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EVOLUTION
Leben Viren?
13,50 sFr / Luxemburg 8,– €
W ird über Viren berichtet, ist es in der Regel nichts Gutes. Kein Wunder:
Die bekanntesten bedrohen zumeist Leib und Leben, wie etwa das Influ-
enzavirus, dem wir die Grippe verdanken, oder das HI-Virus, die Ursache von
Aids. Das Problem ist ein nur bedingt wirksamer oder fehlender Impfschutz.
Grippeviren raffen jährlich allein in Deutschland 6000 bis 8000 Menschen
dahin – ein stiller Krieg mit etwa so viel Toten wie im Straßenverkehr. Jeden
Herbst beschwören die Medien das Gespenst einer neuen Pandemie herauf.
Dann werden Erinnerungen wach, etwa an die »Spanische Grippe« von
1918/19, bei der nach neuesten WHO-Schätzungen bis zu 50 Millionen Men-
schen umkamen. Wer über 60 Jahre ist, zählt zur Risikogruppe und sollte sich
impfen lassen. Doch ob die Impfung wirklich nützt, hängt auch vom richti-
gen Impfstoffmix ab. Der Erreger wandelt sich nämlich so rasch, dass bis zur
Impfung schon wieder neue Virusvarianten aufgetaucht sein können.
Bei Aids gar ist auch nach 20 Jahren Forschung eine Schutzimpfung gegen
das HI-Virus noch in weiter Ferne. Das Robert Koch-Institut schätzt in Deutsch-
land 43 000 HIV-Infizierte bei 2000 Neuinfektionen pro Jahr. Weltweit ist ihre
Gesamtzahl nach dem letzten UN-Bericht auf 39,4 Millionen gestiegen.
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Pisa und kein Ende, sondern ein Anfang: Als neue Rubrik starten wir heute »Junge
Wissenschaft«, dafür entfällt künftig »Wissenschaft im Unternehmen«. »Jun-
ge Wissenschaft« soll
jungen Menschen den
Zugang zu naturwis-
senschaftlichenThemen
öffnen – mit Aufgaben,
die auch ein Oberstu-
fenschüler »packen«
kann. Selbst ältere Se-
mester könnten ver-
sucht sein, ihren per-
sönlichen Wissensfun-
dus zu testen. Probieren
Sie’s (S. 70)!
F E BR UA R 2005
SE TE 24
I N I HN HAA L TT
THEMEN
Der Tag,
an dem die Erde brannte
24 De P e s ü k a e S ch Der Asteroideneinschlag, der die Di-
D e Augen nse s e n »K s a « aus as
nosaurier vernichtete, setzte auch
o en Ze en
eine verheerende Welle von Flächen-
r 32 W e w ch g s nd V en?
bränden in Gang. Fast alle Wälder der
m Ne zwe k des Lebens sp e en s e d e
Ro e e nes nnova onsmo o s Erde gingen in Flammen auf
r 38 D amagne sche Lev a on
W e man e nen Magne en zw schen zwe --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- SEITE 56
F nge n schweben assen kann
NEOLITHIKUM
r 48 Feue od de D nosau e
E n As e o dene nsch ag vo 65 M onen Freundliche Übernahme
Jah en se z e d e We n F ammen Feste Siedlungen, Ackerbau und Viehzucht – die Erfindung der Landwirtschaft
r 56 Revo u on n de S e nze in der Jungsteinzeit kam einer Revolution gleich. Doch verlief sie wohl weni-
D e nnova on Landw scha e e ch e ger dramatisch als lange angenommen
M e eu opa au v e en Wegen
r 62 BSE – noch ke ne En wa nung
Ve besse e F üh es s so en d e
n ek onsge ah e ndämmen
--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- SEITE 62
REZENSIONEN
97 Die Klassiker der Physik von S. Hawking (Hg.)
Magie der Vogelstimmen von W. Streffer
Der Himmelsatlas von L. Benacchio
Die neue Medizin der Emotionen
von D. Servan-Schreiber
Management by Mathematics
von U. Hirsch und G. Dueck (Hg.)
Max Planck von K. Sander (Hg.)
Humoristische Chemie
von R. A. Jakobi und H. Hopf
Das Geheimnis des aufrechten Gangs
von C. Niemitz
Farbatlas Fossilien
von M. Urlichs und B. Ziegler
MATHEMATISCHE UNTERHALTUNGEN
106 Strick-Muster und Einheitswürfel im IR5
KOMMENTARE
20 Pyrrhus lässt grüßen
Streit um Non-Profit-Zeitschriften
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23 Springers Einwürfe
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Laufende Menschwerdung
WISSENSCHAFT IM …
---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- SEITE 74 46 Alltag: Carving Ski
WISSENSCHAFTSGESCHICHTE 92 Rückblick: Heilsamer Atomblitz u. a.
Aus urheberrechtlichen Gründen
Die Planetentafeln können wir Ihnen die Bilder leider WEITERE RUBRIKEN
des Abraham Zacuto nicht online zeigen.
Die himmelsmechanischen Berech- 3 Editorial · 6 Leserbriefe/Impressum ·
109 Preisr tsel · 114 Vorschau
nungen des j dischen Gelehrten för-
derten den Aufschwung der Astrono-
SPEKTRUM-PLUS.DE
mie in Europa und den Aufstieg Spa-
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ZUSATZANGEBOT NUR FÜR ABONNENTEN
niens und Portugals zu Weltm chten
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---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- SEITE 82
SCHWERPUNKT
Kosmetik
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Gentherapie gegen Haarausfall, eine
Creme, die reifer Haut jugendliche
Elastizit t verleiht und berdies nur
nat rliche Essenzen enth lt – die
Forscher der kosmetischen Industrie
ringen um den Kunden der Zukunft Einstein und der Kreiselkompass
Warum wandte sich der Physiker von
der Ausarbeitung seiner Allgemeinen
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Relati
ESSAY Magnetismus in einem Eisenstab zu
Vom Sinn der Homosexualität untersuchen?
Gleichgeschlechtliche Partnerschaften sind keine Sackgasse der Evolution, ZUGÄNGLICH ÜBER WWW.SPEKTRUM-PLUS.DE NACH
ANMELDUNG MIT ANGABE DER KUNDENNUMMER
sondern der soziale Kitt vieler Tiergemeinschaften
von Stammzellen tiger Mensch bestreiten, dass Wien’sches Verschiebungs- bremst Computer aus
Dezember 2004 die Chemie der Menschheit gesetz). Ich untersuche seit Forschung aktuell, Oktober 2004
mehr Vor- als Nachteile ge- 1993 klimarelevante Spuren-
Fragen über Fragen bracht hat. gase mit hochauflösender Wenn man die Thesen von
Bei dem Thema Stammzellen Stammzellen sind einer- FTIR-Messtechnik und kann Krauss und Strakmann wei-
stellen sich viele Fragen: seits eine große Verheißung, mit Sicherheit behaupten, terdenkt, kommt man zu fol-
Wann genau beginnt der andererseits stellen sie ein dass diese Linien existieren genden Vermutungen:
Mensch? Ist eine bewusste nicht unerhebliches medizini- und bei der Messung von zum 1. Es gibt in diesem Univer-
Abtreibung etwas anderes als sches Risiko dar. Beispiel NH3 sehr störend im sum eine absolut größte Zahl,
die Tötung einer embryona- Ausgangspunkt mancher Spektrum vorhanden sind. nämlich die, die mit den ver-
len Stammzelle? Krebserkrankungen sind nach Ich behaupte nicht, dass fügbaren Informationsbits so
Normal ist, dass sich bei neueren Erkenntnissen zu- eine globale Erwärmung un- gerade noch dargestellt oder
einer Schwangerschaft die be- mindest pluripotente adulte ausweichlich auf uns zu- gelesen werden kann.
fruchtete Eizelle erst in der Stammzellen, die im ungefäh- kommt. Physikalischer Fakt ist 2. Diese Zahl hat keinen fes-
Gebärmutter einnisten muss, ren Verhältnis von 10–4 in un- aber, dass die atmosphärischen ten Wert, sondern sinkt mit
damit ein Mensch heranwach- seren Körpergeweben existie- CO2-Banden mit zunehmen- dem Alter des Universums.
sen kann. Der Mensch hat die ren und für Reparaturen zu- der Konzentration stärker ab- 3. Am Ende des Universums
befruchtete menschliche Ei- ständig sind. Fast immer sorbieren. Und die CO2-Kon- ist diese Zahl genau 0.
zelle in die Nährlösung einer funktioniert dieser Mechanis- zentration ist messbar ange- 4. Am Anfang des Univer-
Petrischale gebracht. Ist das mus perfekt, aber manchmal stiegen und steigt weiter. sums war sie unendlich.
normal? eben auch nicht. Deshalb ist Prof. Hans J. Hellebrand, Potsdam Hintergrund: Die natür-
W. J. Fraidling, Bad Wörishofen Stammzellforschung ein bis- lichen Zahlen sind abzählbar
her viel zu wenig beachteter unendlich – in der Theorie –,
Weit reichende Erkenntnisse Aspekt der Krebsforschung. Streit um das Ende wenn aber die Energie des
von der Stammzellforschung Von ihr sind mindestens eben- der Dinosaurier Universums nur eine endli-
Stammzellforschung ist heute so weit reichende Erkenntnis-
Leserbriefe, November 2004
che, wenn auch riesige Menge
so wichtig wie vor hundert se zu erwarten wie von der von Zähloperationen hergibt,
Jahren die Grundlagenfor- Forschung um das therapeuti- Dr. Heißigs Frage nach der zwingt diese Endlichkeit auch
schung in der Chemie. Da- sche Klonen. Ursache dafür, dass Dinosau- zur Erkenntnis der Endlich-
mals hätte ein Ethikrat heuti- Prof. Hans E. Müller, Braunschweig rier ausgestorben sind, nicht keit der natürlichen Zahlen.
ger Prägung ein Moratorium aber die »nahe verwandten« Und da diese Energie sinkt,
gefordert, weil durch die Krokodile, lässt sich nach heu- sinkt damit auch die absolut
Chemie auch Giftgase und Nach uns die Eiszeit tigem Kenntnisstand plausibel mögliche Menge von Zähl-
Sprengstoffe möglich werden. Leserbriefe, November 2004 erklären: Als wechselwarme operationen und damit die
Tiere können erwachsene Kro- Möglichkeit, beliebig große
Herrn Dr. Wedekinds Argu- kodile problemlos mehrere Zahlen darzustellen.
ment ist nicht neu. Richtig Jahre ohne Nahrung überle- Schlimmer: Würde heute
ist, dass die 15-Mikrometer- ben. Dies gilt auch für ein ein Dämon diese größte Zahl
CO2-Bande fast gesättigt ist mehrmonatiges oder sogar berechnen und speichern, gäbe
und bei weiterer CO2-Kon- mehrjähriges Klimachaos nach es nicht nur niemanden mehr,
zentrationszunahme nur noch einem Meteoriteneinschlag. dem genug Energie übrig blie-
Aus urheberrechtlichen Gründen wenig zum Treibhauseffekt Größere Warmblüter haben be, um sie zu lesen, ihr Spei-
können wir Ihnen die Bilder leider beitragen kann. Unrecht hat diese Fähigkeit nicht, und chermedium würde zudem
nicht online zeigen. er, wenn er den CO2-beding- mittlerweile spricht einiges da- von der Hawking-Strahlung
ten Anteil zum Treibhausef- für, dass Dinosaurier Warm- irgendwann zerstört werden.
fekt allein der 15-Mikrome- blüter gewesen sind. Tomas Schweigert, Bergisch-Gladbach
ter-CO2-Bande anlastet. In Es entbehrt daher nicht
Wirklichkeit sind es CO2-Ab- einer gewissen Ironie, dass
sorptionslinien zwischen neun ebenfalls in der November- Magnetantrieb
und elf Mikrometern, die ausgabe ein Hauptartikel über für Raumfahrzeuge
durch die anwachsende CO2- Flugsaurier als »warmblütige Dezember 2004
Konzentration direkt zum Pioniere der Lüfte« erschie-
Treibhauseffekt beitragen. nen ist. Es ist immer wieder ärgerlich,
Hinzu kommt, dass die Falls sich bestätigt, dass wenn wie in diesem Aufsatz
Erde ihr Abstrahlungsmaxi- dieser Befund auch für Dino- auf S. 83 die Schwerelosigkeit
mum als »Schwarzer Strahler« saurier im Allgemeinen gilt, in einer Umlaufbahn als ein
o Die untere Verdickung im Innern bei zehn Mikrometern hat – wäre die Frage von Dr. Heißig Zustand erklärt wird, bei dem
(rot) dieses Keims ist die Quelle für entsprechend der Temperatur damit von selbst beantwortet. sich zwei Kräfte, die Schwer-
embryonale Stammzellen. von 300 Kelvin (Planck’sche Jörg Michael, Hannover kraft und die Zentrifugalkraft,
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zum Beispiel beim Fall im Das Beben vor 9820 Jah- schlechtlich und ungeschlecht- Postfach 10 48 40
Fallturm und beim so ge- ren erfolgte dagegen weniger lich sich fortpflanzenden Ge- D-69038 Heidelberg
nannten Parabelflug mittels spektakulär am Ende der ex- nerationen durch. E-Mail: wessels@spektrum.com
Flugzeugen. tremen Klimaturbulenzen Bei Algen und Farnen ver- Fax: 06221 9126-729
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Dr. Manfred Zier, Ritterhude und dem Beginn der relativ treten noch getrennte Indi-
Vertrieb und Abonnementverwaltung: Spektrum der Wissen- Gesamtherstellung: Konradin Druck GmbH, Leinfelden-Echterdingen
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Dr. Gerhard Trageser f r 12 Hefte; f r Studenten (gegen Studiennachweis) € 65,40. Verbreitung, öffentliche Wiedergabe oder öffentliche Zugäng-
Redaktion: Dr. Klaus-Dieter Linsmeier, Dr. Christoph Pöppe Die Preise beinhalten € 6,00 Versandkosten. Bei Versand ins lichmachung, ist ohne die vorherige schriftliche Einwilligung der
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Übersetzer: An diesem Heft wirkten mit: Gerald Bosch, Dr. Markus Druckunterlagen an: GWP-Anzeigen, Vermerk: Spektrum Lorraine Leib Terlecki (Circulation), Chairman: John Sargent,
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r Die Steinklinge (Pfeil)
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ASTRONOMIE Wirbelsäule zeugt von
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Q Den Anfang macht eine Staubwolke, die einen jungen Stern umgibt und sich
unter der eigenen Schwerkraft allmählich verdichtet. Wegen der Rotation des Sys-
tems wird sie zunächst zu einer Scheibe abgeflacht. Die Teilchen darin kollidieren
dann miteinander und ballen sich so im Lauf
sammen, aus denen schließlich Planeten wie die Erde entstehen. Übrig gebliebe-
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ne kleinere Brocken und T ollisionen sammeln sic
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Soweit das theoretische Bild der Entstehung eines Planetensystems. Wie gut
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es die R ft, ließ sich bisher nicht sicher sagen. Außerhalb des Sonnensys-
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tems konnten die A h nur besc hnappsc
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sem Szenarium beobachten. Einerseits sahen sie sehr junge Sterne mit Staub-
scheiben, andererseits Gasriesen in fertigen Sonnensystemen.
Nun aber gelangen Forschern der Nasa neue, detailliertere Einblicke. Zum ei-
nen entdeckte das Hubble-Weltraumobservatorium eine geriffelte Staubscheibe
ken um einen Stern, der mit 50 bis 250 Millionen Jahren
schon ein Alter erreicht hat, in dem F adien der Planetenbildung ablaufen soll-
ten. hfalls die Erde umkrei-
senden Spitzer-Teleskops bei sechs Sternen im Im fernen Sonnensystem treiben, wie jetzt nachge-
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schon Gasplaneten nachgewiesen worden w heibe aus wiesen wurde, Gesteinsbrocken in einem äußeren
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T eides passt hervorragend zum theoretischen Bild. (Nasa, 9.12.2004) Ring (hier in künstlerischer Darstellun
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M AT E R I A L F O R S C H U N G PHARMAKOLOGIE
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Nanotechnik-Linse nach Krakenart Antibiotikum aus
Q Die Augen des Tintenfisc Jetzt hat ein Team um Eric Baer von der Alge
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Lic der Case Western Reserve University in
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des Menschen. US-Forscher haben das Clev Q Wissenschaftler an der Universität
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Tier deshalb zum Vorbild genommen, Plastikfilme erzeugt, die aus rund 6000 von New South Wales in Sydney haben
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um aus Plastik eine ebenso scharf fo- Lagen zweier unterschiedlich stark bre- einen neuen Typ von Antibiotikum ge-
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kussierende Linse zu konstruieren. Sie chender Kunststoffsorten bestehen. funden und erfolgreich am Erreger der
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setzt sich wie die der Kraken aus eini- Über den relativen Anteil der beiden Cholera getestet.
gen 100 000 e hichten Komponenten variierten die Forscher Es handelt sich um Substanzen aus
mit unterschiedlichem Brechungsindex den Brechungsindex. Schließlich form- den Blättern der Rotalge Delisea pulch-
zusammen. Traditionell bestehen techni- ten sie aus hundert solchen Filmen eine ra, die zur Stoffklasse der Furanone ge-
sche Linsen dagegen aus einem einzi- Kugel. Die Brennw hören. Im Gegensatz zu herkömmlichen
gen durchsichtigen Material – ge chen Linse war genauso kurz wie die Antibiotika zerstören sie die Bakterien
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nernläst.
lich Glas. J er sie Lic des Krak h stark fo- nicht. Sie verhindern nur die chemische
sollen, desto mehr muss ihre Oberfl kussierendes Ex te Kommunikation zwischen ihnen, indem
c as Abmessungen das vierfache Gewicht. sie die Andockstellen für die Botenstof-
und Gewicht hichten Die US-Forscher sehen eine F fe blockieren. Viele Bakterien sind aber
kann dagegen sogar eine flache Scheibe technischer Anwendungen ihrer Nano- auf diesen Informationsaustausch ange-
fokussierend wirken, wenn der Bre- technik-Linse bei Kameras, Teleskopen wiesen. Erst wenn das Signal »Min-
chungsindex zum Rand hin zunimmt. und Sehhilfen – auch weil das Material destmenge im Körper erreicht!« gege-
weich und biegsam ist, sodass sich der ben wird, produzieren sie jene Toxine,
Brennpunkt einfach und schnell durch welche die schweren Krankheitssymp-
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Blätter archivieren
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Gebirgsbildung
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Q Wenn Wissenschaftler die einstige
H he von Bergen bestimmen wollen,
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k nnen sie jetzt eine neue Methode
benutzen: Sie z hlen die Poren auf der
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Unterseite fossiler Bl tter. Durch diese
so genannten Stomata nehmen Pflan-
zen Kohlendioxid auf, das sie f r die
Photosynthese ben tigen. Weil die Luft
in bergigen H henlagen d nn ist, gibt
es dort weniger Molek le des Gases.
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Um diesen Mangel auszugleichen, bil-
den die Bl tter mehr Poren als im Flach-
land. Die Anzahl der Stomata ist also
ein Indikator f r die H he, in der die
Pflanze w chst.
Die Geologin Jennifer McElwain am
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Methode am Beispiel der Kalifornischen
Schwarzeiche (Quercus kelloggii), die in
dem breiten H heng rtel von 50 bis
2500 Metern ber dem Meer gedeiht.
Untersuchungen an heutigen Bl ttern
aus bekannten H hen ergaben eine
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WAHRNE HMU NG Fehlermarge von nur 300 Metern.
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TY Außerdem zeigte McElwain an einer
Blinder ahnt Mimik
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Q Sch den in der Sehrinde k nnen ge- auch r ckwirkend verl sslichen Auf-
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nauso blind machen wie Zerst rungen schluss ber die Auffaltung und Erosion
im Auge. Allerdings erkennt das Gehirn von Bergz gen gibt.
in diesem Fall anscheinend trotzdem (Geology, 30.11.2004, S. 1017)
gewisse Aspekte des Gesehenen. Ei-
nen Beleg daf r lieferte jetzt ein Team
um Alan Pegna von der Universit t von u In 400-facher Vergrößerung werden auf einem
Wales in Bangor. Es untersuchte einen Eichenblatt die bohnenförmigen Stomata (Poren)
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Mann, der erblindet war, weil zwei . Ihre Zahl steigt mit
Schlaganf lle seine Sehrinde fast v llig der Höhe, in der die Pfl
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o zerst rt hatten. Obwohl der Patient die
der Rotalge Delisea pulchra hemmen die Kommu- Gesichter auf 200 dargebotenen Fotos
nikation bei Cholera-Bakterien: Die Furanone (hier nicht wahrnehmen konnte, erkannte er
gelb fluoreszierend) können aus den Dr senzel- mit einer Trefferquote, die deutlich h -
MIT FREUNDLICHER GENEHMIGUNG VON THE FIELD MUSEUM, CHICAGO
len extrahiert werden. her lag als der Zufallswert, den emotio-
nalen Ausdruck. Scans der Hirndurch-
blutung zeigten den wahrscheinlichen
brauchte Waffe hochwillkommen. Diane Grund daf r. Emotionen in den Gesich-
McDougald und ihre Mitarbeiter in tern ließen eine Hirnregion aktiv wer-
Sydney sind davon berzeugt, dass die den, die als Amygdala (Mandelkern)
Furanone aus der Rotalge auch gegen bezeichnet wird. Ihre Aufgabe ist es,
andere Bakterien wie die Erreger der den emotionalen Gehalt sensorischer
FOTO: JENNIFER MCELWAIN,
Die Tsunami-Katastrophe
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Erhebung bewegt sich dann ringartig
nach allen Seiten als Welle davon.
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Etwas Ähnliches passiert, wenn
man einen Stein in einen Teich wirft.
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Dank seismischer Überwachung sowie moderner Computer- und
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Allerdings hat der »Stein« hier einen
Satellitentechnik ließen sich Ursache, Verhalten und Auswirkungen Durchmesser von mehreren Dutzend
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der verheerenden Flutwelle im Indischen Ozean akribisch dokumen- Kilometern und der »Teich« eine Tiefe
von fünf Kilometern. Entsprechend
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tieren − nur die Vorwarnung funktionierte nicht. groß ist die Wellenlänge der Woge. Ein
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Tsunami unterscheidet sich deshalb
Von Gerhard Trageser Sperre aufbricht und die aufgestaute völlig von dem kleinräumigen Kräuseln
h freigesetzt wird. Dann der Meeresoberfläche, das der Wind
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Q Am 26. Dezember ereignete sich bewegt sich die wieder entriegelte oder ein Sturm verursacht. Vielmehr
kurz vor acht Uhr morgens Ortszeit Platte sc k schwappt wie in einem bewegten Tank
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unter dem Meeresgrund westlich der weiter. Das geschah jetzt, wie die Geo- ein riesiger Wasserkörper als Ganzes
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indonesischen Insel Sumatra ein Erd- e des Erdbe- hin und her − mit der Geschwindigkeit
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beben der Stärke 9,0. Die resultieren- bens und der Lage der Nachbeben eines Flugzeugs.
de Flutwelle löste die wohl größte Na- sc en, an einem insgesamt etwa Das hat paradoxe Konsequenzen:
turkatastrophe der jüngeren Mensch- 1200 k des Sun- Da sich synchron derart viel Wasser
heitsgeschichte aus − mit vermutlich dagrabens. bewegt, muss die Welle nicht sehr
mehr als 150 000 Todesopfern in den Computersimulationen des Ereig- hoch sein, um dennoch eine giganti-
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nisses ergaben, dass in der Umgebung sche Energiemenge zu transportieren.
des Indischen Ozeans. des Bebenherds selbst, der 18 Kilome- Auf dem freien Meer ist sie deshalb
Ursache w ter unter dem Meeresboden liegt, die kaum gefährlich, ja für ein Schiff, dem
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ßen die ruckartige Verschiebung zweier beiden Kr ke beim ersten gro- sie begegnet, praktisch nicht spürbar:
ke der Erdkruste. Vor dem on hun- Es wird nur unmerklich angehoben
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Nordwesten Sumatras taucht an einer dert Kilometern um bis zu zwanzig und wieder abgesenkt. Ihre Gewalt
so genannten Subduktionszone − dem Meter aneinander entlangglitten. Am entfaltet die Welle erst, wenn ihre
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Sundagraben − die Indische unter die Meeresgrund war die Bewegung nicht Front in flacheren Regionen in Küsten-
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Birma-Platte ab. Gelegentlich verhakt mehr ganz so stark. Hier hob sich die nähe abgebremst wird. Das von hinten
sie sich dabei und steckt fest. Die Birmaplat nachdrängende Wasser staut sie dann
Spannung steigt dann so lange, bis die verrutschte seitlich um maximal elf immer mehr auf, sodass sie Höhen
Meter. von zehn Metern und mehr erreichen
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Dennoch reic he kann. Besonders fatal sind dabei fla-
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Bodenbewegung aus, um die verhee- che, sanft abfallende Küsten, wie sie in
rende Monsterw ach- den Touristenparadiesen am Indischen
leute sprechen von Tsunami − ein Ozean vorkommen. Das erklärt die
Wort, das die J enormen Verwüstungen und vielen
deren Inselst g von solchen Todesopfer.
Wellen heimgesucht wird. Wenn sich Die Küste vor einem starken Tsuna-
der Meeresboden ruckartig hebt, wirkt mi schützen zu wollen ist praktisch
das wie eine Faust, die das Wasser aussichtslos. Den Menschen bleibt nur
h nac kt. Kurzfristig die rechtzeitige Flucht. Leider schlägt
entsteht eine h, da die Welle aber buchstäblich aus heite-
Wasser nicht formstabil ist, sofort wie- rem Himmel zu. Immerhin kann man
die kurze Zeitspanne zwischen dem
seismischen Nachweis des Bebens
l Erstmals konnten auch Satelliten den Verlauf und dem Eintreffen der Woge für eine
einer Tsunami-Katastrophe dokumentieren. Aller- Vorwarnung nutzen. Im Pazifik, in dem
dings waren die meisten nicht zur rechten Zeit am öfter Tsunamis auftreten als im Indi-
richtigen Ort, um das Anbranden der Welle selbst schen Ozean, existiert schon seit Jahr-
aufzunehmen. Sie lieferten lediglich nachträglich zehnten ein entsprechendes System.
schockierende Bilder von den Verwüstungen. Nur Im Indik soll es nun schnellstens auf-
der Satellit Quickbird der Firma Digital Globe er- gebaut werden − für die Hunderttau-
wischte den Zeitpunkt des Zurückflutens der ers- sende jetzt gestorbener und verletzter
ten Welle bei der Stadt Kalutara an der Westküs- Menschen zu spät.
DIGITAL GLOBE
US GEOLOGICAL SURVEY
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Vertikalbewe-
gung in Metern
Horizontal-
bewegung in Metern
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4
3 8
Nachbeben %URASISCHE
2 6 0LATTE
1 5 ,7 0 – 5 ,9 0
4
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5 ,9 1 – 6 ,4 0
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–2 0 6 ,4 1 – 6 ,9 0
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6 ,9 1 – 7 ,3 0
Subduktion SZONE
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
Zeit in Stunden
NOAA PACIFIC MARINE ENVIRONMENTAL LABORATORY
"IRMAPLATTE
)NDISCHE
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0LATTE
.IKOBAREN
3UN
DAG
o Bei einer Geschwindigkeit von etwa 700 Kilometer pro Stunde erreich-
RAB
te die Tsunamiwelle nach etwa zwanzig Minuten Sumatra, nach drei Stun- -ALAKKA
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den Indien und nach acht Stunden Somalia am Horn von Afrika.
%PIZENTRUM
3UMATRA
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!USTRALISCHE
0LATTE
o Auf dem freien Meer war die Tsunamiwelle maximal vier Meter hoch, o Der verheerende Erdstoß am 26. Dezember (Stern) und die Nachbeben er-
an der K ste Sumatras erreichte sie dagegen mehr als zehn und selbst eigneten sich an einem Abschnitt des Sundagrabens, an dem die Indische Plat-
am Horn von Afrika noch vier Meter Höhe. te unter die Birma-Platte abtaucht.
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Als die Forscher mit dieser Methode noch vor zwei Millionen Jahren flüssiges Auch Gletscher bis
die Calderen fünf großer Schildvulkane Vulkangestein aus. o vor Kurzem noch die Marsoberfl -
datierten, erlebten sie eine Überra- Ebenso überraschend war ein ande- che. Das belegen zum Beispiel zungenar-
schung: Die Böden dieser Gipfelkrater rer Befund: Marsvulkane bleiben offen- tige Ablagerungen an einem Steilhang an
erwiesen sich meist als geradezu blut- bar um Größenordnungen länger aktiv der Westseite von Olympus Mons (mitten
jung. Calderen entstehen durch Einsturz als ihre irdischen Gegenstücke. »An den und links im Bild). Sie enthalten so wenig
eines Hohlraums in der unterirdischen Flanken von Olympus Mons konnten Einschlagkrater, dass sie als zwei
Magmakammer, wenn der Druck des wir Lavaströme datieren, die zwischen Millionen J
Deckgesteins zu groß wird. Bislang war 3800 und weniger als 100 Millionen
vermutet worden, dass die vulkanische Jahre alt sind. Das umfasst rund achtzig
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Aktivität auf dem Mars schon vor Lan- Prozent des Planetenalters«, so Neukum.
gem – einem Zeitraum in der Größen- Ähnliche Beobachtungen machten die haupt, dann sollte es höchstens vor sehr
ordnung von Milliarden Jahren – im Forscher auch auf der gegenüberliegen- langer Zeit einmal Wasser dort gegeben
Wesentlichen zum Erliegen kam. In jün- den Marsseite am Vulkan Hecates Tho- haben. Jüngst zeigte sich allerdings be-
gerer geologischer Vergangenheit sollten lus in der Elysium-Region. Bei Erdvul- reits, dass die Polkappen keineswegs, wie
allenfalls noch kleinere lokale Ausbrüche kanen liegen zwischen erstem Ausbruch bisher angenommen, vollständig aus ge-
stattgefunden haben. und Erlöschen in der Regel weniger als frorenem Kohlendioxid bestehen und
Doch die Neudatierung zeichnet nun eine Million Jahre. dass in weiten Bereichen des Bodens ver-
ein anderes Bild: »Unsere Analyse zeigt, mutlich auch heute noch ein unterirdi-
dass noch vor etwa 100 bis 200 Millio- Spuren fr herer Gletscher scher Eishorizont existiert.
nen Jahren vier der fünf untersuchten Aber nicht nur Feuer hat noch bis vor »Wir sehen glaziale Strukturen an
Vulkane in ihren Gipfelcalderen aktiv Kurzem die Oberfläche des Mars ge- vielen Stellen der Marsoberfläche, auch
waren – und zwar in beiden Vulkanregi- prägt, sondern auch Eis. Dieses zweite in gemäßigteren Breiten näher am Mars-
onen«, erklärt Neukum. Auch einige La- Ergebnis, das die Auswertung der hoch- äquator«, erklärt Ralf Jaumann vom
vaströme an den unteren Flanken von aufgelösten HRSC-Bilder jetzt erbrach- Deutschen Zentrum für Luft- und
Olympus Mons erwiesen sich als er- te, ist umso frappierender, als der Rote Raumfahrt (DLR) in Berlin. »Das ist
staunlich jung. Demnach trat dort vor Planet noch bis vor ein, zwei Jahren als kein lokales Phänomen.« Spuren von
25 Millionen und in einem Fall sogar staubtrockene Wüste galt. Wenn über- Vergletscherungen finden sich außer in
am 21 Kilometer hohen Olympus Mons, sis der Eisdecken schmelzen ließ, sodass vorkommen im Untergrund geschmol-
dem größten Marsvulkan. Seine Caldera sie abrutschten. Spuren solcher Vorgänge zen haben. Das Wasser wäre dann an der
liegt auf etwa zwanzig Grad nördlicher finden sich auch an den Flanken von Oberfläche ausgetreten und dort wieder
Breite. Am Fuß seiner westlichen Flanke Hecates Tholus. gefroren. Als fließender Gletscher hätte
erstrecken sich lappenartige Ablagerun- Olympus Mons fällt an seiner West- es schließlich die heute sichtbaren For-
gen, die schon früher als Spuren von seite fast senkrecht um mehrere Kilome- men erzeugt.
Vergletscherungen gedeutet wurden. ter ab. An diesem Steilhang entdeckten Jaumann verweist jedoch auf Mo-
Mit den HRSC-Bildern ließ sich das die Berliner Forscher auf den HRSC-Bil- dellrechnungen des französischen Astro-
nicht nur bestätigen; die Forscher konn- dern zungenartige Ablagerungen, die sie physikers Jacques Laskar, wonach sich
ten diese Strukturen nun auch datieren. gleichfalls als Gletscher-Relikte deuten. die Bahnparameter des Mars und die
Dabei stellten sie fest, dass es mehrere Diese Formen müssen extrem jung sein: Neigung seiner Rotationsachse – wie bei
Vergletscherungsphasen gab. Die größ- Sie weisen so wenig Einschlagkrater auf, der Erde – periodisch ändern. Vor allem
ten Ablagerungen stammen aus einer dass sie mit der beschriebenen Methode die Achsneigung, die für die Jahreszeiten
Zeit vor 130 bis 280 Millionen Jahren, nicht mehr zuverlässig datierbar sind. verantwortlich ist, schwankt demnach
kleinere Einheiten sind dagegen nur zwi- Entlang der Oberkante des Steilhangs im Laufe einiger Millionen Jahre be-
schen 20 und 60 Millionen Jahre alt. An hat Neukum in rund 7000 Meter Höhe trächtlich – deutlich stärker als bei unse-
einigen Orten finden sich sogar Spuren, mögliche Überreste von Schnee ausge- rem Planeten. Das könnte drastische Kli-
die erst vor vier Millionen Jahren ent- macht, die durch eine Staubschicht da- maschwankungen auslösen. In Phasen
standen. vor geschützt sein könnten, in der dün- hoher Achsneigung hätten sich die pola-
nen Marsatmosphäre zu sublimieren. ren Eisvorkommen dann immer wieder
Schnee am Olymp? Worum es sich wirklich handelt, sollen großräumig in äquatornahe Regionen
Die Forscher schließen daraus, dass die künftige Beobachtungen mit dem Radar verlagert. »Mit den verbreitet auftreten-
Hänge von Olympus Mons noch bis vor und dem Bordspektrometer der Express- den Gletscherspuren haben wir auf der
Kurzem von Schnee- und Eismassen be- Sonde klären. Marsoberfläche vermutlich die reale Ent-
deckt waren, die episodisch wuchsen Den Datierungen zufolge zeigen so- sprechung dieser theoretischen Ergebnis-
und wieder schrumpften. Manchmal wohl die vulkanische Aktivität als auch se gefunden«, meint Jaumann.
stießen die Gletscher bis in die Niede- die Vereisungen ein episodisches Muster.
rungen vor und deponierten dort größe- Das muss aber nicht heißen, dass beide Thorsten Dambeck ist Physiker und Wissenschafts-
re Mengen Gesteinsschutt. Neukum hält Phänomene ursächlich zusammenhän- autor in Berlin.
