. 4.44). Der Ab-
stand 2a ist so zu bestimmen, dass die Flächenmomente Iy und Iz gleich groß sind.
ey
ez
S y
Aufgabe 4.8 (Flächenmomente und Lage der Hauptachsen). Für die in Abb. 4.45
a), b) und c) gezeichneten Flächen berechne man die Flächenmomente Iy , Iz und
Iyz , die Lage der Hauptachsen sowie die Hauptflächenmomente.
134 4 Biegebeanspruchung gerader Balken
a) b) c)
80 z
z z
20
zS
60
60
S
140
150
y y y
S S
20
zS
20 70
30
yS 15
80 100 45
a) b) c) d)
160
U 200
100
20
z1
275
20
y S 20 y S
160
120
180
y y S
z2
S
20
z2
z2
z z
I 200 z
z 60 DIN 1 025 Bl.1
Aufgabe 4.10 (Biegespannungen in einer Welle). Eine Welle wird auf Biegung
beansprucht.
a) Wie groß sind die größten Biegespannungen
1. bei einer Vollwelle mit d = 100 mm,
2. bei Hohlwellen mit da = 100 mm und di = 50 mm bzw. 80 mm bei jeweils
gleichem Biegemoment Mb = 49 · 105 Nmm?
Der Biegespannungsverlauf über der Querschnitthöhe ist darzustellen.
b) Bei welchem Außendurchmesser da werden in Hohlwellen mit gleichem Verhält-
nis di /da wie im Fall 2. die Randbiegespannungen genau so groß wie bei 1.?
c) Man vergleiche die relative Masseersparnis der Hohlwellen gegenüber der Voll-
welle mit der Zunahme der Biegerandspannungen.
4.5 Aufgaben zu Kapitel 4 135
a) q b) Hohlwelle ∅100/∅75
15
2 500 F
900 4 000
1 800 180
Aufgabe 4.13 (Biegerandspannungen). Ein Träger hat die in Abb. 4.48 gezeich-
nete Querschnittform und wird durch das Biegemoment Mb = 20 kNm belastet.
Die Biegerandspannungen sind zu berechnen, der Verlauf der Biegespannungen ist
maßstäblich über der Trägerhöhe aufzuzeichnen.
80
20 20
20
z1
80
S
y
200
z2
Aufgabe 4.14 (Biegung einer Welle). Eine Welle aus Stahl mit dem Durchmesser
d = 52 mm ist nach Abb. 4.49 gelagert und belastet. Wie groß sind
136 4 Biegebeanspruchung gerader Balken
900
200
∅52
Abb. 4.49 Welle mit zwei
entgegengesetzt gerichteten
Einzelkräften F = 10 kN an F
200
den Enden
Aufgabe 4.15 (Biegung einer Rundstange). Eine Rundstange aus Stahl mit dem
Durchmesser d = 20 mm hängt in der Mitte an einem Kran. Bei welcher Länge
l der Stange erreicht die größte Biegespannung in der Stange die Fließgrenze
σbF = 210 N/mm2 des Werkstoffs (Dichte ρ = 7,85 g/cm3 )?
Aufgabe 4.16 (Freiträger). Ein Freiträger ist durch die gleichmäßig verteilte Last
q belastet (Abb. 4.50). Er soll als Träger gleicher Biegbeanspruchung ausgeführt
werden. Welche Form hat der Träger, wenn
a) die Breite des Rechteckquerschnitts,
b) die Höhe des Rechteckquerschnitts
konstant bleibt?
x
Abb. 4.50 Freiträger mit l
gleichmäßig verteilter Last q
Aufgabe 4.17 (Zweifach gestützter Träger). Ein I-Träger 120 DIN 1 025, Bl. 1,
aus S235JR ist zweifach gestützt, Stützweite l = 3 000 mm, und durch q = 20 kN/m
gleichmäßig belastet. Er ist für diese Last zu schwach bemessen und soll oben
und unten durch je zwei angenietete oder geschweißte Laschen 58 mm × 10 mm
verstärkt werden (Abb. 4.51).
a) Wie groß sind die Laschenlängen l1 und l2 zu wählen, damit der Träger der Form
eines Trägers gleicher Biegebeanspruchung angenähert wird?
b) Man stelle den Randspannungsverlauf längs der x-Achse dar.
c) Wie groß ist die größte Biegespannung ohne die Laschen? Was bedeutet dieses
Ergebnis?
4.5 Aufgaben zu Kapitel 4 137
q in kN/m
x
58 × 10 I 120
d) Welches I-Profil ist zu wählen, damit ohne Laschen die Biegespannung in der
Mitte nicht größer ist als im Fall a)?
e) Welche Gewichtsersparnis ergibt sich im Fall a) gegenüber d)?
Aufgabe 4.18 (Gittermast). Ein Gittermast, Höhe 4 300 mm, besteht aus 4 fest
miteinander verbundenen ungleichschenkligen Winkelstählen 100 × 50 × 10 nach
DIN 1 029. Der Einspannquerschnitt am Boden ist in Abb. 4.52 gezeichnet. Zwei
gleiche Zugkräfte der gespannten Drähte wirken an der Spitze des Mastes in den ge-
zeichneten Richtungen. Wie stark dürfen die Drähte gespannt sein, wenn die zulässi-
ge Spannung 25 N/mm2 im Mast nicht überschritten werden darf?
300
S
200
FS z
60◦
Aufgabe 4.19 (Freiträger). Ein Freiträger, Länge l = 2 000 mm, aus hochstegigem
T-Stahl 120 nach DIN 1 024 ist am freien Ende durch die um α = 30◦ zur Verti-
kale geneigte Last F = 2 500 N belastet (Abb. 4.53). Lage der Nulllinie und größte
Biegespannung sind zu berechnen.
Aufgabe 4.20 (Belastungsrichtung). In welche Richtung muss ein Träger mit dem
Querschnitt nach Abb. 4.45 a) belastet werden, damit die Nulllinie mit der y-Achse
zusammenfällt und der Träger sich somit in z-Richtung durchbiegt? (In Abschnı́tt
5.6 wird gezeigt, dass bei schiefer Biegung die Durchbiegung senkrecht zur Nullli-
nie erfolgt.)
138 4 Biegebeanspruchung gerader Balken
l
Schnitt A-B
α A
F
F
Abb. 4.53 Freiträger mit
T-Querschnitt und um den y
Winkel α geneigter Einzellast z
F am Ende B
Aufgabe 4.21 (Konsole). Eine Konsole mit Winkelquerschnitt (Abb. 4.54 a), Länge
l = 1 500 mm, ist am freien Ende durch die vertikale Kraft Fz = 12 kN und durch
die horizontale Kraft Fy = 3 kN belastet.
a)
Fz Fz A
Fy
y Fy
z l
B
b) 120 c)
Abb. 4.54 Freiträger mit zwei
Kräften S
S
a) Einzelkräften am freien
30
y y
180
Ende
b) Winkelquerschnitt
c) Querschnitt aus Doppel- z
30
winkel z
a) Man berechne für den Querschnitt (Abb. 4.54 b) die Flächenmomente Iy , Iz und
Iyz , die Lage der Hauptachsen, die Hauptflächenmomente I1 und I2 , die Lage
der Nulllinie sowie die größten Zug- und Druckbiegespannungen. An welchen
Querschnittspunkten treten letztere auf?
b) Zwei Winkelprofile (Abb. 4.54 b) werden zur Konsole (Abb. 4.54 a) fest mitein-
ander verbunden (Abb. 4.54 c) und mit den doppelten Kräften wie oben in y- und
z-Richtung belastet. Wie groß sind nunmehr die größten Zug- und Druckbiege-
spannungen und wo treten sie auf?
Aufgabe 4.22 (Sicherheit gegen Dauerbruch). Für die in Abb. 4.55 gezeichnete
umlaufende Welle aus Stahl C 60 (σbW = 340 N/mm2 , ηk = 0, 6) mit einer Ril-
lenkerbe (ok = 1, 1) zwischen den Lagern ist die Sicherheit gegen Dauerbruch zu
berechnen, FG = 50 N.
Aufgabe 4.23 (Biegung einer Blattfeder). Eine geschliffene Blattfeder aus einem
Federstahl (σzul = 320 N/mm2 , ηk = 0, 9) mit Rechteckquerschnitt ist am freien
Ende durch die Last F = ±Fa wechselnd auf Biegung beansprucht (Abb. 4.56).
4.5 Aufgaben zu Kapitel 4 139
0, 5r
Einzelheit X
∅10
∅8
a) Die zulässige Last Fa zul ist zu ermitteln.
b) Im Abstand 180 mm vom linken Lager wird zusätzlich eine Querbohrung mit
einem Durchmesser d = 1, 5 mm (αk = 2, 2) angebracht (Abb. 4.56 b). Wie wird
dadurch die Beanspruchung der Feder mit der in a) ermittelten Last beeinflusst?
c) In welchem Abstand vom linken Lager darf die Bohrung höchstens liegen, damit
die wirksame Spannung im gebohrten Querschnitt und die Biegespannung im
rechten Lager gleich groß sind?
180
300 200
Abb. 4.56 Blattfeder a) b)
30 30
5
5
a) Rechteckquerschnitt
b) Querschnitt mit Bohrung ∅1, 5
Aufgabe 4.24 (Gitterträger). Ein Gitterträger (Werkstoff S235JR) auf zwei Stützen
ist aus zwei Profilstählen U 80 nach DIN 1 026 zusammengeschweißt (Abb. 4.57).
Einzelheit A U 80
q
h
y
2 000 A
6 000
10 000
30
Abb. 4.57 Gitterträger auf zwei Stützen mit gleichmäßig verteilter Last q
140 4 Biegebeanspruchung gerader Balken
• gemischte Flächenmoment
Iyz = yz dA ,
Iz = Iζ + y2S A, Iy = Iη + z2S A,
Iy + Iz Iy − Iz
Iη = + cos 2ϕ − Iyz sin 2ϕ,
2 2
Iy + Iz Iy − Iz
Iζ = − cos 2ϕ + Iyz sin 2ϕ,
2 2
Iy − Iz
Iηζ = sin 2ϕ + Iyz cos2ϕ .
2
• Biegespannung
Mby
σb (z) = z
Iy
Kapitel 5
Durchbiegung gerader Balken - Biegelinie
1 dx 1 ε(z)
= = . (5.1)
ρ dx z z
Mit Gl. (4.26) erhält man
1 εRand
= . (5.2)
ρ z2
Mit dem H OOKE’schen Gesetz σ = Eε folgt
1 σbRand
= (5.3)
ρ Ez2
141
E 2 · 105 N/mm2
D + h = 2ρ = h= · 0,2 mm = 200 mm, D = 199,8 mm ≈ 200 mm .
σb 2 · 102 N/mm2
d 2 mm
εRand = = = 0,047 6 = 4, 8% .
D+d 42 mm
Mit der Fließgrenze σF ≈ 200 N/mm2 für geglühten Stahldraht folgt die rechnerische Fließdeh-
nung εF = σF /E ≈ 1/1 000 = 0, 1%. Der Draht wird beim Biegen um die Rolle stark plastisch
verformt.
In Abb. 5.1 ist ein Teilstück der durch das positive Biegemoment gebogenen Balken-
achse dargestellt. Die durch die Krümmung des Balkens hervorgerufene Verschie-
bung aller Punkte der Achse heißt Durchbiegung w. Die Durchbiegung wird nach
unten positiv gezählt. Setzt man die Randbiegespannung aus Gl. (4.29) in Gl. (5.3)
5.2 Durchbiegung - Differentialgleichungen der Biegelinie 143
ρ
bogenen Achse
α Mby x
w(x)
ds
dw
w(x) dx
Mby
ein, findet man den Zusammenhang zwischen Biegemoment und Krümmung der
Balkenachse
1 Mby (x)
= , (5.6)
ρ EIy
wenn wir den Allgemeinen Fall des mit x veränderlichen Biegemoments berück-
sichtigen. Iy ist das auf die y-Achse des Querschnitts als Nulllinie bezogene
Flächenmoment 2. Ordnung.
Um die Durchbiegung w analytisch ermitteln zu können, müssen wir noch ihren
Zusammenhang mit der Krümmung suchen. Der Neigungswinkel der Tangente an
die Biegelinie ist durch die Beziehung gegeben
dw
tan α = = w . (5.7)
dx
In der Mathematik ist die Krümmung einer ebenen Kurve als die Änderung dα des
Neigungswinkels α bezogen auf die Bogenlänge ds definiert. In dem gewählten Ko-
ordinatensystem (Abb. 5.1) entspricht einem positiven Biegemoment eine Abnahme
des Neigungswinkels α mit fortschreitendem x, also negativem dα. Somit ist auch
die Krümmung negativ
1 dα
=− . (5.8)
ρ ds
Die weitere Umformung dieser Beziehung [11; 22] führt auf die Gleichung
1 w
=− . (5.9)
ρ (1 + w 2 )3/2
Die Ermittlung der Durchbiegung w(x) über diese allgemeine Beziehung in Verbin-
dung mit Gl. (5.6) führt auf nichtlineare Differentialgleichungen, die im Allgemei-
nen geschlossen nicht lösbar sind.
Beschränken wir uns auf die in technischen Balken vorkommenden kleinen Durch-
biegungen und kleinen Neigungswinkel, dann ist w 2 1, und es folgt aus Gl. (5.9)
144 5 Durchbiegung gerader Balken - Biegelinie
1
= −w . (5.10)
ρ
Die vorstehend getroffene Vernachlässigung ist für Neigungswinkel bis etwa 100
zulässig. Es ist tan 100 = 0,176 3 und tan2 100 = 0,031 1. Der Fehler beträgt also
weniger 5%.
Mit Gl. (5.9) ergibt sich nunmehr aus Gl. (5.10)
d2 w Mby (x)
= w = − . (5.11)
dx2 EIy
Ist die Biegesteifigkeit nicht konstant, z. B. bei abgesetzten Wellen mit verschie-
denen Durchmessern, muss die Gl. (5.12) abschnittsweise integriert werden, eben-
falls dann, wenn im Allgemeinen mehr als zwei äußere Kräfte am Balken angreifen
(s. Abschnitt 5.3).
Häufig ist die Vorausschätzung des ungefähren Verlaufs der Biegelinie nützlich.
Dafür ist die Gl. (5.6) geeignet. Mit Mb (x) = 0 ist auch die Krümmung Null, bei
Vorzeichenwechsel des Biegemoments hat die Biegelinie einen Wendepunkt. Wenn
also der Biegemomentenverlauf bekannt ist, kann man die ungefähre Form der Bie-
gelinie mit Nullstellen (in unverschieblichen Lagern) und Wendepunkten angeben.
Aus Gl. (5.6) erkennt man weiter, dass mit Mb = const die Krümmung konstant,
die Biegelinie also ein Kreisbogen ist.
Beispiel 5.3 (Durchbiegung und der Tangentenneigung eines Freiträgers).
Tangentenneigung w (x) und Durchbiegung w(x) eines Freiträgers mit der Ein-
zellast F am Ende sind durch Integration der Differentialgleichung der Biegelinie
zu ermitteln. Wie groß sind insbesondere Neigungswinkel und Durchbiegung am
freien Ende des Trägers in Beispiel 4.14, Abb. 4.21?
5.2 Durchbiegung - Differentialgleichungen der Biegelinie 145
Lösung 5.3
In die Gl. (5.12) setzen wir Mby = −Fx ein: EIy w = Fx. Zweimaliges Integrieren ergibt
1 2 1 3
EIy w = Fx + C1 , EIy w = Fx + C1 x + C2 .
2 6
Im Einspannquerschnitt sind Neigungswinkel und Durchbiegung Null, demnach lauten die Rand-
bedingungen w (l) = 0 und w(l) = 0. Aus der ersten Randedingung folgt 0 = Fl2 /2 + C1 ,
also
C1 = −Fl2 /2 .
Die zweite Bedingung ergibt 0 = Fl3 /6 + C1 l + C2 , also
Für eine zahlenmäßige Auswertung bringt man diese Gleichungen zweckmäßig auf folgende Form:
Fl2 x 2 Fl3 1 x 3 3 x
w = −1 , w= − +1 .
2EIy l 3EIy 2 l 2l
Fl2 Fl3
w (0) = tan α = − , w(0) = f = .
2EIy 3EIy
Anmerkung 5.1. Bestimmte Beträge der Durchbiegung, z. B. an der Stelle der Last, bezeichnet
man mit dem Buchstaben f.
Mit E = 2,1 · 105 N/mm2 für Stahl und den Zahlenwerten F = 4 kN, l = 1 000 mm sowie
Iy = 283 cm4 folgen
Diese Werte sind außerordentlich klein, die Vernachlässigung von w 2 1 in Gl. (5.9) ist also
zulässig.
ql qx2
Mby (x) = x− .
2 2
Aus Gl. (5.12) ergibt sich nunmehr
ql qx2
EIy w = − x+ .
2 2
Durch zweimaliges Integrieren erhält man
ql 2 qx3 ql 3 qx4
EIy w = − x + + C1 , EIy w = − x + + C1 x + C2 .
4 6 12 24
Mit den Randbedingungen w(0) = w(l) = 0 folgt C1 = ql3 /12 − ql3 /24 = ql3 /24 und
C2 = 0. Somit ist
3 3
q l lx2 x3 q l x lx3 x4
w = − + , w= − + .
EIy 24 4 6 EIy 24 12 24
ql3
w (0) = −w (l) = tan α = .
24EIy
5ql4
w(l/2) = fm = .
384EIy
Ist das Biegemoment Mby keine über die ganze Balkenlänge glatte Funktion,
was meistens der Fall ist, erhalten wir also verschiedene Gleichungen für den Biege-
momentenverlauf, muss die Integration in getrennten Bereichen durchgeführt wer-
den. In jedem Bereich erhält man somit zwei Konstanten. Für den Träger auf zwei
Stützen mit der Einzellast F (Abb. 5.3) wählt man zweckmäßigerweise zwei Abszis-
sen x1 und x2 , die jeweils von den Stützen bis zur Last F gelten. Die Biegemomente
sind dann in den beiden Bereichen
a b
x1 x2
αA F αB
w1 w2
FA FB
Abb. 5.3 Zweifach gestützter
Träger mit Einzellast F
5.2 Durchbiegung - Differentialgleichungen der Biegelinie 147
1.w1 (0) = 0, 2.w2 (0) = 0, 3.w1 (a) = w2 (b), 4.w1 (a) = −w2 (b) .
Das Minuszeichen in der Bedingung 4. muss gesetzt werden, weil der Anstieg der
Biegelinie an der Übergangsstelle im x1 -System positiv, im x2 -System negativ ist.
Das Ergebnis ist in Tabelle 5.1 eingetragen, ebenfalls die Ergebnisse aus den Bei-
spielen 5.3 und 5.4. Diese Tabelle enthält für eine Reihe wichtiger Grundbelas-
tungsfälle die notwendigen Angaben über die Neigungswinkel und die Durchbie-
gung. Es wird empfohlen, sich die Gleichungen für w und w zur Übung selbst
herzuleiten (s. Aufgabe 5.1). Weitere Belastungsfälle sind in der Literatur zu finden.
Für die praktische Berechnung interessieren in vielen Fällen spezielle Werte der
Tangentenneignung an die Biegelinie und der Durchbiegung an bestimmten Stellen
eines Balkens. Bei komplizierten Belastungen, z. B. durch mehrere Kräfte oder Mo-
mente, benutzt man das Überlagerungs- oder Superpositionsgesetz der Mechanik.
Definition 5.1. Die Gesamtformänderung eines Systems ergibt sich als Summe der
Einzelformänderungen von Teilbelastungen des Systems.
Die Werte der Einzelformänderungen (Durchbiegungen und Tangentenneigungen)
entnimmt man Tabelle 5.1 oder entsprechenden Büchern. In Abb. 5.4 wird das Su-
perpositionsgesetz am Beispiel eines Trägers mit zwei Einzellasten gezeigt.
Die Durchbiegung unter der Last F1 ist f1 = f11 + f12 . Der erste Index gibt den
Ort der Durchbiegung an, also an der Stelle der Last (Wirkung), der zweite die Kraft
(oder auch das Moment), welche die Durchbiegung hervorruft, also hier entweder
F1 oder F2 (Ursache). Demnach ist f12 die Durchbiegung an der Stelle 1, verursacht
durch die Last F2 allein. Die Durchbiegung in der Mitte ist dann fm = fm1 + fm2 ,
und die Tangentenneigung in A ist tan αA = tan αA1 + tan αA2 1 .
F1 F2
αA αB
f1 fm f2
FA FB
a1 b1
αA1 F1 αB1
1 Es müsste richtig heißen: αA = αA1 + αA2 . Da jedoch nach der getroffenen Voraussetzung
kleiner Durchbiegungen auch die Neigungswinkel klein sind, kann man anstatt der Winkel auch
ihre Tangens addieren. Für die praktische Berechnung ist diese Schreibweise einfacher, sie ist im
folgenden (auch in Kapitel 6) konsequent beibehalten worden.
5 Durchbiegung gerader Balken - Biegelinie
Tabelle 5.1 Durchbiegungen und Neigungswinkel der Tangente an die Biegelinie gerader Träger
Nr. Belastungsfall Gleichung der Biegelinie Durchbiegung Neigung tan α
F l
Fl3 3 x 1 x 3 Fl3 Fl2
f
w w= 1− + f= tan α =
3EI 2 l 2 l 3EI 2EI
x α
1
l
Mb Mb l 2 x 2 Mb l 2 Mb l
w w= 1− f= tan α =
2EI l 2EI EI
f x α
2
l/2 F
α w f Fl3 x 4 x 2 l Fl3 Fl2
w= 1− ,x f= tan α =
x 16EI l 3 l 2 48EI 16EI
l
3
l
a
Fl3 a 2 b 2
b
Fl3 a b 2 x1 l x2 1 l
4 w1 F w2 α2 w1 = 1+ − 1 , f= tan α1 = f 1+
α1 6EI l l l b ab 3EI l l 2a b
f
x2 x1 a
fmax
x1
x1max Fl3 b a 2 x2 l x2 l+b l+b 1 l
w2 = 1+ − 2 , fmax = f tan α2 = f 1+
6EI l l l a ab 3b 3a 2b a
x2 b
(l + b)
x1max = a ,a>b
3a
wenn a < b, dann a ⇔ b
2 3 2 Fl2 a
l a Fl3 a x1 x 1 Fl a a tan αA =
5 F w1 = 1− f= 1+ 6EI l
w1
6EI l l l 3EI l l
fmax
tan αB = 2 tan αA
w2
αB B
x1 l Fl2 a a
αA
x1 α Fl3 x2
2a 3a x2 x2 2 fmax = √
Fl3 a tan α = 2+3
A x2 w2 = + − 6EI l l
f
6EI l l l l l 9 3EI l
√ x2 a
x1max = l/ 3
148
Tabelle 5.1 Fortsetzung
Nr. Belastungsfall Gleichung der Biegelinie Durchbiegung Neigung tan α
a l
Fl3 1 x1 3 a a x1
F l/2 a F w1 = − 1+ Fl3 a 2 2a Fl2 a a
3 l l l l f= 1+ tan α1 = 1+
w2
α2 2EI
.
a 2 2a 2EI l 3 l 2EI l l
α1 + 1+ , x1 a
f f l 3 l Fl2 a
fm
x2 Fl3 a
Fl3 a x2 x2 fm = tan α2 =
x1 w2 = 1− , x2 l 8EI l 2EI l
6 2EI l l l
l Fl3 x a a 1 x 2
l/2 w= 1− − , Fl3 a 2 4a Fl2 a a
a F a 2EI l l l 3 l f= 1− tan α1 = 1−
w x a < l/2 2EI l 3 l 2EI l l
F f f
Fl3 a x x 1 a 2
x w w= 1− − , Fl3 a 4 a 2 Fl2 a a
α1 2EI l l l 3 l fm = 1− tan α2 = 1−2
x α2 8EI l 3 l 2EI l l
7 a x l/2
fm
l
q ql4 4 x 1 x 4 ql4 ql3
w= 1− + f= tan α =
w 8EI 3 l 3 l 8EI 6EI
f α
x
8
5.2 Durchbiegung - Differentialgleichungen der Biegelinie
l
α q ql4 x x 2 x 3 5ql4 ql3
9 w
w= 1−2 + fm = tan α =
fm 24EI l l l 384EI 24EI
x l/2
l
l/2 α2 Mb l 2 Mb l
fm = tan α1 =
2 16EI 3EI
Mb Mb l x x x
10 α1 w= 1− 2−
w
fm
6EI l l l Mb l2 1
x fmax fmax = √ tan α2 = tan α1
9 3EI 2
√ √
xmax = l( 3 − 1)/ 3
149
150 5 Durchbiegung gerader Balken - Biegelinie
Die Durchbiegung infolge Eigengewichtes in der Mitte des Trägers findet man (Tabelle 5.1, Fall 9)
aus
5ql4 5 · 3 490 N/m · 15 m · (1,5 · 104 mm)3
fmq = = = 1,52 mm .
384EIy 384 · 2,1 · 105 N/mm2 · 7,223 · 109 mm4
Durch Überlagerung erhält man die Gesamtdurchbiegung in der Mitte
Bei einer Stützweite l = 15 m beträgt die Durchbiegung etwa 1, 2/1000 der Länge, das sind
0, 12%. Die zulässige Durchbiegung von Trägern ist im Allgemeinen l/300 bis l/500. Der Anteil
des Eigengewichts an der Gesamtdurchbiegung ist in unserem Beispiel ungefähr 8, 6% (der Anteil
des Eigengewichts an der Biegespannung war ungefähr 6%).
Durch Integration der Differentialgleichung erhält man das gleiche Ergebnis; der Leser möge sich
selbst davon überzeugen.
Zur Abschätzung dieses Ergebnisses wollen wir die gleichmäßig verteilte Last als Einzellast
F = ql im Abstand l/2 vom freien Ende wirken lassen (Abb. 5.5 c) und auch damit die Durch-
biegung bestimmen. Die Aufteilung ergibt f = fF + tanαF l/2. Mit den Angaben in Tabelle 5.1
ist
F(3l/2)3 F(3l/2)2 l 40, 5 ql4
f= + · = · .
3EI 2EI 2 24 EI
Der Fehler dieser Abschätzung beträgt nur 1, 22%. Den Neigungswinkel erhält man auf die gleiche
Weise durch Überlagerung (Abb. 5.5 b)
F(3l/2)2 27 ql3
tan α = tan αF = = · .
2EI 24 EI
a) l l
q
f
l
b)
q
ql2
fq Mb =
2
F = ql
l l
fMb
αMb Mb
(tanαMb )l
l l
F
fF
Abb. 5.5 Freiträger (tan αF )l αF
a) mit über die halbe Länge 1 3
gleichmäßig verteilter Last q c) l l
2 2
b) Teilsysteme zur Überlage-
rung der Durchbiegungen und F = ql
Neigungswinkel fF
c) Freiträger nach a) mit (tanαF ) 2l
Ersatzlast F = ql αF
152 5 Durchbiegung gerader Balken - Biegelinie
Der Fehler ist hierbei etwas größer, er beträgt 3, 57%. Mit den Werten aus Aufgabe 4.12 a)
l = 90 cm, q = 600 N/m, I = 18 cm · (4,5 cm)3 /12 = 136,7 cm4 sowie dem E-Modul für
Holz E = 1 · 104 N/mm2 ) erhalten wir
und
28 · 600 N/m · 0,9 m · (0,9 · 103 mm)2
tan α = = 0.0373, α = 2, 14◦ .
24 · 104 N/mm2 · 136,7 · 104 mm4
Durch den geringen Fehler bei der einfacheren und schnellen Durchführung der
Abschätzung in dem vorstehenden Beispiel darf man sich nicht verleiten lassen,
immer so zu verfahren. Das folgende Beispiel soll das zeigen.
Beispiel 5.7 (Durchbiegung in der Mitte eines Trägers).
Die Durchbiegung in der Mitte eines Trägers auf zwei Stützen mit gleichmäßig
verteilter Last q ist (Tabelle 5.1, Fall 9)
5 ql4
fm = · .
384 EI
Man ersetze die Streckenlast a) durch eine Einzellast F = ql in der Mitte (Tabelle
5.1, Fall 3), b) durch zwei Einzellasten F = ql/2 im Abstand l/4 von den Stützen
(Tabelle 5.1, Fall 7), berechne die Durchbiegung in Trägermitte und vergleiche die
Ergebnisse.
Lösung 5.7
a) Der Tafel entnimmt man
a) 400
100 34 kN 100
∅60
C D 17 kN
A B
b) a1 b1
F1 = 2F F2 = F
a2 b2
5 1
FA = F FB = F
4 4
a1 F1 b1
f12 f22
α12 α22
a2 F2 b2
Abb. 5.6 Welle mit zwei l
entgegengesetzt gerichteten
w(x)
Einzellasten 1
c) MD = − Fl
a) Ansicht, 16
b) freigemachte Welle, Teil- f1 α2 x
systeme zur Überlagerung der α1
W f2
Durchbiegungen und Tangen-
tenneigungen w(x)
c) Biegemomentenverlauf und 5
MC = Fl
Biegelinie M(x) 16
a1 /l = 1/4, b1 /l = 3/4 usw. werden aus der Zeichnung abgelesen. Unter der Last F1 = 2F ist
f1 = f11 + f12 mit den Einzelanteilen
F1 l3 a1 2 b1 2 18 Fl3
f11 = = · ,
3EI l l 3 · 162 EI
F2 l3 a2 b2 2 a1 l a21 7 Fl3
f12 = w1 (x1 = a1 ) = − · 1+ − =− · .
6EI l l l b2 a2 b2 3 · 16 EI
2
Somit wird
11 Fl3
f1 = f11 + f12 = · .
3 · 16 EI
2
Die Durchbiegung unter F2 ist f2 = f21 + f22 . In gleicher Weise wie oben erhält man mit F2 = F
0, 5 Fl2
tan α2 = tan α21 + tan α22 = − · .
16 EI
Die Beträge der Neigungswinkel in C und D sind demnach gleich groß. Zum Vergleich sind auch
die Neigungswinkel in den Lagern ausgerechnet, sie betragen (Tabelle 5.1, Fall 4)
d4 π
I = Ia = π = · (60 mm)4 = 63,6 · 104 mm4
64 64
11
f1 = · 8,14 mm = 0,117 mm,
3 · 162
in D
5
f2 = · 8,14 mm = 0,053 mm .
3 · 162
und die Neigungswinkel an den gleichen Stellen
0, 5
tan α1 = tan α2 = · 0, 0203 = 0, 000669, α1 = 0, 036◦ .
16
Diese Werte sind außerordentlich klein und entsprechen den bei Getriebewellen üblichen. In
Abb. 5.6 c) sind Biegemomentenverlauf und Biegelinie gezeichnet. Bei positivem Biegemoment
ist die Biegelinie nach unten konvex, bei negativem nach unten konkav gekrümmt. Im Schnittpunkt
der Momentenfunktion mit der Abszissenachse Mb (x) = 0 hat die Biegelinie ihren Wendepunkt
W. Das größte Biegemoment ist
5
Mb max = Fl = 2 125 Nm,
16
5.2 Durchbiegung - Differentialgleichungen der Biegelinie 155
Somit erhält man die maximale Biegespannung σb max = Mb max /Wb = 100 N/mm2 .
Die Analyse der Biegelinie mit Hilfe der Gl. (5.11) setzt grundsätzlich voraus, dass
der Momentenverlauf Mby (x) bekannt ist. Die Lösung der Differentialgleichung
enthält zwei Integrationskonstanten, die ausschließlich mit kinematischen Randbe-
dingungen befriedigt werden können. In der Praxis treten jedoch Fälle auf, die diese
Vorgehensweise nicht zulassen. Daher soll hier ein alternatives Konzept vorgestellt
werden.
Unter Berücksichtigung der aus [17] (Abschnitt 9.2) bekannte Beziehungen zwi-
schen den Schnittgrößen Biegemoment und Querkraft sowie Querkraft und äußerer
Linienlast gilt
dMby dFqz
= Fqz , = −qz (x) . (5.13)
dx dx
Da sowohl Gl. (5.11) als auch die Beziehungen (5.13) linear sind, kann unter der
Voraussetzung der Differenzierbarkeit zunächst
d d2 w dMby
EIy 2 = − = −Fqz
dx dx dx
sowie danach
d2 d2 w d2 Mby dFqz
EIy 2 = − =− = qz (5.14)
dx2 dx dx 2 dx
ausgerechnet werden. Dies ist eine andere Form der Differentialgleichung zur Er-
mittlung der Biegelinie. Ist noch EIy = const., vereinfacht sich Gl. (5.14) wie folgt
Mit dieser Differentialgleichung der Biegelinie 4. Ordnung kann man jetzt die
Durchbiegungen ermitteln, ohne zunächst den Momentenverlauf mit den Methoden
der Statik zu bestimmen. Daneben kann man jetzt auch dynamische Randbedingun-
gen für die Querkraft und das Biegemoment befriedigen.
Integriert man zunächst Gl. (5.15) einmal, folgt
EIy w = qz dx + C1 . (5.16)
x2
EIy w = qz dx dx dx + C1 + C2 x + C3 (5.18)
2
und
x3 x2
EIy w = qz dx dx dx dx + C1 + C2 + C3 x + C4 . (5.19)
6 2
Die Größen C2 , C3 und C4 sind gleichfalls Integrationskonstanten. Die Ermittlung
der Integrationskonstanten C1 , . . . , C4 wird exemplarisch in den nachfolgenden Bei-
spielen gezeigt.
Beispiel 5.9 (Biegelinie eines Trägers).
Das Beispiel 5.4 ist mit Hilfe der Differentialgleichung 4. Ordnung für die Biege-
linie zu lösen.
Lösung 5.9
Für den auf Abb. 5.2 dargestellten Träger gilt qz = q0 = const. Damit ist entsprechend Gl. (5.15)
die nachfolgende Differentialgleichung zu lösen
EIy w = q0 .
EIy w = q0 x + C1 ,
x2
EIy w = q0 + C1 x + C2 ,
2
x3 x2
EIy w = q0 + C1 + C2 x + C3 ,
6 2
x4 x3 x2
EIy w = q0 + C1 + C2 + C3 x + C4 .
24 6 2
Die Integrationskonstanten C1 , . . ., C4 sind aus den Randbedingungen
0 0 0
0 = q0 + C1 + C2 + C3 · 0 + C4 ,
24 6 2
l4 l3 l2
0 = q0 + C1 + C2 + C3 l + C4 ,
24 6 2
0
0 = q0 + C1 · 0 + C2 .
2
l2
0 = q0 + C1 l + C2 .
2
Die Integrationskonstanten lauten damit
l l3
C1 = −q0 , C2 = 0, C3 = q0 , C4 = 0 .
2 24
5.2 Durchbiegung - Differentialgleichungen der Biegelinie 157
Diese Lösung stimmt vollständig mit der Lösung des Beispiels 5.4 überein. Für eine numerische
Auswertung bietet sich die folgende Darstellung an
w̃ = x̃4 − 2x̃3 + x̃
mit der dimensionslosen Durchbiegung w̃ = 24EIy /q0 l4 in Abhängigkeit von der dimensions-
losen Koordinaten x̃ = x/l.
EIy w = C1 ,
EIy w = C1 x + C2 ,
x2
EIy w = C1 + C2 x + C3 ,
2
x3 x2
EIy w = C1 + C2 + C3 x + C4 .
6 2
Legt man das Koordinatensystem von links nach rechts, sind drei Randbedingungen einfach zu
formulieren (homogene Randbedingungen)
Die 4. Randbedingung ist eine inhomogene Randbedingung, da am linken Rank x = 0 die Quer-
kraft vorgegeben ist
Fqz (0) = −EIy w (0) = −F .
Die Auswertung der Randbedingungen führt auf das Gleichungssystem
C1 · 0 + C2 = 0,
l3 l2
C1 + C2 + C3 l + C4 = 0,
6 2
l2
C1 + C2 l + C3 = 0,
2
C1 = F
wobei eine ähnliche Darstellungsform wie in Tabelle 5.1 gewählt wurde, und die Tangentenneigung
zu
Fl2 x2
w = −1 + 2 .
2EIy l
Die Maxima werden entsprechend den Regeln zur Ermittlung von Extremwerten von Funktionen
einer Variablen bestimmt [11]. Das Extremum der Durchbiegung wird wie folgt ermittelt. Die
Lage kann zunächst aus der gleich Null gesetzten ersten Ableitung bestimmt werden, die Art des
Extremums erhält man nach Einsetzen der Koordinaten des Extremums in die zweite Ableitung.
Die erste Ableitung der Durchbiegung lautet
x2
− 1 = 0,
l2
und man erhält als Lösung
x1,2 = ±l .
Die Lösung x2 = −l muss nicht weiter verfolgt werden, da sie einen Punkt beschreibt, der außer-
halb des Balkens liegt. Mit der zweiten Ableitung an der Stelle x1 = l
Fl
w (x = x1 ) = w (l) = >0
EIy
kann man schlussfolgern, dass die erste Lösung einem Minimum entspricht. Dies ist nicht verwun-
derlich, da an der Stelle der Einspannung die maximale Durchbiegung nicht auftreten darf. Bei der
Frage nach dem Maximum muss jetzt noch einbezogen, dass dieses auf einem abgeschlossenen
Interval (der Balken geht von x = 0 bis x = l) zu ermitteln ist. Damit muss untersucht werden,
ob das Maximum möglicherweise an den Intervallgrenzen liegt. Die Grenze x = l war bereits
abgeprüft worden, für x = 0 erhält man dann tatsächlich das Maximum der Durchbiegung
Fl3
wmax = .
3EIy
Dieser Wert wird durch die Angaben in Zeile 1 der Tabelle 5.1 bestätigt. Das Maximum der Tan-
gentenneigung kann analog ermittelt werden. Es gilt zunächst für die erste Ableitung der Tangen-
tenneigung
Fl x
w = = 0.
EIy l
Die Lösung ist somit x = 0. Die zweite Ableitung der Tangentenneigung ist unabhängig von x
und positiv. Damit ist an der Stelle x = 0 das Minimum der Tangentenneigung. Die Ergebnisse
dieser Aufgabe sind nochmals auf Abb. 5.7 zusammengefasst.
0
0
w
Fl2
−
w
0 2EI
Fl3
3EI
0 l
– 0xl
EIy w1 = 0,
EIy w1 = C1 ,
EIy w1 = C1 x + C2 ,
x2
EIy w1 = C1 + C2 x + C3 ,
2
x3 x2
EIy w1 = C1 + C2 + C3 x + C4 .
6 2
– l x 2l
EIy w2 = q0 ,
EIy w2 = q0 x + C5 ,
x2
EIy w2 = q0 + C5 x + C6 ,
2
x 3 x2
EIy w2 = q0 + C5 + C6 x + C7 ,
6 2
x 4 x 3 x2
EIy w2 = q0 + C5 + C6 + C7 x + C8 .
24 6 2
Die 8 Integrationskonstanten C1 , . . ., C8 lassen sich aus den Rand- und Übergangsbedingungen
bestimmen. Die Randbedingungen lauten:
– an der Einspannstelle x = 0 sind Durchbiegung und Neigung gleich Null
q = q0
l x
l
Abb. 5.8 Kragträger
160 5 Durchbiegung gerader Balken - Biegelinie
x = 2l : Mby (2l) = 0 bzw. w1 (2l) = 0, Fqz (2l) = 0 bzw. w2 (2l) = 0 .
EIy w1 (0) = 0 = C1 · 0 + C2 · 0 + C3 · 0 + C4 ⇒ C4 = 0,
EIy w1 (0) = 0 = C1 · 0 + C2 · 0 + C3 ⇒ C3 = 0,
EIy w2 (2l) = 0 = 2q0 l + C5 ⇒ C5 = −2q0 l,
(2l)2
EIy w2 (2l) = 0 = q0 + (−2q0 l)2l + C6 ⇒ C6 = 2q0 l2 .
2
Diese vier Randbedingungen genügen jedoch nicht zur Bestimmung der acht Integrationskonstan-
ten aus, so dass noch 4 Bedingungen für die Übergangsstelle x = l zwischen den Feldern formu-
liert werden müssen. Da an dieser Stelle keine Einzelkräfte bzw. Einzelmomente gegeben sind, sind
die Übergangsbedingungen einfach zu definieren: die Durchbiegungen, die Tangentenneigung, das
Biegemoment und die Querkraft müssen für das linke und das rechte Feld im Punkt x = l zusam-
menfallen. Die mathematische Formulierung lautet
Die Korrektheit der Lösung lässt sich aus einfachen Testrechnungen überprüfen. Z. B. kann man
ohne Schwierigkeiten aus der Statik die Lagerreaktionen in der Einspannung mit 3q0 l2 /2 für das
Moment bzw. mit q0 l2 für die Querkraft ermitteln. Diese Werte erhält man auch, wenn man in die
zweite bzw. dritte Ableitung der Bieglinie für das linke Feld x = 0 setzt. Am rechten Rand wirken
weder Einzelmoment noch Einzelkraft. Bildet man die zweite und die dritte Ableitung von w(x)
für das rechte Feld, wird diese Aussage für x = 2l bestätigt. Die maximale Durchbiegung ergibt
sich für x = 2l aus der Biegelinie. Der Wert für die maximale Durchbiegung ist folglich
41q0 l4
wmax = w(2l) = .
24EIy
5.3 Formänderungsarbeit bei der Biegung - Biegefedern 161
σ2b
dW = ΔW dV = dV .
2E
Die Gesamtarbeit erhält man durch Integration über das Volumen eines Balkens
2
σb
W = dW = dV .
2E
Setzen wir wieder gerade Biegung voraus und wählen die Spur der Lastebene als
z-Achse, dann ist bei veränderlichem Querschnitt nach Gl. (4.39)
Mb (x)
σb = z,
Iy (x)
und es folgt
l
1 M2b (x) 2
W= z dy dz dx .
2 EI2y (x)
0
Es kann zuerst über y und z integriert werden. Die Faktoren, die nur von x abhängen,
können dabei als Konstante angesehen und vor das innere Integralzeichen gezogen
werden. Mit dem Flächenelement dy dz = dA erhält man
l
1 M2b (x)
W= z2 dA dx .
