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Springer-Lehrbuch

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Beate Karges
Norbert Wagner
Hrsg.

Pädiatrie in 5 Tagen
2., überarbeitete Auflage

Mit 96 Tabellen
Herausgeber
Beate Karges Norbert Wagner
Sektion Endokrinologie und Diabetologie Klinik für Kinder- und Jugendmedizin
Universitätsklinikum Aachen, RWTH Aachen Universitätsklinikum Aachen, RWTH Aachen
Aachen Aachen
Deutschland
und
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin
BETHLEHEM Gesundheitszentrum
Stolberg, Akadem. Lehrkrankenhaus der
RWTH Aachen
Stolberg
Deutschland

ISBN 978-3-662-52812-9   ISBN 978-3-662-52813-6 (eBook)


DOI 10.1007/978-3-662-52813-6
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V

Vorwort zur 2. Auflage

„Pädiatrie … in 5 Tagen“ richtet sich an alle, die das klinische Fach Kinder- und Jugend-
medizin in kurzer Zeit systematisch, knapp und trotzdem detailliert wiederholen wollen
oder müssen.

Das Buch ermöglicht einen schnellen Überblick über alle klinisch relevanten Bereiche der
Pädiatrie, die jeweils von Fachexperten einheitlich zusammengefasst wurden. „Pädiatrie
… in 5 Tagen“ eignet sich für Medizinstudenten zur Vorbereitung auf das M2 Examen und
Studierende im Praktischen Jahr, aber auch für Ärzte in einem pädiatrischen Rotationsjahr
während der allgemeinmedizinischen Ausbildung oder alle diejenigen, die ihr Grundwis-
sen nach dem Studium für die tägliche Praxis aktualisieren möchten.

In der zweiten Auflage von „Pädiatrie … in 5 Tagen“ wurden alle Kapitel überarbeitet und
aktualisiert. Unser Dank gilt allen Autoren, die mit ihrem Engagement und Fachwissen
die Neuauflage des Buches ermöglicht haben. Auch die Diskussionen und Anregungen
von Seiten der Studierenden haben wesentlich zur Weiterentwicklung dieses Buches bei-
getragen. Schließlich möchten wir den Mitarbeitern des Springer-Verlages für die gute
Zusammenarbeit danken.

Wir wünschen Ihnen eine erfolgreiche Prüfungsvorbereitung.

Aachen, im Sommer 2016


B. Karges und N. Wagner
VII

Die Herausgeber

Professor Dr. med. Beate Karges


Studium der Medizin an der RWTH Aachen sowie den Universitäten Wien und Bern.
1990 Promotion an der RWTH Aachen. Pädiatrische Facharztausbildung an der
Vestischen Kinderklinik Datteln, seit 1997 Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin.
1999–2001 Forschungsstipendiatin der Europäischen Gesellschaft für Pädiatrische
Endokrinologie am INSERM U135 Paris, Frankreich. 2002–2008 Universitätsklinik
für Kinder- und Jugendmedizin Ulm, Stipendiatin der Deutschen Gesellschaft für
Kinder- und Jugendmedizin, 2004 Habilitation für Pädiatrie, 2007 Ernennung zur
außerplanmäßigen Professorin. 2008–2009 Klinik für Kinder- und Jugendmedizin,
RWTH Aachen, Lehrprogramme EndoClinic, PJ Mentoring, Repetitorium Pädiatrie.
Seit 2009 Oberärztin in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin Bethlehem
Krankenhaus Stolberg sowie Projektkoordinatorin im BMBF Kompetenznetz
Diabetes, Deutsches Zentrum für Diabetesforschung, Sektion Endokrinologie und
Diabetologie, RWTH Aachen. 2006 Dietrich-Knorr-Wissenschaftspreis der Deutschen
Gesellschaft für Endokrinologie. 2006 Lehrpreis der Medizinischen Fakultät der
Universität Ulm. 2014 Bürger-Büsing-Wissenschaftspreis der Deutschen Diabetes
Gesellschaft. Wissenschaftliche Arbeitsgebiete: Pädiatrische Endokrinologie und
Diabetologie.

Professor Dr. med. Norbert Wagner


1959 geboren. Studium der Medizin in München, Aachen und Bonn.
1986 Promotion in der Neurophysiologie. 1985–1991 Assistenzarzt an der
Universitätskinderklinik Bonn. 1991 Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin.
1991–1993 Research Associate am Dana Farber-Cancer Institute, Harvard Medical
School, Boston. 1993–1996 Stipendiat des BMBF am Institut für Genetik, Universität
zu Köln. 1996 Habilitation. 1996–2000 Oberarzt der Universitätskinderklinik
Bonn. 2000–2006 Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Klinikum
Dortmund. 2002 Apl. Professur Universität Bonn. Zusatzweiterbildungen:
Kindergastroenterologie, Kinderrheumatologie, Infektiologie. 2006 Ruf auf die
Professur für Allgemeine Pädiatrie der RWTH Aachen. Seit 2007 Direktor der Klinik
für Kinder- und Jugendmedizin der RWTH Aachen. 2010–2015 Vizepräsident
und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin. 1997
Bennigsen-Foerder-Preis des Landes NRW. Wissenschaftliche Arbeitsgebiete:
Migration von Immunzellen, Mukosa assoziierte Immunität.
IX

Inhaltsverzeichnis

1 Tag 1: Wachstum und Entwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1


B. Karges
1.1 Kriterien der Beurteilung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
1.1.1 Perzentilen und Definitionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
1.1.2 Psychomotorische Entwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.2 Ernährung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.2.1 Säuglingsernährung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.2.2 Vitamin K und D, Fluorid- und Jodidsubstitution. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
1.3 Krankheitsfrüherkennung und -prävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
1.3.1 Neugeborenen-Screening . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
1.3.2 Vorsorgeuntersuchungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

2 Tag 1: Neonatologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
T. Orlikowsky
2.1 Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
2.2 Versorgung des Neugeborenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
2.2.1 Postnatale Adaptation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
2.2.2 Erstversorgung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
2.2.3 Reanimation des Risikokindes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
2.2.4 Geburtstraumata. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
2.2.5 Asphyxie (Pulslosigkeit). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
2.3 Erkrankungen des Frühgeborenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
2.3.1 Atemnotsyndrom („respiratory distress syndrome“, RDS). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
2.3.2 Persistierender Ductus arteriosus (PDA). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
2.3.3 Hirnblutungen (intrazerebrale Hämorrhagien, ICH) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
2.3.4 Periventrikuläre Leukomalazie (PVL). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
2.3.5 Apnoen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
2.3.6 Retinopathia praematurorum (ROP). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
2.3.7 Bronchopulmonale Dysplasie (BPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
2.3.8 Psychomotorische Retardierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
2.4 Neonatale Lungenerkrankungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
2.4.1 Mekoniumaspirationssyndrom (MAS). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
2.4.2 Transitorische Tachypnoe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
2.4.3 Pneumothorax. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
2.4.4 Lungenhypoplasie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
2.4.5 Zwerchfellhernie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
2.4.6 Persistierende pulmonale Hypertension des Neugeborenen (PPHN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
2.4.7 Neonatale Pneumonie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
2.5 Neonatale Bluterkrankungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
2.5.1 Hyperbilirubinämie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
2.5.2 Morbus haemolyticus neonatorum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
2.5.3 Anämie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
2.5.4 Polyglobulie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
X Inhaltsverzeichnis

2.5.5 Morbus haemorrhagicus neonatorum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42


2.5.6 Thrombozytopenie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
2.6 Neonatale Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
2.6.1 Gastroschisis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
2.6.2 Omphalozele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
2.6.3 Nekrotisierende Enterokolitis (NEC). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
2.6.4 Mekoniumileus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
2.7 Metabolische Störungen in der Neonatalzeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
2.7.1 Hypoglykämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
2.7.2 Hypokalzämie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
2.7.3 Neonatale Krampfanfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
2.8 Neonatale Infektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
2.8.1 Bakterielle Infektionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
2.8.2 Virale Infektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
2.8.3 Pilzinfektionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
2.9 Embryofetopathien nichtinfektiöser Genese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
2.9.1 Fetales Alkoholsyndrom (FAS). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
2.9.2 Drogenentzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

3 Tag 1: Genetische und metabolische Erkrankungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55


B. Karges
3.1 Chromosomale Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
3.1.1 Trisomie 21 (Down-Syndrom) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
3.1.2 Ullrich-Turner-Syndrom. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
3.1.3 Klinefelter-Syndrom. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
3.1.4 Syndrom des fragilen X-Chromosoms. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
3.1.5 Mikrodeletionssyndrome. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
3.2 Störungen des Aminosäurestoffwechsels. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
3.2.1 Phenylketonurie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
3.2.2 Tyrosinämien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
3.2.3 Störungen im Stoffwechsel verzweigtkettiger Aminosäuren und verwandte
Organoazidurien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
3.2.4 Andere Erkrankungen des Aminosäurestoffwechsels. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
3.2.5 Störungen des Harnstoffzyklus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
3.3 Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
3.3.1 Kongenitaler Hyperinsulinismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
3.3.2 Glykogenspeicherkrankheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
3.3.3 Störungen des Galaktosestoffwechsels. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
3.3.4 Störungen des Fruktosestoffwechsels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
3.4 Störungen des Fettstoffwechsels. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
3.4.1 Störungen im Fettsäuremetabolismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
3.4.2 Lipoproteinstoffwechselstörungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
3.5 Andere Stoffwechselerkrankungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
3.5.1 Lysosomale Speicherkrankheiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
3.5.2 Peroxisomale Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
XI
Inhaltsverzeichnis

4 Tag 2: Infektionskrankheiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
L. von Müller
4.1 Allgemeine Infektionslehre. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
4.2 Krankheitsbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
4.2.1 Sepsis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
4.2.2 Meningitis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
4.2.3 Pneumonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
4.2.4 Osteomyelitis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
4.2.5 Harnwegsinfektion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
4.2.6 Infektiöse Darmerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
4.3 Bakterielle Infektionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
4.3.1 Streptokokkeninfektionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
4.3.2 Staphylokokkeninfektionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
4.3.3 Meningokokkeninfektionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
4.3.4 Haemophilus-influenzae-Infektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
4.3.5 Diphtherie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112
4.3.6 Pertussis (Keuchhusten) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
4.3.7 Clostridien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
4.3.8 Salmonellose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
4.3.9 Shigellose (Ruhr). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
4.3.10 Escherichia-coli-Enteritis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
4.3.11 Lues/Syphilis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
4.3.12 Lyme-Borreliose. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
4.3.13 Tuberkulose. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
4.3.14 Chlamydien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
4.4 Virusinfektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
4.4.1 Masern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126
4.4.2 Mumps (Ziegenpeter, epidemische Parotitis). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
4.4.3 Röteln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
4.4.4 Herpes simplex. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128
4.4.5 Varizellen und Herpes Zoster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
4.4.6 Infektiöse Mononukleose. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130
4.4.7 Zytomegalievirus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
4.4.8 Exanthema subitum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132
4.4.9 Ringelröteln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132
4.4.10 Enterovirusinfektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133
4.4.11 Frühsommermeningoenzephalitis (FSME) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
4.4.12 Human-Immunodefizienz-Virus (HIV). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
4.4.13 Adenovirusinfektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
4.4.14 Influenza . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
4.4.15 Rotavirusinfektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138
4.4.16 Norovirusinfektionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138
4.5 Pilzinfektionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139
4.5.1 Dermatomykosen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139
4.5.2 Systemische Mykosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139
4.5.3 Nicht-infektöse Erkrankungen durch Pilze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140
XII Inhaltsverzeichnis

4.6 Erkrankungen durch Protozoen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140


4.6.1 Malaria . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140
4.6.2 Toxoplasma gondii. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141
4.6.3 Amöben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
4.7 Wurmerkrankungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
4.7.1 Nematoden (Rundwürmer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
4.7.2 Trematoden (Saugwürmer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
4.7.3 Zestoden (Bandwürmer). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144
4.8 Erkrankungen durch Arthropoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145
4.8.1 Pediculosis capitis (Kopflaus). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145
4.8.2 Skabies (Krätze). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145
4.9 Impfungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
4.9.1 Aktive Impfung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147
4.9.2 Passive Impfung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
4.9.3 Standardimpfungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
4.9.4 Reiseimpfungen/Indikationsimpfung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149

5 Tag 2: Erkrankungen des Respirationstraktes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151


K. Tenbrock
5.1 Angeborene Fehlbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
5.1.1 Choanalatresie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
5.1.2 Lippen-Kiefer-Gaumenspalten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
5.1.3 Fehlbildungen von Kehlkopf und Larynx. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
5.1.4 Primäre Ziliendyskinesie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
5.1.5 Lungensequestration. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
5.1.6 Zystische Malformation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
5.2 Infektiöse Erkrankungen des oberen Respirationstraktes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
5.2.1 Otitis media. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
5.2.2 Mastoiditis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158
5.2.3 Pharyngitis, Tonsillitis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159
5.2.4 Adenoide. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160
5.3 Infekte der unteren Atemwege. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
5.3.1 Pseudokrupp. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
5.3.2 Epiglottitis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162
5.3.3 Bronchitis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162
5.3.4 Pneumonien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
5.4 Obstruktive Lungenerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165
5.4.1 Bronchiolitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165
5.4.2 Obstruktive Bronchitis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166
5.4.3 Asthma bronchiale. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166
5.5 Mukoviszidose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168
5.6 Exogen-allergische Alveolitis (EAA). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
5.7 Fremdkörperaspiration. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
5.8 Pneumothorax . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
XIII
Inhaltsverzeichnis

6 Tag 3: Kardiologie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175


H. Hövels-Gürich, E. Mühler
6.1 Angeborene Herzfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176
6.1.1 Herzfehler mit primärem Links-rechts-Shunt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176
6.1.2 Ausflusstraktobstruktionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180
6.1.3 Zyanotische Vitien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183
6.1.4 Herzfehler mit Ductus-abhängiger Lungenperfusion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185
6.1.5 Herzfehler mit Ductus-abhängiger Systemperfusion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186
6.2 Entzündliche Herzerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187
6.2.1 Endokarditis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187
6.2.2 Myokarditis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188
6.2.3 Perikarditis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189
6.3 Kardiomyopathien (KMP). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190
6.3.1 Hypertrophe Kardiomyopathie (HCM). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190
6.3.2 Dilatative Kardiomyopathie (DCM) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
6.4 Elektrokardiogramm und Herzrhythmusstörungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
6.4.1 Besonderheiten des EKG im Kindesalter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
6.4.2 Herzrhythmusstörungen im Kindesalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
6.4.3 Tachykarde Herzrhythmusstörungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193
6.4.4 Bradykarde Herzrhythmusstörungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194
6.5 Herzinsuffizienz im Kindesalter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195
6.6 Akzidentelles Herzgeräusch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197

