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Aufsätze

Kundenkarten und Rabattsysteme


Datenschutzrechtliche Herausforderung
Yvonne Conrad

Der Wandel der Gesellschaft im Um- sammengeführt werden – ein Traum für
Einführung Marketingexpertinnen und -experten.
gang mit personenbezogenen Daten
Kundenkarten, mit denen Punkte gesammelt Payback und HappyDigits haben sich als
sowie die stete Entwicklung technischer
werden, um diese anschließend in Form von Marktführer in diesem Bereich etabliert und
Möglichkeiten in der Daten- binden für ihre unternehmensübergreifen-
Prämien einzulösen oder Preisnachlässe zu
verarbeitung haben längst dazu beige- erhalten, sind bei den Verbraucherinnen und den Rabattsysteme mehrere Millionen teil-
tragen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher seit einigen Jahren sehr beliebt. nehmende Verbraucherinnen und Verbrau-
Verbraucher im Wege der Erstellung Bereits im Jahre 2000 ist die Payback-Karte cher als Mitglieder. Neben diesen großen
als erste Bonuskarte eines Verbundes von Kundenbindungsprogrammen bestehen
umfassender Konsumentenprofile im-
Partnerunternehmen verschiedener Bran- auch kleinere, vergleichbare Systeme, die
mer stärker in die Rolle gläserner Kun- auf regional vertretene Unternehmen be-
chen auf den Markt gebracht worden. Die
den gedrängt werden. Daten sammeln- Verbraucherinnen und Verbraucher sehen schränkt sind, sowie solche, die nur auf ein
de Unternehmen stellen insoweit eine ihren Vorteil darin, mit Bonuspunkten be- Unternehmen bezogen sind. Gerade im
Gefahr für das Recht der Einzelnen auf lohnt zu werden, wenn sie immer bei den Hinblick auf die unternehmensübergreifen-
informationelle Selbstbestimmung dar. gleichen Unternehmen bestimmte Waren den Systeme und ihre Gestaltung bestehen
einkaufen oder Dienstleistungen in An- aus datenschutzrechtlicher Sicht große
Vor diesem Hintergrund befasst sich
spruch nehmen. Im Gegenzug sind die Bedenken, weil sie fast ausnahmslos sämtli-
der Beitrag mit den datenschutz- che verbraucherrelevanten Marktsegmente
Unternehmen aus Gründen der Kundenbin-
rechtlichen Anforderungen an Kunden- dung und aus Marketingzwecken an teil- abdecken und auf diesem Weg Konsumda-
bindungsprogramme und zeigt, wie sie nehmenden Kunden sehr interessiert. ten unterschiedlichster Art sammeln kön-
datenschutzgerecht und verbraucher- Das Zeitalter der persönlichen Plastik- nen. Damit bergen sie ein besonders großes
karte hat sein Übriges dazu beigetragen, Risiko für die Teilnehmerinnen und Teil-
freundlich gestaltet werden können.
dass die klassischen, anonymen Rabattmar- nehmer, zu gläsernen Verbraucherinnen und
ken, die früher in ein Rabattheftchen einge- Verbraucher zu werden, zumal die anschlie-
klebt wurden, inzwischen nur noch der ßende Datenverarbeitung und Datennutzung
Erinnerung an gute alte Zeiten dienen. im systemeigenen Data Warehouse sehr
Der Einsatz der Kundenkarte sorgt für vielversprechende, marketingrelevante Mög-
einen personalisierten Einkauf, durch den lichkeiten bietet. Dazu werden im Wege des
die betroffenen Verbraucherinnen und Data Minings die für die Kundenbindung
Verbraucher jede Anonymität in ihren Kon- oder Kundengewinnung profitablen Infor-
sumgewohnheiten verloren haben. Dies mationen herausgefiltert und mit soziogra-
bewirkt, dass sich die Verbraucherinnen und phischen oder mikrogeographischen Daten
Verbraucher stetig auf dem Weg zu gläser- angereichert, um sie für zielgruppenorien-
nen Konsumenten befinden. Die fleißig tiertes Marketing nutzen zu können – ein
gesammelten Bonuspunkte lassen die Be- Albtraum für Datenschützerinnen und
troffenen vergessen, dass der Einsatz der Datenschützer.