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HALB LEITER PHYS I K Daten würden Photonen dienen. Doch
bis dieser Superrechner auf unserem
Mikrochip mit eingebautem Schreibtisch steht, gilt es noch einige
Hürden zu überwinden. Ist die Koppe-
Quantenlabor lung mehrerer Atome in einem Festkör-
per schon schwierig genug, so wirft die
Weiterleitung von Informationen aus
Erstmals ist die quantenmechanische Kopplung eines Halbleiterkris- Quantenspeichern ein viel grundlegen-
talls mit einem Lichtquant gelungen – Voraussetzung f r den ultima- deres Problem auf: Quantenzustände las-
sen sich gewöhnlich nicht exakt kopie-
tiven Rechner: den optoelektronischen Quantencomputer.
ren und folglich auch nicht auf einfache
Weise auf Photonen übertragen. Das ge-
Von Stefan Maier auch ein Supercomputer bauen, der be- lingt nur, wenn die Speicheratome selbst
stimmte Rechenoperationen wie etwa mit den Lichtphotonen quantenmecha-
14 Q
SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT FEBRUAR 2005
schungen auf diesem Gebiet bisher
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T. YOSHI ET AL., NATURE, BD. 432, S. 201
Axel Scherer und seine Mitarbeiter
raumgroße Aufbauten erforderten. r am California Institute of Technolo-
Um Atome mit Photonen zu kop- gy in Pasadena ein
peln, muss man sie mit einem Resonator Lochgitter in Galliumarsenid. So erzeug-
umgeben: einem von Spiegeln einge- ten sie einen photonischen Kristall, der
schlossenen Raum, in dem Lichtstrahlen Licht einer bestimmten W
viele Male hin- und hersausen und sich undurc ist. Um daraus einen Reso-
dabei verstärken, wenn ihre Frequenz nator zu machen, ließen sie einige her
mit der Resonanzfrequenz des Käfigs zu- aus. Den Quantenpunkt brachten sie
sammenfällt. Gut bekannte Beispiele aus durch Abscheidung von Atomen aus der
Akustik und Optik sind die Resonanz- Gasphase ein.
körper von Instrumenten wie der Geige
oder der Laser.
Innerhalb des letzten Jahrzehnts ha-
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ben es Forscher geschafft, Resonatoren quenz der Photonen mit einer Resonanz
aus Halbleitern herzustellen, die klein zusammenfällt. Doch ihre »Spiegel« sind
genug sind, dass sie sich auf Chips inte- nicht gut genug, um ein einzelnes Pho-
grieren lassen. Sie finden sich heute ton so lange festzuhalten, dass es durch
schon in allgegenwärtigen Geräten wie mehrfache Absorption und erneute
CD- und DVD-Spielern und dienen als Emission quantenmechanisch mit dem
Verstärker in der Telekommunikation künstlichen Atom gekoppelt wird.
mit Glasfasern. Eine solche »starke Kopplung« ließ
sich bisher nur mit raumgroßen Aufbau-
Mangelhafter Käfi otonen ten erreichen. Dabei durchqueren Ato-
Zudem ist es gelungen, Strukturen in me, kontrolliert von Magnetfeldern und nahme von Supraleitern, was eine tech-
Chips zu erzeugen, die sich genau wie Laserstrahlen, im Vakuum nacheinander nische Anwendung in herkömmlichen
Atome zur Aussendung von Photonen einen Resonator, der Photonen mittels optoelektronischen Geräten beträchtlich
bestimmter Frequenzen anregen lassen. Spiegeln festhält, die mit teuren Reflexi- erschweren würde. Den endgültigen Er-
Physiker sprechen von Quantenpunkten. onsbeschichtungen überzogen sind. Da folg erzielten erst jetzt unabhängig von-
Im Prinzip sollte es also möglich sein, die Atome ihn aber schnell wieder verlas- einander eine Forschergruppe um Axel
über einen Mikroresonator geeigneter sen, dauert die Kopplung mit den Pho- Scherer am California Institute of Tech-
Form und Größe eine quantenmechani- tonen nur kurz. Außerdem schließt die nology in Pasadena und um Alfred For-
sche Kopplung zwischen einem Photon komplizierte Apparatur eine technische chel an der Universität Würzburg. Auf
und einem solchen Quantenpunkt zu er- Anwendung praktisch aus. unterschiedlichen Wegen konnten sie
reichen. Wissenschaftler in aller Welt bemü- aus dem in der Industrie vielfach einge-
In der Praxis hat sich das jedoch als hen sich deshalb schon seit über einem setzten Halbleiter Galliumarsenid erst-
schwierig herausgestellt. Der Grund ist Jahrzehnt, das gleiche Kunststück auch mals so perfekte Mikroresonatoren her-
die unzulängliche Qualität der Mikrore- auf einem Chip zu vollbringen. Im Früh- stellen, dass sich damit ein Photon an ei-
sonatoren. Die besten können zwar die jahr 2003 gab es schließlich eine erste nen Quantenpunkt koppeln ließ.
Lichtemission darin eingebauter Quan- Erfolgsmeldung. Allerdings gelang die Die Gruppe um Scherer ätzte mit re-
tenpunkte verstärken, wenn die Fre- Kopplung damals nur unter der Zuhilfe- aktiven Gasen in Abständen von etwa
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g Beide Forschergruppen konnten das ver-
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doch erst jetzt gelang es, die Geometrie M EDIZ I N
der Löcher exakt genug zu berechnen
und auf dem Galliumarsenid hinrei-
chend genau zu realisieren. Den Quan- Viren missbrauchen
tenpunkt brachten die Forscher dann
mittels Epitaxie – Abscheidung von Ato- Immunzellen als Schutzschild
men aus der Gasphase – in den Resona-
tor ein. Bei der Abwehr von Eindringlingen läuft die Körperpolizei Gefahr,
Forchels Gruppe hingegen konstru- versehentlich eigenes Gewebe zu attackieren. Deshalb wird sie streng
ierte eine etwa zwei Mikrometer dicke
berwacht. Bestimmte Viren manipulieren diese Kontrolle, sodass sie
und zehn Mikrometer hohe Säule (Bild
oben). Die Quantenpunkte befanden selbst verschont bleiben.
sich in der Mitte und waren wie bei ei-
nem Sandwich zwischen zwei Regionen
gepackt, in denen sich ungefähr zwan- Von Ulf Dittmer erkennen und zu zerstören, wobei sie zu-
zig dünne Schichten aus Gallium- und gleich auch den Erreger beseitigen.
Aluminiumarsenid abwechselten. Diese
Schichtfolgen wirkten als Spiegel und
verwandelten die Säule in einen perfek-
C hronische Viruserkrankungen sind
ein großes medizinisches Problem.
Allein mit Hepatitisviren und dem Hu-
Wie sich Herpesviren dem Zugriff
der Immunpolizei entziehen, ist schon
seit Langem bekannt: Sie erzeugen Pro-
ten Resonator. man-Immunschwäche-Virus (HIV) sind teine, die verhindern, dass infizierte Zel-
Für die Versuche mussten die For- weltweit mehr als 500 Millionen Men- len Komponenten des Virus auf ihrer
scher ihre Apparaturen noch auf Tempe- schen dauerhaft infiziert: Sie tragen den Oberfläche präsentieren. Dadurch kann
raturen zwischen zehn und dreißig Grad Erreger lebenslang in sich und verbreiten die Körperabwehr diese Zellen nicht als
Kelvin abkühlen, um störende thermi- ihn weiter. Die von solchen persistieren- befallen erkennen.
sche Effekte zu vermeiden. Dann regten den Viren verursachten Krankheiten wie Bei Retroviren, zu denen HIV ge-
sie die Quantenpunkte durch einen La- Aids oder Hepatitis treten meist erst hört, vermuteten die Biologen bisher da-
serstrahl an und analysierten mit einem während der chronischen Infektion auf. gegen eine andere Taktik, um durch die
Spektrografen das von ihnen ausgesand- Die klinischen Symptome kurz nach der Maschen des Immunnetzes zu schlüpfen.
te Licht. Dessen Frequenz konnten sie Ansteckung sind dagegen harmlos. Diese Erreger zeichnen sich durch eine
durch Variation der Temperatur auf die Um sich auf Dauer in einem Wirt hohe genetische Variabilität aus. Deshalb
Resonanzfrequenz des Mikroresonators einnisten zu können, muss ein Virus der nahm man an, dass sie, sobald das Im-
abstimmen. Zerstörung durch das Immunsystem ent- munsystem sie als Fremdkörper erkannt
Dass es wirklich zu einer starken gehen. Die größte Gefahr droht ihm von und Abwehrmaßnahmen eingeleitet hat
Kopplung zwischen jeweils einem Quan- den so genannten zytotoxischen T-Lym- – was ein bis zwei Wochen dauert –, ihr
tenpunkt und einem Photon kam, be- phozyten. Diese »Killer« sind darauf spe- äußeres Erscheinungsbild ändern und
wiesen die aufgefangenen Emissionslini- zialisiert, virusinfizierte Körperzellen zu sich in neuem Gewand präsentieren.
16 Q
SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT FEBRUAR 2005
Doch jetzt haben meine Mitarbeiter und Zum anderen werfen sie sich selbst ins infizierte Zellen ab noch produzierte es
ich einen noch raffinierteren Mechanis- Getümmel und nehmen zytotoxische T- antivirale Substanzen (so genannte Inter-
mus entdeckt, wie diese Viren ihr Über- Lymphozyten an die Kandarre. Dazu tra- ferone), mit denen es normalerweise
leben im Körper sichern. gen sie Oberflächenmoleküle wie CTLA- Helfer rekrutiert. Das lässt sich nur da-
Demnach büßen auch bei Infektio- 4, mit dem sie an die Killer andocken mit erklären, dass die regulatorischen T-
nen mit Retroviren die zytotoxischen T- und sie zur Räson bringen können. Lymphozyten, auf irgendeine Weise von
Lymphozyten ihre Schlagkraft ein; aber Nach neuesten Forschungsergebnis- den Viren angestachelt, den Killern qua-
im Unterschied zu den Herpesviren ist sen meiner Gruppe, die wir in Koopera- si in den Arm fallen.
der Grund diesmal nicht, dass sie infi- tion mit dem Team von Kim J. Hasen- Das Faszinierende an diesen Befun-
zierte Zellen nicht erkennen. Stattdessen krug in den Rocky Mountain Laborato- den ist, dass sie viel versprechende neue
spielen die Erreger, bildlich gesprochen, ries des National Institute of Allergy and Ansätze für die Therapie chronischer Vi-
verschiedene Abteilungen der Immun- Infectious Deseases in Hamilton (Mon- rusinfektionen bieten. Bei Mäusen ge-
polizei gegeneinander aus. Zum Abwehr- tana) erhielten, schaffen es persistierende lingt es bereits, die Funktion von regula-
system des Körpers gehören nämlich Retroviren offenbar, die fein austarierte torischen T-Lymphozyten durch einen
auch Komponenten, die gleichsam als Balance zwischen der Aktivität der Killer Antikörper zu blockieren. Dieser heftet
Oberaufseher die Aktivität der anderen und ihrer Zügelung durch die regulatori- sich an einen bestimmten Rezeptor auf
T-Zellen kontrollieren. Hinweise auf ihre schen T-Lymphozyten zu kippen. Die den Treg-Zellen und setzt sie so für eini-
Existenz gab es schon Anfang der 1980er Kontrolleure verhindern dann nicht nur ge Tage außer Gefecht. Dadurch können
Jahre. Damals wurden sie unter dem Na- ein Überschießen der Immunreaktion, die zytotoxischen T-Lymphozyten wieder
men Suppressor-T-Zellen beschrieben. sondern unterdrücken sie völlig. Da- aktiv werden. Als Folge davon geht die
Aber da es nicht gelang, sie experimen- durch können befallene Zellen nicht Anzahl an virusinfizierten Zellen im Tier
tell eindeutig nachzuweisen, gerieten sie mehr abgetötet werden und die Infekti- drastisch zurück.
wieder in Vergessenheit. on wird chronisch. Da die Treg-Zellen nur vorüberge-
Shimon Sakagushi von der Universi- hend blockiert werden, birgt diese The-
tät Kioto hat sie dann 1995 wiederent- Abwehr formiert sich, aber hält still rapie kaum die Gefahr, Autoimmuner-
deckt und regulatorische T-Lymphozy- Wie persistierende Retroviren dieses krankungen auszulösen. Derzeit arbeiten
ten (Treg) genannt. Ihre Hauptaufgabe Kunststück im Einzelnen vollbringen, wir daran, sie so weit zu verbessern, dass
ist es, Säugetiere vor einem Angriff des haben wir noch nicht herausbekommen. die persistierenden Viren völlig ver-
Immunsystems auf gesundes körpereige- Allerdings ergaben unsere Experimente schwinden. Zu diesem Zweck kombinie-
täEsen.istProfesorfüV
nes Gewebe zu schützen und so Auto- an Mäusen, dass die zytotoxischen T- ren wir die Antikörper-Blockade der Treg
immunerkrankungen zu verhindern. Zu Lymphozyten noch sehr wohl fähig sind, mit einer Impfung, welche virusspezifi-
diesem Zweck überwachen die Treg vor virusbefallene Zellen zu erkennen. Bei sche Killerzellen gezielt aktiviert. Bei ei-
allem die Funktion der zytotoxischen T- den Versuchen übertrugen wir chronisch nem Erfolg bestünde erstmals Hoffnung,
Lymphozyten. Diese sind ja auf die Zer- infizierten Nagern Killerzellen, die auf chronisch verlaufende Infektionskrank-
störung von – virusinfizierten oder ent- den Erreger spezialisiert waren. Wie wir heiten wirksam behandeln zu können –
arteten – Körperzellen spezialisiert und feststellten, vermehrten sich die Virusjä- ein lang gehegter Wunschtraum der Me-
können somit sehr gefährlich werden, ger in dem befallenen Tier, als würden dizin ginge endlich in Erfüllung.
wenn sie außer Kontrolle geraten. Tat- sie zu einem massiven Schlag ausholen.
sächlich entwickelten Mäuse ohne Treg- Doch dann geschah nichts weiter: Weder Ulf Dittmer irologie an der Universi-
Zellen, die Sakagushi und Kollegen ex- tötete das stark angewachsene Killerheer
perimentell erzeugten, eine Vielzahl von
KIM J. HASENKRUG / NIAID
Autoimmunerkrankungen.
Während einer akuten Virusinfektion
müssen sich die zytotoxischen T-Lym-
phozyten besonders stark vermehren und
aktiviert werden, um die Eindringlinge in
Schach zu halten. Das aber erhöht das
Risiko, dass sie im Übereifer auch nor-
male körpereigene Zellen attackieren.
Um diese Gefahr zu bannen, zügeln die
Treg die Killer. Das erreichen sie auf zwei-
erlei Weise: Zum einen scheiden sie einen
Botenstoff namens Interleukin-10 aus,
der die Immunreaktion generell dämpft.
»Das ist der Teufel!«, polterte vor nicht inzwischen mehrere tausend Euro im
allzu langer Zeit Harold Varmus, Mitbe- Jahr. Das Geld fließt in die Kassen der
gründer der Public Library of Science hoch profitablen Verlage: So wies etwa
(PLoS), als in einem Interview der Name Elsevier im Geschäftsbericht 2003 eine
von Derk Haank fiel. Der war damals Umsatzrendite von 33,8 Prozent aus.
Chef der Wissenschaftssparte Elsevier Problematisch ist dabei, dass die wis-
20 Q
SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT FEBRUAR 2005
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schied zu Non-Profit-Organisationen ent zu brechen und auf diese Weise zu tivschablone der späteren Säulenstruktur
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wie PLoS wollen die Großverlage Ge- fokussieren. Der Trick: Man reihte viele aus Metall und legen diese auf den
winn machen und haben zudem in den Linsen aneinander. Dabei mussten die Kunststoff. Dann richten sie einen ex-
letzten Jahren Millionen in Onlineplatt- Physiker freilich Materialien verwenden, trem starken Röntgenstrahl darauf, der
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formen und in die Digitalisierung ihrer
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riesigen Archive investiert. Diese Sum-
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men gilt es wieder hereinzuholen –
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notfalls durch überhöhte Abdruckge-
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bühren für die Autoren. Das wäre dann Mit diesen gut einen Millimeter ho-
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ein Pyrrhussieg, und Varmus hätte
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abermals Grund, verbal den Teufel zu in einer Richtung – also
FORSCHUNGSZENTRUM KARLSRUHE
FORSCHUNGSZENTRUM KARLSRUHE
keln liefert ein Linsensystem, das die ein-
fallende Strahlung in zwei Richtungen
fokussiert und sie somit auf einen Punkt
stat
FORSCHUNGSZENTRUM KARLSRUHE
durch die sich die Moleküle untereinan- linsen gleichsam am Fließband fertigen
der vernetzen. Einen weiteren Vorzug sieht Mohr
Nach dem Entfernen der Schablone darin, dass man mit der Lithografie sehr
legen die Forscher den Kunststoff in eine dicht gepackte Säulenstrukturen herstel-
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Mischung aus Ether, Glykol und Wasser. len kann: Der Abstand der einzelnen
Darin lösen sich an den abgedeckten Linsenelemente beträgt nur zwei Mikro-
Stellen, zu denen keine Röntgenstrahlen meter. Dadurch verkürzt sich der Weg,
vorgedrungen sind, die unveränderten, den das Röntgenlicht durch den Kunst- Verschiedenartige Linsensysteme,
also nicht vernetzten Polymer-Moleküle. stoff zurücklegen muss, und es geht we- o die nebeneinander auf einer Platte
Übrig bleibt nur die in der Negativscha- niger davon durch Absorption verloren. angeordnet sind, bilden eine Art Wechsel-
blone vorgegebene Säulenstruktur. objektiv Ihre Brenn-
»Unsere Herstellungsmethode hat Linsen per Lithografie weite variiert mit der Anzahl und Form
mehrere wichtige Vorteile«, sagt Jürgen Am Karlsruher Forschungszentrum ist der aneinander gereihten Einzellinsen.
Mohr aus dem Karlsruher Team, »zum man derzeit noch dabei, die neuen Lin-
einen ist der Kunststoff SU-8 in seiner sen zu testen und abzuschätzen, wo sie
vernetzten Form sehr beständig gegen- sich überall einsetzen lassen. Dabei ar-
über Röntgenlicht – unsere Linsen ha- beitet das Team um Saile eng mit ande- in Zellen sichtbar machen. Das gelingt
ben also einen geringen Verschleiß. Zum ren Forschergruppen zusammen. »Inte- zwar im Prinzip auch heute schon mit
anderen erreichen wir eine große Genau- resse an unseren Linsen besteht auf der Elektronenmikroskopen, aber die Strah-
igkeit bei der Herstellung und damit ganzen Welt«, berichtet Mohr. lenbelastung ist dabei viel größer, sodass
eine hohe optische Qualität.« Bisherige Eine Anwendungsmöglichkeit wäre die Präparate oft zerstört werden.
Röntgenlinsen bestehen zum Beispiel aus ein Röntgenmikroskop, das noch Details Auch Astronomen dürften sich über
hintereinander angeordneten Folien aus von einigen Nanometern auflöst. Biolo- die Karlsruher Neuentwicklung freuen.
Beryllium, in die mit Kugeln Vertiefun- gen könnten damit winzige Strukturen Es gibt bereits Satellitenteleskope im All,
die das Universum im Röntgenbereich
ablichten. Solche Instrumente könnten
mit den neuen hochpräzisen Linsen
noch schärfere Aufnahmen liefern.
Anwendungen eröffnen sich schließ-
lich auch in der Forensik sowie bei der
Untersuchung alter Dokumente oder
Gemälde. Da die Karlsruher Linsen eine
Fokussierung auf einen Punkt von nur
400 Nanometer Durchmesser erlauben,
lassen sich selbst winzige Pigmentreste
oder andere Spuren gezielt einzeln analy-
sieren. Das kann helfen, beispielsweise
Fälschungen zu entlarven oder über die
Art der Tinte die Urheberschaft oder das
Entstehungsdatum eines Schriftstücks zu
klären. So können auch die Geisteswis-
senschaften von den neuen Röntgenlin-
sen profitieren.
22 Q
SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT FEBRUAR 2005
Springers
EINWÜRFE von Michael Springer
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Laufende Menschwerdung
Erst rasche Fortbewegung zu Fuß brachte den Affen
evolution r voran.
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Wann ist der Mensch ein Mensch? Wenn der nackte Affe
den aufrechten Gang praktiziert? Den Daumen abspreizt?
Wenn er Werkzeuge herstellt und anwendet? Wenn er,
statt vor sich hin zu grunzen, mit seinen Artgenossen arti-
kuliert spricht?
Wir suchen und finden gern Gr nde, uns von unseren n chsten Verwandten
abzugrenzen. Gerade deren stammesgeschichtliche N he macht sie uns irgend-
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wie peinlich. Man beobachte nur einmal, wie der Gesichtsausdruck von Men-
schen, die im Zoo dem Treiben der Primaten zusehen, zwischen Spott und Verle-
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genheit changiert. Mich laust der Affe, sagen wir, wenn wir ungl ubig staunen,
und ungern lassen wir uns zum Affen machen.
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Genau das ist dem armen Tarzan passiert, der als Kind unter die Affen fiel. Seit-
dem schwingt er sich im Schurz von Liane zu Liane und jodelt. So einen Men-
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schen kann man nicht ernst nehmen.
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Zum Baumhangeln sind wir eben nicht geschaffen, wir sind bodenst ndige
Wesen. Gehen und laufen, das liegt uns, daf r sind wir gebaut. Im Gehen, nicht
im Sitzen k men ihm neue Gedanken, fand der Philosoph Friedrich Nietzsche.
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Und der Schriftsteller G nter Herburger legt soeben den dritten Teil seiner Ex-
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tremlauftrilogie vor. »Schlaf und Strecke« demonstriert – nach den Vorl ufern
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»Lauf und Wahn« und »Traum und Bahn« –, wie anders der Mensch L nder und
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Berge, W sten und St dte erlebt und wie die Fantasie aufs Sch nste Amok l uft,
wenn beim Hundert-Kilometer-Marathon Endorphine das L uferhirn ber-
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schwemmen.
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War es am Ende das? Hat uns Affen erst die F higkeit zum Dauerlauf zu echten
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»modernen« Menschen gemacht? F r diese zun chst verbl ffende Behauptung
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haben der Biologe Dennis Bramble von der University of Utah und der Anthropo-
loge Dan Lieberman von der Harvard-Universit t in Cambridge (Massachusetts)
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j ngst eine Reihe berzeugender Indizien vorgelegt (»Nature«, Bd. 432, S. 345).
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Als L ufer kann der kurz- und krummbeinige Affe mit seinen fast am Boden
schleifenden Armen dem stramm auf einem Marathon-Siegerpodest stehenden
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Homo nicht das Wasser reichen. Federnde Achillessehnen, muskul se Kopfsta-
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bilisatoren, pralle Ges muskeln zeichnen uns als begabte Dauerl ufer aus. Da-
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gegen besch men die ffischen Verwandten zwar in Urwaldwipfeln jeden Trapez-
k nstler in der Zirkuskuppel, machen aber beim Sprint durchs Steppengras gar
keine gute Figur. Denn da galt es zu Zeiten der Menschwerdung, mit Hy nen um
Nahrung zu konkurrieren oder gegen gefr ige Verfolger Boden gutzumachen.
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Zwanglos erkl ren die beiden US-Forscher auch, warum wir schwitzen und Af-
fen nicht, und warum wir nicht am ganzen K rper behaart sind wie sie: Dauerl u-
fer m ssen eben bersch ssige K rperw rme rascher loswerden.
Menschen wurden demnach gute L ufer, weil sie einst, be-
vor die ersten Jagdwaffen aufkamen, mit hundeartigen Vier-
beinern um die Wette rannten – und vielleicht halten wir uns
deshalb heute zahme W lfe. Wenn wir ber Stock und Stein
laufen, durch Stadt und ber Land, kommen frische Gedanken,
entstehen sogar komplette Trilogien. Erst laufend kommt der
Mensch zu sich.
W
enn die Augen im Alter
trüb werden, verhilft oft
eine künstliche Linse
wieder zu klarem Sehen
– heute eine Routineoperation. Das Er-
satzobjekt besteht aus Kunststoff. Die
natürliche Augenlinse aber bildet sich
aus lebenden Zellen. Damit sie Abbilder
der Außenwelt scharf auf die Netzhaut
wirft, muss sie so transparent sein wie
Glas, dabei aber wegen der Fokussierung
zugleich nachgiebig. Und wäre die Linse
getönt, würden wir viele Farbnuancen
unserer Umwelt nicht sehen.
Augenlinsen gehören zu den Wun-
dern der Natur. Normalerweise sind le-
bende Gewebe nicht durchsichtig, für
Licht allenfalls in dünner Schicht durch-
scheinend. Worauf die Transparenz der
Linse beruht, wissen die Forscher schon
länger. Wie die Zellen das aber erreichen,
verstehen sie bisher nur ansatzweise. Erst
vor wenigen Jahren haben sie überhaupt
erkannt, dass die Linsenzellen dazu einen
Beinahe-Selbstmord ausführen, bei dem
IMPALAS UND LÖWINNEN: RENEE LYNN / CORBIS; FOTO-COMPOSING: JANA BRENNING
24
Wenn Konturen und Farben ver-
schwimmen, droht Lebensgefahr.
AUS: DEVELOPMENT OF A MACROMOLECULAR DIFFUSION PATHWAY IN THE LENS, VON V. I. SHESTOPALOV UND S. BASSNETT,
den gleichen Brechungsindex aufweisen Tribut für die Klarsicht. Ohne Zellkern
wie das Zytoplasma, die Masse im Zell- und Organellen können die Linsenzellen
inneren. Und schließlich enthalten die nur einen stark eingeschränkten Stoff-
Zellen auch keine Moleküle und Orga- wechsel betreiben. Zwar versorgt sie ihr
nellen mehr, die Licht absorbieren oder Außenmedium: Benötigte Stoffe diffun-
brechen könnten. dieren in sie hinein. Doch Defekte ver-
Völlig durchsichtige biologische Ge- mögen sie in vielen Fällen nicht auszu-
webe gibt es sonst kaum. Als Einziges ist bessern. Und beschädigte Zellen kann
die vor der Linse liegende Hornhaut die Linse nicht ersetzen. Die Fähigkeit
gleichfalls transparent. Doch diese be- zur Regeneration, einer der größten Vor-
steht größtenteils nicht aus Zellen, son- teile lebender Systeme, hat die Augenlin-
dern aus einer Gallertmasse aus Protei- se nur zu einem geringen Teil.
nen und Zuckermolekülen. Andere Organe erneuern ihre Zellen
fortlaufend. Hautzellen beispielsweise le-
Linse
Linsenkapsel
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Linsenkern
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Stammzellen Zellkern wird abgebaut
Faserzelle
Lederhaut Netzhaut
Hornhaut
So fangen die
Lichtsinneszellen
GRAFIKEN: KEITH KASNOT
Linse
der Netzhaut ein
scharfes Abbild
der Umwelt auf.
RALF DAHM
Sicht trüben, werden sie in einem zwei-
ten Eingriff entfernt.
Frische Faserzellen verlieren während Durchfällen. Bei Diabetes steigert ein Der Abbau der Zellkerne dauert
der Entwicklung schon bald ihre Or- über Jahre erhöhter Blutzuckerspiegel die o mehrere Tage. Das sieht aus wie bei
ganellen und den Zellkern, also prak- Kataraktgefahr. einem programmierten Zelltod, einer
tisch ihren gesamten Stoffwechselapparat. Mancher mag es für nichts Besonde- Apoptose: Kernhülle und die auf dem Bild
Doch erhalten bleiben die äußere Zell- res halten, wenn eine Zelle ihre sämtli- nicht sichtbare DNA lösen sich gleichzei-
membran und auch das Zytoskelett. Die- chen Organellen verliert und doch am tig langsam auf.
ses gibt der Zelle Stabilität und damit ihre Leben bleibt. In Fachkreisen sorgten die
Form. Das Zytoplasma, das wässrige Zell- Forschungsergebnisse an der Augenlinse
innere, gewinnt nun eine besonders kom- hierzu allerdings für einigen Aufruhr.
pakte Konsistenz. Bei reifen Linsenzellen Viele Experten protestierten, als mehrere ten Jahrzehnten recht gut untersuchten
besteht es hauptsächlich aus in Wasser ge- Wissenschaftlergruppen nach Mitte der Mechanismus nutzt der Organismus in
lösten Kristallinen. Der Name dieser Pro- 1990er Jahre den Verdacht äußerten, es vielen Situationen. So ereignet sich ein
teine lässt erahnen, dass sie geometrisch scheine sich um einen unvollständigen solcher programmierter Tod unzählige
geordnete Komplexe bilden, die entfernt Zellselbstmord zu handeln. Den pro- Male während der Entwicklung und im
an chemische Kristalle erinnern. grammierten Zelltod, den überzählige erwachsenen Körper, um nicht mehr be-
und irreparabel geschädigte Zellen selbst nötigte Zellen zu eliminieren. Auch irre-
Der Preis für den klaren Blick aktivieren, nennen Molekularbiologen parabel geschädigte Zellen können sich
Wenn ein grauer Star – ein Katarakt – seit dreißig Jahren Apoptose. selbst umbringen – ein Mechanismus,
entsteht, fallen immer mehr dieser Kris- Normalerweise, so war die Vorstel- der bei Krebs nicht mehr greift.
talline zu Klumpen zusammen (siehe lung noch vor zehn Jahren, läuft das in Im Allgemeinen werden Zellkern
Kasten S. 30). Vielerlei kann trübe Fle- jeder Zelle eingebaute Selbstmordpro- und Organellen dabei in einer bestimm-
cken in der Linse verursachen, etwa eine gramm unaufhaltsam bis zum Ende ten Abfolge abgebaut. Oft machen die
häufige intensive UV- oder Wärmebe- durch, wenn diese es aktiviert. Die Zelle Mitochondrien – die wegen ihres Sauer-
strahlung, freie Sauerstoffradikale, aber scheint sich dabei selbst zu demontieren, stoffanspruchs besonders empfindlichen
auch schon ein mehrere Wochen dauern- bis sie zerfällt und von anderen Zellen Kraftwerke von Zellen – den Anfang.
der Flüssigkeitsmangel etwa bei starken aufgenommen wird. Diesen in den letz- Der Zellkern löst sich in der Regel etwas
ALAN R. PRESCOTT, UNIVERSITY OF DUNDEE, SCHOTTLAND
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zeigen Teile von Faserzellen aus der
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Augenlinse eines Rindes. Im linken Bild
sieht man kurze Abschnitte der eng ge-
stapelten Zellen (Ausschnitt wie im Kas-
ten S. 27 oben rechts markiert). Im Bild
rechts ist erkennbar, wie die Faserzellen
sich verzahnen und so einen festen Zu-
RALF DAHM
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Ein Katarakt oder grauer Star – eine Tr bung der Augenlinse – ner Katarakt kann beispielsweise auf eine Infektion w hrend
entsteht oft altersbedingt, kann aber auch bei manchen Stoff- der Schwangerschaft zur ckgehen oder auf einem Erbdefekt
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wechselerkrankungen wie Diabetes auftreten. Ein angebore- beruhen.
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betroffene Bereic h (c).
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SCIENCE PHOTO LIBRARY
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ALICE CHEN
hen – streut das Licht, statt es auf
die Netzhaut zu fokussieren.
Heute zweifelt kaum mehr jemand und im umgekehrten Fall Krebs. Genaue pen konnten mittlerweile eine Anzahl
an der Beteiligung von Apoptosemecha- Kenntnisse darüber, wie sich eine Apop- von Missbildungen identifizieren, die auf
nismen bei der Entwicklung der Augen- tose einleiten, aber auch stoppen ließe, genetischen Fehlern beruhen. Darunter
linse. Die Frage ist aber immer noch, wie könnten neue Ansätze für Therapien er- sind auch Augendeformationen, die of-
diese Zellen verhindern, dass sie dabei lauben. Vielleicht hilft die Augenlinse fensichtlich durch eine Entwicklungsstö-
völlig zu Grunde gehen. Verfügen sie mit ihren überraschenden Eigenschaften rung entstehen. Bei manchen Tieren
über einen zeitgenauen Bremsmechanis- weiter. geht die Linse komplett zu Grunde. Bei
mus? Das postulierten einige von uns Zuerst einmal möchten wir besser anderen bauen sich die Organellen in
schon vor Jahren. Manches im Verhalten verstehen, warum ein Katarakt entsteht den Linsenzellen nicht ab. Es gibt Zebra-
der Linsenzellen spricht nämlich dafür, und wie seine Ausbildung zu verhindern fische, deren Katarakt einem grauen Star
dass sie die Apoptoseprogramme ganz oder hinauszuzögern wäre. Das beträfe beim Menschen gleicht.
gezielt dafür einsetzen, ihre Ausdifferen- neben den älteren auch oft jüngere Men- Die Hoffnung der Forscher ist nun,
zierung zu reifen Faserzellen zu steuern. schen, selbst Kinder. Weltweit erblinden bei den Maus- und Zebrafischmutanten
immer noch jedes Jahr viele Millionen mit Augendefekten die Gene zu iden-
Genetische Faktoren für an grauem Star. tifizieren, die normalerweise mitwirken,
klare Linsen beim Zebrafisch Für die Zukunft versprechen wir uns wenn sich eine klare Linse ausbildet.
Denkbar wäre allerdings auch, dass die viel von Forschungen an Modellorganis-
Zellen gar nicht irgendwelche Stoppvor- men. Beispielsweise gibt es etliche Mäu-
Ralf Dahm arbeitet am Max-
gänge bemühen müssen. Vielleicht sind selinien, die Katarakte entwickeln, wie Planck-Institut für Entwicklungs-
die unversehrten Strukturen und Mole- sie auch beim Menschen vorkommen. biologie in Tübingen. Er ist Pro-
küle von Zellgerüst und Außenmembran Unlängst ist noch ein weiterer Organis- jektmanager des EU-Forschungs- A U T O R U N D L I T E R AT U R H I N W E I S E
ohnehin vor dem Abbau gefeit. Mögli- mus hinzugekommen: der Zebrabärbling konsortiums »ZF-MODELS«, das
cherweise erkennen die zerstörerischen oder Zebrafisch. Er gehört heute zu den von diesem MPI aus koordiniert
wird. Das Projekt soll Zebrafisch-Modelle etablie-
Apoptoseenzyme sie nicht, weil sie sich bevorzugten Tieren für Entwicklungsstu- ren, um mit deren Hilfe die Embryonalentwicklung
biochemisch tarnen. Vorstellbar sind dien bei Wirbeltieren – nicht zuletzt von Wirbeltieren sowie menschliche Krankheiten
aber auch andere für die Apoptoseenzy- dank der Initiative von Christiane Nüss- zu untersuchen.
me unüberwindliche Hindernisse. Even- lein-Volhard vom Max-Planck-Institut Zwischen glasklar und grauem Star. Von Ralf
tuell hüllen die Kristalline die unent- für Entwicklungsbiologie in Tübingen, Dahm in: Biologie in unserer Zeit, Bd. 33, Heft 6,
behrlichen Proteine wie in einen Schutz- die 1995 für ihre Untersuchungen an der 2003, S. 342
mantel ein. Sie selbst sind zumindest für Taufliege Drosophila zusammen mit zwei Trübe Nebel und blinde Flecken. Von Ralf Dahm
zerstörerische Apoptoseenzyme nicht an- Kollegen den Nobelpreis für Physiologie in: Gehirn und Geist, Heft 6, 2003, S. 62
greifbar. oder Medizin erhielt.