7 Tag 3: Hämatologie und Onkologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199


U. Kontny, E. Lassay, R. Mertens
7.1 Erkrankungen des Erythrozyten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201
7.1.1 Eisenmangelanämie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201
7.1.2 Megaloblastäre Anämie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202
7.1.3 Hypo- und aplastische Anämie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
7.1.4 Hämolytische Anämien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204
7.1.5 Hämoglobinopathien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207
7.2 Erkrankungen der Leukozyten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
7.2.1 Neutrozytopenien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
7.2.2 Granulozytenfunktionsstörung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211
7.3 Erkrankungen der Milz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212
7.3.1 Physiologische Bedeutung der Milz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212
7.3.2 Milzvergrößerung (Splenomegalie). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212
7.3.3 Fehlen der Milz (Asplenie). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212
7.4 Erkrankungen der Thrombozyten und Gerinnungsstörungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213
7.4.1 Immunthrombozytopenische Purpura (ITP). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213
7.4.2 Thrombozytopathien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214
7.4.3 Hämophilie A/Hämophilie B . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215
7.4.4 Von-Willebrand-Erkrankung (vWS). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216
7.4.5 Verbrauchskoagulopathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216
XIV Inhaltsverzeichnis

7.5 Leukämien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218


7.5.1 Akute lymphatische Leukämie (ALL). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218
7.5.2 Akute myeloische Leukämie (AML) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220
7.5.3 Chronisch myeloische Leukämie (CML) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222
7.5.4 Myelodysplastische Syndrome (MDS). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223
7.6 Histiozytosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224
7.6.1 Langerhans-Zell-Histiozytose. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224
7.6.2 Hämophagozytierende Lymphohistiozytose (HLH). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225
7.7 Maligne Lymphome. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226
7.7.1 Hodgkin Lymphom. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226
7.7.2 Non-Hodgkin-Lymphome (NHL). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228
7.8 Maligne solide Tumoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229
7.8.1 Neuroblastom. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229
7.8.2 Nephroblastom (Wilms-Tumor). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231
7.8.3 Rhabdomyosarkom. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233
7.8.4 Osteosarkom. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234
7.8.5 Ewing-Sarkom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235
7.8.6 Maligne Lebertumoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236
7.8.7 Retinoblastom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237
7.8.8 Keimzelltumoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238
7.9 Tumoren des Gehirns und des Spinalkanals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240
7.9.1 Astrozytome. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240
7.9.2 Primitive neuroektodermale Tumoren (PNET). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241
7.9.3 Kraniopharyngeom. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242
7.9.4 Ependymom. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243
7.9.5 Spinale Tumoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243

8 Tag 3: Rheumatologie und Immunologie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245


N. Wagner
8.1 Rheumatologie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246
8.1.1 Juvenile idiopathische Arthritis (JIA). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246
8.1.2 Kollagenosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247
8.1.3 Vaskulitiden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251
8.1.4 Reaktive Arthritis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254
8.1.5 Rheumatisches Fieber. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255
8.2 Angeborene Immundefekte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256
8.2.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256
8.2.2 Schwere kombinierte Immundefekte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258
8.2.3 X-chromosomal vererbte Agammaglobulinämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259
8.2.4 Wiskott-Aldrich-Syndrom. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260
8.2.5 Septische Granulomatose. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261

9 Tag 4: Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes und der Leber. . . . . . . . . . . . . . 263


T. Wenzl
9.1 Ösophaguserkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265
9.1.1 Ösophagusatresie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265
XV
Inhaltsverzeichnis

9.1.2 Gastroösophagealer Reflux (GÖR). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266


9.1.3 Hiatushernie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266
9.1.4 Achalasie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267
9.1.5 Ösophagitis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268
9.2 Magenerkrankungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268
9.2.1 Infantile hypertrophe Pylorusstenose. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268
9.2.2 Gastritis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269
9.3 Pankreaserkrankungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270
9.3.1 Pankreatitis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270
9.3.2 Exokrine Pankreasinsuffizienz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271
9.4 Darmerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271
9.4.1 Kongenitale Anomalien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271
9.4.2 Zöliakie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273
9.4.3 Laktosemalabsorption. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275
9.4.4 Chronisch entzündliche Darmerkrankungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275
9.4.5 Invagination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279
9.4.6 Obstipation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280
9.5 Erkrankungen der Leber und Gallenwege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281
9.5.1 Hyperbilirubinämie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281
9.5.2 Extrahepatische Gallengangatresie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281
9.5.3 Virushepatitis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282
9.5.4 Autoimmunhepatitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286
9.5.5 Leberzirrhose. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287
9.5.6 Morbus Wilson. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288
9.5.7 Akutes Leberversagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289

10 Tag 4: Nephrologie und Urogenitalerkrankungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291


C. Stollbrink-Peschgens
10.1 Fehlbildungen der Niere und ableitenden Harnwege. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292
10.1.1 Entwicklungsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292
10.2 Harnwegsinfektionen, Pyelonephritis, Hydronephrose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298
10.3 Glomeruläre Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300
10.3.1 IgA-Nephritis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300
10.3.2 Akute postinfektiöse Glomerulonephritis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301
10.3.3 Andere Glomerulonephritiden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302
10.3.4 Rezidivierende Hämaturie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303
10.3.5 Nephrotisches Syndrom. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304
10.4 Tubulointerstitielle Erkrankungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306
10.4.1 Tubulopathien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306
10.4.2 Tubulointerstitielle Nephritis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308
10.5 Niereninsuffizienz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308
10.5.1 Akutes Nierenversagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308
10.5.2 Chronisches Nierenversagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309
10.6 Arterielle Hypertonie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310
10.7 Fehlbildungen und Erkrankungen des äußeren Genitale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311
10.7.1 Krankheiten des männlichen Genitale. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311
10.7.2 Krankheiten des weiblichen Genitale. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316
XVI Inhaltsverzeichnis

11 Tag 4: Endokrinologie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319


B. Karges
11.1 Wachstumsstörungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321
11.1.1 Kleinwuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321
11.1.2 Hochwuchs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322
11.2 Störungen der Sexualentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324
11.2.1 Varianten/Störungen der Geschlechtsentwicklung (DSD). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324
11.2.2 Störungen der Pubertätsentwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325
11.3 Erkrankungen von Hypophyse und Hypothalamus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329
11.3.1 Hypophyseninsuffizienz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329
11.3.2 Diabetes insipidus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330
11.3.3 Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331
11.4 Schilddrüsenerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332
11.4.1 Angeborene Hypothyreose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332
11.4.2 Autoimmunthyreoiditis Hashimoto. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333
11.4.3 M. Basedow. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334
11.4.4 Schilddrüsentumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335
11.5 Erkrankungen des Kalzium-Phosphat-Stoffwechsels. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337
11.5.1 Hypoparathyreoidismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337
11.5.2 Hyperparathyreoidismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338
11.5.3 Rachitis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339
11.6 Erkrankungen der Nebenniere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341
11.6.1 Adrenogenitales Syndrom. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341
11.6.2 Nebennierenrindeninsuffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342
11.6.3 Hyperkortisolismus (Cushing-Syndrom) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344
11.6.4 Aldosteronsynthesestörungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345
11.6.5 Phäochromozytom und Paragangliom. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346
11.7 Diabetes mellitus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347
11.7.1 Typ 1 Diabetes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348
11.7.2 Typ 2 Diabetes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350
11.7.3 MODY . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352
11.8 Adipositas. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353

12 Tag 5: Neurologische Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355


M. Häusler
12.1 Störungen der kindlichen Entwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357
12.2 Fehlbildungen des Nervensystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358
12.2.1 Neuralrohrerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358
12.2.2 Migrationsstörungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359
12.2.3 Syringomyelie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359
12.2.4 Kraniosynostosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360
12.3 Zerebralparese – Folgen neonataler Hirnschädigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360
12.4 Hydrozephalus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361
12.4.1 Pseudotumor cerebri. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362
12.4.2 Hydrocephalus e vacuo. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362
12.5 Neurokutane Syndrome. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363
12.5.1 Neurofibromatose Typ 1. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363
XVII
Inhaltsverzeichnis

12.5.2 Neurofibromatose Typ 2. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364


12.5.3 Sturge-Weber Syndrom. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364
12.5.4 Tuberöse Sklerose. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365
12.6 Zerebrale Anfälle und Epilepsien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365
12.6.1 Übersicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365
12.6.2 Elektroenzephalographie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366
12.6.3 Exemplarische wichtige Anfallsleiden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368
12.6.4 Langzeittherapie der Epilepsie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371
12.7 Neuromuskuläre Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372
12.7.1 Muskeldystrophie Duchenne/Becker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374
12.7.2 Mitochondriale Myopathien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375
12.7.3 Myotone Dystrophie Curschmann-Steinert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376
12.7.4 Spinale Muskelatrophien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377
12.7.5 Hereditäre motorisch-sensorische Neuropathien (HMSN). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378
12.7.6 Guillain-Barré-Syndrom. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378
12.7.7 Spinozerebelläre Ataxie – Beispiel Friedreich-Ataxie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379
12.7.8 Myasthenia gravis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379
12.8 Vaskuläre ZNS-Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380
12.9 Bewegungsstörungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381
12.9.1 M. Wilson. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381
12.9.2 Tic-Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382
12.9.3 Spinozerebelläre Ataxie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382
12.10 Spezielle Erkrankungen des Kleinhirns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382
12.10.1 Ataxia telangiectasia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382
12.10.2 Dandy-Walker-Malformation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383
12.10.3 Zerebellitis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383
12.10.4 Pontozerebelläre Hypoplasie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384
12.11 Spezielle syndromale Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384
12.11.1 Rett-Syndrom. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384
12.11.2 Kaudales Regressionssyndrom. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385
12.11.3 CDG-Syndrom. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385
12.12 Autoimmunerkrankungen des ZNS. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386
12.12.1 Multiple Sklerose. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386
12.12.2 Akute transverse Myelitis (ATM) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387
12.12.3 Akut disseminierte Enzephalomyelitis (ADEM) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387
12.12.4 Opsoklonus-Myoklonus-Syndrom. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388
12.13 Besonderheiten kindlicher ZNS-Infektionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388
12.14 Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389
12.15 Kopfschmerzen im Kindes- und Jugendalter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390

13 Tag 5: Dermatologische Erkrankungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393


H. Ott, A. Reimer
13.1 Transiente Hautveränderungen im Neugeborenenalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394
13.1.1 Postnatale Desquamation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394
13.1.2 Erythema toxicum neonatorum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394
13.1.3 Miliaria . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394
13.1.4 Cutis marmorata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395
XVIII Inhaltsverzeichnis

13.1.5 Milien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395


13.2 Infektiöse Hauterkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396
13.2.1 Bakterielle Hautinfektionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396
13.2.2 Virale Infektionen der Haut. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397
13.2.3 Mollusca contagiosa. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399
13.2.4 Coxsackievirus-Infektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399
13.2.5 Fungale Infektionen der Haut. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400
13.2.6 Parasitäre Infektionen der Haut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400
13.3 Erythematosquamöse Erkrankungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400
13.3.1 Ekzeme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400
13.3.2 Psoriasis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405
13.4 Akne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407
13.4.1 Acne vulgaris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407

14 Tag 5: Notfälle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411


K. Heimann
14.1 Verbrennungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412
14.2 Ertrinkungsunfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412
14.3 Vergiftungen und Verätzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414
14.3.1 Vergiftungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414
14.3.2 Verätzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416
14.4 Schädel-Hirn-Trauma. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417
14.5 Kindesmisshandlung und Vernachlässigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418
14.6 Plötzlicher Kindstod und ALTE. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420
14.6.1 Plötzlicher Kindstod. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420
14.6.2 ALTE („apparent life threatening event“). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422
14.7 Reanimation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423

Serviceteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426
XIX

Autorenverzeichnis

Prof. Dr. med. Martin Häusler


Sektion Neuropädiatrie und Sozialpädiatrie
Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin
Universitätsklinikum Aachen, RWTH Aachen
Pauwelsstr. 30
52074 Aachen

Dr. med. Konrad Heimann


Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin
Universitätsklinikum Aachen, RWTH Aachen
Pauwelsstr. 30
52074 Aachen

Prof. Dr. Hedwig Hövels-Gürich


Universitätsklinik für Kinderkardiologie
Universitätsklinikum Aachen, RWTH Aachen
Pauwelsstr. 30
52074 Aachen

Prof. Dr. med. Beate Karges


Sektion Endokrinologie und Diabetologie
Universitätsklinikum Aachen, RWTH Aachen
Pauwelsstr. 30
52074 Aachen

Prof. Dr. med. Udo Kontny


Sektion Pädiatrische Hämatologie, Onkologie und Stammzelltransplantation
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin
Universitätsklinikum Aachen, RWTH Aachen
Pauwelsstr. 30
52074 Aachen

Dr. med. Elisabeth Lassay


Sektion Pädiatrische Hämatologie, Onkologie und Stammzelltransplantation
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin
Universitätsklinikum Aachen, RWTH Aachen
Pauwelsstr. 30
52074 Aachen
XX Autorenverzeichnis

Prof. Dr. med. Rolf Mertens


Sektion Pädiatrische Hämatologie, Onkologie und Stammzelltransplantation
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin
Universitätsklinikum Aachen, RWTH Aachen
Pauwelsstr. 30
52074 Aachen

Prof. Dr. med. Eberhard Mühler


Universitätsklinik für Kinderkardiologie
Universitätsklinikum Aachen, RWTH Aachen
Pauwelsstr. 30
52074 Aachen

Prof. Dr. med. Lutz von Müller


Institut für Labormedizin, Mikrobiologie und Hygiene (LMH)
Christophorus-Kliniken GmbH
Südring 41
48653 Coesfeld

Prof. Dr. med. Thorsten Orlikowsky


Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin
Sektion Neonatologie
Universitätsklinikum Aachen, RWTH Aachen
Pauwelsstr. 30
52074 Aachen

PD Dr. med. Hagen Ott


Kinder- und Jugend Krankenhaus AUF DER BULT
Abteilung für Pädiatrische Dermatologie und Allergologie
Janusz-Korczak-Allee 12
30173 Hannover

Dr. med. Antonia Reimer


Klinik für Dermatologie und Venerologie
Universitätsklinikum Freiburg
Hauptstraße 7
79104 Freiburg im Breisgau

Dr. med. Claudia Stollbrink-Peschgens


Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin
Universitätsklinikum Aachen, RWTH Aachen
Pauwelsstr. 30
52074 Aachen

Prof. Dr. med. Klaus Tenbrock


Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin
Universitätsklinikum Aachen, RWTH Aachen
Pauwelsstr. 30
52074 Aachen
XXI
Autorenverzeichnis