2 EI2y (x)
0
Nach der zweiten Gl. (4.6) ist das Integral in der Klammer gleich dem axialen
Flächenmoment Iy (x) des Querschnitts. Somit erhalten wir
l
1 M2b (x)
W= dx . (5.20)
2 EIy (x)
0
Bei einem Balken mit konstantem Querschnitt und gleichem Material ist die Biege-
steifigkeit EIy konstant. Dann ergibt sich die Formänderungsarbeit
162 5 Durchbiegung gerader Balken - Biegelinie
l
1
W= M2b (x)dx . (5.21)
2EIy
0
Sie ist unter diesen Voraussetzungen demnach nur vom Biegemomentenverlauf und
somit von der Belastung und der Lagerung des Balkens abhängig.
Nach dem Energiesatz ist die im Balken gespeicherte Formänderungsarbeit
gleich der Arbeit der äußeren Kräfte. Somit kann man mit W = 0, 5Ff die durch
eine Last F hervorgerufene Durchbiegung f in Richtung dieser Last berechnen.
Beispiel 5.12 (Formänderungsarbeit, Durchbiegung).
Die Formänderungsarbeit und die Durchbiegung am freien Ende des Freiträgers (Ta-
belle 5.1, Fall 1) sind zu berechnen.
Lösung 5.12
Mit dem Biegemoment Mb (x) = −Fx ergibt Gl. (5.21)
l
1 F2 l3
W= F2 x2 dx = .
2EI 2EI 3
0
2W Fl3
f= = .
F 3EI
Beispiel 5.13 (Eingespannter Träger).
Der einseitig eingespannte Träger (Abb. 5.9) besteht aus einem Teil 1 mit Kreis-
querschnitt und einem Teil 2 mit quadratischem Querschnitt. Über die Formände-
rungsarbeit berechne man die größte Durchbiegung. Gegeben sind F = 1 200 N,
l = 1 000 mm, a = 400 mm, d = 40 mm, b = 50 mm, E = 2,1 · 105 N/mm2 .
Lösung 5.13
Da das Flächenmoment I nicht konstant ist, muss man die Formänderungsarbeit für die beiden
Teilbereiche 1 und 2 getrennt berechnen. Gleichung (5.20) ergibt
⎛a ⎞
l
1 ⎝ M2b (x) M2b (x) ⎠
W= dx + dx .
2 EI(1) EI(2)
0 a
F 2
x 1
d
b
a l
F2 F2 F2 F2
W= x dx +
2
x2 dx = a3 + (l3 − a3 ) .
2EI(1) 2EI(2) 6EI(1) 6EI(2)
0 a
Mit I(1) = πd4 /64 = 12,57 · 104 mm4 und I(2) = b4 /12 = 52,1 · 104 mm4 ergibt sich
1 200 N (400 mm)3 (1 000 mm)3 − (400 mm)3
f= + = 4,39 mm .
3 · 2,1 · 105 N/mm2 12,57 · 10 mm
4 4 52,1 · 104 mm4
2W Fa2 (l + a) Fl3 a 2 a
f= = = 1+ .
F 3EI 3EI l l
Biegestäbe finden häufig als Federn Verwendung, z. B. Blattfedern. Dabei ist
ihre Federkonstante c = F/f, wenn F die biegende Kraft und f die Durchbiegung
an der Lastangriffsstelle in Richtung dieser Kraft bedeutet. Bei einer eingespannten
Blattfeder mit einer Einzellast F am Ende (Freiträger) ist dann die Federkonstante
3EI
c= .
l3
164 5 Durchbiegung gerader Balken - Biegelinie
Sie ist wie beim Zugstab, s. Gl. (2.14), dem Elastizitätsmodul sowie hier dem
Verhältnis Flächenmoment I zur dritten Potenz der Länge proportional. Die Fe-
derkonstante einer Biegefeder hängt außerdem noch von der Lagerung ab; dieser
Einfluss ist beim Freiträger durch die Zahl 3 angegeben. Allgemein kann man bei
Biegung die Federkonstante durch die Beziehung angeben
EI F
c=k = . (5.22)
l3 f
Die Konstante k ist eine von der Stützung der Biegefeder abhängige Zahl, beim
Freiträger also k = 3. Bei Belastung nach Tabelle 5.1 (Fall 3) ist z. B. k = 48, nach
Tabelle 5.1 (Fall 4) ist
2 2
l l
k=3 .
a b
Die Formänderungsarbeit in Federn kann allgemein aus W = ηF ΔW V berech-
net werden (s. Abschnitt 2.2.2). Setzt man ΔW = σ2b max /2E, dann ist dies die spe-
zifische Formänderungsarbeit unter dem Einfluss der größten Biegespannung. Mit
σb max = Mb max /Wb min erhält man
M2b max
ΔW = .
2EWb2min
Durch Vergleich mit der Gl. (5.20) findet man die Raumzahl der Biegefeder
l
M2b (x)
Wb2min dx
Iy (x)
W 0
ηF = = . (5.23)
ΔW V M2b max V
Bei konstantem Querschnitt mit Iy = Wb min zmax (s. Abschnitt 4.2.1) und dem Fe-
dervolumen V = lA erhält man
l
M2b (x)dx
0 Wb min
ηF = · . (5.24)
M2b max zmax Al
a) Mit
l
l3
M2 (x)dx = F2
3
0
(s. Beipiel 5.12), |Mb max | = Fl, Wb min = bh2 /6, A = bh und zmax = h/2 erhält man aus
Gl. (5.24) die Raumzahl
F2 l3 bh2 2 1
ηF = 2 2 = .
3F l 6hlbh 9
b) Da das Flächenmoment Iy wegen der veränderlichen Breite b(x) = b0 x/l des Trägers von
x abhängt, wird Gl. (5.23) herangezogen
l
M2b (x)
Wb2min dx
Iy (x)
0
ηF = .
M2b max V
Mit b(x) = b0 x/l und Iy = b(x)h3 /12 = (b0 h3 /12)(x/l) = I0 x/l ergibt das Integral
im Zähler der vorstehenden Gleichung
l l
M2b (x) F2 l F2 l3
dx = xdx = .
Iy (x) I0 2I0
0 0
Somit erhält man mit dem Volumen V = (b0 h/2)l der Dreieckfeder
b20 h4 6F2 l3 2 1
ηF = = .
36F2 l2 b0 h3 b0 hl 3
Die Ausnutzung des Volumens einer Dreieckfeder ist also dreimal so groß wie die der Feder
mit gleich bleibendem Querschnitt.
c) Die Durchbiegung eines Freiträgers mit gleich bleibendem Querschnitt ist nach Tabelle 5.1
f = Fl3 /3EI0 . Aus dem Energiesatz
l
1 1 M2b (x) F2 l3
W= Ff = dx =
2 2E Iy 4EI0
0
folgt die Durchbiegung der Dreieckfeder f = Fl3 /2EI0 . Die Durchbiegung der Blattfeder ist
bei gleichbleibendem Querschnitt nur zwei Drittel der Durchbiegung der Dreieckfeder.
Die Bemessung eines durch Kräfte und Momente beanspruchten Balkens erfolgt im
Allgemeinen auf Grund der zulässigen Spannung und der zulässigen Verformung.
Lässt man die Verformung ganz außer acht, kann das jedoch häufig zu einer falschen
Bemessung führen. Andererseits kann eine Berechnung nur auf Grund einer vorge-
166 5 Durchbiegung gerader Balken - Biegelinie
d
F F
A 300 300 B
800
Mb max Fa 4 N · 300 mm
Wb = = = 10 mm3 .
σzul σzul 120 N/mm2
Dieser Betrag ist für eine Schaltstange natürlich zu groß. Lässt man als Maximaldurchbiegung
l/1 000 = 0,8 mm zu, ergibt sich aus der vorstehenden Gleichung
Fa 4 N · 300 mm
σb = = = 12,2 N/mm2
Wb 98,2 mm3
und damit unbedeutend. Ganz anders liegen die Verhältnisse, wenn die Stange in der Mitte z. B.
noch einmal gelagert wird, s. Abschnitt 6.5, insbesondere Beispiel 6.5.
Wählt man das Verhältnis b/h = 4 für den Rechteckquerschnitt, dann ist mit
bh3 h4
I= =
12 3
die erforderliche Querschnitthöhe
√4
h = 3I = 1,6 · 104 mm4 = 11,25 mm
4
Mb max
σb = = 1 054 N/mm2
Wb
als größte Biegespannung.
Für Blattfederstahl der gewählten Güte ist bei wechselnder Beanspruchung die zulässige Span-
nung etwa 400 N/mm2 . Somit ist die Feder erheblich zu hoch beansprucht. Wählt man dagegen
eine geschichtete Blattfeder (Dreieckfeder, s. Abb. 4.26 und 4.27), dann ist die Durchbiegung nach
Beispiel 5.15
(F/2)(l/2)3 Fl3
f= = .
2EI 32EI
Somit ist I = 8 000 mm ; wählt man weiter, z. B. b/h = 54, erhält man aus I = bh3 /36 = 1, 5h4
4
4
4 8 000 mm
h= = 8,5 mm .
1, 5
168 5 Durchbiegung gerader Balken - Biegelinie
Die Breite in Federmitte ist dann b = 54h = 461,5 mm. Das Wiederstandsmoment ist nunmehr
und die Biegespannung beträgt jetzt nur etwa 308 N/mm2 . Eine aus sieben Schichten bestehende
Blattfeder mit dem Blattquerschnitt 50 mm × 6,5 mm erfüllt also die eingangs gestellte Bedingung,
ohne dass dabei die zulässige Spannung wesentlich überschritten wird.
In Abschnitt 4.3 ist gezeigt worden, dass sich die schiefe Biegung unmittelbar auf
die Überlagerung zweier gerader Biegungen um die beiden Hauptachsen des Quer-
schnitts eines Balkens zurückführen lässt. Auch die Durchbiegungen können in
Richtung der Hauptachsen mit den beiden Biegemomenten Mby und Mbx für sich
allein berechnet werden, die resultierende Durchbiegung ergibt sich dann durch Vek-
toraddition der beiden Teildurchbiegungen (Abb. 5.12).
Entsprechend Gl. (5.22) ist bei einem beliebigen Lastfall die Durchbiegung an
der Lastangriffsstelle f = Fl3 /(kEI). In Abb. 5.12 ist der beliebige Querschnitt eines
Balkens mit dem Biegemomentvektor Mb dargestellt. Die Durchbiegung in Rich-
tung der Hauptachsen v ≡ y und w ≡ z ist, da das Biegemoment Mbz der Kraft-
komponente Fy = F sin α proportional ist und entsprechend Mby ∼ Fx = F cos α gilt,
Bildet man das Verhältnis der Beträge fz /fy , dann folgt mit Gl. (4.53)
Lastebene
v≡y
Mby ie
llin
α Nul
β
S
Mb
ψ = 900 − β
Mbz fz
β fy
fz I2 cos α 1 I2
= = = tan β .
fy I1 sin α tan α I1
Die Durchbiegung bei schiefer Biegung erfolgt senkrecht zur Nulllinie, nicht
in der Lastebene. Die neutrale Schicht ist somit Biegeebene.
Es soll nun gezeigt werden, dass, ähnlich wie die Biegespannung, Gl. (4.56), aus
Biegemoment um die Nulllinie und Flächenmoment bezüglich der Nulllinie, auch
die Durchbiegung aus Kraftkomponente senkrecht zur Nulllinie und IN berech-
net werden kann. Dem Abb. 5.12 entnimmt man die resultierende Durchbiegung
f = fz / sin β. In Verbindung mit der zweiten Gl. (5.25) folgt
Fl3 cos α
f= .
kEI1 sin β
Erweitern wir jetzt mit sin(α + β) Zähler und Nenner und beachten die Identität
sin(α + β) = sin α cos β + cosα sin β (s. [11], Abschnitt Trigonometrische Funktio-
nen), dann erhalten wir nach einigen Umformungen
Fl3 sin(α + β)
f= .
kEI1 (tan α tan β cos2 β + sin2 β)
Der Ausdruck im zweiten Nenner der vorstehenden Gleichung ist das Flächenmo-
ment IN bezogen auf die Nulllinie als Achse, dies folgt aus der ersten Gl. (4.14)
mit ψ ≡ ϕ = 900 − β sowie Iy ≡ I1 , Iz ≡ I2 und Iyz ≡ I12 = 0 . Somit ist die
Durchbiegung
Fl3 sin(α + β)
f= · (5.26)
kE IN
Sie kann ohne geometrisches Addieren nunmehr leicht berechnet werden.
Beispiel 5.18 (Durchbiegung eines Freiträgers).
Die größte Durchbiegung des Freiträgers aus Beispiel 4.21 (Abb. 4.34 a) aus einer
Aluminiumlegierung mit E = 0,7 · 105 N/mm2 ist zu berechnen.
Lösung 5.18
Mit den Zahlenwerten α = 22, 50 , I1 = 558 cm4 und I2 = 106 cm4 ist
z w
In Abb. 5.13 ist das gegenüber dem Einspannquerschnitt schief verschobene Trägerende darge-
stellt.
Aufgabe 5.1 (Biegelinie). Für die in Tabelle 5.1 angegebenen Belastungsfälle 3 bis
10 ermittle man aus der Differentialgleichung der Biegelinie durch Integration die
Gleichungen der Tangentenneigung w (x) und der Durchbiegung w(x).
Aufgabe 5.2 (Freiträger). Die Gleichungen für die Tangentenneigung w (x) und
die Durchbiegung w(x) eines als Dreiecksfeder (Abb. 4.26 b) ausgebildeten Frei-
trägers mit der Einzellast F am Ende sind zu ermitteln. Wie groß sind insbesondere
Neigung und Durchbiegung am freien Ende?
Aufgabe 5.3 (Superpositionsgesetz). Durchbiegung und Tangentenneigung am En-
de des Freiträgers in Beispiel 4.15 (Abb. 4.22a) sind mit Hilfe des Superpositions-
gesetzes zu ermitteln.
Aufgabe 5.4 (Getriebewelle). Eine Getriebewelle mit konstantem Durchmesser d
(Abb. 5.14) ist durch die Kräfte F1 = F und F2 = 2F auf Biegung beansprucht, Länge
des überstehenden Wellenendes a = l/3. Die Durchbiegung der Welle an den Kraft-
angriffsstellen sind zu berechnen. Welche der in Abb. 5.14 a) und b) gezeichneten
5.7 Formelzusammenfassung Kapitel 5 171
Richtungen der Last F2 ist die günstigste? Man vergleiche dazu die Lagerkräfte und
die Biegemomente.
F1 F1 F2
a) b)
d
A B A B
l a l a
F2
Abb. 5.14 Schema einer Getriebewelle mit zwei Einzellasten F1 und F2
a) Last F2 nach oben gerichtet
b) Last F2 nach unten gerichtet
Aufgabe 5.5. Wie groß darf der Lagerabstand l der Maschinenwelle ohne Bohrung
in Beispiel 4.23 (Abb. 4.38) werden, wenn die Durchbiegung in der Mitte fm gleich
der Durchbiegung f am freien Ende sein soll? Wie groß ist l, wenn die Durchbiegung
in der Mitte auf 1 mm beschränkt bleiben soll? Für beide Fälle berechne man die
Größe der Durchbiegung, E = 2,1 · 105 N/mm2 .
Aufgabe 5.6. Die Durchbiegung am Ende der Blattfeder in Aufgabe 4.23 (Abb. 4.56
a) ist für die Last F = 200 N zu berechnen (Elastizitätsmodul E = 2,1 ·105 N/mm2 ).
Aufgabe 5.7. Wie groß sind kleinster Krümmungsradius ρ, größte Durchbiegung f
und Neigungswinkel α am Ende der vom Kran angehobenen Rundstange, l = 7, 3 m,
in Aufgabe 4.15 (Elastizitätsmodul E = 2,1 · 105 N/mm2 )?
Aufgabe 5.8. Die Durchbiegung am Ende des Freiträgers in Aufgabe 4.19 ist zu
berechnen (Abb. 4.53)
a) aus den Komponenten in Richtung der Hauptachsen,
b) aus Gl. (5.26)
(Elastizitätsmodul E = 2,1 · 105 N/mm2 ).
d2 w Mby (x)
2
= w = −
dx EIy
EIy w = qz
• Formänderungsarbeit
l
1 M2b (x)
W= dx,
2 EIy (x)
0
Kapitel 6
Statisch unbestimmte Systeme
6.1 Allgemeines
Zur Festigkeitsberechnung von Trägern, die auf Biegung beansprucht sind, ist die
Kenntnis des Biegemomentverlaufs und insbesondere des größten Biegemoments
erforderlich. Im Allgemeinen müssen dafür zunächst die Lager- oder Stützkräfte be-
kannt sein. Sind mehr unbekannte Lagerreaktionen vorhanden als Gleichgewichts-
bedingungen zur Verfügung stehen, dann ist ein mechanisches System statisch unbe-
stimmt gelagert (s. [17], Abschnitt 6.2 Statisch bestimmte und statisch unbestimmte
Systeme).
Der Grad der statischen Unbestimmtheit wird aus der Abzählbedingung
k = a + z − 3n (6.1)
1 H EINRICH G OTTFRIED G ERBER (∗ 18. November 1832 in Hof; † 3. Januar 1912 in München),
173
a) b) c)
w = 0, w = 0 w = 0, w = 0 w = 0, w = 0
Abb. 6.1 Verformungsbedingungen an Lagerstellen, Lagerung
a) einwertig
b) zweiwertig
c) dreiwertig
In sehr vielen Fällen sind Träger so gelagert, dass die Lager in Belastungsrich-
tung unverschieblich, d. h. starr, sind oder zumindest als starr angenommen wer-
den können. Die Formänderungen der Lager sind also so gering, dass sie gegenüber
den Formänderungen der Träger vernachlässigt werden können. An einem ein- oder
zweiwertigen Lager (Abb. 6.1 a) und b) lautet die Verformungsbedingung z. B., dass
die Durchbiegung Null ist, an einem dreiwertigen Lager (Abb. 6.1 c) sind Durch-
biegung und Tangentenneigung an die Biegelinie Null.
Ein Lösungsweg zur Ermittlung der statisch Unbestimmten ist die Anwendung
der Superpositionsmethode (indem man etwa die Angaben in Tabelle 4.1 benutzt).
Man zerlegt das gegebene System (z. B. den Träger in Abb. 6.2) in ein statisch
bestimmt gelagertes Hauptsystem mit allen gegebenen Belastungen und in so viele
Zusatzsysteme, wie überzählige Lagerreaktionen vorhanden sind, also k (hier k = 1).
Das statisch bestimmt gelagerte Hauptsystem erhält man, indem man die überzähli-
gen Lager entfernt (A in Abb. 6.2 b) oder eine dreiwertige Einspannung durch ein
zweiwertiges Lager ersetzt (B in Abb. 6.2 d).
q
a)
M0
FA FB
q q
b) d)
αBq
fAq
fAA M0
c) e)
αBM0
FA
F
B M0
A a1 b1 C
a2 b2
statisch bestimmt gelagerte Hauptsysteme
αCF
a) F b) F c) F αCF d) F αCF
fCF fAF fBF fAF
fBF
Zusatzsysteme
FC fBA αCA fBB αCB
fAA fAA
FA FA FB
fCC α
CC
M0 f fBB M0 fBM0 M0
AB
2 C ARLO A LBERTO C ASTIGLIANO (∗ 8. November 1847 in Asti; † 25. Oktober 1884 in Mailand),
siker, Thermodynamik, Professor für Maschinenbau und Mechanik École des Ponts et Chaussées
6.2 Starre Lagerung 177
a) F
A B C
l/2 l/2 l
c) l/2 3l/2
b) F F
M0
FC fAF fBF
FA
FB α fFF
fFA
d) F 9 fBA
fAA
F
56
22 FA
F 43 3 2l
56 F Fl
56 56
6 α
e) − fFB
56 fBB
x fAB
Mb (x)
Fl
3
11 56 FB
f) l l
56 W2
w(x)
x
W1
Abb. 6.4 Zweifach statisch unbestimmter Träger
a) Lageplan
b) freigemachter Träger
c) Durchbiegungen infolge der Kräfte F, FA und FB
d) Kräfte und Momente am Träger
e) Biegemomentverlauf
f) Biegelinie
In gleicher Weise berechnet man die Durchbiegungen infolge der Lasten FA und FB und bekommt
8 FA l3 5 FA l3 1 FB l3
fAA = − , fBA = − , fBB = −
3 EI 6 EI 3 EI
und
5 FB l3
fAB = fBB + l tan α = −.
6 EI
Die Verformungsbedingungen fA = fB = 0 (Abb. 6.3 b) führen auf das Gleichungssystem
27 8 5 7 5 1
F − FA − FB = 0, F − FA − FB = 0
16 3 6 12 6 3
mit der Lösung
22 43
FA =
F, FB = F.
56 56
Die beiden Gleichgewichtsbedingungen werden so gewählt, dass die fehlenden Unbekannten aus
jeder Gleichung für sich berechnet werden können
3
Fzi = 0 = FA + FB + FC − F, MiC = 0 = FA 2l + FB l − F l − M0 .
2
178 6 Statisch unbestimmte Systeme
Aus der ersten Gleichung ergibt sich FC = −(9/56)F und aus der zweiten M0 = (3/56)Fl. Da
sich in der Rechnung für die Lagerreaktion FC ein negatives Vorzeichen ergibt, ist ihre Richtung
zu der in Abb. 6.4 b) angegebenen entgegengesetzt. In Abb. 6.4 d) ist der Träger mit allen äußeren
Lasten aufgezeichnet, der Biegemomentenverlauf ist in Abb. 6.4 e) dargestellt. In Abb. 6.4 f) ist
der Verlauf der Biegelinie gezeichnet. Wegen des zweifachen Nulldurchgangs des Biegemoments
hat die Biegelinie zwei Wendepunkte W1 und W2 .
Die Durchbiegung des statisch unbestimmt gelagerten Trägers erhält man ebenfalls durch Über-
lagerung. An der Lastangriffsstelle ist sie z. B.
Mit
9 Fl3 27 FA l3 11 27 Fl3
fFF = , fFA = − =− ·
8 EI 16 EI 8 56 EI
und
l 7 FB l3 43 Fl3
fFB = fBB + tan α = − =−
2 12 EI 8 · 12 EI
erhält man
19 Fl3
fF = .
24 · 56 EI
Vergleicht man diesen Wert mit der Durchbiegung fFF = 9Fl3 /8EI des statisch bestimmt ge-
lagerten Freiträgers, Abb. 6.4 c) oben, dann ist das Verhältnis fF /fFF = 1/80. Der in A und B
statisch unbestimmt gestützte Träger (Abb. 6.4 a) ist also erheblich steifer, als wenn er nur einge-
spannt wäre.
ergibt sich zwangsläufig die Lagerkraft FB als statisch Unbestimmte. Der Tabelle 4.1, Fall 7, ent-
nimmt man die Durchbiegung
Fl3 1 4 1 11 Fl3
fBF = · 1− · = .
8EI 4 3 16 8 · 48 EI
FB l3
fBB = − .
48EI
Setzt man diese Werte in die Verformungsbedingung ein, dann ist
11 Fl3 FB l3 3 Fl3 14
− =− und FB = F
8 · 48 EI 48EI 8 · 48 EI 8
6.3 Satz von C ASTIGLIANO 179
fBB
FB
Abb. 6.5 Dreifach gelagerte Welle, Mittellager B um den Betrag f0 versetzt
a) Lageplan mit Lagerschema
b) freigeschnittene Welle
c) Durchbiegungen infolge der Kräfte F und FB
d) Kräfte an der Welle
e) Biegemomentverlauf
Kennt man die Energie eines mechanischen Systems bzw. die Arbeit, die bei einem
Verformungsvorgang geleistet wird, kann man die Verschiebungen, Durchbiegun-
gen usw. an bestimmten Punkten effektiver als mit den bisher eingeführten Metho-
den ermitteln. Nachfolgend wird ein Verfahren vorgestellt, welches die Berechnung
von Verformungen in statisch bestimmten Systemen sowie die Ermittlung von Auf-
lagerreaktionen in statisch unbestimmten Systemen gestattet.
a) b) c)
dl
wmax
F F
ϕmax
M
Abb. 6.6 Träger mit unterschiedlichen Belastungen.
a) Zugstab,
b) Biegebalken unter Einzelkraft,
c) Biegebalken unter Einzelmoment
ist die elastische Energie nach Gl. (2.15) unter Beachtung von Gl. (2.12)
1 F2 l
W= .
2 EA
Leitet man diese Gleichung nach der äußeren Kraft ab
∂W Fl
= = dl,
∂F EA
erhält man die Stabverlängerung.
Überträgt man diese Überlegung auf den Biegebalken, Abb. 6.6 b), gilt zunächst
entsprechend Beispiel 5.12
F2 l3
W= .
6EI
Die Ableitung nach der Kraft führt dann auf
∂W Fl3
= = wmax .
∂F 3EI
Analysiert man den Biegebalken unter Einwirkung eines Momentes (Abb. 6.6 c),
kann man zeigen, dass die Formänderungsarbeit W sich wie folgt ausrechnen lässt
M2 l
W= .
2EI
Die Ableitung nach dem Moment erhält man dann als
∂W Ml
= = ϕmax .
∂M EI
Die drei Fälle lassen sich verallgemeinern:
6.3 Satz von C ASTIGLIANO 181
Satz 6.1 (Zweiter Satz von Castigliano). Die partielle Ableitung der elastischen
Energie nach den Kraftgrößen (Kräfte und Momente) liefert die zugehörigen Ver-
schiebungsgrößen (Verschiebung und Neigung) in Richtung der Kraftgrößen.
Dabei ist zu beachten, dass die elastische Energie als Funktion der Kraftgrößen auf-
zuschreiben ist. Der zweiten Satz von C ASTIGLIANO lässt ein alternatives Verfahren
zu den bisher behandelten zur Bestimmung von Verformungen in diskreten Punkten
eines Tragwerkes zu.
Vertauscht man Ursache und Wirkung kann man formulieren:
Satz 6.2 (Erster Satz von Castigliano). Die partielle Ableitung der elastischen
Energie nach den Verschiebungsgrößen (Verschiebung und Neigung) liefert die
zugehörigen Kraftgrößen (Kräfte und Momente) in Richtung der Verschiebungs-
größen.
Dabei ist zu beachten, dass die elastische Energie als Funktion der Verschiebungs-
größen aufzuschreiben ist.
Bei der Anwendung des zweiten Satzes von C ASTIGLIANO muss man drei Fälle
unterscheiden. Diese werden nachfolgend diskutiert.
1. Statisch bestimmte Systeme
Betrachtet wird der auf Abb. 6.7 dargestellte Kragträger. Zunächst ist die Formän-
derungsarbeit entsprechend Gl. (5.3) aufzuschreiben
l
1 M2b
W= dx .
2 EI
0
Diese Gleichung vereinfacht sich bei EI = const. Im hier betrachteten Fall der
Balkenbiegung gilt weiterhin
Mb = F(l − x) .
F
x EI
l
∂Mb ∂Mb ∂Mb
Bereich Mb Mb Mb dx
∂F ∂F ∂F
0
Fl3
0 x l F(l − x) l − x F(l − x)2
3
l
∂W 1 ∂Mb
= Mb dx .
∂F EI ∂F
0
Die Rechnung lässt sich damit entsprechend Tabelle 6.1 ausführen. Abschließend
erhält man die Durchbiegung in Richtung der Kraft
Fl3
w= .
3EI
Man kann sofort erkennen, dass dieses Ergebnis mit der Durchbiegung in Tabel-
le 5.1 (Fall 1) übereinstimmt.
Anmerkung 6.1. Man erkennt relativ schnell, dass der Anwendung des 2. Sat-
zes von Castigliano selbst bei nicht korrektem Vorzeichen des Biegemomentes zu
einem korrekten Ergebnis, da das Biegemoment quadratisch in die Formände-
rungsarbeit eingeht.
2. Berechnung der Verformung an Stellen, an denen keine äußere Kraftgröße an-
greift
Dieser Fall kann auf den Fall 1 zurückgeführt werden, wenn man an der Stelle
der gesuchten Durchbiegung eine Hilfskraft FH in Richtung der Durchbiegung
oder bei gesuchtem Neigungswinkel ein Hilfsmoment MH in Richtung der Win-
kelneigung einführt. Dann verläuft der Rechenrozess wie unter 1. Am Schluss
der Rechnung wird die Hilfsgröße gleich Null gesetzt.
Ist beispielsweise der Neigungswinkel am Ende eines Kragträgers (Abb. 6.8) zu
ermitteln, setzt man dort das Moment MH an und schreibt
Mb = F(l − x) + MH
Dann ist die partielle Ableitung des Biegemoments nach dem Hilfsmoment
∂Mb
= 1,
∂MH
und man erhält
6.3 Satz von C ASTIGLIANO 183
l
∂W 1 1 Fl2
ϕ= = [F(l − x) + MH ] · 1dx = + MH l
∂MH EI EI 2
0
Fl2
ϕ= .
2EI
Man kann auch hier erkennen, dass dieses Ergebnis mit der Neigung in Tabelle
5.1 (Fall 1) übereinstimmt.
3. Analyse statisch unbestimmter Systeme
Das in Abb. 6.9 dargestellte System ist einfach statisch unbestimmt gelagert, da
es drei unbekannte Lagergrößen enthält, während nur zwei Gleichgewichtsbe-
dingungen zu ihrer Berechnung zur Verfügung stehen. Man setzt zunächst eine
Lagerreaktion (z. B. FB ) als bekannt voraus. Das System ist damit statisch be-
stimmt und die Lagerreaktionen sowie der Biegemomentenverlauf lassen sich
als Funktion von FB ausrechnen. Nach Ausführung aller Rechenschritte für die
Ermittlung der Durchbiegung an der Stelle der Kraft FB , d. h. der Berechnung
von
l
1 ∂Mb
wB = Mb dx ,
EI ∂FB
0
wird die Durchbiegung gleich Null gesetzt (wB = 0), da im Lager keine Durch-
biegung auftreten darf. Damit hat man eine Bestimmungsgleichung für die unbe-
kannte Lagerkraft FB .
Für das betrachtete Beispiel sieht der Rechengang wie folgt aus:
– Berechnung der Schnittmomente
Für den Fall, dass zunächst die Einspannungskraft FA und das Einspannungs-
moment MA als unbekannt angenommen werden und die Lagerkraft FB als
bekannt angesehen wird, bietet sich an, die Koordinatenrichtung x im Punkt
B beginnend nach links zu legen. Damit ergeben sich die Schnittmomente und
deren Ableitungen für die beiden Abschnitte zu
∂Mb
0 x l : Mb (x) = FB x, =x
∂FB
und
F MH
x EI
B
A
FB
FA
∂Mb
l x 2l : Mb (x) = FB x − F(x − l), = x.
∂FB
– Die Durchbiegung im Punkt B wB erhält man wie folgt
⎧l ⎫
1 ⎨ ⎬
2l
1 8 5
wB = FB x2 dx + FB x2 − F(x − l)x dx = FB l3 − Fl3 .
EI ⎩ ⎭ EI 3 6
0 l
8 5 5
wB = 0 ⇒ FB l3 − Fl3 = 0 ⇒ FB = F .
3 6 16
– Die restlichen Lagerreaktionen kann man jetzt aus den Gleichgewichtsbedin-
gungen ermitteln
11
FA − F + FB = 0 ⇒ FA = F,
16
3
MA − Fl + FA · 2l = 0 ⇒ MA = − Fl .
8
Beispiel 6.3 (Einfach unbestimmt gelagerter Träger).
Für den auf Abb. 6.2 a) dargestellten einfach statisch unbestimmten Träger sollen
die Lagerreaktionen ermittelt werden.
Lösung 6.3
Setzt man zunächst die Auflagerkraft FA als bekannt voraus, ist die Bedingung, dass die Durch-
biegung im Lager verschwindet, zu erfüllen
l
1 ∂Mb
wA = Mb dx = 0 .
EI ∂FA
0
Zunächst sind die übrigen Lagerreaktionen mit Hilfe der Statikgleichungen als Funktionen der
Lagerreaktion FA auszudrücken
ql2
FB = ql − FA , MB = − FA .
2
Schneidet man jetzt den Balken zwischen den Lagern, erhält man das Schnittmoment für den linken
Teil zu
qx2
M b = FA x − .
2
6.4 Elastische Lagerung 185
l
1 qx2 1 l3 l4
wA = FA x − xdx = FA − q 0.
EI 2 EI 3 8
0
bzw. abschließend
3
FA =
ql .
8
Dieses Ergebnis stimmt mit dem entsprechenden Ergebnis im Rahmen der Betrachtungen zu
Abb. 6.2 überein. Die übrigen Lagerreaktionen lassen sich aus den Gleichgewichtsbeziehungen
bestimmen
5 1
FB = ql, MB = ql2 .
8 8
Dies ist nicht der einzige Lösungsweg. Aus der Bedingung für die Einspannung
l
1 ∂Mb
wB = Mb dx = 0 .
EI ∂MB
0
lässt sich das Einspannungsmoment MB direkt ermitteln. Die Lagerkraft FB kann als Funktion
des Einspannungsmoments aus den Gleichgewichtsbeziehungen ausgerechnet werden
MB ql
FB = + .
l 2
Nach Schnitt kann das Schnittmoment für den rechten Teil aufgeschrieben werden
qx2 x q(lx − x2 )
Mb = −MB + FB x − = −1 + MB + ,
2 l 2
so dass die Ableitung nach MB lautet
∂Mb x
= −1 + .
∂MB l
Einsetzen und Ausrechnen führt dann auf das im ersten Teil bereits angeführte Ergebnis.
Sind die Formänderungen der Lager von mechanischen Systemen nicht vernachläs-
sigbar klein, dann sind diese bei der Berechnung der Lagerreaktionen in den Defor-
mationsbedingungen zu berücksichtigen. Das ist z. B. der Fall bei Pendelstützen
oder Querträgern. Die Formänderungen der Lagerungen sind elastisch und der
Größe der Lagerreaktion proportional.
starr und in B auf einem Querträger I 180 nach DIN 1 025 Bl. 1 aus Stahl elastisch
gelagert (Abb. 6.10). Zu berechnen sind die Lagerkräfte FA , FB und FC , die größten
Biegespannungen in beiden Trägern und die Durchbiegung im Lager B sowie an
der Angriffsstelle der Last F. Wie groß sind die Lagerkräfte und Beanspruchungen,
wenn das Lager B starr angenommen wird, wie groß Beanspruchung und größte
Durchbiegung des Trägers, wenn das Lager fehlt?
Lösung 6.4
Der Träger ist einfach statisch unbestimmt gelagert. Die Zerlegung in zwei Systeme (Abb. 6.10 c)
führt beide Male auf den Belastungsfall 4 der Tabelle 4.1, der man mit a = 2l/3 und b = l/3
die Durchbiegungen entnimmt
Fl3 2 1 1 1 7 Fl3
fBF = · · · 1+3− = ,
6EI 3 9 3 2 6 · 81 EI
FB l3 4 1 4 FB l3
fBB = − · · =− .
3EI 9 9 3 · 81 EI
In diesen Gleichungen ist I = Iy = 9 800 cm4 das axiale Flächenmoment des Trägers I 300. Mit
dem Flächenmoment I1 = 1 450 cm4 des Trägers I 180 und seiner Länge l1 ist die Federkonstante
a) 60
00
30
00
00
10
A 30
00 00
10
B F
C
b) F
F B = cB f B
FA FC
l/3 l/3
l
c) F
fBF fFF
fBB
FB fFB
Abb. 6.10 Elastisch gestütz- 1
ter Träger d) −
15
a) Lageplan
2 x
b) freigeschnittener Träger Mb (x)
c) Durchbiegungen infolge 15
Fl
der Kräfte F und FB e)
d) Biegemomentverlauf
W x
e) Biegelinie w(x)
6.4 Elastische Lagerung 187
cB = 48EI1 /l31 (s. Tabelle 4.1, Fall 3). Die Verformungsbedingung des mittleren Lagers lautet
mit der Federkonstanten cB
FB
fB = fBF + fBB = .
cB
Setzt man die einzelnen Anteile in diese Verformungsbedingung ein, ergibt sich
7 Fl3 4 FB l3 FB l31
− = .
6 · 81 EI 3 · 81 EI 48EI1
Da beide Träger aus gleichem Werkstoff sind, kann man den E-Modul kürzen und wir erhalten die
Lagerkraft
7F
FB = .
81 l31 I
8+
8 l3 I1
Mit l1 /l = 2/9 und I/I1 = 6, 76 ist
7
FB = F = 36 kN .
8, 75
Aus der Gleichgewichtsbedingung
2 1
MiA = 0 = FC l − F l + FB l
3 3
folgt
2 1 2
FC =
F − FB = F = 18 kN .
3 3 5
Die Bedingung Fiz = 0 = FA + FB + FC − F ergibt
6 1
FA = F − F = − F = −9 kN .
5 5
Das größte Biegemoment ist im Querschnitt an der Angriffsstelle der Last F und beträgt
FC l
Mb max = = 5,4 · 107 Nmm .
3
Mit dem Widerstandsmoment Wb = 653 cm3 erhält man die größte Biegespannung
Mb max
σb max = = 82,7 N/mm2 .
Wb
In dem Querträger I 180 ist Mb max = FB l1 /4 = 1,8 · 107 Nmm und mit Wb = 161 cm3 die
Biegespannung σb = 111,7 N/mm2 . Mit dem Elastizitätsmodul E = 2 · 105 N/mm2 betragen die
Durchbiegungen in B
fB = fBF + fBB = 0
die Aussage
7 3 2
FB = F, FC = F, FA = − F .
8 8 8
Mit dem größten Biegemoment Mb max = Fl/8 = 5,06 · 107 Nmm ist σb max = 77,5 N/mm2 und
damit nur wenig geringer als bei elastischer Lagerung. Ohne das Lager B ist das größte Biegemo-
ment
2 1 2
Mb max = F · l = Fl = 9 · 107 Nmm
3 3 9
und somit die größte Biegespannung σb max = 137,7 N/mm2 . Nach Tabelle 4.1, Fall 4, ergibt sich
die größte Durchbiegung zu
4 2 4 4 2 Fl3
fmax = fFF = = 30 mm .
3 3 3 · 81 3 3 EI
Durch die statisch unbestimmte Lagerung ist die Beanspruchung des Trägers um etwa 40 %, die
Verformung dagegen um mehr als 70 % geringer geworden.
Dem Aufwand erheblich höherer Fertigungskosten, die mit der Lagerung einer Ma-
schinenwelle z. B. in mehr als zwei Lagern verbunden sind, steht die Verwirklichung
der Forderung nach hoher Steifigkeit bei geringsten Verformungen und damit ver-
bundener größerer Laufruhe gegenüber. In den Beispielen 6.1 und 6.4 wurde bereits
auf diese Einflüsse hingewiesen. Aber auch die Biegebeanspruchung ist häufig bei
statisch unbestimmter Lagerung geringer, so dass man mit geringeren Abmessun-
gen für die Bauteile auskommt und somit der Forderung nach Leichtbau entsprechen
kann. In den folgenden Beispielen sollen diese Probleme besonders betont werden.
Beispiel 6.5 (Lagerkräfte, Biegespannung, Durchbiegung).
Die Schaltstange in Beispiel 5.16 (Abb. 5.11) ist zusätzlich in der Mitte gelagert. Zu
berechnen sind die Lagerkräfte, die größte Biegespannung und die Durchbiegung
an den Kraftangriffstellen für den Stangendurchmesser d = 5 mm.
Lösung 6.5
Wir bezeichnen die Lagerkräfte von links nach rechts mit FA , FB und FC (Abb. 6.5) und können
die Berechnung ähnlich wie in Beispiel 6.2 durchführen. Die Verformungsbedingung lautet
fB = fBF + fBB = 0 .
39 Fl3
fBF = fm = .
2 · 83 EIa
Mit
FB l3
fBB = −
48EIa
6.5 Einfluss der statisch unbestimmten Lagerung bei Wellen und Trägern 189
39 Fl3 F l3 117
− B =0 und FB = F = 7,31 N .
2 · 8 EIa 48EIa
3 64
Die übrigen Lagerreaktionen sind dann
1 117
FA = FC = 2F − F = 0,344 N .
2 64
262 Nmm
σb max = = 21,3 N/mm2 .
12,3 mm3
Dieser Betrag ist gegenüber der in Beispiel 5.16 gerechneten zulässigen Spannung 120 N/mm2
unbedeutend.
Die Durchbiegung an der Stelle der Kraft F erhält man aus fF = fFF + fFB . Tabelle 4.1, Fall 7,
ergibt mit a/l = 3/8
Fl3 32 4 3 9 Fl3
fFF = · 2 1− · = · .
2EIa 8 3 8 4 · 8 EIa
2
Gegenüber der Durchbiegung ohne Mittellager in Beispiel 5.16 ist das weniger als der hundertste
Teil.
a)
l a a
FG
A fGG C
B
fCG
α
FG q
b)
A B C
fCq
Abb. 6.11 Träger auf zwei
Stützen mit der Einzellast FG
auf dem überkragenden Ende
a) Lageplan, Durchbiegung c)
unter der Last FG fCC
b) Träger mit Zusatzlast q
zusätzlich in C gelagert
c) Durchbiegungen infolge q
und FC FC
Zur Ermittlung der Lagerkraft FC bei dreifacher Lagerung benötigen wir die Verformungsbedin-
gung
fC = fCG + fCq + fCC = 0 .
[22] entnehmen wir die Durchbiegung in C unter der Streckenlast
2
q2al3 2a 3 2a 7 q2al3
fCq = 1+ · = · .
6EI l 4 l 6·4 EI
6.6 Geschlossene Rahmen 191
Die Durchbiegung an der Stelle der unbekannten Stützkraft FC entnimmt man Tabelle 4.1, Fall 5,
(mit 2a anstatt a der Tabelle)
2
FC l3 2a 2a 2 FC l3
fCC = − 1+ =− · .
3EI l l 3 EI
13 FG l3 7 q2al3 2 FC l3
· + − = 0.
6 · 8 EI 6 · 4 EI 3 EI
Nach Auflösen dieser Gleichung erhalten wir
13 7
FC = FG + q2a = 40,6 · 103 N + 52,5 · 103 N = 93,1 · 103 N .