Nuclear cataract caused by a lack of DNA degra-
Ein unzeitgemäßer programmierter Zebrafische schlüpfen schon nach dation in the mouse eye lens. Von S. Nishimoto et
Zelltod beziehungsweise auch sein Un- wenigen Tagen. Da die Embryonen rela- al. in: Nature, Bd. 424, 2003, S. 1071
terbleiben gehören zu vielen Krankheits- tiv wenige Zellen aufweisen und durch- Weblinks zu diesem Thema finden Sie bei www.
bildern. Dazu zählen das Alzheimer- und scheinend sind, erkennt man bei ihnen spektrum.de unter »Inhaltsverzeichnis«.
das Parkinson-Syndrom wie auch Aids – Organdefekte gut. Etliche Forschergrup-
Von Luis P. Villareal sehr wohl. Sie wirken sich erheblich auf ganz offensichtlich biologischer Natur
seine Funktion aus, manchmal sogar auf und von einem Erkrankten auf weitere
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erschnupfte wissen, wie leicht sein Verhalten, wie etwa der Tollwuterre- Opfer übertragbar waren, wurden sie
man sich ein Virus einfängt. ger. Ihre fundamentale Rolle in der Ge- dann als einfachste Lebensformen mit ei-
Vielleicht stufen sie die »Bies- schichte des Lebens wurde aber von Evo- genem Erbgut angesehen.
ter« noch irgendwie unter mi- lutionsbiologen bis in die jüngste Zeit
kroskopisch kleine Krankheitserreger ein. verkannt – verständlich, wenn man be- Ein unbelebter Kristall?
Doch was ein Virus wirklich ist, werden denkt, dass Viren vorherrschend als un- Als es aber Wendell M. Stanley und sei-
die wenigsten sagen können – und befin- belebt galten. nen Mitarbeitern von der heutigen Ro-
den sich damit in guter Gesellschaft. Viren sind in der Tat schwer zu fas- ckefeller-Universität in New York 1935
In den letzten hundert Jahren haben sen: Mit jedem Wechsel des Blickwinkels erstmals gelang, einen solchen Erreger –
Wissenschaftler ihre Vorstellungen über scheinen sie ihr Wesen zu verändern. Ins das Tabakmosaikvirus – zu kristallisieren,
das Wesen der Viren mehr als einmal Visier gerieten sie zunächst im Zusam- wurden Viren zu unbelebten Molekül-
grundlegend geändert. Ursprünglich als menhang mit Krankheiten – als ver- komplexen degradiert. Zwar handelte es
Giftstoffe, später als einfache Lebensfor- meintliches Gift. Virus bedeutet im La- sich um biologische Substanz, doch fehl-
men angesehen, danach als Komplexe teinischen Gift oder Schleim. Im aus- ten den Partikeln wesentliche Stoffwech-
von Biomolekülen, gelten die Gebilde gehenden 19. Jahrhundert erkannten selfunktionen, also für Leben charakte-
heute als Wanderer zwischen den Wel- Forscher, dass einige Infektionen, darun- ristische biochemische Aktivitäten.
ten, irgendwo angesiedelt in der Grauzo- ter die Mosaikkrankheit bei der Tabak- Wie weitere Forschungen von ihm
ne zwischen belebter und unbelebter Na- pflanze und die Maul- und Klauenseu- und anderen Biochemikern ergaben, be-
tur. Aus eigener Kraft können sie sich che, von etwas verursacht wurden, das standen Viren im Wesentlichen aus einer
zwar nicht vermehren, doch in den le- sich ähnlich wie Bakterien verhielt, je- Proteinhülle, die Nucleinsäuren in Form
benden Zellen ihres Wirtsorganismus doch viel kleiner war. Da die Erreger von DNA oder RNA umschließt, unter
Umständen aus noch weiteren Protei-
nen, die bei der Infektion nützlich sind.
IN KÜRZE Das klang tatsächlich eher nach einem
Chemiebaukasten als nach einem Orga-
r Viren sind Parasiten, die an der Grenze zwischen belebter und unbelebter Na- nismus. Bezeichnenderweise erhielt Stan-
tur existieren. Sie enthalten Eiweißstoffe und Erbmoleküle, brauchen aber die ley 1946 anteilig den Nobelpreis für
Hilfe von Zellen, um sich zu vervielfältigen und zu verbreiten. Chemie, nicht etwa für Physiologie oder
r Seit Jahrzehnten streiten sich die Wissenschaftler darüber, ob Viren lebende Medizin.
Materie sind oder nicht. Über diesen Zwist ging ein viel wichtigerer Aspekt unter: Infiziert ein Virus jedoch eine Zelle,
Viren haben enormen Einfluss auf die Evolution. die dann als Wirtszelle bezeichnet wird,
r Viren vermehren sich gewöhnlich in großer Zahl und mutieren leicht. Mit der ist es dort alles andere als inaktiv. Es
Zeit bringt dieser Prozess viele neue Gene hervor. Gelegentlich kann ein innova- streift seine Hülle ab, setzt sein Erbmate-
tives nützliches Virusgen sich in das Erbgut einer Wirtszelle einnisten und zu ei- rial frei und veranlasst die Synthesema-
nem permanenten Bestandteil ihres Genoms werden. schinerie der Zelle, die virale DNA oder
RNA zu vervielfältigen und anhand der
enthaltenen Instruktionen entsprechen- Fachs aus: Viren führten eine Art »ge- Proteine auf den Erbmolekülen ver-
de Proteine zu produzieren. Die neu syn- borgtes Leben«. schlüsselt ist. Im Grunde baut die mo-
thetisierten Bauteile fügen sich von al- Angesichts der lange vertretenen Auf- derne Biologie auf einem Fundament
lein zu Viruspartikeln zusammen, die fassung, Viren seien nichts anderes als von Erkenntnissen auf, die mit Hilfe von
weitere Zellen infizieren können. Diese kompakte Pakete aus biologischen Ma- Viren gewonnen wurden.
Verhaltensweisen veranlassten schließlich kromolekülen, mutet eines fast wie Iro- Nachdem inzwischen die meisten es-
viele Wissenschaftler, Viren als ambiva- nie des Schicksals an: Bedienten sich senziellen Komponenten der Zellen kris-
lente Existenzen zwischen Chemie und doch ausgerechnet die Biologen der vira- tallisiert und strukturell analysiert sind,
Leben zu betrachten. Poetischer drück- len Aktivitäten in Wirtszellen, um he- ist es für heutige Molekularbiologen
ten sich kürzlich zwei Experten ihres rauszufinden, wie die Bauanweisung für selbstverständlich, den zellulären Stoff-
schaft der Alltagssprache entliehen hat. Noch vor und Montage eigener Bestandteile, sogar
für alle anderen biochemischen Aktivi-
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recht kurzer Zeit kam man befriedigend damit zurecht, da
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der Forscher – schon gar nicht der einfache Mann – täten, die ihre Vermehrung und Weiter-
kaum darüber nachdachte und gewiss nie genau wusste, verbreitung ermöglichen (siehe Kasten
was er damit eigentlich meinte. Inzwischen hat man rechts). Man könnte also schließen, dass
jedoch Systeme entdeckt und untersucht, die nicht so Viren zwar all diese Prozesse lenken,
eindeutig lebendig oder tot sind. Daher ist es nötig, selbst aber unbelebte Parasiten lebender
die Begriffe jetzt zu definieren oder in der Wissenschaft Stoffwechselsysteme sind. Allerdings mag
es fließende Übergänge geben zwischen
Norman Pirie, britischer Virologe, um 1934 dem, was eindeutig lebt und was nicht.
Du glaubst, Leben bedeute nur nicht so tot zu sein wie Ohne kritische Komplexität
ein Stein. Ein Felsbrocken lebt nicht, ebenso wenig
Bakteriophage T4
George Bernard Shaw, irischer Schriftsteller, »Die Heilige Johanna« 1923 eine Hülle voller stoffwechselaktiver En-
zyme ohne genetisches Material und
ohne Fähigkeit zur Reproduktion. Ein
wechsel als biochemische Maschinerie Die andere, scheinbar simple Frage, Bakterium hingegen ist ein lebender Or-
anzusehen – mit verschiedenen Subkom- ob Viren »lebendig« seien oder nicht, ganismus. Zwar besteht es nur aus einer
ponenten wie Mitochondrien als Kraft- höre ich oft von meinen Studenten. Eine einzigen Zelle und besitzt nicht einmal
werke, Ribosomen als Proteinsynthese- einfache Antwort darauf gibt es wohl einen Zellkern als Tresor für sein Erbma-
fabriken, Membranen als Trennwände deshalb nicht, da damit ein weit grund- terial, doch erzeugt es alles Nötige an
und Kontaktflächen, DNA als Daten- legenderes Problem einhergeht, nämlich Energie und biochemischen Komponen-
speicher und Proteine als Bauelemente die präzise wissenschaftliche Definition ten und kann sich vermehren.
und Katalysatoren. Die meisten ihrer des Begriffs Leben an sich. Aber was ist mit einem Pflanzensa-
Zunft grübeln kaum mehr darüber, ob In den meisten Fällen besteht Über- men? Man könnte ihn als nicht lebend
Viren nun leben oder nicht. Ihnen dürf- einkunft, dass neben der Fähigkeit zur ansehen. Allerdings: Als vergängliches
te das so müßig erscheinen, wie sich über Reproduktion gewisse weitere Eigen- Zwischenstadium des pflanzlichen Le-
die Lebendigkeit eines der genannten schaften erfüllt sein müssen. Leben sei benszyklus ist ihm die Möglichkeit zu-
Zellbestandteile den Kopf zu zerbrechen. beispielsweise ein Zustand, der mit ir- künftigen Lebens eigen. So betrachtet
Da sie das Ganze sozusagen aus aller- gendeiner Form von »Geburt« beginne gleichen Viren mehr einem Samen als ei-
nächster Nähe betrachten, haben sie nur und mit dem Tod ende. Ferner halten ner Zelle. Auch ihnen wohnt ein gewis-
im Fokus, wie Viren in den Stoffwechsel Biologen eine gewisse biochemische Au- ses Potenzial inne, das geweckt werden
der Zellen eingreifen und wie sie Krank- tonomie für erforderlich, die es den Or- kann, doch im Gegensatz zum Samen,
heiten verursachen. Die weiter reichen- ganismen ermöglicht, die zur Selbster- der zur frei lebenden Pflanze heran-
den Fragen, was Viren zur Geschichte haltung benötigten Moleküle zu produ- wächst, erreichen sie nie den Zustand
des Lebens auf unserem Planeten beige- zieren und Energie zu gewinnen. Der höheren autonomen Daseins.
tragen haben, sind bislang weit gehend Grad an Autonomie gibt bei den meis- Aus einem anderen Blickwinkel be-
unbeantwortet geblieben, teils noch ten Definitionen für Leben den Aus- trachtet ist Leben eine emergente Eigen-
nicht einmal gestellt. schlag. schaft eines Komplexes aus gewissen
unbelebten Komponenten. Als Emer-
genz bezeichnen Philosophen das »Auf-
tauchen« völlig neuer Eigenschaften, so
genannter Systemeigenschaften, bei der
Bildung eines Systems. Auch Bewusst-
sein ist ein Beispiel für ein emergentes
komplexes System. Wie der Zustand Le-
ben erfordert es ein kritisches Maß an
Komplexität oder Interaktion, damit es
überhaupt auftreten kann. Ein einzelnes
Neuron, auch ein lokales Netzwerk von
Neuronen hat kein Bewusstsein, das
menschliche Gehirn als Ganzes jedoch
ist sich seiner selbst bewusst. Allerdings
kann auch das biologisch noch lebende
Gehirn die Eigenschaft des bewussten
Seins einbüßen.
Als was immer man Viren auch einstuft, ein Kriterium für Leben lich aus doppelsträngiger DNA besteht. Die Prozesse wei-
erfüllen sie jedenfalls: Sie können sich vermehren – wenn chen bei verschiedenen anderen Typen von Viren in einzelnen
auch nur mit Hilfe einer Wirtszelle. Das Schema zeigte die Re- Aspekten voneinander ab, sind jedoch Variationen des glei-
plikation eines Virus, dessen Erbgut wie bei Organismen üb- chen Prinzips.
neue
Viruspartikel
virale DNA
virale
Gene
6 neue Viruspartikel
verlassen die Zelle,
um weitere zu infizieren
virales
Protein
2 sein genetisches
Material wird
freigesetzt
zelluläre
virale RNA Ribosom
5 virale Proteine und
DNA vereinigen sich
zu neuen Viruspartikeln
Enzyme
Zellkern
neu syn-
thetisiertes
3 zelleigene Enzyme kopie-
ren die virale DNA und
Protein
erstellen RNA-Abschriften 4 anhand der RNA-Sequenz
produzieren so genannte
Ribosomen im Zellplasma
BRYAN CHRISTIE DESIGN
Wirtszelle
virale Proteine
Analog betrachtet sind weder einzel- versität in Marseille stießen auf zahlrei- lich. Denn die Antwort beeinflusst, wie
ne Gene und Proteine der Viren noch che Gene, die man zuvor nur von zellu- Biologen die Mechanismen der Evolu-
der Zellen an sich lebendig. Eine ent- lären Organismen kannte. Einige dieser tion betrachten.
kernte Zelle ist insofern einem hirntoten Gene tragen beispielsweise die Bauan- Viren haben ihre eigene Evolutions-
Menschen vergleichbar, als sie die volle, weisung für Enzyme, die beim Aufbau geschichte, die bis zu den Ursprüngen
kritische Komplexität eingebüßt hat. Le- der viralen Proteine mitwirken. Dies der Zellen zurückreicht. Einige Repara-
ben ist demnach ein emergenter komple- mag es dem Virus erleichtern, das Ver- tur-Enzyme, die etwa beschädigte DNA
xer Zustand eines Systems, das im Prin- mehrungssystem seiner Wirtsamöbe zu ausbessern oder Schäden von aggressiven
zip aus gleichartigen Grundkomponen- eigenen Zwecken zu missbrauchen. Wie Sauerstoffradikalen beheben, kommen
ten besteht wie ein Virus – nur dass ein die Forscher anmerkten, stellt die enorm nur bei ganz bestimmten Viren vor und
Virus keine kritische Komplexität er- komplexe genetische Ausstattung des existieren wohl schon seit Jahrmilliarden
reicht. So betrachtet sind Viren zwar Mimivirus die etablierte Grenze zwi- in weit gehend unveränderter Form (sie-
nicht völlig lebendig, doch wohl mehr schen Viren und zellulären parasitischen he Kasten S. 36 unten).
als nur tote Materie: Sie stehen an der Mikroorganismen in Frage. Die meisten Evolutionsbiologen ver-
Schwelle zur Domäne des Lebendigen. treten trotzdem noch immer die Auffas-
Wie dicht davor, zeigt die im Okto- Stiefkinder der Evolutionsforscher sung, weil Viren nicht leben, seien diese
ber 2004 veröffentlichte Erbgutanalyse Mancher mag die Diskussion um den für das Verständnis der Evolution nicht
des größten bekannten Vertreters. Das Status von Viren als bloße akademische weiter von Bedeutung. Ihrer Meinung
Mimivirus, erst 1992 entdeckt, bringt es Übung ansehen, als hitzige rhetorische nach stammen virale Gene von zellulä-
auf die Größe eines kleinen Bakteriums Debatte, die letztlich ohne wesentliche ren Vorläufern ab, die dem Wirtsgenom
und befällt Amöben. Didier Raoult und Konsequenzen bleibt. Ich persönlich hal- abtrünnig wurden, sich eine Proteinhülle
seine Kollegen von der Mittelmeer-Uni- te die Frage, ob Viren leben, für wesent- zulegten und zu Parasiten verkamen.
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Gerade weil Viren die Niederungen zwischen belebter und un- Bauanleitung oder direkt als Protein – eigens Enzyme mit, die
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belebter Natur einnehmen, vermochten sie einige bemer- diverse Wirtsmoleküle reparieren können, zur Wiederbele-
kenswerte Eigenschaften zu entwickeln. So reproduzieren bung sozusagen.
sie sich zwar normalerweise nur in lebenden Zellen, einige Ein Beispiel: Wird bei Cyanobakterien ein bestimmtes zen-
Viren jedoch können auch praktisch tote Zellen als Wirte nut- trales Photosynthese-Enzym durch zu starke Sonneneinstrah-
zen und sie unter Umständen sogar reanimieren. Raffinierte lung geschädigt und nicht mehr hinreichend nachproduziert,
genetische Mec hen ihnen zudem, gele- kommt der Stoffwechsel der Zelle zum Erliegen. Vor zwei
gentlich selbst nac ung ihres Genoms in ihr »geliehe- Jahren entdeckten Forscher im genetischen Gepäck von Vi-
nes« Leben zurückzukehren. ren, die Cyanobakterien befallen, eine eigene, wesentlich
Eine Zelle mit zerstörtem Erbgut gilt als tot, denn es fehlen UV-resistentere Version des Enzyms. Das virale Photosyn-
ihr die zur Synthese lebenswichtiger Proteine und zur Teilung these-Enzym kann die Funktion des zerstörten Wirtsenzyms
benötigten genetischen Instruktionen. Viren hingegen kön- übernehmen – und damit die Produktion von Energie sicher-
nen die verbleibende zelluläre Maschinerie im Zytoplasma stellen, die das Virus für seine Vermehrung braucht.
noch nutzen, um ihr eigenes Erbgut vervielfältigen und virale
Proteine herstellen zu lassen. Die Fähigkeit, in praktisch toten Stärkere ultraviolette Strahlung vermag allerdings auch diese
Zellen zu wachsen, ist vor allem bei Viren zu beobachten, die und andere Vertreter der Viren zu zerstören. UV-Licht wird da-
einzellige, oft marine Organismen infizieren. Auf unserem her in Labors häufig zur Virusinaktivierung eingesetzt. Doch
Planeten existiert eine fast unvorstellbare Zahl von Viren. dies muss für ein Virus noch nicht das Ende sein. Durch den
Nach gegenwärtigen Schätzungen beherbergt allein das Mechanismus der Multiplex-Reaktivierung kann es manchmal
Meer insgesamt etwa 1030 Viruspartikel – in den Zellen von Form und Funktion wiedererlangen. Enthält nämlich eine Zel-
Wirtsorganismen und im freien Wasser. le mehr als ein Exemplar inaktivierter Viren, wird aus mehre-
Gewöhnliche Bakterien, aber auch photosynthetisch aktive ren noch intakten Puzzleteilen unter Umständen ein komplet-
Cyanobakterien (früher Blaualgen genannt) und echte Algen tes Virusgenom zusammengesetzt. Diese Möglichkeit der
gehen oft unter, wenn die ultraviolette Strahlung der Sonne Rekombination nutzen Forscher übrigens aus, um artifizielle
ihre DNA schädigt. Einige Viren bringen – indirekt in Form der Viren im Labor zu konstruieren.
Es geht aber auch ganz ohne Rekonstruktion: Verschiedene
defekte Viren können sich ergänzen, indem jedes ein anderes
nötiges Protein zur Vermehrung in der Zelle beisteuert. Bei
dieser so genannten Komplementation können Viruspartikel
mit immer noch defektem Genom entstehen, die sich nur
wieder mit Hilfe anderer viraler Partner, also nicht autonom
weitervermehren. Viren sind die einzigen biologischen Syste-
me, die wie der sagenhafte Phönix – zumindest manchmal –
aus ihrer Asche wiederauferstehen.
JEREMY BURGESS / SPL
DESY / SPL
standteil des Wirtsgenoms werden. Viren sollten oder nicht, ist Geschmackssache.
wirken sich daher sicherlich schneller André Lwoff, französischer Nobelpreisträger, 1962
und unmittelbarer auf die Evolution aus
als externe Faktoren, die lediglich unter Das ureigenste Wesen eines Virus ist seine
sich langsamer anhäufenden Erbgutvari- fundamentale Verquickung mit der genetischen
anten selektieren. Ihre gewaltige Zahl und metabolischen Maschinerie seines Wirtes.
und ihre schnelle Replikations- und Mu- Joshua Lederberg, amerikanischer Nobelpreisträger, 1993
tationsrate machen Viren zur bedeu-
tendsten Quelle genetischer Innovation,
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indem sie ständig neue Gene »erfinden«. Fast hundert Jahre lang ließen sich Biologen
Nützliche Erbfaktoren viralen Ursprungs durch den Disput um die Frage ablenken, ob
können sich über Speziesgrenzen hinaus Viren eigentlich Organismen sind. Die Kontro-
verbreiten und zum evolutiven Wandel verse beruht weit gehend auf der Verallgemei- HIV
beitragen. nerung, die sich in der zweiten Hälfte des neun-
Im menschlichen Genom fanden zehnten Jahrhunderts durchsetzte, Zellen seien die kleinsten Einheiten allen
sich – so das Humangenom-Konsortium Lebens. Viren sind einfacher als Zellen, also k nnen sie nach dieser Logik
– zwischen 113 und 223 Gene, die auch keine Lebewesen sein. Diese Argumentation ist jedoch nichts anderes als der
im Erbgut von Bakterien vorkommen, Schwanz eines Dogmas, der mit dem semantischen Hund wedelt.
nicht aber bei anderen gut untersuchten Paul Ewald, amerikanischer Evolutionsbiologe, 2000
Organismen, wie der einzelligen Bäcker-
hefe, der Taufliege und dem Fadenwurm
Caenorhabditis elegans. Manche Wissen- großen DNA-Virus, das in bakterienar- preisträger Salvador Luria schrieb schon
schaftler glauben, diese Lebewesen, die tigen Zellen persistierte. 1959: »Geben uns Viren, wenn sie mit
sich nach den Bakterien, aber vor dem Ein interessanter Befund an Genen dem Wirtsgenom verschmelzen und sich
Menschen entwickelten, hätten die Gene für Kopierenzyme der DNA stützt diese aus ihm wieder herauslösen, nicht das
im Verlauf ihrer Evolution verloren. An- Hypothese: Die DNA-Polymerase des Gefühl, die Komponenten und Prozes-
dere meinen hingegen, bakterielle Ein- Bakteriophagen T4 – das Virus infiziert se zu beobachten, die im Verlauf der
dringlinge hätten die Erbfaktoren direkt Bakterien (siehe Abbildung S. 34 oben) Evolution die erfolgreichen genetischen
in die menschliche Stammlinie einge- – ist auf genetischer Ebene eng mit den Grundmuster aller lebenden Zellen schu-
schmuggelt. entsprechenden Enzymen verwandt, die fen?« Gleichgültig ob wir Viren also für
Victor DeFillipis vom Institut für bei höheren Organismen und den sie in- lebendig halten oder nicht, es ist an der
Impfstoffe und Gentherapie der Oregon fizierenden Viren vorkommen. Auch Pa- Zeit, sie in ihrem natürlichen Kontext zu
Health Sciences University in Portland trick Forterre von der Universität Paris- akzeptieren und zu untersuchen – im
und ich schlagen eine dritte Alternative Süd kam bei seiner Analyse entsprechen- Netzwerk des Lebens.
vor: Solche Gene könnten ursprünglich der Enzymgene zu dem Schluss, dass die
aus Viren stammen, die einst zwei ganz in höheren Organismen vermutlich vira-
verschiedenartige Wirtslinien – etwa len Ursprungs sind. Luis P. Villareal ist Direktor
des Virusforschungszentrums
Bakterien und Wirbeltiere – zu besiedeln Viren haben Einfluss auf alle Lebe-
der Universität von Kalifornien
verstanden und dabei ihre »Erfindung« wesen, von einzelligen Mikroben bis in Irvine. Nach seiner Promoti-
A U T O R U N D L I T E R AT U R H I N W E I S E
der Menschheit wie der Bakterienwelt zum Menschen, und entscheiden oft on arbeitete er an virologischen
vermachten. über Leben und Tod. Zugleich entwi- Projekten im Labor des Nobel-
ckeln sie sich selbst weiter. Neue Viren preisträgers Paul Berg an der
Universität Stanford. In seiner jetzigen Position
Grundmuster für alle lebenden Zellen wie der Aids-Erreger HIV (siehe Abbil- etabliert Villareal unter anderem Programme für
Philip Bell von der Macquarie-Universi- dung oben) sind womöglich die einzigen rasche Abwehrmaßnahmen gegen bioterroristi-
tät in Sydney (Australien) und andere biologischen Entitäten, die so rasch ent- sche Bedrohungen.
Forscher, darunter auch ich, gehen noch stehen, dass wir ihre Evolution in Echt- Viruses and the evolution of life. Von L. Villareal.
weiter. Wir meinen, dass der membran- zeit verfolgen können. ASM Press (im Druck)
umhüllte Zellkern – der Bakterien fehlt, Viren sind so etwas wie die sich stän-
Lateral gene transfer or viral colonization? Von
aber die Zellen aller höheren Organis- dig wandelnde Grenze zwischen bioche- Victor DeFilippis und L. Villareal in: Science, Bd.
men einschließlich des Menschen aus- mischer und biologischer Welt. In dem 293, S. 1048, 2001
zeichnet – viralen Ursprungs ist. Allein Maße, wie immer mehr Genome von
DNA virus contribution to host evolution. Von L. P.
mit einer allmählichen Umwandlung ei- Organismen entziffert werden, sollte Villareal in: Origin and evolution of viruses. Von
ner einfachen Zelle in eine mit echtem auch deutlicher zu erkennen sein, was E. Domingo et al. (Hg.), Academic Press 1999
Kern lässt sich seine Entstehung nicht dieser uralte und dennoch dynamische
Weblinks zu diesem Thema finden Sie bei www.
zufrieden stellend erklären. Plausibler ist Genpool der Viren dazu beigetragen hat. spektrum.de unter »Inhaltsverzeichnis«.
für uns seine Entwicklung aus einem Der Phagenforscher und spätere Nobel-
.
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FJOFO /FJHVOHTNFTTFS
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EFSFO&J 6OE 8 . 1POJTPXTLJ WPO EFS 4UBBUT
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XJFTJFJO6M HF ,POTUSVLUJPOFO 5FTUNBTTFO
EJF NJU MBTTFO
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"MT 4FOTPSFO EJFOFO EBCFJ SPUJFSFOEF 4FOTPS SFBHJFSU BVG TFJOFO TQF[JmTDIFO 4FOTPSFOFJOHFTFU[UXJSE
LÚOOUFEJBNB
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EJF EJBNBHOFUJTDI TDIXFCFO 4UJNVMVT TFJ FT FJOF #FTDIMFVOJHVOH
HOFUJTDIF-FWJUBUJPOFJOF"OXFOEVOHJO
.FJOF ,PMMFHFO BN 43* VOE JDI IBCFO "O[JFIVOHTLSBGU
3PUBUJPO PEFS FUXBT JOEVTUSJFMMFO 3FJOSÊVNFO mOEFO %FS
NJU ÊIOMJDI LPOTUSVJFSUFO 4USÚNVOHT BOEFSFT
NJU FJOFS OEFSVOH EFS 3FTP 7PSUFJMEJBNBHOFUJTDIFS-BHFSJOEJFTFN
NFTTHFSÊUFOFYQFSJNFOUJFSU
VNEJF3FJ OBO[GSFRVFO[*OEJFTFO(FSÊUFOEBSGEJF #FSFJDIJTUFT
EBTTTJFLFJOFO"CSJFCBVG
CVOHTQSPCMFNF LPOWFOUJPOFMMFS UVSCJ 7JCSBUJPOQSBLUJTDIOJDIUHFEÊNQGUXFS XFJTFO VOE LFJO 4DINJFSNJUUFM CFOÚUJ
OFOBSUJHFS (FSÊUF [V WFSNFJEFO %JF EFO
EBNJUEJF3FTPOBO[GSFRVFO[TDIBSG HFO o VOE EFTIBMC LFJOF GSFJ VNIFS
3FJCVOHJOEFO-BHFSOGàISUBVDI[VFJ EFmOJFSUJTUVOETJDINJUIPIFS(FOBV TDIXFCFOEFO1BSUJLFMFS[FVHFO
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OFN CFUSÊDIUMJDIFO 8JEFSTUBOE CFJ IP JHLFJUNFTTFOMÊTTU"VDIIJFSLÚOOUFEJF mOEMJDIF 1SP[FTTF TUÚSFO LÚOOUFO XJF
IFO 4USÚNVOHTHFTDIXJOEJHLFJUFO VOE EJBNBHOFUJTDIF -FWJUBUJPO 7PSUFJMF CJF [VN #FJTQJFM EJF 1SPEVLUJPO FMFLUSPOJ
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HEAD SPORT AG
M itte der 1990er Jahre ging ein Ruck durch die Ski-Welt.
Hatten die begehrten Bretter bis dahin eine fast rechtecki-
ge Form, waren sie nun in der Mitte tailliert, also vorne und hin-
ten breiter und zudem deutlich kürzer als ihre Vorgänger. Elegant Das Grundprinzip des Carving-Skis:
mit geschlossenen Beinen abwärts zu wedeln war mit »Carvern« o Sobald der Fahrer ihn kippt, biegt sich
zwar nicht möglich, und die breitbeinige Stellung hat manchen der Ski so weit durch, dass die Kante auf
Spott hervorgerufen, doch der ist inzwischen verstummt. Denn ganzer Länge in den Schnee greift. Weil sie
Carver fahren die Kurven fast von selbst: Kippt der Fahrer die durch die Taillierung bereits eine Bogenform
Ski, biegen sie sich so weit durch, dass die Kanten auf ganzer hat, fährt der Ski ohne weiteres Zutun des
Länge in den Schnee drücken. Weil Innen- und Außenkanten Fahrers eine Kurve.
aber in der Mitte enger zusammenliegen als hinten und vorne,
ergibt sich eine Bogenform. Diesen Bogen fährt der Ski nach,
Kraft benötigt der Fahrer erst dann, wenn er einen engeren Radi-
us anstrebt: Dazu muss er die Bretter stärker durchbiegen.
Die Sache hat aber einen kleinen Haken. Der Carver wird
durch hohe Drehimpulse stärker belastet als ein konventioneller
Ski und muss deshalb stabiler gebaut sein. Trotzdem darf er nicht Fährt der Skiläufer einen Bogen, drückt
zu schwer und erst recht nicht zu steif werden – ein steifer Ski vi- u sein Gewicht den Ski etwa in der Mitte
briert leichter, kann dann abheben und wegrutschen. Aus diesem durch. Der Schnee wiederum erzeugt eine
Grund bestehen Ski aus mehreren Schichten. In der Mitte sorgt Gegenkraft, die entlang der Innenkante nach
ein Kern für Festigkeit – hier spielt Holz immer noch eine große oben wirkt. So entsteht in der obersten
Rolle, weil seine Eigenschaften weit gehend temperaturunabhän- Schicht des Sportgeräts ein Drehimpuls, der
gig sind und es elastisch, stabil und leicht ist. Diesen Kern unter- die Kante vom Schnee abheben kann. Weil
stützen verwebte Glasfasern, Kohlenstoff oder sogar Aluminium- sich dieser Drehimpuls während der Bogen-
elemente, die überdies Schwingungen dämpfen. Die Laufflächen fahrt ständig ändert, entstehen Vibrationen,
bestehen aus Polyethylen, die Kanten aus rostfreiem Kohlenstoff- die der Fahrer als Flattern des Skis spürt.
stahl, die Deckschicht aus widerstandsfähigen und einfärbbaren
Kunststoffen wie ABS, Polyamid oder Glasfaserlaminaten.
Der Hersteller Head im österreichischen Kennelbach hat Ski
sogar mit piezoelektrischen Fasern versehen. Werden die durch
am Ski angreifende Kräfte auseinander gezogen oder verbogen,
erzeugen sie elektrischen Strom, den ein Chip verarbeitet. Er
sendet dann Steuerströme in die Fasern zurück, woraufhin sie
sich nun umgekehrt ausdehnen oder zusammenziehen und so ei- Chip
Piezofaser
ner Verwindung des Skis und dem damit verbundenen Drehim- verkürzt sich
Drehimpuls
puls entgegenwirken. Allerdings schlägt das Hightech mit einem Piezofaser
Aufpreis von etwa 50 Prozent zu Buche, der sich nach Ansicht wird länger
Mark Fischetti ist Redakteur bei Scientific American, Bernhard Gerl freier Fach-
journalist in Regensburg.
46
WUSSTEN SIE SCHON?
r Die Bezeichnung Ski stammt aus Norwegen und meint ein r Carving-Ski sollen dem Fahrer etwa bis Schulter- oder
langes gespaltenes Holzstück. Schon vor etwa 4000 Jahren Kinnhöhe reichen und damit zirka zwanzig Zentimeter kürzer
haben die Bewohner der norwegischen Insel Rødøy das Bild sein als herkömmliche Alpinski. Die noch knapperen Fun-Car-
eines Skifahrers in einen Stein gemeißelt. Der älteste Ski ver erlauben einen Fahrstil, der dem Snowboarden ähnelt.
KENT SNODGRASS / PRECISION GRAPHICS; QUELLE: HEAD SPORT AG
selbst wurde in einem Moor bei Hoting in Schweden gefun- Sie werden dementsprechend auch ohne Stöcke genutzt.
den. Dieses 110 mal zehn Zentimeter lange Brett ist etwa Race-Carver wurden aus dem Rennlauf entwickelt. Sie sind
4500 Jahre alt. mit etwa 180 Zentimetern länger als die normalen Carver und
verfügen über zusätzliche Dämpfungsplatten. Deshalb kön-
r Für optimales Sportvergnügen sorgt auch das richtige Ski- nen sie bei hohem Tempo gefahren werden.
wachs. Beim Gleiten auf nassem Schnee bremst die Kapillar-
kraft des Wasserfilms zwischen Schnee und Ski, ein Wasser r Da jeder Carving-Ski auf einen festen Kurvenradius ausge-
abweisendes Wachs verhindert diesen Effekt. Bei trockenem legt ist, kann es passieren, dass er eine engere Kurve fährt als
und körnigem Schnee können die Schneekristalle durch Rei- vom Fahrer gewünscht. Das geschieht vor allem dann, wenn
bung Fahrt herausnehmen. Ein entsprechendes hartes Wachs der seinen Ski zu schnell und heftig auf die Kante stellt. Ein
bringt in diesem Fall Abhilfe. Sturz ist bei einem solchen Verschneiden kaum abzuwenden.
o Skischuhen
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Auch Gummiplatten zwischen Ski und
die Vibrationen
bis zu einem gewissen Grad.
