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Juristische Ausbildung 2014(7): 655–665

Aufsatz StR

Akad. Rat a. Z. Dr. Tobias Ceffinato

Das Institut der Wahlfeststellung und seine


verfassungsmäßige Zulässigkeit
DOI 10.1515/jura-2014-0077 eines bestimmten Delikts2. In Anbetracht der Tatsache,
dass der Angeklagte aber nach § 243 V 1 StPO in der Haupt-
verhandlung (als Verlängerung des § 136 I 2 StPO) berech-
Zum Thema der Wahlfeststellung schien in den letzten Jahr- tigt zur Sache schweigen kann und die Erkenntnismöglich-
zehnten bereits alles Notwendige gesagt, weshalb mangels keiten des Gerichts beschränkt sind – man denke nur
zu erwartender neuer Erkenntnisse keine Rechtfertigung für daran, dass Zeugen nicht vorhanden waren oder wider-
eine erneute Auseinandersetzung mit der Thematik bestand. sprüchlich aussagen – sind verbleibende Zweifel beim
Die Rollen waren klar dahingehend verteilt, dass die ganz Gericht über die Schuld- und Straffrage geradezu im Straf-
herrschende Lehre der Rechtsprechung auf ihrem historisch prozess angelegt3. Diesen Konflikt löst § 261 StPO dahin-
besehen extensiven Weg zur Verurteilung auf wahldeutiger gehend, dass das Gericht »nach seiner freien, aus dem
Grundlage Gefolgschaft leistete. Einzig die Frage, zwischen Inbegriff der Hauptverhandlung geschöpften Überzeu-
welchen Tatbeständen im Einzelnen eine Wahlfeststellung gung« entscheidet, bei verbleibenden Zweifeln damit in
zugelassen werden sollte, mithin die Frage nach den ein- dubio pro reo. Lässt sich demnach nicht mehr feststellen,
schränkenden Kriterien dieses Instituts, wurde nicht befrie- ob der Angeklagte aufgrund eines alkoholbedingten Fahr-
digend beantwortet. Im Ergebnis bestand hingegen bis auf fehlers einen Unfall mit Personenschaden verursacht hat,
vereinzelte Ausnahmen Einmütigkeit. Neuerdings ist nun- ist in dubio pro reo von einer anderen Ursache auszugehen
mehr eine Tendenz zu beobachten, bereits die grundsätzli- und vom Vorwurf des § 315 c StGB freizusprechen4. Denkt

che Zulässigkeit des über mittlerweile mehr als sechzig Jahre man den Sachverhalt nunmehr dahingehend fort, dass
gewachsenen richterrechtlichen Instituts der Wahlfeststel- sich im Laufe der Ermittlungen Anhaltspunkte ergeben,
lung in Frage zu stellen. Diesen Weg hat auch der 2. Straf- dass der Angeklagte Suizidgedanken hegte und deshalb
senat des BGH beschritten, um sich erst gar nicht im »Irr- die ernstzunehmende Möglichkeit bestand, dass er seinem
garten der Wahlfeststellung«1 zu verlaufen. Er sieht in der Leben durch den Unfall ein Ende setzen wollte, steht der
ungleichartigen Wahlfeststellung einen Verstoß gegen das Vorwurf eines vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den
Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 103 II GG begründet, da diese Straßenverkehr in Tateinheit mit vorsätzlicher gefährlicher
als »sachlich-rechtliche Strafbarkeitsregel« dem Gesetzes- Körperverletzung (ggfl. sogar versuchtem Totschlag) im
vorbehalt unterliege. Raum. Es bestehen damit zwei Sachverhaltsvarianten, von
denen nur der Angeklagte weiß, welche sich tatsächlich
zugetragen hat. Auch auf die zweite Möglichkeit ist der
I. Ausgangslage Zweifelsgrundsatz mit der (nunmehr umgekehrten) Über-
legung anwendbar, dass der Angeklagte nicht in Suizid-
Idealtypisch lässt sich der dem Angeklagten durch die absicht, sondern aufgrund alkoholbedingten Fahrfehlers
Anklageschrift zur Last gelegte Sachverhalt im Prozess den Unfall verursacht hat5. Die Folge wäre, dass der Ange-
entkräften oder beweisen. Die Urteilsformel lautet demge- klagte wegen keines Straßenverkehrsdelikts verurteilt wer-
mäß entweder auf Freispruch oder Verurteilung wegen

2 Vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl. (2013) § 260 Rn. 16 ff., 21 ff. Die
   

1 Erstmals Dreher MDR 1970, 369: »Im Irrgarten der Wahlfeststel- dritte verbleibende Möglichkeit eines Prozessurteils nach § 260 III
lung«. Dies aufgreifend u. a. Frister, in: NK-StGB, 4. Aufl. (2013) Nach
  StPO spielt vorliegend keine Rolle.
§ 2 Rn. 8; Joerden JZ 1988, 847; Otto, FS-Peters, 1974, 373. 3 Der Zweifelssatz greift erst bei abgeschlossener Beweiswürdigung,
vgl. BGH NStZ 2010, 102 (103).
Tobias Ceffinato: Der Autor ist Habilitand am Lehrstuhl für Strafrecht 4 BGH NStZ 2014, 87. Wohl auch BGH NStZ 2013, 231 f., dazu Hecker

I, insb. Wirtschaftsstrafrecht und Strafprozessrecht (Prof. N. Bosch) JuS 2013, 466 (467); Jäger JA 2013, 393 (395).
an der Universität Bayreuth. 5 Vgl. die Anmerkung von Piel NStZ 2014, 88.
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den könnte, bzgl. der Körperverletzung geht die herrschen- II. Die Entwicklung zur Zulassung
de Meinung von einem normativen Stufenverhältnis zwi-
schen Vorsatz und Fahrlässigkeit aus, weshalb hier »we-
der Wahlfeststellung bis heute
nigstens« wegen § 229 StGB verurteilt werden könnte.
Der Zweifelsgrundsatz kann damit in bestimmten Kon- Die Rechtsprechung übte lange Zeit große Zurückhaltung
stellationen in ein Spannungsverhältnis mit der materiel- bezüglich einer Einschränkung des Zweifelssatzes10. Erst
len Gerechtigkeit treten. Diese, unter dem Oberbegriff der im 68. Band der amtlichen Sammlung ließ das Reichs-
Wahlfeststellung diskutierten pathologischen Fälle, treten gericht eine Wahlfeststellung in der Paradekonstellation
definitionsgemäß immer dann auf, wenn entweder der Diebstahl und Hehlerei in engen Grenzen zu11. Ein gutes
Angeklagte zweifelsfrei einen bestimmten Tatbestand ver- Jahr im Anschluss an diese Entscheidung ließ der national-
wirklicht hat, aber nicht nachgewiesen werden kann, sozialistische Gesetzgeber die Wahlfeststellung demgegen-
durch welches Verhalten (sog. unechte Wahlfeststellung über allgemein zu, was nach Ende des Zweiten Weltkrieges
bzw. Tatsachenalternativität)6 oder wenn der Angeklagte als typisch nationalsozialistisches Recht revidiert wurde.
durch eine oder mehrere Verhaltensweisen potentiell ver- Der Bundesgerichtshof weitete die anfangs beschränkte
schiedene Tatbestände verwirklicht haben kann (sog. ech- Zulassung der Wahlfeststellung nach und nach aus.
te Wahlfeststellung oder Gesetzesalternativität)7. In dubio
pro reo müsste der Angeklagte stets freigesprochen wer-
den, da nicht feststeht welches Verhalten oder welcher 1. Vorrang des Zweifelssatzes,
Gesetzesverstoß tatsächlich vorliegt. Dieses Ergebnis war insbesondere in Stufenverhältnissen
die herrschende Meinung bislang nicht hinzunehmen
bereit, da aller Ungewissheiten zuwider zweifelsfrei fest- Eckpfeiler der Rechtsprechung zur Wahlfeststellung ist der
steht, dass sich der Angeklagte nach allen denkbaren Al- unter mehr oder weniger engen Grenzen einzuschränken-
ternativen strafbar gemacht hat. Ein Freispruch liefe des- de Zweifelsgrundsatz. Dieser verlangt als Ausprägung des
halb dem materiellen Gerechtigkeitsempfinden zuwider Schuldgrundsatzes gerade den Nachweis von Täterschaft
und wäre nicht geeignet die Erschütterung der Rechtsord- und Schuld12. Beide Wahlfeststellungskonstellationen sind
nung zu beseitigen8, weshalb die einzig mögliche Kon- deshalb auch durch die Besonderheit gekennzeichnet,
sequenz, eine Einschränkung des Zweifelsgrundsatzes9, dass sich der Angeklagte in allen in Betracht kommenden
gezogen wurde. In diesem Kontext ist zugleich anzumer- Sachverhaltsalternativen schuldig gemacht hat13. Würde
ken, dass der Zweifelsgrundsatz keineswegs uneinge- eine einzige Variante Straflosigkeit zum Ergebnis haben,
schränkt besteht. Der Gesetzgeber selbst hat ihn partiell ist der Angeklagte in dubio pro reo freizusprechen14. Eben-
zurückgenommen, wenn er in § 186 StGB das Risiko der so eindeutig ist die Entscheidung, wenn zwischen den
Nichterweislichkeit der Wahrheit dem Täter aufbürdet möglicherweise verwirklichten Straftatbeständen ein be-
oder in § 14 II Nr. 2 StGB Zweifel bei der Aufgabendelegati- griffslogisches oder normatives Stufenverhältnis besteht;
on beim Delegierenden belässt, solange keine ausdrück- der Angeklagte ist in Fortschreibung dieses Gedankens in
liche Beauftragung stattgefunden hat. dubio pro reo aus dem in sämtlichen Alternativen verwirk-

