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Hans Makart, Der Einzug Karls V.

in Antwerpen
Guten Abend, ich heiße Miha und bin Kunsthistoriker. Ich spezialisiere mich auf die
Kunst der Östrreichischen Monarchie ab Revolutionsjahr 1848 bis zum Fall der Monarchie in
1918. Heute möchte ich Ihnen ein sehr reizendes Kunststück des Malers Hans Makart aus
der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vorstellen.
Hans Makart war ein gebürtiger Salzburger und studierte auf der Akademie der
bildenden Künste in München. Er wurde dann in 1869 vom Kaiser Franz Josef nach Wien
berufen, wo ihm auf Staatskosten ein Atelier eingerichtet wurde. Er starb in 1884 wegen der
Syphilis. Makart hat Wien zu einer Theaterkulisse gemacht, wie kein anderer. Er war ein
Mann des Theaters, der Performance und der Show, des modernen schnellen Pinselstrichs
und auch der nackten Haut. Vor allem war er nach seinen kostlichen, schönen Porträts der
Damen der Wiener Arisokratie und des Großbürgertums bekannt. Besonders von Porträts
machte Makart eine große Reichtum und war als Malerfürst benannt. Zum Beispiel, ein
Portät von Makart kostete rund 3.000 Gulden (das ist cca. 40.000€ heute).
Aber wir werden heute nicht über Makarts Porträts sprechen. Er machte auch große
skandalose Bilder mit historischen Szenen, die sogennanten Sensationsbilder. In 1878
gemalte er das Bild Der Einzug Karls V. in Antwerpen. Das ist ein Monumentalobjekt mit
etwa 50 m2 Fläche (5,20 m hoch und 9,52 m weit). Nach einer imposanten
Ausstellungstournee von Wien über Basel, Paris, Dresden und bis nach London wurde das
Gemälde ab 1881 in der Hamburger Kunsthalle gezeigt, wo wir es noch immer sehen
können. Es war ein Skandalbild, das das bürgerliche Publikum in Wien mit der exzessiven
Nacktheit der Frauen schockiert hat. Das Bild war so provokativ, dass die Polizei zur Hilfe
geruffen wurde, um den Eingang zu kontrolieren.
Und was können wir überhaupt auf dem Bild sehen? An der linken Seite des
Gemäldes gibt es eine Gruppe von Menschen. Darunter mit langem Haar und Bart,
Renaissance Maler Albrecht Dürer, der bei dieser Szene, die im Jahr 1520 stattgefunden hat,
ein Augenzeuge gewesen ist. In der Mitte des Bildes sieht man den jungen Kaiser Karl V.,
umgebogen von leichtbekleideten, beziehungsweise nackten Frauen, die verschiedenen
Allegorien darstellen (zum Beispiel Romantik, Wahrheit oder Gerechtigkeit und so weiter).
Im linken Hintergrund können wir Masten der Schiffe in dem Hafen von Antwerpen sehen
(die Stadt war ab Ende des 15. Jahrhunderts ein habsburgisches Erbland). Als Hans Makart
dieses Bild gemalt hat, viel später in der 19. Jahrhundert, wollte er vielleicht an diese große
weltumspannende Geschichte der Habsburger erinnern. Oder wollte er einfach nur eine
große Show in die Szene setzen mit skandalträchtigen Figuren, wie zum Beispiel mit sehr
leicht bekleideten und nackten Frauen, die auf der Straße stehen und den Herrscher
willkommen heißen.
Im Stil von Hans Makart vereinigen sich die großen Namen der Kunstgeschichte. Auf
der einen Seite die Farbigkeit, die oftmals mit dem Venezianer Tizian in Verbindung
gebracht wird. Oder auf der anderen Seite der dynamische Pinselstrich von Peter Paul
Rubens, eines wichtigen Barockkünstlers, der aus dem 17. Jahrhundert aus Antwerpen
stammte.
Hans Makart hat, wie kaum kein anderer, die Wiener Gesellschaft porträtiert. Er hat
Fotografien von Damen der Gesellschaft genommen, die er ins Bild eingezogen hat. Im
ausgefertigten Monumentalgemälde gibt es angeblich auch das eine oder andere bekannte
Wiener Gesicht unter nackten Damen; wobei hier die Gerüchte wahrscheinlich stärker sind
als die malerische Qualität dieser Gesichter. Es ist gesagt, dass die Dame, rechts neben dem
Kopf des Pferdes, Hanna Klinkosch, die spätere Fürstin Liechtenstein, ist. (Ein Makartmodell
zu sein bedeutet so sehr wie viel später ein Bondgirl.)
Das Bild ist auch so zu sagen eine Art Generalprobe für einen wirklichen Festzug,
diesem Bild ähnlichen. Hans Makart hat den Festzug in der Wiener Ringstraße im Jahr 1879,
anlässlich 25 Jahre Hochzeit von Kaiser Franz Josef und Kaiserin Elisabeth (Sisi), inszeniert.
Der Festzug präsentiert die Verbeugung der verschiedenen Professionen der Residenzstadt
Wien zum Kaiserpaar. Hans Makart hat für diese Festivität die Kostüme, Festzüge, Musik
und anderes projektiert – ein wirkliches Gesamtkunstwerk. Auch Künstler aus der ganzen
Monarchie haben mit Makart bei diesem Projekt mitgearbeitet, zum Beispiel Janez und Jurij
Šubic aus Krain.
Hans Makart ist heute noch immer ein wichtiger Name der österreichischen
Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts. Er wird eine ganze Epoche der Ringstraßenkultur in
1870er und 1880er Jahren geprägt, vor allem die Interieure der Wohnungen des
Großbürgertums. Mit seinem hochrepräsentativen Atelier, in der er große und opulente
Künstlerfeste für Künstler und wichtige Bürger veranstaltet hat, könnten sie neue Trends der
modischen Accessoires antreffen. Das heißt klein Möbel aus Nordafrika, Tapisserien, Bilder,
getrocknete Pflanzenteile, Palmwählen und präparierte exotische Vögel. Das
Großbürgertum, nicht nur in Wien, aber auch in anderen österreichischen Städten, hat
diesen Stil in ihren Salons imitiert. Hans Makart war demzufolge nicht nur ein Maler, aber
auch ein Performer, ein Regisseur, ein Gesamtkunstwerkmeister und ein wichtiger
Trendsetter.

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