32 16
Nunmehr sind die Biegemomente an der Stelle von FG
qa2
MbG = FC a − = 93,1 · 103 N · 2 · 103 mm − 60 · 103 N · 1 · 103 mm = 126 · 106 Nmm
2
und im Lager B
MbB = FC 2a − q2a2 − FG a = −67,6 · 106 Nmm .
Man erhält mit dem größten Biegemoment an der Stelle von FG die Spannung σb = 86,5 N/mm2 ,
das ist weniger als vorher.
Um die neue Profilgröße zu bestimmen, rechnen wir das erforderliche Widerstandsmoment mit
σzul = 140 N/mm2 aus
Aus der Profiltafel entnimmt man, dass das I-Profil 340 mit Wb = 923 cm3 ausreicht. Bei insge-
samt mehr als doppelt so großer Last ergibt die dreifache Lagerung des Trägers mit dem I-Profil
340 ca. 26 % Gewichtsersparnis.
Fa2 Fa Fa a
tan α1F = + b= +b .
2EI EI EI 2
Desgleichen ist nach Tabelle 4.1, Falle 2, mit Mb = M1 , l = a bzw. l = b
a) 2F b) c) d)
I a a a
F F
I M1 M1
40
b
b
b
2b = 300 mm
M2
II II F
10 mm
dick
40 40
40
2F
2a = 200 mm
M1 a M1 b M1
tan α1M1 = + = (a + b) .
EI EI EI
Die Überlagerung ergibt
Fa a M
1
tan α1 = tan α1F − tanα1M1 = +b − (a + b) = 0 .
EI 2 EI
Daraus folgt
a/2 + b
M1 = Fa
a+b
oder mit b = 1, 5a
M1 = 0, 8Fa .
Setzt man M1 in die Gleichgewichtsbedingungen ein, erhält man
a/2
M2 = Fa − M1 = Fa
a+b
und wieder mit b = 1, 5a
M2 = 0, 2Fa .
Der Biegemomentenverlauf über der Rahmenmittellinie ist in Abb. 6.13 aufgezeichnet, im Teil 2a
ist das Biegmoment linear veränderlich, im Teil 2b ist es konstant, die größte Beanspruchung ergibt
sich im Querschnitt I.
Die Biegespannungen sind mit
1
Wb = 10 mm · (40 mm)2 = 2,67 · 103 mm3
6
Fa3 Fa Fa2 a
f1F = +a b= +b
3EI EI EI 3
2
2F Fa
10
8
Fa
10
2b
sowie
M 1 a2 M1 b M1 a a
f1M1 = +a = +b .
2EI EI EI 2
Die Überlagerung ergibt
f1v = 0,418 mm .
Berücksichtigt man noch die Zusammendrückung des vertikalen Teils mit l = 150 mm
Fl 335 N · 150 mm
dl = = = 0,036 mm,
EA 3,5 · 103 N/mm2 · 400 mm2
ergibt sich als Gesamtverschiebung (ohne Schubverformung im Teil 2a) 0,454 mm. Die Verschie-
bung des Querschnitts II in horizontaler Richtung ist gleich der Verschiebung des Querschnitts I
bei festgehaltenem unteren Ende
Fa 2 M1 2
f1hF = b , f1hM1 = b .
2EI 2EI
Die Überlagerung ergibt
Aufgabe 6.1 (Lagerreaktionen). Für den Träger in Beispiel 6.1 (Abb. 6.4 a) er-
mittle man die Lagerreaktionen FA , FB , FC und M0 durch Zerlegung des gegebenen
Systems in die Teilsysteme nach Abb. 6.3 a), c) und d).
Aufgabe 6.3 (Träger under verteilter Last). Ein Träger, Stützweite l = 12 m, ist
durch die gleichmäßig verteilte Last q = 10 kN/m belastet (Abb. 6.15 a).
6.7 Aufgaben zu Kapitel 6 195
l
a l/2 a
q
Abb. 6.15 Träger auf zwei q
Stützen
a) mit gleichmäßig verteilter A B A C B
h
l
Last
b) in C zusätzlich gestützt l/2
1. Welches I-Profil nach DIN 1 025 Bl. 1 ist zu wählen, wenn die zulässige Span-
nung σzul = 90 N/mm2 vorgeschrieben ist?
2. Die Last soll auf q = 20 kN/m verdoppelt werden. Zur Unterstützung wird in
die Mitte ein I-Träger 320 DIN 1 025 Bl. 1, mit einer Höhe h = 3 750 mm als
Pendelstütze eingesetzt (Abb. 6.15 b). Wie groß sind die Stützkraft FC , wenn die
Stütze
a) starr,
b) elastisch
angenommen wird? Wie groß ist im Fall a) die größte Biegespannung im Decken-
träger und die Druckspannung im Stützträger? Welche Profil-Nr. ist unter Aus-
nutzung der zulässigen Biegespannung für den Deckenträger ausreichend?
Aufgabe 6.4 (Stützkräfte, Biegemomente). Für die in Abb. 6.16 a) und b) gezeich-
neten Träger sind die Stützkräfte und die Biegemomente in den maßgebenden Quer-
schnitten zu berechnen. Anleitung zu 6.4 b): Man wähle die Gelenkkraft als statisch
Unbestimmte, fGF = 0!
a) b)
2F
F F F
A l/4 l/3 B A B G C D
l/2
l l
2l l/2
3l
4l
k = a + z − 3n
l
1 M2b
W= dx .
2 EI
0
l
1 ∂Mb
w= Mb dx ,
EI ∂F
0
l
1 ∂Mb
w = Mb dx ,
EI ∂M
0
Kapitel 7
Torsion prismatischer Stäbe
Ein prismatischer Stab ist ein Stab mit konstanter Querschnittform. Die Kreisform
ist dabei die einfachste, von der wir ausgehen wollen. Der Stab wird verdreht (oder
tordiert), wenn Kräftepaare F und −FF, auf ihn einwirken, wobei die Wirkungsebe-
nen senkrecht zur Stabachse liegen oder deren Momentvektoren die Richtung der
Stabachse haben (Abb. 7.1). Das Moment des Kräftepaares heißt Drehmoment oder
Torsionsmoment bzw. Drillmoment Mt . Der Stab wird auch kurz als Torsionsstab
oder Drehstab bezeichnet.
Wir wollen untersuchen, welche Beanspruchungen und Verformungen das Dreh-
moment im Stab hervorruft und wenden die Schnittmethode an. Durch zwei im
Abstand dx benachbarte Querschnitte denken wir uns ein Stababschnitt abgegrenzt
(Abb. 7.2). Ist das äußere Drehmoment längs der Stabachse konstant, wirkt in je-
dem betrachteten Querschnitt als Schnittgröße das gleiche Moment Mt . Dieses ist
gleichzeitig das resultierende Moment aller Kräfte aus den im Querschnitt wirken-
den Spannungen.
Normalspannungen im Querschnitt eines Drehstabes können kein resultieren-
des Moment um die Stabachse ergeben. Wenn solche Spannungen vorhanden sind,
Mt
F −F
−F
y
x
F Mt
Abb. 7.1 Torsionsstab z
197
dr
r
dx
d
τ(r)
können sie nur ein Gleichgewichtssystem bilden. Aus Symmetriegründen kann man
jedoch schließen, dass Normalspannungen nicht möglich sind.
Somit können nur Spannungen tangential zum Querschnitt vorhanden sein. Im
Abschnitt 1.3 haben wir diese als Schubspannungen τ definiert. Der Index t (von
Torsion) bei τt soll angeben, dass es sich um eine Torsionsschubspannung handelt;
er kann weggelassen werden, wenn eine Verwechslung mit einer anderen Schub-
spannung ausgeschlossen ist.
Aus dem Stabteil (Abb. 7.2) denken wir uns durch zwei Zylinderschnitte ein
dünnes Rohr abgegrenzt. Die auf dieses Rohr entfallenden Anteile der Schubspan-
nungen im Querschnitt können aus Symmetriegründen nur tangential zu den Au-
ßenrändern gerichtet ein, sie sind eingezeichnet. Das gleiche gilt naturgemäß für
jedes Rohr im Stab, so dass im Kreisquerschnitt alle Schubspannungen tangential
zum Außenrand verlaufen. Zwei benachbarte Rohre können sich an ihren Wänden
gegenseitig nicht verschieben, Zylinderschnittflächen sind also spannungsfrei.
Die beiden benachbarten Querschnitte in Abb. 7.2 erfahren infolge des Drehmo-
ments Mt eine relative Verdrehung zueinander um den Winkel dϕ (Abb. 7.3). Ein
Punkt A1 auf dem Umfang des oberen Kreisquerschnittes erfährt eine Verschiebung
nach B1 , die gleiche Verschiebung führt Punkt A2 nach B2 aus und somit jeder
Punkt auf dem Umfang, es gilt A1 B1 = A2 B2 . Da keine Normalspannungen in den
Querschnitten wirken, ändert sich bei der Verdrehung der Abstand dx nicht.
Wir fassen die bisher gewonnen Erkenntnisse über die Verdrehung zusammen.
Mt
d
dx
Mo
Mu
dϕ B2
B1
Abb. 7.3 Verdrehung am A1 A2
Stabteil C1 C2
7.1 Torsion gerader Stäbe 199
Bevor wir uns mit der Torsion weiter befassen, sollen zunächst einige allgemeine
Gesetze über Schubspannungen hergeleitet werden.
Aus dem Stababschnitt in Abb. 7.3 denken wir uns ein an der Oberfläche durch
A1 A2 C2 C1 begrenztes dünnes Rohrstück (Element) mit der Dicke dz herausge-
schnitten (Abb. 7.4). Nach dem oben gesagten wirken in den oberen und unteren
Begrenzungsflächen der Abb. 7.4 a) Schubspannungen, die wir τxy nennen wollen1 .
Die Schubkräfte Ty = τxy dy dz stehen für sich allein nicht im Gleichgewicht, weil
sie ein Kräftepaar (τxy dy dz) dx bilden. In der rechten und der linken Seitenfläche
müssen demnach ebenfalls Schubspannungen τyx vorhanden sein (Abb. 7.4 b),
deren Schubkräfte Tx = τyx dx dz ein Kräftepaar (τyx dx dz) dy bilden. Aus der
Gleichgewichtsbedingung
Miz = 0 = τxy dy dz dx − τyx dx dz dy
folgt
τxy = τyx = τ . (7.1)
Die Gl. (7.1) und der in Abb. 7.4 b) dargestellte Sachverhalt geben den Satz über
die Gleichheit der zugeordneten Schubspannungen an.
Satz 7.1 (Satz über die Gleichheit der zugeordneten Schubspannungen). Schub-
spannungen treten in zwei aufeinander senkrechten Schnittflächen immer paarweise
a) dz τxy b) dz τxy
A1 A2 A1 A2
τyx
dx
dx
τyx
C1 τxy C2 C1 τxy C2
Abb. 7.4 Element mit Schub- dy dy
spannungen
1 Der erste Index, also x, gibt die Richtung der Flächennormalen, der zweite y die Richtung der
Spannung an.
200 7 Torsion prismatischer Stäbe
auf. Sie sind gleich groß, zeigen senkrecht zur Schnittkante und sind beide entweder
zur Schnittkante hin oder von ihr weggerichtet.
In der Literatur wird diese Aussage auch teilweise als B OLTZMANN-Axiom2 for-
muliert.
Die Rohrwand in Abb. 7.3 erfährt durch die Schubkräfte eine Verformung,
die aus einer Verschiebung der Punkte A1 und A2 nach B1 und B2 besteht. Das
Rohrstück (Abb. 7.5) verschiebt sich in die gestrichelt gezeichnete Lage. Die bei-
den Kanten A1 C1 und B1 C1 schließen den Gleitwinkel γ ein. Wie das Experiment
zeigt, sind Gleitwinkel γ und Schubspannung τ für hinreichend kleine Verformun-
gen bei vielen Werkstoffen zueinander proportional
τ = Gγ. (7.2)
Gleichung (7.2) ist das H OOKE’sche Gesetz für Schubbeanspruchung. Es hat für die
Festigkeitslehre die gleiche Bedeutung, wie das H OOKE’sche Gesetz zwischen den
Normalspannungen σ und den Dehnungen ε. Der Proportionalitätsfaktor G ist der
Gleit- oder Schubmodul, der ebenso wie der Elastizitätsmodul E und die Querkon-
traktionszahl ν einen Materialkennwert darstellt3 .
Die auf die Volumeneinheit bezogene Formänderungsarbeit wurde früher be-
reits als spezifische Formänderungsarbeit definiert (s. Abschnitt 2.2.2). Wir wollen
sie auch für Schubbeanspruchung herleiten. Entlang des Weges ds = γ dx leistet
ds
A1 τ
B1 A2 B2
τ
dx
γ
τ
τ
2 L UDWIG E DUARD B OLTZMANN (∗ 20. Februar 1844 in Wien; † 5. September 1906 in Duino
bei Triest), Physiker und Philosoph, bedeutende Beiträge zur Thermodynamik (Deutung der Entro-
pie) und statistischen Mechanik, Professor in Graz, München, Wien, Leipzig, 1891 Mitglied der
Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 1896 Mitglied der Accademia dei Lincei
3 Zwischen diesen drei Kennwerten besteht für isotrope Werkstoffe die Beziehung (der Beweis
erfolgt in Abschnitt 9.3.2) G2(1 + ν) = E. Für Stahl z. B. erhält man mit E = 2,1 · 105 N/mm2
und ν = 0, 3 den Gleitmodul
die Schubkraft τ dy dz die Arbeit (Abb. 7.5) dW = 0, 5τ dy dzγ dx. Als spezifische
Formänderungsarbeit bei Schub folgt somit
1
ΔW = τ γ . (7.3)
2
Ersetzen wir in dieser Gleichung den Gleitwinkel aus Gl. (7.2) durch die Schub-
spannung, ergibt sich
τ2
ΔW = . (7.4)
2G
Ist der Querschnitt eines Torsionsstabes kreisförmig und treten im Querschnitt keine
Normalspannungen auf, sind aus Symmetriegründen keine Querschnittsverwölbun-
gen möglich. Kreisquerschnitte bleiben bei der Verdrehung eben und zwei benach-
barte Querschnitte verdrehen sich relativ zueinander (Abb. 7.3).
Wir wollen nun das Verteilungsgesetz der Torsionsschubspannungen herleiten
und betrachten den in Abb. 7.3 durch die Punkte Mo A1 B1 C1 Mu abgegrenzten so
genannten Verformungskeil (Abb. 7.6). Ist an einem beliebigen Radius r der Gleit-
winkel γ(r) und am Außenradius γ, entnimmt man dem Abb. mit dem Kreisdurch-
messer d die Beziehungen
γ(r) r d
= , γ dx = dϕ . (7.5)
γ d/2 2
Die erste Gleichung aus (7.5) stellt für die Torsion von Stäben mit Kreissymmetrie
die Kompatibilitätsbedingung dar. Sie sagt aus, dass der Gleitwinkel γ(r) linear mit
dem Radius r nach außen zunimmt.
Mo
dϕ
r d/2
B1
Mu A1
γ(r) A1 B1
γ
dx
C1
7.1.2.1 Schubspannungen
τ(r) = G γ(r), τt = G γ
aus der ersten Gleichung (7.5) die Schubspannung im Abstand r vom Kreismittel-
punkt
r
τ(r) = τt (7.6)
d/2
Mit τt ist hier die Randschubspannung bezeichnet, die nach Gl. (7.6) der Maximal-
wert aller Schubspannungen τ(r) ist.
Das resultierende Moment aller im Querschnitt wirkenden Schubkräfte τ(r) dA
ist dem Drehmoment gleich (Abb. 7.2)
d/2
Setzt man noch τ(r) aus Gl. (7.6) ein, ergibt sich
d/2
d/2
r τt
r τt dA = r2 dA = Mt . (7.8)
d/2 d/2
0 0
Beide Gleichungen sind in ihrem Aufbau mit denjenigen für die Biegespannungen
identisch, s. Abschnitt 4.2.1. Wie dort, definiert man auch bei der Torsion als (pola-
res) Widerstandsmoment gegen Torsion den Quotienten
Ip π
Wp = = d3 (7.11)
d/2 16
mit d/2 als Randabstand. Damit lautet der Ausdruck für die Randschubspannung
7.1 Torsion gerader Stäbe 203
r)
τ(
r
d
Mt
τt = . (7.12)
Wp
Diese größte Schubspannung soll die zulässige Spannung nicht überschreiten, und
man erhält als Festigkeitsbedingung
Mt
τzul . (7.13)
Wp
Aus dieser Gleichung folgen wieder wie bei der Biegung die Tragfähigkeit eines
Drehstabes (das zulässige Drehmoment)
Mt
Wp . (7.15)
τzul
In Abb. 7.7 ist die Schubspannungsverteilung nach Gl. (7.10) in den Kreisquer-
schnitt eingezeichnet. Aus dem Satz der zugeordneten Schubspannungen folgt, dass
in Längsschnittflächen senkrecht zum Querschnitt auch Schubspannungen vorhan-
den sein müssen. Ihr Vorhandensein kann man in einem Verdrehversuch nachweisen
(s. Abschnitt 7.1.5).
7.1.2.2 Torsionswinkel
Den Ausdruck GIp im Nenner der vorstehenden Beziehung nennt man analog zur
Biegesteifigkeit EIy die Torsionssteifigkeit. Sie hängt vom Werkstoff und vom Quer-
schnitt ab. Für die Torsion ist wie bei der Biegung nicht nur die Größe des Quer-
schnitts maßgebend, sondern vor allem seine Form.
Teilt man einen Torsionsstab mit Vollkreisquerschnitt in einen Kern mit dem Durch-
messer di und einen Kreiszylinder mit dem Innendurchmesser di und dem Außen-
durchmesser da , bleiben Spannungs- und Formänderungszustand gleich. Demzufol-
ge kann man den Kern entfernen und erhält einen Hohlstab. Wegen der Kreissym-
metrie gelten alle in den vorigen Abschnitten angestellten Überlegungen sinngemäß.
Gleichung (7.6) ergibt die Schubspannung im Abstand r zwischen Innen- und Au-
ßenradius
r
τ(r) = τt . (7.18)
da /2
Da nur der Ringquerschnitt für das
resultierende Drehmoment der Schubkräfte zur
Verfügung steht, ist in Gl. (7.8) r2 dA = Ip das polare Flächenmoment der Kreis-
ringfläche. Führen wir das Durchmesserverhältnis α = di /da ein, ist
π 4 π
Ip = (d − d4i ) = d4a (1 − α4) .
32 a 32
Für die größte Schubspannung am Außenrand erhalten wir
Mt da
τt = . (7.19)
Ip 2
τ(r)
τti
r
da
di
t
Mt di
τti = = α τt .
Ip 2
Mit dem Widerstandsmoment gegen Torsion
Ip π
Wp = = d3 (1 − α4) (7.20)
da /2 16 a
F F
s
ϕ
den Gelenken bei der Länge l = 2,5 m? Gegeben sind τzul = 30 N/mm2 sowie
G = 8,1 · 104 N/mm2 .
Lösung 7.1
Für die Bemessung benötigt man Gl. (7.15)
Gewählt wird d = 230 mm. Das höchstzulässige Drehmoment liefert Gl. (7.14)
π · (230 mm)3
Mt zul = Wp τzul = · 40 N/mm2 = 9,56 · 107 Nmm .
16
Die Leistung erhält man mit ω = 2πn aus der Beziehung
80 −1 Nmm Nm
P = Mt ω = 9,56 · 107 Nmm · π · s = 8 · 108 = 8 · 105 = 800 kW .
30 s s
7.1 Torsion gerader Stäbe 207
Mt 5 · 104 Nmm
Wp = = = 333 mm3
τzul 150 N/mm2
da 1
= √ .
1 − α4
3
d
Da die Massen bei gleicher Länge den Querschnitten proportional sind, kann man die Masseer-
sparnis aus einem Flächenvergleich ermitteln
Setzt man noch die oben erhaltene Beziehung für da /d ein, ist
dm 1 − α2
= 1− √ .
( 1 − α4 )2
3
m
1 Durchmesservergrößung da /d
2 Masseersparnis in %
2, 2
80
2, 0
1, 8 60
1, 6
2 40
1, 4
1, 2 1 20
1 0
0 0, 1 0, 2 0, 3 0, 4 0, 5 0, 6 0, 7 0, 8 0, 9 1
Durchmesserverhältnis α = di /da
eine Hohlwelle mit α = 0, 8, entnimmt man dem Bild da = 1, 19d = 119 mm, den Innendurch-
messer erhält man zu di = 0, 8da = 95 mm. Die dabei erzielte Masseersparnis ist etwa 49 %.
Aus der Darstellung in Abb. 7.10 ersieht man ferner, dass man durch dünnwandige Hohlquer-
schnitte beachtliche Masseersparnis erzielen kann. Weil sehr dünne Rohre bei der Torsion aus-
beulen, ist die Ersparnis aber begrenzt. Ein Aufbohren bis zum Verhältnis α = 0, 5 erfordert eine
Zunahme des Außendurchmessers um nur 2 % und ergibt eine Masseersparnis von annähernd 22%.
a) Das Drehmoment berechnen wir bei gegebenem Drehwinkel aus Gl. (7.17). Hierbei ist jedoch
zu beachten, dass der Durchmesser des Stabes sich sprunghaft ändert. Es gilt somit der Ansatz
l
l1 l1
D
mit Ip1 = (π/32)D4 = 7,95 cm4 und Ip2 = (π/32)d4 = 1,571 cm4 . Löst man nach dem
gesuchten Drehmoment auf, erhält man
Die Schubspannung erhält man aus Gl. (7.12) mit Hilfe der Gl. (7.11). Im Stabteil mit dem
Durchmesser D ist das Widerstandsmoment Wp = (π/16)D3 = 5,3 cm3 und die Schub-
spannung
Mt 2,035 · 105 Nmm
τt = = = 38,4 N/mm2 .
Wp 5,3 · 103 mm3
Im mittleren Stabteil ist Wp = (π/16)d3 = 1,517 cm3 und τt = 129,5 N/mm2 .
b) Über Gl. (7.17) berechnen wir für den neuen Stab das notwendige polare Flächenmoment
Ausgeführt wird der Durchmesser d = 25 mm mit Wp = 3 068 mm3 . Nunmehr ist die Schub-
spannung
2,035 · 105 Nmm
τt = = 66,3 N/mm2 .
3,068 · 103 mm3
Die mathematische Behandlung der Torsion von Stäben mit nicht kreisförmigem
Querschnitt ist erheblich schwieriger als die der Stäbe mit kreissymmetrischen
Querschnitten. Die Querschnitte der Stäbe bleiben, wie auch Versuche bestätigt ha-
ben, nicht eben. Es treten Querschnittsverwölbungen auf, die nicht vernachlässigt
werden dürfen. Mit elementaren Mitteln lassen sich somit Spannungen und Formän-
derungen nicht mehr erfassen. Eine Ausnahme bildet hier lediglich die Behand-
lung dünnwandiger geschlossener Hohlquerschnitte. Eine geschlossene Lösung ist
möglich, auf deren Herleitung jedoch verzichtet werden soll.
Durch Einführung entsprechender Querschnittgrößen lassen sich die Berech-
nungsgleichungen für Stäbe mit nicht kreisförmigem Querschnitt auf ähnliche Form
bringen, wie die für Stäbe mit kreissymmetrischem Querschnitt, s. Gln. (7.12),
(7.16) und (7.17)
Mt
τt = , (7.21)
Wt
210 7 Torsion prismatischer Stäbe
Mt l
ϕ= . (7.22)
GIt
Ersetzt man in Gl. (7.22) das Drehmoment Mt mit Hilfe der Gl. (7.21), ist auch
τt lWt τt l
ϕ= = . (7.23)
GIt GIt /Wt
Das Produkt GIt ist wieder die Torsionssteifigkeit. In der Tabelle 7.1 sind die Be-
ziehungen für die drei angegebenen Größen für die wichtigsten Querschnittformen
zusammengestellt.
Die Schubspannung τt ist die in dem jeweiligen Querschnitt vorkommende ma-
ximale Schubspannung, so dass wieder die der Gl. (7.13) entsprechende Festigkeits-
bedingung gilt
Mt
τzul . (7.24)
Wt
Besonderheiten bei den einzelnen Querschnittformen sollen im folgenden kurz be-
sprochen werden:
in
dünnwandiger geschlossener 4A2m 2A Am - Inhalt der von der Mit-
tm Hohlquerschnitt mit veränder- 2Am tmin dU m
dU tellinie umgrenzten Fläche
licher Wanddicke tmin
t
t t
7.1 Torsion gerader Stäbe
a
Endpunkten der kleinen Ach-
Ellipse π π a3 b3 a2
ab2 2
b se, Schubspannung in den
n = a/b 1 16 16 a2 + b2 a + b2 Endpunkten der großen Ach-
se ist τ2 = τt /n
b
211
7 Torsion prismatischer Stäbe
n = h/b 1 η1 η2 η1 , η2 , η3 τ2 = η3 τt ,
s. Tabelle 7.2 s. Tabelle 7.2 Tabelle 7.2 (η3 s. Tabelle 7.2)
in den Ecken ist
τt = 0
b
größte Spannungen τt in den
gleichseitiges Drei- a3 a4 a Mitten der Seiten, in den
eck 20 46, 2 2, 31 Ecken ist τt = 0
a
bi
dünnwandige offene
größte Spannungen τt in der
hi hi bi3 1 Mitte der größten Seite des
Querschnitte (Walz- 1 hi bi3 bmax
hi 3 bmax 3 Rechtecks mit der größten
träger usw.)
Dicke bmax
bi
212
7.1 Torsion gerader Stäbe 213
Tabelle 7.2 Konstanten bei der Torsion von Stäben mit Rechteckquerschnitt
n 1 1,5 2 3 4 6 8 10 ∞
η2
0,675 0,852 0,927 0,978 0,989 0,997 1,000 1,000 1,000
η1
τt t
tm
in
a) b)
4 Die mathematische Behandlung der Torsion (S T. V ENANT ) führt auf die Potentialgleichung für
die Verwölbung, die eine Analogie mit der Potentialgleichung der Strömungslehre für reibungs-
freie, inkompressible Strömung erkennen lässt (Strömungsgleichnis). Die Schubspannungen ent-
sprechen der Strömungsgeschwindigkeit in einem Gefäß mit der gleichen Querschnittform wie der
Torsionsstab, in der eine reibungsfreie, inkompressible Flüssigkeit zirkuliert. Die Strömungslinien
entsprechen den Schubspannungslinien, das sind gedachte Verbindungslinien hintereinanderlie-
gender Schubspannungen.
214 7 Torsion prismatischer Stäbe
h
b
1, 5b
b
7.1.4.2 Rechteck
Die Ecken eines Rechteckquerschnitts sind frei von Schubspannungen, man darf
sie deshalb abrunden, ohne dass der Torsionsstab dadurch wesentlich geschwächt
wird. Die Schubspannungsverteilung entlang einer Rechteckseite ist annähernd pa-
rabelförming (Abb. 7.14 a). Ist jedoch das Seitenverhältnis n = h/b > 3 (langge-
strecktes Rechteck), dann ändern sich die Schubspannungen im mittleren Bereich
der langen Seiten nicht, erst in der Entfernung 1, 5b von den Ecken nehmen die
Schubspannungen parabelförmig auf Null ab (Abb. 7.14 b).
Das angegebene Berechnungsverfahren ist eine grobe Näherung und gilt nur für
völlig freie Torsion, d. h. ohne Einspanneffekt, der die freie Längsverschiebung be-
hindern würde. Man denkt sich den Querschnitt aus einzelnen Teilrechtecken zu-
sammengesetzt, deren Seitenverhältnis i. Allg. größer als 10 ist. In der Praxis sind
derartige Torsionsstäbe immer angeflanscht (geschraubt, genietet oder geschweißt),
und es treten erhebliche Abweichungen der Schubspannungen und Verformungen
von den errechneten Werten auf.
Beispiel 7.6 (Zulässige Drehmomente, Torsionswinkel).
Zulässige Drehmomente und Torsionswinkel von Torsionsstäben mit verschiede-
nen Querschnitten gleichen Flächeninhalts nach Tabelle 7.1 sind zu berechnen
und mit denen für Kreis- und Kreisringquerschnitt zu vergleichen. Gegeben sind
τzul = 120 N/mm2 , l = 1 000 mm, A = 800 mm2 , G = 8,1 · 104 N/mm2 .
Lösung 7.6
Es empfiehlt sich, die Rechnung für dieses Beispiel tabellarisch durchzuführen, sie ist in Tabel-
le 7.3 zusammengestellt. In der letzten Spalte sind die Federkonstanten, s. Gl. (7.27) mit aufge-
nommen worden, die einen besseren direkten Vergleich der verschiedenen Formen gestatten. Die
Bezugsgröße ist gleiches Materialgewicht, da Al = const. Geschlossene dünnwandige Hohlprofi-
le ertragen die höchste Belastung und haben die größte Steifigkeit. Von den Vollquerschnitten hat
der Kreisquerschnitt die größte Steifigkeit, während durch das Längsschlitzen eines Hohlprofils ge-
genüber dem geschlossenen die Steifigkeit ganz erheblich abnimmt. Offene Hohlprofile sind also
7.1 Torsion gerader Stäbe 215
sehr verdrehweich! Die Berechnungen wurden unter Nutzung folgender Gleichungen ausgeführt
τzul l Mt
Mt zul = Wt τzul , ϕ= cϕ = .
GIt /Wt ϕ
a) Für n = h/b = 8 entnimmt man Tabelle 7.2 die Konstanten η1 = η2 = 0, 307. Somit ist
Mt 2 · 106 Nmm
τt = = = 101,8 N/mm2 .
Wt 19,65 · 103 mm
b) Mit It = η2 nb4 = 39,3 cm4 erhält man den Drehwinkel aus Gl. (7.22)
c) Gleiche Drehsteifigkeit bedeutet bei gleichem Material und gleicher Länge auch gleicher Dreh-
winkel. Dann ist für den Kreisquerschnitt Ip = It = 393 · 103 cm4 . Daraus erhält man den
Durchmesser √4
d = 4 (32/π)Ip = 400 · 10 mm = 44,7 mm .
da
7.1 Torsion gerader Stäbe 217
15 r
Abb. 7.16 Drehstab
0,
∅10, 8
∅9
l1 = 120 poliert l2 = 150
– Abscheren und Aufreißen in Richtung der Stabachse bei gewalztem zeiligen Fe-
derstahl und bei in Faserrichtung herausgearbeiteten Holzstäben. Diese Tatsache
ist ein Beweis für das Vorhandensein von Schubspannungen in Längsrichtung.
Das über die Sicherheit und die zulässige Spannung im Kapitel 3 Gesagte gilt hier
sinngemäß.
Bei dynamischer Beanspruchung ist die Sicherheit
τD
SD = (7.25)
o k βk τ n
und die zulässige Spannung
τD
τzul = .
ok βk SD
Beispiel 7.8 (Welle).
Eine Welle aus E360 (D = 40 mm) mit der polierten Querbohrung (d = 8 mm) hat
(ohne Biegung) das wechselnde Drehmoment Mt = 650 Nm aufzunehmen. Die Si-
cherheit gegen Dauerbruch ist zu berechnen.
Lösung 7.8
Mit dem Verhältnis d/D = 0, 2 ist
π 3
Wt = (1 − 0, 18) D = 0,82 · 12,57 cm3 = 10,3 · 103 mm3
16
und die Nennschubspannung
Mt 65 · 104 Nmm
τn = = = 63,1 N/mm2 .
Wt 10,3 · 103 mm3
Dem Buch [45] entnimmt man die Formzahl αk = τk /τn = 1, 5. Mit ηk = 0, 6 (Tabelle 3.1) ist
die Kerbwirkungszahl
βk = 1 + (αk − 1)ηk = 1, 3 .
Dem Dauerfestigkeitsschaubild für E360 entnimmt man die Wechselfestigkeit τtW = 190 N/mm2 .
Nunmehr ergibt sich aus Gl. (7.25) mit ok = 1 die Sicherheit
190 N/mm2
SD = = 2, 32 .
1, 3 · 63,1 N/mm2
Beispiel 7.9 (Abgesetzte Welle).
Die abgesetzte Welle (schematisch in Abb. 7.16 gezeichnet) ist wechselnd auf Tor-
sion beansprucht. Wie groß darf der zwischen den Enden gemessene Drehwinkel
höchstens sein, wenn zweifache Sicherheit gegen Dauerbruch gewährleistet sein
soll? Wie groß ist dann das Drehmoment? Gegeben sind: Werkstoff E335 mit
ηk = 0, 5 (Tabelle 3.1) und G = 8 · 104 N/mm2 .
7.1 Torsion gerader Stäbe 219
Lösung 7.9
Maßgebend für das Drehmoment Mt Wp τzul ist der kleine Durchmesser am Übergang. Aus
[22] entnimmt man mit t/ρ = 0,90 mm/0,15 mm = 6 und a/ρ = 4,5 mm/0,15 mm = 30 die
Formzahl αk = 2, 14. Die Kerbwirkungszahl ist dann βk = 1, 57. Mit τtW = 160 N/mm2 und
Wp = (π/16)d3 = 143,1 mm3 erhält man dann für ok = 1
ist
Mt l1 l2 7,3 · 103 Nmm 120 mm 150 mm
ϕ + = +
G Ip1 Ip2 8 · 104 N/mm2 0,134 · 104 mm4 0,064 · 104 mm4
= 0, 0294 = 1,69◦ .
Wie bei der Biegung ist wegen der ungleichförmigen Spannungsverteilung bei
der Verdrehung eines Stabes die spezifische Formänderungsarbeit ΔW = τ2 /2G,
Gl. (7.2), eine Funktion der Stabkoordinaten. Da der Verlauf der Schubspannun-
gen nur bei kreissymmetrischen Querschnitten exakt bekannt ist, wollen wir uns
zunächst darauf beschränken.
In einem Element dV = dA dx ist dann die Formänderungsarbeit
τ2
dW = ΔWdV = dV .
2G
Die gesamt Formänderungsarbeit erhält man durch Integration über das Volu-
men. Für den allgemeinsten Fall des mit der Stabachse x veränderlichen Drehmo-
ments und bei schwach veränderlichem Querschnitt ist mit τ = [Mt (x)/Ip (x)]r die
Formänderungsarbeit
l
1 M2t (x) 2
W= r dA dx .
2 GI2p (x)
0
Alle von x abhängigen Faktoren in vorstehender Gleichung können vor das innere
Integral gezogen werden (s. auch Abschnitt 5.3)
220 7 Torsion prismatischer Stäbe
l
1 M2t (x)
W= r2 dA dx .
2 GI2p (x)
0
Nach Gl. (4.7) ist r2 dA = Ip (x) das polare Flächenmoment des Querschnitts und
man erhält
l
1 M2t (x)
W= dx .
2 GIp (x)
0
Bei einem Stab mit konstantem kreissymmetrischem Querschnitt und gleichem Ma-
terial ist die Torsionssteifigkeit GIp konstant. Dann ist
l
1
W= M2t (x)dx .
2GIp
0
Ist insbesondere auch das Drehmoment über die Länge l konstant, erhält man
schließlich
M2t l
W= . (7.26)
2GIp
Nach dem Energiesatz folgt durch Vergleich mit der Arbeit des äußeren Moments
W = (1/2)Mt ϕ der Torsionswinkel ϕ, s. Gl. (7.17)
Mt l
ϕ= .
GIp
Daraus folgt
Mt 2l1 l − 2l1
ϕ= + .
G Ip1 Ip2
Ebenso häufig wie Biegefedern kommen in der Praxis des Maschinenbaus Torsions-
federn (auch Drehstabfedern genannt) mit kreisförmigem oder beliebigem Quer-
schnitt vor. Die Torsionsfederkonstante einer Torsionsstabfeder mit überall glei-
chem beliebigen Querschnitt ist mit Gl. (7.22)
Mt GIt
cϕ = = . (7.27)
ϕ l
7.1 Torsion gerader Stäbe 221
Ist eine Torsionsstabfeder wie in Abb. 7.9 b) eingespannt, dann erfährt die Kraft
F am Hebel R die Verschiebung s. Mit Mt = FR, s = ϕR und der Federkonstante
c = F/s ist
FR2
cϕ = = cR2
s
und somit
cϕ GIt
c= 2 = 2. (7.28)
R lR
Die Formänderungsarbeit in Federn kann allgemein durch die Beziehung
W = ηF ΔWV
angegeben werden (s. a. Abschnitt 2.2.2), ηF ist die Raumzahl (auch Gütezahl) der
Feder und V das wirksame Federvolumen. Die spezifische Formänderungsarbeit der
größten (Nenn-) Schubspannung τt ist ΔW = τ2t /2G. Mit τt = Mt /Wt erhält man
M2t
ΔW = .
2GWt2
Durch Vergleich mit Gl. (7.26), deren Gültigkeit wir auch auf beliebige Querschnitt-
formen übertragen und in der wir Ip durch It ersetzen, findet man eine Beziehung
für die Raumzahl der Drehstabfeder
W W2l
ηF = = t (7.29)
ΔWV It V
oder mit dem Federvolumen V = lA
Wt /A
ηF = . (7.30)
It /Wt
2W 54 · 104 Nmm
Mt = = = 344 · 104 Nmm .
ϕ 0, 157
Gleichung (7.11) ergibt das Widerstandsmoment
Diesem Wert entspricht der Durchmesser d = 35 mm mit Ip = 14,73 cm4 . Die notwendige
Schaftlänge erhält man aus Gl. (7.17)
Wie auch bei der Biegung erfolgt die Bemessung eines Drehstabes i. Allg. auf Grund
der zulässigen Spannung. Getriebewellen, Steuerstangen usw. dürfen jedoch nur
sehr geringe Drehverformungen aufweisen, so dass eine Festigkeitsrechnung unter
Umständen zu geringe Abmessungen ergeben kann. Mit Rücksicht auf ihre Ver-
formung sind solche Bauteile dann manchmal wesentlich steifer auszuführen. Der
zulässige Torsionswinkel wird auf die Längeneinheit bezogen angegeben und ist für
Triebwerkswellen
ϑzul = ϕzul /l 0,25◦ /m .
Wegen der verschiedenen Einflüsse kann man keine allgemein gültigen Beziehun-
gen aufstellen. Die Problemstellung soll an den folgenden Beispielen aufgezeigt
werden.
Beispiel 7.13 (Welle).
Die Welle eines Schiffsantriebes soll so bemessen werden, dass der Torsionswin-
kel ϑzul = 0,25◦ /m und die Schubspannung τzul = 30 N/mm2 nicht überschritten
werden. Gegeben sind Mt = 1,71 · 105 Nm, l = 12 m, G = 8,2 · 104 N/mm2 .
7.1 Torsion gerader Stäbe 223
Lösung 7.13
Die Verformungsbedingung Gl. (7.17) ergibt das erforderliche polare Flächenmoment
π
Die Festigkeitsbedingung Gl. (7.15) liefert
Mt 1 000 Nmm
Wt = = 10 mm3 .
τzul 100 N/mm2
Bezeichnen wir die Seitenlänge des Quadrates mit a und entnehmen wir der Tabelle 7.2 mit
n = a/b = 1 die Konstante η1 = 0, 209, ergibt Tabelle 7.1 Wt = η1 a3 . Durch Vergleich
√
folgt a = Wt /η1 = 3 47, 8 mm = 3,63 mm. Aus der Verformungsbedingung berechnen wir
3
Mt 1 000 Nmm
It = = 1 415 mm4 .
Gϑzul 8,1 · 104 N/mm2 · 0,872 · 10−5 mm−1
Mit It = η2 a4 und η2 = 0, 141 folgt a = 10 mm. In diesem Fall ist die Verformung maßgebend,
denn für a = 10 mm ist die Schubspannung nur noch etwa 5 N/mm2 und somit unbedeutend.
224 7 Torsion prismatischer Stäbe
Wird ein Stab (Draht) räumlich nach Art einer Schraubenlinie gewunden, erhält
man ein in der Technik sehr häufig vorkommendes Bauelement, die Schraubenfeder
(Abb. 7.17). Ist der Durchmesser jeder Windung gleich groß, dann nennt man die
Schraubenfeder zylindrisch. Bei Kegelstumpffedern nimmt der Durchmesser nach
Form eines Kegelstumpfes ab. Im folgenden soll nur die zylindrische Form behan-
delt werden.
Die Wirkungslinie der belastenden Kraft F fällt i. Allg. mit der Federachse zu-
sammen. Sie kann die einzelnen Windungen zusammendrücken (Druckfeder) oder
auseinanderziehen (Zugfeder). Der Drahtquerschnitt ist vielfach kreisförmig, wird
aber auch häufig quadratisch oder rechteckig gestaltet. Ein ebener Querschnitt senk-
recht zur gekrümmten Stabachse wird durch eine Normalkraft, eine Querkraft, ein
Biegemoment und ein Drehmoment beansprucht. Bei den üblichen kleinen An-
stiegwinkeln α kann man Normalkraft und Biegemoment gegenüber Querkraft und
Drehmoment vernachlässigen, bei nicht zu kleinen Windungsradius kann auch die
Querkraft vernachlässigt werden. Eine zylindrische Schraubenfeder wird also nur
auf Torsion berechnet.
Mit dem Drehmoment Mt = FR cos α ≈ FR ist die Schubspannung im Drahtquer-
schnitt nach Gl. (7.21)
Mt FR
τt = = . (7.31)
Wt Wt
Bei Kreisquerschnitt ist Wt = Wp . Infolge der Krümmung der Stabachse wird je-
doch die Schubspannung nach Gl. (7.31) an der dem Krümmungsmittelpunkt zuge-
wandten Seite vergrößert
R
α
Federachse
FR
τi = ki (7.32)
Wt
und an der gegenüberliegenden Seite verkleinert
FR
τa = ka . (7.33)
Wt
Die von der Stabkrümmung abhängigen Faktoren ki und ka wollen wir abschätzen
(Abb. 7.18). Für ein gerades Stabelement mit der Länge Δl ist nach Gl. (7.23) der
Torsionswinkel
τt Δl
ϕ= .
GIt /Wt
Löst man nach der Schubspannung τt auf, erhält man
It 1
τt = ϕG .
Wt Δl
Geht man von der Überlegung aus, dass sich am gekrümmten Stabteil im Mittel der
gleiche Drehwinkel ergibt, dann ist an der Innenseite
It 1
τi = ϕG .