10 Historischer Abriss bei Dannecker, in: LK, StGB, Band 1, 12. Aufl.


6 Fischer, StGB, 61. Aufl. (2014) § 1 Rn. 39; Otto, Grundkurs Straf- (2007) Anh § 1 Rn. 30 ff.

recht, Allgemeine Strafrechtslehre, 7. Aufl. (2004) § 24 Rn. 13; Wes- 11 RGSt. 68, 257 (262) (Vereinigte Strafsenate).
sels/Beulke/Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, 43. Aufl. (2013) 12 Rogall, in: KK-OWiG, 3. Aufl. (2006) Vorbemerkung Rn. 21. Dies
Rn. 808. ist bereits in dem diesem Satz durch die hM gegebenen Anwendungs-
7 BGH NStZ 2012, 441 (442): Wahlfeststellung bei alternativer Ver- bereich angelegt, wonach die Zweifel nur die Schuld- und Straffrage
wirklichung verschiedener Mordmerkmale; BGHSt. 22, 12 (14); Kind- betreffen dürfen, vgl. Beulke, Strafprozessrecht, 12. Aufl. (2012)
häuser, Strafrecht Allgemeiner Teil, 6. Aufl. (2013) § 48 Rn. 11; Kühl, Rn. 25; Frister, Strafrecht Allgemeiner Teil, 6. Aufl. (2013) Kap. 3
Strafrecht Allgemeiner Teil, 7. Aufl. (2012) § 21 Rn. 68 d; Schmitz, in:
  Rn. 33; Kindhäuser (Fn. 7) § 48 Rn. 1. Ob die Strafbarkeit bestimmt ist,
MK-StGB, Band 1, 2. Aufl. (2011) Anh zu § 1 Rn. 9. ist demgegenüber eine Frage des korrelierenden Gesetzlichkeitsprin-
8 Wolter, in: SK-StGB, 140. Lfg. (Oktober 2013) Anh. zu § 55 Rn. 5. Zu zips, nicht jedoch des Zweifelssatzes.
Recht kritisch Freund, FS-Wolter, 2013, 35 (49); Velten, in: SK-StPO, 13 BGHSt. 12, 386 (388); 31, 136 (137); Eser/Hecker, in: Schönke/
Band V, 4. Aufl. (2012) § 261 Rn. 102. Schröder, 29. Aufl. (2014) § 1 Rn. 79; Rogall, in: KK-OWiG (Fn. 12)
9 BGHSt. 22, 154 (155 f.); Basak, in: Matt/Renzikowski, StGB, 2013, § 1
  Vorbemerkung Rn. 34; Wessels/Beulke/Satzger (Fn. 6) Rn. 806.
Rn. 28; Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner 14 Kühl (Fn. 7) § 21 Rn. 68; Schmitz, in: MK-StGB (Fn. 7) Anh zu § 1
Teil, 5. Aufl. (1996) § 16 I 1; Wessels/Beulke/Satzger (Fn. 6) Rn. 805. Rn. 44.
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lichten milderen Tatbestand zu bestrafen. Dies leuchtet me20, sowie aktuell wegen Nichtanzeige geplanter Strafta-
unmittelbar ein, wenn man sich das Beispiel vor Augen ten und Beteiligung an einer der Katalogtaten21. Tatsäch-
führt, dass der Angeklagte sicher einen Diebstahl began- lich stellt die Diskussion nur ein Scheinproblem dar, wenn
gen hat, wobei ungewiss ist, ob er während der Tat eine im Zuge des normativen Stufenverhältnisses definitions-
Waffe bei sich führte. Während die Verwirklichung des in gemäß eine Unrechtsstufung verlangt wird. In diesem Fall
der Qualifikation stets enthaltenen15 Grundtatbestandes wäre trotz aller Differenzen um die Bestimmung der Vo-
(begrifflich-logisches Stufenverhältnis) erwiesen ist, beste- raussetzungen einer Wahlfeststellung eine solche regel-
hen Zweifel hinsichtlich des separaten Vorliegens der Qua- mäßig möglich. Denn auch in diesem Bereich wird nach
lifikation. Da diese jedoch nur in einer Sachverhaltsalter- dem Prinzip des kleinsten gemeinsamen Nenners verfah-
native erfüllt wäre, ist in dubio pro reo davon auszugehen, ren, wenn etwa die Rechtsprechung bei Alternativität zwi-
dass der Angeklagte keine Waffe bei sich geführt hat, mit- schen Raub und Hehlerei eine Wahlfeststellung zwischen
hin die »insoweit straflose« Variante erfüllt hat16. Ein be- Diebstahl und Hehlerei22 zulässt oder selbst nach der res-
griffslogisches Stufenverhältnis im Sinne eines »Mehr-We- triktivsten aller Ansichten jedenfalls in dubio pro reo we-
niger« liegt demnach dann vor, wenn der eine Tatbestand gen Unterschlagung bestraft werden könnte23. Demzufolge
den anderen notwendigerweise mit umfasst17. Der Unter- kann bei Alternativität zwischen Vorsatz und Fahrlässig-
schied zur Wahlfeststellung besteht damit gerade darin, keit aus dem Fahrlässigkeitsdelikt bestraft werden, da der
dass der Angeklagte sich nicht nach jeder Sachverhalts- Unrechtskern in beiden Fällen identisch ist, wenn dasselbe
alternative schuldig gemacht hat. Angriffsobjekt beeinträchtigt und das Erkennen-Können
Während das begriffslogische Stufenverhältnis letzten als Minus im Erkannt-Haben enthalten ist. Und auch für
Endes auf eine ausdrückliche gesetzgeberische Entschei- den Bereich Täterschaft/Teilnahme bleibt festzuhalten,
dung zurückgreifen kann und deshalb anerkannt ist, be- dass der Strafgrund in beiden Fällen mit der verursachten
steht Uneinigkeit hinsichtlich der Frage, ob der Zweifels- Gefährdung eines Rechtsguts identisch ist24, weshalb al-
satz (in direkter oder analoger Anwendung) auch dann lenfalls ein gradueller Unterschied bezüglich des verwirk-
Vorrang vor einer Wahlfeststellung hat, wenn sich die lichten Unrechts besteht.
Tatbestände durch eine verschiedene Intensität ihres
Unrechtsgehaltes unterscheiden, sog. normatives Stufen-
verhältnis18. Hintergrund dieser Diskussion bildet der Um- 2. Postpendenzfeststellung
stand, dass bei Anerkennung eines Stufenverhältnisses die
einschränkenden Voraussetzung der echten Wahlfeststel- Schließlich ist nach herrschender Meinung aufgrund der
lung nicht zu prüfen sind, mit der Folge, dass die Gefahr Möglichkeit eindeutiger Verurteilung noch eine weitere
einer doppelten Anwendung des Zweifelssatzes und damit Erscheinungsform tatsächlicher Ungewissheit der Wahl-
eines Freispruchs vermieden wird; der Täter wäre wiede- feststellung vorgelagert. Es sind dies die klassischen Fälle,
rum aus dem mildesten Tatbestand zu verurteilen. Zum in denen sicher feststeht, dass der Angeklagte einen zeit-
Tragen kommt die Debatte insbesondere bei Alternativität lich nachgelagerten Tatbestand verwirklicht hat25, aber
von Vorsatz und Fahrlässigkeit19, Täterschaft und Teilnah- fraglich ist, ob er auch Beteiligter eines vorausgehenden
Delikts ist, dessen Nichtvorliegen gegebenenfalls sogar