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das Flattern des Skis reduzieren. Der
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Drehimpuls erzeugt eine Scherkraft direkt
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sche Fasern (links) auseinander zieht oder
Gegenkraft her Strom.
des Schnees Ein Chip kehrt dessen Richtung um und sen-
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oder werden und den Drehimpuls
kompensieren.
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,BVN NFIS BMT [FIO 1SP[FOU FOULBNFO JO 4àEPTUBTJFO ;V CFEFOLFO JTU
EBTT oWJFMMFJDIU[VSOÊDITUFO8BTTFSTUFMMF *O
EFS&SEBO[JFIVOHHÊO[MJDI%JFTFS4DIVUU EJFTF-BOENBTTFOBVG(SVOEEFS,POUJ KFEFN'BMMTBOLFOEJFNFJTUFO5JFSFCF
XVSEF RVFS EVSDI EBT HFTBNUF 4POOFO OFOUBMWFSTDIJFCVOH EBNBMT BOEFST MBHFO UÊVCU [V #PEFO
BMT EJF )JU[F VOFSUSÊH
TZTUFNHFTDIMFVEFSUVOELPMMJEJFSUFNÚH BMTIFVU[VUBHF+FOBDIEFS'MVHCBIOEFT MJDIXVSEF
VOETQàSUFOOJDIUTNFISWPO
MJDIFSXFJTF NJU BOEFSFO 1MBOFUFO ÃCSJ FJOTDIMBHFOEFO 0CKFLUT LÚOOUFO OPDI EFN 'FVFS
EBT SVOEVN BVT #àTDIFO
BOEFSF 5FJMF EFS HFOBOOUFO ,POUJOFOUF VOE#ÊVNFOIFSWPSCSBDI
JO 'MBNNFO BVGHFHBOHFO TFJO o VOE %JF 'MBNNFO GSBFO OJDIU OVS EJF
WJFMMFJDIUPCFOESFJO"VTUSBMJFO
EJF"OU 8ÊMEFS
TPOEFSOFS[FVHUFOBVDIFYUSFNF
9Vb^iEÓVcoZcVjhigdX`cZcjcY^c BSLUJTVOE&VSPQB -VGUWFSTDINVU[VOH %FS 3VEFS #SÊO
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BCFS
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[~c\a^X]Z 7ZljX]h b^i ;VgcZc jcY @g~jiZgc l^X]KZg"
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IVOEFSU .JMMJBSEFO CFMBTUVOHFO TBMQFUFS VOE TDIXFGFMTBV
DIFO
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EBT BN
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XJSLVOHFO FJOFT /VLMFBSLSJFHFTj WPO OVOH GPTTJMFS &OFSHJFUSÊHFS CFJN IFVUJ %JF4DIJDIUVOHEFS'PTTJMJFOLàOEFU
3JDIBSE 1 5VSDP FU BM
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8JTTFOTDIBGU
4
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8BISTDIFJOMJDImFMFSBMTCMBVFS3FHFOo %BIFS GPMHUF BVG EJF EVOLMFO
XJOUFS EFUTJDIFJOLMBTTJTDIFSCJPMPHJTDIFS*OEJ
ÊIOMJDI XJF EFS CMÊVMJDIF
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3FHFO
EFS IFVU[VUBHF OBDI 7VMLBOBVT QIBTF EVSDI HMPCBMFO 5SFJCIBVTFĊFLU [FOUSBUJPO WPO 'BSOTQPSFO
EJF [VFSTU
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EBTT EJF 1PMMFO WPO /BDLUTBNFSO o WPO /B
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1nBO[FOBSUFO
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BCFS OJDIU WÚMMJH WFS
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OBDI IFVUJHFO 8BMECSÊOEFO %JF 'BSOF IBUUF 0CXPIM EJF VOHFXÚIOMJDIF 7FS 8BMEEFDLFEJF#SÊOEFTPHBSEPSU
XPEJF
USBUFO NBODINBM HFNFJOTBN NJU XJOE CSFJUVOH EJFTFS #BLUFSJFO LFJO EJSFLUFT 'MBNNFO EBT WPSXJFHFOE BVT CFEFDLU
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LBN FT OBDI EFN &JOTDIMBH NBODINBM EBTT BMT &SLMÊSVOH FJHFOUMJDI OVS FJOF XFHTWFSTDIPOUFO3FHJPOFOXBSEJF)JU
[V"MHFOCMàUFO HMPCBMF'FVFSTCSVOTUJO'SBHFLPNNU [F XFOJHFS TUBSL %PSU CPUFO 4àNQGF
*O 4FEJNFOUFO
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FST8JF4JNVMBUJPOFO[FJHFOVOE1BMÊP PG/BUVSFBOE4DJFODF
EBTTJO/PSEBNF
CPUBOJLFSCFTUÊUJHFO
FOUHJOHEFSÊVFST SJLB1SP[FOUEFSCFEFDLUTBNJHFO"S
UF /PSEFO &VSPQBT VOE /PSEBNFSJLBT UFO
1SP[FOUEFS/BDLUTBNFSVOE
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idc"7ZX`Zc^bHYlZhiZcYZgJH6 4XFFUWPN(FPMPHJDBM4VSWFZPG$BOBEB BVTHFMÚTDIUXVSEFO%FOGPTTJMFO1PMMFO
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EJF
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JIS -BVC BCXFSGFO LPOOUFO
CFTTFS EB
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XFJMEJF
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OFOàCFSMFCU[VIBCFO
XFJMTJFOJDIUBVG
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5JFSFBOHFXJFTFOXBSFO5BUTÊDIMJDIWFS
TDIXBOEFO PĊFOCBS WJFMF *OTFLUFO PEFS
TUBSCFOHBO[BVT%BTTDIMJFFO$POSBE
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EBTT JO /PSE%BLPUB
EBT EFS EJSFLUFO
8VDIUEFT&JOTDIMBHTFOUHJOH
EJFGPTTJ
MFO#MÊUUFSESBTUJTDIWFSNJOEFSUF4QVSFO
WPO *OTFLUFOGSB BVGXFJTFO ÃCFS EJF
"VTXJSLVOHFOBVGBOEFSF5JFSBSUFOXJT
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TDIFJE
4XFFU IBU HF[FJHU
EBTT EBT BOGÊOHMJDIF
WPN ÃCFSMFCFO EFS SPCVTUFTUFO "SUFO
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CBMEFJOFNxPQQPSUVOJTUJTDIFOj½LPTZT
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VOE WFS
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EJF BVT EFS ÚLPMPHJTDIFO 5BCVMB SBTB
7PSUFJM [V [JFIFO WFSNPDIUFO (FNFJO
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*OEFS&OEQIBTFEFS&SIPMVOHLFIS
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GBISVOHFONJUIFVUJHFO8ÊMEFSOEBVFS
UF EJF 8JFEFSLFIS EFS #ÊVNF NJOEFT
UFOT IVOEFSU +BISF 4PXPIM 4XFFU BMT
BVDI(BSMBOE6QDIVSDIWPN64(FP
9^Z 8]^XmjajW"@ViVhigde]Z ]^ciZg" 'PSTDIFS TPHBS ESFJ .JMMJPOFO +BISF
CJT 5SàNNFS JO EJF "UNPTQIÊSF EBVFSUF
a^Z Z^cZ ]ZaaZIdchX]^X]i! ZilV hd EFS 4USPN WPO PSHBOJTDIFN .BUFSJBM
5BHF
EFS4UBVCIJFMUTJDIJOEFS4USBUPT
Y^X` l^Z Z^c HX]lZ^oZg BZhhZg a^c`h# EBT [VWPS SFJDIMJDI JO EJF 5JFGTFF BCHF QIÊSFNFISFSF.POBUFVOETDIXFGFMTBV
:^cZ9ZiV^aVch^X]igZX]ihoZ^\i!YVhhY^Z TVOLFO XBS
TJDI BMMNÊIMJDI XJFEFS OPS SFS3FHFOmFMKBISFVOEKBIS[FIOUFMBOH
HX]^X]i olZ^\ZiZ^ai ^hi# 9^Z jciZgZ IZ^a" NBMJTJFSUF 8BT EBT -FCFO SFUUFUF
XBS TFJOF
hX]^X]i ig^ii cjg ^c C~]Z YZh @gViZgh Vj[ /BDI EFS LPTNJTDIFO ,BUBTUSPQIF 7JFMGBMU ;XBS HJOHFO WJFMF "SUFO VOE
jcY WZhiZ]i Vjh WZ^b :^chX]aV\ \Z" WPO $IJDYVMVC TBI EJF 8FMU OJDIU OVS VO[ÊIMJHF &JO[FMPSHBOJTNFO WFSMPSFO
hX]bdaoZcZb<ZhiZ^c#9^ZdWZgZHX]^X]i WÚMMJHBOEFSTBVT
TPOEFSOBVDI(FSàDIF EPDI FJOJHF àCFSMFCUFO VOE WFSNFISUFO
Zci]~ai;gV\bZciZ!Y^Z]ZgVWÒZaZc!cVX]" VOE (FSÊVTDIF IBUUFO TJDI SBEJLBM HF TJDI %FS &JOTDIMBH TDIVG ÚLPMPHJTDIF
YZb h^Z W^h ^c YZcLZaigVjb Zbedg\Z" XBOEFMU8JSBMMFLÚOOFOVOTEBOLNP /JTDIFO GàS EJF &WPMVUJPO EFS 4ÊVHF
hX]aZjYZgildgYZclVgZc!hdl^ZGjkdc EFSOFS .FEJFO JO EFO %TDIVOHFM "NB UJFSF
EJF TDIMJFMJDI [VS &OUXJDLMVOH
7g~cYZc`aZ^cZh7^aY# [POJFOTPEFSBOEFSF6SXÊMEFSWFSTFU[FO
VOTFSFSFJHFOFO4QF[JFTGàISUF*OEJFTFN
XFOO XJS EFS 8JFEFSHBCF WPO (FSÊV 4JOOF XVSEF EFS ,SBUFS WPO $IJDYVMVC
TDIFOFYPUJTDIFS7ÚHFM
*OTFLUFOVOE"G [VN 4DINFM[UJFHFM EFS NFOTDIMJDIFO
GFOMBVTDIFO#FTÊFOXJS5POCÊOEFSBVT &WPMVUJPO
MPHJDBM 4VSWFZ GPMHFSO BVT EFN TQÊUFO EFS ,SFJEF[FJU
TP XàSEFO WPS VOTFSFO
"VGUSFUFO GPTTJMFS 1nBO[FO OBDI EFN 0ISFO %JOPTBVSJFS EVSDIT 6OUFSIPM[
&JOTDIMBH
EFS 7PSHBOH TFJ JO 8JSLMJDI CSFDIFO VOE MBVUF 3VGF BVTTUPFO %B
LFJU WJFM MBOHTBNFS BCHFMBVGFO &S IBCF [XJTDIFOMJFFTJDIEBT4VNNFOFJOJHFS
BOEJF+BISFHFCSBVDIU *OTFLUFO WFSOFINFO 4ÊVHFUJFSF XÊSFO
&JOXFJUFSFT.BGàSEJF&SIPMVOHT LBVN [V IÚSFO 4JF XàSEFO OVS [XJ
EBVFS JTU EJF 3FBLUJPO EFT XFMUXFJUFO TDIFO EFO #MÊUUFSO SBTDIFMO
FUXB XJF
,PIMFOTUPĊLSFJTMBVGT %FS 7FSMVTU EFS IFVUJHF.BVMXàSGF
8ÊMEFS
EJF o KFEFOGBMMT IFVU[VUBHF o
NFIS BMT 1SP[FOU EFT àCFS EFN &SE
CPEFOWPSIBOEFOFO,PIMFOTUPĊTCJOEFO
%PDI JO EFO .POBUFO OBDI EFN &JO
TPXJF EJF ,PIMFOEJPYJEFNJTTJPOFO BVT TDIMBH IFSSTDIUF UÚEMJDIF 4UJMMF
CJT BVG
EFO#SÊOEFOVOEEFNBN0SUEFT&JO EBT 3BVTDIFO WPO 8JOE
8BTTFS VOE
TDIMBHT WFSEBNQGUFO ,BMLTUFJO WFSNFIS 3FHFO &STU HBO[ BMMNÊIMJDI NBDIUFO
UFO BVG FJOFO 4DIMBH EFO BUNPTQIÊSJ TJDI XJFEFS *OTFLUFO VOE TQÊUFS BVDI
TDIFO,PIMFOTUPĊ 4ÊVHFUJFSF CFNFSLCBS )VOEFSUF PEFS
"VT *TPUPQFOBOBMZTFO EFS &JOTDIMBH HBS)VOEFSUUBVTFOEFWPO+BISFOWFSHJO
TFEJNFOUF TDIMJFFO /BO $ "SFOT WPO HFO
CJT TJDI FSOFVU TUBCJMF ½LPTZTUFNF
EFS 6OJWFSTJUZ PG $BMJGPSOJB JO #FSLFMFZ FUBCMJFSUFO 4DIPO EFS WPN $IJDYVMVC
VOE")PQF+BISFOWPOEFS+PIOT)PQ &JOTDIMBH FS[FVHUF 'FVFSTUVSN VOE
LJOT 6OJWFSTJUZ
EBTT FT +BISF EJF BOTDIMJFFOEF 6NXFMUWFSTDINVU
EBVFSUF
CJT EFS ,PIMFOTUPĊLSFJTMBVG BVG [VOH XBSFO WFSIFFSFOE %PDI FSTU EJF
EFO ,POUJOFOUFO XJFEFS JOT (MFJDIHF ,PNCJOBUJPO VO[ÊIMJHFS 6NXFMUTDIÊ
XJDIULBN EFOFSXJFTTJDIBMTUÚEMJDI%JFWFSTDIJF
'àS EBT NBSJOF ½LPTZTUFN WFSBO EFOFO ½LPTZTUFNF XVSEFO JO VOUFS
TDIMBHFO 4UFWFO - %)POEU WPO EFS TDIJFEMJDIFS8FJTFVOEWFSTDIJFEFOEBV
6OJWFSTJUZ PG 3IPEF *TMBOE VOE BOEFSF FSIBGUHFTDIÊEJHU%FS8JFEFSFJOUSJUUEFS
NEOLITHIKUM z
D
ass der Mensch sein Brot den und eine frühe Landwirtschaft be-
»im Schweiße seines Ange- trieben. Alle übrigen Regionen der Erde
sichts« gewinne, ist in der waren die Heimat weit verstreut lebender
abendländischen Geistesge- Gruppen von Sammlern und Jägern, die
schichte ein bekanntes Motiv. Damit ver- in jahreszeitlichem Rhythmus von Lager-
knüpft die Bibel den Sündenfall, mit platz zu Lagerplatz zogen.
dem sie all die Mühsal dieser Welt er- Aus ethnologischen Untersuchungen
klärt. Auch nichtchristliche Kulturen wissen wir, dass sich nicht nur das Leben,
thematisierten den Kampf um die tägli- sondern auch das Denken solcher »Wild-
che Nahrung in Mythologie und Religi- beuter« grundlegend von dem in bäuer-
on. So keimte nach Ansicht der Chero- lichen Gesellschaften unterscheidet. So
kee-Indianer der erste Mais aus den Bluts- bleiben Sammler und Jäger nur selten an
tropfen einer von ihren eigenen Söhnen einem Ort und bilden erst komplexere
ermordeten Frau – auch dort war der Be- Gemeinschaften aus, wenn die Reichhal-
ginn der Landwirtschaft mit Schuld be- tigkeit der Natur auch ohne Anbau und
lastet. Heute fällt es schwer, Nahrungs- Viehzucht ein sesshaftes Leben ermög-
mitteln religiöse Bedeutung zuzumessen, licht. Die bäuerliche Gesellschaft hinge-
haben wir doch im Supermarkt um die gen erfordert eine arbeitsteilige Struktur
Ecke eher die Qual der Wahl. Doch erst und weit reichende Planung; sie erst er-
seit wenigen Jahrzehnten stellt in Europa möglichte das Entstehen von Städten
Hunger keine ernsthafte Bedrohung und Staaten. Im Vergleich dazu genießen
mehr dar. Wildbeuter wesentlich mehr »Freizeit«.
SIGANIM / SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT, NACH: MUSEUM HARTING UND DETLEF GRONENBORN
Der Anbau von Nahrung war eine Der gesellschaftliche Druck ist vielfach
»Revolution«, wie es der australisch-briti- weniger ausgeprägt, individuelle Freiheit
sche Prähistoriker Vere Gordon Childe ein hoch geschätztes Gut. Dennoch hat
schon in den 1930er Jahren ausdrückte, sich der mit Bodenbau und Viehzucht zu
und dieser Umbruch ist bis heute nicht erzielende materielle Wohlstand durch-
wirklich verstanden. Am Ende der Eis- setzen können. Heutzutage leben weit
unter einem Prozent der Menschheit
vom Sammeln und Jagen.
Welch dramatischer Wandel mit dem
Alltag bei den Bandkeramikern: In Aufkommen der Landwirtschaft einher-
l die dichten Wälder rodeten sie Frei- ging, wurde den Gelehrten nur schritt-
flächen, bauten dort Gehöfte, hielten Vieh weise deutlich. Bereits Ende des 19. Jahr-
und legten Getreidefelder am Waldrand hunderts versuchten sie zwar die nach-
an. Zur Wasserversorgung gruben sie vie- eiszeitlichen bäuerlichen Kulturen von
le Meter tiefe Brunnen, die geschickt mit den älteren Wildbeutern abzugrenzen.
Holzkonstruktionen ausgekleidet und sta- Doch als Hauptmerkmal wählte der bri-
bilisiert wurden. tische Prähistoriker John Lubbock, ein
Keramik im Bauernstil
bandkeramische Kultur La Hoguette
rekonstruiert
Die Gefäße der bandkeramischen Kultur unterscheiden sich in Form tete La-Hoguette-Keramik, für die girlandenähnliche Bänder und
und Schmuck deutlich von denen der La-Hoguette-Tradition. Einge- eingestochene Verzierungen typisch sind. Diese Menschen waren
ritzte breite Bänder gaben der Kultur ihren Namen. Ab etwa 5600 noch nicht sesshaft, auch wenn sie bereits Schafe und Ziegen hiel-
v. Chr. fertigten auch Mitteleuropäer die in Südfrankreich beheima- ten und mitunter in kleinen Gärten Getreide anbauten.
Anteil an schwerem
Sauerstoff
Aus dem »fruchtbaren Halbmond«
r verbreitete sich die Neolithische früher
Anbau
in Mittel- und
Revolution – nach einer Unterbrechung Westeuropa
k
durch einen h um 6200 v. erste
Dörfer
Chr. – bis nach Mitteleuropa (große Karte kalt
H
und Klimakurve). Dort wurde zwar schon 13 12 11 10 9 8 7 6 5
Jahrtausende vor Christus
mit Gartenbau experimentiert, doch eine
Landwirtschaft konnte sich erst mit der
klimatischen Stabilisierung durchsetzen.
Von weit reichenden Handelskontakten
fruchtbarer
Halbmond
mögliche Wanderung
hb
ü
e
n
c
r
die Wetterau in Hessen, über eine Ent-
i
l
ä
t
e
wfi
u
fernung von etwa 800 Kilometern (siehe
Karte vorige Seite). Ethnologen zufolge
basiert solch ein Tauschhandel oftmals
auf engen Kontakten innerhalb von Ver-
f
ä
h ä
e
n
g
r
J
wandtschaftsgruppen. Zeigt die Vertei- Eine Pfeilspitze aus dem bandkera-
lung der Radiolaritfunde also das Netz r mischen Fundplatz Bruc ken
Pfeilspitze aus
verwandter Sippen, die aus dem Karpa-
d
lä
in der Wetterau bezeugt ge Han-
n
ptzh
Feuerstein
tenbecken nach Westen vordrangen und
f
ä
delskontakte: Das Rohmaterial stammt
Pioniersiedlungen in den mitteleuropäi- aus dem 250 Kilometer entfernten Maastal
schen Wald schlugen? Die ansässigen bei Maastricht. Vermutlich wurde die Spit-
Sammler und Jäger wären ihnen dabei ze bei Tauschgesc ten mit er-
kaum im Weg gewesen, denn die dich- worben. Mit Beginn des Neolithikums
ten Wälder boten diesen keinen Lebens- tauchen geschliffene Beilklingen auf den
raum – es gab dort zu wenig Wild. Fu en auf, die in so genannten Originalgröße
Dieses Szenario entspricht den Vor- Knieholmen gesc tet waren. SIGANIM / SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT, NACH: DETLEF GRONENBORN
stellungen der »Migrationisten«. Ihr Kre-
do ist die massive Einwanderung neoli-
thischer Siedler während all dieser ver- ranten hätten Indoeuropäisch gesprochen Die wichtigsten Grundlagen seien da-
schiedenen Phasen. Das Hauptargument: und die spärlichen lokalen Gruppen mals schon gelegt worden, die entwickel-
Es gäbe zu wenig Funde einheimischer sprachlich und kulturell überprägt. Aller- te Landwirtschaft entspräche demnach
Sammler und Jäger. Offenbar spielten dings: Wann genau das von Sprachfor- nur einer Intensivierung der neuen Tech-
diese kulturell und populationsdyna- schern rekonstruierte Indoeuropäisch sei- nologien. Kenntnisse zum Hausbau und
misch keine Rolle, wären schnell von den nen Einzug gehalten haben soll, ist bis zur Viehwirtschaft hätten sich über die
einwandernden Bauern assimiliert wor- heute sehr umstritten. Nicht einmal die sozialen Netzwerke ausgebreitet.
den. Die Migrationisten argumentieren Existenz einer »Ursprache« gilt als sicher. Indigenisten und Migrationisten stan-
auch mit der Ausbreitung von Sprachfa- Nicht alle Forscher stimmen diesem den sich lange Zeit fast unversöhnlich
milien; wortführend ist hier der in Cam- Szenario zu. Einige Kollegen, der promi- gegenüber, aber möglicherweise liegt die
bridge lehrende britische Prähistoriker nenteste Vertreter ist Alasdair Whittle Lösung in der goldenen Mitte. Denn
Colin Renfrew. Er hatte schon in den von der Universität Cardiff, sehen die neuere archäologische Befunde belegen
1980er Jahren eine Theorie entwickelt, Neolithisierung als Diffusionsprozess. die Koexistenz unterschiedlicher Kultur-
nach der die indoeuropäische Grund- Nicht Menschen seien gewandert, son- traditionen. Dies konnte etwa am band-
sprache im Zuge der Ausbreitung von dern technologische Neuerungen und keramischen Weiler bei Bruchenbrücken
Bodenbau und Viehzucht nach Europa die Wirtschaftsweise. Diese Indigenisten in der Wetterau nachgewiesen werden; er
gelangt sei. Genau genommen postulier- verweisen auf die frühen Versuche mit war etwa zwischen 5350 und 5150 v.
te Renfrew, die bandkeramischen Immig- dem Getreideanbau im Voralpenland: Chr. bewohnt. Bei Grabungen in den
1980er Jahren kamen neben den typi-
schen bandkeramischen Gefäßen auch
Scherben der La-Hoguette-Keramik zu
Tage. Offensichtlich haben hier zwei
Menschengruppen mit unterschiedlichen
Keramikstilen zumindest zeitweise an ei-
nem Ort zusammengelebt. Es ist durch-
aus vorstellbar, dass das Bauerndorf von
den Sammlern und Jägern im Zuge ihrer
jährlichen Wanderungen besucht wurde.
Die Hypothese eines friedlichen Ne-
beneinanders von bäuerlichen Immig-
ranten und lokalen Gruppen auch in
anderen Siedlungen der frühen Jung-
steinzeit stützen naturwissenschaftliche
Analysen von Knochen und Zähnen. An-
hand des Gehalts an Strontiumisotopen
lässt sich erkennen, ob Verstorbene im
Umkreis des Bestattungsorts aufgewach-
Ü
Tiere und Pflanzen existierten im »frucht-
baren Halbmond«.
Ü
DNA-Linien zurückdatiert. Das ist pro-
blematisch, denn die Zeitangaben sind so
ungenau, dass statt neolithischen auch
frühere oder spätere Ereignisse erfasst
werden können. Verlässlicher sollten Ver-
gleiche anhand originaler Erbsubstanz
sein. Doch die Gewinnung alter DNA
(aDNA) aus Funden jener Zeit ist bislang
nur bei Rinderknochen gelungen.
So stellt sich die neolithische Revolu-
tion in Mitteleuropa heute als komplexer,
mehr als tausend Jahre dauernder Prozess
dar. Dank jahrzehntelanger Forschung er-
kennen wir langsam das Gesamtbild,
doch der Teufel steckt oft noch im Detail.
Die Entwicklung neuer archäologischer
und naturwissenschaftlicher Methoden
hat unsere Vorstellung von dieser für die
Ein-
Emmer
korn
Linse Erbse Geschichte Europas, ja der gesamten Welt
so ungeheuer wichtigen Periode verän-
dert. Und niemand kann sich sicher sein,
sen waren oder erst später dorthin ka- längere Zeit Wildbeuter lebten. Die dass die Zukunft nicht einige Überra-
men. Strontium wird über Nahrung und Siedlungen der bandkeramischen Kultur schungen bereithält, die bisherige Er-
Trinkwasser aufgenommen und in den waren sicherlich wirtschaftliche und so- kenntnisse erneut in Frage stellen.
harten Körpergeweben fest eingebaut. Ist ziale Anziehungspunkte und mancher
deren Wachstum abgeschlossen, ändert Besucher mag gern geblieben sein. Tat-
Nach dem Studium der Vor- und
sich das Verhältnis der verschiedenen Iso- sächlich wäre das enorme Anwachsen Frühgeschichte in Köln und
tope nicht mehr. Die in der Jugendzeit der Anzahl von Dörfern und Weilern Frankfurt lehrte Detlef Gro-
ausgebildeten Zähne weisen daher bei ei- um den Faktor zehn zwischen 5500 und nenborn an Universitäten in
ner Verlagerung des Wohnplatzes ein an- 5000 v. Chr. kaum ohne einen solchen Frankfurt, Bamberg, Göttingen
deres Signal auf als die sich auch später Zuzug zu erklären. und Gainesville in Florida. Seit A U T O R U N D L I T E R AT U R H I N W E I S E
2002 forscht er am Römisch-
noch ständig umwandelnden Knochen. Auch molekulargenetische Untersu- Germanischen Zentralmuseum in Mainz und lehrt
chungen belegen, dass die Gesellschaft an der Mainzer Johannes-Gutenberg-Universität.
Friedliches Miteinander der frühen Jungsteinzeit »multikulturell« Neben der Neolithisierung gehört auch die Ent-
Aufschlussreich ist ein Friedhof bei war. Zum Beispiel konstatierte eine Ar- stehung und Entwicklung von Königreichen in
Schwetzingen südlich der Neckarmün- beitsgruppe um Martin Richards von der Westafrika zu seinen Forschungsthemen.
dung. Etwa 30 Prozent der Frauen und Universität Leeds in England auf Grund Die Neolithisierung im Vorderen Orient. Theorien,
19 Prozent der Männer, die dort zwi- von genetischen Analysen an der moder- archäologische Daten und ein ethnologisches Mo-
dell. Von Marion Benz in: Studies in Early Near
schen 5150 und 5000 v. Chr. zu Grabe nen europäischen Bevölkerung: Der An-
Eastern Production, Subsistence, and Environ-
getragen wurden, waren zugewandert. teil der aus Vorderasien während des ment, Bd. 7, ex oriente, Berlin 2000
Ein Vergleich der Isotopenverteilung mit Neolithikums eingewanderten Personen
Steinzeitliche Bauern in Deutschland. Die Land-
Referenzdaten zeigt: Sie kamen wahr- habe in Europa insgesamt unter zwanzig
wirtschaft im Neolithikum. Von Jens Lüning. Uni-
scheinlich von den Höhenzügen des Prozent gelegen. Diese Untersuchungen versitätsforschungen zur prähistorischen Archäo-
Odenwalds, des Schwarzwalds, des Elsass basieren allerdings auf Daten der moder- logie Band 58, Habelt, Bonn 2000
und des Pfälzer Walds. Von dort gibt es nen europäischen (sowie afrikanischen Colin Renfrew: Die Indoeuropäer – aus archäolo-
leider bislang kaum Funde aus den frag- wie auch nahöstlichen) Bevölkerung. gischer Sicht in: Spektrum der Wissenschaft. Dos-
lichen Jahrhunderten. Doch wäre es Mittels der so genannten molekularen sier: Evolution der Sprachen, 1/2000, S. 40
durchaus möglich, dass hier noch für Uhr wurde die Entstehung einzelner
Von Stanley B. Prusiner rungen – beim Rind Jahre, beim Men- schiedene von Prionen verursachte Er-
schen wohl auch Jahrzehnte. Deswegen krankungen bei Mensch und Tier, so
B
is vor vier Jahren wähnte sich suchen die Wissenschaftler dringend auch eine Form, die in Nordamerika
Deutschland BSE-frei. Doch nach immer besseren Verfahren, um ei- Hirsche heimsucht (siehe meinen Artikel
dann schockierte im November nerseits infiziertes, möglicherweise anste- in Spektrum der Wissenschaft 3/1995,
2000 der erste hier zu Lande ckendes Vieh zu erkennen – andererseits S. 44). Die Experten bezeichnen die Pri-
diagnostizierte Fall die Öffentlichkeit. aber, um Menschen mit einer drohenden onenkrankheiten insgesamt auch als TSE
Noch 2004 fanden die Labors bei über Prionenerkrankung frühzeitig zu thera- (transmissible spongiforme Enzephalo-
60 Schlachtrindern Anzeichen für die pieren. pathien).
Prionen, die eine bovine spongiforme Was von den Forschungsergebnissen
Encephalopathie (»Rinderhirnschwamm«) Gewagte Theorie am meisten verblüffte: In ihrer Normal-
verursachen, inzwischen addiert es sich Den Begriff »Prion« prägte ich Anfang form schaden Prionproteine, kurz PrP,
auf über 350. Noch länger glaubte sich der 1980er Jahre als Bezeichnung für gar nicht! Alle soweit untersuchten Tiere
Nordamerika von der Gefahr verschont. proteinartige infektiöse Partikel. Damals tragen dafür Gene. Die Normalversion,
Für einigen Aufruhr sorgte deswegen der entwarf ich die These, dass CJD und die bezeichnet als PrP C (C für englisch cellu-
erste erkannte Fall in den USA kurz vor Traberkrankheit der Schafe durch ein lar), tritt hauptsächlich in Nervenzellen
Weihnachten 2003, nachdem im selben Agens verursacht würden, das nichts wei- auf. Erst wenn sie eine falsche Gestalt
Jahr auch Kanada seine erste im eigenen ter sei als ein schädliches Protein (siehe annehmen, wirken die Proteine fatal (sie-
Land geborene BSE-Kuh entdeckt hatte. meinen Artikel in Spektrum der Wissen- he Kasten S. 65). Die abnorme Form be-
Weniger überraschten diese Nach- schaft, 12/1984, S. 48). Zu jener Zeit zeichnen die Forscher als PrPSc, wobei Sc
richten die Experten, die sich mit BSE war BSE noch nicht bekannt, wohl aber für Scrapie steht, die bis vor Kurzem
und ähnlichen Krankheiten befassen. seit über zwei Jahrhunderten die Traber- bestuntersuchte Prionenkrankheit. Der
Dass es schwer sein würde, die Ausbrei- krankheit, im Englischen Scrapie ge- klaren Unterscheidung halber spreche
tung der BSE-Prionen zu verhindern, nannt, weil sich die Tiere dauernd krat- ich nur bei der infektiösen Form von
haben die Forscher schon lange erkannt. zen. Auch rätselten Antropologen seit Prionen, ansonsten von Prionproteinen.
Gleiches gilt für die Sicherheitsgaran- den 1950er Jahren über die Gehirn- Anders als die Normalversion neigen
tie von Fleisch und daraus gewonnenen krankheit Kuru, die damals bei den Fore die deformierten Proteine zum Verklum-
Nahrungsmitteln. Die Übertragbarkeit grassierte, einem Stamm in Neuguinea pen. In dem Zustand widerstehen sie
der Erreger auf den Menschen war lange mit einem Totenkult, bei dem man das den üblichen Desinfektionsverfahren
unklar, gilt inzwischen aber als erwiesen. Gehirn von Verstorbenen aß. durch Hitze, Bestrahlung oder chemi-
Die bisher stets tödliche Erkrankung Anfangs nahm mich kaum jemand sche Substanzen. Eigentlich gefährlich
wird als neue Variante der länger ernst. Pathogene ohne Erbgut, also ohne macht die abnormen Eiweißstoffe aber,
bekannten Creutzfeldt-Jakob-Krankheit DNA oder RNA, widersprachen jeder dass sie ihre falsche Form normalen Pri-
(englisch abgekürzt CJD) eingestuft. wissenschaftlichen Erfahrung. Wie soll- onproteinen aufzwingen (siehe Kasten
Nach einer Infektion vergehen bis zu ten sie sich vermehren können? Doch auf S. 67).
den ersten Symptomen einer Erkran- bisher bewährte sich mein Konzept in An sich schützen sich Zellen vor
kung – Verhaltens- und Bewegungsstö- der Forschung. Wir kennen heute ver- falsch gefalteten Proteinen, indem sie
diese vernichten. Wenn aber neues PrPSc Menschen. Viel öfter kommt es dazu Die BSE-Epidemie hat den interna-
schneller entsteht als sie abbauen kön- ohne erkennbare Ursache – sporadisch, o tionalen Lebensmittelmarkt schwer
nen, reichern sich die verklumpten Mo- wie die Mediziner sagen. Auch die getroffen. Hier nimmt eine Mitarbeiterin in
leküle an, bis die Zellen zerbersten. In Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJD) tritt Südkorea Proben, um die Herkunft der
mikroskopischen Präparaten von kran- meistens spontan auf, im Jahr etwa bei Ware zu überprüfen.
kem Hirngewebe sind sowohl die Abla- einem von einer Million Menschen und
gerungen zu erkennen wie auch viele gewöhnlich bei älteren Personen. Deut-
winzige löchrige Stellen. Es wundert lich seltener sind vererbte Formen von
nicht, dass solche fast schwammig zer- CJD sowie zwei ähnliche erbliche Lei- von denen Forscher bisher über dreißig
störten Gehirne nach und nach den den: das Gerstmann-Sträußler-Schein- verschiedene aufgezeigt haben.