Prof. Dr. med. Norbert Wagner


Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin
Universitätsklinikum Aachen, RWTH Aachen
Pauwelsstr. 30
52074 Aachen

Prof. Dr. med. Tobias Wenzl


Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin
Universitätsklinikum Aachen, RWTH Aachen
Pauwelsstr. 30
52074 Aachen
1 1

Tag 1: Wachstum und


Entwicklung
B. Karges

1.1 Kriterien der Beurteilung – 2


1.1.1 Perzentilen und Definitionen – 2
1.1.2 Psychomotorische Entwicklung – 3

1.2 Ernährung – 3
1.2.1 Säuglingsernährung – 3
1.2.2 Vitamin K und D, Fluorid- und Jodidsubstitution – 6

1.3 Krankheitsfrüherkennung und -prävention – 8


1.3.1 Neugeborenen-Screening – 8
1.3.2 Vorsorgeuntersuchungen – 10

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2017


B. Karges, N. Wagner (Hrsg.), Pädiatrie in 5 Tagen, Springer-Lehrbuch,
DOI 10.1007/978-3-662-52813-6_1
2 Kapitel 1 · Tag 1: Wachstum und Entwicklung

1.1 Kriterien der Beurteilung


1
1.1.1 Perzentilen und Definitionen

55 Perzentilenkurven erfassen die interindividuelle Variabilität eines


Entwicklungsmerkmals (z. B. für Körperlänge und Gewicht in
Abhängigkeit vom Alter):
44Die Verteilung eines Merkmals in der Normalpopulation wird
beschrieben:
–– 50. Perzentile entspricht Median (Durchschnitt)
–– 3. und 97. Perzentile entsprechen zweifacher Standardab-
weichung (−2 SD bzw. +2 SD)
–– 3. und 97. Perzentile sind als Grenzen des Normalen
definiert (nicht zwangsläufig pathologisch, da 6 % der
Normalbevölkerung außerhalb dieser Werte)
55 alters- und geschlechtsspezifische Perzentilenkurven dienen der
Dokumentation, Interpretation und Verlaufsbeurteilung eines
Entwicklungs- oder Wachstumsmerkmals:
44perzentilenparalleler Verlauf (normal) oder Schneiden
der Perzentilen nach oben/unten (abnormal)
44Berechnung des SDS (standard deviation score) erlaubt
exakte Definition der (Größen-) Abweichung und Vergleich
unabhängig von Alter und Geschlecht
44SDS = (gemessene Größe minus altersbezogene mittlere
Größe)/altersbezogene SD
44±2SDS entspricht dem Normbereich (3.–97. Perzentile)
55 Standard-Perzentilenkurven existieren z. B. für Körperlänge,
-gewicht, Kopfumfang, Body-Mass-Index (BMI, kg/m2),
Wachstumsgeschwindigkeit
55 spezifische Perzentilenkurven für Kinder unterschiedlicher ethni-
scher Abstammung (z. B. türkisch, asiatisch, afrikanisch), sowie
für spezielle Erkrankungen (z. B. Turner-Syndrom)

z Definitionen
! Cave Definitionen im Kindes- 55 Kleinwuchs: Körperlänge <3. Perzentile
und Jugendalter unterscheiden 55 Hochwuchs: Körperlänge >97. Perzentile
sich teilweise von Erwachsenen! 55 Adipositas: Body-Mass-Index (BMI, kg/m2) >97. Perzentile
55 Übergewicht: BMI zwischen 90. und 97. Perzentile
55 Untergewicht: BMI <3. Perzentile oder Körpergewicht
<3. Perzentile
55 Mikrozephalie: Kopfumfang <3. Perzentile
55 Makrozephalie: Kopfumfang >97. Perzentile
55 arterielle Hypertonie: systolischer und/oder diastolischer
arterieller Blutdruck >95. Perzentile

. Tabelle 1.1
1.2 · Ernährung
3 1

. Tab. 1.1  Normale Gewichts- und Längenentwicklung gesunder Kinder


(orientierend)

Alter Gewicht Länge

Bei Geburt ca. 3.400 g 50 cm


4 Monate (×2) ca. 6.800 g 64 cm
1 Jahr (×3) ca. 10 kg 75 cm
6 Jahre (×6) ca. 20 kg 116 cm
12 Jahre (×12) ca. 40 kg 150 cm

1.1.2 Psychomotorische Entwicklung

55 Perzentilen für Meilensteine der Entwicklung geben an, in


welchem Alter 25 %, 50 %, 75 %, 90 % der Kinder eine
bestimmte Fähigkeit (z. B. freies Gehen) erreicht haben
(. Tab. 1.2)
55 Screening-Instrument (z. B. Denver-Test oder Bayley Scales of
Infant Development) überprüft Entwicklungsbereiche Sozial-
kontakt, Sprache, Fein- und Grobmotorik im Verhältnis zur
normalen Variation
55 hohe intra- und interindividuelle Variabilität der frühkindlichen
Entwicklung, die innerhalb der Teilbereiche stark variieren kann
(z. B. Sprache weiter entwickelt als Grobmotorik)

1.2 Ernährung

1.2.1 Säuglingsernährung

55 postnataler Gewichtsverlust bis 10 % des Körpergewichts ist bei


gutem Allgemeinzustand physiologisch, im Alter von 10 Tagen
soll Geburtsgewicht wieder erreicht sein
55 mittlere wöchentliche Gewichtszunahme beim gesunden
Säugling: 1. Trimenon: 200 g, 2. Trimenon: 150 g, 3. Trimenon:
100 g, 4. Trimenon: 75 g

. Tabelle 1.3

z Muttermilch
55 ideale Ernährungsform für Säuglinge in ersten Lebensmonaten > Memo Ausschließliches Stillen
55 Stillen fördert Oxytocinsekretion → schnellere Uterusrückbildung ist bis 4.–6. Lebensmonat sinnvoll.
nach Geburt
55 Formen der Muttermilch:
4 Kapitel 1 · Tag 1: Wachstum und Entwicklung

1 . Tab. 1.2  Meilensteine der psychomotorischen Entwicklung (90 % der gesunden Kinder haben zu diesem
Zeitpunkt den Entwicklungsschritt erreicht), adaptiert an Denver-Entwicklungsskalen

Sozialer Kontakt Erwidert Lächeln 1–2 Monate


Fremdelt 8 Monate
Trinkt aus Tasse 15 Monate
Wäscht und trocknet sich die Hände 24 Monate
Zieht sich unter Anleitung an 3¾ Jahre
Zieht sich ohne Anleitung an 4¾ Jahre
Feinmotorik Folgt mit Augen zur Mittellinie 2 Monate
Greift nach Spielzeug (z. B. Würfel) 6 Monate
Ergreift kleine Objekte (z. B. Rosinen) 8 Monate
Baut Turm aus 4 Klötzen 21 Monate
Baut Turm aus 8 Klötzen 3 Jahre
Malt Kreis nach 4 Jahre
Sprache Lacht und „quietscht“ 4 Monate
Imitiert Sprachlaute 13 Monate
Sagt Papa oder Mama gerichtet 15 Monate
Kombiniert 2 Wörter sinnvoll 2½ Jahre
Grobmotorik Hält im Sitzen Kopf gerade 4 Monate
Sitzt ohne Hilfe 9 Monate
Läuft allein 16 Monate
Geht Treppe hinauf 21 Monate
Fährt Dreirad 3 Jahre
Hüpft auf einem Bein 4¾ Jahre

44Kolostrum (bis ca. 4. Lebenstag):


–– hoher Proteingehalt (mindestens 50 % sekretorisches IgA)
–– reich an Makrophagen, Granulozyten, Lymphozyten,
hoher Gehalt antiinfektiöser Komponenten (z. B. Lysozym,
Laktoferrin) → hochwertige immunologische Funktion
–– niedriger Energiegehalt (56 kcal/100 ml)
44reife Frauenmilch (ca. ab 3. Woche):
–– höherer Energiegehalt (68 kcal/100 ml)
–– höherer Fett- (3,8 g/100 ml) und Kohlenhydratanteil
(7,0 g/100 ml)
–– niedriger Proteingehalt (1,0 g/100 ml)
55 Vorteile der Muttermilchernährung:
44Proteingehalt↓, angepasst an Enzymausstattung des Säuglings,
Caseinanteil nur 40 %
44Kohlenhydratanteil↑, Laktose/Oligosaccharide → Wachstum
intestinaler Bifidusbakterien
1.2 · Ernährung
5 1

. Tab. 1.3  Empfehlungen für die altersabhängige tägliche


Nährstoffzufuhr (Deutsche Gesellschaft für Ernährung)

Alter Wasser (ml/kg) Eiweiß (g/kg) Kcal/kg

Bis 3. Monat 130 2,7/2,0/1,5a 92


4.–12. Monat 110 1,2 90
1.–4. Jahr  95 1,0 85
4.–7. Jahr  75 0,9 80
7.–10. Jahr  60 0,9 70
10.–13. Jahr  50 0,9 60
13.–18. Jahr  40 0,9 50

a 0–1/1–2/2–4 Monate

44essenzielle Fettsäuren → wichtig für Entwicklung von ZNS,


Retina
44Lipase verbessert Fettresorption
44Infektionsschutz u. a. durch Immunglobuline (vermitteln
passiven Schutz im Intestinaltrakt)
55 Nachteile des Stillens:
44Vitamin D und K nicht ausreichend → müssen substituiert
werden
44potenziell Infektionsübertragung von Mutter auf Neugebo-
renes (z. B. Hepatitis, CMV, HIV)
44potenziell Anreicherung von lipophilen Pestiziden und
Industrieschadstoffen
44Belastung des Kindes bei Medikamenten-, Drogen-, Nikotin-,
Alkoholabusus der Mutter
44bei vegetarischer Ernährung der Mutter → Vitamin B12-,
Folsäure-, Eisenmangel beim Kind

z Industriell hergestellte Säuglingsmilch


55 hochwertige Säuglingsmilchnahrung für nicht gestillte Neuge- ! Cave Neigung zu Überfütterung
borene und Säuglinge (Gewichtskontrolle!).
55 „Pre“-Nahrungen: höchste Anpassung an Muttermilch:
44Laktose als einziges Kohlenhydrat
44für Neugeborene und Zufütterung zur Muttermilch
55 „1“-Nahrungen: enthält Laktose und Polysaccharide:
44längere Sättigung durch sämige Beschaffenheit
44Caseinanteil wie in Kuhmilch (60 %)
44nicht geeignet für Neugeborene, erst ab 6. Lebenswoche
empfohlen
55 Folge-„2“-Nahrungen: aus Kuhmilch oder Sojaeiweiß hergestellt:
44höherer Protein- und Energiegehalt
44günstige Nährstoffversorgung (Eisen)
6 Kapitel 1 · Tag 1: Wachstum und Entwicklung

44ab dem 5. Lebensmonat


1 55 Säuglingsnahrung auf Sojabasis: nur bei besonderer Indikation
z. B. Galaktosämie
55 hypoallergene „H.A.“-Nahrungen:
44allergenreduziert durch Eiweißhydrolysate
44indiziert bei Kindern mit familiärer Allergiebelastung, wenn
Stillen nicht möglich
55 hochgradige Eiweißhydrolysat-Nahrungen:
44indiziert bei Malabsorptionssyndromen,
Kuhmilcheiweißallergie
44nicht zur Allergieprävention gesunder Säuglinge, sehr teuer,
schmeckt bitter

z Beikost
55 ab 5. Lebensmonat, spätestens ab 7. Lebensmonat schrittweise
eine Milchmahlzeit ersetzen
55 Beginn mit Gemüse-Kartoffel-Fleisch-Brei → führt u. a. Ballast-
stoffe, Eisen, Zink, Vitamine zu
55 ab dem 6. Monat zusätzlich Milch-Getreide Brei → führt Mineral-
stoffe (v. a. Kalzium) zu
55 nach einem weiteren Monat ergänzend Getreide-Obst-Brei
(milchfrei, proteinarm)
55 gegen Ende des 1. Lebensjahres schrittweiser Übergang auf
Familienernährung

1.2.2 Vitamin K und D, Fluorid- und


Jodidsubstitution

z Vitamin K
55 wirkt bei Umwandlung der Gerinnungsproteinvorstufen in aktive
Metabolite: Vitamin K abhängige Gerinnungsfaktoren sind
Faktoren II, VII, IX, X, Proteine C und S
55 wegen geringer Plazentapassage und niedrigem Gehalt in
Muttermilch → Gefahr der Vitamin K-Mangelblutung (z. B.
Hirnblutung), besonders im Alter von 3–12 Wochen

. Tabelle 1.4

z Vitamin D
! Cave in Deutschland 55 biologische Funktionen:
Sonnenbestrahlung von 44Kalziumresorption in Darm und Niere
Oktober bis März zur Vitamin 44renale Phosphatresorption
D-Bildung in der Haut ineffektiv. 44Osteoidmineralisation durch Erhöhung des
Kalzium-Phosphat-Produktes
44hemmt Freisetzung von Parathormon
44Immunregulation, Zelldifferenzierung
1.2 · Ernährung
7 1

. Tab. 1.4  Empfehlung zur Vitamin K-Zufuhr (Deutsche Gesellschaft für


Kinder- und Jugendmedizin)

Dosis Zeitpunkt

2 mg Vitamin K oral – 1. Lebenstag (U1) und


(z. B. 2 Tropfen Konakion®) – 2.–7. Lebenstag (U2) und
– 4.–6. Lebenswoche (U3)

Bei Resorptionsrisiko i.m. oder s.c. Gabe (1 mg für Reifgeborene, 0,2 mg/kg
für Frühgeborene mit Geburtsgewicht <1.500 g)