15 Etwa Otto (Fn. 6) § 1 Rn. 16; Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil,


Band I, 4. Aufl. (2006) § 10 Rn. 133.
16 Dazu BGHSt. 22, 154 (156); 23, 203 (204 f.); BGH NStZ 2010, 698;
  Entscheidend ist damit die konstruktive Frage, ob Vorsatz ein Mehr
Eser/Hecker, in: Sch/Sch (Fn. 13) § 1 Rn. 83; Frister (Fn. 12) Kap. 3 gegenüber der Fahrlässigkeit oder ein Aliud darstellt.
Rn. 36; ders., in: NK-StGB (Fn. 1) Nach § 2 Rn. 26; Otto (Fn. 6) § 24 20 Offen gelassen für das Verhältnis von Mittäterschaft und Anstif-
Rn. 3 f.
  tung durch BGH NStZ 2009, 258, anders noch BGH NStZ 2000, 197
17 BGHSt. 9, 390 (397); 31, 136 (137); Fischer (Fn. 6) § 1 Rn. 35. Neben (199). Vgl. auch Eser/Hecker, in: Sch/Sch (Fn. 13) § 1 Rn. 87; Fischer
dem Verhältnis Grundtatbestand und Qualifikation/Privilegierung (Fn. 6) § 1 Rn. 36.
unterfallen auch Versuch und Vollendung des Delikts dieser Konstel- 21 BGHSt. 55, 148 (151). Zustimmend Wolter, in: SK-StGB (Fn. 8) Anh.
lation. zu § 55 Rn. 21e. Kritisch hingegen BGH NStZ-RR 2010, 204 (205).
18 BGHSt. 32, 48 (57); 46, 85 (87); Dannecker, in: LK (Fn. 10) Anh § 1 22 Vgl. BGH NStZ 2008, 646; Otto, FS-Peters, 1974, 373 (391); Wes-
Rn. 91 ff.; Otto, FS-Peters, 1974, 373 (375 ff.); Rogall, in: KK-OWiG
    sels/Beulke/Satzger (Fn. 6) Rn. 807 aE.
(Fn. 12) Vorbemerkung Rn. 38; Wessels/Beulke/Satzger (Fn. 6) 23 In diesem Sinne auch Frister, in: NK-StGB (Fn. 1) Nach § 2 Rn. 23.
Rn. 806. 24 Otto, FS-Peters, 1974, 373 (380). AA. BGHSt. 23, 203 (206): »we-
19 BGHSt. 32, 48 (57); Otto, FS-Peters, 1974, 373 (378 f.); Schmitz, in:
  sensmäßiger Unterschied«.
MK-StGB (Fn. 7) Anh zu § 1 Rn. 25. Für ein begriffslogisches Stufen- 25 Die umgekehrte Konstellation (Gewissheit bzgl. des zeitlich vo-
verhältnis demgegenüber Dannecker, in: LK (Fn. 10) Anh § 1 Rn. 81. rausgehenden Delikts) wäre Präpendenz.
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Voraussetzung für die Strafbarkeit bezüglich des nach- sächlich einseitigen Sachverhaltsungewissheit eine mehr-
weisbaren Delikts ist26. Der Unterschied zu Sachverhalten seitige und damit ein Fall der Wahlfeststellung.
der Wahlfeststellung liegt demnach darin, dass hier nur Verfährt man diesen Leitlinien gemäß bei der Proble-
eine einseitige, bei der Wahlfeststellung hingegen eine matik »mögliche Erpressung/sichere Hehlerei«, müsste
mehrseitige Sachverhaltsungewissheit vorliegt. Geburts- man eigentlich zu dem Ergebnis einer echten Wahlfest-
helfer dieser mittlerweile als eigenständige Fallgruppe ein- stellung gelangen, da eine Hehlerei an einer sich selbst
deutiger Verurteilung angesehenen Postpendenz war die rechtswidrig verschafften Sache bereits tatbestandlich
Alternativität zwischen Erpressung und Hehlerei, wenn im ausgeschlossen ist, vgl. § 259 I StGB32. Dennoch verurteilt
zu entscheidenden Sachverhalt sicher nachgewiesen wer- die herrschende Meinung in diesem Fall eindeutig wegen
den konnte, dass der Angeklagte sich die aus einer Erpres- Hehlerei33. Ergebnisorientiert scheint dies insoweit zu sein,
sung hervorgegangene Sache verschafft hat, aber (viel- als die Voraussetzungen einer echten Wahlfeststellung
leicht aufgrund entsprechenden Einlassungsgeschicks des nicht vorliegen – schon aufgrund der Nötigungskom-
Angeklagten) unklar blieb, ob er nicht bereits an der Er- ponente des § 253 StGB werden unterschiedliche Rechts-
pressung mitgewirkt hat, sog. Postpendenz27. Keinen Fall güter geschützt –, was einen Freispruch zur Folge hätte.
der Postpendenzfeststellung stellt es demgegenüber dar, Bekräftigt wird dieser Befund, wenn man sich dessen Be-
wenn der Angeklagte wegen zweier zusammenhangloser gründung vor Augen führt: Die Hehlerei sei eine typische
prozessualen Taten angeklagt wird, von denen nur die Anschlusstat, weshalb dem Merkmal »Sache, die ein ande-
spätere nachweisbar ist. Hier ist wegen der späteren zu rer« nur die Aufgabe zukomme, eine Doppelbestrafung zu
verurteilen und wegen der früheren freizusprechen. Die verhindern34. Hierdurch wird der geschuldete Nachweis,
Postpendenz gewinnt ihre Dynamik deshalb dadurch, dass dass sämtliche Voraussetzungen des Hehlereitatbestandes
durch die Sachverhaltsungewissheit der vorausgehenden erfüllt sind, jedoch nicht erbracht.
Tat die Gewissheit bezüglich der zeitlich nachgelagerten
Tat ins Wanken gerät. Die herrschende Meinung verurteilt
in diesen Fällen eindeutig wegen der sicher festgestellten III. Unechte Wahlfeststellung
Tat aufgrund des Grundsatzes in dubio pro reo28, jedenfalls
dann, wenn es sich um eine konkurrenzrelevante Postpen- 1. Keine zusätzlichen materiellen
denz handelt. An diesem Ergebnis wird wiederum kriti- Anforderungen
siert, dass die Voraussetzungen der Wahlfeststellungen
umgangen würden29, wobei jedoch übersehen wird, dass Bestehen demnach gegen eine Einschränkung des Zwei-
dem Zweifelssatz grundsätzlich Vorrang vor einer Wahl- felssatzes zunächst keine Bedenken, wenn keine Möglich-
feststellung zukommt. Tritt die Nachtat aber erst auf Kon- keit einer eindeutigen Verurteilung besteht, kann an eine
kurrenzebene zurück, bleibt sie strafbar, wenn wegen Wahlfeststellung gedacht werden. Vor wenige Probleme
der Vortat aufgrund der eingeschränkten Erkenntnismög- stellt hierbei die unechte Wahlfeststellung: Der Angeklag-
lichkeiten des Gerichts in dubio pro reo nicht verurteilt te hat sich sicher nach einem bestimmten Tatbestand
werden kann30. Tatbestandsrelevante Postpendenz liegt schuldig gemacht, wenn lediglich offen bleibt, durch wel-
demgegenüber vor, wenn die Nichterfüllung des potenziell ches konkrete Verhalten. Einschränkende Voraussetzun-
vorausgehenden Tatbestandes Voraussetzung für die gen im Hinblick auf rechtsstaatliche Spannungsfelder wer-
Strafbarkeit des späteren Verhaltens ist31. Mittels dieses den deshalb nicht gefordert35. Für den Angeklagten ist
tatbestandlichen Anknüpfungspunkts wird aus der tat- voraussehbar, dass er aus dem bestimmten Tatbestand
sanktioniert wird, wenn er etwa sein Opfer mit dem HI-
Virus angesteckt hat, aber offenbleibt, durch welchen der
26 Joerden JuS 1999, 1063 (1065); Kühl (Fn. 7) § 21 Rn. 68c.
27 BGHSt. 35, 86 (89); BGH NStZ 1988, 455 (456); Fischer (Fn. 6) § 1
Rn. 45. 32 BGHSt. 8, 390 (392); Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl. (2011) § 259
28 Joerden JZ 1988, 847 (848); Kindhäuser (Fn. 7) § 48 Rn. 19; Noak Rn. 18.
JURA 2004, 539 (542). 33 BGHSt. 35, 86 (88); BGH NStZ 2011, 510; Kindhäuser (Fn. 7) § 48
29 Frister (Fn. 12) Kap 3 Rn. 37. Rn. 19; Kühl (Fn. 7) § 21 Rn. 68c.
30 BGH NStZ 2008, 396 (397); Basak, in: M/R (Fn. 9) § 1 Rn. 33; Eser/ 34 Dannecker, in: LK (Fn. 10) Anh § 1 Rn. 122 ff.; Joerden, JZ 1988, 847

Hecker, in: Sch/Sch (Fn. 13) § 1 Rn. 91; Joerden, Logik im Recht, (849); ders. Logik (Fn. 30) S. 61 f. Zu Recht kritisch Eser/Hecker, in:

2. Aufl. (2010), S. 59; Schmitz, in: MK-StGB (Fn. 7) Anh zu § 1 Rn. 35. Sch/Sch (Fn. 13) § 1 Rn. 91; Schmitz, in: MK-StGB (Fn. 7) Anh zu § 1
31 BGHSt. 43, 356; Joerden JuS 1999, 1063 (1066 f.); ders. JZ 1988, 847
  Rn. 38.
(848); Satzger, in: Satzger/Schluckebier/Widmeier, StGB, 2. Aufl. 35 Vgl. nur BGHSt. 2, 351 (352); Frister, in: NK-StGB (Fn. 1) Nach § 2
(2014) § 1 Rn. 67. Rn. 22 ff.

Aufsatz StR – Tobias Ceffinato: Das Institut der Wahlfeststellung und seine verfassungsmäßige Zulässigkeit 659

Sexualkontakte dies letztendlich geschah36. Hier ist ein- widrigen Vermögenslage meist in keinem räumlich-zeitli-
deutig wegen (je nach Fallgestaltung vorsätzlicher oder chen Zusammenhang43 steht, müssen auch beide Taten
fahrlässiger) Körperverletzung zu verurteilen, mit der Be- angeklagt werden um unter die Entscheidungsgewalt des
sonderheit, dass die Tatsachengrundlage wahldeutig ist37. Gerichts zu fallen, § 155 StPO44. Fehlt es hieran, ist der
Demgegenüber kann eine eindeutige Feststellung erfol- Täter in dubio pro reo wegen der angeklagten Tat frei-
gen, wenn Zweifel bei der Tatrekonstruktion eine eindeuti- zusprechen, da er einer Nachtragsanklage sinnvollerweise
ge Feststellung nicht hindern, wie dies etwa dann der Fall nicht zustimmen wird, § 266 StPO45. Nichts anderes gilt im
ist, wenn der Täter sein Opfer zu einem nicht näher fest- Fall reiner Tatsachenalternativität, als hier die nicht ange-
stellbaren Zeitpunkt zwischen 23.00 und 1.00 Uhr erschla- klagte Tat – beispielsweise die potentiell unrichtige Aus-
gen hat38. Die Problematik dieser Erscheinungsform liegt sage des Angeklagten in der Berufungsinstanz – nicht zum
vielmehr im Prozessrecht, da die Aburteilungsbefugnis Inhalt der Feststellungen des Gerichts werden kann. Das
des Gerichts an das Vorhandensein einer Tat geknüpft Vorliegen einer einheitlichen prozessualen Tat ist dem-
ist39. nach keine (prozessuale) Voraussetzung der Wahlfeststel-
lung, sondern betrifft allein die Reichweite der gericht-
lichen Entscheidungsbefugnis.
2. Die prozessuale Dimension des Problems