Dienst versagen. ker-Syndrom und die tödliche familiäre Der Rinderwahnsinn trat Mitte der
Nicht jede Prionenkrankheit beruht Schlaflosigkeit. Diese Krankheiten gehen 1980er Jahre in Großbritannien auf (sie-
auf einer Infektion, auch nicht beim auf Mutationen im Priongen zurück, he Kasten S. 69). Wir wissen heute, dass
t.rfühla
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Fast 190 000 BSE-Rinder sind bisher aufgetaucht, davon weit über 180 000 allein
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in Großbritannien.
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r Infektionsstadien vor Ausbruch der Krankheit sind mit älteren Prüfverfahren infektiösen Materials wurden die Mäuse
nicht nachweisbar. Nun stehen neuere Tests zur Verfügung, die sich auch zur Un- krank. Die Symptome für eine Hirnzer-
tersuchung jüngerer und äußerlich gesunder Rinder eignen. Zukünftig sollen da- störung waren in beiden Teilgruppen der
mit auch Bluttests möglich werden. Tiere die gleichen.
r Der Autor plädiert für eine lückenlose Überprüfung aller Schlachtrinder mit den Zwischen 1995 bis Ende 2004 sind
empfindlichsten Tests, die zur Ve Verhalten der Prio- in Großbritannien etwa 150 Menschen
nen nic an der neuen Creutzfeldt-Jakob-Variante
gestorben, in anderen Ländern schon
Kasten berschrift
Fr her dauerte ein BSE-Test mindestens einige Monate – bis ein Verfahren zugelassen). Jetzt ist das Bestreben, die Empfindlich-
ä öä
k nstlich infiziertes Versuchstier erkrankte. Bald kamen schnel- keit f r Prionen zu steigern, damit auch Diagnosen an infizier-
Kastentext und „Boldhinzu.
lere Immuntests Condensed“
Die heutigen Schnelltests
Kastentext liefern binnen ten, noch gesunden Rindern m glich werden, idealerweise am
pisim velesequipit
nibhStunden
eugait ein Ergebnis
praestrud (in der EU
ercipsum waren
nosto Endecommolo
conse solche lebenden Tier durch Blut oder gegebenenfalls Urin.
2004 f nfortio
odolortie del iuscilit in ulputem iusting etuero od te molore tat
numsan henim quisit acin veliquat.
consecte mod magna facipsuscil el ing exGewebeprobe
ä
Labortiere
Ut als Testobjekte
praese dolore
erolangwierig
eugait in vulputat aliquam nulla feugait ipsusci cilisismodio
und teuer;
consenibh estincidunt
verr t anhand der luptate
Dauer, dion
bis velit
das ad
Ver-dit la facipis aliquat
alisit velit il ullaor
suchstier aliquis
erkrankt, illaore
wie eugiate
infekti s dieconsequat.
Ge- Versuchstier
webeprobe war; erkrankt: Rind
ö
Versuch kann verschiedene Prionenst m- war infiziert
ü
Kastentext und „Bold
me erkennen Condensed“ Kastentext pisim velesequipit
lassen Gehirn eines praese dolore consecte mod magna facipsuscilVersuchstier
el ing ex ero
nibh eugait praestrud ercipsum nosto conse commolo verd chtigen
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vulputat aliquam nulla feugait ipsusci cilisismodio con-
erkrankt nicht:
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odolortie del iuscilit in ulputem iusting etuero od teRindes Rindaliquat
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molore tat senibh estincidunt luptate dion velit ad dit la facipis ali-
infiziert
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numsan henim quisit acin veliquat dolore consecte mod. Ut sit velit il ullaor aliquis illaore eugiate consequat.
ü
ü
Immuntests an Gewebeproben Antik rper
ö
erster spezifischer Test zum Prionennach- f r PrPSc infiziert
weis, an dem sich die neueren Methoden
messen m ssen;
die Einzelpr fung der Pr parate ist zeit-
aufw ndig;
ö
nicht f r l ckenlose Reihenuntersuchun-
gen geeignet Gewebeprobe
üö
mit Antik rper nicht
infiziert
ü
oder
ö
nicht
infiziert
ü
PrPSc bleibt
intakt
ü
CDI – auf die Molek lstruktur zielender
ä
Immunschnelltest Substanz, um PrPC Antik rper fluoresziert,
sehr empfindlicher automatisierter Test; und PrPSc zu trennen wenn er an PrPSc bindet
öü
Ergebnis binnen f nf Stunden;
zeigt die Prionenmenge in der Probe an,
ohne dass vorher normale Prionproteine
entfernt werden m ssen (was auch man-
che Prionen trifft) – daher zuverl ssiger;
infiziert
zurzeit auch an Gewebeproben lebender PrPC
Tiere untersucht; PrPSc
m glicherweise f r Bluttests geeignet
LUCY READING
ö
offenbar immer wieder spontan und un- diesen Rindern zur Ur-
bei Serono Pharmaceuticals entwickelt. vermutet auf. Vor Viren kann man sich sache hatten. Zweifel-
In den Studien vermengten die Forscher beispielsweise durch strenge Quarantä- los ging die fast schon
Hirnpräparate von normalen und scra- ne schützen – vor Prionen nicht unbe- weltweite BSE-Epidemie von Großbri-
pieinfizierten Hamstern. Die Mischung dingt. Im Prinzip kann jedes Säugetier, tannien aus, und in diesen Fällen wurde
behandelten sie mit Schallpulsen. Da- der Mensch eingeschlossen, irgend- die Krankheit tatsächlich auf Grund un-
durch sollte sich das verklumpte infek- wann ohne ersichtlichen Grund solche seres Unwissens weitergegeben. Doch
tiöse PrPSc auflösen und nun gesunde
öö
abnorm gefalteten Eiweißstoffe bilden. selbst ohne solche Kontakte k nnen
Schwestermoleküle aus dem nicht infi- Jährlich erkrankt einer von einer Mil- wahrscheinlich, wenn auch vereinzelt,
zierten Gehirn in die schädliche Form lion Menschen wahrscheinlich durch immer wieder BSE-Tiere auftauchen. Ich
zwingen. Tatsächlich stieg die PrPSc- eine Spontanmutation an der Creutz- kann mir vorstellen, dass das seit Men-
Menge in den Proben auf das Zehnfa- feldt-Jakob-Krankheit. Mutmaßlich ging schengedenken geschieht, nur bisher
che. Ähnliche Ergebnisse erzielte Su- die Kuru-Epidemie bei den Fore auf Neu- weniger beachtet wurde.
rachai Supattapone von der Dartmouth guinea im 20. Jahrhundert auf solch eine Prionenkrankheiten lassen sich nie
Medical School in Hanover (New spontane Hirnerkrankung eines Stam- v llig ausrotten, weil sie jederzeit neu
Hampshire). mesmitglieds zurück – und wurde durch erscheinen k nnen. Wir müssen weiter
Ein weiterer Ansatz zielt auf die ab- das rituelle Verspeisen von Gehirnen denken – vor Prionen sollten wir uns
norme Gestalt – englisch conformation – Verstorbener weitergegeben. auch zukünftig in Acht nehmen.
der Prionen (siehe Kasten links, ganz un-
Ñ
sammen mit normalem Prionprotein ent- ten Safar und DeArmond. Adriano
fernt wird –, eine Infektion anzeigen Aguzzi von der Universität Zürich und
können, lange bevor die ersten Krank- seine Mitarbeiter entdeckten die fatalen
heitssymptome auftreten. Moleküle in Muskelgewebe jeder vierten
Eine besondere Technologie erlaubt Vor allem auch könnte man mit Blut- von ihnen untersuchten kranken Person.
die schnelle und umfassende Suche tests beim Menschen Infektionen zeitig Ebenso dringlich wie bessere und
in verschiedenen Datenbanken und genug erkennen, um mit erapien, die frühere Diagnosemethoden wäre, die
Archiven. Damit konzentriert sich sich bereits ankündigen, das Schlimmste Vermehrung der gefährlichen Prionen
das Internetangebot von wissen- zu verhüten. Mit dem CDI-Test gelang im Körper von vornherein zu verhindern
schaft-online künftig auf die aktuelle uns im Blut von Nagetieren und auch oder wenigstens befallene Zellen darin
Berichterstattung aus der Wissen- von Menschen bereits der Nachweis ge- zu unterstützen, die deformierten Mole-
schaft sowie komfortable Recher- ringer Mengen solcher verletzlicher PrPSc- küle effektiver zu beseitigen. Bisher
chemöglichkeiten. Prionen. Vorläufige Ergebnisse, dass auch kennt die Forschung mehr als zwanzig
Ò
fast 190 000 15
10 000 10 zunehmen. Jedoch kann sich das Medi-
10 10 kament vermutlich nicht gut im Gehirn
3 4 verteilen. Zumindest ist das von anderen
1 1 1 3 1 Molekülen mit ähnlichen Ladungsver-
1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004
hältnissen bekannt.
Auch wenn der Weg bis zu einer
POUR LA SCIENCE
Spiegelkabinett
schaft in die Schulen« bietet teilneh-
menden Klassen einen Klassensatz
»Spektrum der Wissenschaft« oder
Auch im Reich der Moleküle kann es wichtig sein, zwischen links und »Sterne und Weltraum« kostenlos für
ein Jahr, dazu didaktisches Material
rechts zu unterscheiden. Bei der jüngsten Chemie-Olympiade muss- und weitere Anregungen.
ten Schüler zeigen, wie gut ihnen das gelingt. www.wissenschaft-schulen.de
Von Reinhard Demuth und Oliver Reiser Überhaupt bewiesen die asiatischen Jede Aufgabe bestand aus mehreren
und osteuropäischen Länder eine erdrü- Teilen mit unterschiedlichem Schwierig-
H CO2H HO2C H in der Natur vor. zin ist, dass Bild und Spiegelbild bei Mo-
H2 N NH2
(L)-Alanin (D)-Alanin
natürliche Form
SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT
Q FEBRUAR 2005
sehr selten normale Form
??????
??????
lekülen oft eine völlig andere biologische stand. Sie kommt in Grippe- und Aller- Händigkeit ist in der Natur ein ver-
Wirkung haben. Was ein Stoff im Körper giemitteln vor, die in vielen Ländern re- o breitetes Phänomen. Zum Beispiel
bewirkt, hängt nämlich davon ab, ob zeptfrei erhältlich sind und sogar für wächst der Hopfen stets in einer links-
und wie gut er sich an spezielle »Rezep- Kleinkinder empfohlen werden. gängigen Helix, und die Gehäuse der
toren« auf bestimmten Zellen anlagern Bei der Olympiade 2000 wurde dies Weinbergschnecken winden sich ganz
kann. Solche Rezeptoren fungieren wie der damals 16-jährigen Rumänin Andrea überwiegend rechtsherum.
Schlösser, die sich nur von speziell ge- Raducan zum Verhängnis. Ihr Mann-
formten Schlüsseln aufschließen lassen. schaftsarzt verabreichte ihr am Abend vor
Dabei unterscheiden sie in der Regel zwi- dem Wettkampf wegen einer leichten Er-
schen Bild und Spiegelbild. Ähnlich wie kältung ein Grippemittel, das die Sub- atom, weil es bewirkt, dass das betreffen-
die rechte Hand nur in einen rechten stanz enthielt. Da die Dopingkontrolle de Molekül keinerlei Symmetrie auf-
Handschuh passt, akzeptiert auch ein Re- daraufhin ein positives Ergebnis lieferte, weist. Da die Gruppen tetraedrisch um
zeptor meist ausschließlich eine der bei- musste die Turnerin die am nächsten Tag dieses Kohlenstoffatom angeordnet sind,
den spiegelbildlichen Formen. Die ande- gewonnene Goldmedaille zurückgeben. gibt es in diesem Fall zwei spiegelbildli-
re bleibt dann wirkungslos oder kann in che Formen, die sich nicht zur Deckung
ungünstigen Fällen – weil sie sich im Asymmetrischer Kohlenstoff bringen lassen. Um von der einen zur
Schloss verkantet oder ein falsches Hohe rumänische Sportfunktionäre tra- anderen zu gelangen, muss man jeweils
Schloss öffnet – sogar schädlich sein. ten aus Protest zurück, der Mannschafts- zwei Gruppen vertauschen – was nur
Ein besonders tragisches Beispiel da- arzt erhielt ein Berufsverbot, und Andrea durch Brechen und Neuknüpfen von
für war das Beruhigungs- und Schlafmit- Raducan drohte eine lebenslange Sperre. chemischen Bindungen möglich ist.
tel Contergan. Ende der 1950er Jahre Im Jahre 2003 wurde Pseudoephedrin Als dreidimensionaler Körper lässt
wurde es in einer für ein Medikament dann zwar von der Dopingliste gestri- sich ein Tetraeder nicht wirklichkeitsge-
beispiellosen Werbekampagne als voll- chen, doch trotz überwältigender öffent- treu auf der zweidimensionalen Papier-
kommen sicher und nebenwirkungsfrei licher Unterstützung für die rumänische ebene darstellen, sondern nur projizieren.
angepriesen. Deshalb nahmen es auch Turnerin hat die Disqualifikation bis Chemiker machen das gerne so, dass sie
schwangere Frauen gegen die Morgen- heute Bestand. Man sieht an diesem Bei- zwei der vier Bindungen in die Zeichen-
übelkeit. Contergan zählt jedoch zu den spiel, dass chemischer Sachverstand in fläche legen. Dann ragt die dritte nach
Molekülen, die in zwei spiegelbildlichen vielen Bereichen der Gesellschaft vonnö- oben und die vierte nach unten aus der
Formen vorkommen. Beide fielen bei ten ist, um so unsinnige Entscheidungen Papierebene heraus. Um das anzudeuten,
seiner chemischen Synthese in gleicher und ihre weit reichenden Folgen von zeichnen Chemiker die nach oben wei-
Menge an und lagen in dem Arzneimit- vornherein zu verhindern. sende Bindung als ausgefüllten und die
tel folglich als Gemisch vor. Wie sich Bevor wir nun mit den Fragen begin- nach unten zeigende als gestrichelten
später herausstellte, wirkt jedoch nur die nen, möchten wir ein paar grundlegende Keil. Als einfaches Beispiel einer chiralen
eine Form als harmloses Schlafmittel, Fakten in Erinnerung rufen. Wenn von Verbindung ist die Aminosäure Alanin in
während die andere bei ungeborenen Fö- einem Molekül spiegelbildliche Formen ihren beiden spiegelbildlichen Formen
ten schwere Missbildungen verursacht. existieren, nennen es die Chemiker hän- gezeichnet – einmal in perspektivischer
Dadurch kamen zwischen 1958 und dig oder chiral (nach griechisch cheir, Darstellung und einmal in der gerade ge-
1962 etwa 10000 Kinder mit verkürzten Hand). Die häufigste Klasse chiraler Ver- schilderten Projektion (Bild links).
Gliedmaßen zur Welt. bindungen sind solche mit einem Koh- Pseudoephedrin hat natürlich eine et-
Bei der Chemie-Olympiade ging es lenstoffatom, an dem vier verschiedene was kompliziertere Formel. Ihre Darstel-
um einen Wirkstoff mit besonderem Be- Atome oder Gruppen von Atomen hän- lung ist deshalb der Übersichtlichkeit
zug zum Sport: die Droge Pseudoephe- gen. Chemiker sprechen in diesem Fall halber gegenüber der des Alanins noch
drin, die bis 2003 auf der Dopingliste von einem asymmetrischen Kohlenstoff- etwas vereinfacht. So wurden die meisten
Benzolring
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nen Chemiker Verbindungen, in denen Wie schon aus der tragischen Con-
dieselben Atome in denselben Mengen- tergan-Geschichte hervorgeht, hat die
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Die Droge Pseudoephedrin kommt
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in vielen Grippemitteln vor und galt verhältnissen vorliegen, aber unterschied- Rechts-links-Asymmetrie in der che-
bis 2003 als Dopingmittel. Das hier ge- lich angeordnet sind. Als Beispiel können misch-pharmazeutischen Industrie enor-
zeigte D-Pseudoephedrin hat leicht anre- Ethanol (CH3–CH2–OH) und Dime- me Bedeutung. Heutige Arzneimittel
gende Wirkung. Sein Spiegelbild wirkt thylether (CH3–O–CH3) gelten. Bei Ste- enthalten in aller Regel nur noch den
etwa sechsmal sc her. Erkennen Sie, reoisomeren stimmen zusätzlich die Bin- chiralen Wirkstoff selbst und nicht zu-
wie viele asymmetrische Kohlenstoffato- dungsverhältnisse überein – die gleichen sätzlich sein Spiegelbild. Herkömmliche
me das und wo sich die- Atome sind jeweils gleichartig miteinan- chemische Synthesen aber liefern immer
se befinden? der verknüpft; aber die dreidimensionale ein Gemisch aus beiden, sodass die uner-
ä
üü
Zu Frage 1: OH
Pseudoephedrin enth lt zwei asymmetrische Kohlenstoffato- * CH3
me, die hier mit blauen Sternchen markiert sind. *
NHCH3
Zu Frage 2:
Bei der Reaktion von Pseudoephedrin mit Permanganat zu Sauerstoffatome des Permanganats bertragen und ergibt
Methcathinon entsteht aus dem Alkohol durch Entfernen von letztlich Wassermolek le. Das Mangan liegt am Ende als zwei-
zwei Wasserstoffatomen ein Keton. Der Wasserstoff wird auf fach positiv geladenes Ion vor.
OH O
CH3 CH3
5 + 2 MnO4– + 6 H+ 5 + 2 Mn2+ + 8 H2O
NHCH3 NHCH3
Zu Frage 3: CH3
CH3
Die Reduktion des Methcathinons beginnt damit, dass sich ein
H 3C
ü
Hydrid-Ion (H– ) vom Lithiumaluminiumhydrid an das Kohlenstoff-
H N H H3CHN H
h
atom der Carbonylgruppe bindet. Zuvor ist allerdings bereits das + H–
ü ä p
positiv geladene Lithium-Ion mit dem Sauerstoff der Carbonyl-
Li – H2 O
ä
hnlic
und dem Stickstoff der Aminogruppe, die als stark elektronega-
äc undw
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HO Ph
S
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tive Elemente beide teilweise negativ geladen sind, in elektro-
t
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n
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en
e e
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ü d E d
i
statische Wechselwirkung getreten. Dadurch entsteht ein relativ
re
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s ot
stgn
s as e
n
Ph
u
r r r
starrer F nfring, der die beiden sperrigen Methylgruppen (–CH3) H
irk
am Stickstoff- und am asymmetrischen Kohlenstoffatom auf
dieselbe Seite des Molek ls bringt. Das Hydrid-Ion kann sich
der Carbonylgruppe daher nur von der anderen Seite n hern. H–
??????
Dadurch erh lt das neu entstehende asymmetrische Zentrum
aber die spiegelbildliche Konfiguration zu der im Pseudoephe- steht, auf unterschiedlic , die andere un-
drin. W h bei diesem die Hydroxyl- (–OH) und die Ami- ter der Papierebene). Das P
nogruppe (–NHCH3) beide auf derselben Seite (unter der Papier- selbst. Es findet sich ebenso wie das Pseudoephedrin als Alka-
ebene) befinden, liegen sie bei der Verbindung, die durch loid in Ge hsen der Gattung Ephedra h wie
Reduktion von Methcathinon mit Lithiumaluminiumhydrid ent- das bekanntere Stresshormon Adrenalin.
Zu Frage 4:
Ephedrin und Pseudoephedrin sind Stereoisomere und Diastereomere, nicht aber Enantiomere oder Konformationsisomere.
wünschte Komponente nachträglich ent- Da dieses Prozedere sehr umständ- solche asymmetrischen Synthesen mit
fernt werden muss. Mit physikalischen lich und aufwändig ist, hat die chemisch- chiralen Katalysatoren entwickelt haben.
Mitteln ist das nicht möglich, weil die pharmazeutische Industrie größtes Inter- Die nächste Internationale Chemie-
physikalischen Eigenschaften von Bild esse an Herstellungsmethoden, die das Olympiade findet übrigens vom 16. bis
und Spiegelbild identisch sind. Das üb- gewünschte Enantiomer gleich in reiner 25. Juli in Taipeh (Taiwan) statt.
liche Verfahren besteht darin, das Enan- Form liefern. Eine Möglichkeit besteht
tiomeren-Gemisch (oder Racemat, wie darin, auf biotechnologische Verfahren Reinhard Demuth hält einen Lehrstuhl am In-
Chemiker sagen) mit einer anderen chi- auszuweichen. Doch auch chemische stitut für die Didaktik der Chemie an der Uni-
ralen Verbindung reagieren zu lassen, die Synthesen lassen sich inzwischen teilwei- versität Kiel, deren Rektor er seit 2000 ist.
Oliver Reiser ist Professor für Organische Che-
nur als Bild vorliegt – etwa weil sie bio- se so gestalten, dass sie asymmetrisch
mie an der Universität Regensburg und hat sich
logischen Ursprungs ist. Dabei entstehen verlaufen und bevorzugt ein Enantiomer die Aufgabe für die Chemie-Olympiade ausge-
Diastereomere, die beispielsweise unter- ergeben. Das gelingt insbesondere mit dacht, von der hier Fragen präsentiert wurden.
schiedliche Schmelzpunkte haben – wie einem Katalysator, der selbst chiral ist. Rechts oder links in der Natur und anderswo. Von
Ephedrin und Pseudoephedrin – und Welche Bedeutung diese Forschungs- Henri Brunner. Wiley-VCH, Weinheim 1999
sich dadurch trennen lassen. Anschlie- richtung hat, lässt sich unter anderem
Weblinks zum Thema finden Sie bei www.spek-
ßend muss das Hilfsmolekül wieder ab- daran erkennen, dass der Chemie-No- trum.de unter »Inhaltsverzeichnis«.
gespalten werden. belpreis 2001 an drei Forscher ging, die
Von Uwe Reichert telalterliche Weltbild in seinen Grund- Jahrhunderte dazwischen wird womög-
festen und verhalfen – jeder auf seine lich noch der eine oder andere arabische
N
ehmen Sie irgendein Werk Weise – dem heliozentrischen System Gelehrte erwähnt, der dazu beitrug, das
zur Geschichte der Astrono- zum Durchbruch. Als Vorläufer dieser Wissen der Griechen an das mittelalter-
mie zur Hand und Sie wer- wissenschaftlichen Revolutionäre wird liche Abendland weiterzureichen. Ein
den bekannte Namen finden sicherlich auch Ptolemäus genannt, der Name aber wird gewiss nicht auftau-
wie Nikolaus Kopernikus, Tycho Brahe, im 2. Jahrhundert n. Chr. das astrono- chen: Abraham Zacuto.
Johannes Kepler oder Galileo Galilei. mische Wissen der griechischen Antike Zugegeben – der aus dem spanischen
Diese Gelehrten erschütterten das mit- zusammenfasste. Aus der Zeit der vielen Salamanca stammende Abraham Zacuto
ist selbst vielen Fachleuten nicht bekannt.
Gleichwohl lohnt es, sich mit diesem Ge-
AUS: »VASCO DA GAMA, DIE ENTDECKUNG DES SEEWEGS NACH INDIEN«, GERNOT GIERTZ (HG.), EDITION ERDMANN
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sche und portu- Im 15. Jahr-
giesische Seefahrer hundert began-
zu epochalen Entde- nen portugiesische
ckungs- und Eroberungsrei- Seefahrer die Küste Afri-
sen auf, was nur mit Hilfe von As- kas zu erkunden. Über den Rest
tronomen und Kartografen möglich war. der Welt hatte das Abendland nur rudi-
Und der Übergang von der Handschrift limschen Kolonialherrschaft befreit und mentäre Vorstellungen, wie diese zeitge-
zum gedruckten Buch veränderte den für das Abendland zurückgewonnen he Karte verdeutlicht.
Fortschritt der Wissenschaft und die Ver- worden. Wie für männliche Mitglieder
breitung des Wissens von Grund auf. einer jüdischen Gemeinde üblich, hatte
Zacuto lesen und schreiben gelernt.
Schicksalsjahre Über diese Fertigkeiten verfügten zur da- Zacuto stand in der Tradition hebrä-
eines jüdischen Astronomen maligen Zeit ansonsten nur Kirchenleu- isch schreibender Gelehrter aus dem 14.
Abraham Zacuto wurde 1452 in Sala- te. In Salamanca schöpfte Zacuto reich- und 15. Jahrhundert. Der bekannteste
manca geboren. Er entstammte einer jü- lich aus den Quellen, die christliche Ge- von ihnen ist Levi ben Gerson, der mit
dischen Familie, die zuvor in Frankreich lehrte aus allen Teilen Europas an die eigenen Beobachtungen und Kritik am
beheimatet war und Anfang des 14. Jahr- dortige Universität gebracht hatten. Sei- ptolemäischen Gedankengebäude für da-
hunderts ins Exil nach Kastilien gehen ne Kenntnis astronomischer Schriften in malige Verhältnisse eine Außenseiterpo-
musste. Diese spanische Provinz war als Arabisch bezog er vermutlich aus hebräi- sition einnahm. Die Planetentafeln, sei-
Erste von der jahrhundertelangen mus- scher und lateinischer Sekundärliteratur. ne erste astronomische Abhandlung, leg-
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Kastilische. Gebrauch von ihren Schriften, aber sie Verteidigung des christlichen Glaubens
und zum ewigen Kriege gegen die Mau-
ren« verpflichtet war.
Astrologen und Kalendermacher Im Auftrag Zúñigas verfasste Zacuto
1486 eine »Kurze Abhandlung über die
Die Astronomen des Mittelalters betätig- Einflüsse des Himmels«, später gefolgt
ten sich auch als Sterndeuter. Horosko- von der Schrift Ȇber Sonnen- und
pe wussten die Herrscher nämlich zu Mondfinsternisse«. Ein anderes Werk, in
schätzen, bot doch der – vermeintliche – dem er die Sonnenfinsternis vom 16.
Einblick in die Zukunft ganz offensichtli- Aus urheberrechtlic März 1485 beschrieb, ist verschollen. Ne-
che Vorteile bei anstehenden politischen ben diesem astronomischen Ereignis sind
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Entscheidungen. Bis in die Neuzeit hi- nicht online zeigen. nur drei weitere eigene Beobachtungen
nein vermischte sich die Astrologie mit Zacutos gesichert: 1474 verfolgte er eine
der Astronomie. Selbst Johannes Kepler Bedeckung des Sterns Spica durch den
(1571 –1630), der die Gesetzmäßigkei- Mond, am 24. Juli 1476 eine Bedeckung
der Venus durch den Mond und eine
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eäersslfarhMeuinnf,3dt6eahs5nr,2delärnjguerliaw
ten der Planetenbewegung erkannte
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und dem heliozentrischen Weltbild zum Sonnenfinsternis am 29. Juli 1478.
Für Spanien war das Jahr 1492 in
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Durchbruch verhalf, erstellte für ver-
schiedene Auftraggeber persönliche Ho- dreierlei Hinsicht bedeutend. Zunächst
roskope. Das so genannte Horoskop Wal- gelang es den christlichen Heeren Gra-
Den größten praktischen Nutzen hat- o lensteins, das Johannes Kepler nada einzunehmen, die letzte Bastion
ten die Kenntnisse der Astronomen je- kurz nach 1600 den Feld- der Mauren auf der Iberischen Halbin-
doch für alltägliche Dinge der religiös ge- herrn Albrecht von Wallenstein erstellte. sel. Dann wurden alle nicht getauften
prägten Gesellschaften. Im Orient waren Juden des Landes verwiesen. Und
dies vor allem die Bestimmung der Kibla schließlich entdeckte Christoph Kolum-
bus – unterwegs in spanischen Diensten
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(der nach Mekka orientierten Gebets- men. Ab dem 13. Jahrhundert war nicht
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richtung), die Berechnung der täglichen he – den amerikanischen Kontinent.
Während Spanien damit den Grund-
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Gebetsstunden sowie die Sichtbarkeit Kalender von den astronomischen Da-
stein zur Weltmacht legte, musste sich
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der schmalen Mondsichel nach Neu- ten abwich. Da die J
mond, die im islamischen Mondkalen- von J Tage festge- der Jude Zacuto ins portugiesische Exil
der den Monatsanfang festlegte. legt – r ar als begeben. Portugal hatte ebenfalls die ers-
das t hliche Sonnenjahr, hatte sich ten Schritte zur Seefahrernation hinter
sich: Madeira, die Azoren und die Kap-
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Auch der Kalender des christlichen Abend- diese Differenz im Laufe der Jahrhun-
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verdischen Inseln waren entdeckt, erste
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lands orientierte sich an astronomischen derte so weit aufsummiert, dass sich
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Fixpunkten. So sollte nach dem Be- die kirchlichen Feste um mehrere Tage Stützpunkte auf dem afrikanischen Kon-
tinent eingerichtet. König Johann II. för-
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das Osterfest stets auf den ersten Sonn- terschieden. F eform des juliani-
tag nach dem ersten Vollmond im Früh- schen Kalenders, die nach mehreren An- Ziel, um Afrika herum den Seeweg nach
ling fallen. Der Frühlingsbeginn – also en schließlich von Papst Gregor XIII. Indien zu erschließen. Dazu brauchte er
die Frühjahrs-Tag-und-Nacht-Gleiche – 15 ar die Mitar- neben Kartografen und Mathematikern
wurde dabei auf den 21. März festge- beit von Astronomen unentbehrlich. auch Astronomen. Trotz der in Portugal
legt. Der so genannte Fastensonntag Etwa zu jener Zeit entstanden auch ebenfalls vorhandenen antisemitischen
wurde sieben Wochen vor Ostern ange- die ersten Sternwarten in Europa – Strömungen gelang es Zacuto deshalb,
setzt, die Feiertage Himmelfahrt, Pfings- ebenfalls aus einem praktischen Be in die Dienste König Johanns II. und –
ten und Fronleichnam hingegen 40, 50 nis heraus: Die Seef nach dessen Tod 1495 – seines Nachfol-
beziehungsweise 60 Tage nach Ostern. gend ein Verfahren, um fernab der gers Emanuel I. zu treten.
Die Kalenderberechnung blieb seit- sc Doch auch an seiner neuen Wir-
dem ein St Astrono- St kungsstätte holte Zacuto das Schicksal
ein. 1497 wurden die Juden in Portugal
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rischen Halbinsel. Im Auftrag des Re- mischen Uhr im
wisse Planetenstellungen die Gescheh- genten erstellte ein Astronomenkollegi- Chorumgang der Ni-
nisse auf der Erde bestimmen sollten. um, dem die beiden j dischen Gelehrten kolaikirche in Stralsund: der
Die »Chibbur«-Tabellen, die er ur- Jehuda ben Mose und Isaak ben Sid an- spanische Alfonso X.,
sprünglich für das Jahr 1473 berechnet geh rten, in den Jahren 1263 bis 1272 genannt der Weise.
hatte, passte Zacuto nun an das Jahr ein astronomisches Tabellenwerk. Diese
1501 an. Später, als er nach Damaskus so genannten Alfonsinischen Tafeln ent-
und Jerusalem weitergezogen war, be- hielten alle Daten und Hilfsmittel, die nach 1320 mehrere europ ische Astro-
rechnete er neue Planetentafeln, die mit man brauchte, um – auf der Grundlage nomen – wie Jean de Saxe, Jean de
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dem Jahr 1513 begannen und an den des ptolem ischen Planetensystems – Murs und Jean de Linières in Paris –, ei-
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jüdischen Kalender sowie den Meridian
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die Positionen von Sonne, Mond und gene Kanones zu verfassen, die den
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von Jerusalem angepasst waren. Als Planeten zu bestimmten Zeiten zu be- »kop osen« Tafeln beigestellt wurden.
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mehrfach Vertriebener starb Zacuto um
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rechnen. Das Tafelwerk sollte die Toleda- Diese lateinischen Ausgaben der Al-
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1515 fernab seines Geburtsorts, aber in nischen Tafeln ersetzen, die der muslimi- fonsinischen Tafeln waren enorm erfolg-
der Heimat seines Glaubens. sche Astronom Ibn as-Sarkali (auch unter reich; sie erschienen ab 1483 in einer
dem latinisierten Namen Arzachel be- Vielfalt gedruckter Ausgaben. Sie domi-
In Diensten der kannt) um 1070 herausgegeben hatte. nierten die europäische Astronomie, bis
»Junta dos Mathematicos« 1551 Erasmus Reinhold die Preußischen
Diese kurze Skizze von Zacutos Biografie Zwei sehr verschiedene Versionen der Al- oder Prutenischen Tafeln veröffentlichte.
zeigt, wie stark sein persönliches Schick- fonsinischen Tafeln haben sich erhalten: Diese Planetentafeln – benannt zu Eh-
sal durch seine Religion und Profession einerseits der originale kastilische Text ren des Herzogs Albrecht von Preußen –
mitbestimmt wurde. Solch unstete Le- der Kanones (Anleitungen zur Nutzung stützten sich auf die heliozentrische The-
bensumstände sind in der Geschichte der Tafeln), f r die allerdings die zugeh - orie von Nikolaus Kopernikus. 1627
der Wissenschaft freilich nicht selten. rigen nummerischen Tabellen nicht ber- schließlich druckte Johannes Kepler die
Man denke beispielsweise an die in den liefert sind; andererseits erschienen in Rudolfinischen Tafeln, die er nach den
1930er Jahren aus Deutschland vertrie- Paris revidierte nummerische Tafeln mit Beobachtungen von Tycho Brahe berech-
benen jüdischen Forscher. lateinischen Inschriften und ohne Kano- net und dem verstorbenen Kaiser Ru-
Dass Staaten allerdings auch in der nes. Jene zweite Version motivierte dolf II. gewidmet hatte.