Kundenkarte selbst beim alltäglichen Bar-
Yvonne Conrad
kauf, der grundsätzlich anonym erfolgt,
dafür sorgt, dass sie viele Datenspuren über
2 Rabattgewährung
Referentin bei der
ihre Einkaufsgewohnheiten und Vorlieben
Landesbeauftragten 2.1 Funktion der
schon im Supermarkt an der Kasse hinter-
für Datenschutz und
lassen. Diese Datenspuren können schließ- Rabattsysteme
Informationsfreiheit
lich ausgewertet und im Hinblick auf die
Nordrhein-Westfalen Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung
Verbreitung von Kundenkarten zu umfas-
senden, detaillierten Konsumprofilen zu- verschiedener Kategorien personenbe-
zogener Daten ist die Grundlage dieser
E-Mail: poststelle@ldi.nrw.de

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Kundenkarten und Rabattsysteme

Kundenbindungsprogramme. So werden sind diese Daten als freiwillige Angaben zu Vertragspartner wird. Beteiligte sind der
regelmäßig bei jedem Einkauf bzw. bei kennzeichnen, so dass die Betroffenen hier Systembetreiber als zentrale Stelle, ferner
Inanspruchnahme von Dienstleistungen bei die Wahl haben, ob sie sie angeben oder die angeschlossenen Partnerunternehmen und
den angeschlossenen Partnerunternehmen nicht. zuletzt die Verbraucherinnen und Verbrau-
durch den Einsatz der Kundenkarte perso- Die Programm- bzw. Konsumdaten wer- cher als „Datenproduzenten“ und Teilnehmer
nenbezogene Daten der Verbraucherinnen den erhoben, sobald die Verbraucherinnen des Kundenbindungsprogramms. Grundlage
und Verbraucher erhoben. Anschließend und Verbraucher ihre Kundenkarte beim der Kundenbindung ist der Rabattvertrag,
werden die Daten zentral an den System- Partnerunternehmen einsetzen. Bei diesem den die Verbraucherinnen und Verbraucher
betreiber des Rabattprogramms übermittelt, Vorgang wird jedes Mal eine Reihe von mit dem Systembetreiber abschließen, indem
der als Träger des Rabattsystems fungiert Daten – eine neue „Datenspur“ – erhoben, sie die Erklärung zur Teilnahme am Kunden-
und zunächst zur Abwicklung der Rabattie- die beispielsweise beim Wareneinkauf bindungsprogramm abgeben. Die Rabattge-
rung von allen angeschlossenen Unterneh- Angaben zu Teilnehmernummer, Datum des währung ist das Grundgeschäft mit dem
men die Daten erhält. Einkaufs, Kennung des Partnerunterneh- Inhalt, dass beispielsweise jeder Einkauf
Die zu erhebenden Daten lassen sich in mens, Summe der gesammelten Rabatt- beim Partnerunternehmen eine Punktegut-
persönliche Stammdaten und in Programm- punkte, Informationen über die Höhe des schrift garantiert. Der Vertragsschluss er-
bzw. Konsumdaten der Kunden unterteilen: Einkaufs sowie der gekauften Waren, in folgt durch Unterzeichnung eines Antrags-
Die persönlichen Stammdaten der Kun- Form von Angaben zu Warengruppen, formulars mit datenschutzrechtlich relevan-
den werden bereits bei Abschluss des Ra- umfasst. ten Unterrichtungen und Einwilligungs-
battvertrages im Anmeldeformular erhoben. Auch hier dient § 28 Abs. 1 Nr. 1 BDSG erklärungen, die im Folgenden näher darge-
Dabei handelt es sich um Angaben zu Na- als Rechtsgrundlage der Datenverarbeitung, stellt werden.
me, Vorname, Anschrift und Geburtsdatum, da diese Daten zur Abwicklung des Rabatt- Die Partnerunternehmen sind über einen
teilweise auch um Angaben zur Telefon- system erforderlich sind. Die Daten werden sog. Systempartnervertrag mit dem System-
nummer. Diese Daten werden regelmäßig zunächst beim Partnerunternehmen erhoben betreiber in das Kundenbindungssystem
als Pflichtangaben abgefragt, weil sie von und an den zentralen Systembetreiber ü- eingebunden. Dieser Vertrag beinhaltet die
Seiten der Systembetreiber für die Durch- bermittelt. Die Angaben sind für den Ver- Leistungen des Systembetreibers gegenüber
führung der Rabattprogramme als erforder- tragszweck erforderlich, da sie dazu dienen, den beteiligten Unternehmen wie die Be-
lich angesehen werden. die beim Einkauf gesammelten Bonuspunk- reitstellung der Kundenkarte, die Durch-
Als Rechtsgrundlage dient § 28 Abs. 1 te auf dem Punktekonto beim Systembetrei- führung von Werbemaßnahmen für das
Nr. 1 BDSG, der vorsieht, dass die Erhe- ber gutzuschreiben. Der Umfang der erho- Partnerunternehmen, den Betrieb des sys-
bung und Verarbeitung von Daten als Mittel benen Kaufdaten erfährt grundsätzlich vor temeigenen Data Warehouse etc. Im Gegen-
für die Erfüllung eigener Geschäftszwecke dem Hintergrund seine Rechtfertigung, dass zug zahlen die Partnerunternehmen an den
zulässig ist, wenn es der Zweckbestimmung die Daten auch für den Fall der Rückab- Systembetreiber Entgelte für angemeldete
eines Vertragsverhältnisses mit den Betrof- wicklung des Kaufvertrages und der damit Teilnehmerinnen und Teilnehmer, Werbekos-
fenen dient. Dies ist hinsichtlich Name und zusammenfallenden Stornierung gutge- tenzuschüsse, Datennutzungen etc.