55 Tagesbedarf an Vitamin D (Vitamin D3 und D2):


44Säuglinge ca. 400–500 IE
44ältere Kinder ca. 400–600 IE
44Frühgeborene ca. 800–1.000 IE
55 Vitamin D Quellen:
44Vitamin D-Gehalt/l: Muttermilch 12–60 IE, industrielle > Memo Bei chronischen
Säuglingsnahrung 400–500 IE Erkrankungen mit
44Eigensynthese über Sonnenlichtexposition (290–310 nm) in Haut verminderter enteraler Vitamin
55 Risiko für Vitamin D Mangel-Rachitis: D-Aufnahme (M. Crohn,
44reine Muttermilchernährung zystische Fibrose), gestörter
44vegetarische Ernährung ohne adäquate Kalzium-, Vitamin D Vitamin D-Synthese (Leber-,
und Fettzusätze Niereninsuffizienz) oder erhöhter
44Kinder im 2. Lebensjahr, die keine Vitamin D-angereicherte Vitamin D-Metabolisierung
Milch mehr erhalten (Antiepileptika) auf ausreichende
44dunkle Hautpigmentierung Vitamin D-Substitution achten!
44limitierte Sonnenlichtexposition
44Tragen besonders bedeckender Kleidung > Memo Säuglinge/Kleinkinder in
55 generelle Prophylaxe des Vitamin D-Mangels durch zusätzliche den ersten beiden Lebensjahren
Zufuhr von Vitamin D (. Tab. 1.5) erhalten Fluorid 0,25 mg/d
gemeinsam mit der Vitamin
D-Substitution (z. B. Fluor-
z Fluorid Vigantolette®, D-Fluorette®). Ältere
55 Fluoridsupplemente wirken topisch und systemisch zur Kinder können durch Verwendung
Kariesprävention fluoridierten Speisesalzes
55 fluoridiertes Speisesalz im Haushalt empfohlen ausreichend Fluorid erhalten.
55 Verwendung fluoridhaltiger Zahnpasta (erbsgroße Menge) ab
3.Lebensjahr (Zahnpasta nicht verschlucken sondern ausspucken ! Cave Chronische
→ Vermeiden einer systemischen Fluoridwirkung) Fluoridüberdosierung
55 Kariesprophylaxe generell durch (>0,1 mg/kg/d, besonders im
44Ernährungslenkung (Reduktion der Zuckerimpulse, keine Alter von 2–8 Jahren) führt
„Dauer-Nuckelflasche“) zur Fluorose der bleibenden
44Mundhygiene (tägliche Plaqueentfernung) Zähne mit Zahnschmelzflecken
44Fluoridnutzung nach Fluoridanamnese (Nahrung, Trink- (Dentalfluorose). Bei
wasser, Supplemente, Zahnpasta) Trinkwasserfluorid >0,7 mg/l
44regelmäßige zahnärztliche Untersuchung und Beratung kein fluoridiertes Speisesalz
(zahnärztlicher Kinderpass) verwenden!
8 Kapitel 1 · Tag 1: Wachstum und Entwicklung

1 . Tab. 1.5  Empfehlung zur Vitamin D-Zufuhr (Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin)

Vitamin D3 Dosis pro Tag als Tablette Zeitpunkt

400–500 IE 1. Lebensjahr (ab Ende 1. Lebenswoche) und Wintermonate des


2. Lebensjahres
bei unzureichender Sonnenlichtexposition gesamtes Kindes- und
Jugendalter, vor allem in Wintermonaten
800–1.000 IE bei Frühgeborenen mit Bis Geburtstermin, danach wie oben
Geburtsgewicht <1.500 g

z Jodid
55 Jodaufnahme in Deutschland seit Verwendung von jodiertem
Speisesalz deutlich verbessert
55 aktuell noch Jodmangel bei Schulkindern (schwer in 7 %,
moderat in 9 %, leicht in 24 %)
55 Jodmangel: Risiko für Hypothyreose, Struma, Schilddrüsen-
knoten und funktionelle Autonomie

. Tabelle 1.6

55 Jodsubstitution
44gestillte Säuglinge → Gabe von 200 µg Jodid/Tag an die Mutter
44nicht gestillte Säuglinge → adaptierte Milch mit Zusatz von 5 µg
Jodid/100 ml
44ältere Kinder: evtl. 50 µg Jodid/Tag, ab Pubertät evtl. 100 µg
Jodid/Tag zusätzlich, wenn ausreichende Versorgung über
Nahrung durch Verzehr von Fisch, Milch und Verwendung
von Jodsalz nicht möglich

1.3 Krankheitsfrüherkennung und


-prävention

1.3.1 Neugeborenen-Screening

! Cave Nichterkennen führt 55 allgemeine Ziele: vollständige, frühzeitige Erkennung therapeu-


zu vermeidbarer irreversibler tisch relevanter Erkrankungen
Schädigung des Patienten. 44Testung aller Neugeborener
44Sicherstellung eines adäquaten Therapiebeginns
44Folgebehinderungen sollen möglichst gering gehalten
werden
55 Bestandteil des Leistungskatalogs der gesetzlichen
Krankenkassen
55 Grundlage der Durchführung der Untersuchungen ist die Richt-
linie des gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) der Ärzte und
Krankenkassen in der aktuell gültigen Fassung
1.3 · Krankheitsfrüherkennung und -prävention
9 1

. Tab. 1.6  Empfehlungen zur täglichen Jodzufuhr (Deutsche Gesellschaft


für Ernährung)

Alter Dosis (µg/d)

Säuglinge 50–80
Kinder 1–10 Jahre 100–140
Kinder 10–13 Jahre 180
Jugendliche 13–18 Jahre 200
Stillende/Schwangere: 200–250 µg/d

z Angeborene Stoffwechselerkrankungen und


Endokrinopathien
55 untersuchte Zielerkrankungen > Memo Positives Ergebnis
44Hypothyreose im Neugeborenen-Screening
44Adrenogenitales Syndrom bedeutet Verdacht auf Erkrankung
44Galaktosämie → Diagnose umgehend durch
44Phenylketonurie und Hyperphenylalaninämie unabhängige Methoden
44Biotinidasemangel überprüfen → bei Bestätigung
44Ahornsirupkrankheit adäquate Therapie ohne zeitliche
44Störung der Fettsäureoxidation (MCAD-, LCHAD-, Verzögerung beginnen.
VLCAD-Mangel)
44Carnitinzyklusdefekte
44Glutarazidurie Typ 1
44Isovalerianazidämie
55 Durchführung
44Aufklärung und Einwilligung der Eltern
44Blutentnahme am 3. Lebenstag (36.–72. Lebensstunde)
44Auftropfen auf Spezialfilterpapierkarte
44Versand am Tag der Blutentnahme an Screeninglabor
44unabhängig vom Lebensalter sollte eine Blutentnahme für das
Screening erfolgen
–– vor Entlassung bzw. Verlegung in andere Institution
–– vor Transfusion
–– vor Gabe von Kortikosteroiden oder Dopamin
44bei Frühgeborenen <32. SSW oder Erstscreening <36. Lebens-
stunde → Zweitscreening

z Angeborene Hörstörungen
55 Häufigkeit: 1–2:1.000 Neugeborene ! Cave Genetisch bedingte
55 ohne Intervention bleibende Entwicklungsstörung (Sprache, Hörstörungen können sich erst
Intellekt, sozial, emotional) später zeigen → bei klinischem
55 Methoden: transitorisch evozierte otoakustische Emissionen Verdacht auf Hörstörung
(TEOAE) und/oder akustisch evozierte Hirnstammpotenziale spezifische Diagnostik
(AABR) an beiden Ohren wiederholen.
55 erkennt beidseitige Hörstörungen ab Hörverlust von 35 dB
10 Kapitel 1 · Tag 1: Wachstum und Entwicklung

55 Untersuchung am 2.–3. Lebenstag


1 44bei auffälligem Befund → Kontroll-AABR innerhalb von
10 Tagen
44bei auffälligem Befund in Kontroll-AABR → pädaudiologische
Konfirmationsdiagnostik bis 12. Lebenswoche
44vor Ende des 3. Lebensmonats soll Hörstörung sicher nachge-
wiesen/ausgeschlossen sein
44bei permanentem Hörverlust Therapiebeginn vor Ende des 6.
Monats

z Hüftgelenksdysplasie
55 angeborene Dysplasie der Hüfte bei 3 % der Neugeborenen,
Mädchen:Jungen = 5:1
55 Untersuchung bei U3 (4.–5. Lebenswoche), bei vorhandenen
Risikofaktoren (Geburt aus Beckenendlage, positiver Familien-
anamnese, Fußstellungsanomalie, Abspreizhemmung der Hüfte,
Instabilität des Hüftgelenks) bei U2 (3.–10. Lebenstag)
55 standardisierte Hüftsonographie nach Graf
44morphologische Beschreibung von knöchernem Pfannen-
erker, Hüftgelenkspfanne, knorpeligem Erker und Position des
Hüftgelenkkopfes; Bestimmung des Pfannendachwinkels α
(normal >60°) auf jeder Gelenkseite und des Knorpeldach-
winkels β (normal <55°)
–– Typ I (reif)
–– II a–c (reifungsverzögert)
–– III a–b (subluxiert)
–– IV (luxiert)
55 Therapie so früh wie möglich, spätestens in 6. Lebenswoche
44Spreizhosenbehandlung ab Typ IIc, falls keine Hüftkopfre-
position nach 3 Wochen →
44Overheadextension und Ruhigstellung im Gips, bei
Therapieversagen →
44manuelle oder operative Reposition mit anschließender
Gipsbehandlung
44mögliche Komplikation: Hüftkopfnekrose in 5–10 %
55 bei rechtzeitiger Behandlung normale Hüftgelenksentwicklung in
>90 % der betroffenen Kinder

1.3.2 Vorsorgeuntersuchungen

55 Ziel des Vorsorgeprogramms: Früherkennung von Erkran-


kungen, die die normale körperliche und geistige Entwicklung
des Kindes gefährden
55 jede Vorsorgeuntersuchung (U für Kinder/J für Jugendliche)
beinhaltet eine ausführliche Anamnese und komplette körper-
liche Untersuchung des Kindes mit Überprüfung spezifischer
Fragestellungen
1.3 · Krankheitsfrüherkennung und -prävention
11 1
55 Dokumentation im „gelben Heft“: Gewicht, Körperlänge,
Kopfumfang und ggf. pathologische Befunde mit Veranlassung
diagnostischer und therapeutischer Konsequenzen
55 Teil des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenkassen
(Ausnahme: U10, U11, J2 werden noch nicht von allen Kranken-
kassen übernommen)
55 Grundlage der Durchführung der Untersuchungen ist die Richt-
linie des gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) der Ärzte und
Krankenkassen in der aktuell gültigen Fassung

z Empfohlene Vorsorgeuntersuchungen im Kindes- und


Jugendalter
55 U1 Neugeborenen-Erstuntersuchung (direkt nach der
Geburt)
44Anamnese von Schwangerschaft und Geburt
44Vitalzustand des Kindes beurteilen (APGAR-Schema) und
Nabelschnur-pH-Wert bestimmen
44Reifegrad beurteilen
44Ausschluss von Geburtsverletzungen, Fehlbildungen,
Absaugen von verschlucktem Fruchtwasser überprüft, ob
Nase, Ösophagus frei durchgängig
44Vitamin K 2 mg oral
55 U2 Neugeborenen-Untersuchung (3.–10. Lebenstag)
44Neugeborenen-Screening bzgl. Stoffwechselerkrankung,
Hörstörung, evtl. Hüftsonographie
44Vitamin K 2 mg oral
44Vitamin D-, Fluor-, Jodprophylaxe erklären
55 U3 (4.–5. Lebenswoche)
44Gewichtszunahme mindestens 150 g/Woche, Trinkmenge ca.
15 % des Körpergewichtes
44lautiert, reagiert auf laute Geräusche, reaktives Lächeln, fixiert/
verfolgt Gegenstände
44hält Kopf einige Sekunden in schwebender Bauchlage,
Überprüfung der Primitivreflexe (. Tab. 1.7)
44Vitamin K 2 mg oral
44Hüftsonographie
55 U4 (3.–4. Lebensmonat)
44Muskeltonus/Koordination: Hände in Mittellinie zusammen-
führen, Kopfkontrolle bei Traktion
44Überprüfen des Sehens (Fixieren von Gegenständen/
Personen)
44Überprüfen des Hörens (Rassel, klatschen), lautiert (juchzt,
quietscht und brabbelt)
44Ernährungsberatung
44erste Impfungen (Diphtherie, Tetanus, Pertussis (DTaP),
Hämophilus influenzae Typ b (Hib), Poliomyelitis (IPV),
Hepatitis B, Pneumokokken) empfehlen, Rotavirus Schluck-
impfung ab 7. Lebenswoche
12 Kapitel 1 · Tag 1: Wachstum und Entwicklung

1 . Tab. 1.7  Primitivreaktionen im ersten Lebensjahr

Primitivreflex Ablauf Normaler Zeitraum

Saugreflex Berühren der Lippen → Saugen Bis 3. Lebensmonat


Oraler Suchreflex Berühren der Wange → Mundöffnen und Bis 3. Lebensmonat
Kopfhinwendung
Handgreifreflex Bestreichen der Handinnenfläche → Fingerbeugung Bis 6. Lebensmonat
Fußgreifreflex Bestreichen der Fußsohle → Zehenbeugung Bis 11. Lebensmonat
Moro-Reaktion Erschütterung der Unterlage/rasches Senken des Bis 3.–6. Lebensmonat
Kindes aus Rückenlage → Streckung + Abduktion
dann Beugung + Adduktion der Arme und Spreizen
der Finger
Galant-Reflex Bestreichen des Rückens seitlich der Wirbelsäule → bis 3.–6. Lebensmonat
konkave Wirbelsäulenflexion
Asymmetrisch tonischer Seitwärtsdrehung des Kopfes → Streckung von Arm bis 6. Lebensmonat
Nackenreflex und Bein auf Gesichtsseite, Beugung von Arm und
Bein auf Hinterkopfseite: Fechterstellung
Symmetrisch tonischer Kopfbeugung → Beugung der Arme, Streckung bis 6. Lebensmonat
Nackenreflex der Beine; Kopfstreckung → Streckung der Arme,
Beugung der Beine

Beurteilt wird der normale Ablauf, die Symmetrie und das zeitgerechte Persistieren der Primitivreflexe