Wt Δli
Setzen wir beide Spannungen ins Verhältnis zueinander, folgt
τi Δl Rβ R
= = =
τt Δli Ri β Ri
und
R
ki = > 1.
Ri
Ra
R
i
R
Δla
Δli
Δl
β
Ra Ra
a) b) c)
Ri
h
Ri h
b
d
b
Ri
R
R
Ra R
Entsprechend ist
R
ka = < 1.
Ra
Für die Federberechnung ist die maximale Spannung wichtig, also der Faktor ki .
In Abb. 7.19 sind die drei wichtigsten Bauformen der Schraubenfedern im
Schnittbild dargestellt. Als Maß für die Krümmung der Stabachse wird das Win-
dungsverhältnis ξ definiert, für Kreisquerschnitt (Abb. 7.19 a) ξ = d/2R, für hoch-
gestelltes Rechteck (Abb. 7.19 b) ξ = b/2R und für flachgestelltes Rechteck (Abb.
7.19 c) ξ = h/2R. Da der Faktor ki mit wachsendem ξ stark ansteigt, soll das Win-
dungsverhältnis einer Schraubenfeder ξ 1/4 sein.
Mit Hilfe der Umrechnung Ri = R − d/2 (oder R − b/2 bzw. R − h/2) kann man
die Faktoren ki für alle 3 Federformen auf die gleiche Form bringen
R 1
ki = = . (7.34)
Ri 1 − ξ
Dies ist insofern von Bedeutung, als bei der Bemessung einer Schraubenfeder die
Maße vorab nicht festliegen und man ξ besser schätzen kann als etwa d oder R.
Als Festigkeitsbedingung folgt aus Gl. (7.32)
FR
ki τzul . (7.35)
Wt
τzul ist die zulässige Schubspannung für den geraden Stab.
Bei der Federberechnung spielt neben der Spannung vor allem auch die Verfor-
mung eine große Rolle. Durch die in Richtung der Federachse wirkende Kraft F
werden die Abstände der einzelnen Windungen zueinander verändert. Je nach Bau-
7.2 Torsionsbeanspruchung gekrümmter Stäbe 227
form und Anzahl der Windungen können Schraubenfedern relativ große Federwege
ausführen.
Bezeichnen wir den Federweg mit s, erhält man eine Abschätzung mit dem An-
satz s = Rϕ. Dabei ist ϕ der Torsionswinkel des geraden Stabes unter dem Einfluss
des Torsionsmoments Mt = FR. Mit Gl. (7.22) erhält man
F R2
s= l.
G It
Hier ist l die (abgewickelte) Länge des Federdrahtes. Ist i die Anzahl der tragenden
Windungen (rechnerische Windungszahl), ist l ≈ 2πRi. Die tatsächliche Windungs-
zahl ist i. Allg. um 1,5. . . 2 (nichttragende) Windungen größer als die rechnerische.
Somit erhalten wir für den Federweg die Beziehung
2πiR3
s= F. (7.36)
GIt
Als Beurteilungsgröße für eine Feder ist die Federkonstante wichtig
F GIt
c= = . (7.37)
s 2πiR3
Kombinieren wir Gl. (7.35) mit Gl. (7.36), erhält man eine weitere Beziehung für
den Federweg, die manchmal für die Rechnung nützlich ist
2πiR2
szul = τzul . (7.38)
ki GIt /Wt
Für die Bemessung einer Feder sind i. Allg. die Querschnittabmessungen, der Fe-
derradius R und die Windungszahl i gesucht. Für diese drei Größen stehen nur zwei
Bestimmungsgleichungen, Gl. (7.35) und Gl. (7.36), zur Verfügung. Eine der drei
gesuchten Größen muss somit zunächst geschätzt werden. Besser ist es jedoch, ein
Windungsverhältnis ξ anzunehmen. Oft muss die Rechnung wiederholt werden, bis
die Größen aufeinander und auf den Verwendungszweck (Einbaumaße) abgestimmt
sind (s. Beispiel 7.15). Schraubenfedern werden von den Herstellern in Typenreihen
hergestellt. Man findet meist für jeden Zweck eine passende Größe. Nomogramme
erleichtern die Federberechnung [22].
In der Tabelle 7.4 sind die wichtigsten Gleichungen für die Federberechnung
der drei Bauformen zusammengestellt. Beim flachgestellten Rechteck ist zu beach-
ten, dass die kleinere Rechteckseite der Federachse am nächsten liegt. Nach Tabel-
le 7.2 ist in deren Mitte die Spannung bei gerader Stabachse die Schubspannung
τ2 = η3 Mt /Wt und somit bei gekrümmter Achse
Mt
τi = η3 ki .
Wt
228 7 Torsion prismatischer Stäbe
8ki F ki F η3 k i F
d, b , η3 k i > 1
πξτzul 2η1 nξτzul 2η1 ξτzul
F
, η3 k i 1
2η1 ξτzul
2πiR3 2πiR3
s F F
GIp GIt
π 4
Ip , It d η2 nb4
32
64iR3 2πiR3
s F F
Gd4 Gη2 nb4
F Gd4 Gη2 nb4
c=
s 64iR3 2πiR3
4πiR2 2πiR2 τzul 2πiR2 τzul
szul τzul , η3 k i > 1
ki Gd ki (Gη2 /η1 )b η3 ki G(η2 /η1 )b
2
2πiR τzul
, η3 k i 1
G(η2 /η1 )b
0, 5 η21 η21
ηF , η3 k i > 1
k2i η2 k2i η2 (η3 ki )2
η21 /η2 , η3 ki 1
Einbaulänge lE
Druckfeder (1, 1i + 2)d + s (1, 1i + 2)h + s (1, 1i + 2)b + s
Zugfeder (i + 2)d (i + 2)h + x (i + 2)b + x
(Windungen x - fertigungsbedingter Abstand
anliegend) zwischen den Windungen
7.2 Torsionsbeanspruchung gekrümmter Stäbe 229
Für ein kleines Windungsverhältnis ξ und bei schmalen Rechtecken kann η3 ki < 1
werden. Die größte Spannung ist somit in der Mitte der langen Rechteckseite. In
die Tabelle wurden die Einbaulängen lE der Federn im ungespannten Zustand mit
aufgenommen.
Beispiel 7.15 (Zylindrische Schraubendruckfeder).
Eine zylindrische Schraubendruckfeder mit Kreisquerschnitt soll für die Federkraft
F = 2 kN bei einem Federweg s = 100 mm bemessen werden. Gegeben sind die fol-
genden Kennwerte: die zulässige Schubspannung τzul = 400 N/mm2 und der Schub-
modul G = 8,1 · 104 N/mm2 . Gesucht sind Drahtdurchmesser d, Windungsradius
R und Windungszahl i.
Lösung 7.15
Für eine erste Berechnung nehmen wir ξ = 0, 2 an, dann ist nach Gl. (7.34) ki = 1/(1 − 0, 2) =
1, 25. Der Tabelle 7.4 entnehmen wir
8ki F 8 · 1, 25 · 2 000 N
d= = 2
= 79, 6 mm = 8,92 mm .
πξτzul π · 0, 2 · 400 N/mm
Die Windungszahl i folgt mit c = F/s = 20 N/mm aus der Tabelle 7.4
Der Außendurchmesser ist D = 2R + d = 54 mm. Würde die Feder in einer Hülse geführt werden
können (oder auf einem Dorn), könnten wir die Maße beibehalten, frei belastet würde sie jedoch
ausknicken. Für eine nochmalige Rechnung wählen wir ξ = 0, 1 und erhalten mit dem gleichen
Rechenweg wie oben
Lösung 7.16
a) Mit n = 1, 25 entnimmt man der Tabelle 7.2 den (interpolierten) Wert η2 = 0, 17. Tabelle 7.4
ergibt
erhalten wir
FR 104 N · 61 mm
τi = ki = 1, 196 = 332 N/mm2 .
Wt 2,2 · 103 mm3
c) Die Gütezahl entnehmen wir Tabelle 7.4
η21 0, 222
ηF = = = 0, 199 ≈ 20% .
2
η2 k i 0, 17 · 1, 1952
F 1 000 N N
c= = = 16 .
s 62,5 mm mm
Aus Tabelle 7.4 folgt die Windungszahl
FR 1 000 N · 30 mm N
τi = η3 ki = 1, 118 = 236 .
Wt 142 mm3 mm2
7.3 Aufgaben zu Kapitel 7 231
Aufgabe 7.2 (Torsionsfeder mit Kreisquerschnitt). Für ein Messinstrument ist ei-
ne gerade Torsionstabfeder mit Kreisquerschnitt zu entwerfen. Bei dem Torsions-
moment Mt = 0,8 Nm beträgt der Torsionswinkel ϕ = 50◦ , τzul = 500 N/mm2 ,
G = 8,1 · 104 N/mm2 . Zu berechnen sind Durchmesser d, Länge l und Formände-
rungsarbeit W.
Aufgabe 7.6 (Träger). Der Träger mit dem Querschnitt nach Abb. 7.20 ist auf Tor-
sion beansprucht. Es sind zu berechnen (G = 8,1 · 104 N/mm2 ):
232 7 Torsion prismatischer Stäbe
7
70
Abb. 7.20 Querschnitt eines
Torsionsstabes 70
F = 2 kN, R = 250 mm, l = 400 mm, τzul = 250 N/mm2 , G = 8 · 104 N/mm2 .
Man berechne
a) die Abmessungen (aufgerundet),
b) die Verschiebung s unter der Last (Hebel R starr),
c) die Federkonstante c = F/s,
d) die Formänderungsarbeit W.
Die Massen sind miteinander zu vergleichen.
Aufgabe 7.8 (Abgesetzte Welle). Die abgesetzte Welle (Abb. 7.21) ist wechselnd
durch das Torsionsmoment Mt = 1,2 kNm beansprucht. Man berechne die Sicher-
heit gegen Dauerbruch und den Torsionswinkel über die ganze Länge. Gegeben
sind: Werkstoff Stahl mit τtW = 320 N/mm2 , ηk = 0, 8 und G = 8 · 104 N/mm2 .
1r
∅36
∅40
∅50
poliert
Abb. 7.21 Torsionsstab mit 500
900
Längsbohrung
7.3 Aufgaben zu Kapitel 7 233
Aufgabe 7.9 (Federwaage). Für eine Federwaage ist eine Zugfeder als zylindri-
sche Schraubenfeder aus Stahldraht (zulässige Schubspannung τzul = 500 N/mm2
und Schubmodul G = 8 ·104 N/mm2 ) mit Kreisquerschnitt zu entwerfen. Höchstlast
F = 300 N, Anzeigegenauigkeit 0,2 mm/N, ξ = 0, 2. Man berechne
a) Drahtdurchmesser d, Windungsradius R, Windungszahl i,
b) die Einbaulänge (Windungen berühren sich im entspannten Zustand),
c) die notwendige Drahtlänge.
τ = G γ,
• Schubspannungsverteilung
Mt
τ(r) = r,
Ip
• Widerstandsmoment gegen Torsion
Ip π
Wp = = d3 ,
d/2 16
• Torsionswinkel
τt l
ϕ = dϕ = ,
Gd/2
• Formänderungsarbeit
M2t l
W=
2GIp
Kapitel 8
Schubbeanspruchung durch Querkräfte
Greifen zwei Kräfte F quer zur Längsachse des Stabes (Abb. 8.1) mit dicht neben-
einander liegenden Wirkungslinien an, treten in dem dazwischen liegenden Quer-
schnitt Schubspannungen auf, die man auch als (Ab-)Scherspannung τa bezeichnet.
Diese Art der Beanspruchung tritt z. B. in Nieten, Bolzen, Scherstiften, Kleb- und
Schweißverbindungen und beim Schneiden oder Stanzen von Blechen auf. Der hier-
durch ausgelöste komplexe Spannungszustand (neben Schubspannungen können
auch Zug-, Druck- und Biegespannungen auftreten) braucht bei praktischen Berech-
nungen nicht erfasst zu werden, da die übrigen Spannungen i. Allg. vernachlässigbar
klein gegenüber den Schubspannungen sind.
Die vereinfachende Annahme, dass die Schubspannungen im Querschnitt gleich-
mäßig verteilt sind1 , führt auf die Beziehung
F
τa = (8.1)
A
A τa
1Dies bedeutet einen Widerspruch zu dem Satz der zugeordneten Schubspannungen τxy = τyx ,
den man aber hinnimmt.
235
F F
60
d
s
B
mit der Festigkeitsbedingung τa τzul . F ist die scherende Kraft und A die Scher-
fläche. Bei Presspassungen in Niet-, Stift- und Scherverbindungen vernachlässigt
man den Einfluss der Biegung, Abb. 1.4 a) und b), bei Spiel zwischen Stift oder
Bolzen und Bohrung kann der Einfluss der Biegung jedoch erheblich sein (s. Bei-
spiel 8.4).
Um zwischen den tatsächlichen Verhältnissen und der durch die Gl. (8.1) ausge-
drückten Annahme möglichst Übereinstimmung zu erzielen, untersucht man Werk-
stoffproben unter gleichen Bedingungen im Scherversuch und ermittelt so die Scher-
festigkeit τaB . Für duktile Metalle ist τaB ≈ 0, 8Rm , für Gusseisen ist τaB ≈ Rm und
τzul = τaB /S.
Beispiel 8.1 (Knotenblech).
An ein Knotenblech sind zwei Flachstäbe angenietet (Abb. 8.2). Die Verbindung
ist durch die Zugkraft F = 120 kN beansprucht. Zu berechnen sind der erforderliche
Nietdurchmesser d1 (τzul = 100 N/mm2 ) und die Flächenpressung (Lochleibungs-
druck) zwischen Niet und Knotenblech.
Lösung 8.1
Zur Berechnung des Nietdurchmessers nimmt man an, dass jeder Niet gleichmäßig belastet ist,
bei drei Nieten je mit F/3. Jeder Niet hat zwei wirksame Scherflächen (zweischnittige Nietverbin-
dung), also ergibt Gl. (8.1)
F/3
τa = τzul .
2A1
Somit ist A1 = 4 · 104 N/(2 · 100 N/mm2 ) = 200 mm2 und der Nietdurchmesser d1 = 16 mm.
Gewählt wird 17 mm. Die Flächenpressung erhält man (s. Abschnitt 2.4.2) aus
F/3 4 · 104 N
p= = = 117,5 N/mm2 .
sd1 20 mm · 17 mm
a) Welche Zugkraft kann die Rohrverbindung mit Rücksicht auf Abscheren aufneh-
men (τzul = 140 N/mm2 )?
b) Beide Rohre sollen miteinander verklebt werden. Wie groß muss die Klebelänge
l bei gleicher Zugkraft mindestens sein (τzul = 10 N/mm2 )?
8.1 Einfache Scherung 237
∅100
∅80
∅50
∅80
∅15
Lösung 8.2
a) Bei zwei Scherflächen ist F = 2Aτzul = 2 · (π/4) · (15 mm)2 · 140 N/mm2 = 49,5 · 103 N.
b) Mit d = 80 mm ist die Klebefläche A = πdl. Aus Gl. (8.1) ergibt sich dann die notwendige
Klebelänge
F 49,5 · 103 N
l= = = 19,7 mm .
πdτzul π · 80 mm · 10 N/mm2
F 4 · 104 N
b = = 13,3 mm .
σzul d 100 N/mm2 · 30 mm
a) b)
F = 40 kN F = 80 kN
F = 40 kN
∅30
d
c)
F
b
2F
3
4
90
b
3
2
F
Das auf den Bolzen wirkende Kräftesystem (Abb. 8.4 b) kann man durch die in den Laschen-
mitten wirkende Einzelkräfte (Abb. 8.4 c) ersetzen. Für die Biegebeanspruchung des Bolzens erhält
man so den ungünstigeren Fall. Mit Mb max = F · 3b/4 = 4 · 104 N · 3 · 14 mm/4 = 42 · 104 Nmm
und Wb = (π/32)(30 mm)3 = 2,65 · 103 mm3 ist die Biegespannung
F 4 · 104 N
p= = = 190,5 N/mm2 .
db/2 30 mm · 7 mm
Man sieht, dass die Schubbeanspruchung für eine Laschenverbindung in diesem Fall von unterge-
ordneter Bedeutung ist, Biegebeanspruchung des Bolzens und Flächenpressung sind zu groß. Im
Allgemeinen ist pzul ≈ σzul , die Laschenverbindung ist für
F = 20 kN . . . 25 kN
richtig dimensioniert.
F1
1
τ=0 3
3 τq
Mby (x)
x
τl
Fq (x)
τ=0
z
FA 2
x
unteren Ecke 1 und 2 des Querschnitts (Abb. 8.5) die Schubspannungen senkrecht
zur Oberfläche Null sein müssen, da die Oberfläche des Balkens unbelastet ist, also
dort auch keine Schubspannungen wirken. Weiter folgt aus dem Satz, dass Schub-
spannungen τl = τq in Längsschnitten parallel zur Nullfaser auftreten (z. B. Faser
3 in Abb. 8.5). Durch Vergleich der Verformung eines massiven Holzbalkens (Abb.
8.6 a) mit der eines lose aufeinanderliegenden Bretterstapels (Abb. 8.6 b) unter Ein-
wirkung einer Kraft F kann man das Auftreten der Längsschubspannungen τl an-
schaulich erklären. Die relative Verschiebung der einzelnen Bretter zueinander kann
nur durch Schubkräfte verhindert werden. An den freien Oberflächen können keine
Schubkräfte übertragen werden, dort müssen die Schubspannungen verschwinden.
Eine gleichmäßige Verteilung der Schubspannungen über einen Querschnitt, wie
sie in Abschnitt 8.1 angenommen wurde, kann also nur eine Näherung sein, die hier
nicht zutrifft.
Die Resultierende aller Schubkräfte τq dA ist die Querkraft Fq (x)
τq dA = Fq (x) .
a) F b) F
a) b)
x S
h
y b(z)
τl τh
τq τq
τq τr
σb (x) x dx σb (x + dx) z
z
0
Abb. 8.7 Zur Herleitung der Näherungslösung für die Schubspannung
a) Teilstück eines Balkens mit eingezeichneten Normal- und Schubspannungen
b) Ansicht eines beliebig gestalteten, einfach symmetrischen Querschnitts
dMb (x)
Fq (x) = .
dx
Das Abb. 8.7 a) zeigt, dass die Differenz der Normalkräfte in der linken und rechten
Schnittfläche des Teilstücks nur durch die Schubkraft im Längsschnitt ausgeglichen
sein kann. Die Gleichgewichtsbedingung für die Kräfte in x-Richtung am Teilstück
verlangt
Fix = − σb (x) dA − τl b(z) dx + σb (x + dx) dA = 0 .
8.2 Schubspannungen durch Querkräfte bei Biegung 241
wobei dMb (x) die Zunahme des Biegemoments mit x angibt, erhält man nach dem
Weglassen gleicher Ausdrücke
dMb (x)
τl b(z)dx = z dA .
Iy
Da dMb (x) und das Flächenmoment Iy von z unabhängig sind, kann man beide vor
das Integral ziehen
dMb (x)
τl b(z)dx = z dA .
Iy
In dieser Gleichung ist das Integral das Flächenmoment 1. Ordnung (statisches
Flächenmoment) Hy des in Abb. 8.7 b) schraffierten Teils der Querschnittsfläche
bezüglich der y-Achse (s. Abschnitt 4.1.1.1), es ist mit z veränderlich. Berücksich-
tigt man ferner noch Gl. (4.21), ergibt sich mit τl = τq für die Schubspannung
Fq (x)Hy (z)
τq = . (8.2)
Iy b(z)
Aus dieser Gleichung erhält man den Verlauf der Schubspannungen über die Quer-
schnittshöhe, wenn die Form des Querschnitts gegeben ist. Für den Rechteckquer-
schnitt z. B. ist das statische Moment Hy (z) der schraffierten Fläche (Abb. 8.8)
h/2
b h2 bh2 z 2
Hy (z) = b ζ dζ = − z2 = 1− .
2 4 8 h/2
z
Setzt man dieses Ergebnis in Gl. (8.2) ein und berücksichtigt ferner Iy = bh3 /12,
erhält man für die Schubspannungsverteilung im Rechteckquerschnitt (A = bh)
Fq (x) z 2
τq = 1, 5 1− . (8.3)
A h/2
3Fq (x)
τq max = 1, 5Fq (x)/A =
2bh
in der Mitte für z = 0. In Abb. 8.8 b) und c) ist die Verteilung der Schub- und
Biegespannungen im Querschnitt zum Vergleich nebeneinander aufgezeichnet.
242 8 Schubbeanspruchung durch Querkräfte
a) b b) τq c) σb
y τq max
h
ζ
z
h/2
τq (z)
dζ
z z z
4Fq(x)
τq max = [4Fq (x)]/(3A) = .
3πr2
Für Balken mit beliebigen Querschnitten kann man allgemein schreiben
Fq
τq max = k .
A
Die Zahlenkonstante k ist nur von der Form des Querschnitts abhängig. Für Kreis-
ringquerschnitte ist z. B.
4 r2 + ra ri + r2i
k= · a 2 ,
3 ra + r2i
für dünnwandige Kreisringe mit ri ≈ ra ist k = 2. Für beliebige Querschnitte wer-
tet man den Quotienten Hy (z)/b(z) in Gl. (8.2) numerisch aus und kann so die
Konstante ermitteln.
8.3 Abschätzung der Größenordnung der Schubspannung 243
Fq max Hy (0)
τq max = .
Iy b(0)
Die größte Biegespannung ist σb max = Mb max /Wby (oder Mb max /Wb min bei zur
y-Achse unsymmetrischen Querschnitten). Wir erhalten nunmehr
Für einen Freiträger mit Rechteckquerschnitt (Abb. 8.9) ergibt sich z. B. mit
Fq max = F, Mb max = Fl, Hy (0) = bh2 /8 und Iy /Wby = h/2
τq max 1h
= .
σb max 4 l
Die Schubspannung hat die gleiche Größenordnung wie die Biegespannung, wenn
die Höhe h in gleicher Größenordnung wie die Länge l ist. Sie beträgt weniger als
5 % der Biegespannung, wenn h < l/5 ist. Allgemein kann man für Gl. (8.4) auch
schreiben
τq max h
=c . (8.5)
σb max l
Die Konstante c ist eine nur von der Querschnittform und der Balkenlagerung
abhängige Zahlenkonstante.
l
Schnitt A-B
b F B
h
y x
Satz 8.2. Das Verhältnis der Schubspannungen zur Biegespannung in einem Balken
ist dem Verhältnis von Balkenhöhe zur Länge proportional.
ist
d/2
Hy (z) = ζb(ζ) dζ
z
π/2
π/2
d d d d3 d3
= sin ϕ cos ϕ cos ϕ dϕ = sin ϕ cos2 ϕ dϕ = cos3 α .
2 2 2 4 12
α α
b(z)
b(ζ)
α
y
ϕ
τh
ζ
d/2
dζ
τq
Abb. 8.10 Kreisquerschnitt, τr
τr resultierende Randschub-
spannung, τq Vertikalkompo- z
nente von τr ,τh Horizontal-
komponente von τr 0
8.4 Schubspannungen in Profilträgern - Schubmittelpunkt 245
und
4 Fq (x)
τq max = .
3 A
An der Wellenoberfläche ist τr = τq / cos α (Abb. 8.10). Man erhält für das gesuchte Verhältnis
mit σb max = Fl/Wb und Wb = πd3 /32
τq max 4 Wb 1d
= = .
σb max 3l A 6 l
Die Schubspannungen im Wellenzapfen sind geringer als 5 % der Biegespannung, wenn die Länge
l größer als 3, 33 d ist.
Bei Holz beträgt die Scherfestigkeit in Richtung der Faser etwa 1/10 der Biege-
festigkeit, also τB /σbB ≈ 1/10. In einem Holzzapfen mit Rechteckquerschnitt ist bei
Biegebeanspruchung senkrecht zur Faserrichtung demnach das kritische Längen-
verhältnis l/h = (1/4)σbB /τB = 2, 5. Ist l < 2, 5h, dann ist ein Schubbruch in
Längsrichtung in der Mitte zu erwarten, bei l > 2, 5h kann mit einem Biegebruch
gerechnet werden.
Profilträger (z. B. I-, U- oder L-Träger) haben im Verhältnis zu ihrer Höhe nur ge-
ringe Dicke der Stege und Flansche. Die Schubspannungen kann man deshalb paral-
lel zur Querschnittberandung verlaufend und über die Dicke gleichmäßig verteilt an-
nehmen. Betrachten wir z. B. den I-Querschnitt (Abb. 8.11). Im Flansch treten ver-
tikale Schubspannungen und horizontale Schubspannungen auf, deren Verteilungs-
gesetz eingezeichnet ist (Herleitung s. Beispiel 8.6). Infolge des schroffen Quer-
schnittübergangs vom Flansch zum Steg steigt die Spannung in diesem stark an.
Die vertikalen Schubspannungen im Flansch können im Allgemeinen vernachlässigt
werden, die Querkraft hat im wesentlichen der Steg aufzunehmen (Schubversteifung
in dünnwandigen Profilen, z. B. Querrippen zwischen Flansch und Steg). In solchen
τh
τq τq
ζ ζ
S
y
hm
τq
e
y S 0 S
Fq (x)
z
Fq e = Fth hm . (8.6)
Dabei sind τ(s) die Schubspannung, t(s) die die Profildicke und r(s) der ent-
sprechende Hebelarm. Der Schubmittelpunkt spielt vor allem bei dünnwandigen
Blechprofilen (Abkantprofile, Leichtbau) eine große Rolle. Die Drehung kann allge-
mein verhindert werden, wenn man zwei unsymmetrische Profile (durch Schrauben,
Schweißen oder Nieten) steif zu einem symmetrischen zusammensetzt.
Beispiel 8.6 (I-Träger).
Für einen I-Träger mit dem Breitflanschprofil PBv 320 nach DIN 1 025 Bl. 4 ist die
Schubspannungsverteilung zu ermitteln und aufzuzeichnen. Bei welchem Längen-
verhältnis ist τzul = 0, 6 σb max , wenn der I-Träger als Balken auf zwei Stützen in
der Mitte durch die Einzellast F belastet ist (Abb. 8.13)?
8.4 Schubspannungen in Profilträgern - Schubmittelpunkt 247
Lösung 8.6
Wir berechnen die Schubspannungen mit Hilfe der Gl. (8.2). Mit den Bezeichnungen aus Abb. 8.14
ergibt sich die horizontale Schubspannung im Flansch
Sie nimmt von außen zur Mitte hin linear zu und erreicht ihren Maximalwert für η = b/2. Der
Profiltabelle in [22] entnimmt man A = 312 cm2 , b = 30,9 cm und Iy = 68 130 cm4 . Hiermit
erhält man
Fq (x)Hy zS1 Ab 15,95 cm · 312 cm2 · 30,9 cm Fq (x) Fq (x)
τh max = = = 1, 128 .
A 2Iy 2 · 68 130 cm4 A A
Lassen wir zunächst den allmählichen Übergang vom Flansch zum Steg außer Acht, dann ändert
sich die Schubspannung zum Steg hin im Verhältnis b/s
b Fq (x)
τq2 = τq1 = 4, 3 ,
s A
von hier steigt sie weiter parabolisch an. Die größte Schubspannung im Steg ergibt sich für
z = 0. Der Profiltabelle [22] entnimmt man für die halbe Querschnittfläche das statische Moment
Hy (0) = 2 220 cm3 . Zur Übung wollen wir es unter Berücksichtigung des Übergangsbogens vom
Flansch zum Steg ausrechnen (Abb. 8.15):
– Flansch: Hy (0)Fl = 15,95 cm · 30,9 cm · 4 cm = 1 971 cm3 ,
– Rundung: Hy (0)R = 2 · (2,7 cm)2 · 12,6 cm − 0, 5π(2,7 cm)2 · 12,39 cm = 42 cm3 ,
– Steg: Hy (0)St = 2,0 cm · 13,95 cm · 6,975 cm = 205 cm3 .
Insgesamt erhält man somit Hy (0) = 2 218 cm3 , nur unbedeutend weniger als der Tabellenwert.
Die größte Schubspannung ist
Die Spannungsverteilung ist in Abb. 8.14 gezeichnet. In dem Übergang vom Flansch zum Steg ist
die allmähliche Zunahme der Schubspannungen dargestellt.
Im Träger auf zwei Stützen mit Mittellast F ist die Querkraft Fq (x) = F/2 und das Biegemo-
ment Fx/2 mit dem Maximalwert Fl/4. Mit σb max = Mb max /Wb erhält man
l/2
F
b = 309 τq
S1
τh τq1
τq2
zS1 = 159, 5
t = 40
η
27
139, 5
s = 21
112, 5
η τq max
359
279
y
τmax
τh
z
z
Abb. 8.14 Schubspannungen im I-Breitflanschprofilträger
τb max F 4Wb
= 4, 84 · = 0, 6 .
σb max 2A Fl
Der Profiltabelle entnimmt man Wb = 3 800 cm3 , somit kann die Länge l berechnet werden
4, 84 · 2 · 3 800 cm3
l= = 196,5 cm .
312 cm2 · 0, 6
Im Verhältnis zur Höhe h = 35,9 cm erhält man
l 196,5 cm
= = 5, 47 .
h 35,9 cm
Für einen Träger auf 2 Stützen mit Vollrechteckquerschnitt und Einzellast in der
Mitte ist nach Gl. (8.3) das Verhältnis τq max /σb max = h/2l. Bei l/h = 5, 5 ist somit
τq max = (1/11)σb max . Beim I-Träger ist der Anteil der Schubspannung ungefähr
sechseinhalb Mal so groß wie beim Träger mit Rechteckquerschnitt.
Satz 8.3 (Schubanteil). Allgemein ist bei offenen Profilträgern der Schubanteil
größer als bei Trägern mit Vollquerschnitt.
54
27
13, 5
11, 4
Fq (x)Hy (0)
τl = τq max = . (8.8)
Iy b
Die hieraus resultierende Schubkraft Ft muss beim gelochten Steg vom Restquer-
schnitt s · b aufgenommen werden
Ft = τl tb = τlm sb
Fq Hy (0) t
τl max = 1, 5 . (8.9)
Iy b s
a) b) Einzelheit X τm
t d
τmax
τl
A B
A s B
Fq (x)
Fq (x)
s
t
X t
2 Ändert sich die Querkraft Fq längs der Teilung, nimmt man den Mittelwert.
250 8 Schubbeanspruchung durch Querkräfte
Profilträger sind oft aus einzelnen Teilen (Gurtblechen, Stegblechen, Winkeln) zu-
sammengesetzt (Abb. 8.17 a und b), gewalzte Profilträger sind mit Gurtblechen
verstärkt (Abb. 8.17 c). Die Verbindungsmittel (Niete, Bolzen oder Schweißnähte in
Stahlkonstruktionen, Nägel oder Leim in Holzkonstruktionen) müssen die Längs-
schubkräfte Ft infolge der Längsschubspannungen aufnehmen.
Die in der Teilung t zu übertragende Schubkraft zwischen Flansch und Gurtblech
des genieteten Trägers (Abb. 8.18) ist
Fq (x)Hy Gurt t
Ft = τl b1 t = . (8.10)
Iy
Ist die Anzahl der in der Teilung t nebeneinander liegenden Niete z (meist 2 oder
4) und A die Querschnittfläche eines Nietes, dann gilt die Beziehung
Ft
τzul . (8.11)
zA
Aus den letzten beiden Gleichungen erhält man für den erforderlichen Nietquer-
schnitt die Beziehung
Fq (x)Hy Gurt t
A . (8.12)
Iy zτzul
Für die Stegnietung (Abb. 8.17 a) ist in Gl. (8.10) das Flächenmoment 1. Ordnung
Hy der Gurtfläche und der Winkel einzusetzen, weil die Schubkräfte dieser Teile
durch den Stegquerschnitt geleitet werden.
Für die Schweißung (Abb. 8.18 c) erhält man mit der Schweißnahtlänge t die
Längsschubkraft
Ft = τl b1 t = τS 2at .
a ist die Dicke des Nahtquerschnitts. Für die Schubspannung τS in der Naht ergibt
sich
Fq (x)Hy Gurt
τS = τzul . (8.13)
2Iy a
Die erforderliche Nahtdicke berechnet man aus
a) b) c)
a
a
genieteten Trägers
c) I-Träger mit aufge-
schweißtem Verstärkungs- t
blech
x y y
z z
Fq (x)Hy Gurt
a . (8.14)
2Iy τzul
Für die Berechnung der Schweißnähte ist allerdings zu beachten, dass sie infolge
Biegung zusätzlich noch Zug- oder Druckspannungen erfahren können, maßgebend
ist somit die Vergleichsspannung σV (s. Abschnitt 9.4.1).
Beispiel 8.7 (Kurzer Träger aus Blechen).
Ein kurzer Träger ist aus Blechen zusammengesetzt und durch die konstante Quer-
kraft Fq = 160 kN belastet. Das Stegblech 300 mm x 12 mm ist einmal mit den Gurt-
blechen 120 mm x 10 mm über die Winkelstähle 55 mm x 8 mm nach DIN 1 028
durch Niete verbunden (Abb. 8.17 a), zum anderen mit ihnen verschweißt (Abb.
8.17 b). Für die Nietteilung der Gurtniete ist t = 200 mm gegeben, die Dicke der
Schweißnaht beträgt a = 4 mm, τzul = 100 N/mm2 für die Niete. Die Flächenmo-
mente für den Querschnitt mit Winkeln bzw. ohne Winkel sind 14 500 cm4 bzw.
8 600 cm4 . Zu berechnen sind
a) der Nietdurchmesser d1 der Gurtniete,
b) dieTeilung t der Stegniete bei gleichem Nietdurchmesser,
c) die Schubspannung in der Schweißnaht sowie
d) in beiden Fällen die größten Schubspannungen im Träger.
Lösung 8.7
a) Die vom Gurt auf die Winkel übertragene Schubkraft ist nach Gl. (8.10)
Mit z = 2 ist A1 4,1 · 104 N/(2 · 100 N/mm2 ) = 205 mm2 . Daraus ergibt sich der Niet-
durchmesser (aufgerundet) d1 = 17 mm.
b) Für die Nietteilung t der zweischnittigen Stegniete folgt mit den Gln. (8.10) und (8.11)
Mit dem Schwerpunktabstand der Winkel 13,36 cm und dem Querschnitt AW = 8,23 cm2 (Pro-
filtabelle DIN 1 028) ist Hy Gurt + Hy Winkel = 186 cm3 + 2 · 13,36 cm · 8,23 cm2 = 406 cm3 .
Für d1 = 17 mm ergibt sich A1 = 2,27 cm2 . Somit erhält man für die Teilung der Stegniete
dwq
γ x
h
z
Ausgeführt wird t = 100 mm, es sind demnach im Steg doppelt soviel Niete erforderlich wie
auf einer Seite im Gurt.
c) Die Schubspannung in der Schweißnaht berechnen wir aus Gl. (8.13)
8.6 Schubverformung
Für ein Balkenteilstück der Länge dx mit dem Querschnitt A erhält man durch In-
tegration über den Querschnitt
2
1 Fq (x)Hy (z)
dWq = dA dx .
2G Iy b(z)
A
F2q (x)
dWq = κ dx .
2GA
Durch Gleichsetzen der beiden Ausdrücke für dWq erhält man
1 F2q (x)
Fq (x)dwq = κ dx
2 2GA
und somit für die Durchbiegung dwq infolge Querkraft
Fq (x)dx
dwq = κ . (8.15)
GA
Mit Fq (x)dx = dMb (x) wird schließlich nach Integration
Mb (x)
wq = κ + w0 . (8.16)
GA
Satz 8.4 (Querkraftbiegung). Die durch die Querkraft verursachte Durchbiegung
wq ist dem Biegemoment direkt und der Schubsteifigkeit GA umgekehrt proportio-
nal.
Die Konstante w0 erhält man aus den Randbedingungen.
Für den Querschnittfaktor erhält man nach Durchführung der Integration für
Für I-Profile ist je nach Größe κ = 1, 0 . . .2, 4 [22]. Wir wollen die Durchbiegung
am Ende des Freiträgers (Abb. 8.9), hervorgerufen durch die Schubspannungen, mit
der Durchbiegung f = Fl3 /3EIy vergleichen (s. Beispiel 5.3 und Tabelle 5.1). Aus
Gl. (8.16) erhalten wir mit Mb (l) = −Fl für x = l und wq = 0 die Konstante
Fl
w0 = κ .
GA
Somit ist wq max = w0 für x = 0 am freien Ende des Trägers. Ersetzt man nach
Gl. (9.61) den Gleitmodul durch den Elastizitätsmodul, ergibt sich
wq max Fl 3EIy 1 + ν h2
=κ = 1, 2 .
f GA Fl3 2 l2
Die Schubverformung ist somit dem Quadrat des Verhältnisses h/l proportional.
Für h/l = 1/5 (die größte Schubspannung beträgt dann 5 % der Biegespannung) ist
für Metalle mit ν = 0, 3 die Schubverformung wq max = 1, 2(2, 6/100)f, also 3,1 %
der Biegeverformung, und kann vernachlässigt werden. Für kurze, dicke Balken gilt
diese Aussage nicht mehr. Für h/l = 1/3 ist wq max = 1, 2(1, 3/18)f, d. h. ca. 9 %,
bei h/l = 1/2 ist wq max = 1, 2(1, 3/8)f, d. h. ca. 20 %.
Beispiel 8.8 (Breitflanschträger).
Für den Breitflanschträger in Beispiel 5.5 (Abb. 4.2) ist die Durchbiegung wq max
durch die Last F = 370 kN zu berechnen und mit der dort gerechneten größten
Durchbiegung zu vergleichen.
Lösung 8.8
Der Profiltabelle in [22] entnimmt man A = 444 cm2 . Mit Mb max = Fab/l und κ = 2, 4 für
große I-Profile ergibt Gl. (8.16)
Das sind ungefähr 5 % von fm = 17,72 mm im Beispiel 5.5. Dieser Anteil ist somit unbedeutend;
bei kürzeren Trägern kann er jedoch erheblich höher liegen.
Aufgabe 8.1 (Kurze Konsole). Eine kurze Konsole aus dem hochstegigen T-Stahl
140 nach DIN 1 024 trägt am freien Ende die Einzellast F.
a) Bei welcher Länge l beträgt die größte Schubspannung weniger als 10 % der
größten Biegespannung?
b) Die größte Schubspannung ist für F = 21 kN zu berechnen.
Aufgabe 8.2 (Träger). Ein Stahlträger ist aus einem Stegblech 240 mm × 18 mm
und zwei Gurtblechen 180 mm × 15 mm zu einem I-Profil zusammengeschweißt
8.7 Aufgaben zu Kapitel 8 255
(Abb. 8.17 b), die Schweißnahtdicke beträgt 5 mm. In dem Träger wirkt die kon-
stante Querkraft Fq = 90 kN. Das Stegblech ist mit kreisförmigen Durchbrüchen
versehen.
a) Wie groß sind die Schubspannungen in den Schweißnähten?
b) Welchen Abstand s müssen die Durchbrüche (d = 80 mm, Abb. 8.16 a) mindes-
tens voneinander haben, wenn τzul = 80 N/mm2 ?
Aufgabe 8.3 (Träger). Der Träger mit dem Querschnitt (Abb. 8.20) ist durch die
Querkraft Fq = 120 kN beansprucht, sie ist über die Länge des Trägers konstant. Der
erforderliche Nietdurchmesser d1 und die Schubspannung in der mittleren Faser
sind zu berechnen; die zulässige Schubspannung im Niet ist τzul = 100 N/mm2 ,
t = 90 mm.
170
12
U180
DIN 1026
Aufgabe 8.4 (Träger). Ein Träger auf zwei Stützen (Stützweite l) ist durch eine
Einzelkraft F in der Mitte zwischen den Stützen auf Biegung beansprucht.
a) Wie groß muss die Stützweite l mindestens sein, wenn die größte Schubspannung
1/8 der größten Biegespannung betragen darf?
b) Für diesen Fall ermittle man die Tragfähigkeit Fzul . Gegeben sind Profilträger aus
Stahl I PE 300 DIN 1 025 Bl. 5 und σzul = 120 N/mm.
100
90
200
160
190
Abb. 8.21 Profil eines ge-
schweißten Kastenträgers z
• Schubspannungen
F
τa =
A
• Schubspannung bei Querkraftschub
Fq (x)Hy (z)
τq = ,
Iy b(z)
Mb (x)
wq = κ + w0 .
GA
w0 wird aus den Randbedingungen ermittelt, k ist ein Querschnittsfaktor
• Querschnittsfaktor
Hy (z) 2
κ=A dA
Iy b(z)
A
Kapitel 9
Zusammengesetzte Beanspruchung
257
a)
C σ = 50 N/mm
2 b) σb = −80 N/mm2 C
Mb
F
B B σb = 80 N/mm2
Abb. 9.1 Stange mit Spannungsverteilung
a) belastet auf Zug
b) belastet auf Biegung
(Abb. 9.1 a). Wird die Stange zusätzlich durch das Biegemoment Mb gebogen und
erhält man als Maximalwerte der Biegespannungen am unteren und oberen Rand
die Werte
Mb
σb = ± = ±80 N/mm2
Wb
(s. Abb. 9.1 b), sind die resultierenden Spannungen
Da sich Zug- und Druckkräfte in Bezug auf einen Körper nur durch ihre Richtun-
gen (Vorzeichen + oder −) unterscheiden, sollen sie gemeinsam behandelt wer-
den. Wir betrachten den beliebig gestalteten Querschnitt eines Balkens (Abb. 9.3 a),
in dem als Schnittreaktionen das Biegemoment Mb (x) und die Normalkraft Fn (x)
vorhanden sind, Querkräfte sind nach den Voraussetzungen des Abschnitt 8.3 ver-
9.1 Einteilung und Beispiele 259
einfache
Grund- Zug Druck Biegung Schub Torsion
bean-
spruchungen
1. zusammen-
gesetzte Zug oder Druck
Normal- + Biegung
spannungen
2. zusammen-
gesetzte Schub
Schub- + Torsion
spannungen
4. zusammen-
gesetzte Nor- Zug oder Druck in zwei Richtungen
malspannun- + Biegung + Torsion
gen in zwei
oder drei
Richtungen Zug oder Druck in drei Richtungen
und Schub- + Biegung + Torsion
spannungen
Abb. 9.2 Übersicht und Einteilung der zusammengesetzten Beanspruchung
nachlässigt. Das Biegemoment kann sowohl durch Kräfte senkrecht zur x-Achse des
Balkens hervorgerufen sein (s. Abschnitte 4.2 und 4.3), es kann aber auch von einer
Kraft herrühren, deren Wirkungslinie parallel zur x-Achse liegt (zum Querschnitt-
schwerpunkt S exzentrischer Lastangriff), s. Abb. 9.3 b). Der im Punkt P angreifen-
den Kraft gleichwertig ist das Kräftesystem, welches aus dem Kräftepaar F n , −FFn
mit dem Betrag F n · r als Biegemoment Mb und der Normalkraft Fn im Schwerpunkt
S der Fläche besteht (s. auch [17], Abschnitt 4.1.1 Zwei Kräfte. Kräftepaar).