Anschrift der Betroffenen zur Identifizie- schriebener Rabattpunkte aus Gründen der Die rechtliche Ausgestaltung des Sys-
rung grundsätzlich anzunehmen. Auch die Nachvollziehbarkeit für alle Beteiligten tempartnervertrages ist maßgeblich dafür,
Kenntnis des vollständigen Geburtsdatums dienlich sind. wer im Rahmen des Rabattsystems gegen-
ist nicht zu beanstanden, da bei einer sehr Als Beispiele aus der Praxis, welche Da- über den teilnehmenden Verbraucherinnen
großen Zahl von teilnehmenden Personen ten Systembetreiber und Partnerunter- und Verbraucher verantwortliche Stelle im
Identitätsverwechslungen nicht ausge- nehmen jeweils erhalten und verarbeiten, Sinne des BDSG ist. So nimmt beispiels-
schlossen werden können. Dies belegen dienen die Kundenbindungsprogramme weise bei HappyDigits allein die Betreiber-
insbesondere Erfahrungen in der Praxis bei Payback und HappyDigits. Hier sind die gesellschaft die Position der verantwortli-
immer wieder auftretenden Fällen von Systeme so organisiert, dass die Stammda- chen Stelle ein, an die sich die Betroffenen
Personenverwechslungen im Auskunftei- ten sowie die Programmdaten nach ihrer nicht nur bei Angelegenheiten der Rabattie-
gewerbe. Erhebung durch die Partnerunternehmen bei rung, sondern auch im Falle der Durchset-
Hinsichtlich der Erhebung der Telefon- diesen gespeichert bleiben und zugleich an zung ihrer datenschutzrechtlichen Belange
nummer, Faxnummer oder E-Mailadresse, Payback bzw. HappyDigits übermittelt und zu wenden haben. Daneben sind jedoch
deren Kenntnis die Möglichkeiten der Kon- dort ebenfalls gespeichert und weiter verar- auch andere Systeme denkbar, in denen
taktaufnahme zu den betroffenen Teilneh- beitet werden. Darüber hinaus findet keine Systembetreiber und Partnerunternehmen
merinnen und Teilnehmern erweitert, kann weitere Übermittlung personenbezogener zugleich verantwortliche Stelle sind.
jedoch nicht von Pflichtangaben gesprochen Daten statt, weder an die übrigen Partnerun- Die Rabattgewährung ist im Grunde al-
werden. Es handelt sich um Daten, die ternehmen noch an außen stehende Dritte. lein auf eine Kundenbindung ausgerichtet.
gerade nicht zur Abwicklung des Rabattsys- Unabhängig davon ermöglicht sie das
tems erforderlich sind und daher nicht der 2.2 Rechtliche Sammeln umfassender Konsumdaten. Auf
Regelung des § 28 Abs. 1 Nr. 1 BDSG dieser Datengrundlage können die Ver-
unterfallen. Sie haben einen sensibleren Beziehungen braucherinnen und Verbraucher ent-
Charakter und sind Kontaktdaten, die in Im Hinblick auf die verschiedenen beteilig- sprechend ihrer Konsumgewohnheiten und
besonderer Weise in die Privatsphäre der ten Stellen des Kundenbindungsprogramms Vorlieben beworben werden. Dies ist aller-
Betroffenen eingreifen. Aus diesem Grund bedarf es der Klärung, wer dabei wessen

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dings nur möglich, sofern eine Rechts- dürfen ihre Daten nicht zu Marketingzwe- Entscheidung sein. Nur so kann die Daten-
grundlage vorliegt. cken verwendet werden. verarbeitung im Rabattsystem dem Gebot