55 U5 (6.–7. Lebensmonat)
44psychomotorische Entwicklung beurteilen: Kopfkontrolle
vollendet, dreht sich von Rücken auf Bauch, symmetrische
Abstützreaktion mit geöffneten Händen, gezieltes Greifen
44Blickkontakt, Strabismus überprüfen
44Reaktion auf akustische Reize, stimmhaftes Lachen
44nach Vitamin D-, Fluor- und Jodprophylaxe fragen, zweite
Impfungen (s. o.)
55 U6 (10.–12. Lebensmonat)
44Körperkoordination: sitzt frei mit geradem Rücken und
gestreckten Beinen, kann mit Unterstützung stehen,
Pinzettengriff
44Sinnes- und Sprachentwicklung: Silbenverdopplung, Reaktion
auf leise Geräusche, fremdelt
44Ernährungsberatung, Zahnpflege besprechen
44bei Strabismus → augenärztliche Untersuchung
44bei Verdacht auf Hörstörung differenzierte Diagnostik
veranlassen
44Impfstatus überprüfen
55 U7 (21.–24. Lebensmonat)
44Motorik: freies Vor-/Rückwärtsgehen, schnelles Laufen,
Treppensteigen, Aufrichten aus Hocke
44Skelettdeformitäten erkennen und Zahnstatus erfassen
1.3 · Krankheitsfrüherkennung und -prävention
13 1
44befolgt Aufforderungen, kann auf Körperteile zeigen, spricht
Zweiwortsätze, kennt 10 Wörter
44Frage nach Miktionsstörungen, Verhaltensauffälligkeiten (z. B.
Schlafstörung), Fieberkrämpfen
44Vitamin D-, Fluor- und Jodprophylaxe besprechen, Impfstatus
überprüfen
55 U7a (34.–36. Lebensmonat, 3 Jahre)
44Frage nach Krampfanfällen, Miktionsstörungen, gehäuften
Infektionen
44Erkennen/Behandeln von allergischen Erkrankungen
44Erfassen von Sprachentwicklungs-, Verhaltensstörungen
44Erkennen/Behandeln von Zahn-, Mund-, Kieferanomalien
44Primärprävention von Unfällen, Gewalt
44Beratung über Ernährung, Zahnpflege, Impfungen,
UV-Schutz
55 U8 (46.–48. Lebensmonat, 4 Jahre)
44Erfassen von Verhaltensauffälligkeiten (z. B. Enuresis,
Enkopresis, Trotzreaktionen, Konzentrationsschwierigkeiten,
Schlafstörungen, Aggressivität, Stereotypien)
44Sprachstörungen (z. B. Stottern, Dyslalie, Dysarthrie, kein
Sprechen in „Ich“-Form)
44Sehprüfung (Testgerät, Tafeln)
44Hörprüfung (Audiometer, Tympanometrie)
44neurologische Untersuchung
44Kindergartenfähigkeit besprechen
44Urinuntersuchung mit Teststreifen, Blutdruck messen
55 U9 (60.–64. Lebensmonat, 5 Jahre)
44Frage nach Infektionen, Sprachstörungen, Verhaltensauffällig-
keiten oder Ungeschicklichkeit
44Überprüfung der Motorik: Einbeinhüpfen, Seiltänzergang,
grobe Kraft, Körperhaltung, Hand-Augen Koordination,
Nachzeichnen von Kreis, Dreieck, Quadrat, Bild malen
lassen
44Sehprüfung (Testgerät, Tafeln) und Benennung von
Bildern
44Hörprüfung
44Schulreife besprechen
44Vitamin D-, Fluor-, Jodprophylaxe besprechen, Impfstatus
überprüfen
44Urinuntersuchung (Teststreifen), Blutdruck messen
55 U10 (7–8 Jahre)
44Erfassen umschriebener Entwicklungsstörungen z. B. Lese-
Rechtschreib-Schwäche, Rechenstörung, gestörte motorische
Entwicklung, Verhaltensstörung
44Primärprävention bzgl. Unfälle, Gewalt, Umgang mit Sucht-
mitteln in der Familie, Bewegungs-/Sportförderung, Aller-
gieprävention, Beratung über Ernährung, Medien, Schule,
UV-Schutz
14 Kapitel 1 · Tag 1: Wachstum und Entwicklung

55 U11 (9–10 Jahre)


1 44Erkennen/Behandeln von Schulleistungsstörungen, Sozia-
lisations-/Verhaltensstörungen, gesundheitsschädigendem
Medienverhalten
44Zahn-, Mund-, Kieferanomalien
44Primärprävention 7 U10
55 J1 (12–14 Jahre)
44chronische Erkrankungen u. a. Hautprobleme, orthopädische
Erkrankungen
44psychischen Belastungen u. a. Schule, Familie
44Essstörungen z. B. Magersucht, Übergewicht
44Beurteilung der Pubertätsentwicklung
44Urinuntersuchung, Cholesterinbestimmung im Serum,
Blutdruckmessung
44Impfstatus überprüfen
44sexualhygienische Fragen besprechen
44Umgang mit Suchtmitteln (Drogen, Rauchen) besprechen
55 J2 (16–17 Jahre)
44Erkennen von Pubertäts-, Sexualitäts-, Sozialisations-,
Verhaltensstörungen
44Struma
44Diabetesrisiko
44Haltungsstörungen
44Primärprävention 7 U10
44Sexualität (Antikonzeption, HIV)
44Berufsberatung
15 2

Tag 1: Neonatologie
T. Orlikowsky

2.1 Definitionen – 17

2.2 Versorgung des Neugeborenen – 17


2.2.1 Postnatale Adaptation – 17
2.2.2 Erstversorgung – 19
2.2.3 Reanimation des Risikokindes – 20
2.2.4 Geburtstraumata – 22
2.2.5 Asphyxie (Pulslosigkeit) – 23

2.3 Erkrankungen des Frühgeborenen – 24


2.3.1 Atemnotsyndrom („respiratory distress syndrome“, RDS) – 25
2.3.2 Persistierender Ductus arteriosus (PDA) – 26
2.3.3 Hirnblutungen (intrazerebrale Hämorrhagien, ICH) – 28
2.3.4 Periventrikuläre Leukomalazie (PVL) – 29
2.3.5 Apnoen – 30
2.3.6 Retinopathia praematurorum (ROP) – 31
2.3.7 Bronchopulmonale Dysplasie (BPD) – 31
2.3.8 Psychomotorische Retardierung – 32

2.4 Neonatale Lungenerkrankungen – 33


2.4.1 Mekoniumaspirationssyndrom (MAS) – 33
2.4.2 Transitorische Tachypnoe – 34
2.4.3 Pneumothorax – 34
2.4.4 Lungenhypoplasie – 35
2.4.5 Zwerchfellhernie – 35
2.4.6 Persistierende pulmonale Hypertension des Neugeborenen
(PPHN) – 36
2.4.7 Neonatale Pneumonie – 37

2.5 Neonatale Bluterkrankungen – 37

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2017


B. Karges, N. Wagner (Hrsg.), Pädiatrie in 5 Tagen, Springer-Lehrbuch,
DOI 10.1007/978-3-662-52813-6_2
2.5.1 Hyperbilirubinämie – 37
2.5.2 Morbus haemolyticus neonatorum – 39
2.5.3 Anämie – 40
2.5.4 Polyglobulie – 41
2.5.5 Morbus haemorrhagicus neonatorum – 42
2.5.6 Thrombozytopenie – 43

2.6 Neonatale Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts – 43


2.6.1 Gastroschisis – 43
2.6.2 Omphalozele – 44
2.6.3 Nekrotisierende Enterokolitis (NEC) – 45
2.6.4 Mekoniumileus – 46

2.7 Metabolische Störungen in der Neonatalzeit – 47


2.7.1 Hypoglykämie – 47
2.7.2 Hypokalzämie – 48
2.7.3 Neonatale Krampfanfälle – 48

2.8 Neonatale Infektionen – 49


2.8.1 Bakterielle Infektionen – 49
2.8.2 Virale Infektionen – 51
2.8.3 Pilzinfektionen – 51

2.9 Embryofetopathien nichtinfektiöser Genese – 52


2.9.1 Fetales Alkoholsyndrom (FAS) – 52
2.9.2 Drogenentzug – 53
2.2 · Versorgung des Neugeborenen
17 2
2.1 Definitionen

Maßeinheit Zeit (. Tab. 2.1) und Maßeinheit Gewicht (. Tab. 2.2).

2.2 Versorgung des Neugeborenen

2.2.1 Postnatale Adaptation

z Kardiorespiration
55 pränatal
44Gasaustausch transplazentar; Alveolen flüssigkeits-
gefüllt, Sättigung ca 65 %, flache Atmung ohne relevanten
Flüssigkeitstransport
44Parallelschaltung rechter und linker Kreislauf: Foramen
ovale (sauerstoffreich, v. a. zerebrale Durchblutung) + Ductus
arteriosus → 90 % rechtsventrikuläres Schlagvolumen in den
linken Kreislauf
55 postnatal
44Serienschaltung rechter und linker Kreislauf: Kräftige Atmung
(Chemorezeptoren) + Sympathikusaktivität (Kälte, Stimu-
lation, Licht, Schwerkraft)
44Druckanstieg im linken Kreislauf → verringerter Shunt über
Foramen ovale + Shunt-Umkehr im Duktus → Anstieg Sauer-
stoffpartialdruck → Absinken pulmonaler Gefäßwiderstand
44funktioneller Duktusverschluss (beim gesunden Termingebo-
renen nach den ersten Atemzügen)
55 normale Atemfrequenz 40–60/min; Herzfrequenz ca. 120/min

z Temperaturregulation
55 pränatal keine eigene Wärmeproduktion
55 postnatal Wärmeverlust durch Strahlung, Konvektion,
Verdunstung
44Ziel: thermoneutrale Zone → geringster Energieaufwand, um
Kerntemperatur aufrechtzuerhalten
44umgekehrt proportional zu Gestationsalter und Gewicht > Memo Neugeborene frieren
zitterfrei.
z Energiebedarf
55 pränatal Energieversorgung kontinuierlich über Plazenta
55 nach Durchtrennung Nabelschnur → Deckung durch Glykogen
(kleine Speicher) und braunes Fettgewebe (mitochondrienreich)

z Verdauung und Ausscheidung


55 pränatale Urinproduktion wichtig für Lungenreifung, insbe- ! Cave reduzierte Kompensation
sondere Alveolarisierung bei respiratorischer Azidose, bei
55 postnatal spätestens nach 24 h Anurie rasche Hyperkaliämie mit
44anfangs eingeschränkte renale Konzentrations- und Rhythmusstörungen.
Filtrationsleistung
18 Kapitel 2 · Tag 1: Neonatologie

. Tab. 2.1  Maßeinheit Zeit

Gestationsalter Schwangerschaftsdauer vom 1. Tag der


2 letzten Menstruation

Reifes Neugeborenes 37 0/7–42 0/7 SSW (260–293 Tage)


Frühgeborenes <37 0/7 SSW (<260 Tage)
Übertragenes Neugeborenes >42 0/7 SSW (>293 Tage)
Neonatalperiode Erste 28 Lebenstage

. Tab. 2.2  Maßeinheit Gewicht

Normalgewichtiges (eutrophes) 10. Perzentile ≤ Gewicht ≤ 90.


Neugeborenes Perzentile
(„appropriate for gestational age“, AGA)
Untergewichtiges (hypotrophes) Gewicht <10. Perzentile
Neugeborenes
(„small for gestational age“, SGA)
Übergewichtiges (hypertrophes) Gewicht >90. Perzentile
Neugeborenes
(„large for gestational age“, LGA)
Sehr kleines Frühgeborenes („very Geburtsgewicht <1.500 g
low birth weight“, VLBW)
Extrem kleines Frühgeborenes Geburtsgewicht <1.000 g
(„extremely low birth weight“, ELBW)

! Cave 55 Mekonium = „Kindspech“: Epithelien + Lanugo + Darmsekret +


Mekoniumaspirationssyndrom, eingedickte Galle
MAS. 44Absetzen nicht pränatal
44postnatal spätestens nach 48 h
44nach einigen Tagen „Übergangs-Muttermilchstühle“: rasche
Besiedelung des Dickdarmes (Bifidusbakterien, E. coli,
Kommensalen)
44optimale Zusammensetzung: Muttermilch: langsame
Steigerung, bis koordinierte Peristaltik entwickelt

z Erythropoese
55 intrauterin ab 8. Embryonalwoche: fetales Hämoglobin
44erhöhte Sauerstoffaffinität, Halbwertszeit ca. 80 Tage, wird
abgebaut und postnatal adultes Hämoglobin (Halbwertszeit ca.
120 Tage) gebildet
> Memo bei Neugeborenen nur 44Trimenonreduktion: physiologisch mit Nadir im 3.
„intelligente“ Blutentnahmen Lebensmonat
mit minimalen Volumina. 44beim Frühgeborenen/kranken Neugeborenen → Anämie
2.2 · Versorgung des Neugeborenen
19 2

. Tab. 2.3  Perinatale Kenngrößen

Perinatale Kenngrößen Störung Mögliche Ursachen

Fruchtwassermenge Oligo-/Anhydramnion Blasensprung, Pottersequenz, Plazentainsuffizienz


Polyhydramnion Ösophagusatresie, Darmstenosen, Akinesie
Farbe/Beschaffenheit Grün Mekoniumaspiration, intrauterine Stresssituation
Blutig Plazentalösung
Übelriechend Amnioninfektionssyndrom
CTG Tachykardie Amnioninfektionssyndrom
Bradykardie Notfall mit Sauerstoffschuld
Nabelarterien-pH Azidose Nabelschnurumschlingung, Asphyxie
Geburtsgewicht Hypotrophie Plazentainsuffizienz, HELLP-Syndrom, Virusinfektion,
Drogen-/Nikotinabusus, Syndrome
Hypertrophie Maternaler Typ I /Gestationsdiabetes
Kopfumfang Makrozephalie Familiär, Hydrozephalus, Hirnfehlbildung
Mikrozephalie Pränatale Infektionen, Syndrome, maternale
Phenylkenonurie

2.2.2 Erstversorgung

z Anamnese (Mutter und Schwangerschaft)


55 Grunderkrankungen (u. a. Lupus erythematodes: Rhythmus-
störungen, AV-Block)
55 frühere Schwangerschaften (u. a. Fehl- Frühgeburten, Infektionen)
55 aktuelle Diabetes-, Infektionsanamnese (Vorsorgeheft, Hepatitis-/
TORCH-Serologie)
55 Blutgruppe (kindliches Risiko AB0-, Rh-Inkompatibilität)
55 Medikamenten-/Drogenkonsum (kindliche Überwachung,
Stillen, Entzug)
55 Probleme (Blutungen, HELLP-Syndrom, Mehrlinge, Daten
pränatale Sonographie) (. Tab. 2.3)
55 Apgar-Score (1952 Anästhesistin Virginia Apgar): Punkteschema
zur standardisierten Beurteilung (1, 5, 10 min) klinischer Zustand
und Effekt von Reanimationsmaßnahmen bei (v. a. reifen)
Neugeborenen (. Tab. 2.4)
55 höchster prädiktiver Wert hinsichtlich Spätschäden nach 5 min
55 7–10 Punkte = normal, <7 immer verdächtig → Einleitung
entsprechender Maßnahmen bzw. Überwachung

z Untersuchung
55 gute Bedingungen
55 Licht (Beurteilung Hautkolorit)
20 Kapitel 2 · Tag 1: Neonatologie

. Tab. 2.4  APGAR-Schema

Kriterium 0 Punkte 1 Punkt 2 Punkte


2 Herzfrequenz Kein Herzschlag <100/min ≥100/min
Atemantrieb Kein Unregelmäßig Regelmäßig
Reflexe Keine Grimassieren Kräftiges Schreien
Muskeltonus Schlaff Leichte Beugung Aktive Bewegung
Hautfarbe Blau, blass Stamm rosig, Extremitäten blau Gesamter Körper rosig