Das in der Fläche gewählte y, z-Koordinatensystem ist ein Hauptachsensystem
(s. Abschnitt 4.1.3.3); dann erhält man die Biegespannung aus Gl. (4.50) mit I1 ≡ Iy
260 9 Zusammengesetzte Beanspruchung
a) b)
−F
n
y S S F S
α n Fn
Mb
r
α
zP
nr
α
y =F
r
r
S P F P F P
Fn
(x yP n n
(x) ) x
Mb u
r
z
P
P z
ΔA
σx
y
und I2 ≡ Iz
Mb (x) cos α Mb (x) sin α
σb = z− y.
Iy Iz
Die Spannung infolge der Normalkraft aus Gl. (2.3) bzw. Gl. (2.4) ist
Fn (x)
σ=± .
A
Das zweite Vorzeichen in dieser Gleichung und in den folgenden gilt für Druckbe-
anspruchung. Die Gesamtspannung ergibt sich durch Addieren
σx = σb + σ,
Iy Fn (x) Iy
z = tan α y∓ . (9.2)
Iz Mb (x) cos α A
Die Nulllinie ist wie bei der allgemeinen Biegung eine Gerade, sie geht jedoch
nicht durch den Schwerpunkt der Fläche. Der Anstieg der Geraden ist tan α(Iy /Iz )
und entspricht nach Gl. (4.51) dem Wert bei der allgemeinen Biegung (s. Ab-
schnitt 4.3.1). Die Nulllinie schließt bei zusammengesetzter Zug- oder Druck- und
Biegebeanspruchung mit der Hauptachse z den gleichen Winkel β ein, wenn die
Spur der Lastebene um den Winkel α geneigt ist (s. Abb. 9.4).
9.1 Einteilung und Beispiele 261
a) b)
σx σx
z0 nie
llli
Nu
y S y0
y0
y S
u
0 u
β
β u u
nie
z0
llli
u
Nu
0
u
z z
Abb. 9.4 Spannungsverteilungen im Trägerquerschnitt
a) bei Biegung und Zug
b) bei Biegung und Druck
Satz 9.1 (Lage der Nullinie). Bei zusammengesetzter Zug- oder Druck- und Bie-
gebeanspruchung geht die Nulllinie nicht durch den Schwerpunkt der Querschnitts-
fläche.
Die Achsenabschnitte der Nulllinie auf y- und z-Achse sind, wenn wir zur Abkür-
zung i2 = I/A einführen,
Fn (x) Fn (x)
y0 = ± i2 , z0 = ∓ i2 . (9.3)
Mb (x) sin α z Mb (x) cos α y
oder mit den aus Abb. 9.3 b) entnommenen Abständen des Lastangriffspunktes P
von der z- bzw. y-Achse, yP = −r sin α und zP = r cos α
Fn (x) zP yP
σx = z+ 2 y+1 . (9.5)
A i2y iz
1Das zweite Vorzeichen entfällt hier, da bei einer Druckkraft auch das Biegemoment die Richtung
wechselt.
262 9 Zusammengesetzte Beanspruchung
Iy i2y
z = tan α y+ (9.6)
Iz zP
und für die Achsenabschnitte der Nulllinie
i2z i2y
y0 = − , z0 = − . (9.7)
yP zP
Die charakteristischen Spannungsverteilungen sind in Abb. 9.4 gezeichnet, und
zwar in a) für die Überlagerung von Zug und Biegung sowie in b) für Druck und
Biegung. Die Spannungen steigen linear mit dem Abstand u von der Nulllinie aus an
und erreichen Maximalwerte in den Querschnittspunkten mit dem größten Abstand
von der Nulllinie. Als Festigkeitsbedingung folgt wie in Abschnitt 4.2.2
|σmax | σzul .
Über die Verschiebung der Nulllinie aus dem Schwerpunkt kann man nachfolgende
Aussage treffen.
Satz 9.2 (Verschiebung der Nulllinie). Bei Überlagerung von Zug und Biegung ist
die Nulllinie zur Biegedruckseite hin, bei Druck und Biegung zur Biegezugseite hin
verschoben.
Im ersten Fall wächst die Zugspannung gegenüber derjenigen bei Biegung allein,
im zweiten Fall die Druckspannung. Überlagerung von Druck und Biegung (bei
exzentrischer Druckkraft) hat eine gewisse Bedeutung in Bauwerken, die aus zug-
spannungsempfindlichen Werkstoffen (z. B. Beton oder Mauerwerk) hergestellt
sind. Diese müssen so bemessen oder belastet sein, dass in ihnen möglichst kei-
ne Zugspannungen auftreten. Das bedeutet aber nach dem oben Gesagten, dass die
Nulllinie außerhalb des Querschnitts verlaufen muss oder ihn im Grenzfall gera-
de berührt. Für die Grenzlagen beschreibt der Kraftangriffspunkt P (Bild 9.3 b)
einen geschlossenen Kurvenzug um den Schwerpunkt. Die hiervon eingeschlossene
Fläche ist der so genannte Querschnittkern und der Abstand von S ist die Kernwei-
te. Liegt der Kraftangriffspunkt P(yP , zP ) einer exzentrischen Druckkraft innerhalb
der Kernumrandung, dann liegt die Nulllinie außerhalb des Querschnitts und die-
ser wird nur durch Druckspannungen beansprucht. Die Kernweiten auf den Achsen
erhält man aus Gl. (9.7), wenn für y0 und z0 die Randabstände y1,2 bzw. z1,2 des
Querschnitts in Richtung der Koordinatenachsen eingesetzt werden
i2z i2y
y∗P = − , z∗P = − . (9.8)
y1,2 z1,2
Für einen Kreisquerschnitt mit dem Durchmesser d ist i2y = i2z = d2 /16 und
y1,2 = z1,2 = d/2. Somit ist die Kernweite in allen Richtungen gleich groß
Im Abschnitt 4.3.1 hatten wir eine direkte Methode zur Berechnung der Biege-
spannung bei allgemeiner Biegung kennen gelernt. Mit Gl. (4.56) können wir die
resultierenden Spannungen direkt in Abhängigkeit vom Abstand u (gemessen vom
Schwerpunkt aus in Richtung senkrecht zur durch den Winkel β festgelegten Null-
linie) angeben
Mb (x) sin(α + β) Fn (x)
σx = u± . (9.9)
IN A
IN ist das Flächenmoment 2. Ordnung bezüglich der Nulllinie.
Aus dem Ansatz σx = 0 erhalten wir mit i2N = IN /A den Abstand der Nulllinie
vom Schwerpunkt direkt
Fn (x)
u0 = ∓ i2 . (9.10)
Mb (x) sin(α + β) N
Führen wir noch die Koordinate u = u + u0 von der Nulllinie aus ein (Abb. 9.4),
erhält man die der Gl. (4.56) ähnliche Beziehung
Mb (x) sin(α + β)
σx = u. (9.11)
IN
Die Rechnung gestaltet sich einfacher als durch die Überlagerung der Einzelspan-
nungen, wenn die Lage der Nulllinie bekannt ist. Man sieht sofort die Querschnitt-
stellen größter Beanspruchung.
Bei einem exzentrischen Kraftangriff erhält man für den Abstand u0 der Nulllinie
(Bild 9.4) mit uP = r sin(α + β)
i2N
u0 = − (9.12)
uP
sowie für die Spannungen
Bei gerader Biegung, wenn also die Spur der Lastebene mit einer der Hauptachsen
zusammenfällt, liegt die Nulllinie, je nachdem, ob die y- oder z-Achse in der Las-
tebene liegt, parallel zu der z- oder y-Achse. Für α = 0 ist z. B. die z-Achse Spur
der Lastebene, dann ist die Spannung mit dem Biegemoment Mby
Mby Fn
σx = z± . (9.14)
Iy A
und
i2y
z0 = −
. (9.17)
r
Durch zyklische Vertauschung von y und z ergeben sich entsprechende Gleichungen
für α = 90◦ .
Beispiel 9.1 (Fachwerksstäbe).
Fachwerkstäbe sind i. Allg. an Knotenbleche angeschlossen. Besteht der Stab eines
Fachwerks z. B. aus einem Winkelstab, liegt die Kraftrichtung nicht in der Schwer-
achse. Zu berechnen ist die größte Spannung, die durch die exzentrische Zugkraft
Fn = F in dem Winkelstahl 100 × 10 DIN 1 028 hervorgerufen wird, Lastangriffs-
punkt ist P (Bild 9.5 a).
Lösung 9.1
Aus einer Profiltafel [22] entnimmt man r = e = 2,82 cm, A = 19,2 cm2 , Iy = I1 = 280 cm4
und Iz = I2 = 73,3 cm4 . In Bild 9.5 b) ist der Querschnitt (Maßstabsfaktor mL = 2,5 cm/cmZ )
gezeichnet. Gleichung (4.53) ergibt mit α = 45◦
1 I2 1 73,3 cm4
tan β = = · = 0,262
tan α I1 1 280 cm4
und β = 14, 7◦ , den Richtungswinkel der Nulllinie (gestrichelt eingezeichnet). Das Flächenmo-
ment IN ist nach Gl. (4.18) mit ψ = 90◦ − β = 75, 3◦
a)
S
b)
P
F
α
Nulllinie
x
ma
S
u
0
u
r
y P z
F
Abb. 9.5 Winkelstahl
a) exzentrischer Lastangriff am Knotenanschluss
b) Winkelquerschnitt, Maßstabsfaktor mL = 2,5 cm/cmZ , Richtung der Nulllinie eingezeichnet
9.1 Einteilung und Beispiele 265
Abbildung 9.5 entnimmt man umax = 5,75 cm, somit erhält man aus Gl. (9.13) die Spannung
Fn umax Fn 5,75 cm Fn
σmax = = = 3, 1 .
A u0 A 1,85 cm A
Die Biegespannung beträgt demnach etwas mehr als das Dreifache der Zugspannung Fn /A! Ex-
zentrischer Lastangriff kann in einem solchen Fall vermieden werden, wenn zwei Winkelstähle auf
verschiedenen Seiten eines Bleches angeschlossen und durch Bindebleche miteinander verbunden
sind.
σ
5 Fn
A
u
1 2
nie
7 Fn
llli
A
Nu
h
− b
6M
h h
S −
h
y 6 6
P
h
La
drückter Rechteckquerschnitt
be
ne
I1
tan α tan β = 1.
I2
Mit Iy = I1 = bh3 /12, Iz = I2 = hb3 /12 und tan α = b/h folgt auch tan β = b/h. Die
Achsenabschnitte der Nulllinie ergeben die Gln. (9.7)
i2z b2 /12 b
y0 = − =− = ,
yP −b/2 6
entsprechend ist
h
z0 = − .
6
Die größte Spannung wirkt in der Ecke P, sie ergibt sich aus Gl. (9.4) unter Beachtung von
r cos α = h/2, r sin α = b/2, z = h/2 und y = −b/2 zu
Fn h/2 h b/2 b Fn
σmax = 2
− 2 − +1 = 7 .
A h /12 2 b /12 2 A
Aus der Gl. (9.8) ergeben sich die Kernweiten auf den beiden Achsen
Spannungsverteilung und Kern sind in Abb. 9.6 eingezeichnet. Liegt der Lastangriffspunkt auf der
Kernumrandung, z. B. in P , dann geht die Nulllinie durch die obere linke Ecke des Querschnitts.
Die Spannungsverteilung für diesen Fall ist mit in das Abb. gezeichnet.
10 · 803 4 60 · 203 4
Iy = cm + 2 · 400 · 302 cm4 + cm + 1200 · 202 cm4 = 1,67 · 106 cm4 .
12 12
Weiter ist i2y = 1,67 · 106 cm4 /2 000 cm2 = 833 cm2 . Die Nulllinie hat den Abstand z0 = −i2y /r
von der y-Achse, Gl. (9.17). Mit r = 70 cm ergibt sich z0 = −833 cm2 /70 cm = −11,9 cm. Aus
Gl. (9.16) berechnen wir die Spannungen. Für z = z2 = 30 cm ist die größte Zugspannung mit
Fn = F
F rz2 F 70 cm · 30 cm F
σ= + 1 = + 1 = 3, 52 .
A i2y A 833 cm2 A
Analog ist mit z = −z1 = −70 cm die größte Druckspannung σ = −4, 88F/A. Da die Last
F = 1,5 · 106 N beträgt, ist F/A = 7,5 N/mm2 , die Spannungen betragen somit 26,4 N/mm2 und
−36,6 N/mm2 . Die Spannungsverteilung ist in Abb. 9.7 eingezeichnet.
9.1 Einteilung und Beispiele 267
30
20
10
Spannung σ in N/mm2
−40
z1 z2
50
Nulllinie
S z F
600
50
y 400
200
1000
Ist die Längsachse eines Trägers gekrümmt, dann treten als Beanspruchungsgrößen
in einem Querschnitt im Allgemeinen ein Biegemoment, eine Querkraft und eine
Normalkraft auf. Die Querkraft bewirkt im Querschnitt Schubspannungen, die wir
in den folgenden Betrachtungen außer Acht lassen. Wir berechnen die Normalspan-
nungen durch das Biegemoment und die Normalkraft bei gerader Biegung.
Sind die Abmessungen des Querschnitts eines Trägers klein gegenüber dem
Krümmungsradius der Trägerachse, spricht man von einem schwach gekrümmten
Träger, es kann wie im vorhergehenden Abschnitt verfahren werden. Liegen dage-
gen beide in gleicher Größenordnung, nennt man den Träger stark gekrümmt. Die
Spannungsverteilung ist infolge der starken Krümmung, wie im folgenden gezeigt
wird, nicht mehr linear.
Abbildung 9.8 zeigt ein Stück eines stark gekrümmten Trägers mit dem Biege-
moment Mby und der Normalkraft Fn im Querschnitt. Das Koordinatensystem im
Querschnitt ist so gewählt, dass das positive Biegemoment Mby die Krümmung des
Trägers verstärkt. Spur der Lastebene im Querschnitt ist die z-Achse. In Abb. 9.8 b)
ist die Verformung eines durch zwei Radialschnitte herausgeschnittenen Elements
268 9 Zusammengesetzte Beanspruchung
a) b)
r0 ϕ
z1
dϕ
r
Mby
Mby S x0 x
z2
z
y Fn x dx0 Fn
z z
dargestellt. Unter der Voraussetzung, dass ein Querschnitt eben bleibt, kann die
Verformung aufgefasst werden als Parallelverschiebung des Querschnitts um den
Betrag dx0 und eine Drehung um die y-Achse mit dem Winkel dϕ. Der Abbildung
entnimmt man die Beziehungen
Teilt man Zähler und Nenner durch x0 = r0 ϕ und führt mit ε0 = dx0 /x0 die Deh-
nung der in der Trägerachse liegenden Faser ein, ergibt sich
ε0 + zdϕ/r0ϕ
εx = .
1 + z/r0
Für den Klammerausdruck, der unabhängig von z ist, setzen wir zur Abkürzung
ε1 = dϕ/ϕ − ε0 und erhalten die Dehnung
z
εx = ε0 + ε1 . (9.18)
r0 + z
9.1 Einteilung und Beispiele 269
In beiden Gleichungen setzen wir σx aus Gl. (9.19) ein und erhalten somit die zwei
Bestimmungsgleichungen für ε0 und ε1
z
Eε0 A + Eε1 dA = Fn , (9.20)
r0 + z
z2
Eε0 zdA + Eε1 dA = Mby . (9.21)
r0 + z
Da die y-Achse durch den Schwerpunkt des Querschnitts geht, ist z dA = 0. Zur
Abkürzung benutzen wir den Querschnittfaktor
z2
Z = r0 dA,
r0 + z
dann erhält man aus Gl. (9.21)
Mby r0
Eε1 = . (9.22)
Z
Das Integral in Gl. (9.20) formen wir um, indem wir im Zähler z2 − z2 ergänzen
z 1 r 0 z + z 2 − z2 1 z2 Z
dA = dA = z dA − dA = − 2 .
r0 + z r0 r0 + z r0 r0 + z r0
Wie zu erwarten war, ist der Grenzwert gleich dem axialen Flächenmoment 2. Ord-
nung bezüglich der y-Achse. Dann erhält man aus Gl. (9.24)
Mby Fn
lim σx = z+
r0 →∞ Iy A
in Übereinstimmung mit Gl. (9.14). Der Querschnittfaktor Z ist von der Geometrie
des Querschnitts abhängig und kann nur für wenige Querschnittformen exakt durch
geschlossene Lösung des Integrals berechnet werden. In den meisten Fällen ermit-
telt man ihn näherungsweise, z. B. numerisch durch die S IMPSON2 -Regel (s. Bei-
spiel 9.5).
Für einen Rechteckquerschnitt, Breite b und Höhe h wollen wir das Integral
berechnen. Aus der oben genannten Umformung des Integrals in Gl. (9.20) folgt
z
Z = −r20 dA . (9.25)
r0 + z
r0 +h/2
h/2
u − r0
z
r0 +z dA = b du
−h/2 u
r0 −h/2
r0 +h/2 r0 1 + h/2r0
= b(u − r0 ln u) = −bh ln −1 .
r0 −h/2 h 1 − h/2r0
Somit ist
r0 1 + h/2r0
Z = r20 A ln −1 . (9.26)
h 1 − h/2r0
Beispiel 9.4 (Gefährdeter Querschnitt in einem gekrümmten Träger).
Der gefährdete Querschnitt eines gekrümmten Trägers (Rechteck, Breite b und
2T HOMAS S IMPSON (∗ 20. August 1710 in Market Bosworth, Leicestershire; † 14. Mai 1761),
Mathematiker
9.1 Einteilung und Beispiele 271
Höhe h, mittlerer Krümmungsradius r0 = h) ist durch die Zugkraft Fn und das Bie-
gemoment Mby = Fn r0 beansprucht. Die Randspannungen sind zu berechnen und
mit denen eines geraden Trägers zu vergleichen. Die Spannungsverteilungen sind
für beide Fälle in Abhängigkeit von z/r0 aufzutragen.
Lösung 9.4
Wir berechnen zunächst den Querschnittfaktor Z aus Gl. (9.26). Mit r0 /h = 1 und h/2r0 = 0, 5
ist
1, 5
Z = r20 A ln − 1 = 0, 0986 r20 A .
0, 5
Die Spannungen erhält man aus Gl. (9.24)
Fn 1 z Fn z/r0
σx = 1+1+ = 2 + 10, 14 .
A 0, 0986 r0 + z A 1 + z/r0
Fn Fn
z = −h/2 = −0, 5r0 : σx = (2 − 10, 14) = −8, 14 ,
A A
Fn 0, 5 Fn
z = h/2 = 0, 5r0 : σx = 2 + 10, 14 = 5, 38 .
A 1, 5 A
Mit σx = 0 ergibt sich der Abstand der Nulllinie von der y-Achse zu
Für den geraden Träger erhalten wir die Spannungen aus Gl. (9.14), die entsprechend umgeformt
ist
Fn r2 A z Fn h2 bh12 z Fn z
σx = 1+ 0 = 1+ , σ x = 1 + 12 .
A Iy r0 A bh3 r0 A r0
Die Randspannungen sind mit z/r0 = −05 bzw. z/r0 = 0, 5 −5Fn /A und 7Fn /A. In Abb. 9.9
sind die Spannungsverteilungen gezeichnet. Auf der am stärksten gekrümmten Innenseite des
7
6 2
5 1
4
Fn /A
σ
3
2
bezogene Spannung
1
-0,4 -0,2
0 0 0, 2 0, 4
-1 z/r0
-2 z0
Abb. 9.9 Spannungsverteilung -3
-4 r0
in einem stark gekrümmten
Träger mit Recht- -5
eckquerschnitt (1 mit -6
Berücksichtigung der -7
Krümmung, 2 lineare -8
Spannungsverteilung im
geraden Träger)
272 9 Zusammengesetzte Beanspruchung
a) b) h d)
z1 z2
dz 200
1
Mby 150
a
z
b(z)
σx in N/mm2
100 2
Fn S
b
50 z in cm
y 1 2 3 4 5
A y B 0
r0 z c) −3 −2 −1 0
−50
r y z −100
A B
Mby
F Fn
Abb. 9.10 Lasthaken
a) Geometrie
b) Querschnitt AB des Lasthakens
c) Seitenansicht des Hakens mit Normalkraft Fn und Biegemoment Mby im Querschnitt AB
d) Spannungsverteilung im Querschnitt AB des Lasthakens (1 mit Berücksichtigung der
Krümmung, 2 im geraden Träger)
Trägers sind die Spannungen um 61 % größer als beim geraden Träger. Das ist besonders zu be-
achten, wenn auf dieser Seite Zugspannungen herrschen.
h 3a + b
z1 = = 40 mm
3 2a + b
und die Querschnittfläche A = h(2a + b)/2 = 40,5 cm2 . Den Querschnittfaktor Z kann man
auch für Trapezquerschnitte durch Integration berechnen, jedoch soll hier die numerische Integra-
tion mit Hilfe der S IMPSON -Regel gezeigt werden. Gleichung (9.25) formen wir um
1 z 1 z
Z = −r20 A dA = λr20 A mit λ = − dA .
A r0 + z A r0 + z
Es wird über die gesamte Fläche integriert. Setzen wir dA = b(z)dz ein, erhalten wir für das
Integral
2
z 5
zb(z) Δh
I= dz = f(z) dz = (f0 + 4f1 + 2f2 + 4f3 + f4 ) .
r0 + z 3
−z1 −4
Tabelle 9.1 enthält die Ausrechnung mit der Schrittweite Δh = 2,25 cm. Man erhält
2,25 cm
I= (−3,792 cm) = −2,85 cm2 .
3
9.1 Einteilung und Beispiele 273
zb(z)
Tabelle 9.1 Berechnung des Integrals dz für den Lasthaken mit der S IMPSON -Regel
r0 + z
zb(z)
z b(z) zb(z) r0 + z S IMPSON - Si×f(z)
r0 + z
cm cm cm2 cm cm Faktoren cm
-4 6 -24 6 -4 1 -4
-1,75 5,25 -9,19 8,25 -1,114 4 -4,456
0,5 4,5 2,25 10,5 0,214 2 0,428
2,75 3,75 10,31 12,75 0,809 4 3,236
5 3 15 15 1 1 1
−3, 792 cm
Somit ist λ = 2,84 cm2 /40,5 cm2 = 0, 0701. Mit Fn = F und Mby = −Fr lautet nunmehr
Gl. (9.24) für die Spannung
F r r r20 A z
σx = 1− − .
A r0 r0 Z r0 + z
Die Ausrechnung dieser Funktion ist mit F/A = 105 N/4,05 · 103 mm2 = 24,7 N/mm2 in Abhän-
gigkeit von z in Tabelle 9.2 vorgenommen worden, die Spannungsverteilung ist in Abb. 9.10 d)
gezeichnet. Der Maximalwert der Spannungen liegt wieder an der am stärksten gekrümmten Seite
vor, er beträgt 193 N/mm2 , die größte Druckspannung ist −89 N/mm2 . Für den geraden Träger
erhält man mit Iy = 263 cm4 die Spannungen 146 N/mm2 und −128 N/mm2 an den Rändern.
Die lineare Spannungsverteilung enthält ebenfalls Abb. 9.10 d).
F z
Tabelle 9.2 Berechnung der Spannung σx = 0, 2 − 11, 41
A r0 + z
z z Fn
z r0 + z −11, 45 σx / σx
r0 + z r0 + z A
cm cm N/mm2
Wir betrachten einen Stab, der nach Abb. 9.10 durch die exzentrisch angreifende
Last Fx belastet ist. In einem Querschnitt im Abstand x (Abb. 9.11 b) von der Ein-
spannung erhalten wir die folgenden Schnittgrößen:
– das Biegemoment Mby = − Fx (l − x),
– das Torsionsmoment Mt = Fx y und
– die Querkraft Fq = Fx .
Am Balkenende (x = l) und bei sehr kurzen Balken ist das Biegemoment klein
gegen die anderen Schnittgrößen und kann vernachlässigt werden. Das ist erlaubt,
wenn x sich immer mehr dem Wert l nähert. Aber auch bei extrem kurzen Stäben,
also kleiner Länge l, kann das Biegemoment vernachlässigbar klein sein.
Im dem betrachteten Querschnitt treten Schubspannungen infolge der Querkraft
Fx und infolge des Torsionsmoments Fx y auf. In Abb. 9.11 c) sind die Verteilungen
der Schubspannungen in den Kreisquerschnitt eingezeichnet. Im Punkt B ist z. B.
die resultierende Spannung
a) b) c)
l τq τt E
x
t H
τ
y Mt Mby τq
B D
Fz τq
Fz
x z τ C
z
y
z
y
h
d) τt z = ±
2
b b
τq τt y = ±
2
H E
τq
τt
B τ D
h
y
τt
C
z z
Abb. 9.11 Zusammengesetzte Schub- und Verdrehbeanspruchung im Träger mit Kreis- und Recht-
eckquerschnitt
a) Träger mit exzentrischer Last Fz
b) Kreisquerschnitt mit Schnittgrößen
c) Kreisquerschnitt mit den Spannungsverteilungen für Schub und Verdrehung
d) Rechteckquerschnitt mit Spannungsverteilungen
9.2 Spannungszustand - Geometrie der Spannungen 275
4 Fz Fz y
τ = τq + τt = + .
3 A Wp
a) b) c)
ϕ ϕ
ϕ
P
F F F Fn σϕ
A A σ σ
A
τϕ
Ft
die Zugkraft F. Wir zerlegen sie in die Normalkomponente senkrecht zur Fläche
Fn = F cos ϕ und die Tangentialkomponente parallel zur Fläche Ft = F sin ϕ.
Setzen wir gleichmäßige Spannungsverteilung auch in der schrägen Schnittfläche
voraus, können wir nach Abschnitt 1.3 die Spannungen berechnen. Mit der Schnitt-
fläche A = A/ cos ϕ ist die Normalspannung
Fn F cos ϕ F
σϕ = = = cos2 ϕ
A A A
und die Schubspannung
Ft F sin ϕ F
τϕ =
=
= sin ϕ cos ϕ .
A A A
Mit cos2 ϕ = 0, 5(1 + cos2ϕ) und sin ϕ cos ϕ = 0, 5 sin 2ϕ sowie σ = F/A wird
σ
σϕ = (1 + cos2ϕ), (9.27)
2
σ
τϕ = sin 2ϕ . (9.28)
2
In einem schrägen Schnitt durch einen Zugstab wirken Normalspannungen und
Schubspannungen, die sich mit der Richtung ϕ der Schnittfläche stetig ändern. Für
ϕ = 0 ist σϕ = σ = F/A und τϕ = 0, für ϕ = 90◦ ist σϕ = τϕ = 0. Die größten
Normalspannungen sind demnach nur in einem Querschnitt möglich, Längsschnitte
im Zugstab sind spannungslos. Die Schubspannung τϕ erreicht einen Maximalwert
für ϕ = 45◦ , dann ist τϕ=45◦ = σϕ=45◦ = σ/2. Die Aussagen zu den Extremwerten
der Normal- und Schubspannungen lassen sich auch mathematisch begründen. Da
die Werte der Spannungen Funktionen des Winkels ϕ sind, sind die Extremwerte
der Spannungen durch Nullsetzen der ersten Ableitung nach dem Winkel ermitteln
dσϕ σ dτϕ σ
= −2 sin 2ϕ = 0, = 2 cos 2ϕ = 0 .
dϕ 2 dϕ 2
Extremwerte für die Normalspannungen ergeben sich für 2ϕ = 0◦ , 180◦, . . . , für
die Schubspannungen 2ϕ = 90◦ , 270◦, . . . Die zweiten Ableitungen bei den entspre-
chenden Winkeln gestatten Aussagen über die Art des Extremwerts. Die zweiten
Ableitungen lauten
d2 σϕ d2 τϕ
= −2σ cos2ϕ, = −2σ sin 2ϕ .
dϕ2 dϕ2
Mit 2ϕ = 0◦ folgt für die Normalspannungen −2σ cos 0◦ < 0 (man beachte, dass
Zugspannungen σ vereinbart waren), für 2ϕ = 180◦ erhält man −2σ cos 180◦ > 0.
Man erkennt, dass für ϕ = 0◦ der Maximalwert der Normalspannungen erreicht
wird, ϕ = 90◦ entspricht dem Minimalwert. Für 2ϕ = 90◦ folgt für die Schub-
spannungen −2σ sin 90◦ < 0, für 2ϕ = 270◦ erhält man −2σ270◦ > 0. In diesem
Sinne sind Schubspannungen in einem 45◦ -Schnitt Maximalwerte, für 135◦ erhält
9.2 Spannungszustand - Geometrie der Spannungen 277
ri
bei Innendruck pi σt = pi ,
t
ra
bei Außendruck pa σt = −pa .
t
Nach dem Prinzip von DE S T. V ENANT, s. Abschnitt 1.3, können diese Glei-
chungen in genügender Entfernung von dem Ende (z. B. dem Boden) eines zy-
lindrischen Behälters als gültig angesehen werden. Die Längsspannungen werden
durch den Druck auf den Deckel oder den Boden hervorgerufen. Das Gleichgewicht
der Kräfte in Längsrichtung an dem durch einen Querschnitt abgeschnittenen Teil
(Abb. 9.13) ergibt bei Innendruck
Fix = 0 = −σl t 2πrm + pi πr2i .
1 ri σt
bei Innendruck pi σl = pi = , (9.29)
2 t 2
1 ra σt
bei Außendruck pa σl = − pa = . (9.30)
2 t 2
σl
rm
ra
ri
pi
σl
t
σ
In Abb. 9.14 ist ein aus der Rohrwand herausgeschnittenes Element mit den bei In-
nendruck wirkenden Spannungen dargestellt. Da Spannungen in zwei aufeinander
senkrechten Schnittflächen wirken, liegt ein so genannter zweiachsiger Spannungs-
zustand vor, mit dem wir uns im folgenden Abschnitt allgemein beschäftigen wer-
den. Spannungen σr in der dritten Richtung (radial), hervorgerufen durch den Druck
(pi oder pa ) auf die Wand, können gegenüber den beiden anderen Spannungen ver-
nachlässigt werden, wenn rm t ist. In jedem Schnitt durch den Mittelpunkt des
Kugelbehälters liegen die gleichen Verhältnisse vor wie in dem Querschnitt eines
zylindrischen Behälters. Demzufolge sind die Spannungen in allen Richtungen des
Kugelumfangs gleich groß und betragen
1 ri
bei Innendruck pi σt = pi , (9.31)
2 t
1 ra
bei Außendruck pa σl = − pa . (9.32)
2 t
In Abb. 9.15 ist ein dünner Blechstreifen perspektivisch dargestellt, der in zwei auf-
einander senkrechten Richtungen in der Blechebene zunächst nur durch die Zug-
kräfte Fx und Fy beansprucht ist. Die Zugkräfte sollen gleichmäßig an den Begren-
zungsflächen angreifen.
In Schnittflächen parallel zur x- und y-Achse treten Normalspannungen σy und
σx auf. Nach dem oben in Abschnitt 9.2 Gesagten werden durch jede der beiden
Kräfte Fx und Fy in einem schrägen Schnitt Normal- und Schubspannungen hervor-
gerufen, die sowohl von der Spannung σx als auch von der Spannung σy abhängen.
In je einem parallel zu den Achsen (Abb. 9.15 b) und schräg unter dem Winkel ϕ
(Abb. 9.15 c) herausgeschnittenen Element sind die jeweiligen Spannungen einge-
zeichnet. Da alle Spannungen in der gleichen Ebene liegen (der x, y-Ebene) und die
Begrenzungsflächen parallel zur Betrachtungsebene z = const spannungsfrei sind,
280 9 Zusammengesetzte Beanspruchung
a)
Fx
Fy
y
F ty Ft
x
Ft
x F ty
x ϕ
Fy Fx
b) dx c) dx d)
σy σϕ σy
y y
τϕ
τyx
ϕ 2
τ ϕ+π/ dy
2 τxy
σx σx 2 σ ϕ+π/ σx
σ ϕ+π/
dy
σx
τ ϕ+π/
2 τxy
x τϕ τyx x
σϕ
σy σy
Wir betrachten ein Element (Abb. 9.16 a) mit den Seitenlängen dx und dy und der
Dicke dz senkrecht zur Betrachtungsebene, das unter dem Winkel ϕ senkrecht zur
x, y-Ebene geschnitten ist. Somit erhalten wir ein dünnes dreieckiges Prisma. Die
schräge Schnittfläche ist dA, die in ihr angreifenden Spannungen nennen wir σϕ
und τϕ . Die in den anderen beiden Schnittflächen dA sin ϕ und dA cos ϕ wirkenden
Spannungen σx , σy und τxy setzen wir als gegeben voraus, und wir wollen die
Spannungen σϕ und τϕ durch die gegebenen ausdrücken. Das Element ist unter
der Wirkung der aus den Spannungen resultierenden Kräfte im Gleichgewicht. Die
Gleichgewichtsbedingungen der Kräfte in x- und y-Richtung lauten
Fix = 0 = −σϕ dA sin ϕ + τϕ dA cosϕ + σx dA sin ϕ − τ dA cosϕ, (9.33)
Fiy = 0 = σϕ dA cos ϕ + τϕ dA sin ϕ − σy dA cos ϕ + τ dA sin ϕ . (9.34)
Multipliziert man die erste Gleichung mit − sin ϕ und die zweite mit cos ϕ und
addiert, ergibt sich
Ebenso erhält man, wenn die erste Gleichung mit cos ϕ und die zweite mit sin ϕ
multipliziert wird, nach Addieren
a) b) c) ◦
σ 45
y y τ ma
x
dx σ1 x
τ ma
◦
σϕ σ 45
y
τϕ σ2
τ ◦
dy
σx σ 45 x
dA -α + π/2 x τ ma
dA sin ϕ ϕ τ ma ϕ ◦
σ 45
ϕ σ2 45◦
x -α x x
τ dA cos ϕ ψ -α
σy
σ1
dσϕ
= −(σy − σx ) sin 2ϕ − 2τ cos2ϕ = 0 .
dϕ
Die Auflösung führt auf die Gleichung
2τ
tan 2ϕ1 = − . (9.39)
σy − σx
Hier wollen wir über die Größe der Spannungen σx und σy eine Vereinbarung tref-
fen, die für den Richtungssinn von Bedeutung ist. Das x, y-Koordinatensystem ist
so gewählt, dass die Beziehung σy > σx gilt. Wir erinnern uns, dass Zugspan-
nungen positiv, Druckspannungen negativ sind. Ist z. B. σy = 20 N/mm2 und
σx = −30 N/mm2 , dann ist vorstehende Vereinbarung erfüllt. Für die folgenden Be-
trachtungen hat auch das Vorzeichen der Schubspannung τ Bedeutung (Abb. 1.10),
die Schubspannung τϕ in Abb. 9.16 a) ist somit positiv, ebenso τ in der Schnitt-
fläche dA cos ϕ, während τ in der Schnittfläche dA sin ϕ negativ ist.
In Gl. (9.39) ist somit der Quotient 2τ/(σy − σx ) positiv, der 1. Hauptwert der
Tangensfunktion also negativ. Da tan 2ϕ1 = tan 2(ϕ1 + π/2) = tan 2ϕ2 ist, gibt es
zwei aufeinander senkrechte feste Schnittrichtungen ϕ1 = −α und ϕ2 = −α + π/2,
für die die Normalspannungen Extremwerte annehmen. Wir wollen weiter diejeni-
gen Schnittrichtungen feststellen, in denen τϕ = 0 sein kann. Aus Gl. (9.38) folgt
2τ
tan 2ϕ1 = − .
σy − σx
Dies ist aber die gleiche Bedingung wie für Extremwerte der Normalspannungen.
Definition 9.3 (Hauptschnitte und -spannungen). Schubspannungsfreie Schnitt-
richtungen nennt man Hauptschnitte, die Extremwerte der Normalspannungen in
diesen Schnitten sind Hauptspannungen, sie sind Maximal- oder Minimalwerte der
Spannungen für alle Schnittrichtungen durch einen Punkt.
9.2 Spannungszustand - Geometrie der Spannungen 283
1 tan 2ϕ1
cos 2ϕ1 = und sin 2ϕ1 =
1 + tan2 2ϕ1 1 + tan2 2ϕ1
und Ersetzen des Tangens durch die Spannungen nach Gl. (9.39) erhält man nach
algebraischer Umformung die Hauptspannungen
σx + σy σy − σx 2
σ1,2 = ± + 4τ2 (9.40)
2 τ
Es liegt nun nahe, auch nach Extremwerten der Schubspannung zu suchen. Die
Bedingung hierfür lautet dτϕ /dϕ = 0
dτϕ
= (σy − σx ) cos 2ϕ − 2τ sin2ϕ = 0 .
dϕ
Dies führt auf die Gleichung
σy − σx
tan 2ϕ3 = . (9.41)
2τ
Mit tan 2ϕ3 = tan 2(ϕ3 + π/2) = tan 2ϕ4 gibt es somit wieder zwei aufeinander
senkrechte Schnittrichtungen, in denen die Schubspannungen Extremwerte anneh-
men. Weiterhin gilt mit der Gleichung tan 2ϕ3 = −1/ tan 2ϕ1 auch ϕ3 = ϕ1 + π/4
und ϕ4 = ϕ2 + π/4, d. h., in unter 45◦ zu den Hauptschnitten gelegenen Schnitt-
richtungen nehmen die Schubspannungen Maximalwerte an. In Abb. 9.16 b) und c)
sind gedrehte Flächenelemente mit den Hauptspannungen und den Extremwerten
der Schubspannungen gezeichnet. Setzt man Gl. (9.41) in die Gln. (9.37) und (9.38)
ein, erhält man nach einiger Zwischenrechnung
σx + σy 1
σ45◦ = und τmax = (σy − σx )2 + 4τ2 .
2 2
Drücken wir nun die Spannungen in beliebigen Schnittrichtungen durch die Haupt-
spannungen aus, dann folgt mit dem neuen Winkel ψ = ϕ + α (Abb. 9.16 b) und
σy ≡ σ1 , σx ≡ σ2 sowie τ = 0 unmittelbar aus den Gln. (9.37) und (9.38)
σ1 + σ2 σ1 − σ2
σψ = + cos 2ψ, (9.42)
2 2
σ1 − σ2
τψ = sin 2ψ . (9.43)
2
284 9 Zusammengesetzte Beanspruchung
Nimmt man in den Gln. (9.42) und (9.43) die folgenden Umbezeichnungen vor
σψ = u = σ, τψ = v = τ,
und
σ1 + σ2 σ1 − σ2
= u0 , = r, cos2ψ = cos ϕ, sin 2ψ = sin ϕ,
2 2
ergibt sich an Stelle der Gln. (9.42) und (9.43)
u = u0 + r cos ϕ, v = r sin ϕ
Dies ist die Gleichung eines um u0 in positiver Richtung der u-Achse verschobe-
nen Kreises im u-v-Koordinatensystem mit dem Radius r. Diese Analogie geht auf
M OHR zurück. Die grafische Interpretation ist auf Abb. 9.17 gegeben. Man erkennt
relativ schnell erkennen, dass die Konstruktion des M OHR’schen Spannungskrei-
ses elementar ist. Gleichzeitig ist exemplarisch gezeigt, dass sich zahlreiche weitere
Werte des ebenen Spannungszustandes ablesen lassen.
Anmerkung 9.1. Die Konstruktion derartiger Kreise ist auch für die Flächenmo-
mente 2. Ordnung sowie die Massenträgheitsmomente möglich, da die Drehung von
Koordinatensysteme in diesen Fällen auf ähnliche Transformationsregeln führt.
τ σ1
σ45◦
−σ
2
τmax
σ2 σ1
2
τϕ/2
ϕ
σ
σ1 + σ2
2
σϕ/2
Abb. 9.17 M OHR ’scher
Spannungskreis
Anmerkung 9.2. Die Konstruktion von M OHR’schen Kreise ist nicht auf ebene
Zustände beschränkt.
Am Ende des Abschnitt 9.2 haben wir festgestellt, dass viele Beanspruchungen zu
einem inhomogenen Spannungszustand führen, die Spannungen sind Funktionen
der Ortskoordinaten. Beim ebenen Spannungszustand stehen die Spannungen un-
tereinander in Beziehungen, die nicht immer durch die Gleichgewichtsbedingungen
zwischen den äußeren Kräften und den Schnittkräften angegeben werden können.
Um die Abhängigkeit der Spannungen voneinander zu erkennen, betrachten wir das
Gleichgewicht der Kräfte an einem Element mit den Abmessungen dx und dy. Die
Spannungen σx , σy , τyx und τxy sind Funktionen der Koordinaten x und y, die
Änderung der Spannungen können wir durch ihren Zuwachs im Inneren als Ergeb-
nis einwirkender Volumenkräfte fx (x, y) und fy (x, y), z. B. (∂σx /∂x)dx angeben
(Abb. 9.18). Setzen wir für die Dicke des Elements senkrecht zur Zeichenebene dz,
dann lautet die Gleichgewichtsbedingung für die Kräfte in x-Richtung
∂σx
Fix = 0 = −σx dydz + σx + dx dydz
∂x
∂τyx
− τyx dxdz + σx + dy dxdz + fxdxdydz .