Lage sein können, ihre Prinzipien hint-
anzustellen, wenn sie sich dadurch einen
Vorteil versprechen, zeigt Zacutos Wer- tografie, Astronomie und Mathematik Grundlage für die Bestimmung der
degang ebenso wie eine weitere moderne besaßen. In diese illustre Runde der Planetenbewegungen waren periodische
Parallele: Nach Ende des Zweiten Welt- Seefahrtkommission, der so genannten Zyklen dieser Wandelsterne, die seit äl-
kriegs waren die deutschen Ingenieure, »Junta dos Mathematicos«, fand der Jude testen Zeiten bekannt sind. Dazu gehö-
welche die erste Fernrakete gebaut hat- Zacuto genauso Eingang wie ein aus ren der Tages- und der Jahreslauf der
ten, begehrte Gäste in den USA bezie- Nürnberg stammender Kaufmann na- Sonne, die wechselnden Lichtgestalten
hungsweise in der Sowjetunion. Nach- mens Martin Behaim (siehe Kasten auf des Monds innerhalb eines Monats und
dem sie dort ihre Pflichten getan und S. 80). seine Bahn zwischen den Fixsternen, die
dem Raketenprogramm der beiden Su- Mit der Verbesserung der Navigation Sichtbarkeiten von Merkur und Venus
permächte zur Initialzündung verholfen übernahmen die Astronomen des 15. am Morgen- oder Abendhimmel sowie
hatten, erinnerte man sich wieder ihrer Jahrhunderts nun eine dritte Aufgabe. die Umlaufperioden und Schleifenbah-
unbequemen Herkunft und verwies sie – Jahrhundertelang hatte ihre Tätigkeit im nen von Mars, Jupiter und Saturn.
zumindest die meisten – des Landes. Wesentlichen zweierlei umfasst: astrolo- Bereits babylonische Astronomen
Rund 450 Jahre vor Wernher von gische Vorhersagen zu machen sowie den rechneten in Zyklen, in denen sich die
Braun und seiner V2-Rakete war es Kalender zu berechnen (siehe Kasten Stellungen der Planeten zueinander wie-
Portugals ehrgeiziges Flottenprogramm, links). Für all diese Dinge war es uner- derholen. Ptolemäus nutzte diese himm-
das der aufstrebenden Seefahrernation lässlich, die Positionen von Sonne, lischen Rhythmen, um die Planetenbe-
helfen sollte, eine Weltmachtstellung Mond, Merkur, Venus, Mars, Jupiter wegungen mit seinem Epizykelmodell zu
einzunehmen. Um ein verlässliches Sys- und Saturn – die damals alle als Him- erklären (siehe Kasten auf S. 79). In Ta-
tem zur Positionsbestimmung und Na- melskörper angesehen wurden, die sich bellenwerken wurden die Planetenpositi-
vigation fernab der Küsten zu erarbeiten, um die Erde bewegen – und ihre Stel- onen und andere Phänomene für einen
zog der portugiesische Königshof all jene lungen zueinander für beliebige Zeit- längeren Zeitraum in Tagesschritten auf-
als Berater heran, die Kenntnisse in Kar- punkte berechnen zu können. gelistet.
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Dieser Ausschnitt aus dem »Alma- Auf dieses Kompendium wiederum
l nach perpetuum« zeigt die zwei- stützte sich Zacuto weitere 200 Jahre
te te (Monate September bis Februar) später, als er seine Planetentafeln, den
des ersten Jahres eines Zy- »Chibbur«, erstellte. Dieses Werk besteht
klus die Position der Sonne auf der Eklip- aus zwei Teilen: einem Kanon genannten
tik. Angegeben ist die ekliptikale einführendem Lehrbuch und zahlreichen
die innerhalb jedes Tierkreiszeichens von nummerischen Tafeln, die auf dem julia-
null bis 30 Grad gemessen wurde. Zacuto nischen Kalender basieren. Der Kanon
beginnt das Jahr am 1. und gibt ist in 19 Kapitel aufgeteilt, die den 19-
JULIO SAMSO / AUS: »ALMANACH PERPETUUM«, 1496, FAKSIMILE, EDITION LEIRIA, LISSABON 1986
jeden Tag die wahre der Sonne in jährigen metonischen Zyklus widerspie-
Grad, Minuten und Sekunden an. geln (benannt nach dem Griechen Me-
ton, der im 5. Jahrhundert v. Chr. fest-
stellte, dass die Mondphasen nach dieser
Zeitspanne wieder auf die gleichen Tage
Solche »ewigen Tafeln« hießen im des Jahres fallen.) Diese Besonderheit
Mittelalter »Almanache«. Wenngleich drückt die Absicht Zacutos aus, seine Ta-
das Wort arabischen Ursprungs ist, bellen speziell für den jüdischen Luni-
konnten die Etymologen seine Herkunft solarkalender zu berechnen. Deswegen
nicht sicher klären. Es taucht erstmals in konzentrierte er sich auf die Positionen
einer – nur in Latein erhaltenen – von Sonne und Mond und deren beson-
Schrift des jüdischen Gelehrten Abra- dere Stellungen zueinander, die mit der
ham Ibn Ezra auf, der im 12. Jahrhun- Entstehung von Sonnen- und Mondfins-
dert auf der Iberischen Halbinsel und in ternissen zusammenhängen.
Italien wirkte. In der Neuzeit setzten
sich für solche Tabellenwerke die Begrif- Der »Almanach perpetuum«
fe »Planetentafeln«, »Ephemeriden« und Aus dem »Chibbur« entstanden eine Rei-
schließlich »Jahrbuch« durch. he von Übersetzungen und modifizier-
In einem in London aufbewahrten Den ältesten bekannten Almanach ten Planetentafeln: Der jüdische Gelehr-
Papyrus, der ein Horoskop für das Jahr aus dem maurischen Spanien verfasste te Joseph Vizinus – ein Mitglied der
81 n. Chr. enthält, heißt es: »Die alten as-Sarkali (latinisiert: Arzachel) um 1070 »Junta dos Mathematicos« am portugie-
Männer von Ägypten, die die himmli- in Toledo. Die Nachfolger dieser Toleda- sischen Königshof – veröffentlichte eine
schen Körper getreulich studiert und die nischen Tafeln entstanden rund 200 Jah- ins Lateinische sowie ins Kastilische
Bewegung der sieben Götter gelernt hat- re später an gleichem Ort, diesmal aller- übersetzte Sammlung mit dem Titel »Al-
ten, brachten alles zusammen und ord- dings unter veränderten Rahmenbedin- manach perpetuum«. Die erste Ausgabe
neten es in ewigen Tafeln, und sie über- gungen. Denn längst hatten kastilische dieser Planetentafeln wurde 1496 in der
lieferten uns großzügig die Kenntnis die- Truppen die zentralspanische Stadt von portugiesischen Hafenstadt Leiria ge-
ser Dinge. Aus diesen Tafeln habe ich für den Arabern zurückerobert; Toledo war druckt. Zacuto war in diese Variante ver-
jeden der sieben genau berechnet und nun Königsresidenz. Im Auftrag von mutlich nicht involviert.
angeordnet nach Graden, Minuten und König Alfonso X., einem Förderer der Verschiedene Merkmale der Erstaus-
Sekunden die Aspekte und Phasen und, Künste und der Wissenschaften, berech- gabe lassen erkennen, dass der »Alma-
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um keine Zeit zu verlieren mit der Auf- nete ein Astronomenkollegium neue Ta- nach« für ein christliches Publikum ge-
zählung der einzelnen Punkte, schlicht bellen, die Alfonsinischen Tafeln (siehe dacht war. Die zahlreichen Schreib- und
alles, was ihre Untersuchung betrifft.« Kasten auf S. 77). Satzfehler – die darauf hindeuten, dass
das Tafelwerk hastig für den Druck vor-
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bereitet wurde – sind in einer zweiten
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Ausgabe zum Teil korrigiert. Der He-
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gleichen Jahreszeit. Die erste Sichtbarkeit der Venus am
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Morgenhimmel zum Beispiel wiederholt sich alle 584 Tage.
Das Fünffache dieser synodischen Periode entspricht acht Son-
nenjahren. In dieser Zeit hat der Planet achtmal den gesamten
Tierkreis durchwandert. Für Jupiter hingegen entsprechen 65
synodische Perioden 71 Jahren und sechs kompletten Umrun-
dungen des Firmaments. Diese Zahlenverhältnisse, die bereits
den Babyloniern bekannt waren, lassen sich nun auf das ptole-
mäische Planetenmodell übertragen. In n Sonnenjahren vollen-
det dabei der Mittelpunkt des Epizykels m Umläufe auf dem
Deferenten; in der gleichen Zeitspanne läuft der Planet p-mal Aus urheberrechtlic
auf seinem Epizykel herum.
Auf diese Weise wiederholen sich die Positionen der Plane-
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nicht online zeigen.
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ten nach einem Zyklus von n Jahren an denselben Tagen des
solaren Jahres. Dadurch genügt es, für jeden Planeten einen
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Zyklus komplett auszurechnen, um Tafeln von unbegrenzter
Gültigkeit zu erhalten: Der Nutzer beschränkt sich darauf fest-
zustellen, welche Ordnungsnummer das laufende Jahr inner-
halb eines jeden Zyklus hat und liest dann in den Tafeln zu dem
gewünschten Tag den Längengrad des jeweiligen Planeten ab.
BIBLIOTHÈQUE NATIONALE, PARIS
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Nicht nur auf der Iberischen Halbinsel erhielt die Astronomie im Regiomontanus ein, in Rom die unverfälschten griechischen Origi-
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15. Jahrhundert befruchtende Anstöße. Auch in Mitteleuropa nale zu studieren. Wegen des plötzlichen Tods Peuerbachs muss-
war die Zeit reif für Neuerungen. Die abendländischen Gelehr- te Regiomontanus das Vorhaben alleine ausführen. Er vollendete
ten hatten jahrhundertelang die Himmelsphänomene rein philo- die Übersetzung des »Almagest«, die für mehrere Generationen
sophisch-theologisch gedeutet. Praktische Beobachtungen wa- zu einem grundlegenden Lehrbuch der Astronomie wurde.
ren verpönt gewesen. Und das Wissen der Griechen war bereits Ab 1468 hatte Regiomontanus die Position eines Hofastrono-
in der Frühzeit des Christentums aus dem kollektiven Gedächt- men des ungarischen Königs Matthias Corvinus inne. In jener Zeit
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nis verbannt worden, weil es als heidnisches Teufelszeug galt.
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Doch mit der eingeläuteten Renaissance setzten sich auch in
der Himmelskunde neue Denkweisen durch. Regiomontanus errechnete nicht nur Gestirnspositionen,
Einer der Männer, der mit den Traditionen brach und der beob- u sondern baute auch einfache wie den Jakobs-
achtenden Astronomie in Europa zu ihrem Recht verhalf, wurde he Hilfsmit eefahrt.
1436 als Hans Müller im fränkischen Städtchen Königsberg öst-
lich von Schweinfurt geboren. Der Name Regiomontanus (latei-
nisch: »Königsberger«), unter dem ihn die Nachwelt kennt, kam
erst Jahrzehnte nach seinem Tod in Gebrauch.
Bereits im Alter von elf Jahren begann Regiomontanus an der
Universität Leipzig zu studieren. Um 1450 wechselte er nach Aus urheberrechtlic
Wien. Sein Lehrer, der Humanist und Mathematiker Georg Peu-
erbach (1423 –1461), hatte sich während eines mehrjährigen Itali- nicht online zeigen.
enaufenthalts in die Werke der antiken Astronomen eingearbei-
tet. Diese Bücher lagen in Übersetzungen aus dem Arabischen
vor, in die sich allerdings zahlreiche Übertragungsfehler einge-
schlichen hatten. Peuerbach machte sich daran, den »Almagest«
des Ptolemäus neu zu übersetzen. Zudem begann er, nach den
Beschreibungen in den griechischen und arabischen Quellen as-
tronomische Instrumente zu fertigen und mit ihnen Himmelsbe-
rausgeber dieses Werks hatte offenkun- stand durch die zahlreichen Expeditio- gesellte sich 1507 auch eine arabische
dig Zugang zu den Planetentafeln, die nen, mit denen Portugal und Spanien Version, die ein jüdischer Arzt – vermut-
der deutsche Astronom Regiomontanus sich anschickten, die Weltmeere und fer- lich in Konstantinopel – anfertigte. Nen-
1467 erstellt hatte und die 1490 unter ne Länder zu erobern, ein hoher Bedarf nenswerte Verbreitung im Orient fand
dem Titel »Tabulae directionum« in an astronomischen Tabellenwerken. Nur jedoch erst eine zweite Übersetzung ins
Augsburg gedruckt wurden. So ist der mit der Hilfe des »Almanach« konnten Arabische, die ein Jahrhundert später am
Einleitungstext im »Almanach« praktisch Seefahrer auf hoher See navigieren. entgegengesetzten Ende des Mittelmeers
eine wortwörtliche Übernahme aus Re- entstand. Der Muslim Achmad Ibn Qa-
giomontanus’ »Tabulae«. Begleiter auf allen Meeren sim al-Hadschari hatte 1599 Spanien
In diesen kleinen Details der von Vi- Den »Almanach perpetuum« nutzten verlassen und sich im marokkanischen
zinus bearbeiteten Planetentafeln spie- denn auch viele Abenteurer auf ihren ge- Marrakesch niedergelassen, wo er sich als
geln sich zwei stürmische Entwicklungen fahrvollen Reisen. Im Juli 1497 stach Übersetzer in die Dienste eines Sultans
wider, die im 15. Jahrhundert den Auf- Vasco da Gama zu seiner berühmten In- begab. Al-Hadschari hatte zu den Moris-
schwung der Astronomie beflügelten. dienreise in See, die ihn um die Südspit- ken gehört – so nennt man die Mauren,
Zum einen sorgte der von Gutenberg er- ze Afrikas führte. Ende 1498 und An- die nach Ende der arabischen Herrschaft
fundene Buchdruck mit beweglichen fang 1500 erreichten portugiesische und in Spanien zurückgeblieben waren und
Lettern in ganz Europa für eine rasche spanische Seefahrer die Küste Brasiliens. zumindest nach außen hin die christli-
Verbreitung astronomischer Werke. Ins- Auch Christoph Kolumbus, der auf sei- che Religion angenommen hatten.
besondere Kalender und Planetentafeln ner ersten Reise 1492 bereits Zacutos Wenngleich Zacuto selbst mehrere
gehörten zu den bevorzugten Druck- »Chibbur« benutzte, hatte auf seinen Jahre im Maghreb gelebt hatte, wirkte
erzeugnissen jener Zeit; der »Almanach späteren Fahrten den »Almanach« dabei. sich dies offenbar nicht auf die Verbrei-
perpetuum« war überhaupt die erste wis- Spätere Ausgaben des »Almanach tung seiner Planetentafeln im arabisch-is-
senschaftliche Abhandlung, die in Portu- perpetuum« erschienen ab 1498 in Ve- lamischen Raum aus. Erst die Überset-
gal gedruckt wurde. Zum anderen be- nedig. Zu diesen lateinischen Fassungen zung von al-Hadschari, die in mehreren
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nus 1475 von Papst Sixtus IV. nach Rom gerufen, um eine Re-
form des julianischen Kalenders auszuarbeiten. Doch nach
knapp einjährigem Aufenthalt dort starb der Astronom – im Al-
ter von nur vierzig Jahren – an der Pest. So sollte noch ein wei-
teres Jahrhundert vergehen, bis die Kalenderreform schließlich
unter Papst Gregor XIII. zu Stande kam.
Ein junger Kaufmann aus Nürnberg trug zur Verbreitung von Regi-
omontanus’ Instrumenten und astronomischen Tafeln bei: Mar- Noch ohne Kenntnis der Reisen des Kolumbus’ konstru-
tin Behaim (etwa 1459 – 1506). Auf seinen Handelsreisen brach- o ierte der Kaufmann Martin Behaim in 1492
te er die Kunde davon nach Portugal. Erstmals scheint er sich den »Erdapfel« Welt.
1482 in Lissabon aufgehalten zu haben – in dem Jahr, in dem
Christoph Kolumbus vergeblich am portugiesischen Königshof
um Unterstützung für seine geplante Westfahrt nach Indien messgerät aus zwei gekreuzten Stäben, mit dem sich die Ab-
nachgesucht hatte, und nur ein Jahr, nachdem Zacutos kastili- stände der Gestirne vom Horizont bestimmen lassen (Bild
sche Ausgabe des »Chibbur« erschienen war. links). Im Gegensatz zu bisherigen Instrumenten wie etwa den
Nach einem vorübergehenden Aufenthalt in seiner Heimat- Astrolabien konnte dieses Gerät – ein Vorläufer des späteren
stadt kehrte Behaim um 1484 nach Lissabon zurück. In seinem Sextanten – nicht nur auf festem Boden, sondern auch auf
Gepäck befanden sich neben Regiomontanus’ Tabellenwerken dem schwankenden Deck eines Schiffes eingesetzt werden.
auch astronomische Instrumente, die Nürnberger Handwerker Behaim wurde in die »Junta dos Mathematicos« aufgenom-
aus Metall hergestellt hatten. men und nahm an Entdeckungsfahrten entlang Afrikas Küste
Für die aufstrebende Seefahrernation Portugal erwies sich teil. Seine dabei erworbenen Kenntnisse nutzte er später für
insbesondere der Jakobsstab als förderlich. Dies ist ein Winkel- die Herstellung seines berühmten »Erdapfels« (Bild oben).
Handschriften erhalten ist, zog die Auf- Die beiden arabischen Übersetzun- Uwe Reichert hat in Physik
merksamkeit maghrebinischer Gelehrter gen des »Almanach perpetuum« stellen promoviert und ist Redakteur bei
auf sich. Im 17. und 18. Jahrhundert somit eines der wenigen Beispiele dar, in Spektrum der Wissenschaft. Zu
seinen besonderen Interessens-
entstand eine Reihe von Kommentaren denen sich ein gewisses Interesse der ara- gebieten gehört die Astronomie-
und Zusammenfassungen, die sich einge- bisch-islamischen Welt an der wissen- geschichte.
A U T O R U N D L I T E R AT U R H I N W E I S E
hend mit der Positionsbestimmung an- schaftlichen Tradition der europäischen
Abraham Zacuto y la astronomía europea en el
hand des »Almanach« befassten. Aller- Renaissance manifestiert. Die gängige mundo árabo-islámico. Von Julio Samsó in: Inves-
dings gab es auf Grund der Schwierigkei- Ansicht ist die, dass der Wissenstransfer tigación y Ciencia, Juli 2003, S. 68
ten für einen arabischen Leser, zwischen nur in einer Richtung stattfand, nämlich
Astronomy in the Iberian Peninsula. Abraham Za-
dem Lateinischen und dem Kastilischen vom Orient in das Abendland. In gewis- cut and the transition from manuscript to print.
zu unterscheiden, einige Verwirrungen sem – wenngleich bescheidenerem – Von José Chabás und Bernard R. Goldstein. Trans-
über die Autorenschaft. Mal erschien Za- Maße rezipierten jedoch zu Beginn der actions of the American Philosophical Society, Bd.
cuto als Christ, mal Joseph Vizinus als Neuzeit auch arabische Gelehrte die 20, Heft 2. Philadelphia 2000
muslimischer Übersetzer namens Jusuf Werke europäischer Autoren. Islamic Astronomy and Medieval Spain. Von Ju-
al-Andalusi. Gelegentlich erhielt Zacuto Die Planetentafeln Zacutos mögen lio Samsó. Collected Studies Series, CS428, Vari-
selbst den Vornamen Jusuf angedichtet. eher indirekt auf die Kultur- und Weltge- orum, 1994
Mindestens eine maghrebinische schichte eingewirkt haben. Dennoch ist Almanach perpetuum celestium motuum. Tabulae
Handschrift erreichte Ägypten, zwei wei- sein Einfluss auf die wissenschaftlichen astronomicae Raby Abraham Zacuti astronomi Jo-
tere fanden ihren Weg sogar bis in den und politischen Entwicklungen des 15. hannis Secundi et Emanuelis serenissimorum re-
gum Portugaliae. Von Avraham Ben-Semûel Zak-
Jemen. Dort wurden sie Anfang des 18. Jahrhunderts nicht zu übersehen. Künfti-
kût. Faksimile der lateinischen Ausgabe von 1496.
Jahrhunderts kritisch analysiert und be- gen Forschungsarbeiten wird es vorbehal- J. B. Obernetter, München 1915
nutzt, um neue Ephemeriden zu berech- ten bleiben, seine Rolle in der Universität
Weblinks zu diesem Thema finden Sie bei www.
nen und die erreichbare Genauigkeit mit Salamanca und der »Junta dos Mathe- spektrum.de unter »Inhaltsverzeichnis«.
Beobachtungen zu vergleichen. maticos« genauer zu beleuchten.
Forschen
gegen Falten
Schönheit ist in unserer Gesellschaft ein hochgeschätztes Gut, doch leider kein
beständiges: Durch Alterung, Umwelteinflüsse und eigenes Verschulden
verliert die Haut ihr straffes Aussehen, die Haarpracht büßt an Glanz ein. Schon
die frühen Hochkulturen kannten Rezepturen dagegen, machten mit Cremes
und Tinkturen gegen Falten und lichtes Haar mobil. Die heutige Kosmetikindus-
trie setzt auf Erkenntnisse aus Medizin und Molekularbiologie.
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derspiegelt. Neben genetischen Faktoren, reits früher entstanden sind, aber nie
die den einen schneller und den anderen richtig repariert wurden. Gilchrest be-
etwas langsamer altern lassen, sind es vor handelte Mäuse mit einer Lotion, die sol-
allem Umweltfaktoren wie Sonnenlicht che DNA-Schnipsel enthielt, und setzte Die Haut hat viele Funktionen:
und Zigarettenrauch, die molekularbiolo- sie intensivem UV-Licht aus. Tatsächlich: u Schutz gegen mechanische und che-
gische Prozesse in der Haut durcheinan- Die eingeschmierten Nager zeigten erst mische Angriffe, Verdunstungsbarriere
der bringen und Spuren in unserer Kör- nach 16 Wochen Bestrahlung gefährliche und schließlich auch Kontaktfläche
perhülle hinterlassen. Wäre da nicht ein
Mittel wunderbar, das den Alterungspro-
zess bereits an der Basis stoppt? Vielleicht Hornschicht
eine Creme mit einem »Jugend-Gen«? K rnerschicht
So einfach ist es natürlich nicht – Oberhaut
Stachelzellschicht
auch wenn Molekularbiologen die Alte-
rungsprozesse der Haut mittlerweile
Papille Regenerationsschicht
ziemlich gut durchschauen. Und sie ha-
ben auch schon das eine oder andere
Mittel gefunden, das uns in Zukunft Lederhaut
Kapillare
länger jung aussehen lassen soll. Als
Feind Nummer eins glatter Haut gilt ein
Übermaß an Sonnenlicht, insbesondere
seines Anteils an ultravioletter (UV) Strah-
lung. Schon lange ist bekannt, dass es Oberhaut
dem Erbmaterial DNA schaden kann –
gerade in der Haut, auf die diese aggres-
siven Wellenlängen direkt einwirken.
Ganz typisch ist etwa die Bildung so ge- Lederhaut
nannter Thymidin-Dimere: Zwei Thy-
midine – je eine Thymin-Base mit einem
Ribose-Zucker –, die sich in einem DNA-
Strang nebeneinander befinden, werden
durch das Einwirken des UV-Lichts fest
verknüpft. In einem solchen Doppelpack
SIGANIM / SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT
BEIERSDORF AG
met sich auch Jean Krutmann von der damit wir überhaupt den gewünschten
Universität Düsseldorf. Er setzt dabei auf Effekt erzielen.«
ein ganz anderes Mittel: die Photolyase, Doch ist eine Gentherapie zu kosme-
ein Enzym, das aus der Blaualge Anacys- tischen Zwecken nicht unumstritten –
tis nidulans gewonnen wird. Das Algen- andeutet, baut dieses das Kollagen im auch wenn Hengges Methode keine dau-
protein erkennt die besagten, für UV- Bindegewebe der Haut ab. Gerade das erhafte Veränderung der Haut nach sich
Licht typischen Thymidin-Dimere in der aber ist gemeinsam mit dem Elastin zieht. Die eingeschleusten Gene integrie-
DNA. Es heftet sich daran, löst die Ver- hauptverantwortlich für die Elastizität ren sich nicht ins Erbgut und bleiben
bindung zwischen den beiden Basen wie- unserer Haut und damit für Jugendfri- daher nur eine Woche lang aktiv. Zudem
der auf und der Schaden ist behoben. sche. Gehen Kollagen und Elastin verlo- werden die behandelten Hautzellen re-
ren, erschlafft das Gewebe und es bilden gelmäßig abgestoßen. »Trotzdem propa-
Die Einmal-Gentherapie sich Falten. gieren wir in unserer Arbeitsgruppe kei-
Krutmanns Photolyasecreme funktio- Ein mögliches Werkzeug, um Nach- ne Gentherapie zur Faltenreduktion«, so
niert so gut, dass sie mittlerweile als Son- schub zu liefern, hat Ulrich Hengge in Hengge. Vielmehr nutzt der Wissen-
nenschutzlotion in der Apotheke erhält- der Hand. Der Hautarzt, der ebenfalls schaftler die Experimente mit Kollagen
lich ist. Doch ist auch sie kein Allheil- an der Universität Düsseldorf tätig ist, und Elastin als ein Beispiel, mit dem er
mittel gegen Hautalterung. Denn nicht schleust die Erbinformation für Kollagen testet, wie gut sein Verfahren funktio-
nur Strahlen aus dem UV-Bereich berau- oder Elastin in die Haut ein, indem er niert, um es später etwa zu einer Be-
ben unsere Hülle ihres jugendlichen Aus- sie in winzige Fettkügelchen, so genann- handlung von Hautkrebs und anderen
sehens. Wie Krutmann und sein Team te Liposomen, verpackt. Hengge und Erkrankungen umzumünzen. Auch Impf-
festgestellt haben, beschleunigt auch das seine Mitarbeiter haben ihre Idee zu- stoffe, die vor gefährlichen Hautverände-
bislang als harmlos erachtete infrarote nächst an Gewebekulturen getestet – mit rungen schützen sollen, sind mit dieser
(IR) Licht den Alterungsprozess. Es ak- Erfolg: Wird die genetische Information Methode denkbar.
tiviert – genau wie UV-Strahlung und für Kollagen oder Elastin derartig ver-
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Zigarettenrauch – ein Enzym namens packt ins Nährmedium gegeben, so be- Hauptschalter für die Alterung?
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Matrixmetalloproteinase I, auch Kollage- ginnen die Zellen die entsprechenden Das Kollagen selbst bleibt jedoch ein
nase I genannt. Wie der Name bereits Proteine zu bilden. »Jetzt gilt es heraus- wichtiges Studienobjekt für Kosmetik-
zufinden, ob wir den gleichen Effekt er- forscher. So entpuppte es sich auch bei
zielen, wenn wir die Kollagen-Gene in den Arbeiten von Stefan Gallinat als ei-
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eine Creme verpackt auf die Haut auf- ner der Dreh- und Angelpunkte der
tragen.« Dazu bereiten die Forscher der- Hautalterung. Gallinat sucht in den La-
zeit eine Studie mit Mäusen vor. »Wir bors der Beiersdorf AG in Hamburg
müssen nicht nur beweisen, dass das Ver- nach den molekularen Unterschieden
zwischen dem Bindegewebe junger und
Aus urheberrechtlic alternder Haut. Dabei bedient er sich
der DNA-Chiptechnologie, mit deren
nicht online zeigen. Gegen Haarausfall ist noch kein Hilfe er in einem Arbeitsgang die Aktivi-
l Kraut gewachsen. Doch Berliner tät von Hunderten von Genen unter-
Forscher injizierten Stammzellen in nor- sucht (siehe Spektrum der Wissenschaft,
malerweise haarlose Und 6/2002, S. 62). So kann er schnell erken-
siehe da: Den Nagern sprossen Haare. nen, welche eher in der jungen oder eher
in der reifen Körperhülle aktiv sind oder
U. BLUME-PEYTAVI, KFHH CHARITÉ
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Haut in Gang setzt – egal ob sie nun ge- über den Blutkreislauf in die Hautzellen. le spielt, aber auch als Antioxidanz vor
netisch bedingt sind oder durch Um- Mit zunehmendem Alter wird aber die schädlichen freien Radikalen schützt.
weltfaktoren ausgelöst werden. »Durch Durchblutung schlechter – und damit Von ihm verspricht man sich einen
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einen solchen Schalter könnten wir das auch der Kreatintransport. Schutz vor Faltenbildung und dem Ver-
Problem an der Wurzel packen«, sagt Blatts Antwort auf dieses Problem: lust der Elastizität.
Gallinat. Er verpackt Kreatin in eine Creme und
Er ist nicht der Einzige, der in Sa- füttert so nach, was auf natürlichem Weg
chen Hautalterung auf Genchips setzt. nicht mehr ans Ziel kommt. »Das funk-
So leitet auch Christos Zouboulis von tioniert ganz hervorragend«, schwärmt Jedes Kosmetikum, das etwas in
der Charité in Berlin gemeinsam mit der Forscher. »Die notwendigen Trans- u der Haut bewirken soll, muss zu-
Stefan Schreiber von der Universität Kiel portmechanismen, die das Speichermo- hst die verhornte Schutz-
ein großes Screeningprojekt, das der Mo- lekül in die Zelle bringen, sind ja in der schicht (goldgelb markiert) durchdringen,
lekularbiologie des Alterns auf die Schli- Haut vorhanden.« Die Früchte seiner um zu lebenden Zellen (Kerne blau ge-
che kommen soll. Unter anderem kon- Arbeit gibt es mittlerweile schon – in
zentriert sich Zouboulis’ Team dabei auf
BEIERSDORF AG
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ren reagiert. Außerdem stabilisiert der fa- her, die sich im Labor überhaupt nicht weg von Stoffen aus genetisch modifi-
mose Wirkstoff offenbar den natürlichen oder nur mit extrem hohem Aufwand
Feuchtigkeitshaushalt der Zellen. synthetisieren lassen.«
Doch nutzt die kosmetische Indus-
Starkes Wachstum in einem trie die Natur nicht nur aus wissen-
hepräartenbehandeltw
UV-Licht schadet den so genannten
stagnierenden Markt schaftlichen Gründen als Rohstoffquelle, u Langerhans-Zellen, die im Immun-
Ectoin ist nur ein Beispiel für unzählige sondern auch, weil sich solche Kosmetik system der Haut eine wichtige Rolle spie-
kosmetische Substanzen natürlichen Ur- gut verkaufen lässt. So verzeichnete das len. Der neue Wirkstoff Ectoin vermag dies
sprungs. Forscher gelangen durch syste- Geschäft mit kontrolliert natürlichen zu verhindern, wie das Experiment zeigt
matisches Variieren von Strukturelemen- Produkten nach Angaben des zuständi- (die Langerhans-Zellen wurden ange-
ten zu neuen Wirkstoffen. »Diese Syn- gen Bundesverbands in den vergangenen Die nichtbestrahlte Probe (a) unter-
these- und Optimierungsarbeit hat die Jahren Wachstumsraten von über zehn scheidet sich nicht von der dem UV-Licht
Natur im Lauf der Evolution für uns Prozent – bei einem in Deutschland ins- ausgesetzten, aber geschützten (d). Hin-
schon erledigt«, begründet Roland Bre- gesamt stagnierenden Kosmetikumsatz. gegen ist die Zahl dieser Zellen in der Haut
ves, Leiter der Hygiene-Forschung bei Der Begriff »kontrolliert natürliche Kos- eines Probanden stark reduziert, wenn sie
Henkel, warum Wissenschaftler in der metik« ist dabei allerdings nicht gleich- h ungeschützt (b) oder nur mit
Natur besonders häufig fündig werden. zusetzen mit jedem Kosmetikprodukt, Sc ar (c).
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INTERVIEW
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Die Nadel im Heuhaufen
Wie Computer und Naturheilkundler helfen, neue kosmeti-
sche Substanzen zu finden, erläutert Herwig Buchholz, Leiter
der Kosmetikforschung bei Merck in Darmstadt.
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Spektrum der Wissenschaft: Was sind die wesentlichen Unter-
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schiede zwischen Kosmetik- und Arzneimittelforschung?
Herwig Buchholz: Ein Arzneistoff braucht für den Weg vom La-
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bor in die Apotheke mehr als zehn Jahre. Bei einem Kosmeti-
kum darf die Entwicklungszeit höchstens vier Jahre betragen,
denn die Trends in der Branche verändern sich schnell. Außer- Herwig Buchholz (stehend, links) setzt auf kombinatorische
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dem werden bei pharmazeutischen Wirkstoffen manche Ne- Chemie.
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benwirkungen unter Umständen geduldet, bei den Inhalts-
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stoffen von Kosmetika dagegen nicht.
Spektrum der Wissenschaft: Pharmaforscher erzeugen mit Hilfe erhalten wir wertvolle Hinweise, welche Extrakte eine be-
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der kombinatorischen Synthese in kurzer Zeit Zehn- oder gar stimmte Wirkung haben k nnten. Wir zerlegen diese in ihre
Hunderttausende von Substanzen. Diese werden dann mit Anteile und testen sie. Unser Bestreben ist es, die Wirkung
Hilfe von Robotern im Hochdurchsatz-Verfahren auf ihre Wir- m glichst auf Reinsubstanzen zur ckzuf hren.
kung getestet. Praktiziert das auch die Kosmetikindustrie? Spektrum der Wissenschaft: Welche Hilfen bietet Ihnen der
Buchholz: Ja, wenn auch mit weniger Substanzen. Man stellt Computer?
mit der kombinatorischen Chemie beispielsweise zahlreiche Buchholz: Wie in der Pharmaforschung nutzen wir tats chlich
Stoffe her, die sich von einem einzigen Basismolekül – der auch das so genannte In-silico-Design, um neue Substanzen
Leitstruktur – ableiten. Die kann natürlichen Ursprungs sein, zu entwickeln. Mit Hilfe komplizierter Computerprogramme
also beispielsw anze stammen. So versucht suchen wir nach Molek len, die auf Grund ihrer r umlichen
man, eine Substanz zu finden, die noc er als der Natur- Struktur an Enzyme ankoppeln k nnen, die in der Haut eine
stoff wirkt, beispielsweise mit Hilfe von Chips, auf denen sich Rolle spielen. Auf diese Weise erhalten wir potenziell wirksa-
hautrelevante Gene befinden. Man stellt fest, welche Stoffe me Molek lstrukturen. Diese Kandidaten werden dann wei-
die ussen. ter berpr ft. Zum Beispiel schrumpft ihre Anzahl durch den
Spektrum der Wissenschaft: Welche anderen Strategien gibt Abgleich mit Patentdatenbanken und Programmen zur Ab-
es, um neue kosmetische Aktivstoffe zu finden? sch tzung der Toxizit t. Danach erst beginnt die Laborarbeit,
Buchholz: Eine davon klang schon an: die Suche in P anzenex- bei der wir die vom Computer vorgeschlagenen Molek le
trakten. Bei Merck haben wir weltweite Kontakte zu Natur- synthetisieren und testen.
heilern und Krankenh usern, die nur P anzen verwenden. So Interview: Frank Frick
zierten Organismen und anderen Sub- trakts auf eine oder wenige Substanzen seng, Kiefernadeln und Schwarzer Jo-
stanzen mit negativem Image.« Das zurückzuführen und diese dann im La- hannisbeere bald fündig – alles wohl be-
jedenfalls hat die Cognis-Tochtergesell- bor nachzubauen – eine oft Jahre dau- kannte und weit verbreitete Quellen für
schaft Laboratoires Sérobiologiques fest- ernde, kostspielige Arbeit. medizinische Wirkstoffe.
gestellt. Doch noch birgt die Natur genug Zum raschen Sucherfolg trugen neue
Das Gute an der Sache: Das Reser- Schätze, die einfacher gehoben werden molekularbiologische Methoden wesent-
voir an Naturstoffen scheint nahezu un- können – wenn man nur weiß, wonach lich bei, mit denen die verschiedenen
erschöpflich, gibt es weltweit immerhin genau man sucht und wie man dabei Bakterienarten auf der Haut anhand
mindestens 250 000 höhere Pflanzenar- vorgehen muss. So kamen Mitarbeiter charakteristischer DNA-Sequenzen iden-
ten, die sich mit Hilfe spezieller Stoff- der Zentralen Forschung von Henkel auf tifiziert und für die Forscher sichtbar ge-
wechselprodukte in ihrer jeweiligen Um- die Idee, ein aus der Ernährungsbranche macht wurden. Schon im März 2004 ka-
welt behaupten – hinzu kommen noch bekanntes Konzept auf die Haut zu men dann erste Gesichtspflegeprodukte
unzählige Moose, Algen und Pilze. Je- übertragen. Die so genannte Präbiotik auf den Markt, die die neue Wirkstoff-
doch gibt es auch eine Kehrseite für die beruht auf der Annahme, das sich die ge- kombination enthielten.