55 Wärme (thermoneutral)
55 Neugeborenes satt (gestillt) und unbekleidet
55 Zeitpunkt
55 obligat U1 ≤ 24 Lebensstunden
55 U2 3.–10. Lebenstag
55 U3 am Ende der Neonatalperiode (4.–6. Woche) →
Früherkennung + Prävention
55 Ablauf: Funduskopie/Auskultation (angewärmtes Stethoskop)
zuerst, danach komplette körperliche Untersuchung und neuro-
logische Einschätzung in Anwesenheit der Eltern (. Tab. 2.5)
55 Nomogramm: Größe, Gewicht, frontookzipitaler Kopfumfang
(Stahlband frontookzipital anlegen und bis zum größten Wert
schieben)
55 Screening: behandelbare Stoffwechselerkrankungen (Trocken-
blutkarte: Massentandemspektroskopie), Hüftsonographie
(Dysplasie), Hörscreening (Otoakustische Emissionen: Innen-
ohrschwerhörigkeit 1–2:1.000)
55 neurologische Beurteilung: Muskeltonus (leichte Beugung),
Spontanmotorik (symmetrisch), Reflexmuster (Auswahl): Saug-,
Einstellreflex, Greifreflexe, Schreitreflex, asymmetrisch-tonischer
Nackenreflex, Recoil (Arme federn in Beugehaltung zurück),
Moro-Reflex (2 Phasen) (. Tab. 2.6)
! Cave Somatische Reifezeichen 55 weitere somatische Reifezeichen: Verteilung und Stärke Lanugo-
versagen vor der 26. SSW. behaarung, Haltung der Extremitäten, Fusion der Augenlider,
Finger-/Fußnagelwachstum
55 reife Kinder gründlich abtrocknen, in neues Handtuch,
Hautkontakt mit Mutter, zudecken und auf die
Wöchnerinnenstation

2.2.3 Reanimation des Risikokindes

55 Voraussetzungen
44Identifikation ideal vor Geburt; intrauterine Verlegung in ein
Perinatalzentrum
44ausreichend vorhandenes und qualifiziertes Personal; regel-
mäßiges Teambriefing
2.2 · Versorgung des Neugeborenen
21 2

. Tab. 2.5  Einige Kriterien der körperlichen Untersuchung

Kriterium Wichtige Befunde

Hautfarbe Rosig: Physiologisch


Blau: persistierende pulmonale Hypertonie des Neugeborenen (PPHN), Vitium cordis, Asphyxie,
Azidose, Schock
Weiß: Anämie, Azidose, Schock
Rot: Polyglobulie, Hyperviskositätssyndrom, Zustand nach. Geschrei
Gelb: Icterus praecox, gravis, prolongatus
Grün: Mekoniumaspiration
Marmoriert: Infektion, „da stimmt was nicht“
Petechien: Stauung (Geburt); Thrombozytopenie, Sepsis
Hautbeschaffenheit Übertragungszeichen (Waschfrauenhände), Turgor, Hautfältelung, Unterhautdicke
Lokale Milien (harmlos), Hämangiome (Dermatolog. Konsil, meist Spontanremission; „wait and see“),
Hautbefunde Exanthema toxicum neonatorum (harmlos, Besiedelung obere Hautschichten mit Bakterien),
Naevus flammeus, Staphylodermie (Staphylococcus aureus, gefährlich)
Schädel Mikro-/Makrozephalus (Perzentilen)
Fontanellengröße/-spannung, Kopfform, Symmetrie
Augen Pupillenweite, Fundusreflexe (Katarakt)
Nabel Anzahl Nabelgefäße, Omphalitis (Eintrittspforte)
Genitale Hydrozele, Hodendeszension, Hypospadie
Hymenalatresie, Vaginalpolypen
Wirbelsäule Durchgängigkeit der Wirbelkörper (Spina bifida), Steißgrübchen

. Tab. 2.6  Somatische Reifezeichen (Petrussa-Index): Gestationsalter (in Wochen) = 30 SSW + erreichte Punkte

Petrussa-Index 0 1 2

Ohrknorpel und -form Weich, ohne Form Helix oben umgeschlagen Fest, Helix völlig
umgeschlagen
Haut Rot, dünn, ohne subcutanes Rot oder ödematös Rosig
fett, ödematös
Brustwarze Punktförmig Areola <5 mm Areola ≥5 mm
Testes Inguinal Oberes Skrotalfach Im Skrotum
Labia maiora <Labia minora =Labia minora >Labia minora

44funktionierendes Equipment
44richtige Maßnahmen: gute Vorbereitung, wenig
Spontanimprovisation
55 Equipment: Reanimationsplatz mit Wärmelampe, Sauer-
stoffflasche, funktionierender elektrischer Absaugpumpe mit
Sogbegrenzung, Sauerstoffsättigungs-Monitoring, Beatmungs-
beutel mit Masken verschiedener Größen, Intubationsbesteck,
Tubus, ausgewählte Medikamente, ggf. Notfall-Blutkonserve
(Blutgruppe Null, Rhesus-negativ, bestrahlt)
22 Kapitel 2 · Tag 1: Neonatologie

55 Wärmezufuhr: Strahler anschalten, Abtrocknen, neues Handtuch,


Zudecken, Warmhalten, Durchzug vermeiden, Zeit notieren.
Danach falls indiziert ABCD:
2 44Atemwege freimachen: Absaugen (Mund vor Nase, zügig, kein
„Stochern“), Auskultation: Belüftung, Herzfrequenz >100/min,
keine Ateminsuffizienz → Aufhören
44Beatmen: bei Ateminsuffizienz Blähbeatmung mit Maske.
„Luft muss in die Lunge“, der Brustkorb muss sich heben.
Oft initial CPAP mit 21 % O2 beginnen; wenn unter CPAP
Bradykardie <100/min und keine suffiziente Eigenatmung →
Intubation
44Cirkulation: Herzdruckmassage (bei Herzfrequenz <60/
min); Verhältnis Herzdruckmassage:Beatmungen = 3:1; unter
Beatmung; keine Pause
44Drugs: Suprarenin, Volumengaben evtl. über Nabelgefäß,
Schnellpufferung vermeiden (osmotisch induzierte
Hirnblutung)
55 Ziel: Stabilisierung von drei Säulen:
44Respiration (rasch Atemhilfe; nicht automatisch Sauerstoff)
44Zirkulation (Messung von Blutdruck, ggf. Gabe von
Volumen)
44Metabolismus (Messung von Blutzucker, Basenexzess)

2.2.4 Geburtstraumata

55 kindliche Schädigungen aufgrund mechanischer Einwirkungen.


44Risikofaktoren: traumatische Geburt, Missverhältnis mütter-
liches Becken/kindliche Größe, Mehrlinge, Makrosomie,
Lageanomalie, vorangegangene Schulterdystokie, operative
Entbindung (Vakuumextraktion, Zangenentbindung)
! Cave Kombinationen! 44Prävention: rechtzeitiges Erkennen, schonende geburts-
hilfliche Entwicklungsverfahren; gute Dokumentation; bei
Verdacht Nachbeobachtung durch Neonatologen (Forensik)
55 Schädel
44Caput succedaneum (Geburtsgeschwulst)
–– ödematös, teigig, weich, eindrückbar, nicht auf Schädelnähte
begrenzte Schwellung des vorangehenden Kopfteils (meist
Os parietale), überschreitet Mittellinie
–– Rückgang meist innerhalb einiger Tage
–– harmlos, keine Therapie
44Kephalhämatom
–– Scherblutung zwischen Knochen und Periost
–– 3 % aller Neugeborenen
–– prallelastische, fluktuierende Schwellung (meist ebenfalls Os
parietale), auf Knochennähte beschränkt
! Cave Superinfektion, –– Resorption in Wochen
Verknöcherung, Icterus praecox. –– meist keine Therapie
2.2 · Versorgung des Neugeborenen
23 2
44subgaleale Blutung
–– zwischen Galea und Kalotte
–– selten
–– ausgedehnt, aber mit großem Blutverlust (Schockzeichen)
–– Überprüfung des Gerinnungsstatus
55 Nerven
44obere Plexuslähmung (Typ Erb-Duchenne)
–– Wurzel C5 und C6 durch Zerrung/Druck bei Schulterent-
wicklung mit typischer Haltung: herabhängender Arm +
Adduktion + Innenrotation („waiter’s tip position“), dabei
Fingerbeweglichkeit, Greifreflex intakt
–– Plexus sonographisch darstellen
–– Therapie: Lagerung (Dessault- oder Gilchrist-Verband),
später Krankengymnastik, bei Ausrissen mikrochirurgisch
(selten)
44untere Plexuslähmung (Typ Klumpke)
–– Schädigung von C7, C8 (und Th1), schlaffe Lähmung der
kleinen Handmuskeln, typische Schonhaltung des Armes,
Greifreflex nicht vorhanden
–– ggf. operative Korrektur ! Cave Horner-Syndrom.
44Fazialisparese
–– periphere Lähmung durch Zerrung des N. facialis
–– häufigste Lähmung (0,5 %)
–– unvollständiger Lidschluss auf betroffener Seite, hängender
Mundwinkel, „Schreigesicht“
–– gute Prognose, meist schnelle Rückbildung
–– Differenzialdiagnose Kernaplasie (Kernspintomographie)
55 Knochen
44Klavikulafraktur
–– Schwellung, Schonhaltung (abgeschwächter Moro-Reflex),
Krepitation über (meist distaler) Klavikula
–– Diagnose meist bei Kallusbildung
–– Röntgen nicht notwendig, keine spezifische Therapie
44seltenere Traumata
44Impressionsfrakturen (Ping-Pong-Fraktur) → neurochirur-
gische Intervention
–– epidurale Blutung (A. meningea media, Sinusvenen)
→ Hirndruckzeichen, Notfall-CT, neurochirurgische
Intervention.
–– Epiphysiolysis humeri
–– Schaftfrakturen

2.2.5 Asphyxie (Pulslosigkeit)

55 Kreislaufversagen und Atemdepression bis -stillstand mit


Hypoxie von lebensnotwendigen Organen und Hyperkapnie.
Folge: Gemischte, (metabolische + respiratorische) Azidose
24 Kapitel 2 · Tag 1: Neonatologie

55 Schäden initial durch Ischämie, Zusammenbruch des zellulären


Energiestoffwechsels, O2-Radikale, toxische Metabolite. Reper-
fusionsphase → inflammatorische Hyperstimulation
2 55 drei Kategorien von Ursachen:
44vor Schwangerschaft: präexistente mütterliche Erkrankungen
44in Schwangerschaft: EPH-Gestose, Diabetes, Infektionen,
Blutgruppenunverträglichkeit
44peripartal: Uterusruptur, -lösung, Nabelschnurvorfall, -abriss
55 Formen
44Asphyxia livida: Zyanose, Schnappatmung
44Asphyxia pallida („weißer Scheintod“): prognostisch
ungünstig, hohe Wahrscheinlichkeit der neurologischen
Beeinträchtigung

z Klinik
55 APGAR-Werte <4, Apnoe, Bradykardie, Hypotonie,
Bewegungslosigkeit
55 blaues/weißes Kolorit
55 betroffene Organsysteme:
44Niere (Anurie)
44ZNS (hypoxisch-ischämische Enzephalopathie, HIE)
44Herz (Myokardischämie)
44Lunge (PPHN)
44Leber (Enzymerhöhung, Gerinnungsstörung)

z Therapie
55 Reanimation mit erfahrenem Team, bei Blutverlust sofortige
Transfusion mit Notfallkonserve
55 reifes Neugeborenes: kontrollierte Hypothermie (33 °C) durch
Kühlmatratze (Versuch Eingrenzung Reperfusionsschaden)
55 Überwachung (u. a. EEG), antikonvulsive Therapie bei Krämpfen,
Intensivstation
55 intensive langfristige Anbindung an Spezialambulanz und
Frühförderung

2.3 Erkrankungen des Frühgeborenen

55 Frühgeburten (ca. 7 % aller Geburten) in Deutschland eher


zunehmend:
44Überlebenswahrscheinlichkeit liegt ≥24. SSW ca. bei 60 % und
steigt mit Gestationsalter. Vor allem antenatale Lungenreife für
akutes Überleben entscheidend
44Hauptursachen: vorzeitige Wehen, Amnioninfektion,
! Cave Jungen, Mehrlinge und EPH-Gestose, HELLP-Syndrom, Drogen-/Nikotinabusus,
Frühgeborene mit zusätzlicher höheres mütterliches Alter, In-vitro-Fertilisation, Plazenta-
Bürde (Hypotrophie, Infektion lösung, Zervixinsuffizienz; neonatale Sterblichkeit wesentlich
etc.) besonders gefährdet! durch Mortalität der Frühgeborenen determiniert
2.3 · Erkrankungen des Frühgeborenen
25 2

. Tab. 2.7  Zusammenstellung wesentlicher Krankheitsbilder von Frühgeborenen

Organsystem Schädigung

Lunge Atemnotsyndrom (RDS, akut), bronchopulmonale Dysplasie (BPD, chronisch)


Herz/Gefäße Persistierende pulmonale Hypertension (PPHN), persistierender Duktus (PDA)
Gehirn Hirnblutungen, periventrikuläre Leukmalazie (PVL)
Atmung Apnoe-Bradykardie-Syndrom
Magen-Darm Mekoniumileus, nekrotisierende Enterokolitis (NEC)
Immunsystem Bakterielle Infektionen (u. a. nosokomial), Pilzinfektionen
Augen Retinopathia praematurorum (ROP)
Blutbildung Anämie
Stoffwechsel Hypoglykämie, Elektrolytimbalancen (Hyper-/Hyponatriämie)
Verhalten Psychomotorische Retardierung, Teilleistungsschwächen

55 Maßnahmen bei drohender Frühgeburt:


44frühzeitige Überweisung der Schwangeren in ein Perinatal-
zentrum (In-utero-Verlegung), dort interdisziplinäre
Einschätzung (Sonographie, Pränataldiagnostik, CTG-
Überwachung, ggf. andere Disziplinen)
44oberste Priorität: Vermeidung extremer Frühgeburtlichkeit
(ggf. Tokolyse, Bettruhe)
44Lungenreifung: antenatale Gabe von Glukokortikoiden
(Betamethason) über die Mutter 24 h antenatal → Anregung
fetale Surfactant-Bildung, deutliche Reduktion von Atemnot-
syndrom, bronchopulmonale Dysplasie, IVH
44konsequente antibiotische Therapie der Mutter bei
Infektionsverdacht
44Planung von Entbindungstermin/-modalität mit Neonato-
logen (. Tab. 2.7)

2.3.1 Atemnotsyndrom („respiratory distress


syndrome“, RDS)

55 bei ca. 60 % <30 SSW durch fehlende Surfactant-Bildung


55 bei Frühgeburten eine der häufigsten Todesursachen
55 35. SSW oder nach 48 Lebensstunden: Surfactant-Bildung
ausreichend
55 Surfactant = „surface active agent“
44Verschiedene Phospholipide (u. a. Lecithin = Dipalmitoyl-
phosphatidylcholin) + Apoproteine (u. a. immunologisch
wirksam); Surfactant-Produktion durch Typ II Pneumozyten
ab 24. SSW
26 Kapitel 2 · Tag 1: Neonatologie