Ausgangspunkt muss deshalb der prozessuale Tatbegriff IV. Echte Wahlfeststellung


des § 264 StPO sein, d. h. erforderlich ist ein einheitlich

geregelter Lebenssachverhalt dessen Aufspaltung ein zu- Kommen mehrere Tatbestände als alternativ verwirklicht
sammengehöriges Geschehen in unnatürlicher Weise tren- in Betracht, fällt die Aussage, wie der Angeklagte zu sank-
nen würde40. Die bloße Ungewissheit nun, ob der Beschul- tionieren ist, naturgemäß nicht so leicht. Es fehlt in dieser
digte durch sein Verhalten Tatbestand X oder durch ein Konstellation gerade an der Sicherheit, dass der Angeklag-
u. U. anderes Verhalten Tatbestand Y verletzt hat, berührt
  te einen bestimmten Tatbestand erfüllt hat. Fest steht nur,
aber nicht die Frage, ob die in Rede stehenden Verhaltens- dass überhaupt gegen eine strafrechtliche Vermeidepflicht
weisen einen einheitlichen Lebenssachverhalt darstellen. verstoßen wurde. Dies ist auch der Anknüpfungspunkt für
Vielmehr kann, nachdem die möglichen Sachverhalts- die wiederum in vielschichtiger Weise geübte Kritik an der
alternativen herausgestellt wurden, eindeutig festgestellt Konstruktion als solcher. Die Rechtsprechung und die
werden, wie diese zueinander stehen, da lediglich deren herrschende Meinung treten dem mit relativ pauschalen
tatsächliches Vorliegen fraglich ist, nicht aber deren hypo- Gerechtigkeitserwägungen entgegen, räumen aber ein,
thetische Möglichkeit41. Handelt es sich deshalb, wie regel- dass es eine unbegrenzte Zulassung der Wahlfeststellung
mäßig beim Paradigma der Wahlfeststellung zwischen nicht geben kann.
Diebstahl und Hehlerei, um zwei prozessual selbständige
Taten42, da die Perpetuierung mit der Schaffung der rechts-

172 (174); BGH NStZ 1999, 523 (524), wonach Voraussetzung ist, dass
36 BGHSt. 36, 262 (269). Daran anschließend BGH NStZ 1994, 339 »der in der Anklage nach Objekt, Ort und Zeit der Handlung konkreti-
(339 f.): Körperverletzung mit Todesfolge.
  sierte Diebstahl Grundlage der Verurteilung wegen Hehlerei bleibt«.
37 Ist Vorsatz für beide Handlungen nachweisbar, ist eindeutig we- Zu dem gleichen Ergebnis gelangt Schlüchter JR 1989, 48 (49), die bei
gen vollendeter Körperverletzung und deren Versuch zu verurteilen, Wahlfeststellung stets von Tateinheit ausgehen möchte. Dies wird zu
vgl. Wolter, in: SK-StGB (Fn. 8) Anh. zu § 55 Rn. 16a. AA BGHSt. 36, Recht u. a. von Frister, in: NK-StGB (Fn. 1) Nach § 2 Rn. 97 kritisiert.

262 (269). Wie hier auch Ranft JuS 2003, 417 (422); Wolter, in: SK-StGB (Fn. 8)
38 Stuckenberg, in: KMR, StPO, 68. EL (August 2013) § 261 Rn. 107; Anh. zu § 55 Rn. 12.
Velten, in: SK-StPO (Fn. 8) § 261 Rn. 98. 43 Zu diesem Kriterium BGH NStZ 1981, 33.
39 Vgl. Otto (Fn. 6) § 24 Rn. 14; Sander, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 44 BGH NStZ 2014, 42; BGHSt. 32, 146 (151); OLG Celle NJW 1988, 1225
26. Aufl. (2013) § 261 Rn. 125, 138. (1226); Dannecker, in: LK (Fn. 10) Anh § 1 Rn. 57; Jescheck/Weigend
40 BGHSt. 13, 320 (321); 32, 215 (216); BGH NStZ 1984, 469; NStZ 2014, (Fn. 9) § 16 III 2 a); Kudlich JuS 2005, 236 (237); Meyer-Goßner (Fn. 2)
46 (47); Bosch, JK 03/2014, § 154/3; Meyer-Goßner (Fn. 2) § 264 Rn. 2; § 264 Rn. 2 b; Schmitz, in: MK-StGB (Fn. 7) Anh zu § 1 Rn. 7; Schröder

Ranft JuS 2003, 417 (418). JuS 2005, 707.


41 Sog. Verhältnis alternativer Exklusivität, vgl. BGHSt. 12, 386; 23, 45 Wie hier Eser/Hecker, in: Sch/Sch (Fn. 13) § 1 Rn. 97; Satzger, in:
203 (204); BGH NStZ 1985, 123; Kratzsch JA 1983, 338 (339); Satzger, in: S/S/W (Fn. 31) § 1 Rn. 76. Vgl. dazu auch BGHSt. 32, 146. AA. OLG
S/S/W (Fn. 31) § 1 Rn. 74; Stuckenberg, in: KMR (Fn. 38) § 261 Rn. 110. Celle NJW 1988, 1225 (1226): Verfahrenseinstellung nach § 260 III
42 Jedenfalls die frühere Rechtsprechung ging trotz dieses Befundes StPO, dagegen spricht aber, dass das Prozesshindernis der fehlenden
in diesem Paradefall von einer prozessualen Tat aus, vgl. BGHSt. 35, Anklage nur bezüglich der nicht angeklagten Tat besteht.
660 Aufsatz StR – Tobias Ceffinato: Das Institut der Wahlfeststellung und seine verfassungsmäßige Zulässigkeit

Die Argumentation hinsichtlich der restriktiven Inter- sein51. Dies leuchtet unmittelbar ein, wenn man sich den
pretation der Wahlfeststellung zeichnet sich entweder da- Fall überlegt, dass unklar ist, ob der Täter um 12 Uhr seine
durch aus, dass sie außergesetzlich-sachfremde Motive Frau geschlagen hat oder um 12:10 Uhr eine Bank in einem
anführt oder die von der Rechtsprechung gewonnenen anderen Stadtteil überfallen hat, wobei eine kumulative
Ergebnisse billigt, aber auf ein anderes Fundament stel- Begehung denkgesetzlich ausgeschlossen ist; fest steht
len möchte46, ohne diese zu hinterfragen. Damit bleibt die aber, dass er eine der Taten begangen hat. Eine wahldeuti-
Entscheidung für die Zulässigkeit der echten Wahlfest- ge Verurteilung auf wahldeutiger Tatsachengrundlage
stellung aber reine Willkür. So ist der häufig anzutreffen- wegen vorsätzlicher Körperverletzung oder52 räuberischer
de Entscheidungsmaßstab, der Täter müsse einer »ver- Erpressung mit dem Rechtsfolgenausspruch aus dem Straf-
dienten« bzw. »gerechten«47 Strafe zugeführt werden, rahmen des § 223 StGB würde qualitativ verschiedene Un-
höchst unbestimmt48. Tatsächlich entstammt er der Straf- rechtssachverhalte miteinander vermengen53. Dieser Be-
zwecktheorie49 und hält damit keine Aussage darüber fund dürfte auf allgemeine Zustimmung stoßen, wenn man
bereit, ob/inwieweit eine Wahlfeststellung zulässig ist, da hinzufügt, dass unterschiedliche Rechtsgüter und ver-
er erst den logisch nachgelagerten Rechtsfolgenaus- schiedene Verhaltensnormen in Rede stehen54. Extrahiert
spruch betrifft. Auf diesem Fundament baut die Recht- man die einzelnen Tatalternativen, müsste der Täter je-
sprechung ihr Haus der »rechtsethischen und psychologi- weils »in dubio pro reo« freigesprochen werden. Nur das
schen« Vergleichbarkeit der Tatbestände. Unter dieser Hinzutreten der jeweils anderen Alternative begründet
sehr weiten, oft als »Leerformel« bezeichneten Wendung, demzufolge die Strafbarkeit55. Im Beispielsfall weisen die
werden letzten Endes die geschützten Rechtsgüter der Verhaltensweisen keinerlei Berührungspunkt im tatsäch-
einzelnen Delikte, deren Strafrahmen, die zugrundelie- lichen Bereich auf. Ein solcher ist hingegen bei Tatsachen-
genden Verhaltensweisen, sowie Schutzzwecke miteinan- alternativität zumeist (Ausnahme: unterschiedliche Opfer)
der verglichen50. gegeben, da durch eine von zwei in der Angriffsrichtung
identischen Handlungen eine Rechtsgutsbeeinträchtigung
herbeigeführt wurde. So verletzt der Zeuge, der vor Gericht
1. Annäherung an die Einschränkung zuerst die Tatsache A und in der Berufungsinstanz auf
des Zweifelssatzes dieselbe Frage die Tatsache non A angibt, das öffentliche
Interesse an der Wahrheitsfeststellung, indem beide Aus-
Ursprung für die Bestimmung der Voraussetzungen einer sagen auf dasselbe Angriffsobjekt zielen56. Gleiches gilt
echten Wahlfeststellung (Gesetzesalternativität) hat die Er- für den Fall einer Gesetzesalternativität, wenn durch das-
kenntnis zu sein, dass keiner der in Betracht kommenden selbe Verhalten unterschiedliche Verhaltensnormen ver-
Straftatbestände zur vollen Überzeugung des Gerichts letzt sein können, beispielweise wenn der Täter aufgrund
nachgewiesen werden konnte, was andererseits immer einer nicht bestehenden Forderung einen Vollstreckungs-
dann vor keine Probleme stellt, wenn es sich um einen Fall
der Tatsachenalternativität handelt, da hier sicher ist, dass
der Angeklagte den in beiden Varianten denkbaren Tat- 51 Dannecker, in: LK (Fn. 10) Anh § 1 Rn. 149; Eser/Hecker, in: Sch/
bestand verwirklicht hat. Um den Angeklagten somit nicht Sch (Fn. 13) § 1 Rn. 100.
52 Mangels gesetzlicher Regelung gilt § 260 IV 5 StPO. Überzeugend
einer »unverdienten« Bestrafung auszusetzen, müssen die
ist ein alternativer Schuldspruch, vgl. BGHSt. 8, 34 (37); Fischer
in Betracht kommenden Tatbestände deshalb äquivalent (Fn. 6) § 1 Rn. 47; Sander, in: LR (Fn. 39) § 261 Rn. 168; s. aber auch
BGHSt. 1, 302: kein Fehler. Demgegenüber wollen u. a. Jakobs GA