∂y
∂σx ∂τyx
+ + fx = 0 . (9.44)
∂x ∂y
Aus der Bedingung Fiy = 0 folgt in gleicher Weise
∂σy
σy + dy
∂y
y
∂τyx
τyx + dy
∂y
∂τxy
τxy + dx
σx M ∂x
dy
∂σx
τxy σx + dx
∂x
x
τyx
Abb. 9.18 Flächenelemente σy
mit veränderlichen Spannun-
dx
gen
286 9 Zusammengesetzte Beanspruchung
∂τxy ∂σy
+ + fy = 0 . (9.45)
∂x ∂y
Die dritte Gleichgewichtsbedingung MiM = 0 führt auf das schon bekannte Ge-
setz der zugeordneten Schubspannungen (s. Abschnitt 7.1) τxy = τyx = τ. Bei zahl-
reichen Aufgaben kann man die Volumenkräfte vernachlässigen, d. h. fx = fy = 0.
Beispiel 9.6 (Schubspannungsverteilung).
Die Schubspannungsverteilung in einem durch Querkräfte beanspruchten Balken ist
zu ermitteln.
Lösung 9.6
Legen wir ein Element in die x, z-Ebene (Abb. 9.19) des Trägers, dann lautet Gl. (9.44) mit fx = 0
∂σx ∂τ
+ = 0.
∂x ∂z
Hier ist σx die Biegespannung nach Gl. (4.39)
Mby(x)
σx = z.
Iy
Mit
∂σx ∂Mby(x) z
=
∂x ∂x Iy
und
∂Mby(x)
= Fq (x)
∂x
erhält man
∂τ ∂σx Fq (x)
=− =− z.
∂z ∂x Iy
Wir wollen diese Gleichung für einen Träger mit Rechteckquerschnitt (Breite b, Höhe h) weiter
auswerten. Da Fq (x) und Iy nicht von z abhängen, kann vorstehende Gleichung direkt integriert
werden. Vorher erweitern wir noch mit b und erhalten
Fq (x) z2
τb = − b + c(x) .
Iy 2
y
h
x
τ σx
Die Integrations- Konstante“ c(x) ist nur bezüglich z konstant, kann also im Allgemeinen von x
”
abhängen. Aus der Randbedingung τ = 0 für z = ±h/2 folgt
Fq (x) (h/2)2
c(x) = b ,
Iy 2
In einem Punkt eines belasteten Körpers ist der Spannungszustand dreiachsig, wenn
der Spannungsvektor s Komponenten in drei zueinander senkrechten Richtungen
hat. Abbildung 9.20 zeigt ein Körperelement mit den möglichen Spannungen in den
drei sichtbaren Begrenzungsflächen. In jeder Fläche sind eine Normalspannung und
zwei Schubspannungen vorhanden.
σz
τzx τzy
ϕ τyz
τxz σy
τyx
dz
y
σx τxy
dx
Abb. 9.20 Dreiachsiger
Spannungszustand am dy
x
Körperelement
288 9 Zusammengesetzte Beanspruchung
Legt man durch das Körperelement einen schrägen Schnitt, hängt der Span-
nungsvektor s wie beim ebenen Spannungszustand von der Richtung dieser Schnitt-
fläche ab. Die Richtung kann durch den Normalenvektor n beschrieben werden.
Die Abhängigkeit des Spannungsvektors von der Schnittfläche ist eindeutig gekenn-
zeichnet, wenn man ihn als Funktion des Normalenvektors n angibt. Die Abhängig-
keit ist linear, in der Mathematik bezeichnet man eine solche Funktion als Tensor,
hier Spannungstensor.
Die neun Komponenten der Spannungsvektoren in den drei zueinander senkrech-
ten Schnittflächen kann man auch als Spannungsmatrix schreiben
⎛ ⎞
σx τxy τxz
⎝ τyx σy τyz ⎠ .
τzx τzy σz
Im Abschnitt 7.1.1 haben wir gezeigt, dass in zwei aufeinander senkrechten Schnitt-
flächen die Schubspannungen gleich groß sind (zugeordnete Schubspannungen). Es
ist also
τyx = τxy , τzx = τxz , τzy = τyz .
Die Spannungsmatrix ist symmetrisch zur Hauptdiagonale. Es genügen demnach
sechs Spannungen zur Kennzeichnung eines dreiachsigen Spannungszustands.
Man kann beweisen, dass in einem Punkt eines Körpers in drei zueinander senk-
rechten ganz bestimmten Schnittrichtungen die Schubspannungen verschwinden;
die Normalspannungen nehmen dort Extremwerte an. Die diesen Richtungen zuge-
ordneten Normalspannungen sind die Hauptspannungen σI , σII und σIII des räum-
lichen Spannungszustands (Abb. 9.21). Der ebene Spannungszustand folgt als Son-
derfall des räumlichen, wenn alle Spannungen in Schnittflächen parallel zur x, y-
Ebene verschwinden, also σz = τzx = τzy = 0 sind.
Die Berechnung der Hauptspannungen stellt mathematisch gesehen ein Eigen-
wertproblem dar. Bleibt man bei der hier eingeführten Spannungsmatrix zur Kenn-
zeichnung des räumlichen Spannungszustandes in einem Punkt des Körpers, las-
σII
σI σI
σIII
sen sich die Hauptspannungen und deren Richtungen aus folgender Vektor-Matrix-
Gleichung bestimmen
⎡ ⎤⎡ ⎤ ⎡ ⎤
σ1 − σ τ12 τ13 n1 0
⎣ τ12 σ2 − σ τ23 ⎦ ⎣ n2 ⎦ = ⎣ 0 ⎦ . (9.46)
τ13 τ23 σ3 − σ n3 0
I1 = σ1 + σ2 + σ3 ,
σ τ σ τ σ τ
I2 = 1 12 + 1 13 + 2 23 ,
τ12 σ2 τ13 σ3 τ23 σ3
(9.49)
σ1 τ12 τ13
I3 = τ12 σ2 τ23 .
τ13 τ23 σ3
Aufgrund der Tatsache, dass die Spannungsmatrix nur reelle Elemente enthält und
symmetrisch ist, erhält man nur reelle Lösungen für das charakteristische Polynom.
Diese lassen sich stets wie folgt ordnen
σI σII σIII .
erhält man jetzt ein algebraisches homogenes Gleichungssystem, welches nur mit
einer Zusatzbedingung einer Lösung zugeführt werden kann. Als Zusatzbedingung
kann man die Orthogonalitätsbedingung für die Koordinatenrichtungen verwenden,
d. h. für jedes k gilt
n21 + n22 + n23 = 1 .
Die Lösungstechnik soll nun zunächst an einfachen Beispielen trainiert werden.
Beispiel 9.7 (Einachsiger Zug).
Der Zugzustand in einem Stab kann als Sonderfall des räumlichen Spannungszu-
standes aufgefasst werden. Für den Fall, dass die Stabachse mit der x-Achse und
der Belastungsrichtung zusammenfällt, ist das einzige von Null verschiedene Ele-
ment der Spannungsmatrix σ1 = σx . Man bestimme die Hauptspannungen und de-
ren Richtung.
Lösung 9.7
Die Bestimmung der Hauptspannungen lässt sich mit Hilfe des charakteristischen Polynoms (9.48)
realisieren. Mit den Werten der Invarianten I1 = σx , I2 = I3 = 0 folgt
σ3 − σx σ2 = σ2 (σ − σx) = 0,
Bei der Aufstellung der Gleichungen wurde von der Lösung σ = σI = σx ausgegangen. Aus
(I) (I)
der 2. und 3. Gleichung folgt unmittelbar, dass n2 = 0 und n3 = 0 sind (sonst können diese
Gleichungen nicht erfüllt werden, da σx = 0 sein muss). Man kann jetzt sehen, dass aus der
(I)
ersten Gleichung n1 = 0 gefunden werden kann. Genauere Aussagen ergeben sich erst aus der
Auswertung der Zusatzbedingung
(I) 2
n1 = 1.
(I)
Die Lösung lautet n1 = ±1. Damit wird bestätigt, dass die x-Achse mit der Richtung der größten
Hauptspannung zusammenfällt. Die ermittelten n1 , n2 , n3 drücken die Richtungscosinuse zwi-
schen der x-Achse und der Richtung der größten Hauptspannung, der y-Achse und der Richtung
der größten Hauptspannung sowie der z-Achse und der Richtung der größten Hauptspannung aus.
Für die Doppellösung k = II, III erhält man keine Aussagen über die Richtung der entsprechen-
den Hauptspannungen. Dies bedeutet, dass jede zur Richtung der größten Hauptspannung ortho-
gonale Richtung gleichfalls Hauptrichtung ist (Abb. 9.22).
9.2 Spannungszustand - Geometrie der Spannungen 291
(I)
Da τ = 0 sein muss, folgt aus der 3. Gleichung unmittelbar n3 = 0. Aus der 1. und 2. Gleichung
(I) (I)
erhält man n1 = n2 . Weitere Aussagen ergeben sich aus der Auswertung der Zusatzbedingung
1√
(I) 2 (I) 2 (I) 2 (I)
n1 + n2 = 2 n1 = 1 ⇒ n1 = ± 2
2
sowie
(I)1√
n2 = ± 2.
2
Die Richtung der zweiten Hauptspannung folgt aus dem Gleichungssystem
a) b)
y τ σII σI
y
I
n
45◦
nI
τ τ z, nIII x
I
(II) (II)
Mit τ = 0 folgt aus der 1. und 2. Gleichung n1 = 0 und n1 = 0. Aus der 3. Gleichung erhält
man keine weitere Aussage, so dass die Zusatzbedingung herangezogen werden muss
(II) 2 (II)
n3 = 1 ⇒ n3 = ±1 .
(III)
Mit τ = 0 ergibt sich aus der 3. Gleichung wieder n3 = 0. Aus der 1. und 2. Gleichung erhält
(III) (III)
man n1 = −n2 . Weitere Aussagen ergeben sich aus der Auswertung der Zusatzbedingung
1√
(III) 2 (III) 2 (III) 2 (III) 2 (III) 2 (III)
n1 + n2 = n1 + −n1 = 2 n1 = 1 ⇒ n1 =± 2
2
sowie
1√
(III)
n2 =∓
2.
2
Das Hauptachsensystem ist gegenüber dem ursprünglichen Koordinatensystem um 45◦ gegen den
Uhrzeigersinn um die z-Achse gedreht (Abb. 9.23).
Beispiel 9.9 (Biaxialer Zustand). Man bestimme die Hauptspannungen und Haupt-
richtungen für einen biaxialen Zug-Druck-Zustand (σx = σ0 , σy = −σ0 , Abb. 9.24).
Lösung 9.9
Die Ermittlung der Hauptspannungen erfolgt durch Auswertung der Determinante (9.47)
σ0 − σ 0 0
0 −σ0 − σ 0 = (σ0 − σ)(−σ0 − σ)(−σ) = 0 .
0 0 −σ
Die Lösung lautet
σI = σ0 , σII = 0, σIII = −σ0 .
Dies entspricht dem Fall von drei verschiedenen Lösungen. Die Richtung der ersten Hauptspan-
nung folgt aus dem Gleichungssystem
a) b)
y σy nII
(I)
Da σ0 = 0 sein muss, folgt aus der 3. Gleichung unmittelbar n3 = 0. Aus der 2. Gleichung erhält
(I)
man n2 = 0. Weitere Aussagen ergeben sich aus der Auswertung der Zusatzbedingung
(I) 2 (I)
n1 = 1 ⇒ n1 = ±1 .
(II) (II)
Mit σ0 = 0 folgt aus der 1. und 2. Gleichung n1 = 0 und n2 = 0. Aus der 3. Gleichung
erhält man keine weitere Aussage, so dass die Zusatzbedingung herangezogen werden muss
(II) 2 (II)
n3 = 1 ⇒ n3 = ±1 .
(III)
Mit σ0 = 0 ergibt sich aus der 3. Gleichung wieder n3 = 0. Aus der 1. Gleichung erhält man
(III)
n1 = 0. Weitere Aussagen ergeben sich aus der Auswertung der Zusatzbedingung
(III) 2 (III)
n2 = 1 ⇒ n1 = ±1 .
Das Hauptachsensystem fällt mit dem ursprünglichen Koordinatensystem zusammen (Abb. 9.24).
Vergleicht man das Beispiel 9.8 mit den Ergebnissen dieses Beispiels, stellt man fest:
– Die Werte der Hauptspannungen fallen für τ = σ0 zusammen.
– Die Hauptrichtungen unterscheiden sich um den Winkel von 45◦ .
(σh − σ)3 = 0,
kugelförmigen Ballons in Wasser wird der Ballon durch hydrostatischen Druck (überall gleich)
beansprucht und es gibt keine Vorzugsrichtung.
1 1
εx = (σx − νσy ), εy = (σy − νσx ) . (9.51)
E E
y σy 1 σy 1
εx dx εx dx
τ dx 2 2 τ
σx τ σx σx τ
dy
τ σx τ
1
γ
εy dy
τ x 1 2
εy dy
τ γ
σy σy 2
1
2
1
2
Diese Gleichungen bezeichnet man als erweitertes H OOKE’sches Gesetz für den
ebenen Fall. Die Spannungen σx und σy ergeben noch eine Querkontraktion in z-
Richtung
ν
εz = − (σx + σy ) . (9.52)
E
Man sieht, dass beim ebenen Spannungszustand Dehnungen in drei Richtungen auf-
treten. Einem zweiachsigen Spannungszustand entspricht also ein dreiachsiger Ver-
zerrungszustand. In der elementaren Festigkeitslehre wird der Einfluss der Quer-
kontraktion εz vernachlässigt.
Die Schubspannung τ bewirkt eine Winkeländerung (Gleitung) γ (Abb. 9.25).
Beide sind durch das H OOKE’sche Gesetz miteinander verknüpft (s. Abschnitt 7.1)
γ = τ/G, τ = Gγ . (9.53)
E E
σx = (εx + νεy ), σy = (εy + νεx ) . (9.54)
1 − ν2 1 − ν2
Der durch diese Gleichungen ausgedrückte Sachverhalt spielt eine große Rolle in
der experimentellen Spannungsanalyse.
1 1
ε1 = (σ1 − νσ2 ), ε2 = (σ2 − νσ1 ), (9.55)
E E
296 9 Zusammengesetzte Beanspruchung
ν
εz = − (σ1 + σ2 ), (9.56)
E
E E
σ1 = (ε1 + νε2 ), σ2 = (ε2 + νε1 ) . (9.57)
1 − ν2 1 − ν2
Die den Gln. (9.42) und (9.43) analogen lauten für die Verzerrungen
ε1 + ε2 ε1 − ε2
εψ = + cos 2ψ, (9.58)
2 2
1 ε1 − ε2
γψ = sin 2ψ . (9.59)
2 2
Für die Richtung der Hauptdehnung erhält man die der Gl. (9.39) entsprechende
Gleichung
2γ/2
tan 2ϕ1 = − . (9.60)
εy − εx
Ersetzen wir nach Gl. (9.51) die Dehnungen in Gl. (9.60) durch die Spannungen und
berücksichtigen ferner das H OOKE’sche Gesetz für Schubspannungen, folgt
2τ/2G
tan 2ϕ1 = − .
(1/E)(1 + ν)(σy − σx )
Diese Gleichung ist nur dann mit Gl. (9.39) identisch, wenn 2G(1 + ν) = E ist
(s. Abschnitt 9.3.2). Wir können zusammenfassend folgende Aussage treffen.
Satz 9.6 (Gleichheit der Hauptrichtungen). Die Hauptdehnungsrichtungen sind
mit den Hauptspannungsrichtungen identisch.
Da für die Richtung der Hauptspannungen der Winkel ψ = 0 ist, folgt aus Gl. (9.59)
γ = 0.
Satz 9.7 (Winkeländerungen). Ein Element, das parallel zur Richtung der Haupt-
spannungen herausgeschnitten wird, ist frei von Winkeländerungen.
Beispiel 9.11 (Hauptdehnungen).
Die Hauptdehnungen in einem zylindrischen Stab mit dem Durchmesser d = 20 mm
sind zu berechnen. Der Stab ist durch eine Zugkraft F = 27 kN und ein Drehmoment
Mt = 85 Nm belastet. Als Werkstoff wird Stahl mit E = 2,1·105 N/mm2 und ν = 0, 3
eingesetzt.
Lösung 9.11
Setzt man einen zweidimensionalen Spannungszustand voraus, wirken folgende Spannungen im
Stab:
– die Normalspannung in Richtung der Stabachse
F 27 · 103 N
σ= = = 86 N/mm2 ,
A π(10 mm)2
– die Schubspannung
Mt 17 · 103 Nmm
τ= = = 54 N/mm2 .
Wt π(10 mm)2
9.3 Formänderungen des ebenen Spannungszustands 297
1 (112 + 0, 3 · 26)N/mm2
ε1 = (σ1 − νσ2 ) = = 5,71 · 10−4 ,
E 2,1 · 105 N/mm2
1 (26 + 0, 3 · 112)N/mm2
ε2 = (σ2 − νσ1 ) = = −2,84 · 10−4 .
E 2,1 · 105 N/mm2
Die drei Kennwerte E, G und ν sind Werkstoffkennwerte, die für ein bestimmtes
Material bei definierten Umgebungsbedingungen charakteristische, feste Werte be-
sitzen. Es soll der Zusammenhang zwischen diesen drei Größen gezeigt werden. Wir
betrachten einen reinen Schubspannungszustand und untersuchen die Formänderun-
gen an dem Element (Abb. 9.26) mit dx = dy. Die Hauptspannungen lassen sich
elementar berechnen: σ1 = τ, σ2 = −τ. Somit folgt für die Hauptdehnungen aus
Gl. (9.55)
τ τ
ε1 = (1 + ν) = ε, ε2 = − (1 + ν) = −ε .
E E
Aus Abb. 9.26 c) entnimmt man, da ε und γ sehr kleine Größen sind,
γ γ ε/2
tan ≈ = = ε.
2 2 1/2
2τ(1 + ν)
γ= .
E
298 9 Zusammengesetzte Beanspruchung
a) b) c)
σ1 /2
◦ −γ A
45 M
A
τ
τ
dy/2
(1 + ε)dy
σ2 σ2 γ/
A 90◦ − γ 2
dy
A
τ
B
dx B B B
(1 − ε)dx εdx/2
σ1
E
G= . (9.61)
2(1 + ν)
Das elastische Verhalten eines isotropen Werkstoffs ist bereits durch zwei von den
drei elastischen Kennwerten vollständig festgelegt. Hat man zwei durch Versuche
ermittelt, kann der dritte nach Gl. (9.61) berechnet werden.
9.3.3 Volumenänderung
ΔV V−V
= = (1 + ε1 )(1 + ε2 )(1 + ε3 ) − 1 .
V V
Die Produkte der Dehnungen sind klein gegen die Dehnungen selbst und können
vernachlässigt werden. Dann ist die relative Volumenänderung
ΔV
= ε1 + ε2 + ε3 .
V
9.3 Formänderungen des ebenen Spannungszustands 299
Ersetzt man mit Hilfe der Gl. (9.55) und (9.56) die Dehnungen durch die Spannun-
gen, ergibt sich
ΔV 1
= (1 − 2ν)(σ1 + σ2 ) . (9.62)
V E
Ist σ1 + σ2 positiv, wird das Volumen vergrößert, sofern 1 − 2ν > 0 ist.
Die Gl. (9.62) können wir benutzen, um die Werte der Querkontraktionszahl ν und
ihre Grenzen abzuschätzen. Zwei Grenzfälle sind bei der elastischen Verformung
eines Körpers denkbar. Dazu betrachten wir einen Zugstab im einachsigen Zugver-
such:
1. Trotz der Belastung tritt keine Volumenänderung auf, dann ist mit σ2 = 0 nach
Gl. (9.62)
ΔV 1
= (1 − 2ν)σ1 = 0 .
V E
Das ist nur möglich für ν = 0, 5. Dieser Wert gilt für ideal inkompressible Me-
dien. Wasser z. B. ist nahezu inkompressibel, bei Gummi und bei Kunsthar-
zen ist ν = 0, 45 . . .0, 48. Diese Stoffe erfahren praktisch keine Volumenände-
rung. Für zahlreiche metallische Werkstoffe liegt ν in der Größenordnung von
0, 25 . . .0, 35; mit dem Mittelwert 0, 3 wird häufig gerechnet.
2. Die relative Volumenänderung ist gleich der Dehnung ε1 = σ1 /E in Zugrichtung.
Dann ist 1 − 2ν = 1 und ν = 0, d. h. es ist keine Querkontraktion vorhanden.
Näherungsweise wird mit ν = 0 bei Beton gerechnet.
ν = 0 ist der untere im Experiment für isotrope klassische Konstruktionswerkstof-
fe ermittelte Grenzwert. Negative Querkontraktionszahlen (ν < 0) bedeuten, dass
der Durchmesser einer Zugprobe im Zugversuch zunimmt. Die obere Grenze für
die Querkontraktionszahl folgt aus der Überlegung, dass das Volumen bei Zugbean-
spruchung nicht abnimmt, d. h. die Querkontraktionszahl kann den Wert 0,5 nicht
übersteigen. Somit gilt
0 ν 0, 5 .
dass zumindest theoretisch die Untergrenze der Querkontraktionszahl -1 ist. Negative Querkon-
traktionszahlen wurde u.a. bei bestimmten Schaumstoffen nachgewiesen [21].
300 9 Zusammengesetzte Beanspruchung
Viele Bauteile sind bei komplizierter Gestalt, unklaren Lastannahmen und (oder)
innerer statischer Unbestimmtheit einer Festigkeitsberechnung nur schwer oder gar
nicht zugänglich. Da es aber von Bedeutung ist, die Beanspruchungen zu kennen,
sind Verfahren entwickelt word, die es gestatten, die durch unbekannte Spannungen
bewirkten relativen Verformungen, die Dehnungen, zu messen. Die Fortschritte auf
dem Gebiet der Messtechnik haben in den vergangenen Jahren diese Entwicklung
sehr gefördert. Die Auswertung vieler Einzelmessungen an verschiedenen Punkten
eines Bauteils durch Eingabe der Messergebnisse in Computer ist schnell möglich.
Dehnungen können nur an der freien Oberfläche der Bauteile gemessen werden.
Da in den meisten Fällen die größten Beanspruchungen in der Oberfläche auftreten,
sind diese Messungen häufig ausreichend. Der Spannungsverlauf im Innern kann
u.a. durch Modellverfahren (z. B. Spannungsoptik) in gewissen Grenzen bestimmt
werden.
Im Allgemeinen interessieren in einem Bauteil die Maximalspannungen, und es
ist nicht immer einfach, diese mit ihren Richtungen zu lokalisieren. Vorbereitende
Messungen (z. B. mit Hilfe des Reißlackverfahrens) können Aufschlüsse darüber
geben. Da ein auf das Bauteil aufgespritzter spröder Lacküberzug unter Beanspru-
chung senkrecht zur Richtung der größten Zughauptspannung reißt, kann man auf
die Richtungen der Hauptspannungen schließen. Dort, wo die Risse zuerst auftreten,
ist die Beanspruchung größer als an anderen Stellen.
Die Messung der Dehnungen εx und εy in beliebigen Richtungen an vielen Stel-
len setzt gleichzeitig Winkelmessungen zur Ermittlung von τ voraus, denn nur aus
σx , σy und τ kann man die Hauptspannungen σ1 und σ2 berechnen. Winkelmessun-
gen sind aber wegen der Kleinheit von γ sehr umständlich und in der Praxis kaum
realisierbar.
Wegen der Fortschritte in der Dehnungsmesstechnik (Ermittlung der Dehnun-
gen über die Widerstandsänderung in einem dünnen Draht) und der leichtmöglichen
Auswertung sehr vieler Messungen, hat die so genannte Dreikomponentenmessung,
welche kurz geschildert werden soll, besondere Bedeutung gewonnen.
Zur Berechnung der Hauptspannungen müssen die Hauptdehnungen bekannt
sein. Da sowohl Größe als auch Richtung der Hauptdehnungen unbekannt sind,
benötigt man drei Bestimmungsgrößen. Man misst in dem interessierenden Punkt in
drei je unter 45◦ gegeneinander versetzten Richtungen, die sonst beliebig orientiert
sein können, die Dehnungen εa , εb und εc (Abb. 9.27). Ist α die unbekannte Rich-
tung der Hauptdehnung ε1 (von dieser Richtung aus positiv gemessen) gegenüber
a, dann ergibt Gl. (9.58) mit ψ1 = α, ψ2 = α + 45◦ und ψ3 = α + 90◦ drei Bestim-
mungsgleichungen für α, ε1 und ε2
9.3 Formänderungen des ebenen Spannungszustands 301
2
σ2 , ε
b 45
◦
P α a
σ1 ,
ε1
1
εa = [ε1 + ε2 + (ε1 − ε2 ) cos 2α],
2
1
εb = [ε1 + ε2 − (ε1 − ε2 ) sin 2α],
2
1
εc = [ε1 + ε2 − (ε1 − ε2 ) cos 2α] .
2
Die Auflösung dieser drei Gleichungen ergibt
εa − 2εb + εc
tan 2α = , (9.63)
εa − εc
√
ε1 εa + εc 2
= ± (εa − εc )2 + (εb − εc )2 . (9.64)
ε2 2 2
Die Messung der Dehnungen über die Widerstandsmessung beruht auf dem in ei-
nem gewissen Bereich linearen Zusammenhang zwischen der Längen- und der Wi-
derstandsänderung eines sehr dünnen Drahtes mit hohem Eigenwiderstand. Die als
Dehnmessstreifen bekannten Messobjekte sind fest auf das Bauteil geklebt und elek-
trisch mit einer Widerstandsmessbrücke verbunden. Die Dehnung kann entweder di-
rekt auf einem Instrument abgelesen werden, oder das Messsignal wird von einem
PC registriert. Die Auswertung der Gl. (9.63) und (9.64) erfolgt dann im Rechner
automatisch.
Beispiel 9.13 (Spannungen und Kräfte).
An einer Stange mit d = 50 mm als Durchmesser sind bei einer unbekannten Kraft-
wirkung an verschiedenen Stellen der Oberfläche folgende Dehnungen gemessen
worden: εa = 200 · 10−5 , εb = 70 · 10−5 , εc = −60 · 10−5 , Richtung der Dehnung
εa in Stangenlängsrichtung. Zu berechnen sind die Spannungen und Kräfte in der
Stange, Werkstoff mit Al mit E = 7 · 104 N/mm2 und ν = 0, 3.
Lösung 9.13
Gleichung (9.63) ergibt tan 2α = (200 − 140 − 60)/260 = 0. Mit Hilfe von Gl. (9.64) erhält man
√
ε1 2 2
= 70 · 10−5 ± 130 + 1302 · 10−5 = (70 ± 130) · 10−5 .
ε2 2
302 9 Zusammengesetzte Beanspruchung
30
a) eingezeichnete Messrich- b ε2
◦
tungen am Umfang, a
b) Zuordnung der Hauptdeh- a
ε1
nungen zur Messrichtung α
Somit ist ε1 = 200 · 10−5 und ε2 = −60 · 10−5 . Da ε2 = −νε1 und α = 0 sind, liegt ein ein-
achsiger Spannungszustand vor mit σ2 = 0 und σ1 = Eε1 = 140 N/mm2 . Die Stange ist durch
die Kraft F = σ1 A = 27,5 · 104 N auf Zug beansprucht.
gemessen worden, die Richtung von εa ist um 30◦ gegen die Wellenlängsrichtung
geneigt (Abb. 9.28 a). Wie groß sind die Spannungen in der Welle? Durch welche
Kräfte oder Momente ist die Welle beansprucht?
Lösung 9.14
Für die Richtung der Dehnung ε1 erhalten wir tan 2α = (86, 7 + 100 − 86, 7)/173, 4 = 0, 577
oder α = 15◦ . Die Hauptdehnungen sind
√
ε1 2
= 0± 136, 72 + 36, 72 · 10−5 = ±100 · 10−5 .
ε2 2
Die Hauptdehnungen liegen unter 45◦ zur Wellenachse (Abb. 9.28 b) und sind entgegengesetzt
gleich, die Welle wird durch ein Drehmoment beansprucht. Die Schubspannung ist
5 G ALILEO G ALILEI (∗ 15. Februar 1564 in Pisa; † 8. Januar 1642 in Arcetri bei Florenz), Philo-
soph, Mathematiker, Physiker und Astronom, Fallgesetze, Elastizität des Balkens
6 G ABRIEL L AM É (∗ 22. Juli 1795 in Tours; † 1. Mai 1870 in Paris), Mathematiker und Physiker,
9.4.1 Vergleichsspannung
Das Ziel bei der Aufstellung von Festigkeitshypothesen ist es, Berechnungsglei-
chungen für mehrachsige Beanspruchung zu finden. Man führt die Spannungen des
mehrachsigen Spannungszustands auf eine gleichwertige einachsige Vergleichss-
pannung σV zurück, mit der man dann den Spannungszustand mit einem einach-
sigen vergleicht.
Definition 9.4. Die Vergleichsspannung σV ist eine rechnerische Spannung, die auf
Grund von Hypothesen mehrachsige, auch ungleichartige, Spannungszustände auf
eine gleichwertige einachsige Spannung umrechnet und vergleichbar gemacht.
Man kann somit die Vergleichsspannung bei mehrachsiger Beanspruchung mit einer
zulässigen Spannung vergleiche, die aus den bei einachsiger Beanspruchung ermit-
10 M AKSYMILIAN T YTUS H UBER (∗ 4. Januar 1872, Krosćienko/Donau; † 9. Dezember 1950),
Ingenieur, Festigkeitslehre, Professor Polytechnikum Lemberg (Rektor 1922/23), Polytechnilum
Warschau, Polytechnikum Gdansk, Bergakademie Krakow
11 R ICHARD E DLER VON M ISES (∗ 19. April 1883 in Lemberg, Österreich-Ungarn, heute Lwiw,
Ukraine; † 14. Juli 1953 in Boston, Massachusetts), Mathematiker, numerische Mathematik, Plas-
tizitätstheorie, Fluidmechanik, Professor in Straßburg, Dresden, Berlin, Harvard/Boston, Gründer
der Zeitschrift für Angewandte Mathematik und Mechanik
12 H EINRICH H ENCKY (∗ 2. November 1885 in Ansbach; † 6. Juli 1951), Ingenieur, Kontinuums-
Die größte Schubspannung verläuft unter 45◦ zu jeder der drei Hauptspannungen.
Unter der Annahme, dass für die Hauptspannungen σ1 > σ2 > σ3 gilt, ist die abso-
lut größte Schubspannung gleich der halben Differenz der größten und der kleinsten
Hauptspannung. Somit ist die Vergleichsspannung
Man sieht als besonderes Merkmal der Schubspannungshypothese, dass die Ver-
gleichsspannung unabhängig von der mittleren Hauptspannung ist, diese hat keinen
Einfluss auf das Versagen.
Im Abschnitt 9.3.1 ist gezeigt worden, dass für die Gestaltänderung eines Elements
nur Schubspannungen verantwortlich sind. Die Gestaltänderungsenergie bei räum-
lichem Spannungszustand in einem Körperelement kann durch die drei größten
Schubspannungen ausgedrückt werden. Ohne hier auf ihre Ableitung näher einge-
hen zu können, lautet die Beziehung
1 2
ΔWGest = (τ + τ2II + τ2III ) .
3G I
Ersetzt man die Schubspannungen durch die Differenzen der jeweiligen Hauptspan-
nungen, z. B. τI = (σ2 − σ3 )/2 usw., folgt
1
ΔWGest = [(σ1 − σ2 )2 + (σ1 − σ3 )2 + (σ2 − σ3 )2 ] .
12G
Für den Grenzfall des einachsigen Spannungszustands mit der Spannung σ1 = σV
ist
306 9 Zusammengesetzte Beanspruchung
1 2
ΔWGest = σ .
6G V
Durch Vergleich ΔWGest = ΔWGest erhält man
1
σV(GE) = [(σ1 − σ2 )2 + (σ1 − σ3 )2 + (σ2 − σ3 )2 ] σzul . (9.67)
2
σbF = 370 N/mm2 , σbW = 240 N/mm2 , τF = 190 N/mm2 , τW = 140 N/mm2 .
√
Es ist also mit ϕ = 3
√
a) α0 = σbW /ϕτF = 240 N/mm2 / √3 · 190 N/mm2 = 0,73,
b) α0 = σbW /ϕτW = 240 N/mm /√ 3 · 140 N/mm2 = 0,99 ≈ 1,
2
Bei der Berechnung von Wellen oder Trägern unter Biege- und Verdrehbean-
spruchung ist es manchmal zweckmäßig, das so genannte Vergleichsmoment MV
einzuführen
MV = Wb σV .
Mit der größten Biegespannung σb = Mb /Wb und der im gleichen Querschnitts-
punkt wirkenden Schubspannung τ = Mt /Wt ist z. B. nach der M OHRschen Hypo-
these
Mb 2 α 0 Mt 2
σV = +4 .
Wb Wt
Setzt man für Wt = κWb ein, dann folgt
α 0 Mt 2
σV Wb = M2b + 4 = MV .
κ
σD b0
SD = (9.68)
ok βk σV
und die zulässige Spannung
308 9 Zusammengesetzte Beanspruchung
∅150
Abb. 9.29 Welle F
Mt Mt
500
1100
σD b0 σD
σzul = = ∗ . (9.69)
SD ok βk S
Bei gekerbten Bauteilen sind Oberflächen-, Kerb- oder sonstige Einflüsse in den
Gleichungen für die Vergleichsspannungen entweder bei den Einzelspannungen σ
und τ zu berücksichtigen oder - was häufig einfacher ist - man multipliziert die
Vergleichsspannung σV direkt mit den entsprechenden Faktoren (wirksame Ver-
gleichsspannung), wie es in Gl. (9.68) geschehen ist.
Beispiel 9.16 (Welle). Die Welle (Abb. 9.29) ist durch die Einzellast F = 60 kN
schwellend beansprucht, ein wechselndes Drehmoment Mt = 18 kNm ist der Biege-
beanspruchung überlagert. Die Maximalwerte der Spannungen treffen zeitlich zu-
sammen. Zu berechnen ist die Sicherheit gegen Dauerbruch. Für den Werkstoff -
vergüteter Baustahl 34 CrMo4 - sind die an 10-mm-Proben ermittelten Kennwer-
te σb Sch = 580 N/mm2 und τW = 220 N/mm2 . Kerbwirkung und Oberfläche, die
ohne genaue Konstruktionsmerkmale nicht erfasst werden könne, sind mit ok βk zu
berücksichtigen.
Lösung 9.16
Da die Welle dynamisch beansprucht ist, rechnen wir die Vergleichsspannung nach der Gestaltän-
derungsenergie(GE)-Hypothese. Mit dem größten Biegemoment
und dem Widerstandsmoment des Kreisquerschnitts Wb = 331 · 103 mm3 ist die Biegespannung
im gefährdeten Querschnitt σb = 49,5 N/mm2 . Die Schubspannung im gleichen Querschnitt er-
gibt sich mit Wp = 2Wb zu τ = 27,2 N/mm2 . Den Korrekturfaktor α0 findet man aus Gl. (9.68)
zu √
α0 = σb Sch /ϕτW = (580 N/mm2 )/( 3 · 220 N/mm2 ) = 1, 52 .
Somit erhält man die Vergleichsspannung
σV(GE) = σ2b + 3(α0 τ)2 = 4,952 + 3(1, 52 · 2,72)2 · 10 N/mm2 = 87 N/mm2 .
verblieben, wodurch die Schraube im Schaft zusätzlich belastet ist. Wie groß darf
das Drehmoment sein, wenn zweifache Sicherheit gegen Erreichen der Streckgrenze
Re = 600 N/mm2 im Schaftquerschnitt gewährleistet sein soll?
Lösung 9.17
Die Zugspannung ist σz = F/A = 9,12 · 104 mm/380 mm2 = 240 N/mm2 . Wir rechnen mit der
M OHR ’schen Hypothese
σV(Sch) = σ2z + 4τ2 σzul .
Löst man die Gleichung nach der unbekannten Schubspannung auf, erhält man
1
τ= σ2zul − σ2z .
2
Das Drehmoment ist Mt = τWp = 90 N/mm2 · 2,09 · 103 mm3 = 1,881 · 105 Nmm.
Fu
1r
∅16
∅40
∅20
16
Abb. 9.30 Ritzelwelle
310 9 Zusammengesetzte Beanspruchung
320 N/mm2 · 0, 95
σzul = = 95 N/mm2 .
1 · 1, 6 · 2
Mit
Fu Wp
Mb = · 1,6 cm = Fu · 1,7 cm, Mt = Fu · 2 cm, κ= =2
cos 20◦ Wb
und
σbW 320 N/mm2
α0 = =√ = 0, 71 (τF = τSch = 260 N/mm2 )
ϕτF 3 · 260 N/mm2
ist das Vergleichsmoment
2
0, 71 · 2
M V = Fu 1, 72 + 3 cm = Fu · 2,1 cm
2
2900 −1
P = 1,82 · 103 N · 20 mm · 2π s = 11,1 · 106 Nmms−1 = 11,1 · 103 Nms−1 = 11,1 kW .
60
F
A B
Aufgabe 9.2. Maximale Spannungen in einem Hebel Der Hebel (Abb. 9.32) ist
durch die Last F = 10 kN belastet. Zu berechnen sind die Lage der Nulllinie und
Schnitt AB
10 A
Fx
40
y Mby x
20 ◦
25
z B F
Abb. 9.32 Hebel mit Zug-
125
kraft F
Aufgabe 9.3 (Spurzapfen). Der Spurzapfen einer senkrecht stehenden Welle ist
durch die vertikale Lagerkraft Fx = 80 kN und durch die horizontale Lagerkraft
Fz = 60 kN belastet (Abb. 9.33). Für die zulässige Spannung σzul = 110 N/mm2
ist der Durchmesser d des Zapfens zu berechnen. Wie groß sind die Druck- und
Biegespannungen im Übergangsquerschnitt auf den größeren Durchmesser (ohne
Berücksichtigung der Kerbwirkung)?
a)
Fx
x
1, 2d
Fz
d
b)
Fz Fx
z
Abb. 9.33 Spurzapfen
a) Ansicht
b) Schnitt y
Aufgabe 9.4 (Gebogener Träger). Der zu einem Viertelkreis gebogene Träger mit
Kreisquerschnitt (Durchmesser d) ist durch die Last F belastet (Abb. 9.34). Der
Querschnittsfaktor Z, die Lage der Nulllinie und die Randspannungen sind zu be-
rechnen (r0 = d, r = r0 ). Die Spannungsverteilung ist in Abhängigkeit von z zu
312 9 Zusammengesetzte Beanspruchung
F
a) r
r0
ϕ
b) y c)
Abb. 9.34 Viertelkreisbogenträger
a) Ansicht
b(z)
b) Einspannquerschnitt mit S
d
Zugkraft F und Biegemoment z z
Mby F
c) Zerlegung der Kreisfläche Mby = −Fr0
in Flächenstreifen dz z
d/2
1 z
λ=− 2 dA .
πd /4 r0 + z
−d/2
Mit dA = b(z)dz, z = (d/2) sin ϕ, b(z) = d cos ϕ, dz = (d/2) cos ϕdϕ, d/2r0 = a
und cos2 ϕ = 1 − sin2 ϕ erhält man (Abb. 9.34 c)
π/2
2 a sin3 ϕ − a sin ϕ
λ= dϕ .
π a sin ϕ + 1
−π/2
Man dividiere den Zähler durch den Nenner. Neben Grundintegralen erhält man das
Integral
1
dϕ = I .
a sin ϕ + 1
Die allgemeine Lösung lautet
2 tan(ϕ/2) + a
I= √ arctan √ .
1−a 2 1 − a2
9.5 Aufgaben zu Kapitel 9 313
Aufgabe 9.5 (Dünnwandiges Rohr). Ein dünnwandiges Rohr steht unter der Wir-
kung des Innendrucks pi , des Biegemoments Mb und des Drehmoments Mt . Die
folgenden Spannungen sind berechnet worden:
Man ermittle jeweils Größe und Richtung der Hauptspannungen je auf der maxima-
len Zugbiegeseite und Druckbiegeseite. Wie ändern sich die Werte, wenn entweder
σb = 0 oder τ = 0 ist?
Fn2 = 36 kN
Ft2 = 72 kN
10
Ft1 = 120 kN
60
Fn1 y
100
Fn1 = 120 kN
Ft1
Ft2
Fn2
Abb. 9.35 Entlang der Sei-
tenflächen belasteter Quader
Aufgabe 9.7 (Hauptdehnungen). Für die in den Aufgaben 9.5 und 9.6 angegebe-
nen Belastungsfälle sind die Hauptdehnungen zu berechnen, E = 2 · 105 N/mm2 ,
ν = 0, 3.
314 9 Zusammengesetzte Beanspruchung
y
b
a
c
D di C
da
C
45 ◦
x
Abb. 9.36 Träger mit Rohr-
querschnitt, A und B Deh-
nungsmessstellen
Aufgabe 9.12 (Vergleichsspannungen). Für die in Aufgabe 9.5 und 9.6 angegebe-
nen Belastungsfälle ermittle man die Vergleichsspannungen nach den drei Hypothe-
sen.
9.5 Aufgaben zu Kapitel 9 315
M
Mby t
1
40
y
5
8, 75
2
Mbz
12, 5
3
4
5 6 7
z 2, 5
Fu1
60
80
80
200
Fu2
80
y x
Abb. 9.38 Schematisch ge-
zeichnete Getriebewelle z
Fu
70
∅300
∅44
Aufgabe 9.18 (Stahlwelle). Eine Stahlwelle (d = 20 mm, σbW(∅ 20) = 240 N/mm2 ,
E = 2,1 · 105 N/mm2 , ν = 0, 3) ist wechselnd durch das Drehmoment Mt bean-
sprucht. Über Dehnmessstreifen misst man dabei an der Oberfläche die maximale
Dehnung ε45◦ = 0, 034%.
a) Aus der gemessenen Dehnung errechne man Spannung τt und Drehmoment Mt .
b) Welches zusätzliche wechselnde Biegemoment Mb kann die Welle bei 2facher
Sicherheit gegen Dauerbruch ertragen?
c) Für diesen Fall ermittle man die Hauptspannungen auf der Zugbiegeseite und er-
rechne die Hauptdehnungen. In welcher Richtung gegen die Längsachse müssen
Dehnmessstreifen angebracht sein, um die Hauptdehnungen zu erfassen?