von Transparenz und Verbraucherfreund-
3.2 Konsumdaten lichkeit gerecht werden.
3 Werbung und
Marketing Neben den Stammdaten der Betroffenen 4.1 Form
werden bei jedem Warenkauf oder jeder
Die Verarbeitung und Nutzung der erhobe- Inanspruchnahme von Dienstleistungen Die Regelung des § 4 a BDSG erfordert für
nen Stamm- und Konsumdaten zum Zwecke unter Einsatz der Kundenkarte Konsum- Einwilligungserklärungen grundsätzlich die
der Werbung und des Marketings sowohl daten erhoben, deren Verarbeitung zu Wer- Schriftform. Dadurch sollen die Betroffenen
durch Systembetreiber als auch durch die bezwecken aus Marketingaspekten für die davor geschützt werden, eine vorschnelle
angeschlossenen Partnerunternehmen ist Unternehmen besonders reizvoll ist. So hat Erklärung abzugeben, ohne sich darüber
eine Datenverwendung, die über den Inhalt der Systembetreiber im Vergleich zum bewusst zu sein, welche rechtlichen und
der Rabattgewährung als Grundgeschäft mit jeweiligen Partnerunternehmen sogar unter- tatsächlichen Folgen die abgegebene Erklä-
den Verbraucherinnen und Verbraucher nehmensübergreifend gesammelte Verbrau- rung nach sich ziehen kann. Dazu bedarf es
hinausgeht. Dazu bedarf es in jedem Fall cherdaten, die zu einem detaillierten Profil einer bewussten Entscheidung, die nur
einer rechtlichen Grundlage. über Konsumgewohnheiten und Vorlieben durch aktives Handeln der Betroffenen
zusammengeführt und ausgewertet werden erreicht werden kann. Um diesen Anforde-
3.1 Stammdaten können. Diese Konsumdaten können dar- rungen gerecht zu werden, werden zwei
über hinaus die Grundlage für ein systemei- unterschiedliche Ansätze vertreten:
Die Stammdaten der Betroffenen werden genes Data Warehouse sein. So wird einerseits bei der Einwilligung
regelmäßig über die Antragsformulare bei Diese Situation ist nicht mit der oben be- die Umsetzung der qualifizierten „Opt-In-
den Partnerunternehmen direkt erhoben. schriebenen Verwendung der Stammdaten Variante“ gefordert, bei der das Antrags-
Diese Daten werden nach ihrer Erhebung vergleichbar, in der die Verarbeitung und formular die Einwilligungserklärung in der
nicht nur zur Abwicklung des Rabatt- Nutzung der Grunddaten zu Werbezwecken Form beinhaltet, dass die Betroffenen eine
programms vom Systembetreiber und Part- auf der Rechtsgrundlage des § 28 Abs.1 gesonderte Unterschrift leisten oder be-
nerunternehmen gespeichert, sondern kön- Nr. 2 BDSG erfolgen kann. Die teilneh- stimmte Kästchen zur positiven Abgabe der
nen auch von beiden Stellen für jeweils menden Verbraucherinnen und Verbraucher Einwilligung ankreuzen müssen. Unter-
eigene Zwecke verwendet werden, wenn sind durch die Bildung von Konsumprofi- bleibt die Unterschrift bzw. das Ankreuzen,
dazu eine Rechtsgrundlage gegeben ist. len, deren weitgreifende Folgen sich bereits gilt die Einwilligung als nicht erteilt. Das
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das ihrer Kenntnis entziehen dürften, in ihren Erfordernis der aktiven, bewussten Hand-
Partnerunternehmen nur personenbezogene schutzwürdigen Interessen betroffen. Aus lung der Betroffenen zur Abgabe einer
Daten seiner eigenen Kunden und nicht der diesen Gründen kann die Verwendung der Einwilligung wird hier umfassend erfüllt.
Kunden weiterer Systempartner vorliegen Konsumdaten zu Marketingzwecken nicht Aus der Sicht des Datenschutzes handelt es
hat. auf § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG als Rechts- sich dabei um die optimale Lösung.
Möchte der Systembetreiber oder das grundlage gestützt werden. Dazu bedarf es Das Erfordernis nach einer qualifizierten
Partnerunternehmen die Stammdaten für unbedingt einer entsprechenden Einwilli- „Opt-In-Variante“ wurde zuletzt auch durch
eigene Werbezwecke nutzen, erfolgt dies gungserklärung der Betroffenen als Rechts- die – noch nicht rechtskräftige – Entschei-
auf der Rechtsgrundlage des § 28 Abs. 1 grundlage, durch die sowohl der System- dung des Landgerichts München I vom 9.