44verhindert Alveolenkollaps, erleichtert Atemarbeit, stabilisiert


Alveolarsystem durch Reduktion Oberflächenspannung
44RDS bei Fehlen (Frühgeborene), gehemmter Produktion
2 (Asphyxie, mütterlicher Diabetes) und/oder sekundäre
Inaktivierung (Pneumonie, Mekoniumaspirationssyndrom,
Blutaspiration)
44RDS → Oberflächenspannung hoch → exspiratorischer
Alveolenkollaps + stark beeinträchtigter Gasaustausch →
diffuse Atelektasen + pulmonale Vasokonstriktion + alveoläre
Minderbelüftung → Azidose
44RDS → Triggerung inflammatorischer Prozesse → Umbauvor-
gänge (Fibrose) + Gefäß-Remodelling; langfristig → hyaline
Membranen (Mukopolysacharide und Glykoproteine)

z Klinik
55 Tachypnoe (Atemfrequenz >60/min)
55 Dyspnoe/Einsatz von Atemhilfsmuskulatur: Einziehungen
(sternal, jugulär, interkostal), Nasenflügeln, „Kopfwackel-
Zeichen“ (Kopf bewegt sich atemsynchron)
55 körpereigene Kompensationsmechanismen, um Alveolen
offenzuhalten (Auto-PEEP): exspiratorisches Stöhnen, Stridor,
„Knorksen“
55 systemische Zeichen: Hypothermie, abgeschwächtes Atemge-
räusch, blass-graues Hautkolorit, Zyanose

z Diagnostik
! Cave Klinischer und 55 Klinik + Röntgenbild (. Tab. 2.8)
radiologischer Schweregrad
können divergieren; u. U. z Differenzialdiagnose
schwerkrankes Frühgeborenes . Tabelle 2.9
mit relativ geringen
radiologischen Veränderungen. z Therapie
55 kontrollierte O2-Gabe
! Cave Retinopathia 55 „continuous positive airway pressure“ (CPAP) mit positiv
praematurorum, ROP. endexspiratorischem Druck (PEEP): „open up the lung and keep
it open“)
55 frühzeitige Surfactant-Gabe(n) bereits im Kreißsaal, rasche
! Cave akute Komplikationen: Extubation, lungenschonende Beatmungsverfahren
Emphysem, Pneumothorax,
Pneumomediastinum,
Hirnblutung, chronische 2.3.2 Persistierender Ductus arteriosus (PDA)
Komplikationen:
bronchopulmonale Dsyplasie, 55 postnatal fehlender anatomischer/funktioneller Verschluss des
Cor pulmonale. Ductus arteriosus Botalli
44Ursache: vasodilatatorischer Effekt erhöhter
Prostaglandin-E2-Spiegel:
2.3 · Erkrankungen des Frühgeborenen
27 2

. Tab. 2.8  Radiologische Einteilung des Atemnotsyndroms

Radiologisches Beschreibung
Stadium

I Feingranuläres Lungenmuster
II I + über die Herzkonturen hinausreichendes
Aerobronchogramm
III II + partielle Auslöschung Herz- und Zwerchfellkontur
IV Komplettverschattung („weiße Lunge“), keine
Abgrenzung von Herz-/Zwerchfell möglich

. Tab. 2.9  Differenzialdiagnosen des Atemnotsyndroms

Störung Patienten Charakteristika Häufigkeit

Surfactant-Mangel Frühgeborene s. o. Je unreifer, desto häufiger


Aspiration (Früh-)/Termingeborene Oft rasche Besserung Seltener
Flüssigkeitslunge Termingeborene, Sectio Besserung nach CPAP, Häufig
am wehenlosen Uterus uncharakteristische
radiologische
Veränderungen
Pneumonie Früh-/Termingeborene Infektionszeichen Häufig
Pneumothorax Früh-/Termingeborene Bradykardie trotz Selten bei
Reanimation Termingeborenen, bei
Frühgeborenen häufiger

44bei pulmonaler Hypertension zunächst Rechts-links-


Shunt (hoher pulmonaler Gefäßwiderstand), bei Abfall →
Shunt-Umkehr
44hämodynamische Wirksamkeit: Links-rechts-Shunt so
ausgeprägt, dass Kreislauf- und/oder Lungenfunktion
beeinträchtigt
44bei reifen Neugeborenen <1 %, bei Frühgeborenen
<26. SSW >50 %

z Klinik
55 Herzgeräusch: systolisch Crescendo + diastolisch Decrescendo, ! Cave Fehlendes Geräusch
p.m. 2. ICR links schließt PDA nicht aus!
55 hyperaktives Präkordium (Volumenbelastung, systolische
Hypotension)
55 hohe Puls-/Blutdruckamplitude bei niedrigem diastolischem
Druck (Pulsus celer et altus)
28 Kapitel 2 · Tag 1: Neonatologie

. Tab. 2.10  Sonographische Einteilung der intrazerebralen Blutungen nach Burstein/Papile

Stadium Beschreibung Neurologische Folgen


2 I Germinale Matrix Sehr häufig folgenlos
II I + intraventrikulär ohne Ventrikeldilatation Häufig folgenlos
III II + Ventrikeldiilatation/Ventrikulitis Spätschäden wahrscheinlich
IV III + Parenchymbeteiligung Häufig Spätschäden

55 zunehmender O2-Bedarf (Lungenüberflutung), ggf. Lungen-


blutung (hämorrhagisches Lungenödem)
55 Oligo-, Anurie (Steal-Phänomen)
55 Azidose, Herzinsuffizienz (Tachykardie, Hepatomegalie, Ödeme)
55 Spätfolgen: nekrotisierende Enterokolitis, periventrikuläre
Leukomalazie (Steal-Phänomene)

z Diagnostik
55 Röntgen: Herzvergrößerung, verstärkte Lungengefäßzeichnung
55 Echokardiographie
55 Vergrößerung linker Vorhof und Ventrikel, Beurteilung von PDA:
Durchmesser, Shunt-Volumen, Flussmuster
55 Dopplersonographie: diastolische Steal-Phänomene in Zerebral-
(A. cerebri anterior) und Abdominalarterien (Truncus coeliacus)

z Therapie
55 Vermeidung Flüssigkeitsüberladung, ggf. akut Diuretika
55 medikamentöser Verschluss mit Prostaglandinsynthesehemmer
(Indomethacin, Ibuprofen)
55 chirurgischer Verschluss (Clip)

2.3.3 Hirnblutungen (intrazerebrale


Hämorrhagien, ICH)

55 Auftreten häufig ≤10 Lebenstag und umgekehrt proportional


Gestationsalter: Risiko für höhergradige Blutung (s. u.) ca. 6 %
<32 SSW, ca. 25 % <26 SSW
55 Lokalisation: germinale Matrix (subventrikuläre Zone über Kopf
des Nucleus caudatus)
44Grenzgebiet der arteriellen Versorgung, äußerst fragile
zerebrovaskuläre Architektur → Gefäßeinriss → sekundäre
Schäden durch venöse Stase bei Verlegung drainierender
Venen → Parenchymuntergang
44günstige Prognose bei Grad-1- und Grad-2-Blutungen; ab Grad
3 höhere Wahrscheinlichkeit der (motorischen) Behinderung, bei
unilateraler Ausprägung oft spastische Hemiparese (. Tab. 2.10)
2.3 · Erkrankungen des Frühgeborenen
29 2
44Komplikationen: posthämorrhagischer Hydrocephalus
occlusus (ggf. Shunt-Bedürftigkeit), bei Parenchymschwund
Hydrocephalus e vacuo

z Klinik ! Cave Eine Frühaussage


55 Apnoe, Unruhe, Hypoglykämie, Schock zur neurologischen
55 „verfallendes Kind“ blass-graues Kolorit Prognose aufgrund des
55 Krampfanfall, gespannte Fontanelle, muskuläre Hypotonie Sonographiebefundes ist bei
fortgeschrittenen Blutungen nicht
z Diagnostik möglich.
55 Schädelsonographie: Ausdehnung, Flussprofil der Gefäße,
Ventrikelweite, Ventrikulitis
55 Kopfumfang nach Blutung: Beurteilung Größenzunahme
(biparietal + frontookzipital)

z Therapie
55 symptomatisch
55 Prophylaxe durch Vermeidung/Therapie bekannter
Risikofaktoren:
44zerebrale Hypo- und Hyperperfusion, Chorioamnionitis
44insuffiziente Erstversorgung, Ischämie, Hypothermie ! Cave rasche Bikarbonatgaben,
44Azidose Surfactant-Mangel,
Pneumothorax.

2.3.4 Periventrikuläre Leukomalazie (PVL)

55 ischämisch-/entzündliche Schädigung der weißen Substanz


(ca. 3–5 % <1.500 g):
44histologisch fokale Nekrosen mit zystischer Umwandlung lateral
der Seitenventrikel in Grenzgebieten der vaskulären Versorgung
der Aa. cerebri (Vulnerabilität der Gefäßarchitektur)
44häufig symmetrisch („Wasserscheideninfarkte“)
44teils bereits pränatal entstanden (z. B. bei
Amnioninfektionssyndrom)
44multifaktorielle Genese mit prä-/peri-/postnatalen Faktoren
44Risikofaktoren „Die üblichen Verdächtigen“: Blutungen,
Chorioamnionitis, Mehrlinge, geburtshilfliche Komplika-
tionen, persistierender Ductus arteriosus, Apnoen, Sepsis

z Klinik
55 typisch: stummes Intervall mit Symptomlosigkeit in den ersten
Wochen bis Monaten
55 oft beinbetonte Hypotonie, später beinbetonte spastische Diplegie
44mediale Fasern des Tractus corticospinalis → Innervation der
Beinmuskeln
55 Ausprägung unterschiedlich, ggf. Beeinträchtigung der kogni-
tiven Funktionen
55 Epilepsie (z. B. West-Syndrom)
30 Kapitel 2 · Tag 1: Neonatologie

. Tab. 2.11  Typische Hirnschädigungen bei Früh- und Termingeborenen

Hirnblutung (ICH) Periventrikuläre Hypoxisch-ischämische


2 Leukomalazie (PVL) Enzephalopathie (HIE)

Patienten Frühgeborene Frühgeborene Termingeborene


Risikofaktoren Vulnerabilität Gefäße Hypoxie + Inflammation Ischämie, Hypoxie, Asphyxie +
Reperfusion
Läsion Periventrikuläres Keimlager Zystische Nekrose Marklager Zelluntergang Stammganglien
Kortexatrophie
Langzeitfolge Krampfleiden Retardierung Krampfleiden
Hydrozephalus Spastische Zerebralparese Retardierung
Taub-/Blindheit

z Diagnostik
55 Sonographie: perlschnurartige zystische Auflösung periventri-
kulär (ca. 3 Wochen nach Noxe sichtbar), später oft Anschluss ans
Ventrikelsystem
55 NMR: sensitive Darstellung der Defekte
55 entwicklungsneurologische Meilensteine

z Therapie
55 Frühförderung, Krankengymnastik
55 spezielle Nachsorgeambulanz (. Tab. 2.11)

2.3.5 Apnoen

55 Unreife der zentralen Atemsteuerung (auch bei Fehlen sonstiger


Erkrankungen) + Obstruktion → Apnoe (Atempause >20 s) +
Bradykardie (Herzfrequenz <100/min) bzw. Kombinationen
→ Hypoxämie (Sauerstoffsättigung <80 %). Wie häufig oder
ausgeprägt diese sein können, um zerebrale Ischämien oder ROP
zu verursachen, ist nicht genau bekannt.

z Klinik
55 Apnoe → Bradykardie oder Bradykardie → Apnoe oder beides
synchron

z Diagnostik
55 Aufzeichnung thorakale + nasale Atmung, O2-Sättigung,
Herzfrequenz: Differenzierung von zentraler, obstruktiver oder
gemischter Apnoe (am häufigsten)

z Therapie
55 pflegerische Maßnahmen: Erleichterung Atemarbeit (Bauch-/
Stufenlagerung, orale Magensonde)
2.3 · Erkrankungen des Frühgeborenen
31 2
55 Atemanaleptika: Methylxanthine (Koffein), Doxapram > Memo Immer symptomatische
55 Atemhilfen: binasaler CPAP, geringe O2-Zufuhr Apnoen rasch ausschließen
55 Ultima ratio (Re-)Intubation und Beatmung (u. a. Infektion, Krampfanfall,
Hirnblutung, metabolische
Entgleisung)!
2.3.6 Retinopathia praematurorum (ROP)

55 Netzhauterkrankung des Frühgeborenen


44multifaktorielle Auslöser: erhöhte Empfindlichkeit der
unreifen Netzhaut gegen Noxen, v. a. O2.
44zunächst proliferieren maximal konstringierte Netzhaut-
gefäße, durch Wachstumsfaktoren (vEGF) angeregt, unkont-
rolliert (Neovaskularisierung) → Blutungen, Ödem → narbige
Kontraktionen, Netzhautablösung → Erblindung
44Risikofaktoren (prophylaktische Maßnahmen setzen an der
Vermeidung/Überwachung/Therapie an!):
–– Hyperoxie (wird unterschätzt)
–– Sauerstoffsättigungsschwankungen
–– Hypokapnie, Hyperkapnie, Hypotension, Apnoe
–– schwere Infektionen, persistierender Ductus arteriosus

z Klinik
55 keine Frühzeichen
55 spät: fehlender Fundusreflex, Rindenblindheit (zu spät)

z Diagnostik
55 regelmäßige Kontrollen des mydriatischen Fundus durch
geschulte Augenärzte
55 landkartenartige Einteilung (Zonen), Ausbreitung (Sektoren) und
Schweregrad (I–V) > Memo Regelmäßige
augenärztliche Kontrollen,
z Therapie da vermehrt Komplikationen
55 Laserkoagulation (Refraktionsanomalien,
55 Kryotherapie (ggf. Vitamin E prophylaktisch) Kurzsichtigkeit).