1971, 257 (272); Jescheck/Weigend (Fn. 9) § 16 III 2. d) nur das mildeste
Delikt in den Schuldspruch aufnehmen, was angesichts der Urteils-
46 Basak, in: M/R (Fn. 9) § 1 Rn. 32; Eser/Hecker, in: Sch/Sch (Fn. 13) gründe, in welchen die Tatsache der Wahlfeststellung offengelegt
§ 1 Rn. 98 ff.; Satzger, in: S/S/W (Fn. 31) § 1 Rn. 81; Schmitz, in: MK-
  werden muss, keinen Vorteil erkennen lässt. Dass hierdurch die Be-
StGB (Fn. 7) Anh zu § 1 Rn. 54 f.
  lastung des Angeklagten am mildesten ausfällt, weil entweder die
47 Wolter GA 2013, 271 (277). Ähnlich auch BGHSt. 1, 127 (129); 16, 184 Realität getroffen wird oder der Schuldspruch milder als diese ist,
(187); BGH NStZ 1994, 339. widerspricht der in anderem Zusammenhang anerkannten Klarstel-
48 Kritisch dazu auch Alwart GA 1992, 545 (562 ff.).
  lungsfunktion des Tenors.
49 Vgl. etwa Stree/Kinzig, in: Sch/Sch (Fn. 13) Vorbem. §§ 38 ff.   53 Die Tatbestände müssen sich nicht wechselseitig ausschließen,
Rn. 16. Stuckenberg, in: KMR (Fn. 38) § 261 Rn. 108.
50 BGHSt. 5, 280 (281); 9, 390 (394); 11, 26 (28); 16, 184 (187); 20, 100 54 Etwa Joerden, Logik (Fn. 30) S. 54.
(101 f.); 21, 152 (154); 23, 203 (207), mit eindeutiger Umgehungskon-
  55 Vgl. auch Joerden, Dyadische Fallsysteme im Strafrecht, 1986,
struktion; 23, 360 (361); 25, 182 (184); 30, 77 (78); 46, 85 (87); BGH JZ S. 115.
1971, 141; BGH NStZ 2000, 473; NStZ 2008, 281. 56 BGHSt. 2, 351; Fischer (Fn. 6) § 1 Rn. 39.
Aufsatz StR – Tobias Ceffinato: Das Institut der Wahlfeststellung und seine verfassungsmäßige Zulässigkeit 661

bescheid erwirkt, sich aber nicht mehr feststellen lässt, ob persona. Steht demnach fest, dass ein Mensch bei dem
es sich um ein automatisiertes Mahnverfahren gehandelt Brand zu Tode kam, genügt diese Feststellung für die An-
hat57. Auch hier wird wiederum durch die identische An- nahme von § 306 c StGB. Insoweit ist demnach eindeutig

griffsrichtung das Vermögen des Antragsgegners geschä- (wegen Vollendung) zu verurteilen, was die Möglichkeit
digt. Dieser rechtlich-tatsächliche Zusammenhang ist daher einer Wahlfeststellung ausschließt62. Ein komplett anderer
auch dann zu fordern, wenn durch unterschiedliche Ver- Fall hingegen ist gegeben, wenn zwar wie im Lederspray-
haltensweisen unterschiedliche Verhaltensnormen ver- Fall die Zahl der Geschädigten feststeht, aber unklar ist, ob
letzt sein können. Er ist mit der Vergleichbarkeit des Un- die Schädigung auf der Vermeidepflichtverletzung des Tä-
rechts- und Schuldgehalts der betroffenen Tatbestände ters beruht. Lässt sich die Kausalität nicht nachweisen63,
auszufüllen, erfolgt aber vorgelagert anhand des konkre- ist in dubio pro reo freizusprechen. Darauf aufbauend
ten Sachverhalts58. Bereits aus diesem Grund hat im ange- stellt es auch nicht vor größere Schwierigkeiten, wenn
führten Beispielsfall ein Freispruch zu erfolgen; auf eine feststeht, dass der Angeklagte ein Opfer getötet hat, aber
Gleichwertigkeit der Delikte kommt es nicht an. Die dem nicht feststeht welches und zu welcher Zeit (Beispiel: Um
Angeklagten zur Last gelegten Verhaltensweisen zielen 12:00 Uhr wurde der A in Berlin, um 14:00 Uhr der B in
nicht auf das identische Angriffsobjekt59, sondern stehen München getötet, wobei feststeht, dass der Angeklagte
beziehungslos nebeneinander. Allein die Tatsache, dass es eine Tat begangen hat, nur nicht welche). Hier ist eindeu-
denklogisch ausgeschlossen ist, beide Delikte verwirklicht tig auf wahldeutiger Grundlage wegen Totschlags zu ver-
zu haben, verbindet die Verhaltensweisen. urteilen, da die Person des Opfers für den Tatbestand des
§ 212 StGB bedeutungslos ist, aber nicht feststeht, welche
Handlung zum Erfolg geführt hat. Der oben geforderte
2. Sonderfall: Opferwahlfeststellung Zusammenhang zwischen den Delikten besteht hier auf-
grund der Verschiedenheit der Angriffsobjekte (Leben des
Unproblematisch sind hingegen die als Opfer-Wahlfest- A und Leben des B) zwar nicht, ist aber auch nicht erfor-
stellung behandelten Fälle. Hierher gehört etwa der auf- derlich, da hinsichtlich der Opfer eine eindeutige Verurtei-
grund heutiger Forensik sicherlich fiktive Fall, dass der lung vorgenommen werden kann und deshalb nur hin-
Täter ein Gebäude in Brand setzt und dabei der Bewohner sichtlich der Begehungsvariante eine Verurteilung auf
A bis zur Unkenntlichkeit verbrennt, während der zweite wahldeutiger Grundlage erfolgen muss64. Und diese zielt
Hausbewohner B unauffindbar ins Ausland verzogen ist, auf das (von der Person gelöste) identische Angriffsobjekt
weshalb unklar bleibt, wer das Opfer ist. Dies stellt keine (Leben einer Person). Auf der Grundlage einer Opfer-Wahl-
Problematik der Wahlfeststellung dar60, da kein Tat- feststellung müsste demgegenüber aus zweierlei Gründen
bestand des Strafgesetzbuchs ein bestimmtes Opfer for- in dubio pro reo freigesprochen werden: Der Angriff des
dert61. Dies entspricht i. Ü. der ganz herrschenden Meinung Täters richtete sich nicht gegen dasselbe Rechtsgutsobjekt
auf der Grundlage der Anerkennung der Figur des error in und es handelte sich um höchstpersönliche Rechtsgüter.

57 Zur Wahlfeststellungsfähigkeit zwischen Betrug und Computer- 3. Konkretisierung des Vergleichskriteriums


betrug BGH NStZ 2014, 42; NStZ 2008, 281 (282); BGH 2 StR 115/08.
58 Ähnlich Wolter, in: SK-StGB (Fn. 8) Anh. zu § 55 Rn. 42b. Bereits
das Reichsgericht stellte (wenn auch zu eng) in RGSt. 68, 257 (262) auf
Dieser Zusammenhang darf freilich auch nicht als Er-
die »feste stoffliche Beschränkung« bei Diebstahl und Hehlerei ab. fordernis kongruenter Deckungsgleichheit überspannt
59 Vgl. BGH NStZ 1985, 123: Eigentum und Gewahrsam des Laden- werden, da einerseits eine Wahlfeststellung dann faktisch
inhabers/Vermögen der Versicherung. Zur Bedeutung des Angriffs- ausgeschlossen wäre und andererseits das Rechtsstaats-
objekts vgl. Ceffinato, Legitimation und Grenzen der strafrechtlichen
Vertreterhaftung nach § 14 StGB (2012) S. 139.
60 AA Tiedemann/Tiedemann, FS-Rudolf Schmitt, 1992, 139 (149); Unterscheidung von Tiedemann/Tiedemann, FS-Rudolf Schmitt, 1992,
Wolter, in: SK-StGB (Fn. 8) Anh. zu § 55 Rn. 16 b: wegen höchstper-
  139 (149 f.) nach Vermögens- und Lebensschutz nicht tragfähig.

sönlicher Natur des Delikts. Deshalb ist es auch zutreffend, dass der 62 BGHSt. 25, 182 (183); BGH NStZ 1986, 373; Basak, in: M/R (Fn. 9)
BGH in St. 19, 37 (43) das Institut der Wahlfeststellung nicht erwähnt § 1 Rn. 28; Lackner/Kühl (Fn. 32) § 1 Rn. 11; Schmitz, in: MK-StGB
hat: namentliche Feststellung für § 263 »nicht erforderlich«. Dass die (Fn. 7) Anh zu § 1 Rn. 43 m. w. N.
   