Nr. 2 BDSG. Danach ist die Nutzung von betreiber als auch das jeweilige Partnerun- März 2006 unterstützt, die gegenüber dem
Vertragsdaten zur Wahrung berechtigter ternehmen erst zu diesem Umfang der Systembetreiber Payback im Rahmen eines
Interessen zulässig, soweit kein Grund zu Datenverwendung berechtigt werden. Klageverfahrens des Verbraucherzentrale
der Annahme besteht, dass schutzwürdige Bundesverbandes e.V. ergangen ist. Nach
Interessen der Betroffenen überwiegen. Auffassung des Gerichts können die Anfor-
Unter die Wahrung berechtigter Interessen 4 Einwilligung derungen des § 4 a BDSG an eine Einwilli-
fällt grundsätzlich auch das Interesse der Die Einwilligungserklärung der Betroffenen gung nur erfüllt sein, wenn den Kunden
Unternehmen, die eigenen Kunden zu be- dient in Kundenbindungsprogrammen eine positive Entscheidung zur Einwilligung
werben oder Marketinganalysen vorzuneh- sowohl den Partnerunternehmen als auch abverlangt wird. Demnach bedarf es einer
men. Schutzwürdige Interessen der Betrof- den Systembetreibern als Rechtsgrundlage, aktiven Erklärungshandlung für die Einwil-
fenen überwiegen nicht, da es sich nur um um die gesammelten Daten zu bestimmten ligung. So hat das Gericht entschieden, dass
Daten wie Name und Anschrift und nicht Zwecken überhaupt verwenden zu dürfen. die bei Payback gewählte Möglichkeit des
um profilierte Konsumdaten handelt. Die Die Gestaltung der Einwilligung richtet sich „Auskreuzens“, bei der die Betroffenen ein
Verwendung der Stammdaten zu Marke- nach den Bestimmungen des BDSG und Kästchen ankreuzen müssen, wenn sie die
tingzwecken ist zulässig (vgl. § 28 Abs. 3 muss gemäß der Regelung des § 4 a BDSG, Einwilligung zur Verwendung der Daten
Nr. 3 BDSG). Die Verbraucherinnen und der insoweit als zentrale Vorschrift gilt, nicht erteilen möchten, dem Erfordernis des
Verbraucher sind jedoch vorab über die bestimmte Anforderungen an Form, Inhalt aktiven Handelns zur Erteilung der Einwil-
Verwendung ihrer Stammdaten gemäß § 4 und Freiwilligkeit erfüllen. Die Erteilung ligung nicht entspricht. Wenn die Versagung
Abs. 3 BDSG zu unterrichten. Haben sie der Einwilligung soll eine informierte, der Einwilligung ein aktives Handeln ver-
gemäß § 28 Abs. 4 BDSG widersprochen, bewusste, beabsichtigte und völlig freie langt, hingegen die Erteilung der Einwilli-

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gung durch bloße Passivität erfolgt, kann von Relevanz, wenn die Einwilligungserklä- verschiedenen Arten der Datenverarbeitung
dem Erfordernis nach einer aktiven Erklä- rungen die Betroffenen nach den Grundsät- und Datennutzung nebst den damit verbun-
rung zu einer positiven Entscheidung nicht zen von Treu und Glauben gemäß § 307 denen Zwecken, die Datenflüsse und Da-
hinreichend Rechnung getragen werden. BGB inhaltlich unangemessen benachteili- tenempfänger zu informieren.