σx + σy σy − σx 2
σ1,2 = ± + 4τ2,
2 τ
E E
σx = (εx + νεy ), σy = (εy + νεx ),
1 − ν2 1 − ν2
• Volumenänderung
ΔV 1
= (1 − 2ν)(σ1 + σ2 ),
V E
318 9 Zusammengesetzte Beanspruchung
Das einfachste Beispiel des Stabilitätsverlustes ist der durch eine Druckkraft bean-
spruchte Stab. Dabei wird untersucht, bei welcher kritischen Kraft ein Druckstab
ausknickt, d. h. eine Verformung erfährt, die nur vom Biegebalken bekannt ist.
Durch Zugkräfte beanspruchte Stäbe können ihre Funktion als Trag- oder Verbin-
dungselemente erfüllen, solange die Spannung σz = F/A die Streckgrenze nicht
überschreitet. Lange Stäbe, die durch Druckkräfte belastet sind, zeigen dagegen ein
anderes Verhalten. Schon bevor die Druckspannung σd = F/A die Quetschgrenze
erreicht, können auch bei mittiger Druckkraft plötzlich große seitliche Ausbiegun-
gen auftreten, durch die eine Funktionsfähigkeit nicht mehr gewährleistet ist. Man
spricht dann vom Knicken des Bauteils. Die Kraft, bei der diese Erscheinung ein-
tritt, heißt Knickkraft FK . Wir wollen zunächst das Verhalten von Druckstäben bei
außermittigem Kraftangriff untersuchen, weil sich in der Praxis auch bei planmäßig
mittig gedrückten Stäben eine geringe Exzentrizität nicht vermeiden lässt.
An einem beiderseits gelenkig und quer zur Stabrichtung unverschieblich gela-
gerten Stab, dessen Querabmessungen klein gegen seine Länge sind (Abb. 10.1 a),
werden die Gleichgewichtsbedingungen bei einer mit der Exzentrizität e angreifen-
den Druckkraft F untersucht. Dabei muss man die Durchbiegung w(x) im Ansatz
der Momente berücksichtigen, weil man aus der Voraussetzung eines geraden Sta-
bes keine Aussagen für einen gebogenen Stab herleiten kann. Der Stab wird also im
bereits ausgebogenen Zustand untersucht (Abb. 10.1 b).
Der Hebelarm der exzentrischen Druckkraft beträgt w(x) + e. Bei Gleichgewicht
der Momente am gedanklich abgetrennten Teilkörper um die zur Zeichenebene
senkrechte y-Achse durch den Schwerpunkt des Querschnittes gilt (Abb. 10.1 c)
319
a) b)
e
F F F x F
l
w
w(x)
c)
F x e
Mby
F
w
Biegemoment Mby und Durchbiegung w(x) sind außerdem durch die Beziehung
Mby w
=− (10.2)
EIy (1 + w 2 )3/2
(s. Abschnitt 5.2) verknüpft. Bei kleiner Durchbiegung, die zu Beginn des Knickvor-
ganges noch vorausgesetzt werden kann, darf w 2 gegen 1 vernachlässigt werden,
so dass Mby = − EIy w ist. Diesen Wert setzt man in Gl. (10.1) ein und erhält
F
w + (w + e) = 0 . (10.3)
EIy
Führt man die neue Variable u(x) = w(x) + e ein, ist u = w , und Gl. (10.3) geht
in
F
u + u=0 (10.4)
EIy
über. Zur Abkürzung wollen wir die Bezeichnung
F
κ= (10.5)
EIy
einführen. Die Gl. (10.4) hat damit die Lösung (s. [11])
0 = C2 − e, 0 = C1 sin κl + C2 cos κl − e .
1 − cosκl κl
C2 = e, C1 = e = e tan
sin κl 2
und damit die Gleichung für die Biegelinie
κl
w(x) = e tan sin κx + cosκx − 1 . (10.7)
2
Mit
κl κl l
κl sin sin κx + cos cos κx cos κ 2 − x
tan sin κx + cosκx = 2 2 =
2 κl κl
cos cos
2 2
erhält man ⎡ ⎤
l
⎢ cosκ − x ⎥
2
w(x) = e ⎢
⎣ − 1⎥
⎦. (10.8)
κl
cos
2
Die maximale Durchbiegung des Stabes tritt wegen Symmetrie in der Mitte bei
x = l/2 auf ⎛ ⎞
⎜ 1 ⎟
wmax = e ⎝ − 1⎠ . (10.9)
κl
cos
2
Aus Gl. (10.9) ist ersichtlich, dass die Durchbiegung w sehr groß wird, wenn der
Kosinus gegen Null geht, d. h., wenn das Argument des Kosinus gegen π/2 geht.
Dabei spielt die Größe der Exzentrizität keine Rolle, sie kann noch so gering sein.
Das Knicken tritt also auch bei planmäßig mittig gedrückten Stäben ein, wenn
κl/2 = π/2 ist. Dann ist mit Gl. (10.5)
π2 EIy
F = FK = . (10.10)
l2
Diese Kraft wurde von E ULER1 eingeführt und heißt E ULERsche Knickkraft.
in Gl. (10.9) den Ausdruck κl/2 mit Hilfe der Gln. (10.10) und
Ersetzt man
(10.5) durch F/FK π/2 und trägt wmax über F/FK auf (Abb. 10.2), sieht man, dass
der Übergang von kleinen zu großen Durchbiegungen um so plötzlicher erfolgt, je
kleiner die Exzentrizität e ist.
Der Zusammenhang zwischen Durchbiegung und Kraft ist eindeutig, solange
e = 0 ist. Das Gleichgewicht ist stabil. Bei e = 0 ergibt sich ein unbestimmter
1 L EONHARD E ULER (∗ 15. April 1707 in Basel; † 7. September (jul.)/ 18. September 1783 (greg.)
in Sankt Petersburg), Mathematiker, Summenzeichen, Variationsrechnung, Differential- und Inte-
gralrechnung, Hydromechanik, Stabilitätstheorie
322 10 Knicken und Beulen
m
2m
6
1 mm
0,1 mm
e=
4
wmax in mm
0 0, 2 0, 4 0, 6 0, 8 1, 0
bezogene Druckkraft F/FK
Ausdruck (0/0) für w, wenn F/FK = 1 ist. Bei Erreichen der Knickkraft sind belie-
bige Durchbiegungen möglich, die Gleichgewichtslage ist indifferent.
Der Bruch erfolgt wegen Überschreitens der Bruchspannung durch die Stabspan-
nung, die man nach Abschnitt 9.1.1 aus Biegespannung und Druckspannung über-
lagert
Mmax F F(wmax + e) F Fe F
σmax = + = + = + . (10.11)
Wb A Wb A κl A
Wb cos
2
Auch die maximale Spannung wird unabhängig von der Größe der Exzentrizität
größer als die Bruchspannung, wenn die Druckkraft sich der E ULERkraft nähert.
Bei größerer Exzentrizität erreicht die Spannung allerdings schon weit unterhalb
der Knickspannung unzulässig hohe Beträge. Deshalb wird bei planmäßig mittig
gedrückten Stäben, bei denen man geringe Exzentrizitäten nicht ausschließen oder
schätzen kann, mit hohen Sicherheitsfaktoren gerechnet, damit die Unsicherheiten
bezüglich des Kraftangriffs überdeckt werden.
w
FK x FK
w
l
F
C1 = 0 oder l = nπ
EIy
π2 EIy
FK = n2 , (10.13)
l2
erfüllt werden (n ganzzahlig).
Die Tragfähigkeit eines Stabes ist erschöpft, wenn die Belastung gleich der
kleinsten der nach Gl. (10.15) möglichen Kräfte ist (n = 1). Diese kleinste Kraft
nennt man im engeren Sinne die E ULER’sche Knickkraft
π2 EIy
FK = . (10.14)
l2
Die für größere n möglichen Knickkräfte sind für den Ingenieur uninteressant, weil
der nur wissen möchte, bis zu welcher Kraft der Stab nicht knickt. Die Biegelinie
ist eine Sinuslinie (Abb. 10.3 b), die durch die Gleichung
w = C1 sin κx (10.15)
schnitt 4.1.3.3), wenn nicht durch konstruktive Maßnahmen die Biegeebene vorge-
geben ist.
10.1.3 Knicksicherheit
In einem Bauteil soll eine gewisse Sicherheit gegen Ausknicken vorhanden sein. Die
zulässige Druckkraft muss deshalb kleiner als die Knickkraft sein. Der Quotient aus
Knickkraft FK und vorhandener Kraft F heißt Knicksicherheit
FK
SK = .
F
Damit ergibt sich die zulässige Druckkraft
FK π2 EImin
Fzul = = . (10.16)
SK SK l2
Beispiel 10.1 (Betätigungsstange).
Eine beiderseits gelenkig geführte Betätigungsstange aus Stahl mit dem Elastizitäts-
modul E = 2,1 · 105 N/mm2 hat 8 mm Durchmesser und 400 mm Länge. Wie groß
ist die Knickkraft? Wie groß ist die zulässige Belastung bei einer Knicksicherheit
SK = 3, 5?
Lösung 10.1
Das Flächenmoment 2. Ordnung beträgt
πd4 π · (8 mm)4
Ia = = = 201 mm4 .
64 64
Damit wird
π2 · 2,1 · 105 N/mm2 · 201 mm4
FK = = 2,6 · 103 N .
(400 mm)2
Man dividiert durch den Sicherheitsfaktor und erhält die zulässige Belastung
FK 2,6 · 103 N
Fzul = = = 744 N .
SK 3, 5
Man wählt das Profil U 80 mit Iy = 106 · 104 mm4 (in den Tabellen Ix [22]).
Bei der Herleitung der E ULER’schen Knickkraft im Abschnitt 10.1.2 war ange-
nommen worden, dass die Enden des Druckstabes gelenkig gelagert sind. Für
Druckstäbe mit anderen Randbedingungen (Abb. 10.4) kann man ebenfalls Diffe-
rentialgleichungen aufstellen und die Knickkräfte berechnen (s. [11]). Die Kräfte
kann man sich veranschaulichen, wenn man die hier gezeigten Biegelinien mit der
Biegelinie in Abb. 10.4 a) (Sinuslinie) des gelenkig gelagerten Stabes vergleicht. An
den Wendepunkten der Biegelinie mit w = 0 ist nämlich wegen Gl. (10.2) auch
M = 0, bezüglich der Biegelinien liegen also die gleichen Bedingungen zwischen
den Wendepunkten wie für den beiderseits gelenkig gelagerten Stab vor. Wenn die
Längskräfte im Stab konstant sind, muss also
π2 EI
FK = (10.17)
l2K
gelten, wobei lK , die Knicklänge, der Abstand zwischen den Wendepunkten der
Biegelinie ist.
Für den beidseitig gelenkig gelagerten Stab ist also lK = l. Für den einseitig
eingespannten und auf der anderen Seite freien Stab ist lK = 2l (Abb. 10.4 b), für
den beidseitig eingespannten Stab ist lK = l/2 (Abb. 10.4 c). Der am einen Ende
eingespannte und am anderen Ende gelenkig geführte Stab (Abb. 10.4 d) hat eine
Knicklänge lK = 0, 7l, die sich aus der Bedingung w (0) = 0 (M = 0) aus der
Gleichung der Biegelinie errechnen lässt.
In der Praxis kann man die Randbedingungen nur selten einem der vier ideali-
sierten Knickfälle (Abb. 10.4) zuordnen. Häufig liegt elastische Einspannung auf
326 10 Knicken und Beulen
l = lK
FK FK a) π2 EI π2 EI
FK = =
l2K l2
lK
l
FK b) π2 EI 1 π2 EI
FK = =
ME (2l)2 4 l2
FK
l
FK lK FK
π2 EI π2 EI
c) FK = =4 2
(l/2)2 l
ME ME
l
Q
FK
FK EI π2 EI π2 EI
d)FK = 20, 2 ≈ ≈2 2
l2 (0, 7l)2 l
ME
Q lK
beiden Seiten vor, wie z. B. bei den Stäben eines Fachwerks, die zwar bei der Er-
mittlung der Stabkräfte als gelenkig gelagert angenommen werden, in Wirklichkeit
jedoch durch Knotenbleche mit mehreren Stäben des Fachwerks verbunden sind.
Weil diese Stäbe deformierbar sind, kann die Lage der Einspanntangente nicht er-
halten bleiben. Damit ist die Bedingung starrer Einspannung nicht erfüllt. Der Ein-
spanngrad hängt beim Knicken in der Fachwerkebene von der Biegesteifigkeit (Abb.
10.5 a) und bei Knicken aus der Ebene heraus überdies von der Torsionssteifigkeit
der Nachbarstäbe ab (Abb. 10.5 b). Deshalb liegt die Knicklänge zwischen lK = l
für den Gelenkstab und lK = l/2 für den starr eingespannten Stab. Greifen nur
Druckstäbe vergleichbarer Biegesteifigkeit an einem Knotenpunkt an (Abb. 10.5 c),
ist eine Verdrehung des Knotenpunktes bei Knicken aller Stäbe möglich und damit
keine gegenseitige Einspannung vorhanden. Man setzt also lK = l.
Beispiel 10.4 (Hochdruckgasbehälter).
Ein Hochdruckgasbehälter (Abb. 10.6) mit der Gewichtskraft FG = 4 600 kN ist auf
24 Stahlrohrstützen von 8 m Länge gelagert, die mit der Vertikale einen Winkel
α = 10◦ bilden. Die Rohre haben eine Wanddicke t = 0, 1 dm . Wie groß ist der
Durchmesser bei einer Knicksicherheit SK = 5 zu wählen?
10.1 Euler’sche Knickkraft 327
a) b) c)
lK
l
FK FK FK FK
l
lK
Mt Mt
Mb Mb
Lösung 10.4
Die Belastung einer Stütze wird aus dem Gleichgewicht der senkrechten Kräfte berechnet
Fy = 0 = FG − 24F cos α,
FG 4 600 kN
F= = = 195 kN .
24 cos α 24 cos 10◦
Die Stäbe sind am Behälter an Verstärkungsblechen (Pratzenblechen) verschweißt und damit ein-
gespannt, am Boden gelenkig gelagert. Man darf aber nicht die in Abb. 10.4 d) gezeigten Randbe-
dingungen ansetzen, weil die Endpunkte des Trägers nicht unverschieblich gegeneinander gelagert
sind. Die mögliche seitliche Verschiebung des Behälters gegen den Boden kann vom Behälter aus
als Verschiebung der Fußpunkte angesehen werden, so dass man die in Abb. 10.4 b) gezeigten
Randbedingungen zugrunde legen muss. Es ist also lK = 2l = 16 m und
Der Tabelle 4.1 entnimmt man für kleine Wanddicken das Flächenmoment Ia
10 ◦
dm 235 mm, t 24 mm .
Gewählt wird da = dm + t = 1, 1 dm ≈ 260 mm.
a) b)
y
2α
r
a) wirkliche Form
b) vereinfachte Form
10.1 Euler’sche Knickkraft 329
Der Bohrer ist in der Maschine eingespannt und durch die Körnung des Werkstücks seitlich unver-
schieblich gelenkig gelagert. Es ist also lK = 0, 7 l zu setzen
EIz 2,1 · 105 N/mm2 · 89,2 mm4
lK = 0, 7l = π =π = 304 mm ⇒ l = 434 mm .
FK 2 · 103 N
Man sieht hier den großen Einfluss der Exzentrizität auf die Maximalspannung. Der Konstrukteur
darf diesen Gesichtspunkt bei außermittigen Anschlüssen nicht außer Betracht lassen.
Das Knicken eines Stabes kann außer durch äußere Druckbelastung auch durch be-
hinderte Wärmedehnung hervorgerufen werden (s. Abschnitt 2.4.4). Nach Gl. (2.28)
verlängert sich ein Stab bei einer Temperaturerhöhung Δϑ um
Δl = lεϑ = l αϑ Δϑ
Fl
Δl = .
EA
Hierin ist E der Elastizitätsmodul, A der Stabquerschnitt und l die Stablänge. Diese
330 10 Knicken und Beulen
b)
elastische Verkürzung muss gleich der thermischen Verlängerung sein, wenn der
Stab zwischen die Festlager passen“ soll
”
Fl
= l αϑ Δϑ
EA
oder
F = EA αϑ Δϑ . (10.18)
Diese Kraft muss kleiner als die E ULER’sche Knickkraft sein, wenn der Stab nicht
knicken soll. Bei gelenkig angenommenen Stabenden gilt also die Bedingung
π2 EI
EA αϑ Δϑ < .
l2
Bei vorgegebenen Abmessungen und Temperaturgrößen kann somit die zulässige
Länge bestimmt werden
π2 I π 2 i2 πi
l2 < = ⇒ l< √ . (10.19)
A αϑ Δϑ αϑ Δϑ αϑ Δϑ
Die an der Knickgrenze auftretende Druckspannung in dem Rohr ergibt sich aus
Gl. (10.18). Sie ist von der Querschnittsabmessung A unabhängig
F
σ= = E αϑ Δϑ . (10.20)
A
Beispiel 10.8 (Heizungsrohr).
Ein Heizungsrohr aus Stahl mit d = 200 mm Durchmesser und t = 4 mm Wanddicke
wird um dϑ = 80 K erwärmt. Bei welchem Lagerabstand kann das Rohr knicken?
Der lineare Wärmeausdehnungskoeffizient für Stahl beträgt αϑ = 12 · 10−6 K−1 .
Lösung 10.8
√ entnimmt man I = (π/8)dm t und A = πdm t. Somit wird i = I/A = dm /8
Aus Tabelle 4.1 3 2 2
πi π · 69,3 mm
l= √ =√ = 7,03 m .
αϑ dϑ 12 · 10−6 K−1 · 80 K
10.2 Knickspannungsdiagramm 331
Die im Rohr vorhandene und auf die Festlager ausgeübte Kraft ist dann mit E = 2,1 · 105 N/mm2
nach Gl. (10.18)
Die Druckspannung im Rohr erhält man durch Dividieren der Längskraft durch die Querschnitts-
fläche oder auch direkt aus Gl. (10.20)
496 kN
σ= = 202 N/mm2 .
2,46 · 103 mm2
Diese Spannung liegt bei Berücksichtigung eines Sicherheitsfaktors oberhalb der im Stahlbau
zulässigen Spannung. Auch die auf die Lager ausgeübte Kraft ist sehr hoch. Deshalb wird im Rohr-
leitungsbau die Wärmedehnung auch nicht längselastisch, sondern durch U-förmige Dehnungsaus-
gleicher (Abb. 10.9), die als elastische Biegefedern angesehen werden können, ausgeglichen. Die
bei der elastischen Verbiegung der Ausgleichsbögen auftretenden Kräfte und Spannungen sind
erheblich geringer als die vorstehend für den linearen Dehnungsausgleich berechneten.
10.2 Knickspannungsdiagramm
Als Knickspannung definiert man die sich aus der Division der E ULER’schen Knick-
kraft durch die Querschnittfläche des Stabes ergebende Größe
FK π2 EImin
σK = = 2 . (10.21)
A lK A
Sie nimmt zu, wenn die Stablänge abnimmt. Bei Halbierung der Stablänge wächst
die Knickspannung z. B. auf das Vierfache des vorherigen Wertes. Dabei kann die
Spannung weit unterhalb der Quetschgrenze liegen. Wenn die Spannung die Pro-
portionalitätsgrenze erreicht, ist die Gl. (10.21) aber nicht mehr gültig, weil sie die
Gültigkeit des H OOKE’schen Gesetzes voraussetzt. Man muss also zwei Bereiche
unterscheiden: den elastischen Bereich für schlanke Stäbe, in dem die vorhandene
Spannung unterhalb der Knickspannung, und den plastischen Bereich für gedrun-
gene Stäbe, in dem sie unterhalb der Quetschgrenze bleiben muss. In Abb. 10.10 ist
die Spannung über einem Stabkennwert, dem Schlankheitsgrad
lK
λ=
imin
mit der Größe imin = Imin /A aufgetragen. Damit nimmt Gl. (10.21) die Form
332 10 Knicken und Beulen
π2 E
σK = (10.22)
λ2
an. Das Abb. dieser Funktion ist auf der rechten Seite des (σK , λ)-Diagramms
(Abb. 10.10) gezeichnet. Die Kurve heißt E ULERkurve.
Die Grenze λg zwischen elastischem und plastischem Bereich liegt dort, wo die
Knickspannung die Proportionalitätsgrenze σdP erreicht
π2 E E
σK = 2 = σdP ⇒ λg = π . (10.23)
λg σdP
Für S355JR mit σdP = 290 N/mm2 und gleichem Elastizitätsmodul ergibt sich
λg = 85, und für AlCuMg2F44 mit σdP = 220 N/mm2 und E = 7,15 · 104 N/mm2
ist λg = 57.
Im elastischen Bereich (λ > λg , E ULERbereich) ist die Knickspannung un-
abhängig von der Festigkeit des Materials. Sie ist außer vom Schlankheitsgrad nur
vom Elastizitätsmodul abhängig. Da für die meisten Stähle E = 2,1 · 105 N/mm2
300 σ (AlCuMg)
dF
T ETMAJER -Gerade
250
σdF (St37)
J OHNSON -Parabel σdP (St37)
200 σdP (AlCuMg)
St37
150
Knickspannung σK in N/mm2
100
AlCuMg2F44
50 E ULER -Kurven
λg (AlCuMg) λg (S235JR)
beträgt, ist ihr Verhalten im E ULERbereich unabhängig von der Stahlsorte und es
lohnt sich nicht, bei Knickbeanspruchung hochfestes Material zu verwenden. Durch
Vergüten wird also die Tragfähigkeit bei Knickbeanspruchung nicht erhöht, sondern
nur der E ULERbereich zu kleineren λ-Werten vergrößert.
Die Tragfähigkeit eines Aluminiumstabes ist im E ULERbereich erheblich gerin-
ger als die Tragfähigkeit eines Stahlstabes gleicher Abmessung, weil der Elasti-
zitätsmodul des Aluminiums nur etwa ein Drittel des Elastizitätsmoduls von Stahl
beträgt. Allerdings liegt bei ausgehärteten Aluminiumlegierungen die Grenze des
elastischen Bereiches niedriger als bei Stahl. Aluminiumstäbe knicken also noch
elastisch, wenn für Stahlstäbe gleicher Abmessung schon der plastische Bereich
maßgebend ist.
Der Übergang vom elastischen zum plastischen Bereich ist nicht abrupt. Knick-
versuche zeigen eine starke Streuung der Messergebnisse bei Schlankheitsgraden
λ < λg . Man kann nun, wie T ETMAJER2 , eine Gerade durch die Messpunkte le-
gen, die die E ULERkurve bei λ = λg und σK = σdP schneidet und im Bereich
σdP σK σdF maßgebend ist, oder, wie J OHNSON3 , eine Parabel wählen, die die
σK -Achse bei σdF mit horizontaler Tangente trifft und bei λ = λg in die E ULERkurve
übergeht (Abb. 10.10). Die Gleichung der J OHNSON-Parabel lautet
2
λ
σK = σdF − (σdF − σdP ) . (10.24)
λg
2 L UDWIG VON T ETMAJER (∗ 14. Juli 1850 in Krompach, Ungarn; † 1. Februar 1905 in Wien),
Professor des Zürcher Polytechnikums (heute ETH Zürich), Pionier der Materialprüfung und -
forschung, Begründer der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt
3 J OHN B UTLER J OHNSON (∗ 11. Juni 1850 in Malboro, Ohio; † 23. Juni 1902 in Madison,
Wisconsin), Ingenieur, Professor für Bauingenieurwesen Washingto University in St. Louis, Dekan
des Ingenieur-Colleges der University of Wisconsin, Rahmenkonstruktionen
334 10 Knicken und Beulen
y S
Iz = 2 · 141 cm4 = 282 cm4 , Iy = 2 · [23,4 cm4 + 14,1 cm2 · (1,2 cm)2 ] = 87,4 cm4 .
Das Knicken erfolgt also um die y-Achse, weil Iy das kleinere Flächemoment ist. Man be-
rechnet
imin = Iy /2A = 87,4 cm4 /28,2 cm2 = 1,76 cm
sowie λ = 150 cm/1,76 cm = 85 und erhält mit Gl. (10.24), da λ < λg ,
σK 221 N/mm2
σzul = = = 76,2 N/mm2
SK 2, 9
und die zulässige Belastung Fzul = σzul 2A = 76,2 N/mm2 · 28,2 · 102 mm2 = 215 kN. Bei
doppelter Fläche, d. h. doppelter Masse, kann mehr als die vierfache Belastung übertragen
werden.
Bei der Berechnung der rohrförmigen Stützen des Kugelbehälters (Beispiel 10.4)
hatten wir das erforderliche Flächenmoment 2. Ordnung bei vorgegebenem Verhält-
nis von Wanddicke zu Durchmesser berechnet. Lässt man nun die Wanddicke kon-
stant und vergrößert den Durchmesser allein, kann auch dadurch ein genügend
großes Flächenmoment erreicht werden. Von einem gewissen Verhältnis von Durch-
messer zu Wanddicke an tritt dann aber unter axialer Drucklast eine neue Erschei-
nung ein, bei der zwar die Rohrachse gerade bleibt, jedoch der Mantel des Rohres
sich nach schachbrettartigem Muster faltet. Man nennt diesen Vorgang Beulen. Die
Theorie der Stabilität von dünnwandigen Hohlkörpern ist sehr komplex und geht
über den Rahmen dieses Buches hinaus. Hier sollen daher lediglich einige Ergeb-
nisse mitgeteilt werden. Die theoretische Beulspannung für ein dünnwandiges Rohr
unter Axialdruck beträgt für gelenkig gelagerte (drehbare) Ränder (mit ν = 0, 3 für
metallische Werkstoffe)
10.3 Beulung dünnwandiger Hohlkörper 335
E t t t
σBeul = · ≈ 0, 6E = 1, 2E ,
3(1 − ν )
2 r r d
wenn t die Wanddicke, d der mittlere Durchmesser und r der mittlere Radius sind.
Versuche zeigen erhebliche Abweichungen von diesem Wert und weisen außerdem
erhebliche Streuung auf. Das liegt teilweise an den nicht ideal erfüllten Randbedin-
gungen im Versuch und teilweise an den unvermeidlichen Bauungenauigkeiten. So
wurden z. B. bei nahtlos gezogenen Rohren wesentlich höhere Beulspannungen als
bei geschweißten Rohren gemessen. Für jene kann man mit
t t
σBeul = 0, 25E = 0, 5E (10.25)
r d
die Versuchsergebnisse erfassen, während man bei geschweißten Rohren auf etwa
0, 3Et/d bis 0, 4Et/d heruntergehen muss.
Beispiel 10.10 (Kreiszylindrische Stütze).
Wie sind Durchmesser d und Wanddicke t einer dünnwandigen kreiszylindri-
schen Stütze von l = 4 m Länge aus Dural mit den Werten E = 7 · 104 N/mm2 ,
σdP = 220 N/mm2 zu wählen, damit Knicksicherheit und Beulsicherheit jeweils
S = 3 sind? Der Stab ist an einem Ende eingespannt, am anderen Ende frei und mit
F = 10 kN belastet.
Lösung 10.10
Die beiden Bedingungen lauten
F
S= σBeul = σK .
A
Mit den Näherungen I = (π/8)d3 t und A = πdt für dünnwandige Rohre liefert die linke
der vorstehenden Gleichungen in Verbindung mit Gl. (10.25) eine Bestimmungsgleichung für die
Wanddicke t
SF t
= 0, 5E ,
πdt d
SF 3 · 104 N
t= = = 0,522 mm .
0, 5πE 0, 5π · 7 · 104 N/mm2
Die zweite Gleichung in Verbindung mit Gl. (10.21) und mit lK = 2l gibt den Zusammenhang
zwischen Wanddicke t und Durchmesser d
t π2 EI π2 E(π/8)d3 t π2 Ed2
0, 5E = 2 = 2
= ,
d lK A lK πdt 8 l2K
3 4l2K t 3 4 · 8 0002 · 0, 522
d= = mm = 238 mm .
π2 π2
Man würde ein Rohr mit d = 240 mm und t = 0, 6 mm vom Stabilitätsstandpunkt und Leichtbau
her als optimal ansehen. Aus konstruktiven Gründen (Krafteinleitung) nimmt man im Allgemeinen
größere Wanddicken. Dadurch wird die Beulspannung heraufgesetzt, während die Knickspannung
bei dünnwandigen zylindrischen Rohren von der Wanddicke unabhängig ist. Die hier durchgeführ-
te Rechnung ist nur unterhalb der Proportionalitätsgrenze zulässig. Diese Bedingung ist hier erfüllt,
denn es ist
SF 3 · 104 N
= = 66,3 N/mm2 < σdP = 220 N/mm2 .
πdt π · 240 mm · 0,6 mm
336 10 Knicken und Beulen
Wird ein Behälter durch äußeren Überdruck oder inneren Unterdruck belastet, treten
ebenfalls bei gewissen Beträgen des Druckes Beulerscheinungen auf. Die Theorie
ergibt für einen Zylinder mit der Länge l und dem mittleren Radius r im Bereich
0, 2 l/r 5 einen Beuldruck
5/2
r t
pBeul = 0, 92E ,
l r
während in Versuchen nur 70 % dieses Wertes gemessen wurden. Man rechnet also
besser mit
r t 5/2
pBeul = 0, 65 E . (10.26)
l r
Für Rohre, deren Länge groß gegen den Durchmesser ist (l/d > 3), gilt die Glei-
chung
3 3
t t
pBeul = 0, 275E = 2, 2E . (10.27)
r d
Kugelbehälter mit äußerem Überdruck zeigen noch größere Unterschiede zwischen
Theorie und Versuch. Während die Theorie
2
t
pBeul = 1, 2E
r
Beispiel 10.11 (Beuldruck). Wie groß ist der Beuldruck eines zylindrischen Öltanks
aus Stahl mit dem Durchmesser d = 18 m, der Höhe h = 10 m und einer (konstant
angenommenen mittleren) Wanddicke t = 9 mm?
Lösung 10.11
Aus Gl. (10.26) berechnet man
2,5
9m 9 mm
pBeul = 0, 65 · 2,1 · 105 N/mm2 · = 3,88 · 10−3 N/mm2 .
10 m 9 000 mm
Der Flüssigkeitsspiegel darf bei geschlossenem Ventil und ρ = 8,2 kN/m3 nur um den Betrag
h = pBeul /ρ = 0,47 m abgesenkt werden.
Lösung 10.12
Der Wasserdruck in 3000 m Tiefe beträgt
Der vierfache Wasserdruck soll kleiner als der Beuldruck sein. Mit Gl. (10.28) ergibt sich
2
t
4p pBeul = 0, 36E ,
r
t 4p 4 · 30,9 N/mm2
= = 4,04 · 10−2 ,
r 0, 36E 0, 36 · 2,1 · 105 N/mm2
t 4,04 · 10−2 · 1 000 mm = 40,4 mm .
t 3p 3 · 0,04 N/mm2
= 3
= 3
= 2,52 · 10−2 ,
d 2, 2E 2, 2 · 3,4 · 103 N/mm2
t 2,52 · 10−2 · 300 mm = 7,56 mm .
Gewählt wird t = 8 mm. Damit beträgt die Druckspannung
Rm 20 N/mm2
SB = = ≈ 27 .
σ 0,75 N/mm2
Bei Werkstoffen mit kleinem Elastizitätsmodul ist auf Versagen der Konstruktion durch Beulen
besonders zu achten.
Aufgabe 10.1 (Ladebaum). Der 8 m lange stählerne Ladebaum eines Schiffes wird
durch die Druckkraft F = 200 kN belastet. Man bemesse den Baum als gelenkig
gelagertes Stahlrohr mit dem Verhältnis t/d = 0, 05 für fünffache Knicksicherheit
(E = 2,1 · 105 N/mm2 ).
338 10 Knicken und Beulen
a) Welches Profil ist bei einer Knicksicherheit SK = 2, 5 zu wählen, wenn der Ab-
stand d so eingerichtet ist, dass die Flächenmomente 2. Ordnung für die Haupt-
achsen gleich groß sind?
b) Wie groß ist d?
Aufgabe 10.4 (Dreibock). Bei Kanalisationsarbeiten werden Rohre mit Hilfe eines
Dreibocks in einen Graben gesenkt. Der Dreibock besteht aus drei Holzstämmen
(E = 1,3 · 104 N/mm2 ) von 20 cm Durchmesser und 8 m Länge, die oben gelenkig
miteinander verbunden sind und deren Fußpunkte in gleichmäßigen Abständen auf
einem Kreis von 6 m Durchmesser unverschieblich gelagert sind. Welche Last kann
bei einer Knicksicherheit SK = 2, 5 maximal von dem Dreibock getragen werden?
Aufgabe 10.6 (Druckstab). Ein Stab mit dem Profil U 100 (DIN 1 026, S235JR)
wird durch die Druckkraft F = 27 kN in der Mitte des Steges belastet. Die Knicklänge
beträgt lK = 3 m. Man berechne die Spannung nach Gl. (10.11).
10.5 Formelzusammenfassung Kapitel 10 339
Aufgabe 10.7 (Beulsicherheit). Wie groß muss die Wanddicke eines Raketenkör-
pers aus einer Titanlegierung mit dem Elastizitätsmodul E = 10 N/mm2 bei 1,5fa-
cher Beulsicherheit mindestens sein, wenn sein Durchmesser d = 2 m und die
Schubkraft F = 80 kN betragen?
Aufgabe 10.8 (Öltank). Ein Öltank aus Stahl hat die Form eines stehenden Kreis-
zylinders mit einer Kugelkappe als Dach. Der Durchmesser beträgt d = 6 m, die
Zylinderhöhe h = 4,5 m, die Wanddicke t = 10 mm und der Krümmungsradius der
Dachkappe rD = 9 m. Wie ist die Wanddicke tD der Dachhaube zu wählen, damit
der Beuldruck des Daches gleich dem Beuldruck des Zylinders ist? Wie groß ist
dieser? Bei der Lösung ist von Gl. (10.26) auszugehen.
• E ULER’sche Knickkraft
π2 EIy
F = FK = .
l2
E - Elastizitätsmodul, Iy - Flächenmoment, l - Stablänge
• Knicksicherheit
FK
SK = .
F
• Zulässige Druckkraft
FK π2 EImin
Fzul = = .
SK SK l2
• Knickkraft bei beliebigen Randbedingungen (lK Knicklänge)
π2 EI
FK =
l2K
lK = 2l
lK ≈ 0, 7l
340 10 Knicken und Beulen
• Knickspannung
π2 E
σK =
λ2
• zulässige Länge, bei der kein Knicken in Folge behinderter Wärmedehnung
auftritt
πi
l< √
αϑ Δϑ
αϑ - linearer Wärmeausdehnungskoeffizient, Δϑ - Temperaturerhöhung
• Beulspannung für ein dünnwandiges Rohr
E t
σBeul = ·
3(1 − ν2) r
341
metrie allmählich ändert (z. B. in Turbinenrädern) oder wenn Kräfte senkrecht zur
Scheibenebene, also in Achsrichtung auftreten (z. B. in dickwandigen geschlosse-
nen Behältern unter Innen- oder Außendruck).
11.1.1 Gleichgewichtsbedingungen
Wir betrachten eine rotationssymmetrische Scheibe, deren Dicke δ mit dem Radius
r veränderlich ist und denken uns durch Radial- und Zylinderschnitte ein Körper-
element herausgeschnitten (Abb. 11.1). Wir wollen unsere Betrachtungen auf ro-
tationssymmetrische Bauteile beschränken, die kein Drehmoment von außen nach
innen zu übertragen haben. Dann sind die gezeichneten Schnittflächen schubspan-
nungsfrei und die Normalspannungen (σr in radialer Richtung, σt in tangentialer
Richtung) sind Hauptspannungen (s. Abschnitt 9.2.3). Da aus Symmetriegründen
die Spannungen unabhängig vom Winkel ϕ sind, empfiehlt es sich, mit Polarkoor-
dinaten zu rechnen, weil dann die Spannungen nur vom Radius r abhängen.
Wenn man die Spannungen mit den zugehörigen Schnittflächen (Abb. 11.1 b)
multipliziert, ergeben sich die in diesen wirkenden Kräfte. Mit dfr als einer belie-
bigen radialen Volumenkraft verlangt die Gleichgewichtsbedingung der Kräfte in
radialer Richtung
a)
δ
r
d
b) σr δ rdϕ + (σr δ rdϕ)dr
dr
σ
tδ c)
dr
r
σ
df
eδ tδ
Abb. 11.1 Körperelement i ck dr dϕ
D σt δ dr sin
eines rotationssymmetrischen 2
dϕ
σt
Körpers
δr
δd
a) rotationssymmetrische
σt
r
r
σ
Scheibe
δd
dϕ
r
d dϕ
−σr δ r dϕ + σr δ r dϕ + (σr δ r dϕ)dr − 2σt δ dr sin + dfr = 0 . (11.1)
dr 2
Mit sin(dϕ/2) ≈ dϕ/2 erhält man
d
(σr δ r dϕ)dr − σt δ dr dϕ + dfr = 0 .
dr
Dividiert man diese Gleichung durch δ dr dϕ, ergibt sich
1 d dfr
(σr δ r) − σt + = 0.
δ dr δ dr dϕ
Nach Anwendung der Produktregel ist
1 d dfr
σr δ + r (σr δ) − σt + = 0.
δ dr δ dr dϕ
11.1.2 Verträglichkeitsbedingung
Damit unter dem Einfluss der Spannungen σr und σt keine Klaffungen oder Über-
deckungen in der Scheibe auftreten, ist nur die in Abb. 11.2 gezeichnete Verformung
des Elements möglich. Die nach außen (radial) gerichtete Verschiebung ist u, deren
Änderung zwischen Außen- und Innenrand des Teilchens du. Dem Abb. entnimmt
man die Dehnungen
(u + du) − u du
εr = = als Radialdehnung,
dr dr
(r + u)dϕ − r dϕ u
εt = = als Tangentialdehnung.
r dϕ r
Differenziert man die zweite Gleichung nach r und setzt in die erste ein, ergibt sich
du d dεt
εr = = (εt r) = r + εt
dr dr dr
344 11 Rotationssymmetrischer Spannungszustand in Scheiben
du
Abb. 11.2 Verformung des
+
Körperelements
u
(r +
u
u)
dϕ
rd
dϕ
ϕ
r dr
1 1
εr = (σr − νσt ), εt = (σt − νσr ) .
E E
Nach Einsetzen, Ordnen und Kürzen des Faktors E ergibt sich
dσr dσt
r ν − + (1 + ν)(σr − σt ) = 0 . (11.4)
dr dr
Schneidet man einem zylindrischen Behälter zweimal senkrecht zur Achse, so dass
man eine dünne Scheibe erhält, ist die Dicke δ konstant. Die Volumenkräfte dfr sind
Null und aus Gl. (11.2) erhält man
dσr
r + σr − σt = 0 . (11.5)
dr
Im System der beiden Differentialgleichungen (11.4) und (11.5) wird zunächst eine
der beiden unbekannten Funktionen eliminiert. Es ist hier zweckmäßig, Gl. (11.5)
nach σt aufzulösen, nach r zu differenzieren und σt sowie dσt /dr in Gl. (11.4)
einzusetzen
dσr
σt = σr + r , (11.6)
dr
11.2 Dickwandige zylindrische Behälter unter Innen- und Außendruck 345
11.2.1.1 Innendruck
dσr d2 σr
= nCrn−1 , = n(n − 1)Crn−2
dr dr2
n(n − 1) + 3n = n2 + 2n = n(n + 2) = 0
r2i r2i
c1 = pi , c2 = −pi r2a .
r2a − r2i r2a − r2i
Hiermit lauten nunmehr die Gleichungen für die Spannungen
2
r2 ra
σr = −pi 2 i 2 − 1 , (11.11)
ra − ri r2
r2i r2a
σt = pi + 1 . (11.12)
r2a − r2i r2
Für die Berechnung von Druckbehältern ist auch die aus der Verschiebung resultie-
rende Durchmesseränderung von Interesse. Man erhält sie aus der Radialverschie-
bung u über die Tangentialdehnung εt
r
Δd = 2u = 2rεt = 2 (σt − νσr ),
E
2
pi r2i ra
Δd = 2r (1 + ν) + 1 − ν . (11.13)
E r2a − r2i r2
Für einen an den Enden geschlossen Behälter erhält man infolge der Längszugkraft
Fz = pi πr2i eine Normalspannung σl , die gleichmäßig über den Querschnitt verteilt
ist
Fz r2i
σl = = p i 2 . (11.14)
π(r2a − r2i ) ra − r2i
11.2.1.2 Außendruck
r2a r2a
c1 = −pa , c2 = pa r2i .
r2a − r2i r2a − r2i
r2a
σl = −pa . (11.18)
r2a − r2i
Um ein anschauliches Bild vom Verlauf der Spannungen im zylindrischen Teil, be-
sonders auch von der Beanspruchung des Behälterwerkstoffs zu bekommen, stellen
wir den Spannungsverlauf zeichnerisch dar. Für die Zahlenrechnungen empfiehlt es
sich, das Durchmesserverhältnis η = da /di = ra /ri einzuführen.
In Tabelle 11.1 sind alle erforderlichen Gleichungen übersichtlich zusammen-
gestellt. Darunter sind die Spannungsverteilungen in Abhängigkeit vom Radius r
aufgezeichnet. Man erkennt, dass bei Innendruck Tangential- und Längsspannun-
gen Zugspannungen sind, während bei Außendruck alle drei Spannungen Druck-
spannungen sind, die Kurven für σt und σr liegen symmetrisch zur Längsspan-
nung σl . Die größten Spannungen treten in beiden Fällen am Innenrand auf. Aus
den Gleichungen ersieht man weiter, dass die Spannungen σr und σt in zylindri-
schen Behältern unabhängig von deren absoluter Größe sind. Sie hängen nur vom
Durchmesserverhältnis η ab. Geometrisch ähnliche Druckgefäße unter Innen- oder
Außendruck sind bei gleicher Druckbelastung gleich hoch beansprucht.
Die Möglichkeit eines Versagens bei Überschreiten einer zulässigen Höchstbe-
lastung hat wegen der damit verbundenen Gefahr besondere Bedeutung bei Innen-
druck und soll im folgenden für abgeschlossene Druckbehälter einer besonderen
Betrachtung unterzogen werden. Der Spannungszustand in einem dickwandigen
Druckbehälter unter Innendruck ist zwei- bzw. dreiachsig. Für die Ermittlung der
Werkstoffbeanspruchung ist demnach eine Vergleichsspannung σV für den Innen-
rand als der höchstbeanspruchten Zone maßgebend (s. Abschnitt 9.4.2).