Rspr. (etwa BGH NJW 1990, 1549 (1550)) es in Massenverfahren nicht 63 Vgl. freilich die Ausschlusskonstruktion des BGH in: St. 37, 106
zulässt, nur einen Teil der Opferzeugen zu vernehmen, hat damit (111 ff.). Ähnlich BGHSt. 36, 262 (264).

nichts zu tun, sondern betrifft die Aufklärungspflicht des Gerichts. 64 Vgl. etwa Eser/Hecker, in: Sch/Sch (Fn. 13) § 1 Rn. 60; Noak JURA
61 Vgl. § 306 c StGB: »… den Tod eines anderen Menschen…« oder
  2004, 539 (544); Rogall, in: KK-OWiG (Fn. 12) Vorbemerkung Rn. 25;
§ 263 StGB: »… das Vermögen eines anderen«. Insoweit ist auch die Satzger, in: S/S/W (Fn. 31) § 1 Rn. 77.
662 Aufsatz StR – Tobias Ceffinato: Das Institut der Wahlfeststellung und seine verfassungsmäßige Zulässigkeit

prinzip mit seiner Forderung nach Rechtssicherheit dies das Verbot andere Personen vermögensrelevant zu täu-
jedenfalls dann nicht fordert, wenn feststeht, dass der schen sanktioniert werden; hiermit würde sein Verhalten
Angeklagte einen von zwei ähnlichen Tatbeständen be- nicht zutreffend erfasst. Besteht nunmehr, wie im Fall der
gangen hat und allein fraglich bleibt welchen. Erforderlich echten Wahlfeststellung, Ungewissheit, gegen welche Ver-
ist aber, dass die Voraussehbarkeit des Ergebnisses ge- haltensnorm der Täter verstoßen hat, steht aber fest, dass
währt werden kann, weshalb das von der Rechtsprechung er sich strafbar gemacht hat, gilt es diesen Konflikt auf-
und Teilen der Literatur zur Ausfüllung der kryptischen zulösen. Da der Sachverhalt nicht eindeutig aufgeklärt
Formulierung der rechtsethischen und psychologischen werden kann, weil die gerichtlichen Erkenntismöglich-
Vergleichbarkeit bemühte Kriterium des »Allgemeinen keiten beschränkt sind und der Angeklagte schweigt,
Rechtsempfindens«65 untauglich bleibt. Gleiches muss für ist eine hypothetische Alternativbetrachtung durchzufüh-
den Versuch gelten, die »materielle Gerechtigkeit« als Ab- ren (wenn Sachverhaltsvariante (s1), dann Rechtsfolge
grenzungskriterium einzuführen66, da diese vielleicht Hin- (r1), wenn Sachverhaltsvariante (s2), dann Rechtsfolge
tergrund ist, ungewollte Ergebnisse zu vermeiden, aber (r2)). In der Konstellation der unechten Wahlfeststellung
inhaltlich nicht greifbar. Tatsächlich ist auch das vom ist r1 = r2, weshalb eindeutig auf wahldeutiger Grundlage
Großteil der Literatur vertretene Kriterium der »Identität verurteilt werden kann, es steht demnach fest, gegen wel-
des Unrechtskerns« nicht greifbarer als der häufig als Leer- che Verhaltensnorm der Angeklagte verstoßen hat, nur
formel bezeichnete Ausdruck der Rechtsprechung. Die das »Wie« bleibt offen. Sind die Rechtsfolgen verschieden,
Möglichkeit solche (willkürlichen) Wertungsstufen ein- müsste wahldeutig verurteilt werden. Da das Gericht aber
zuziehen, ist durch Art. 103 II GG versperrt67. definitionsgemäß bei der echten Wahlfeststellung nicht
Der Täter eines (vollendeten) Delikts wird nach der weiß, welches Rechtsgut beeinträchtigt wurde, müssen die
heute herrschenden Auffassung deshalb bestraft, weil er Rechtsgüter identisch sein, da nur dann die materielle
ein Rechtsgut unter Verstoß gegen eine rechtliche Pflicht Wahrheit im Urteilstenor getroffen wird. Angesichts der
beeinträchtigt hat68. Diese Vermeidepflichtverletzung ist dargelegten doppelten Fundierung des strafrechtlichen
als personales Unrechtselement die Kehrseite der Rechts- Unrechts, sind einzelne Tatbestände nur miteinander ver-
gutsbeeinträchtigung69. Ohne sie käme der Zweck des gleichbar, wenn auch die Verhaltensnormen in die gleiche
Rechtsgüterschutzes regelmäßig zu spät, wenn erst infolge Richtung zielen. Freilich wäre es zu weit, hierunter den
einer eingetretenen Beeinträchtigung die Einschlägigkeit intendierten Rechtsgüterschutz zu verstehen, da dann die-
einer Strafrechtsnorm festgestellt werden könnte70. Dem sem Kriterium kein eigenständiger Anwendungsbereich
Täter einer Straftat wird deshalb im Strafprozess ein be- zukäme. Zu eng wäre es aber auch, eine Identität der Ver-
stimmtes, auf die Beeinträchtigung eines Rechtsguts ge- haltensnormen zu fordern, weil eine Wahlfeststellung
richtetes Verhalten, das einen Verstoß gegen eine der dann nur innerhalb desselben Delikts möglich wäre. Be-
Sanktionsnorm vorgelagerte Verhaltensnorm darstellt, müht man zur Verdeutlichung des Gemeinten erneut das
vorgeworfen71. Insofern kann der Täter, der bspw. eine Beispiel der Alternativität zwischen Diebstahl und Heh-
fremde Sache gestohlen hat, nicht wegen Verstoßes gegen lerei, kann man konstatieren, dass beide Tatbestände mit
dem Vermögen dasselbe Rechtsgut schützen72. Die Verhal-
tensnorm ist iRv. § 242 StGB auf die Vermeidung des Ent-
65 BGHSt. 9, 390 (394); 11, 26 (28); 21, 152 (153); BGH NStZ 1985, 123.
zugs fremder Eigentumspositionen gerichtet, iRv. § 259
Auch schon RGSt. 68, 257 (262).
66 Satzger, in: S/S/W (Fn. 31) § 1 Rn. 81. Zustimmend Schmitz, in:
StGB auf die Perpetuierung einer so geschaffenen rechts-
MK-StGB (Fn. 7) Anh zu § 1 Rn. 55. widrigen Besitzlage. Damit unterscheiden sich die Verhal-
67 Freund, FS-Wolter, 2013, 35 (51); Velten, in: SK-StPO (Fn. 8) § 261 tensnormen nur in zeitlicher Hinsicht ihres Auftretens, da
Rn. 139. der Angriff sich mit dem Diebesgut in beiden Fällen am
68 Ceffinato (Fn. 59) S. 127 f. m. w. N.
     

selben Objekt vollzieht73. Zieht man abschließend noch


69 Zu Recht etwa eine Wahlfeststellung zwischen § 178 und § 168
den identisch ausgestalteten Strafrahmen74 der beiden De-
StGB verneinend BGH BeckRS 1990, 31084561. Zwar ist das Angriffs-
objekt identisch, aber es fehlt an der Gleichwertigkeit der Rechts- likte heran, ist es zutreffend, von einem identischen Un-
güter.
70 Freund, Strafrecht Allgemeiner Teil, 2. Aufl. (2009) § 1 Rn. 6 f., 23;

ders., in: MK-StGB (Fn. 7) Vor. §§ 13 ff. Rn. 153 ff., 171 ff.
      72 Zwar schützt § 242 StGB genau genommen das Eigentum (Eser/
71 Beispiel: Die Sanktionsnorm des § 242 StGB lautet: »Wer eine Bosch, in: Sch/Sch (Fn. 13) § 242 Rn. 1/2), dieses ist aber ein gegen-
fremde Sache stiehlt wird bestraft«. Die vorgelagerte Verhaltensnorm standsbezogener Spezialausschnitt und damit Teil des Vermögens.
gebietet dem Täter sein Verhalten so auszurichten, dass er keine 73 Vgl. Otto, FS-Peters, 1974, 373 (390), wonach der Grad der Sozial-
fremde Sache entwendet: »Stiehl nicht!«. Vgl. weiterführend Sánchez- schädlichkeit allein nicht entscheidend ist.
Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, 1999, S. 96. 74 Dies als Kriterium heranziehend BGH NStZ 2000, 473.
Aufsatz StR – Tobias Ceffinato: Das Institut der Wahlfeststellung und seine verfassungsmäßige Zulässigkeit 663

wert- und Schuldgehalt auszugehen75. Unter diesen Vo- geht fehl. Gerade weil für das Gericht sicher feststeht, dass
raussetzungen kann zwar nicht behauptet werden, dass es sich der Angeklagte aufgrund seiner Verhaltensweise
einerlei sei, ob der Angeklagte wegen der einen oder der strafbar gemacht hat79, handelt es sich nicht um ein Ver-
anderen Norm verurteilt wird, da die Subsumtion eines dachtsurteil. Allein die Tatsache, dass der verwirklichte
Sachverhalts unter eine nicht passende Norm Analogie Tatbestand nicht eindeutig benannt werden kann, führt
wäre. Allerdings sind in diesem Fall die Tatbestände so nicht in dubio pro reo zu einem Freispruch. Zwar ist zu-
weitgehend ähnlich, dass eine wahldeutige Verurteilung treffend, dass der Angeklagte nicht gerade wegen der be-
keine rechtsstaatlichen Bedenken zu wecken vermag. Dem stehenden Beweisnot verurteilt werden darf. Der Zweifels-
Angeklagten wird vorgeworfen mit seinem wahlweise ge- satz findet insoweit aber gerade keine Anwendung, da
gen dasselbe Angriffsobjekt gerichteten Verhalten gegen sicher feststeht, dass ein Delikt verwirklicht wurde. Inso-
eine bestimmte Art gesetzlich vertypter Vermeidepflichten weit besteht gerade kein Zweifel. Der Schuldspruch kann
verstoßen zu haben, weshalb er aus den diese Verhaltens- sich dagegen nicht auf ein bestimmtes Delikt beziehen.
normen enthaltenen Tatbeständen alternativ zu bestrafen Dies ist vom Ansatz der Strafzwecklehre aber auch nicht
ist. Der Strafrahmen ist dem mildesten Gesetz zu entneh- erforderlich. Denn es wird von der durch Frister in Bezug
men, um dem Tatschuldprinzip Rechnung zu tragen76. genommenen Lehre schon nicht erklärt, worin der Norm-
geltungsschaden überhaupt bestehen soll. Sicher dürfte
insoweit nur sein, dass der Schaden nicht in der Verlet-
zung der Norm liegen kann, da diese anderenfalls um ihrer
V. Zur grundsätzlichen Zulässigkeit selbst Willen statuiert worden wäre. Zugleich wird damit
der Wahlfeststellung aber nicht mehr umschrieben, als dass der Täter tat-
bestandlich, rechtswidrig und schuldhaft gehandelt haben
Alwart formuliert prägnant, dass sich zwei Verdachtsurtei- muss, womit man wieder bei der Ausgangsfrage angelangt
le nicht zu einer hinreichenden Schuldfeststellung saldie- wäre, ob eine Wahlfeststellung zulässig ist80. Dieser Be-
ren lassen77. In dieselbe Richtung geht die Argumentation fund ist deshalb wenig verwunderlich, als die Frage nach
Fristers, das Problem der Wahlfeststellung sei straftheo- dem Strafzweck letztlich nur eine Aussage darüber trifft,
retischer Natur, weshalb der Blick auf die Aufgabe der auf welche Weise die Strafe wirken soll und nicht warum
staatlichen Strafe gelenkt werden müsse. Strafzweck sei diese verhängt wird81. Vor der Geltung des Schuldprinzips
aber nicht ein zweckfreier Schuldausgleich, sondern der dient die Strafe deshalb auch in erster Linie dem Ausgleich
Ausgleich des Normgeltungsschadens. Und hierbei gehe des schuldhaften Unrechts82. Dieser Zweck wird durch die
es nicht um die Nichtanerkennung der Geltung der Rechts- Zulassung einer Wahlfeststellung nun aber nicht verfehlt,
ordnung als solches, sondern um diejenige bestimmter wenn aufgrund der wahldeutigen Verurteilung in jedem
Verhaltensnormen78. Bereits die Prämisse dieser Ansichten