In der Praxis ist demgegenüber bislang gen. Wird gegen § 307 BGB verstoßen, ist
allerdings am häufigsten die sog. „Streich- die Einwilligungserklärung unwirksam. Dies 4.3 Freiwilligkeit
lösung“ verbreitet, so auch beim System- hat zur Folge, dass jede Datenverwendung,
betreiber des HappyDigits-Programms. Es die sich auf die unwirksame Einwilligungs- Nach § 4 a Abs. 1 S. 1 BDSG ist die Einwil-
handelt sich dabei um eine Einwilligungs- erklärung als Rechtsgrundlage stützt, daten- ligung nur wirksam, wenn sie auf der freien
klausel, die neben der allgemeinen Erläute- schutzrechtlich unzulässig ist. Entscheidung der Betroffenen beruht. Dem-
rung, dass die Einwilligung jederzeit ohne In welcher Form die Einwilligungs- nach darf die Einwilligung zur Datenverar-
Folgen für den Vertrag widerrufen werden erklärung in Zukunft Bestand haben wird, beitung nicht von Leistungen der begünstig-
kann, den Hinweis enthält, dass die betrof- wird eine neue Diskussion erfordern. Dar- ten Datenempfängerinnen und -empfängern,
fene Person die Klausel streichen kann, falls über hinaus könnten gerichtliche Ent- insbesondere der Systembetreiber, abhängig
sie mit dem Inhalt nicht einverstanden ist. scheidungen einen Beitrag zu einer einheit- gemacht werden. Aus diesen Gründen findet
Ob die „Streichlösung“ den gesetzlichen lichen Umsetzung der gesetzlichen An- sich in der Einwilligungserklärung zu Wer-
Anforderungen an eine Einwilligung gemäß forderungen an eine Einwilligung leisten. bung und Marketing in Form der „Streich-
§ 4 a BDSG entspricht, ist streitig. So wird Sollte sich dabei die qualifizierte „Opt-In- lösung“ im Rahmen des Antragsformulars
für diese Variante immer wieder darauf Variante“ als die allein zulässige Form der der Hinweis: „Sind Sie nicht einverstanden,
verwiesen, dass sie der verbreiteten Praxis Einwilligungserklärung durchsetzen, ist dies streichen Sie die Klausel. Eine Streichung
entspreche, Einwilligungen zusammen mit aus datenschutzrechtlicher Sicht aus Grün- hat keinen Einfluss auf Ihre Teilnahme am
anderen Erklärungen erteilen zu können, den der Transparenz für die Betroffenen Programm.“ Diese Formulierung eröffnet
wie vergleichsweise bei SCHUFA-Klauseln sehr zu begrüßen. den Betroffenen eine Wahlmöglichkeit und
im Zusammenhang mit kreditorischen ist somit Ausdruck für die Freiwilligkeit der
Bankverträgen. Die „Streichlösung“ sei 4.2 Inhalt Einwilligung.
insbesondere vereinbar mit der Regelung Zugleich sind die Betroffenen über die
des § 4 a Abs. 1 S. 4 BDSG, der die Ertei- Um dem Grundsatz der informierten Ein- Widerrufbarkeit der Einwilligung für die
lung der Einwilligung im Rahmen anderer willigung gerecht zu werden, müssen die Zukunft sowie über die für den Widerruf
Erklärungen grundsätzlich zulasse. Betroffenen gemäß § 4 a Abs. 1 BDSG vor zuständige verantwortliche Stelle zu infor-
Im Rahmen des Antragsformulars ist die Erteilung der Einwilligung umfassend über mieren. Dies verdeutlicht wiederum, dass
„Streichlösung“ gemäß § 4 a Abs. 1 S. 4 den Zweck der beabsichtigten Datenerhe- eine Teilnahme am Kundenbindungspro-
BDSG zwingend durch besondere Hervor- bung, -verarbeitung und -nutzung informiert gramm auch für die Zukunft nur bei freiwil-
hebung so zu gestalten, dass die Einwilli- werden. Nur so können sie die tatsächliche liger Verwendung der Daten erfolgt.
gung der betroffenen Person als bewusster, Tragweite ihrer Einwilligung überhaupt
aktiver und autonomer Erklärungsakt aufge- abschätzen.
fasst werden kann. Dies erfolgt regelmäßig Als inhaltliche Anforderung bedarf es 5 Betroffenenrechte
durch optische Hervorhebung des Einwilli- insbesondere einer hinreichenden Be- Im Rahmen von Kundenbindungs-
gungstextes in Form eines Rahmens, durch stimmtheit der Klausel, die deutlich erken- programmen können sich die betroffenen
Verwendung der Bezeichnung „Einwilli- nen lässt, zu welchen Zwecken sich die Verbraucherinnen und Verbraucher auf
gung“ oberhalb der relevanten Textabschnit- betroffene Person mit der Verwendung sämtliche Betroffenenrechte des BDSG
te im Kundenkarten-Antragsformular sowie welcher Daten einverstanden erklärt. So berufen. Neben dem Anspruch auf Berichti-
durch die optische Hervorhebung von muss deutlich formuliert sein, dass die gung, Löschung und Sperrung von Daten
Schlüsselwörtern wie beispielsweise „Sind Daten zu Werbe- und Marketingzwecken können sie von ihrem Auskunftsanspruch
Sie nicht einverstanden, streichen Sie diese verarbeitet werden sollen. Dies darf nicht und Widerspruchsrecht Gebrauch machen.