Kosmetikforscher: Viele Pflanzen stehen zielte Förderung nützlicher Bakterien
unter Artenschutz, viele lassen sich nicht positiv auf eine Körperregion auswirkt. Frank Frick ist promovierter Chemi-
anbauen. Zudem schwanken Wirkstoff- Im Herbst 2002 begannen die Forscher, ker und freier Wissenschaftsjourna-
gehalte in Pflanzen von Woche zu Wo- über hundert Extrakte und Stoffe auf list in Bornheim bei Bonn. Er berichtet
che oder gar von Tag zu Tag. Da hilft es ihre Wirkung hin zu untersuchen, und vor allem über medizinische und tech-
manchmal nur, die Wirkung eines Ex- wurden bei einem »Cocktail« aus Gin- nische Themen.
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banden Wattepads unter den Achseln
vollschwitzen. Die Pads werden gewogen
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und von empfindlichen Nasen einem
Geruchstest unterzogen. In anderen Ver-
suchen ermitteln die Mitarbeiter des
Zentrums die Tiefe von Augenfalten –
wirkt die neue Creme oder nicht? Dazu
wird der Kopf des Probanden fixiert und
die Hautsc
Schicht ist Sonnen-
creme, darunter liegen dachziegelartig
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BEIERSDORF AG
Druck gefriert das Wasser in der Probe
erst bei minus 90 Grad Celsius und er-
starrt amorph. In weniger als 50 Millise-
Hautexperten leicht, die Wirksamkeit ei- Beeinflussung durch Kosmetikprodukte kunden ist die Probe dann auf die End-
ner Creme zu messen. geringer als bei Medikamenten und da- temperatur von minus 160 Grad Celsius
Etwa 1600 Tests unternimmt das mit auch schwieriger zu messen. Ohne abgekühlt. Das geht so schnell, dass die
Probandenzentrum pro Jahr, einige da- die Verdunstungsbarriere unserer Haut Hautprobe quasi lebend in einer Mo-
von auch mit Konkurrenzprodukten. könnten wir nicht an Land leben, son- mentaufnahme beobachtet werden kann.
Am Anfang jeder Versuchsreihe steht dern würden jeden Tag hundert Liter Sie lässt sich auch brechen, um zum Bei-
eine Hypothese, die – basierend auf den Wasser verlieren. Für Wittern ist die spiel zu sehen, wie tief Emulsionen aus
wissenschaftlichen Erkenntnissen zu den Haut das faszinierendste Organ über- Wasser und Öl eingedrungen sind. Auf
einzelnen Wirkstoffen – später die Ver- haupt: Auf 150 Mikrometer Dicke kön- diese Weise wurde kürzlich auch ent-
marktung bestimmen soll: »Diese Creme ne man die Geburt neuer Hautzellen aus deckt, wie Hautschuppen in der obers-
reduziert Falten um 20 Prozent« oder Stammzellen ebenso beobachten wie den ten Hautschicht mechanisch ineinander
»Das Deo wirkt zwölf Stunden«. Ein Zelltod. Die Herausforderung: Eigentlich verhakt sind.
Prüfplan gibt dem Laborpersonal vor, ist die Haut nur auf etwa vierzig Jahre Wenn möglich, versuchen die Wis-
wie der Test abzulaufen hat, Statistiker ausgelegt, die Menschen leben inzwi- senschaftler die Eigenschaften der Haut
werten die Ergebnisse aus. Wenn das schen aber im Schnitt doppelt so lang. in vivo, also am lebenden Objekt, zu er-
Produkt nicht halten kann, was die Hy- forschen. Eine Möglichkeit, die Schutz-
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pothese verspricht, müssen die Produkt- Momentaufnahmen des Lebens wirkung von Sonnencremes zu testen, ist
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entwickler und eventuell sogar die For- Rund 650 Personen arbeiten in den For- die Bestimmung so genannter Biophoto-
schungsabteilungen die Mischung oder schungslabors bei Beiersdorf daran, die- nen. Jede Zelle gibt infolge von Stoff-
einzelne Substanzen nochmal verbessern. sen Konflikt zu lösen. Die meisten sind wechselprozessen solche Photonen ab,
»Bis zu 20 Prozent der Substanzen oder Biologen und Chemiker, aber auch Phy- die Wellenlängen reichen vom Radiowel-
Mischungen können in den In-vivo-Stu- siker gehören dazu. Wie Roger Wepf, der len- bis in den sichtbaren Bereich. Die
dien durchfallen, je nachdem wie neu neue Mikroskopiertechniken entwickelt. Strahlung ist allerdings so schwach wie
hlüse
und entsprechend unbekannt ein Wirk-
stoff ist«, schätzt Laborleiterin Urte
Koop. Allein die letzte Phase, die Pro-
duktentwicklung, dauert anderthalb Jah- Zu den funktionellen Einheiten im
re, in denen die genaue Formulierung r komplexen Aufbau der Haut
hinsichtlich Geruch, Farbe oder Konsis- die Papillen: fi
tenz festgelegt wird. gen, welche die Lederhaut mit -
»Die Kosmetikforschung ist vergli- liegenden Schichten verzahnen. Alte-
chen mit der Dermatologie, die sich mit rungsprozesse verringern ihre Anzahl,
Hautkrankheiten beschäftigt, sehr weit«, sodass die Erfassung der Papillen, etwa
BEIERSDORF AG
befindet Klaus Peter Wittern, Leiter der mit der konfokalen Laserrastermikrosko-
Forschung und Entwicklung bei Beiers- pie, Sc auf die Wirksamkeit von
dorf. Intakte Haut sei viel komplexer, die Pflegeprodukten erlaubt.
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banden für acht Sekunden mit starkem
UV-Licht bestrahlt, danach zählen Pho-
todetektoren eine Minute lang die Pho-
tonen, die beim Abbau der Radikale frei
werden.
Kopfschmuck Haar
im Dauerstress
BEIERSDORF AG
Astronomische Entdeckung
An der Existenz des von Mr. Perrine auf der Licksternwarte
entdeckten sechsten Jupitermondes scheint nun jeder Zweifel
ausgeschlossen zu sein, da der amerikanische Astronom inzwi-
schen neue Beobachtungen dieses anscheinend recht schwieri-
gen Objekts erhalten hat und da sich nachträglich herausstell-
te, daß der von Prof. M. Wolf in Heidelberg … photogra-
phisch in der Nähe des Planeten Jupiter aufgefundene kleine
Planet 1905 … keineswegs mit dem neuentdeckten Jupiter-
monde, wohl aber mit dem schon seit 1875 bekannten kleinen
o Starke Saugwirkung: Beim Großreinemachen im Apollotheater kam zent- Planeten Nr. 149, Medusa, identisch ist. (Beilage zur Allgemeinen
nerweise Staub zum Vorschein. Zeitung, Nr. 44, S. 35, Februar 1905)
REZENSIONEN
Stephen Hawking (Hg.) wahl aus Einsteins Schriften zum Relati-
vitätsprinzip wird wohl kaum ein Leser
Die Klassiker der Physik all die Formeln nachrechnen wollen.
Ausgewählt und eingeleitet von Stephen Hawking Wieder sind selbst für Physiker vor allem
Hoffmann & Campe, Hamburg 2004. 1068 Seiten, € 49,90 die letzten Seiten interessant, in denen
Einstein versucht, die Physik der Mate-
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ut tausend Seiten dick, schön ge- pendium zusammengestellt hat, voll- rie als Feldtheorie zu formulieren.
druckt auf gelblichem Papier – kommen unverständlich. Kepler ordnet So kann man in dieser gewaltigen
ein gewichtiger Brocken, ein pas- hier den Planeten platonische Körper, historischen Fundstätte immer wieder
sendes Geschenk. Mit Bestsellerautor Bruchzahlen und musikalische Noten überraschende Entdeckungen machen –
Stephen Hawking als Gewährsmann und zu, und es mutet den heutigen Leser wie zum Beispiel, dass schon Kopernikus mit
der berühmten Einsteinformel E = mc2 ein Wunder an, dass derart närrische dem heute nach Galilei benannten
auf dem Umschlag scheint der Verkaufs- Spekulationen – die, wie Hawking ein- Relativitätsprinzip argumentierte, um zu
erfolg garantiert. Aber hält der Inhalt, leitend betont, auf höchst präzisen astro- erklären, warum die Erde sich bewegt,
was die Verpackung verspricht? nomischen Daten fußten – Kepler zur ohne dass wir etwas davon merken. Für
Die ersten 300 Seiten (!) belegt eine Entdeckung der nach ihm benannten einen Nichthistoriker ist angesichts
Übersetzung des lateinischen Werks De Gesetze verhalfen. der Originalquellen immer wieder er-
revolutionibus orbium coelestium (»Über Auch Newton quält im Stil seiner staunlich, wie verschlungen die Gedan-
die Kreisbewegungen der Himmelskör- Zeit den modernen Leser mit umständli- kenwege der wissenschaftlichen Vorläu-
per«) von Kopernikus aus dem Jahre chen geometrischen Argumenten für fer waren.
1543 – mit allem Drum und Dran: Lehr- sein berühmtes Gravitationsgesetz, bevor Alles in allem ein seltsames Konvo-
sätze über Kreissehnen und sphärische er ganz am Ende seiner Principia ein un- lut: für Wissenschaftshistoriker zu un-
Dreiecke, dazwischen seitenlange Tabel- geheuer eindrucksvolles Bekenntnis zu professionell, für Physiker zu umständ-
len. Hat ein Korrektor all diese Zahlen einem persönlichen Gott ablegt, in des- lich, für allgemein Interessierte zu un-
kontrolliert? Welchen Unterschied macht sen Verlauf der berühmte Satz hypotheses übersichtlich. Trotzdem: Würde mir
es für heutige Leser, ob jede mit dem non fingo (»Hypothesen erdenke ich jemand das kleine Monster schenken,
Originaltext übereinstimmt? Sie sind Teil nicht«) vorkommt: Gerade weil Newton würde ich mich darin gleich festlesen –
einer umständlichen Beweisführung für fest an einen allmächtigen Weltenlenker und öfters den Kopf schütteln.
eine Halbwahrheit: Kopernikus fand glaubte, suchte er keine Hypothese für Michael Springer
zwar als erster die richtige Konfiguration das Wesen der Schwerkraft – wir beob- Der Rezensent ist promovierter Physiker und
des Sonnensystems heraus, beharrte aber achten die Geburt des Positivismus aus ständiger Mitarbeiter bei Spektrum der Wissen-
auf dem zeitgenössischen Irrtum, die Pla- der Metaphysik. schaft.
netenbahnen seien vollkommene Kreise.
Stephen Hawking erläutert dies und
manches andere zwar in seiner flott ge-
schriebenen Einleitung auf rund fünf ZOOLOGIE
Seiten; allerdings hat ihm der Koperni-
Walther Streffer
kus-Spezialist Owen Gingerich eine Fül-
le von historischen Ungenauigkeiten und Magie der Vogelstimmen
Fehlern vorgeworfen (»Nature« vom 13. Die Sprache der Natur verstehen lernen
Februar 2003) und Hawkings Einfüh- Freies Geistesleben, Stuttgart 2003. 240 Seiten, mit CD, € 39,–
rung als »Desaster« bezeichnet.
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Die Textstücke von Galilei, Kepler, irgendwo sonst in der Biologie
Newton und Einstein sind kürzer und arbeiten Wissenschaftler und en-
unterschiedlich gut lesbar. Galileis Dis- gagierte Laien so eng zusammen
corsi behandeln Probleme der Mechanik wie in der Ornithologie. Neben dem
in Dialogform und sind zumindest für Vogelzug vermag insbesondere der Vogel-
physikalisch Interessierte unterhaltsam gesang zu faszinieren. Und so lauschte
(bis auf geometrische Beweise und eine auch der Laie Walther Streffer über Jahr-
öde Tabelle). Man fragt sich allerdings, zehnte der »Schönheit und Vollkommen-
warum Hawking nicht den »Dialog über heit« des Vogelgesangs und wurde darü-
die hauptsächlichsten Weltsysteme« aus- ber zum Experten. Und da er nicht gänz-
wählte, dessentwegen Galilei als Verfech- lich der »Magie der Vogelstimmen« erlag,
ter des kopernikanischen Systems mit sondern auch das Studium der Fachlite-
der Kirche in Konflikt geriet. ratur pflegte, ist sein Werk ein durchweg
Keplers fünftes Buch aus der »Welt- gut formuliertes und didaktisch geschickt
harmonik« wäre ohne die kurzen An- angelegtes Vogelbuch geworden.
merkungen, die Markus Pössel für die männlicher Streffer porträtiert 89 Singvögel unse-
deutsche Ausgabe von Hawkings Kom- Hänfling rer heimischen Vogelwelt in Wort und
CD anhand von Stimmbeispielen vor. Im Doch Streffer kann sich weit hinauswa-
Mittelpunkt seiner Ausführungen steht gen, ohne einzubrechen. Davor bewahrt
der musikalische Aspekt, was er biolo- ihn seine große Nähe zur lebenden Na-
gisch damit begründet, dass Vögel ein tur – jener Blick auf das »Ganze«, ohne
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umso ausgeprägteres Territorialverhalten den auch die methodisch auf Zerstücke-
zeigen, je gesangsbegabter sie sind. Vor lung angewiesene Wissenschaft nicht
allem aber will er zeigen, dass sich im Vo- auskommt.
gelgesang über die biologischen Notwen- Streffers Buch ist sowohl geeignet,
digkeiten hinaus noch etwas »ankündigt« Laien jene spezielleren Kenntnisse zu
– nämlich »ein gewisser Grad von Auto- vermitteln, die den Genuss am Vogelge-
nomie«. Das erinnert an Konrad Lorenz, sang erheblich zu steigern vermögen, als
der Vogelgesang als »ein Kapitel aus dem auch Experten zu weiteren Nachfor-
Reich des Schönen innerhalb des artge- schungen anzuregen.
mäß Zweckmäßigen« beschrieb. Reinhard Lassek
Wer wie der Autor auf den »beseel- Der Rezensent ist promovierter Biologe und ar-
Wa ten Ton« im Vogelgesang hört, bewegt beitet als freier Journalist in Celle.
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er unmittelbare Zugang zum Ein großformatiges Foto und ein ein- Texten wird der Sinn – vielleicht durch
Sternenhimmel geht uns immer leitender Text führen in das jeweilige Ge- Bearbeitung oder Kürzung – verdreht
mehr verloren. Wir sind nicht biet ein. Mehrere kleinere Bilder inklusi- und geht manchmal sogar ganz verloren.
mehr auf den Lauf der Gestirne angewie- ve kurzer Begleittexte erläutern interes- Dennoch ist der Himmelsatlas zum
sen, um die Zeit zu messen oder Ortsbe- sante Details. Ein Glossar astronomischer Auseinanderfalten besonders durch die
stimmungen durchzuführen. Außerdem Namen und Ausdrücke ermöglicht auch vielen faszinierenden Bilder ein sehr
trübt uns die zunehmende Lichtver- dem Laien eine rasche Orientierung im schönes und geeignetes Buch für Laien
schmutzung den Blick ans Firmament. Dschungel der Fachbegriffe. Eine Zu- und Kenner der Astronomie, das zum
Dieser Entfremdung will der Astro- sammenstellung häufig gestellter Fragen gemütlichen Schmökern einlädt.
nom Leopoldo Benacchio vom Observa- samt Antworten rundet das Buch ab. Da Monika Maintz
torium von Padua mit seinem etwas an- der Atlas die einzelnen Bereiche nur an- Die Rezensentin ist promovierte Astronomin und
deren Himmelsatlas entgegenwirken. reißen kann, findet sich am Ende ein freie Wissenschaftsjournalistin in Heidelberg.
Die einzelnen Seiten des Buchs lassen
sich zu großformatigen Bildtafeln auf-
und ausklappen (Bild rechts).
Etwa 350 farbige Abbildungen stel-
len die Geheimnisse des Kosmos dar, wie
wir sie mit bloßem Auge und vor allem
mit »neuen Augen«, mit Teleskopen auf
der Erde und im Weltraum, sehen. Die
Themenvielfalt reicht von Sonne, Mond
und Planetensystem über Sterne, Galaxi-
en, Galaxienhaufen bis zur Kosmologie
und macht auch vor außerirdischem Le-
ben und den aktuellen, ungelösten Fra-
gen der Astrophysik wie »dunkler Mate-
rie« oder »dunkler Energie« nicht Halt.
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David Servan-Schreiber
Die neue Medizin der Emotionen
Stress, Angst, Depression: Gesund werden ohne Medikamente
Aus dem Französischen von Inge Leipold und Ursel Sch fer.
Antje Kunstmann, M nchen 2004. 320 Seiten, € 22,–
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chon am frühen Morgen, in der
ersten Minute des Aufwachens,
kann man absolut alles falsch ma-
Grenzen« unternahm er 1996 eine Reise
nach Indien und besuchte unter anderem
Dharamsala, den Exilsitz des Dalai Lama,
Herzschlag zu beruhigen und damit die
eigenen Ängste zu reduzieren hilft. Eine
andere, mir persönlich bis dahin weitge-
hend unbekannte Technik, das EMDR
(Eye movement desensitization and repro-
cessing), erlaubt es ähnlich wie der
Traum, sich an zurückliegende belasten-
de Ereignisse zu erinnern und diese zu
verarbeiten. Servan-Schreiber überprüft
sowohl fernöstliche Ansätze wie Qi oder
Akupunktur auf ihre Nützlichkeit als
chen und sich den gesamten Rest des Ta- wo er die traditionelle tibetanische Medi- auch die Auswirkungen von Sport und
ges verderben: Das Klingeln des We- zin kennen lernte. Wenig später beendete gesunder Ernährung auf den seelischen
ckers, eine Erfindung der Neuzeit, reißt er überraschenderweise seine wissen- Zustand. Breiten Raum gibt er der anti-
uns ohne Vorwarnung aus dem Tief- schaftliche Karriere und wurde 1997 depressiven Wirkung von sozialen Bezie-
schlaf. Seit Millionen von Jahren sind Chefpsychiater des Shadyside Hospital hungen, Liebe und Zärtlichkeit.
wir daran angepasst, in der Morgendäm- (der Klinik der Universität Pittsburgh). Was gibt es zu kritisieren? Der Titel
merung langsam und gemächlich wach Rasch entwickelte er ein Unbehagen ge- klingt mehr nach einem missglückten
zu werden. Plötzlichen Lärm im Stock- gen die übliche medikamentöse Behand- Liebesroman und trifft nicht den wissen-
finstern verbindet unsere Biologie unbe- lung der hier untergebrachten Patienten
wusst mit grauenhaften Gefahrensituati- und begann alternative Behandlungstech- Auch schamanistische Behandlungs-
onen. Was aber soll aus einem Tag wer- niken auf ihre Wirksamkeit hin zu prü-
den, der schon am frühen Morgen mit fen. Schon im Jahr darauf wurde er zum formen können sinnvoll sein
dem nackten Erschrecken beginnt? Mitbegründer des »Center for Comple-
Solche und viele ähnliche Sachver- mentary Medicine«, einem Zentrum für schaftlichen Anspruch; fast hätte er mich
halte schildert David Servan-Schreiber in die Untersuchung von komplementären davon abgehalten, den Text überhaupt
seinem Buch und weist auch auf Mög- Heilmethoden. Im Jahre 1999 reiste er zu lesen. Ein populärwissenschaftliches
lichkeiten der Abhilfe hin. So gibt es ge- ins Kosovo; ein Teil seiner Fallbeispiele Werk hätte man auch mit mehr als den
gen die abrupte Beendigung des REM- stellt Menschen vor, die durch die Kriegs- mageren zehn Abbildungen schmackhaft
Schlafs längst Dämmerungslampen mit ereignisse dort traumatisiert wurden. machen sollen.
Zeitschaltuhren, die den Schläfer sanft Anheimelnde Seelenklempner-Lek- Hilfreich wäre besonders für den Lai-
und natürlich aufwachen lassen. türe, in der die Wichtigkeit der Emotio- en auch eine Aufteilung der unterschied-
Don’t panic! Wenn Arthur Dent, die nen betont wird, gibt es massenhaft; aber lichen Arten von Ängsten und Depressi-
Hauptfigur in Douglas Adams’ Kultbuch im Gegensatz zum Standard-Psycho- onen gewesen, die hier etwas vermengt
»Per Anhalter durch die Galaxis«, gar nicht Selbsthilfe-Buch gibt Servan-Schreiber dargestellt werden. So hilft die im Buch
mehr weiter weiß, holt er sich Rat im für jeden einzelnen der vorgeschlagenen unter anderem vorgestellte Lichttherapie
»Hitchhiker’s Guide«. Ein ähnlicher All- Behandlungsansätze eine Erklärung der im Wesentlichen nur gegen die SAD
roundhelfer ist das vorliegende Buch. Da- Wirkung auf der Grundlage neuropsych- (seasonal affective disorders), wohl kaum
vid Servan-Schreiber, ein Sohn des be- iatrischer Erkenntnisse. Dabei fasst er aber gegen eine schwere Depression mit
kannten Publizisten Jean-Jacques Servan- den aktuellen Stand des Wissens für psychotischen Anteilen. Leider sucht
Schreiber, ist zwar selbst Psychiater, Fachleute informativ und für den betrof- man auch ein Stichwortverzeichnis ver-
bemüht sich in dem Buch aber nach Kräf- fenen Patienten gut verständlich zusam- gebens; immerhin gibt es eine Liste mit
ten, den Alleinherrschaftsanspruch der men. Die meisten unter den fast 300 zi- hilfreichen Adressen.
medikamentenbasierten Psychiatrie zu un- tierten Literaturquellen stammen aus Was mir an dem Band besonders gut
tergraben: Anhand alternativer Behand- hochrangigen Fachzeitschriften und sind gefällt, ist die riesige Anzahl von Fallbei-
lungsverfahren und wissenschaftlicher Un- höchstens sechs Jahre alt. spielen. Servan-Schreiber nennt keine
tersuchungen zeigt er, dass sich selbst hin- Das Buch spannt einen weiten Bo- Behandlungsmethode, ohne eine mehr
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ter zunächst abstrus oder schamanistisch gen, von grundlegenden Überlegungen oder weniger authentisch klingende Pati-
erscheinenden Behandlungsformen sinn- über die »schwierige Hochzeit« zwischen entengeschichte darzustellen. Das lockert
volle Verfahren verstecken können. unserem stammesgeschichtlich uralten die forscherische Detailarbeit immer
Der Lebenslauf des Verfassers ist be- Reptilienhirn und dem neuzeitlich-zivili- wieder auf, sodass man das Buch auch
merkenswert. Nach dem Medizinstudi- sierten Neocortex bis hin zu ausführli- als Freitzeitlektüre lesen kann, ohne in
um in Paris und Québec betrieb er rund chen Erklärungen, warum unser bewuss- dem langweiligen Staub wissenschaftli-
20 Jahre lang an der Universität in Pitts- tes Denken unsere Gefühle im Grunde cher Metaanalysen über die Effektivitäts-
burgh Grundlagenforschung in kogniti- kaum kontrollieren, sondern allenfalls prüfungen der Ansätze zu versinken.
ver Neurowissenschaft, die auch vor den trickreich beeinflussen kann. Im weite- Erich Kasten
gestrengen Gutachtern der höchst re- ren Verlauf werden dann unterschiedli- Der Rezensent ist promovierter Psychologe und
nommierten Zeitschrift »Science« Be- che Behandlungstechniken vorgestellt, approbierter Psychotherapeut; er entwickelt am
stand hatte. Als Mitglied der amerikani- darunter die »Kohärenz«, eine Abwand- Universit tsklinikum in Magdeburg neue Behand-
schen Sektion des Verbands Ȁrzte ohne lung des Autogenen Trainings, die den lungsverfahren f r Patienten mit Hirnsch den.
Ulrich Hirsch und Gunter Dueck (Hg.) enzgeschwätz im Übermaß. Etlichen Au-
Management by Mathematics toren ist anzumerken, dass ihnen zum
Thema nicht viel eingefallen ist; ersatz-
Erfahrungen und Erfolge von Executives und Politikern
weise preisen sie ihre jüngsten Manage-
Vieweg, Wiesbaden 2003. 218 Seiten, € 34,90
ment-Leistungen oder auch ihre Prinzipi-
enfestigkeit, wie Bärbel Höhn, die nord-
M
athematiker im Management mit den Anforderungen dieser Position?« rhein-westfälische Umweltministerin und
oder in politischen Führungs- Auskunft zu geben. prominente Vertreterin der Grünen, die
positionen – es gibt sie, und Die erste Antwort ist: »Schlecht.« Mathematik studiert und zwölf Jahre im
sie sind sogar häufig erfolgreich, wie die Rainer Janßen, der nach langen Jahren Rechenzentrum der Universität Duisburg
Herausgeber, die beide eine Mathematik- bei IBM den Zentralbereich Informatik gearbeitet hat.
professur in Bielefeld in Richtung Wirt- der Münchener Rückversicherung leitet, Bei aller Heterogenität der Beiträge
schaft verließen: Ulrich Hirsch wechselte weiß von vielen Einstellungsgesprächen sind sich die Autoren über eines einig:
auf den Chefsessel der eigenen Unterneh- zu berichten, in denen die mathematisch Das strukturierte Denken, das man als
mensberatungsfirma, Gunter Dueck ist vorgebildeten Kandidaten die krassesten Mathematiker erlernt, ist hilfreich für
Manager bei IBM und Freidenker mit Vorurteile über den weltabgewandten, die Verarbeitung der komplexen und
zahlreichen Buchveröffentlichungen. Da kommunikations- und kompromissun- vielschichtigen Zusammenhänge, die
denkt man gar nicht daran, dass es um fähigen abstrakten Wahrheitssucher be- zum Alltag des Managers gehört. Dage-
die beiden Mathematiker Ron Sommer, stätigen. Demnach wären die Autoren gen ist von den Inhalten des Studiums
ehemals Chef der Deutschen Telekom, dieses Buchs die Ausnahmen von der Re- selbst nichts oder fast nichts zu gebrau-
und Reinhard Höppner, den früheren gel, die Minderheit derjenigen, die trotz chen. Eine entscheidende Fähigkeit muss
Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, eines Mathematikstudiums noch über der Mathematikabsolvent erst noch ler-
inzwischen ziemlich still geworden ist. ausreichende Führungs- und Kommuni- nen. Christoph Klingenberg, hochrangi-
In dem vorliegenden Buch versuchen kationsfähigkeiten verfügen? ger Manager bei der Lufthansa, bringt es
25 Mathematikerinnen und Mathemati- So wollen sie sich selbst nicht verstan- auf den Punkt: »das Erkennen von
ker in wirtschaftlichen oder politischen den wissen. Die Beiträge lassen in der Tat Machtstrukturen und die Reaktion da-
Führungspositionen auf die Frage »Wie von der universitätsüblichen Denkweise rauf, das Durchsetzungsvermögen«.
verträgt sich mathematisches Denken kaum etwas erkennen; stattdessen gibt es Gibt es denn gar keine Gelegenheit,
mathematisches Denken so richtig in der
Politik anzuwenden? Als Reinhard Höpp-
ner sein Ministerpräsidentenamt antrat,
Die 5x5-Rezension des Monats von wissenschaft-online wurden die Probleme, die auf ihn warte-
ten, mit der Quadratur des Kreises vergli-
chen, die bekanntlich unmöglich ist.
Reto U. Schneider »Aber als Mathematiker weiß ich, dass es
Das Buch der verrückten Experimente dafür sehr gute Näherungslösungen gibt«,
Bertelsmann, München 2004, 304 Seiten, € 19,90 sagte Höppner damals. In seinem Beitrag
für das Buch zitiert er ein Problem aus ei-
ner Mathematik-Olympiade, an der er als
D er Wissenschaftsjournalist Reto U.
Schneider stellt über hundert unge-
wöhnliche psychologische, biologische,
deutigen Antworten; oder sie liefern zwar
Antworten, doch es ist ein Mysterium,
auf welche Fragen.
Schüler teilgenommen hatte: König Ar-
tus will 2n Ritter zu seiner Tafelrunde
einladen. Jeder von ihnen hat höchstens
medizinische und physikalische Experi- Aus der Rezension von Frank Ufen n – 1 Feinde. Kann König Artus die Rit-
mente vor. ter so an der Tafel platzieren, dass nir-
Manche davon sind überaus skurril 5×5 Punkte gendwo zwei Feinde direkt nebeneinan-
oder grausam und bestätigen sämtliche Rubriken 1•2•3•4•5 der sitzen? Die Antwort ist ja, aber die
mad scientist-Klischees. Andere sind völlig Lösung wird in dem Buch nicht verraten.
zu Recht in die Wissenschaftsgeschichte Inhalt Als Höppner abgewählt wurde, hieß
eingegangen. Wieder andere sind ebenso Vermittlung es, er habe sich nicht durch grobe Fehler
harmlos wie nutzlos. Und dann gibt es Verständlichkeit unbeliebt gemacht. Vielmehr habe er den
noch welche, an deren Originalität nicht Lesespaß
Leuten über den Zustand des Bundeslan-
zu zweifeln ist, die aber einen kleinen
Preis/Leistung
des stets die – wenig erfreuliche – Wahr-
Nachteil haben. Sie werfen entweder jede heit gesagt, und das hätten die nicht
Gesamtpunktzahl 24
Menge Fragen auf, liefern aber keine ein- mehr hören wollen. Anscheinend hat
Höppner doch eine entscheidende Füh-
Den kompletten Text und zahlreiche weitere Rezensionen rungsqualifikation gefehlt.
von wissenschaft-online finden Sie im Internet unter Christoph Pöppe
h tt p : / /w w w.w i s s e n s ch a ft - onli ne .de / 5x 5 Der Rezensent ist Redakteur bei Spektrum der
Wissenschaft.
Ralf A. Jakobi und Henning Hopf schen Mühle steckt, wird verblüfft sein
Humoristische Chemie über die Aktualität der »Doktorandenge-
spräche: gestern, heute, morgen« aus
Wiley-VCH, Weinheim 2003. 286 Seiten, € 24,90
dem Jahre 1970!
Kapitel 13 »Neuerungen machen
H
ätten Sie gedacht, dass sich Iso- »Humoristische Chemie« ist ein bun- Eindruck – Hochschul- und Studienre-
tope durch ihren pH-Wert un- tes Sammelsurium von Kuriositäten, form« ist schließlich so aktuell, dass es
terscheiden? Oder dass thermo- Stilblüten und Satiren, die sich direkt schon fast zum Lachen ist. Das »Bildnis
plastische Badezimmermatten Zimmer- oder indirekt um die Chemie, oft genug einer Reform-Fakultät« ist von 1974,
temperatur annehmen und man deshalb auch um das akademische Leben in liest sich aber wie eine Posse der hysteri-
keine kalten Füße bekommt? Keine deutschen und anderen Landen drehen. schen Bildungskrisendiskussion des Jah-
Bange, es stimmt nicht, aber es wurde Dem Insider bleibt an der ein oder ande- res 2004. Dreißig Jahre heiße Luft, aber
von Chemiestudenten in der Prüfung ren Stelle das Lachen im Halse stecken: im Grunde hat sich nichts getan.
geäußert, ebenso wie unzählige weitere Zu nah sind die satirischen Texte an der Ebenso brandaktuell wirkt schließlich
ö
Stilblüten, die die Chemieprofessoren bitteren Realität, zum Beispiel Kapitel 5 der Essay »Ortografi – über die Hinrich-
Hopf und Jakobi für ihr Buch gesam- mit dem Titel »Hier wird die Niete zur tung des Zinnnitrates« – bis man am En-
melt haben. Elite – Karriere durch planvollen Bluff« de des Aufsatzes erfährt, dass er aus dem
Wer sich über die Wissenschaft und mit den »nützlichen Ratschlägen« für Jahr 1987 ist! Die Rechtschreibreform hat
vor allem die Wissenschaftlerkollegen Postdocs, aber auch für Manager der den Unfug Wirklichkeit werden lassen.
lustig macht, muss den Zorn eben dieser Branche. Den beiden Herausgebern ist ein
Kollegen fürchten. Da ist es besser, man Kapitel 4 zum Thema »Publish or pe- kurzweiliges, bisweilen köstliches Werk
ist Nobelpreisträger wie die enfants ter- rish – Resultate, die keiner braucht« be- gelungen.
ribles des akademischen Establishments, handelt das Damoklesschwert, das am
ü
Thomas Lazar
Kary Mullis und Richard Feynman, oder seidenen Faden über unglücklichen Der Rezensent hat in Biochemie promoviert und
wenigstens beamteter Professor und dem Jungwissenschaftlern schwebt, die noch ist freischaffender Sachbuchautor und Überset-
Ruhestand nahe wie Henning Hopf. keine der seltenen Dauerstellen ergattern zer in G ttingen.
W
arum unsere frühen Vorfahren gen. Der Mensch stamme von amphi- an hindern. Man hat errechnet, dass für
damit angefangen haben, auf bisch lebenden Hominiden ab, die im einen 1,90 Meter großen Sprinter die
zwei Beinen zu gehen, ist nach Wasser die Vorzüge des aufrechten Gangs ideale Fußgröße die eines einjährigen
wie vor nicht geklärt. Nach der Stan- entdeckten. Erst im Wasser stand ihnen Kindes wäre. Im Unterschied zu den flin-
dardtheorie zwang sie ein Klimawandel, regelmäßig rund ums Jahr reichlich ei- ken bodenlebenden Primaten haben
der ihren Lebensraum schrumpfen ließ, weißreiche Nahrung zur Verfügung, die Menschen außerdem den Nachteil, dass
von den Bäumen herabzusteigen und ihr sie dringend für ihr ständig wachsendes, ihre Beinmuskulatur mit ziemlich kurzen
Glück in der Savanne zu versuchen. Energie fressendes Gehirn benötigten. Sehnen ausgerüstet ist. Doch wenn man
Doch der Berliner Anthropologe Carsten Das klingt vielleicht skurril. Aber wa- mit großen Füßen nur langsam von der
Niemitz glaubt nicht an diese Theorie. tende, schwimmende und tauchende Af- Stelle kommt, wozu sind sie dann gut?