Nach der M OHR’schen Hypothese ist die Differenz zwischen größter und kleins-
ter Hauptspannung als Vergleichsspannung anzusetzen, die Größe der (mittleren)
Längsspannung spielt hierbei keine Rolle
Setzt man die entsprechenden Beziehungen für die Spannungen aus Tabelle 11.1
ein, ergibt sich
η2 + 1 2η2
σV(Sch) = pi 2 + p i = pi 2 . (11.20)
η −1 η −1
Die Gestaltänderungsenergie-Hypothese liefert nach Abschnitt 9.4.2 die Gleichung
1
σV(GE) = [(σti − σri )2 + (σti − σl )2 + (σl − σri )2 ] . (11.21)
2
Dem linken Abb. in Tabelle 11.1 entnimmt man die Beziehungen
1
σti − σl = (σti − σri )
2
348 11 Rotationssymmetrischer Spannungszustand in Scheiben
da
di
ra
η= > 1, 2 dickwandiger Behälter
ri
2
1 ra η2 r2i
σr = −pi 2 − 1 σ r = −p a 2 1 −
η − 1 r2 η −1 r2
2
1 ra η 2 r2i
σt = pi 2 + 1 σ t = −p a 2 1 +
η − 1 r2 η −1 r2
1 η 2
σl = pi 2 σl = −pa 2
η −1 η −1
Randspannungen
r = ri r = ri
η2 + 1 η2
σri = −pi , σti = pi 2 σri = 0, σti = −2pa 2
η −1 η −1
r = ra r = ra
1 η2 + 1
σra = 0, σta = 2pi 2 σra = −pa , σta = −pa 2
η −1 η −1
2η2
σV max = σti − σri = pi 2
η −1
σ
σ
σV(Sch)
σti
σt
σti − σri
σl
σl
r r
0 0 ra
ri ra ri
σr
σri
σr
σl
σt
11.2 Dickwandige zylindrische Behälter unter Innen- und Außendruck 349
und
1
σl − σri = (σti − σri ) .
2
Setzt man diese in die Gl. (11.21) ein, erhält man
√
3
σV(GE) = (σti − σri ) (11.22)
2
und mit den Spannungen aus Tabelle 11.1
√ 2
3η
σV(GE) = pi 2 . (11.23)
η −1
Für die Festigkeitsberechnung eines dickwandigen zylindrischen Behälters ist also
die Beanspruchung der Innenwandung maßgebend. Die Festigkeitsbedingung lautet
nun
σV σzul . (11.24)
Hoch- und Höchstdruckbehälter sowie Rohrleitungen und dgl. sind fast ausnahms-
los aus Stahl mit ausgeprägter Fließgrenze gefertigt, so dass die Werkstofffließgren-
ze Re als Berechnungskennwert bei ruhender Beanspruchung in Frage kommt
Re
σzul = . (11.25)
SF
Die Sicherheit gegen Fließen ist im Allgemeinen in Vorschriften festgelegt (s. Ab-
schnitt 11.2.3) und soll den Wert SF = 1, 5 nicht unterschreiten.
Für die Berechnung der Tragfähigkeit, also der zulässigen Innendruckbelastung,
erhält man aus den Gln. (11.20) bzw. (11.23) mit Gl. (11.24) nach der M OHR’schen
Hypothese
η2 − 1
pi zul σzul (11.26)
2η2
und nach der Gestaltänderungshypothese
η2 − 1
pi zul σzul √ . (11.27)
3η2
Schließlich erhält man für die Bemessung eines Behälters das erforderliche Wand-
dickenverhältnis η und damit bei meist vorgegebenem Innendurchmesser di den
notwendigen Außendurchmesser da = ηdi nach der M OHR’schen Hypothese
σzul
η (11.28)
σzul − 2pi
Den letzten beiden Gleichungen kann man eine Einschränkung für den in einem
dickwandigen Behälter überhaupt aufzunehmenden Innendruck beim Entwurf der
Abmessungen entnehmen, denn der Nenner in den beiden Gleichungen muss immer
größer sein als Null. Diese Einschränkung lautet
Im linken Abb. der Tabelle 11.1 ist der Verlauf der Vergleichsspannung σV (Sch) ge-
strichelt eingezeichnet; diese, und damit die Beanspruchung des Werkstoffs, nimmt
von innen nach außen sehr stark ab. Der Werkstoff eines dickwandigen Hohlzy-
linders unter Innendruck ist also sehr schlecht ausgenutzt. Der oben angegebe-
nen Einschränkung für den Innendruck pi kann weiter entnommen werden, dass
Höchstdrücke auch bei noch so hoher Werkstofffestigkeit selbst durch extrem große
Wanddicken in einfachen Behältern nicht zu verwirklichen sind. Aus den genannten
Gründen hat man überlegt, wie die aus dem mehrachsigen elastischen Spannungs-
zustand abgeleiteten Berechnungsverfahren abzuändern seien, um einerseits wirt-
schaftlicher konstruieren zu können, andererseits aber auch die Forderungen der
Praxis nach immer höheren Innendrücken zu verwirklichen. In den folgenden drei
Abschnitten gehen wir auf diese Gesichtspunkte näher ein.
Beispiel 11.1 (Zylindrischer Druckbehälter).
Ein zylindrischer Druckbehälter, Innendurchmesser di = 80 mm, aus Baustahl
(Fließgrenze Re = 270 N/mm2 ) soll mit dem Innendruck pi = 80 N/mm2 ruhend
beansprucht werden. Zu berechnen sind
a) der notwendige Außendurchmesser da bei 1,5facher Sicherheit gegen Fließen
nach der M OHR’schen Hypothese,
b) die Randspannungen. Die Spannungsverteilung ist maßstäblich zu zeichnen.
Lösung 11.1
Mit σzul = Re /SF = 270 N/mm2 /1, 5 = 180 N/mm2 aus Gl. (11.25) ergibt Gl. (11.28) das
Durchmesserverhältnis
σzul 180
η= = = 3.
σzul − 2pi 20
Der notwendige Außendurchmesser ist dann da = ηdi = 3 · 80 mm = 240 mm. Die Randspan-
nungen berechnen wir aus den Gleichungen der Tabelle 11.1.
η2 + 1 10
σti = pi = 80 N/mm2 · = 100 N/mm2 ,
η2 − 1 8
1 1
σta = 2pi = 160 N/mm2 · = 20 N/mm2 ,
η2 − 1 8
1 1
σl = pi 2 = 80 N/mm2 · = 10 N/mm2 .
η −1 8
Die Spannungsverteilung ist in Abb. 11.3 dargestellt. Die Ergebnisse der Rechnung sind in Tabelle
11.2 dargestellt.
11.2 Dickwandige zylindrische Behälter unter Innen- und Außendruck 351
60
σ in N/mm2
40 σl
a
r
σt
20
ri σl
0
20 40 60 72 80 100 120
r in mm
−20 σr
σr
−40
−60
−80
Sowohl theoretisch als auch durch Berstversuche wurde gezeigt, dass in dickwandi-
gen Hohlzylindern aus im Zugversuch duktilen Werkstoffen bei stetiger Steigerung
des Innendrucks vor einem Versagen durch Trennbruch große bleibende Formände-
rungen auftreten. Unter dieser Voraussetzung beginnt der Werkstoff eines zylindri-
schen Druckbehälters zu fließen, sobald die Vergleichsspannung σV an der Innensei-
te die Fließgrenze Re erreicht. Setzen wir für die weiteren Überlegungen die Gültig-
keit der M OHR’schen Hypothese voraus - in den Gleichungen der √ Gestaltänderungs-
hypothese erscheint lediglich anstatt des Faktors 2 der Faktor 3 - , wie es in den
352 11 Rotationssymmetrischer Spannungszustand in Scheiben
meisten Berechnungsvorschriften der Fall ist (s. Abschnitt 11.2.3), dann folgt mit
σV = Re aus der Gl. (11.20) der Innendruck piI bei Fließbeginn an der Innenwand
η2 − 1
piI = 0, 5Re . (11.30)
η2
Wird nun der Innendruck weiter über den Wert piI gesteigert, dann setzt sich der
Fließvorgang von innen nach außen hin fort. Der plastische Zustand breitet sich
aus, bis - genügende Verformungsfähigkeit des Werkstoffs vorausgesetzt - auch die
äußeren Wandbereiche ins Fließen kommen.
Wie aus dem Zugversuch bekannt ist, bleibt mit zunehmender plastischer Ver-
formung im Fließgebiet eines duktilen Stahles die Spannung annähernd konstant
σ = Re . Demzufolge bleibt auch die Vergleichsspannung σV = σt − σr = Re an je-
der Stelle r des zylindrischen Behälters konstant. Mit dieser Voraussetzung und der
weiteren Annahme, dass auch im vollplastischen Grenzzustand die Gleichgewichts-
bedingungen des elastischen Spannungszustands gültig sind (die Verträglichkeitsbe-
dingung ist allerdings nicht mehr erfüllt!), kann die Spannungsverteilung des voll-
plastischen Zustandes abgeschätzt werden. Bezeichnen wir die plastischen Span-
nungen mit σ∗ , dann folgt aus der Gl. (11.5)
dσ∗r
r = σ∗t − σ∗r = Re .
dr
Diese Gleichung kann nach Trennung der Variablen integriert werden
r
∗ dr
dσr = Re ⇒ σ∗r = Re ln .
r c
Die Integrationskonstante c ergibt sich aus der Randbedingung σ∗r = 0 für r = ra zu
c = ra . Damit erhält man die Radialspannung
piIII = Re ln η . (11.33)
11.2 Dickwandige zylindrische Behälter unter Innen- und Außendruck 353
1, 2
Abb. 11.4 Spannungsverteilung
∗
in einem Hohlzylin- 0, 8 η = 2, 5 σt
σF
Spannungen im elastischen
σF
Bereich, σ∗r , σ∗t Spannungen
0 r ri ra
beim Erreichen des vollplasti-
schen Grenzzustands) σr
−0, 4
∗
σr
−0, 8
Im vollplastischen Zustand bleibt die Form eines Behälters und damit seine Funkti-
onsfähigkeit nicht erhalten. Deshalb kann dieser Zustand nicht als Grundlage einer
Festigkeitsberechnung dienen. Es erscheint jedoch vernünftig, unter Zugrundele-
gung einiger Zehntel Prozent bleibender Formänderung an der Innenwand eine Be-
rechnung anzustreben, die sich auf den teilplastischen Zustand erstreckt.
In Abb. 11.5 sind die bezogenen Innendrücke piI /Re bei Fließbeginn nach
Gl. (11.30) und bei Erreichen des vollplastischen Zustands nach Gl. (11.33) in
Abhängigkeit vom Durchmesserverhältnis η aufgetragen. Man erhält somit zwei
Grenzkurven I und III: unterhalb I ist der Spannungszustand elastisch, oberhalb III
vollplastisch. Dazwischen befindet sich der teilplastische Bereich, der für eine Be-
rechnung ausgenutzt werden soll.
vollplastisch ∞
1, 4
III
2
1, 2 IIb
η−1
bezogener Innendruck pi /Re
2
η+1
1, 0 η
1 ln teilplastisch
0, 8
η−
IIb/β IIa 1
η−1
η
IIb/1, 7
0, 6 0, 77
4 η−1 IIc
√ IIa/1, 5
3 3η + 1
0, 5
0, 4 I
IIb/β1, 7
η2 − 1
0, 5
η2
0, 2 elastisch
0
1 1, 2 1, 5 1, 8 2, 0 2, 5 3, 0 3, 5 4, 0 4, 5
Durchmesserverhältnis η = ra /ri
Diese Gerade ist in Abb. 11.5 gestrichelt eingezeichnet. Man sieht, dass sie im voll-
plastischen Bereich liegt. Sie ist demnach für die Berechnung dickwandiger Hohl-
zylinder völlig unbrauchbar.
Ersetzt man jedoch in der Gleichung für σt den Innenradius ri durch den Außen-
radius ra , dann ist
ra ra η
σV = pi = pi = pi .
t ra − ri η−1
Der bezogene Innendruck wird somit
pi IIa η−1
= . (11.35)
Re η
Diese Gleichung ist als Kurve IIa im Abb. 11.5 gezeichnet.
Durch eine Abschätzung, die hier nicht näher erläutert werden kann, lässt sich
zeigen, dass in dem Bereich von η = 1 . . .5 die bleibende Dehnung an der Innenwand
bei dem Innendruck piIIa den Wert 0,2 % nicht übersteigt.
Legt man nun wieder die Sicherheitszahl SF gegen Fließen zugrunde, erhält man
aus der Gl. (11.35) den zulässigen Innendruck
11.2 Dickwandige zylindrische Behälter unter Innen- und Außendruck 355
pi IIa η−1
pi zul = = σzul . (11.36)
SF η
In Abb. 11.5 ist der zulässige bezogenen Innendruck für 1,5fache Mindestsicherheit
in Abhängigkeit von η gestrichelt eingezeichnet (Kurve IIa/1,5). Für η 3 bleibt der
Spannungszustand im Behälter bei diesem Innendruck elastisch, da die gestrichelte
Linie unterhalb der Grenzkurve I für Fließbeginn liegt.
Für das Durchmesserverhältnis erhält man die Gleichung
σzul
η= . (11.37)
σzul − pi
Als Grenzbedingung für den ertragbaren Innendruck pi folgt aus dieser Gleichung
pi < σzul .
Vergleicht man mit den entsprechenden Einschränkungen, die aus den Gln. (11.28)
und (11.29) folgen, kann im Grenzfall bei gleichen Abmessungen etwa doppelter
Innendruck zugelassen werden, oder bei gleichem Innendruck können die Abmes-
sungen erheblich geringer gehalten werden (s. Beispiel 11.2).
Beispiel 11.2 (Druckbehälter).
Für den Druckbehälter aus Beispiel 11.1 sind zu berechnen
a) der notwendige Außendurchmesser da nach Gl. (11.37) im teilplastischen Be-
reich, die erzielte Masseersparnis und die Randspannungen bei einem Innen-
druck von pi = 80 N/mm2 ,
b) der zulässige Innendruck nach Gl. (11.36) und die Randspannungen, wenn die
Abmessungen des Beispiel 11.1 beibehalten werden.
Lösung 11.2
Daraus folgt der Außendurchmesser da = ηdi = 144 mm. Die Massen sind dem Quadrat der
Durchmesser proportional
π
m = ρV = ρ(πr2a h − πr2i h) = ρ h(d2a − d2i ),
4
somit ergibt sich eine Masseersparnis Δm von
Tabelle 11.3 Gleichungen für die Berechnung zylindrischer Hohlkörper unter Innendruck
pi zul da
σV η= Vorschrift Bemerkungen
σzul di
ra η−1 σzul
pi (IIa) DIN 2 413 (I, II a) η 1, 7
t η σzul − pi
AD-Merkblatt B 1 η 1, 2
(ϑ < 120◦ )
rm η−1 2σzul + pi
pi 2 (IIb) DIN 2 413 (III) η 1, 7
t η+1 2σzul − pi
AD-Merkblatt B 1 η 1, 2
(ϑ > 120◦ )
√ W. u. B. η 1, 6
3 rm 4 η−1 2, 3σzul − pi
pi + pi √ AD-Merkblatt B 10 η = 1, 2 . . .1, 5
2 t 3 3η − 1 2, 3σzul − 3pi
(IIc)
rm η−1 1 2σzul + βpi
β pi 2 η > 1, 6
t η+1 β 2σzul − βpi
(IIb/β) β = 0, 6 + 0, 25η
Die Randspannungen berechnen wir wie in Beispiel 11.1 aus Tabelle 11.1 und erhalten
Somit liegt die größte Beanspruchung am Innenrand σV max = σti − σri = 232 N/mm2 noch
unterhalb der Fließgrenze 270 N/mm2 des Werkstoffs. Zum Vergleich ist die Spannungsvertei-
lung in Abb. 11.3 gestrichelt eingezeichnet worden.
b) Mit den Abmessungen di = 80 mm und da = 240 mm aus Beispiel 11.1 erhält man den
Innendruck
η−1 2
pi zul = σzul = 180 N/mm2 · = 120 N/mm2 .
η 3
Dies ist eine Steigerung von 50 % gegenüber dem Behälter im Beispiel 11.1. Somit sind die
Randspannungen
ebenfalls um 50 % größer als in Bsp 11.1. Mit σV = σti − σri = 270 N/mm2 erreicht dann
die Beanspruchung am Innenrand gerade die Fließgrenze des Werkstoffs.
unterhalb der Grenzkurve I für den Fließbeginn. Die aus dieser Kurve entwickelten
Gleichungen werden also bei Behältern mit größeren Wanddicken angewendet.
Im Beispiel 11.2 b wird demnach mit η = 3, β = 1, 35 sowie
2 1
pi zul = 2 · 159 N/mm2 · · = 118 N/mm2 .
4 1, 35
Ein weiterer Weg zum Erreichen hohen Innendrucks besteht darin, Behälter aus
zwei oder mehreren Teilen (Lagen) zu fertigen, die gegeneinander vorgespannt sind.
Auf einen inneren geschlossenen Behälter können z. B. eine oder mehrere Lagen
Stahlband warm aufgewickelt oder einzelne Ringe aufgeschrumpft werden. Beim
Erkalten erzeugen diese wegen der behinderten Wärmedehnung Schrumpfspannun-
gen, denen sich dann die Betriebsspannungen durch den Innendruck überlagern.
Am Beispiel eines aus zwei Lagen bestehenden Behälters wollen wir die Pro-
blemstellung und den Rechnungsgang erläutern. Durch das Aufschrumpfen eines
oder mehrerer äußerer zylindrischer Ringe auf einen inneren Zylinderbehälter er-
zeugt man in beiden Teilen eine Vorspannung infolge der in der Trennfuge herr-
schenden Pressung p (s. auch Abschnitt 2.4.4, Abb. 2.23 und Aufgabe 2.12). Das
innere Rohr steht somit unter Außendruck p, das äußere entsprechend unter In-
nendruck p. Dieser Vorspannung wird die Spannung aus dem Betriebsdruck pi als
Innendruck im inneren Rohr überlagert. Dabei stellt man sich beide Teile als ein
ganzes Rohr vor. Man addiert dann die Spannungen aus der Vorspannung und aus
dem Innendruck pi .
358 11 Rotationssymmetrischer Spannungszustand in Scheiben
Die Pressung p wirkt auf den äußeren Ring wie ein Innendruck“. Am Innenrand des Ringes
”
gilt also
η2 + 1
σr1 = −p, σt1 = p a2 .
ηa − 1
Für beide Teile als ein Ganzes ist mit r = r1 bei Betriebsdruck pi
η2a − 1 η2a + 1
σr1 = −pi , σt1 = pi .
η2 − 1 η2 − 1
η2a − 1
σr1 = σr1 + σr1 = −p − pi ,
η2 − 1
p pi
σt1 = σt1 + σt1 = (η2a + 1) + .
η2a − 1 η2 − 1
Nunmehr ergibt sich die Vergleichsspannung an der Innenseite des Ringes (nach M OHR )
η2a η2a
σV = σt1 − σr1 = 2p + 2pi .
ηa − 1
2 η −1
2
Mit σV = Re kann somit die Pressung p aus obiger Gleichung berechnet werden
η2a − 1 η2 − 1 16 16
p = 0, 5Re − pi a2 = 135 N/mm2 · − 180 N/mm2 · = 46,4 N/mm2 .
ηa2 η −1 25 9·8
pi
da
d1
di
b) Mit den Gleichungen der Tabelle 11.1 erhält man die Spannungsverteilung im inneren Behälter
für ri r r1
2
η2 r2 1 ra
σr = σr + σr = −p 2 i 1 − i2 − pi 2 − 1 ,
ηi − 1 r η − 1 r2
2
η2i r2i 1 ra
σt = σt + σt = −p 1 + + pi 2 + 1 ,
η2i − 1 r2 η − 1 r2
im äußeren Ring für r1 r ra
2
1 r2a 1 ra
σr = σr + σr = −p − 1 − pi 2 − 1 ,
η2a − 1 r2 η − 1 r2
2
1 r2a 1 ra
σt = σt + σt = p + 1 + pi + 1 .
η2a − 1 r2 η2 − 1 r 2
Die Randspannungen sind in Tabelle 11.4 zusammengestellt, die Verteilung der Spannungen
ist in Abb. 11.7 aufgezeichnet. Die durch den Innendruck bewirkte Längskraft muss von dem
inneren Behälter allein aufgenommen werden, somit ist die Längsspannung
1 1
σ1 = pi = 180 N/mm2 · = 80,4 N/mm2 .
η2i − 1 2, 24
Die Beanspruchung des Behälters, gegeben durch die größte Hauptspannungsdifferenz nach
der M OHR ’schen Hypothese am Innenrand, ist
Sie liegt gegenüber der Beanspruchung des Ringes weiter im Druckbereich und hat den glei-
chen Betrag. Wären Behälter und Ring aus einem Stück gefertigt, würde die Beanspruchung
σV = σti
− σri = 225 N/mm2 + 180 N/mm2 = 405 N/mm2
betragen. Das Aufschrumpfen der Ringe auf den Behälter führt also zu einem wesentlich güns-
tigeren Beanspruchungsverlauf in dickwandigen Behältern.
Hier ist Δd(1) die Durchmesseränderung des äußeren Ringes (1) unter dem Innen-
druck p und Δd(2) die des inneren Rohres (2) mit dem Außendruck p. Man erhält
sie aus den Gln. (11.13) und (11.17). Sind E1 und E2 die Elastizitätsmoduln der
beiden Werkstoffe für Ring und Rohr, ist
p 1
Δd(1) = d1 [η2 (1 + ν) + 1 − ν],
E1 η2a − 1 a
p η2i 1
Δd(2) = d1 (1 + ν) + 1 − ν
E2 η2i − 1 η2i
200
σt
160 σt
120
σ in N/mm2
σl
80 σ
t
σt
40
Abb. 11.7 Spannungsverteilung
in dem durch aufgeschrumpf-
te Ringe verstärkten 0
20 40 60 80 100 120
Druckbehälter aus Beispiel σ
r in mm
11.3 (dünne Volllinie σr , −40
r
σr
σt Spannungen infolge
σ
r
r
Schrumpfpressung p, Strich-
−80
linie σr , σt Spannungen σt
infolge Innendrucks pi
ohne Schrumpfpressung, −120
dicke Volllinie σr , σt
resultierende Spannungen, σl −160
Längsspannungen im inneren
Behälter)
11.3 Aufgaben zu Kapitel 11 361
Die beiden vorstehenden Gleichungen können auch angewendet werden, wenn eine
Nabenverbindung mit einer Hohlwelle zu berechnen ist. Häufig ist ein Ring (Nabe)
auf eine Vollwelle zu schrumpfen. Unter dem Einfluss der Pressung p sind in einer
Vollwelle mit dem Durchmesser dW Radial- und Tangentialspannung gleich groß
σr = σt = −p .
dW dW
Δd(2) = dW εt = (σt − νσr ) = p(1 − ν) .
E E
Mit dW ≈ d1 erhält man somit das Schrumpfmaß
2
1 ηa + 1 1
ΔdS = d1 p + ν + (1 − ν) . (11.40)
E1 η2a − 1 E2
p 2η2a
ΔdS = d1 . (11.41)
E η2a − 1
Für den Behälter im Beispiel 11.3 soll das notwendige Schrumpfmaß für die Pres-
sung bei einem Druck von p = 46,4 N/mm2 berechnet werden. Mit den dort
angegebenen Zahlenwerten und E = 2,1 · 105 N/mm2 für Stahl erhält man aus
Gl. (11.39)2
144 mm · 46,4 N/mm2 34/9 4, 24
ΔdS = + = 0,128 mm.
2,1 · 105 N/mm2 16/9 2, 24
die Änderungen der errechneten Pressung p zur Folge haben. Darauf kann im Rahmen dieses
Buches nicht eingegangen werden.
362 11 Rotationssymmetrischer Spannungszustand in Scheiben
A.1 Kapitel 2
363
10 kN 1 mm
a) dw = 250,54 mm,
b) di = 249,775 mm,
c) σ = 108 N/mm2 , p = 8,64 N/mm2
Lösung der Aufgabe 2.12
1. a) 170 bzw. 85 N/mm2 ,
b) 0,56 mm,
c) 103 K,
2. 340 bzw. 170 N/mm2 ,
3. 297 N/mm2
Lösung der Aufgabe 2.13
a) Mit der Anleitung in Abschnitt 2.4 und den Bezeichnungen von Abb. 2.23 ist
σAl σSt
ΔdS = Δd1 + Δd2 = d0 +
EAl ESt
Aus den Gln. (2.25) und (2.26) werden die Spannungen in der obigen Gleichung durch die
gemeinsame Pressung p ersetzt, die man nummehr aus den gegebenen Größen berechnen kann:
p = 7,5 N/mm2 .
b) Im Ring σAl = 37,5 N/mm2 , in der Buchse σSt = −150 N/mm2 .
c) Zum Erwärmen des Ringes Δϑ = +52 K, zum Unterkühlen der Buchse Δϑ = −104 K. Das
Anwärmen des Ringes ist sinnvoller und einfacher durchzuführen.
Lösung der Aufgabe 2.14
Fzul = 12,55 kN, Verlängerung unter Eigengewichtskraft 14,8 cm, unter Last 12,55 kN ist die
Verlängerung 33,9 cm
Lösung der Aufgabe 2.15
h γ(h−x)
FG = γAx. mit A = A0 e σzul
und l = h.
0
A.3 Kapitel 4 365
A0 = 62,5 · 104 mm2 , a0 = 790 mm, A1 = 85,5 · 104 mm2 , a1 = 925 mm, Eigengewichtskraft
36, 7%
A.2 Kapitel 3
A.3 Kapitel 4
pi di = 380 N/mm
p0 d0 = 510 N/mm
pd0 = 300 N/mm
136 N/mm
pV d0 =
ΔdAl ΔdSt
2 d3a − d3i
γS = = 16,1 mm, Iy = 25,5 · 104 mm4 , Iη = 5,1 · 104 mm4
3π d2a − d2i
a) b) c)
z w z w z w
v
y y
S S y
S
v
v
a) b) c)
50 N/mm2 σb 53,5 N/mm2 σb 84,5 N/mm2 σb
67,5 N/mm2
21,75 N/mm2
∅100
∅100
∅100
∅80
∅50
z z z
Abb. A.4 Biegespannungsverlauf
a) in der Vollwelle
b) in einer Hohlwelle mit großer Wandstärke
c) in einer Hohlwelle mit kleiner Wandstärke
368 A Lösungen zu den Aufgaben
−40 N/mm2 σb
h(x)
mit gleichmäßig verteilter
Last q für gleiche Biegebe-
h0
anspruchung, Begrenzung der x
Längsschnitte
a) Gerade Linien l
b) Parabel
b) h0
b(x)
b0
x
Die diese Parabel schneidenden, zur x-Achse parallelen Geraden im Abstand Wb und Wb1
ergeben die gesuchten Längen: l1 ≈ 2 500 mm, l2 ≈ 1 800 mm (Abb. A.7 a).
a) 0 0, 5 1 x/l b) x/l
Wb /4Wb2
Wb1 /4Wb2
100 σb max
Wb2 /4Wb2
Mb max /Wb1
200
σb Rand [N/mm2 ]
300
Wb /4Wb2
Mb max /Wb
400
l2 /l = 0, 6
l1 /l = 0, 83
Rechnerische Lösung: Aus der Parabelgleichung folgt die quadratische Gleichung für x
x 2 x 1 Wb (x)
− − =0
l l 4 Wb2
mit der hier brauchbaren Lösung
x 1 Wb (x)
= 1− 1− .
l 2 Wb2
Da
x1,2 1 l1,2
= 1−
l 2 l
ist (Abb. A.7 a), ergibt sich
Wb Wb1
l1 = l 1 − = 0, 84l = 2,52 m, l2 = l 1− = 0, 6l = 1,80 m .
Wb2 Wb2
b) Abb. A.7 b
c) σb = 410 N/mm2 , der Träger würde diese Spannung nie erreichen, da das Material vorher
fließt.
d) I 200, Wb = 214 cm3 , σb = 105 N/mm2 ,
e) 7, 7%
Null
linie
α = 60◦
mm
z
β= 18◦
140
S
e
ben
ste
La
y
S
La
ste
ie
67
in
ben
m
lll
m
Nu
e
z
A.4 Kapitel 5
2 Fl2
tan α = tan α11 + tan α21 + tanα31 = = 0,000 665, α = 0, 0381◦
32 EI
Lösung der Aufgabe 5.4
a)
l3 a Fl3
f1 = F1 + F2 · 3 =3 ,
48EIa l 48EIa
l3 a ! a a " Fl3
f2 = − 3F1 + F2 · 16 1+ = −5, 74 ,
48EIa l l l 48EIa
7 13 7 8
FA = F, FB = − F, Mb F1 = Fl, Mb B = Fl,
6 6 12 12
b)
l3 a Fl3
f1 = F1 − F2 · 3 = −1 ,
48EIa l 48EIa
l3 a ! a a " Fl3
f2 = − 3F1 − F2 · 16 1+ = 3, 74 ,
48EIa l l l 48EIa
1 19 1 8
FA = − F, FB = F, Mb F1 = − Fl, Mb B = − Fl
6 6 12 12
Die Lastrichtung in b) ist mit Rücksicht auf die Durchbiegung günstiger, mit Rücksicht auf die Bie-
gemomente gleichwertig und mit Rücksicht auf die Lagerkräfte ungünstiger als die Lastrichtung
in a).
Lösung der Aufgabe 5.5
Der Ansatz f = fm (Tabelle 5.1, Zeile 6) ergibt die quadratische Gleichung
a 2 3a 3
+ − =0
l 2 l 8
mit der brauchbaren positiven Lösung a/l = 0, 218, l = 458 mm, f = fm = 3,5 mm. Mit fm =
1 mm ist l = 245 mm und f = 2,08 mm.
Lösung der Aufgabe 5.6
f = 21,3 mm
Lösung der Aufgabe 5.7
ρ = 10 m, f = 333 mm, α = 6, 9◦
Lösung der Aufgabe 5.8
fy = 16,65 mm, fz = 7,5 mm, f = 11,65 mm
A.5 Kapitel 6
5ql/8
b) FC = = 1,491 · 105 N, σd = 19,3 N/mm2 , I 360
48hI
1+ 3
l A
Lösung der Aufgabe 6.4
a) FA = 1, 363F, MA = −0, 289Fl, FB = 1, 637F,
MB = −0, 343Fl, Mb F = 0, 052Fl, Mb 2F = 0, 203Fl,
b) FA = 0, 25F, FB = F, FC = F, FD = −0, 25F,
Mb (l/2) = Mb (5l/2) = 0, 125Fl, Mb (l) = Mb (3l) = −0, 25F
Lösung der Aufgabe 6.5
FA = 26,1 kN, FB = 84,2 kN, FC = 10,0 kN, gefährdeter Querschnitt in B σb = 104 N/mm
A.6 Kapitel 7
1 Schubspannungszunahme in %
100
2 Masseersparnis in %
(1) und Masseersparnis (2)
in % in Abhängigkeit vom
Wanddik-kenverhältnis α 80
60
40
2
20
1
0 0, 2 0, 4 0, 6 0, 8 1, 0
Wanddickenverhältnis α
A.7 Kapitel 8
A.8 Kapitel 9
oder umgeformt
2
d/2
1− 1−
r0
λ=
2 = 0, 0718 .
d/2
1+ 1−
r0
Da 1 + (Mby /Fn r0 ) = 1 − (Fr0 /Fr0 ) = 0, ist z0 = 0.
F F
σx (z = −d/2) = 13, 92 , σx (z = d/2) = 4, 64
A A
(Abb. A.11). Nach linearer Biegegleichung 9F/A bzw. −7F/A.
376 A Lösungen zu den Aufgaben
F/A
σx
14
12
bezogene Spannung
10 2
8
6
4
z/d
2 1
0, 25 0, 5
0
−0, 5 −0, 25 0
−2
−4
−6
σt
τ
σb −τ σb
σl
−σb σl −σb
−τ
τ
σt
Abb. A.12 Lösungsbild
α = −19, 3◦
a
a
ε1 , σ 1 ε2 , σ 2 α = 19, 3◦
ε1 , σ 1
α = 25, 7◦
α = −25, 7◦
ε2 , σ 2
τ τ
σb σb
A.9 Kapitel 10
A.10 Kapitel 11
1 2pi ESt 2 1
c1 = pi − η = 0, 14pi ,
η2i − 1 N ECu i (η2i − 1)2
r2 2pi ESt 1
c2 = −pi 2 1 + = 0, 792pi r21 ,
ηi − 1 N ECu (η2i − 1)2
2pi ESt 1 1
c3 = = 0, 522pi ,
N ECu (η2i − 1)2 (η2a − 1)2
2pi r2a ESt 1 1
c4 = − = −0, 522pi r2a
N ECu (η2i − 1)2 (η2a − 1)2
im Kupferrohr im Stahlrohr
σri = −150 N/mm2 , σr1 = −98 N/mm2 ,
σti = 192 N/mm2 , σt1 = 254,5 N/mm2 ,
σr1 = −98 N/mm2 , σra = 0 N/mm2 ,
σt1 = 140 N/mm2 , σra = 156,5 N/mm2 ,
σV max = 342 N/mm2 , σV max = 352,5 N/mm2
Lösung der Aufgabe 11.4
a) Der Ansatz σV = σt − σr für die Innenwandungen der drei Teilrohre führt auf das Glei-
chungssystem
η2 η2
σV = −2p1 2 i + 2pi 2 ,
ηi − 1 η −1
η 2 η 2 2
η η 2
σV = 2p1 2 i − 2p2 2 1 + 2pi 21 a ,
ηi − 1 η1 − 1 η −1
η2 η2
σV = 2p2 2 a + 2pi 2 a
ηa − 1 η −1
380 A Lösungen zu den Aufgaben
381
22. Grothe, K.-H.; Feldhusen, J. (Hrsg.): Dubbel - Taschenbuch für den Maschinenbau, 23. Aufl.,
Springer, Berlin u. a., 2011
23. Hagedorn, P.: Technische Mechanik, Bd. 2 - Festigkeitslehre, 4. Aufl., Harri Deutsch, Frank-
furt a.M., 2006
24. Herr, H.: Technische Mechanik - Statik - Dynamik - Festigkeit, 9. Aufl., Europa-Lehrmittel,
Haan-Gruiten, 2008
25. Hibbeler, R.: Festigkeitslehre, 5. Aufl., Pearson Studium, München, 2010
26. Hibbeler, R.: Kurzlehrbuch Technische Mechanik, Pearson Studium, München, 2011
27. Kühne, B. (Hrsg.): Köhler/Rögnitz Maschinenteile, Bd. 1, 10. Aufl., Vieweg + Teubner, Wies-
baden, 2007
28. Kühhorn, A., Silber, G.: Technische Mechanik für Ingenieure, Hüthig, Heidelberg, 2000
29. Kuna, M.: Numerische Beanspruchungsanalyse von Rissen - Finite Elemente in der Bruchme-
chanik, 2. Aufl., Vieweg + Teubner, Wiesbaden, 2010
30. Läpple, V.: Einführung in die Festigkeitslehre, 3. Aufl., Vieweg + Teubner, Wiesbaden, 2011
31. Lohmeyer, G.; Baar, S.: Baustatik, STUDIUM, Bd. 2 - Bemessung und Sicherheitsnachweise,
12. Aufl., Vieweg + Teubner, Wiesbaden, 2009
32. Magnus, K.; Müller-Slany, H.: Grundlagen der Technische Mechanik, 7. Aufl., Vieweg +
Teubner, Wiesbaden, 2009
33. Mang, H.; Hofstetter, G.: Festigkeitslehre, 3. Aufl., Springer, Wien u. a., 2008
34. Merkel, M.; Öchsner, A.: Eindimensionale Finite Elemente, Springer, Heidelberg, 2010
35. Müller, W.H.; Ferber, F.: Technische Mechanik für Ingenieure, 4. Aufl., Fachbuchverlag, Leip-
zig, 2012
36. Naumenko, K.; Altenbach, H.: Modelling of Creep for Structural Analysis, Springer, Berlin,
2007
37. Neuber, H.: Kerbspannungslehre, 4. Aufl., Springer, Berlin u. a., 2001
38. Radaj, D.; Vormwald, M.: Ermüdungsfestigkeit - Grundlagen für Ingenieure, 3. Aufl., Sprin-
ger, Berlin, 2010
39. Richard, H.; Sander, M.: Technische Mechanik, Bd. Festigkeitslehre, 3. Aufl., Vieweg + Teub-
ner, Wiesbaden, 2011
40. Rösler, J.; Harders, H.; Bäker, M.: Mechanisches Verhalten der Werkstoffe, 3. Aufl., Vieweg
+ Teubner, Wiesbaden, 2008
41. Sayir, M.; Dual, J.; Kaufmann, S.: Ingenieurmechanik, Bd. 1 - Grundlagen und Statik, 2. Aufl.,
Vieweg + Teubner, Wiesbaden, 2008
42. Sayir, M.; Dual, J.; Kaufmann, S.: Ingenieurmechanik, Bd. 2 - Deformierbare Körper, 2. Aufl.,
Vieweg + Teubner, Wiesbaden, 2010
43. Schier, K.: Finite Elemente Modelle der Statik und Festigkeitslehre, Springer, Heidelberg,
2010
44. Silber, G.; Steinwender, F.: Bauteilberechnung und Optimierung mit der FEM - Materialtheo-
rie, Anwendungen, Beispiele, Vieweg + Teubner, Wiesbaden, 2010
45. Wellinger, K.; Dietmann, H.: Festigkeitsberechnung, 3. Aufl., Kröner, Stuttgart, 1976
46. Wetzell, O.; Krings, W.: Technische Mechanik für Bauingenieure, Bd. 2 - Festigkeitslehre, 2.
Aufl., Vieweg + Teubner, Wiesbaden, 2011
47. Wittenburg, J.; Pestel, E.: Festigkeitslehre, Nachdruck der 3. Auflage (2001), Springer, Berlin,
2011
48. Wriggers, P.; Nackenhorst, U.; Beuermann, S.; Spiess, H.; Löhnert, S.: Technische Mechanik
kompakt - Starrkörperstatik - Elastostatik - Kinetik, 2. Aufl., Teubner, Wiesbaden, 2006
49. Zimmermann, K.: Technische Mechanik, 2. Aufl., Fachbuchverlag, Leipzig, 2003
Sachverzeichnis
383
Bruchdehnung, 24 Einschnürung, 25
Brucheinschnürung, 24 elastische Energie, 180
Bruchfläche, 24, 277 elastische Feder, 21
Bruchhypothesen, 303 elastische Linie, 141
Bruchmoment, 125 Elastizitätsgrenze, 23
Elastizitätsmodul, 19, 25f., 142, 144, 200, 332
C ASTIGLIANO , 176 Empfindlichkeitszahl, 66
C AUCHY , 9 Energiesatz, 162, 220
C LAPEYRON , 176 Entlastung, 18
C OULOMB , 303 Ersatzstreckgrenze, 25
E ULER , 321
Dauerbruch, 59, 68, 126f., 307f. E ULER ’sche Knickkraft, 321
Dauerfestigkeit, 59f. E ULER bereich, 332
Dauerfestigkeitsschaubild, 217 E ULER kurve, 332, 333
DE S T. V ENANT, 10
E ULER ’sche Knickkraft, 323
Dehngrenze, 23, 25, 29, 58 exzentrischer Lastangriff, 259
bei nichtproportionaler Dehnung, 23
Dehngrenzenverhältnis, 125
Dehnung, 17ff., 47, 102, 141, 268, 294f., Feder, 21, 116, 221, 227
298ff. Federkonstante, 21, 74, 163, 164, 221, 227
beim Bruch, 24 Federkraft, 21
bleibende, 23, 25, 125 Federvolumen, 22
plastische, 65 Federweg, 21, 227
technische, 17 Festigkeitsbedingung, 14, 48, 104, 109, 203,
Dehnungsmessung, 300 210, 226, 236, 262, 349
Descartes, 9 Festigkeitsberechnung, 2, 10f., 57, 60, 173,
Dimensionierung, 2, 14 300, 302, 349
Drehmoment, 197f., 342 Festigkeitshypothese, 302ff.
Drehstab, 197, 222 Festigkeitslehre, 1, 2, 7, 10f., 57, 80, 102, 176,
Drehstabfeder, 5, 205, 220 295
Dreieckfeder, 116 Aufgabe, 1
Drillmoment, 197 Berechnungsverfahren, 2
Druck, 6, 14, 125, 193, 262, 275, 278f.
Teilaufgaben, 2
Druckbeanspruchung, 4, 14, 27f., 36, 79, 260,
Ziele, 2
277, 299, 303
Flächenmoment, 80
Druckbeanspruchung schlanker Stäbe, 6
0. Ordnung, 80
Druckbehälter, 6, 12, 346f., 351, 353, 357
1. Ordnung, 81
Druckfestigkeit, 29, 125
Druckkraft, 125, 261, 319, 322, 324, 329 2. Ordnung, 82
Druckspannung, 8, 14, 27f., 36, 125, 262, 319, axiale, 82
322, 347 Dreieck, 85
Druckstab, 4, 14, 35, 277, 319, 325 Kreisring, 84
Druckversuch, 27, 29, 304 Rechteck, 83
Durchbiegung, 5f., 141f., 166, 179, 188, 253 Vollkreis, 84
bei schiefer Biegung, 168 gemischte, 82
kleine, 143 statische, 81
resultierende, 168 Flächenpressung, 36, 38
Durchmesseränderung, 17, 41, 346 Fliehkraft, 51
Durchmesserverhältnis, 204, 347 Fließgrenze, 23, 58
Formänderungen, 173
Ebenbleiben der Querschnitte, 252 Formänderungsarbeit, 21, 161, 164, 200, 219,
Eigengewicht, 45, 47, 49 221, 252
Eigenspannung, 42 spezifische, 22, 161, 164, 201, 219, 221
Einschnürdehnung, 24 Formzahl, 64, 217
Sachverzeichnis 385