75 Ein weiteres, aktuelleres Beispiel wäre die Alternativität zwischen geschwächt wird, ehrlicherweise nicht gegeben werden kann. Und
§ 263 und § 263 a StGB. Beide schützen das Vermögen und vor dem
  selbst wenn man einen empirischen Befund anführen könnte, leidet
Hintergrund, dass die Existenz des § 263 a StGB dem Umstand der
  das Kriterium an enormer Unbestimmtheit und kann strafrechtliche
fortschreitenden Automatisierung mit der Folge eines partiellen Leer- Kategorien nicht ersetzen. Dasselbe gilt für das Argument von Wolter
laufens des § 263 StGB geschuldet ist (Bär, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirt- GA 2013, 271 (277), die Bestrafung trage eher zur Normstabilisierung
schafts- und Steuerstrafrecht, 2011, § 263 a StGB Rn. 1), kann kaum
  bei als ein Freispruch, da es eine wie auch immer geartete Norm-
bezweifelt werden, dass auch die Verhaltensnormen identisch sind. stabilisierung (s. o.) nur geben kann, wenn feststeht, gegen welche

So auch BGH NStZ 2008, 281; Fischer (Fn. 6) § 263 a Rn. 23.


  Norm verstoßen wurde. Was sollte sonst auch stabilisiert werden?
76 Kindhäuser (Fn. 7) § 48 Rn. 18. Zum Tatschuldprinzip BVerfGE 45, 79 Vgl. etwa Jakobs GA 1971, 257 (269): »Wahrscheinlichkeiten [füh-
187 (260); 54, 100 (108); 73, 206 (253). ren] auf Grund ihrer Alternativität insgesamt zur Gewißheit …«.
77 Alwart GA 1992, 545 (565). Ebenso Schmidhäuser, Strafrecht All- S. auch Rogall, in: KK-OWiG (Fn. 12) Vorbemerkung Rn. 22; Schmitz,
gemeiner Teil, Lehrbuch, 2. Aufl. (1975) 5/44: Ablehnung aus »pro- in: MK-StGB (Fn. 7) Anh zu § 1 Rn. 13.
zessualen Gründen«, da immer in der Nähe eines »unerträglichen 80 Hintergrund ist, dass Strafnormen dem Zweck des Rechtsgüter-
Verdachtsurteils«. schutzes dienen und bei einem Verstoß gegen die Vermeidepflicht
78 Frister, in: NK-StGB (Fn. 1) Nach § 2 Rn. 76 ff. Vgl. auch dens., in:
  eine (intendierte) Rechtsgutsbeeinträchtigung besteht. Dies ist der
NK-StGB (Fn. 1) § 53 Rn. 5; Freund, in: MK-StGB (Fn. 7) Vor. §§ 13 ff.
  Normgeltungsschaden.
Rn. 68, 388; Velten, in: SK-StPO (Fn. 8) § 261 Rn. 104. Hiergegen Noak 81 Radtke, in: MK-StGB (Fn. 7) Vor. §§ 38 ff. Rn. 28; Roxin (Fn. 15) § 3

JURA 2004, 539 (544), dessen Argumentation allerdings wenig über- Rn. 1.
zeugt, da eine Antwort auf die Frage, ob durch die Zulassung einer 82 Vgl. nur BVerfGE 109, 133 (173); 128, 326 (377); Wolter GA 2013, 271
Wahlfeststellung die »Rechtstreue der Bevölkerung« gestärkt oder (277).
664 Aufsatz StR – Tobias Ceffinato: Das Institut der Wahlfeststellung und seine verfassungsmäßige Zulässigkeit

Fall das verwirklichte Unrecht erfasst und dem ggfl. über- klang bringenden Vorwürfen führt87. Und eine Wahlfest-
schießenden Teil des Schuldspruchs dadurch Rechnung stellung zwischen Schwangerschaftsabbruch und Betrug
getragen wird, dass die Strafe dem mildesten Gesetz ent- scheitert schon wegen der Verschiedenheit der geschütz-
nommen wird83. Hierzu ist es aber im Zuge einer restrikti- ten Rechtsgüter88. Damit geht es bei den erhobenen Ein-
ven Interpretation der Voraussetzungen der Wahlfeststel- wänden im Kern aber nicht um die Zulässigkeit der Wahl-
lung erforderlich, eine Unrechtsäquivalenz der in Betracht feststellung als solche, sondern um deren Grenzen89.
kommenden Tatbestände zu fordern, als anderenfalls ge- Andere Kritiker des Instituts sehen in dessen Zulas-
rade nicht das verwirklichte Unrecht erfasst würde84. Ver- sung einen Verstoß gegen das Analogieverbot des Art. 103
langt man zu deren Ausfüllung eine Identität des angegrif- II GG90. Dem hat sich neuerdings auch der 2. Strafsenat des
fenen Rechtsguts und eine Vergleichbarkeit der vertypten Bundesgerichtshofs mit der Begründung angeschlossen,
Verhaltensnormen85, wird der verbleibende Mangel der der Schuldspruch wegen einer Straftat müsse auf ein be-
Wahlfeststellung, dass die verletzte Norm bzw. das beein- stimmtes Gesetz gestützt sein91. Tatsächlich ist das Gesetz-
trächtigte Rechtsgut nicht mit Gewissheit benannt werden lichkeitsprinzip aber nicht berührt, da der Angeklagte
könne, überwunden. Man kann sich insoweit mit dem nicht nach einem nicht bestehenden Gesamttatbestand
Gedanken behelfen, dass der Gesetzgeber zum Schutze verurteilt wird, sondern unter Anwendung der durch den
einzelner Rechtsgüter ein mehr oder minder engmaschiges Gesetzgeber legitimierten Strafnormen. Und deren Voraus-
Netz gespannt hat, etwa wenn das Rechtsgut Vermögen in setzungen sind unter Berücksichtigung des Kriteriums ex-
den §§ 242, 246, 249, 253, 263 ff., 266 StGB relativ umfas-
  klusiver Alternativität auch erfüllt92. Hierin liegt entgegen
send gegen zum Teil höchst unterschiedliche Angriffsrich- Freund93 schließlich auch kein Problem der Gewalten-
tungen geschützt wird. Der Angeklagte, der einer dieser teilung, da sich der Richter nicht zum Ersatzgesetzgeber
Verhaltensnormen zuwiderhandelt, wobei offen bleibt, ge- aufschwingt, sondern nur bestehende Strafgesetze anwen-
gen welche bestimmte Norm verstoßen wird, macht sich det94. Nimmt man das klassische Beispiel der Wahlfest-
deshalb nicht nur »überhaupt irgendwie« schuldig, son- stellung zwischen Diebstahl und Hehlerei95 werden die
dern wegen Verstoßes gegen den strafrechtlichen Ver- festgestellten Handlungsalternativen (Wegnahme der Sa-
mögensschutz. Hier sagt ihm das Urteil eindeutig, welches
Rechtsgut durch welche vergleichbare Angriffsweise er be-
87 BGH NStZ 1985, 123. Vgl. auch BGHSt. 20, 100 (104); Freund, FS-
einträchtigt hat und entfaltet volle general- und spezial- Wolter, 2013, 35 (49 mit Fn. 57). AA. Wolter GA 2013, 271 (278).
präventive Wirkung86. Berechtigt wäre die Kritik hingegen, 88 BGH bei Dallinger, MDR 1958, 738 (739); Jakobs GA 1971, 257 (270).
bei einer Wahlfeststellung zwischen Diebstahl und Betrug, AA. RGSt. 69, 369 (371).
da bereits der unterschiedliche Charakter der Delikte 89 Dannecker, in: LK (Fn. 10) Anh § 1 Rn. 18; Jescheck/Weigend
(Fremd-/Selbstschädigung) zu nicht miteinander in Ein- (Fn. 9) § 16 III 3.
90 Freund, FS-Wolter, 2013, 35 (49 f.); ders. (Fn. 70) § 1 Rn. 30 a;
   