Klausel“. durch irreführende Bezeichnungen wie Diese Ansprüche sind gegen die verantwort-
Derzeit ist auch die Einwilligungs- beispielsweise „Beratung und Information“ liche Stelle zu richten. Dies kann abhängig
erklärung in Form der „Streichlösung“ statt „Werbung und Marketing“ verdeckt vom Systempartnervertrag der System-
Gegenstand eines Klageverfahrens des werden. Aus Gründen der Bestimmtheit betreiber allein oder gleichzeitig auch das
Verbraucherzentrale Bundesverbandes e.V., sind auch Öffnungsklauseln im Hinblick auf angeschlossene Partnerunternehmen sein.
das gegenüber der Betreibergesellschaft von die Zukunft unwirksam. Die Stelle, an die die Betroffenen sich zur
HappyDigits beim Landgericht Köln ange- Zugleich erfordert die inhaltliche Aus- Wahrnehmung ihrer Rechte zu wenden
strengt worden ist. In diesem Verfahren ist gestaltung der Einwilligung aus Gründen haben, muss sich unmittelbar aus dem An-
jedoch bislang keine Entscheidung ergan- der Transparenz eine für die Betroffenen meldeformular, zumindest aber deutlich aus
gen. verständliche Information, die sich auf die den allgemeinen Teilnahmebedingungen des
Darüber hinaus ist zu beachten, dass es wesentlichen Bestandteile der beab- Rabattprogramms ergeben.
sich bei den Einwilligungserklärungen um sichtigten Datenverarbeitung beschränkt. Der Auskunftsanspruch nach § 34 BDSG
Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, Hier sind die Betroffenen in jedem Fall über nimmt für die Betroffenen eine zentrale
auf die die Regelungen der §§ 305ff BGB die verantwortliche Stelle, die zu verarbei- Bedeutung ein. Die Betroffenen können auf
anwendbar sind. Dies ist insbesondere dann tenden Daten bzw. Datenkategorien, die diesem Weg sämtliche gespeicherten Infor-

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mationen, d.h. Angaben zu Stamm- und Daten nicht erteilt haben. Dieses Grund-
Programmdaten nebst daraus abgeleiteter
6 Ausblick recht verleiht schließlich die Befugnis,
Kundenprofile erfahren. Der Auskunftsan- Gegenüber Datensammlungen im Zusam- selbst über die Preisgabe und Verwendung
spruch erstreckt sich ferner auf die genau zu menhang mit Kundenkarten und Rabattsys- der eigenen Daten zu bestimmen.
benennenden Empfängerinnen und Emp- temen ist aus datenschutzrechtlicher Sicht Das Recht auf informationelle Selbstbe-
fänger übermittelter Daten sowie die dabei eine kritische Haltung geboten. Seit Beginn stimmung ist elementarer Bestandteil eines
eingesetzten Auftragsdatenverarbeiterinnen ihrer Einführung auf dem Markt stellen sie demokratischen Gemeinwesens und sichert
und –verarbeiter. Die Auskunft ist von der eine datenschutzrechtliche Herausforderung den Bürgerinnen und Bürgern eine selbstbe-
verantwortlichen Stelle unentgeltlich und für den Schutz der informationellen Selbst- stimmte, individuelle Verhaltensfreiheit.
umgehend zu erteilen. bestimmung der Betroffenen dar. Verbrau- Um Verbraucherinnen und Verbraucher zu
Die erhaltene Auskunft führt häufig zur cherinnen und Verbraucher, die aktiv am sensibilisieren, nicht an einem Ausverkauf
Geltendmachung des Berichtigungs-, Lö- Wirtschaftsleben teilnehmen und Waren ihrer Persönlichkeitsrechte gegen den Erhalt
schungs- oder Sperrungsanspruchs gemäß konsumieren, sind auch in ihrer Rolle als von Bonuspunkten teilzunehmen, ist die
§ 35 BDSG. Die Feststellung, dass unrichti- „Datenproduzenten“ Träger von Grundrech- gesellschaftliche Diskussion und Aufklä-
ge oder sogar unzulässig erhobene Daten ten und sollten daher ihre Konsumgewohn- rung über die Entwicklung und Gefahren
vorliegen, veranlasst die Betroffenen regel- heiten und Vorlieben nicht preisgeben (müs- bei Rabattsystemen immer wieder notwen-
mäßig, entsprechend gegen den verantwort- sen). dig. Vor diesem Hintergrund werden in
lichen Systembetreiber vorzugehen. Ihre Daten stellen schließlich keine blo- Zukunft nur datenschutzgerechte und ver-
In der Praxis tritt immer wieder der Fall ße Handelsware dar. So bleibt auch die braucherfreundliche Rabattsysteme, die die
auf, dass Betroffene die Löschung sämtli- weitere Entwicklung – beispielsweise im Interessen der teilnehmenden Verbrauche-
cher Daten verlangen, wenn sie die Teil- Hinblick auf den möglichen Einsatz von rinnen und Verbraucher hinreichend berück-
nahme am Kundenbindungsprogramm RFID-Technologie – aufmerksam zu beo- sichtigen, auf dem Markt Bestand haben
gekündigt haben und aus diesem Anlass bachten, da dieser erhebliche Gefahren können.