Nach seiner Auffassung kann sie etliche fen, die sich von Muscheln, Schnecken, Für dreierlei, antwortet Niemitz: Zurück-
Fragen nicht schlüssig beantworten: Wa- Krabben oder Fischen ernähren, gibt es legen großer Entfernungen, langes Ste-
rum hat der Mensch als einziger Primat jede Menge: Meerkatzen, Makaken, Lan- hen – und Waten in seichten Gewässern.
ein so ausgeprägtes Unterhautfettgewe- guren, Paviane, Mandrills und Bonobos. Ähnliches gilt für die ungewöhnlich
be? Warum sind seine Hände im Unter- Und: »Dass die Urzeit-Menschen ihren langen Beine, die der Mensch von den
schied zu denen aller anderen Menschen- Eiweißbedarf durch Großwildjagd de- Urhominiden geerbt hat. Sie sind nütz-
affen derart altertümlich und unspeziali- cken konnten, halte ich für ein Gerücht. lich, um im aufrechten zweifüßigen
siert? Warum hat er stirnseitige Augen? Diese Jagden waren gefährlich, brachten Gang Marathonstrecken zu laufen und
Warum hat er so lange Beine und so gro- nicht genug Ausbeute und hätten die um in seichtem Wasser Nahrung zu su-
ße Füße? Und warum fühlt er sich nur Männer zu stark dezimiert. Der Beitrag chen: Je länger die Beine, desto tiefer
wohl, wenn Wasser in seiner Nähe ist? der sammelnden und fischenden Frauen kann man ins Wasser steigen, ohne dass
Nach Niemitz hat sich die Mensch- zum täglichen Nahrungspensum wird einen der Wasserwiderstand am Gehen
werdung des Affen ganz anders vollzo- viel zu sehr unterschätzt. Wohl wegen hindert, der Auftrieb den Schritt unsi-
cher macht oder einem schlicht das Was- sen. Die Hände des Menschen haben die
ser bis zum Halse steht. stärkste Ähnlichkeit mit denen der Ber-
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Und schließlich und für Niemitz ent- beraffen, Rotgesichtsmakaken und Rhe-
scheidend: Mit einer ersten, unbeholfe- susaffen, die im Gegensatz zu den Orang-
nen Frühform des aufrechten Gangs hät- Utans, Gorillas und Schimpansen nicht
ten die Hominiden gegen die schnellen auf das Leben auf Bäumen spezialisiert
Raubtiere der Savanne wenig Chancen sind. Außerdem liegen die Augen des
gehabt. Doch als watende Primaten Menschen vergleichsweise eng beieinan-
konnten sie ganz allmählich den Auf- der auf der Stirnseite – wenig zweckmä-
trieb und die Viskosität des Mediums ßig für Baumbewohner, die für eine gute
Wasser zunehmend für sich nutzen. So räumliche Wahrnehmung einen mög-
blieb ihnen genug Zeit, sich längere Bei- lichst großen Augenabstand brauchen.
ne und bessere Gelenke, Sehnen und Unsere Vorfahren lernten also, das
Bänder zuzulegen. Niemitz hält es ohne Wasser zu schätzen (und daraufhin, sich
Weiteres für möglich, dass die Urhomi- aufzurichten). Und deshalb, vermutet
niden anfangs an Land vierfüßig, im Niemitz, finden ihre menschlichen
Wasser aber zweifüßig gegangen sind. Nachfahren nichts unwiderstehlicher als
Neugeborene Gorillas, Orang-Utans ein Haus mit Swimmingpool oder eine
und Schimpansen wirken mit ihrem von Villa mit Blick aufs Meer.
Falten zerfurchten Gesicht wie vorzeitig
vergreiste Zwerge, und ihr Körper ist
spindeldürr. Demgegenüber kommen
Menschen mit Fettpolstern am ganzen
Körper auf die Welt, und auch die ma-
gersten Erwachsenen schleppen dauernd
eine beträchtliche Menge Fett mit sich
herum. Der Mensch ist der einzige Pri-
mat, dessen Unterhaut mit einer dicken
Schicht aus Fettgewebe ausgestattet ist.
Allerdings lagert sich bei Männern und
Frauen weitaus das meiste Fett an den
Hüften, am Bauch, an den Schenkeln
und Waden ab, deutlich weniger hinge-
gen an den oberen Körperpartien. Diese
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Verteilung des Fettgewebes lässt in Nie-
mitz’ Augen nur einen Schluss zu: Seine
ursprüngliche Funktion bestand darin,
den Wärmeverlust beim Waten in Gren-
zen zu halten.
Die Urhominiden, behauptet Nie-
mitz, waren ökologische Generalisten,
die mit den Verhältnissen am Boden
ebenso gut zurechtkamen wie mit denen
am und im Wasser. Die Angewohnheit,
in den Bäumen zu klettern, dürften sie
allerdings noch lange beibehalten haben
– schon um sich bei Gefahr und zum
Schlafen dorthin zurückziehen zu kön-
nen. Dass sie Baumspezialisten waren,
hält Niemitz allerdings für ausgeschlos-
Mit der vor einigen Jahrzehnten von Alli- anatomischen Ähnlichkeiten zwischen vergleichenden Anatomie stützt, ist sie
ster Hardy begründeten und heute am Menschen und Fledermäusen ableiten, zumindest insofern auch falsifizierbar.
vehementesten von Elaine Morgan ver- dass sich die frühesten Hominiden flie- Ob sie tragfähig ist, müssen weitere For-
fochtenen »Wasseraffentheorie« will Nie- gend fortbewegt haben müssten. schungen erweisen.
mitz nichts zu schaffen haben. Ihre Pos- Demgegenüber bietet Niemitz eine Frank Ufen
tulate hält er für ebenso abwegig wie ihre spekulative, aber gut durchdachte und Der Rezensent ist freier Wissenschaftsjournalist
analogisierende Vorgehensweise. Mit der von vielen Indizien gestützte Theorie. Da in Marne.
D
ie Fülle der Lebensformen, die destens einen Vertreter in ihre Samm- hat untergehen lassen. So ergibt sich eine
sich in Fossilfunden präsentiert, lung aufgenommen. Pflanzliche Verstei- gewisse Systematik der Darstellung, die
ist unerschöpflich. Aus ihr ha- nerungen werden ebenso dargestellt wie allerdings Platz lässt für gewaltige Sprün-
ben die Wissenschaftler des Staatlichen Schwämme, Weich- und Hohltiere, Sta- ge – sogar auf ein und derselben Seite.
Museums für Naturkunde in Stuttgart chelhäuter und Insekten bis hin zu Wir- Der Titel »Atlas« passt nicht recht
eine Auswahl getroffen und in 339 Fotos beltieren. Das abschließende erschöpfen- auf ein Büchlein, das aus Umfangsgrün-
vorgestellt. So sind von insgesamt über de Register erleichtert den Zugriff. den einen Anspruch auf Vollständigkeit
tiär
5000 Ammonitenarten immerhin sech- Die Stärke des hübschen Bändchens nicht erfüllen kann. Als Bestimmungs-
zig vertreten. Allgemein haben die Auto- liegt in der gelungenen Kombination buch für den Sammler kann und will es
ren nicht nur für jede Epoche das cha- von Bild und Text. Für die Bilder wurde jedenfalls nicht dienen.
rakterisierende »Leitfossil«, sondern auch alles genutzt, was die heutigen techni- Man mag es als Bilderbuch genießen,
für jede wichtige Gattung und Art min- schen Möglichkeiten von Fotografie und sich an der ausgebreiteten Wissenschaft
Druck hergeben, und das Ergebnis ist bereichern – und es vielleicht zum An-
wahrhaft augen(ge)fällig; schade nur, lass nehmen, erneut über das Wunder
dass das Buchformat eine so geringe der Entstehung des Lebens vor mehr als
Kelche der Koralle Isastrea aus dem Bildgröße erzwingt. Die Texte sind knap- drei Milliarden Jahren nachzudenken.
u Oberjura (links). Kleine Muscheln pe, verständliche Abhandlungen mit ty- Arno Mehling
der Art Congeria spathulata haben sich pisierenden Zeichnungen von Phänotyp Der Rezensent ist Richter im Ruhestand in Bay-
im Jungter in der leeren Schale einer und Anatomie, anatomischen Schnittbil- reuth und seit Jahrzehnten passionierter Fossi-
Congeria subglobosa eingenistet. dern und anderen Grafiken. liensammler.
Strick-Muster und
der Einheitswürfel im IR5
Geschickt gedreht und beleuchtet, erhellt ein Gebilde aus dem fünf-
dimensionalen Raum die Geometrie ebener Pflasterungen.
Von Christoph Pöppe schiedene Sorten Rauten mit den Öff- matikausstellung in seiner Schule zahl-
nungswinkeln 30, 60 und 90 Grad zum reiche Rauten in Größen, die auf Zehn-,
heitsvektoren abgebildet werden? Wenn es wären deswegen in der Projektion nur Standpunkt aus. Aber wir sehen statt sei-
es hinterher gut aussehen soll, ist »so die Teile sichtbar, die unserer Bildebene ner drei »außen gelegenen« Flächen jetzt
symmetrisch wie möglich« immer ein am nächsten liegen und nicht durch an- die »innen gelegenen«. Dadurch wird das
gutes Rezept. Das heißt in diesem Fall: dere Teile verdeckt werden. Dafür ist die Sechseck, das die Außenkontur vom Bild
Man bilde die Einheitsvektoren auf die Idee vom Schatten nicht mehr erhellend; des Würfels lieferte, nicht mehr auf die
Ecken eines regelmäßigen Fünfecks ab, vielmehr müssen wir uns vorstellen, eine, sondern auf die andere Weise in
dessen Mittelpunkt der Nullpunkt ist. nicht die Richtung des Lichts, sondern Rauten zerlegt. Auch beim geringfügig
Aus den Würfelkanten, die vom Null- unsere Blickrichtung verlaufe in der be- demontierten Fünferwürfel ist das Bild
punkt des IR5 ausgehen, werden also die schriebenen, speziellen Weise in den IR5, also eine der Füllungen des Zehnecks
Vektoren, die vom Nullpunkt der Tisch- und wir könnten dort den Fünferwürfel mit Rauten, die Heinz Klaus Strick mit
ebene aus auf die Ecken des Fünfecks selbst betrachten – natürlich in perspek- seinen Schülern erarbeitet hat. Das Weg-
weisen. Wie die Einheitsvektoren selbst tivischer Verzerrung, denn von den zahl- nehmen eines Würfels entspricht genau
sind deren Bilder unter unserer Projek- reichen Quadraten, die in ihm enthalten dem Umdrehen eines Sechsecks.
tion untereinander alle gleich lang. sind, ist keines genau uns zugewandt. Projiziert man das Kantenmodell des
Damit sind nun alle Zutaten für die Offensichtlich sehen wir bei diesem Fünferwürfels in die Ebene (Bild S. 106,
»Strick-Muster« beisammen. Denn der Blick in den IR5 lauter Quadrate, die an- links), so findet man alle Linien, entlang
Fünferwürfel enthält zahlreiche Quadra- einander grenzen, aber nie solche, die denen eine Füllung des Zehnecks mit
te; die begrenzen nämlich die Dreierwür- sich überlappen oder Lücken zwischen Rauten verlaufen kann. Auch das Arti-
fel, welche die Viererwürfel begrenzen, sich lassen. Dasselbe gilt für deren Bil- schockenmuster ist darunter; es geht
welche den Fünferwürfel begrenzen. der, die Rauten, in der Ebene. nicht anders. Denn jeder Eckpunkt des
Quadrate sind insbesondere Parallelo- Zehnecks ist das Bild eines Fünferwür-
gramme. Also findet man als Schatten … ist ein Zehneck fel-Eckpunkts. Von ihm gehen, wie von
der Quadrate lauter Parallelogramme Der äußere Umriss des Bilds vom Fün- jedem anderen Eckpunkt des Fünfer-
wieder. Es sind sogar Rauten, denn die ferwürfel muss ein regelmäßiges Zehneck würfels, fünf Kanten aus, deren Bilder
Bilder aller Einheitsvektoren sind gleich sein. Warum? Das Original ist konvex, wir im Zehneck wiederfinden müssen.
lang. Der Öffnungswinkel der Rauten das heißt: Auf der geraden Verbindungs- Da sie aber alle im Inneren des Zehnecks
beträgt 72 Grad oder ein Vielfaches da- linie zwischen zwei Punkten des Fünfer- liegen müssen, bleibt ihnen gar nichts
von, denn das sind die Winkel der Fünf- würfels liegt kein Punkt, der nicht auch anderes übrig, als im spitzestmöglichen
ecksvektoren untereinander. Da 144 zum Fünferwürfel gehörte. Da durch die Winkel zueinander zu liegen. Das ergibt
Grad der stumpfe Winkel der Raute mit Projektion die gerade Verbindungslinie die äußersten Blätter der Artischocke.
dem spitzen Winkel 36 Grad ist und alle zweier Punkte auf die gerade Verbin- Was ich bisher am Beispiel des IR5
weiteren Vielfachen von 72 Grad nichts dungslinie ihrer Bildpunkte abgebildet und des Zehnecks erläutert habe, gilt in
Neues bringen, kommen in dem Schat- wird, muss auch das Bild insgesamt kon- genau derselben Weise für andere Di-
ten des Fünferwürfels genau die dicke vex sein. Aus demselben Grund muss der mensionen. So beweist man durch einen
und die dünne Raute vor, die ich ein- Rand des Gesamtbilds aus Bildern von Ausflug in den IR7, dass es zentralsym-
gangs beschrieben habe. Kanten bestehen. metrische, artischockenartige und zahl-
Mehr noch: Stellen wir uns jetzt vor, Der Original-Fünferwürfel hat eine reiche andere Rautenfüllungen des regel-
der Fünferwürfel wäre nicht ein Kanten- fünfzählige Symmetrie bezüglich zykli- mäßigen Vierzehnecks geben muss. In-
scher Vertauschung der Einheitsvektoren dem man für die konkrete Zahl 5 oder 7
(ersetze den ersten durch den zweiten, die allgemeine Variable n einsetzt, erle-
den zweiten durch den dritten, … den digt man die ganze Denkarbeit für alle
letzten durch den ersten); also muss auch Dimensionen auf einen Streich.
sein Bild wegen der speziellen Wahl der Für geradzahlige n, das heißt, die
Bilder der Einheitsvektoren fünfzählig Eckenzahl 2n des Vielecks ist durch 4
symmetrisch sein. Alle Kanten des Fün- teilbar, gibt es eine weitere Klasse von
ferwürfels sind zu einer der Einheitsvek- Mustern, darunter auch zentralsymmet-
tor-Kanten parallel, also müssen die rische. Bei ihnen ist die Seitenlänge der
Kanten des Bilds sämtlich parallel zu ei- Raute gleich der halben Seitenlänge des
ner der fünf Einheitsrichtungen sein. Vielecks.
Schließlich lässt sich – mit etwas mehr Zugegeben: Man kann diese und
Mühe – zeigen, dass Bild und Urbild weitere Eigenschaften der Strick-Muster
auch um 180 Grad drehsymmetrisch auch finden – wenn auch weit weniger
sein müssen; und dann bleibt nur noch elegant –, indem man beim Argumentie-
das Zehneck. ren »auf dem Teppich«, sprich in der
Man kann den Fünferwürfel auch zweidimensionalen Ebene, bleibt. Lohnt
partiell demontieren. Nimmt man ihm es denn wirklich, dafür die Reise in hö-
einen der zahlreichen ihn begrenzenden herdimensionale Welten zu unterneh-
Dreierwürfel weg, so entsteht noch kein men, die doch beim ersten Mal ziemlich
Penrose-Parkettierung richtiges Loch; so ein Dreierwürfel ist ja beschwerlich ist?
ätsel?
ergibt sich die Gleichung chung die möglichen Werte für a und b.
R
gewählten Würfelstapelung im IR5 her- Beispiel: Für c = 2 folgt 4 a + 5 b = 9
leiten (Bild links; siehe auch Spektrum 0,8 a + 1 b + 1,1 c = 15, und daraus sofort a = 1 sowie b = 1.
der Wissenschaft 2/2002, S. 64). Die anderen Lösungen findet man
die durch Multiplikation mit 10 in die fol- analog hierzu rasch durch Ausprobieren.
gende diophantische Gleichung (nicht
Christoph Pöppe ist promo- nur die Konstanten, auch die Lösungen Die Gewinner der drei CDs mit Soundtrack
vierter Mathematiker und Re-
müssen ganze Zahlen sein) übergeht: zum Film »Genesis« sind Renate Stürmer,
dakteur bei Spektrum der Wis-
senschaft. Zweibrücken; Berthold Hajen, Boppard;
8 a + 10 b + 11 c = 150 und Roland Jung, Bischofsheim.
Von Penrose-Parkettierungen zu
n-Eck-Puzzles. Von Heinz Klaus
Strick in: Praxis der Mathematik, Bd. 44, Nr. 3, S.
105, 2002 Lust auf noch mehr Unser Wissenschaftsportal wissenschaft-online
(www.wissenschaft-online.de) bietet Ihnen unter dem Fachgebiet »Mathe-
Weblinks zu diesem Thema finden Sie bei www.
spektrum.de unter »Inhaltsverzeichnis«. matik« jeden Monat eine neue mathematische Knobelei.
E
s war im Juni 1997, als ich zum ers- schen etwas nicht stimmt, könnte es dann
ten Mal bei der »Gay Pride Parade« nicht vielleicht eher die Theorie sein, mit der
mitmarschierte, dem jährlichen Um- etwas nicht stimmt? Damals fürchtete ich, das
zug von Schwulen und Lesben durch Rätsel nicht mehr lösen zu können. Es waren
die Innenstadt von San Francisco. Ich hatte nur noch wenige Monate bis zu meiner lange
schon einige solche Demonstrationen gese- geplanten Geschlechtsumwandlung vom Mann
hen, aber dieses Spektakel war einzigartig. Auf zur Frau. Meine Zukunft erschien ungewiss.
den Straßen und Bürgersteigen drängten sich Ich sah mich schon von meinem Lehrstuhl an
die Massen. Damals erschien mir mit einem der Stanford-Universität fliegen und als Kell-
Mal plausibel, was ich davor immer bezweifelt nerin in einer Transsexuellen-Bar arbeiten. So
hatte: dass einer unter zehn Menschen homo- schlimm kam es zum Glück nicht: Ich wurde
sexuell sein soll. nicht gefeuert, sondern nur von allen Verwal-
Mich als Biologin stellte ein so hoher An- tungspflichten entbunden. Und so hatte ich
teil von Lesben und Schwulen vor ein Pro- auf einmal reichlich Zeit zu ergründen, wieso
blem – besteht doch der Sinn des Sexualkon- die Evolution so viele Spielarten an Geschlech-
Nach Schätzungen füh- takts in der Fortpflanzung. So jedenfalls hatte tern und so mannigfaltige Formen der Sexuali-
o len sich zehn Prozent der es mich mein Fach gelehrt. Homosexualität tät hervorgebracht hat.
Menschen zum eigenen Ge- sei als Anomalie zu betrachten, für die es noch
schlecht hingezogen. Generell keine rechte Erklärung gebe. Nur: Wie kommt Darwins Irrtum
ist Homosexualität im Tierreich es dann, dass sich so viele Menschen zum eige- Diese Forschungen machten mich schließlich
viel zu häufig, um ein Irrtum nen Geschlecht hingezogen fühlen? »Nun ja, zur Häretikerin in meinem Fach. Ich entdeck-
der Natur zu sein. die haben eben einen Defekt«, könnte man er- te, dass die Evolutionstheorie mit einem
widern. »An irgendeinem Punkt in ihrer Ent- schweren Schönheitsfehler behaftet ist, der bis
wicklung oder während der Erziehung ist et- auf ihren Begründer zurückgeht. Nachdem
was schief gelaufen und hat ihre sexuellen Vor- Darwin erkannt hatte, wie Variation und Se-
lieben in die falsche Richtung gelenkt.« Wenn lektion zusammenwirken, um dem jeweils
das stimmt, wären Homosexuelle nur eine vo- tauglichsten Exemplar einer Spezies Überle-
rübergehende Laune der Natur: Geiltriebe im ben und Fortpflanzung zu sichern, stellte sich
Stammbaum des Lebens, die nur so lange ihm das Problem des Pfauenschwanzes und
sprießen, bis die natürliche Selektion gründ- ähnlichen männlichen Zierrats: Er ist ausge-
lich auslichtet – zu Gunsten von besser ange- sprochen hinderlich und ganz sicher nicht ge-
passten Artgenossen. eignet, die Tauglichkeit seines Trägers für den
Dieses Problem ließ mich nicht mehr los, Daseinskampf zu erhöhen. Warum also wurde
und ich begann, über das evolutionäre Rätsel er im Zuge der Evolution nicht ausgemerzt?
ek
l
ä
n
r
e,
ist sein Träger trotz dieser Behinderung am lässt, ist somit keineswegs die Norm.
Leben geblieben. Folglich geben sie Männ-
chen mit der imposantesten Zierde bei der Geschlechtsverkehr als Mittel
Begattung den Vorzug. zur Pflege von Beziehungen
Heute bin ich überzeugt davon, dass diese Zudem gibt es bei einigen Arten mehr als nur
äncthünc
M
Theorie grundlegend falsch und auch durch jeweils einen Typus von Weibchen oder Männ-
Nachbessern nicht zu retten ist. Zwar geben chen. In diesen Fällen haben zum Beispiel die
viele Biologen inzwischen zu, dass neuere Er- verschiedenen Vertreter des männlichen Ge-
kenntnisse über Geschlecht und Sexualität schlechts nur eins gemeinsam: Sie produzieren
Darwins Annahmen in Frage stellen, aber nur Spermien. Dagegen weichen sie in Körpergrö-
wenige plädieren wie ich dafür, das ganze ße, Färbung, Morphologie, Verhalten und Le- Um den Pfauenschwanz
Konzept fallen zu lassen. Lassen Sie mich be- bensweise so stark voneinander ab, dass ein u (unten) zu ent-
schreiben, wie ich zu dieser zugegebenerma- unerfahrener Naturforscher versucht wäre, sie wickelte Darwin seine Theorie
ßen drastischen und provokativen Schlussfol- als verschiedene Arten zu klassifizieren. Das- der sexuellen Selektion, wo-
gerung gekommen bin – und mit ihr zu ei- selbe gilt für diverse Typen von Weibchen, de- nach die eher unscheinbaren
nem, wie ich finde, besseren Verständnis der ren einzige Gemeinsamkeit darin besteht, Ei- Weibchen auf die prunkvolls-
Biologie von Sexualität und Geschlecht. zellen zu produzieren. Ein Beispiel dafür sind ten hen abfahren, weil
Darwin behauptet, dass die Weibchen die- gelb- und orangekehlige Seitenfleckenleguane, sie in deren Prachtentfaltung
jenigen Männchen wählen, die ansehnlich, die Eier verschiedener Größe legen. den Ausweis hoher Fitness se-
kräftig und wehrhaft sind – ähnlich wie ein Zur Unterscheidung von den biologischen hen. Bei Blat hen (oben)
Geflügelzüchter aus seiner Geflügelschar die Geschlechtern möchte ich diese Varianten als ist die Rollenverteilung jedoch
prächtigsten Hähne aussucht. Von wenigen »soziale Geschlechter« bezeichnen. Bei den genau umgekehrt.
Ausnahmen abgesehen, sei das männliche Ge- Männchen der Sonnenbarsche zum Beispiel
schlecht das leidenschaftliche, das weibliche gibt es drei davon – ich nenne sie »Boss«, »As-
hingegen das schüchterne. Laut dem Urvater sistent« und »Abstauber«. Die Bosse, groß und
der Evolutionstheorie lassen sich Männchen mit orangefarbenem Bauch, überlassen es den
und Weibchen fast durchweg in diese vorge- kleineren Assistenten, die mit ihren dunklen
stanzten Rollen einordnen: hier die ansehnli- Streifen den Weibchen ähneln, die Damen in
chen Recken, die stets die Initiative ergreifen, Stimmung zu bringen und zur Eiablage zu be-
dort die zarten Fräulein, welche die dargebo- wegen. Sie selbst befruchten dann die meisten
tene Auswahl besonnen begutachten. Eier, gestehen ihren Helfern aber einen gewis-
Doch die Wirklichkeit sieht oft anders sen Anteil zu. Währenddessen lauern die Ab-
aus. Bei vielen Arten, einschließlich uns Men- stauber klein und unscheinbar zwischen Was-
schen, sind die Damen keineswegs passiver als serpflanzen und warten auf ihre Gelegenheit.
die Herren der Schöpfung, und nicht alle seh- Sobald ein Weibchen unbeobachtet Eier legt,
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nen sich nach einem Arnold Schwarzenegger. schießen sie aus ihrem Versteck und schütten
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Nicht selten umwerben Weibchen die Männ- ihr Sperma darüber aus.
chen, und genauso oft verweigern sich diese
den Avancen ihrer Artgenossinnen. Bei vielen
Spezies sind die Geschlechterrollen sogar ver-
tauscht. Schon Darwin kannte die Blatthühn-
chen, bei denen die Weibchen ein prächtiges,
die Männchen dagegen ein unscheinbares Fe-
derkleid tragen. Die Partnerwahl dieser Wat-
vögel läuft denn auch genau umgekehrt ab
wie die der Pfauen.
Bei manchen Tierarten ist die fein säuber- Aus urheberrechtlic
liche Unterteilung in zwei Geschlechter sogar
schlicht unmöglich. So sind ein Drittel aller nicht online zeigen.
Fische, die einen Schnorchler an einem tropi-
schen Korallenriff umschwärmen, so genann-
te simultane oder sequenzielle Hermaphrodi-
ten. Erstere produzieren zur selben Zeit Eier
und Spermien, Letztere wechseln im Laufe ih-
res Lebens sogar ihr Geschlecht. In der Tat
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betrachten oder Vögel: Sex findet vielfach an Gruppe und stellt sicher, dass die Affenväter
Orten und zu Zeiten statt, die es von vornhe- ihren Teil zur Aufzucht der Jungen beitragen,
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rein unwahrscheinlich machen, dass daraus statt sie zu verjagen oder gar zu töten.
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Nachkommen hervorgehen. Die Theorie der sozialen Selektion erklärt
auch ein Rätsel, das schon Aristoteles beschäf-
Theorie der sozialen Selektion tigte: den »Penis« weiblicher Tüpfelhyänen.
Darwins Theorie der sexuellen Selektion geht Die Klitoris der Tiere ist zu einem stattlichen,
also von völlig falschen Prämissen aus. Das so- penisähnlichen Gebilde vergrößert, und Fett-
ziale Gefüge im Tierreich resultiert aus dem einlagerungen in der umliegenden Haut ah-
Bestreben der Individuen, sich die Ressourcen men einen Hodensack nach. Weibchen erigie-
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für eine erfolgreiche Reproduktion zu sichern. ren dieses Organ im Laufe des Tages viele
Viele Meerestiere Dazu gehören Nahrung und Nistplätze, aber Male beim Kontakt mit ihresgleichen. Für ein
u im Laufe des Lebens ihr natürlich auch geeignete Partner. Diese Res- solches Unikum, das bei der Partnerwahl kei-
Geschlecht. Hier ist eine sourcen kann ein Tier dann unmittelbar nut- nerlei Rolle spielt, hat die Theorie der sexuel-
liche Geister (blau) ge- zen oder als Verhandlungsmasse einsetzen, um len Selektion keine Erklärung. Ich bin über-
rade dabei, sich in ein Weib- sich die Hilfe anderer zu erkaufen. Die soziale zeugt, dass eine weibliche Hyäne ohne »Penis«
chen (gelb) zu verwandeln. Dynamik von Tiergesellschaften dreht sich aus den Cliquen der Weibchen ausgeschlossen
entscheidend darum, mit welchen Artgenos- würde, welche über die Ressourcen zur Re-
sen des eigenen und des anderen Geschlechts produktion bestimmen. Dies ist ein Beispiel
man Freundschaft schließt oder kooperiert. Je für etwas, das ich »Dazugehörigkeitsmerkmal«
Aus urheberrechtlic nach dem Muster dieses Beziehungsgeflechts nenne: Es verschafft seinem Träger Zugang zu
bilden sich unterschiedliche Familien- und einer sozialen Gruppe – unabhängig davon,
nicht online zeigen. Gruppenstrukturen. ob es ihm sonst einen Nutzen bringt. Ein sol-
Mit diesem Ansatz, den ich die Theorie ches Merkmal ist möglicherweise auch das
der sozialen Selektion nenne, lässt sich die menschliche Gehirn mit seiner Fähigkeit zu
Vielfalt an Sexualpraktiken zwanglos erklären. Konversation, Musik und bildender Kunst.
Wie wir bereits gesehen haben, schert sich das Ein weiteres Beispiel dürfte der gleichge-
Sozialleben der Sonnenbarsche keinen Deut schlechtliche Sex bei den weiblichen Bonobos
um das, was Darwins Theorie der sexuellen (Zwergschimpansen) sein, bei dem die Tiere
Vor diesem Hintergrund erscheinen sogar Prozent senkt, wäre mit einem unter 100 000
klassische Geschlechtsattribute wie Pfauen- Fällen bereits zehnmal so häufig zu beobach-
schwanz und Hirschgeweih in anderem Licht. ten. Nach derselben Logik käme ein Leiden,
Möglicherweise sollen sie gar nicht die Weib- das eine Fitness-Einbuße von nur einem Pro-
chen von den Vorzügen ihrer Besitzer über- zent mit sich bringt, wiederum zehnmal so oft
zeugen, sondern die männlichen Geschlechts- vor. Angenommen, jeder zehnte Mensch sei
genossen beeindrucken. Vielleicht fungieren homosexuell. Dann betrüge die durchschnitt-
auch sie als Mitgliedsausweis, der seinem Be- liche Einbuße an Nachkommen 0,001 Pro-
sitzer Zutritt zu den Zirkeln der Macht ver- zent, was statistisch nicht messbar ist.
schafft. Meines Wissens gibt es bisher keine Ich gehe sogar so weit zu behaupten, dass
Experimente zur Klärung der Frage, was ein Homosexualität überhaupt keinen Fitnessver-
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sekundäres Geschlechtsmerkmal wirklich ist: lust mit sich bringt. Über die Geschichte und
Prunkstück oder Zugangsberechtigung. Un- kulturelle Grenzen hinweg zeigt sich, dass ho-
tersucht wurde nur, wie die Veränderung ei- moerotische Neigungen keineswegs sexuelle
nes Merkmals, etwa die Farbe des Gefieders, Beziehungen zum anderen Geschlecht aus-
die Partnerwahl beeinflusst. Genauso interes- schließen. Es gibt keine wirklichen Belege da-
sant wäre aber zu wissen, wie sie sich auf für, dass es Personen, die sich zu ihresgleichen
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gleichgeschlechtliche Beziehungen auswirkt, hingezogen fühlen, in ihrer Gesamtheit eine
insbesondere auf die Mitgliedschaft in Grup- geringere reproduktive Fitness haben als He-
pen mit sozialer Macht. terosexuelle. Schließlich bleiben auch viele Bonobo-Weibchen rei-
Damit bin ich zurück bei meinem Aus- Menschen, die ausschließlich heterosexuell le- o ben oft ihre Geschlechts-
gangsproblem: dem Rätsel der Homosexuali- ben, kinderlos. teile aneinander (unten). Bei
tät. Bruce Bagemihl, ehemals Linguist und Worin liegt also der evolutionäre Nutzen ihnen scheint H
Kognitionsforscher an der Universität von der Homosexualität? Er ist vielfältig – ähnlich als Eintrittskarte zu den ein-
British Columbia in Vancouver, hat in seinem dem unserer Fähigkeit zu sprechen. Durch flussreichen Zirkeln zu fungie-
Buch »Biological Exuberance: Animal Homo- gleichgeschlechtlichen Verkehr lassen sich ren. Ein solches Dazugehörig-
sexuality and Natural Diversity« (»Biologi- Freude und Vergnügen mitteilen. Außerdem keitsmerkmal ist wohl auch der
scher Luxus: Homosexualität und Diversität kann Homosexualität, wie wir gesehen haben, Pseudo-Penis der weiblichen
im Tierreich«) mehr als dreihundert Wirbel- ein Dazugehörigkeitsmerkmal sein, das in Ge- T pfelh (oben).
tierarten zusammengetragen, bei denen es re- meinschaften Zugang zu sozialen Gruppen
gelmäßig zum Genitalkontakt zwischen Ver- verschafft. In der Evolution entsteht sie, wie
tretern desselben Geschlechts kommt. Bei ich meine, immer dann, wenn es zwei gleich-
manchen Spezies wie den Bonobos sind ho- geschlechtlichen Partnern Vorteile bringt, sich
mosexuelle Paarungen genauso häufig wie he- zusammenzutun: etwa um ihr Überleben zu
terosexuelle. Bei anderen machen sie dagegen sichern, Partner zur Fortpflanzung zu finden
nur ein bis zehn Prozent aller Geschlechtsakte oder den Nachwuchs zu beschützen.
aus. Teils ist auch nur eines der beiden Ge- So unterschiedlich wie die Tierarten und
schlechter homosexuell aktiv. Manche gleich- Geschlechter sind die Spielarten der gleich-
geschlechtlichen Sexualkontakte sind an jah- geschlechtlichen Kooperation. Den Bonobo-
relange Beziehungen geknüpft, andere an Weibchen garantiert sie Geborgenheit in der
kurzlebige Bündnisse. Die weite Verbreitung Gruppe und die Nahrung, um ihren Nach- Joan Roughgarden
der Homosexualität unter Wirbeltieren – so- wuchs durchzubringen. Männlichen Steppen- lehrt Biologie an der
fern sie überhaupt genetisch bedingt ist – pavianen und wohl teils auch Walen verhilft Standford Universi-
tät in Kalifornien. Im
spricht jedenfalls dafür, dass es sich nicht um sie zu den Verbündeten, die sie brauchen, um
AUTORIN
KAZUHIKO SANO
WEITERE THEMEN IM MÄRZ Ein übersehenes
genetisches Programm
100 Jahre Relativitätstheorie Im angeblichen DNA-Schrott verber-
In seinem »Annus mirabilis« legte gen sich Informationen, die vermut-
Einstein 1905 die Grundlagen der lich erst die Entwicklung komplexer
Quantenmechanik und der Theorie der Lebewesen bis hin zum Menschen
Raumzeit. Eine Serie von Interviews zu
LENNART NILSSON
ermöglichten
dem Jubiläum soll zeigen, was aus
seinen Ideen heute geworden ist
ALFRED T. KAMAJIAN
Wirbel im Kosmos
Ob Quasare, Galaxien oder junge
MADD COLLINS Sterne – sie alle enthalten ein
grundlegendes Strukturelement:
Spiralen, in denen Materie um ein
Massezentrum rotiert. Wie erklärt
Droht ein Klimaumsturz? sich ihre Allgegenwart?
Offenbar existieren Schwellenwerte,
bei deren Überschreiten das Klima
kippt und einen völlig anderen Zustand
annimmt. In der Vergangenheit sind
solche dram