Kohler, Strafrecht Allgemeiner Teil, 1997, S. 96. Wohl auch Dann-


ecker, in: LK (Fn. 10) Anh § 1 Rn. 18, als Sinnbild für die Kritiker,
83 Hiergegen hat bereits Jakobs GA 1971, 257 (262) eingewandt, dass wonach ein Verstoß gegen das Gesetzlichkeitsprinzip von den Befür-
diese Feststellung nicht geeignet ist, die Verhängung einer Strafe zu wortern der Wahlfeststellung hingenommen wird und im Wege einer
legitimieren. Aber dies ist kein spezifisches Problem der Wahlfest- nicht näher bestimmten Abwägung doch überwunden werden soll,
stellung, sondern des Tatnachweises überhaupt. Ad absurdum ge- hierzu etwa Stuckenberg, in: KMR (Fn. 38) § 261 Rn. 149.
führt wird dieser Gedanke durch den Zweifelsgrundsatz selbst. Denkt 91 Vgl. Mitteilung der Pressestelle des BGH Nr. 17/2014 vom
man sich den Fall einer Sachverhaltsalternativität, in welcher der 28.1.2014 zum Beschluss vom 28. Januar 2014 – 2 StR 495/12. Die
Täter nach einer Alternative straflos ist, in Wahrheit aber die Tat Entscheidung lag zum Zeitpunkt der Abgabe der Korrekturfahnen
begangen hat, ist er selbstredend freizusprechen. Dann wird aber die noch nicht im Volltext vor.
Schuld des Täters nicht einmal ansatzweise vergolten. Wird jetzt 92 Die insoweit vorgelagerte Frage, ob das Institut der Wahlfeststel-
derselbe Täter wahldeutig verurteilt, ist die potentielle Fehlleitung lung materiell-rechtlicher oder prozessualer Natur ist, erschöpft sich
der Strafe nach dem mildesten Gesetz freilich ebenso wenig geeignet, in der grundsätzlichen Anwendbarkeit des Gesetzlichkeitsprinzips
auf den Täter spezialpräventiv einzuwirken. Dies ist aber nicht Folge (vgl. dazu Rogall, in: KK-OWiG (Fn. 12) Vorbem. Rn. 30, sowie grund-
der Wahlfeststellung, sondern Auswirkung des Zweifelsgrundsatzes. legend Satzger, in: S/S/W (Fn. 31) § 1 Rn. 61; Schmitz, in: MK-StGB
Daher geht auch die Bezugnahme von Frister, in: NK-StGB (Fn. 1) (Fn. 7) § 1 Rn. 17). Hierauf aber nunmehr abstellend BGH aaO.
Nach § 2 Rn. 82 auf Jakobs fehl. 93 FS-Wolter, 2013, 35 (52).
84 Jakobs GA 1971, 257 (269 f.). Vgl. auch Joerden, Fallsysteme
  94 Zu Recht kritisch zur Ausfüllung des Grundsatzes der Gesetzes-
(Fn. 55) S. 118 ff., insb. Fn. 31.
  bindung mit Aspekten der Gewaltenteilung Jakobs, Strafrecht All-
85 Noak JURA 2004, 539 (544); Otto (Fn. 6) § 24 Rn. 9; Rogall, in: KK- gemeiner Teil, 2. Aufl. (1991), 4/5.
OWiG (Fn. 12) Vorbemerkung Rn. 41. Ähnlich auch Schlüchter JR 95 BGHSt. 1, 302 (304); 9, 390 (393); 11, 26 (28); 12, 386 (388); 15, 63;
1989, 48 (49). Weiter noch Otto, FS-Peters, 1974, 373 (390). 15, 266; 16, 184; BGH NStZ 2008, 646; NStZ 2000, 473; Jakobs GA 1971,
86 Wie hier Otto, FS-Peters, 1974, 373 (385 f.).
  257 (271). AA. Montenbruck GA 1988, 531 (533).
Aufsatz StR – Tobias Ceffinato: Das Institut der Wahlfeststellung und seine verfassungsmäßige Zulässigkeit 665

che oder Ankauf derselben) unter bestehende Tatbestände dem Institut gleich mit der großen Heckenschere zu Leibe
(§ 242 oder § 259 StGB) gefasst und der Täter aus dem zu rücken. Die Zulässigkeit der unechten Wahlfeststellung
ebenfalls vorgegebenen Strafrahmen des § 259 StGB be- ist bereits grundsätzlich unbedenklich, da qua definitio-
straft. Eine Analogie würde es nur darstellen, wenn sämt- nem ein bestimmt feststellbarer Unrechtstatbestand
liche möglichen Verhaltensweisen ausschließlich unter schuldhaft verwirklicht wurde. Der Umstand, dass das
einen Tatbestand gefasst würden, da dann die Rechts- hierzu führende Verhalten nicht zweifelsfrei benannt wer-
anwendung »über den Inhalt einer gesetzlichen Sankti- den kann, berührt den Schuldgrundsatz demzufolge nicht.
onsnorm«96 hinausginge. Einer Analogieeröffnungsnorm Aber auch die verfassungsrechtlichen Zweifel an der Zu-
bedarf es deshalb nicht, zumal der Angeklagte sich tat- lässigkeit der echten Wahlfeststellung verfangen nicht.
sächlich nach einer bestimmten Strafnorm schuldig ge- Das Analogieverbot ist nicht verletzt, wird doch gerade
macht hat. Allein der Nachweis deren Verletzung durch nicht aus einem nicht fundierten Verdachtstatbestand,
das Gericht ist aufgrund begrenzter Erkenntnismöglichkei- sondern aus den vorgegebenen Tatbeständen des StGB
ten nicht möglich. Diese Konstellation unterfällt aber und damit aus bestimmten Gesetzen bestraft. Entgegen
schon nicht dem Anwendungsbereich des Art. 103 II GG, dem 2. Strafsenat wird daher nicht wegen eines »ähn-
da sie sich rein auf den tatsächlichen Bereich (Feststellung lichen« Verstoßes verurteilt. Allein die Sachverhaltsalter-
des Urteilstatbestands) beschränkt97. nativen sind ungewiss, deren rechtliche Bewertung hin-
gegen eindeutig98.
Es bleibt abzuwarten, ob sich die übrigen Senate dem
VI. Zusammenfassung und Ausblick Weg des anfragenden 2. Senats anschließen. Die Folge
wäre, dass gegebenenfalls der Gesetzgeber, der diese Fra-
Mit ihren verschlungenen und nicht immer klar angelegten ge bisher99 der Rechtsprechung zur Entscheidung überlas-
Pfaden erweist sich die Wahlfeststellung durchaus als Irr- sen hatte100, tätig werden müsste. Konstruktiv-technisch
garten. Richtet man jedoch die zur Einschränkung sonst wäre dies u. a. über eine im Allgemeinen Teil vorgeschalte-

erwartbaren Wildwuchses erforderlichen Kriterien kon- te Norm möglich101. Im Hinblick auf den neuerlichen Vor-
sequent am Unrechtstatbestand aus, ist es nicht vonnöten, schlag von Wolter102, wäre eine höhere Bestimmtheit und
Voraussehbarkeit der Ergebnisse hiermit aber nicht ver-
bunden. Es bliebe weiterhin der Rechtsprechung überlas-
96 Etwa BVerfG NJW 2011, 3020 (3021); NJW 2007, 1666; NJW 2007, sen, welche Tatbestände sie für »vergleichbar« erachtet,
1193 m. w. N. Bezieht man in die Betrachtung mit ein, dass das BVerfG
   
so dass bzgl. des eigentlich schwierigen Aspekts der Wahl-
das Analogieverbot so versteht, dass dieses die Vorhersehbarkeit der feststellung nicht viel gewonnen wäre. Und während die
Strafdrohung für den Normadressaten garantieren will (Aspekt des
derzeitige Rechtsprechung keinen Verstoß gegen das Ana-
Vertrauensschutzes, vgl. dazu Jakobs (Fn. 94) 4/6 ff.) und deshalb die

Grenze zur zulässigen Auslegung aus dessen Sicht zu bestimmen ist logieverbot markiert, müsste sich der Gesetzgeber dieser
(a. a. O.), ist eine Verletzung von vornherein ausgeschlossen, da der
   
Norm den Vorwurf der Unbestimmtheit gefallen lassen.
Normadressat weiß, welche Sachverhaltsalternative sich ereignet hat.
Und für diese besteht unstreitig eine Strafnorm aus deren Strafrah-
men der Normadressat höchstens bestraft wird. Insoweit besteht kein
schutzwürdiges Vertrauen des Normadressaten wegen der allein für 98 Eine ganz ähnliche Problematik stellt sich im Übrigen auch bei
das Gericht bestehenden Unaufklärbarkeit der Tatsachen sanktions- der Figur des dolus alternativus. Hier konkretisiert der Täter seinen
los zu bleiben, da das objektiv begangene Unrecht für ihn zumindest Vorsatz nicht auf ein bestimmtes Objekt, wenn er weiß, dass er nur
erkennbar war. Damit ist auch zugleich gesagt, dass im Hinblick auf den einen oder den anderen Erfolg verwirklichen kann. Insofern ist
die Strafandrohung (vgl. BVerfGE 25, 269 (285)) ebenfalls kein Verstoß die Lösung einer alternativen Verurteilung von Schmitz ZStW 122
gegen das Gesetzlichkeitsprinzip vorliegt. (2000), 301 (323) nur konsequent.
97 Vgl. nur die Entscheidungsgegenstände bei BVerfG NJW 2010, 99 Eine Ausnahme stellt lediglich die unbegrenzte Zulassung der
3209 (3210 f.); NJW 2007, 1193 oder die Beispiele bei Schmitz, in: MK-
  Wahlfeststellung durch § 2 b StGB 1935 (Abdruck bei Schmitz, in: MK-

StGB (Fn. 7) § 1 Rn. 67, sowie Eser/Hecker, in: Sch/Sch (Fn. 13) § 1 StGB (Fn. 7) Anh zu § 1 Rn. 3 mit Fn. 20) dar.
Rn. 26 f.; Hassemer/Kargl, in: NK-StGB (Fn. 1) § 1 Rn. 70, 72. Wie hier
  100 Dannecker, in: LK (Fn. 10) Anh § 1 Rn. 31, 42.
auch Frister, in: NK-StGB (Fn. 1) Nach § 2 Rn. 77; Stuckenberg, in: 101 Ebenso denkbar wäre eine Freigabe der Wahlfeststellung bei
KMR (Fn. 38) § 261 Rn. 149; Wolter GA 2013, 271 (274); ders., in: SK- den entsprechenden Normen im BT.
StGB (Fn. 8) Anh. zu § 55 Rn. 5 a f.
    102 GA 2013, 271 (281 ff.).

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