keine weitere Verarbeitung und Nutzung einer unbemerkten Profilbildung und
ihrer Daten wünschen. In diesem Fall ste- Durchleuchtung der Betroffenen mit sich Literatur
hen regelmäßig handelsrechtliche Aufbe- bringt.
wahrungsfristen entgegen, die eine weitere Soweit die datenschutzrechtlichen Vor- Jacob, Joachim/Jost, Tanja, Marketingnutzung
Speicherung der Daten erfordern. So sind gaben bei der Gestaltung von Rabattsyste- von Kundendaten und Datenschutz – ein
Angaben zu den Stammdaten sowie ge- Widerspruch?, DuD 2003, 621
men und der damit verbundenen Marke-
sammelte Bonuspunkte gemäß § 257 Abs. 1 Körffer, Barbara, Datenschutzrechtliche An-
tingzwecke eingehalten werden, können forderungen an Kundenbindungssysteme,
und 4 HGB für die Dauer von zehn Jahren gegen diese Art von Kundenbindungspro- DuD 2004, 267
zu verwahren, um die rechtlich gebotene, grammen grundsätzlich keine durchgreifen- Simitis, Spiros u.a., Kommentar zum Bundes-
ordnungsgemäße Führung der Bonuspunk- den Bedenken geltend gemacht werden. datenschutzgesetz, 5. Auflage 2003
tekonten nachvollziehen zu können. Die Eine für die Verbraucherinnen und Verbrau- Sokol, Bettina/Tiaden, Roul, Big Brother und
Daten sind aber umgehend für jede weitere cher transparente Datenverarbeitung sowie die schöne neue Welt der Vermarktung
Verwendung zu sperren und gemäß § 35 eine datenschutzrechtlich einwandfrei ges- personenbezogener Informationen, in:
Abs. 2 Nr. 3 BDSG zu löschen, sobald die taltete Einwilligungserklärung ist die Freundesgabe für Alfred Büllesbach
gesetzlichen Aufbewahrungsfristen abgelau- Grundlage für jedes datenschutzkonforme 2002, S. 161
fen sind. Unabhängiges Landeszentrum für Datenschutz
Bonusprogramm. Hier bleibt zu hoffen, dass
Das Widerspruchsrecht nach § 28 Abs. 4 Schleswig-Holstein, Kundenbindungssys-
die ausstehenden gerichtlichen Entschei- teme und Datenschutz, Gutachten im
BDSG ist für die Betroffenen im Hinblick dungen dazu beitragen, eine Einheitlichkeit Auftrag des Verbraucherzentrale Bundes-
auf Werbung und Marketing von großer in der praktischen Umsetzung der daten- verband e.V., 2003
datenschutzrechtlicher Relevanz. Auf die- schutzrechtlichen Anforderungen zu errei- Weber, Jürgen u.a., Neue Wege der Kunden-
sem Weg können sie auch in einem laufen- chen. bindung aus Datenschutzsicht: Bonuskar-
den Rabattvertrag der marketing- Die Forderung nach mehr Transparenz ten-Systeme, DuD 2003, 614
spezifischen Verwendung ihrer Stammdaten bei Kundenkarten und Rabattsystemen Weichert, Thilo, Kundenbindungssysteme –
für die Zukunft entgegentreten, ohne auf die haben Datenschützerinnen und Datenschüt- Verbraucherschutz oder der gläserne
Sammlung von Bonuspunkten verzichten zu zer im Laufe der letzten Jahre gegenüber Konsument?, DuD 2003, 161
müssen. Hinsichtlich der Nutzung der Kon- Wittig, Petra, Die datenschutzrechtliche Prob-
den Unternehmen nachhaltig durchgesetzt.
sumdaten für Werbezwecke können sie lematik der Anfertigung von Persönlich-
Es ist daher durchaus möglich, als Verbrau- keitsprofilen zu Marketingzwecken, RDV
jederzeit die Einwilligung widerrufen. cherin und Verbraucher Bonuspunkte zu 2000, 59
sammeln, ohne Objekt eines Persönlich- Landgericht Müchen I, Urteil vom 9.März
keitsprofils zu werden. Das Recht auf in- 2006, DuD 2006, 309
formationelle Selbstbestimmung geben die
Betroffenen solange nicht aus der Hand, wie
sie die Einwilligung zur Verwendung ihrer

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