2.3.7 Bronchopulmonale Dysplasie (BPD)

55 chronische Lungenerkrankung von Früh- (selten Termin-)


geborenen mit Sauerstoffabhängigkeit nach korrigiert 36.
vollendeten SSW und charakteristischen radiologischen
Veränderungen
44Risikofaktor für spätere Erkrankungen (Pneumonien, Asthma
bronchiale)
44je unreiferer und kränker, desto häufiger: ca. 20–30 % <1.000 g,
>32. SSW selten
44Ätiologie multifaktoriell: Unreife/Vulnerabilität der Lunge
+ Wassereinlagerung (verlängerte Diffusionsstrecken)
32 Kapitel 2 · Tag 1: Neonatologie

+ Inflammation (Umbau, Fibrose, Remodelling) + Sauer-


stofftoxizität (Radikalbildung) + Beatmungstrauma (v. a.
Volutrauma)
2 44erschwerend: Bakterielle Infektionen
44histologisch Gefäßrarefizierung, fibrotischer Umbau,
Überblähung
44Stadien:
–– mild: mit 36 SSW kein persistierend erhöhter O2-Bedarf
–– moderat (≤30 % O2-Bedarf)
–– schwer (>30 % und/oder Beatmung bzw.
Atemunterstützung)

z Klinik
55 persistierender Sauerstoffbedarf, Tachy-/Dyspnoe
55 grau-blasses Kolorit, mangelnde Gewichtszunahme
55 später: Rechtsherzbelastung, Cor pulmonale

z Diagnostik
55 Röntgen:
44diffuse Überblähungsbezirke neben unzureichend belüfteten
Arealen (Dys-/Atelektasen)
44Herzvergrößerung
55 EKG, Echokardiographie: Rechtsherzbelastungszeichen

z Therapie
55 restriktive Beatmungsindikation, schonende
Beatmungsverfahren
> Memo schwerer Verlauf bei 55 Physiotherapie (Atemgymnastik), früh binasaler CPAP
pulmonalen Infektionen im 55 Bronchodilatatoren, inhalative Steroide (sparen systemische
Kindesalter → konsequente Steroide)
Impfung vor Entlassung und 55 Diuretika, systemische Steroide (cave; frühe postnatale Gabe →
Sicherstellung des weiteren schwere neurologische Schäden)
Impfverlaufes (Pneumokokken, 55 hochkalorische Ernährung (ca. 130 kcal/kg KG)
Haemophilus, RSV). 55 dosiert überwachte O2-Gabe nach Sättigungsgrenzen

2.3.8 Psychomotorische Retardierung

55 je unreifer ein Frühgeborenes, desto höher Risiko für gesund-


heitliche Beeinträchtigung (z. B. Asthma), Retardierung,
kognitive Beeinträchtigung, psychische Störung (Angst-
störung), Teilleistungsstörung (Lese-/Rechtschreibschwäche)
oder ADHS

z Klinik
55 oft erst im Schulalter (ADHS, kognitive Defekte) oder Pubertät
(metabolisches Syndrom)
2.4 · Neonatale Lungenerkrankungen
33 2
z Diagnostik
55 auf (ehemalige) Frühgeborene spezialisierte Ambulanzen
(interdisziplinärer Kontakt)

z Therapie
55 Frühförderung (neuromuskuläre Stimulation,
Elternintegration, Krankengymnastik, Ergotherapie, psycho-
soziale Hilfestellungen)

2.4 Neonatale Lungenerkrankungen

2.4.1 Mekoniumaspirationssyndrom (MAS)

55 symptomatische Aspiration von Mekonium


44fetale Stresssituation (Hypoxie, Ischämie) → Hyperperistaltik
des Darmes + Analsphinktererschlaffung → Mekonium-
abgang ins Fruchtwasser → Aspiration ins bronchioalveoläre
System ante-/peripartal → Verlegung Atemwege (Hypoxie)
+ Überblähung einzelner Lungenabschnitte (Emphysem,
Gefahr Pneumothorax) + herabgesetzte Compliance +
sekundäre Surfactant-­Inaktivierung (Atemnotsyndrom) +
chemische Pneumonie (Inflammation)
44mekoniumhaltiges Fruchtwasser häufig (10 % aller Neugebo-
renen); nur 5 % davon entwickeln MAS
44Risikofaktoren: protrahierter Geburtsverlauf, Infektion,
Plazentainsuffizienz, Übertragung, mütterliche
Erkrankungen (Diabetes mellitus, Hypertonie),
Wachstumsretardierung

z Klinik
55 Zeichen der Asphyxie, Tachy-/Dyspnoe oder hypotones, schlaffes
apnoeisches Kind
55 gelb-grün bis erbsbreiartiger Farbton (Haut, Fingernägel,
Nabelschnur)
55 grobblasige Rasselgeräusche, Hypoperfusion, Schock

z Therapie
55 Intubation und Tracheallavage, Surfactant-Gabe bei sekundärer
Inaktivierung, Verlegung auf Intensivstation
55 schonende Beatmung, Sedierung, Maßnahmen zur Verringerung
der pulmonalen Hypertension (inhalative Stickstoff-Monoxid-
Beatmung); unter diesen Maßnahmen: Prognose deutlich
verbessert
55 ggf. Antibiotika
55 in schweren Fällen extrakorporale Membranoxygenierung
(ECMO)
34 Kapitel 2 · Tag 1: Neonatologie

2.4.2 Transitorische Tachypnoe

55 verzögerte Resorption von Fruchtwasser (Synonym:


2 Flüssigkeitslunge)
44Risikofaktoren: (Wunsch-)Sectio am wehenlosen Uterus,
mütterlicher Diabetes, mütterliche Analgesie

z Klinik
55 vorübergehende (maximal 72 h andauernde) Tachydyspnoe,
Stridor
55 geringer, nicht stark progredienter O2-Bedarf

z Diagnostik
55 Ausschluss neonatale Pneumonie, ggf. Vitium cordis,
Fehlbildung
55 Röntgen: zentrale Verdichtung/Überblähung in der
Lungenperipherie

z Therapie
55 O2-Gabe, bei Tachypnoe CPAP (Abpressen der
Flüssigkeit), Sondieren statt Anlegen (Aspirationsgefahr)

2.4.3 Pneumothorax

55 breites Spektrum, vom asymptomatischen Mantel- zum


! Cave Beim atem-/ Spannungspneumothorax
kreislaufinsuffizienten 44hoher PEEP → alveoläre Überblähung + Dystelektasen
Neugeborenen unter → Einreißen der Alveolarmembran → druckwirksame
Reanimation an Pneumothorax Ansammlung im Pleuraspalt → Spannungspneumothorax.
denken, häufiger akuter Notfall 44Risikofaktoren: MAS, Atemnotsyndrom, Zwerchfellhernie,
auf Intensivstation! Pneumonie, Fehlbildungen

z Klinik
55 rasch progrediente Tachydyspnoe, CO2-Retention,
O2-Bedürftigkeit
55 rasche Bradykardie, Schock

z Diagnostik
55 Diaphanoskopie (Transillumination mit Kaltlichtlampe)
55 falls genügend Zeit: Röntgen: fehlende Lungenzeichnung,
Mediastinalverlagerung
55 unsicher: Herztonverlagerung, abgeschwächtes
Atemgeräusch

z Therapie
55 sofortige Pleurapunktion, spätere Pleuradrainage
2.4 · Neonatale Lungenerkrankungen
35 2
2.4.4 Lungenhypoplasie

55 gestörte Organanlage und/oder Reifungsstörung


44nach Ahydramnion bei Blasensprung <21. SSW
44Vorkommen bei Nierenagenesie (Potter-Sequenz), neuro-
muskulären Erkrankungen (Myasthenia gravis), Akinesiesyn-
dromen, Hirnfehlbildungen, Skeletterkrankungen
44pränatale Entwicklung oft ungehindert
44postnatal bei Gefäßrarefizierung rasche Entwicklung einer
persistierenden pulmonalen Hypertension (PPHN), oft
infauste Prognose

z Klinik
55 pränatal unerkannt → progrediente kardiorespiratorische
Insuffizienz
55 meist im Kreißsaal bereits beidseits Pneumothoraces
55 Aspekt: schmaler, glockenförmiger Thorax

z Diagnostik
55 pränatale Sonographie: Fruchtwassermenge,
Lungenwachstumskoeffizienten

z Therapie
55 Entbindung in Perinatalzentrum, differenzierte
Beatmungsstrategien
55 ggf. Behandlung von Grundkrankheit und PPHN

2.4.5 Zwerchfellhernie

55 gestörte Zwerchfellentwicklung mit Lücke ohne Bruchsack


55 Beginn 8. SSW → Bauchorganverlagerung in Thorax → Lungen-
hypoplasie unterschiedlicher Ausprägung. Pränatale Gesamtent-
wicklung häufig unbeeinträchtigt
55 4/10.000 Geburten; 90 % linksseitig, Wiederholungsrisiko
2 %
55 Lücke rechts (schlechtere Prognose): Herniation von Leber und
Darm
55 Lücke links: Herniation von Magen, Darm, Milz
55 Überlebensrate je nach Zentrum zwischen 50 und 85 %

z Klinik
55 bei fehlender Pränataldiagnostik: Differenzialdiagnose atem-/
kreislaufinsuffizientes Neugeborenes
55 Verlagerung der Herztöne, Auskultation von Darmgeräuschen
thorakal (unsicher)
55 eingesunkenes Abdomen
36 Kapitel 2 · Tag 1: Neonatologie

z Diagnostik
55 pränatale Sonographie und NMR-Untersuchung zur Risiko-
abschätzung („Head-to-lung“-Ratio) → Pränatalzentrum (mit
2 Kinderchirurgie und ggf. mit ECMO) zur geplanten Entbindung
55 Röntgen postnatal: fehlendes Zwerchfell, Enterothorax

z Therapie
55 drei Phasen:
44I. präoperative Stabilisierung
–– elektive Sectio, primäre Intubation (intrathorakaler Darm
soll sich nicht mit Luft füllen)
–– lungenschonende Beatmungsverfahren, Verringerung
PPHN
–– Ausschluss weitere Fehlbildungen
–– ggf. ECMO (extrakorporale Membranoxygenierung)
44II. Korrekturoperation
–– Rückverlagerung Abdominalorgane, Verschluss (direkt
oder mit Muskel-, Dacronpatch)bei großer Lücke mehrere
Operationen, bei kleiner Lücke ggf. minimalinvasiv
44III. postoperative Rekonvaleszenz (Schwerpunkt Therapie
PPHN)

2.4.6 Persistierende pulmonale Hypertension


des Neugeborenen (PPHN)

55 fehlendes/verzögertes Absinken des Widerstandes im Lungen-


gefäßsystem → reversible PPHN, Inzidenz ca. 3:1.000 Lebend-
geburten, Mortalität bis 20 %
44Risikofaktoren:
–– rarefizierte Gefäßarchitektur: Lungenhypoplasie,
-fehlbildungen, Zwerchfellhernie
–– pulmonale Vasokonstriktion: Asphyxie, Azidose,
Hypothermie, Infektion, Mekoniumaspirationssyndrom
55 Prognose abhängig Grundkrankheit

z Klinik
55 graublaues Hautkolorit, deprimiertes Kind
55 Schock, arterielle Hypotension
55 Endstrecke vieler neonatologischer Notfallsituationen

z Diagnostik
55 transkutane Sauerstoffmessung: Sättigungsdifferenz prä- und
postduktale Sonde (Rechts-links-Shunt über offenen Duktus)
55 Echokardiographie: Bestimmung Shunt-Volumina, Druckmes-
sung/-quotienten, Vorhofgröße
2.5 · Neonatale Bluterkrankungen
37 2
z Therapie
55 Behandlung Grundkrankheit (Antibiotika, Transfusion, ggf.
Pufferung)
55 Senken pulmonaler Widerstand (Sauerstoff, Stickstoffmonoxid-
beatmung, ggf. Sildenafil)
55 Optimierung Lungenperfusion (Katecholamine, Volumengaben)

2.4.7 Neonatale Pneumonie

55 bakterielle/(virale) Infektion des Neugeborenen, häufigste Form


der Frühinfektion (s. u.)
44intrauterine, sub- oder postpartale Ansteckung
44Risikofaktoren: vorzeitiger Blasensprung, Beatmung, Frühge-
borene, Hypotrophie

z Klinik und Diagnostik


7 Abschn. 2.8

2.5 Neonatale Bluterkrankungen

2.5.1 Hyperbilirubinämie

55 Besonderheiten des Bilirubinstoffwechsels beim Neugeborenen:


44erhöhter Abbau: Höhere Hämoglobinkonzentration und
Erythrozytenzahl + kürzere − überlebenszeit des HbF (70–90
Tage)
44verstärkte Rückresorption durch enterohepatischen Kreislauf
(verzögerte Darmpassage + fehlende Darmflora)
44verminderte Aktivität von Transportern + Konjugation
(Glukuronyltransferase)
44verminderte Bindung unkonjugiertes Bilirubin an Albumin
44inaktivierende Substanzen der Glukuronyltransferase in ! Cave Gesamtbeurteilung
Muttermilch der therapiepflichtigen
55 zusätzliche Risikofaktoren: Hyperbilirubinämie nicht durch
44Erkrankungen, die die Blut-Liquor-Schranke erniedrigen → starre Grenzen, sondern durch
Gefahr Bilirubinenzephalopathie Dynamik, Alter, Gewicht und
44Hypothermie, Hypalbuminämie, Azidose, Frühgeburtlichkeit Komorbiditäten, welche Blut-
(. Tab. 2.12) Liquor-Schranke beeinflussen.

z Klinik
55 Haut- und Sklerenikterus:
44Prima vista: strohgelb = Hämolyse, prähepatisch, goldgelb
= intrahepatisch, physiologisch, braungelb = Gallensäuren,
posthepatisch
38 Kapitel 2 · Tag 1: Neonatologie

. Tab. 2.12  Formen der Hyperbilirubinämie

Form Charakteristika Typisch


2 Physiologischer Ikterus Unkonjugiertes Bilirubin ca. 15 mg/dl mit 60 % aller Neugeborenen, kraniokaudales
Zenit 3.–6. Lebenstag, danach Rückgang Fortschreiten der Gelbsucht
Icterus praecox Beginn 1. Lebenstag, immer pathologisch Differenzialdiagnose Hämolyse
Icterus gravis Anstieg > ca. 15 mg/dl beim Differenzialdiagnose Unreife
Termingeborenen
Icterus prolongatus Dauer >14 Tage Differenzialdiagnose Stoffwechsel

55 Bilirubinenzephalopathie (Kernikterus): irreversible Schädigung


von Basalganglien, Nucleus caudatus, Hypothalamus, Hirnner-
venkernen und Großhirnrinde durch lipophiles, unkonjugiertes
Bilirubin → Schädigung des neuronalen Stoffwechsels, bei
gestörter Blut-Hirn-Schranke tritt auch ans Albumin gebundenes
Bilirubin über:
44Frühsymptome: Apathie, Hypotonie, Trinkschwäche,
Erbrechen, abgeschwächte Reflexe
44intermediär: schrilles Schreien, vorgewölbte Fontanelle,
Opisthotonus, zerebrale Krampfanfälle
44Spätfolgen: Taubheit, choreoathetoide Bewegungsmuster,
mentale Retardierung

z Diagnostik
55 Abklärung Ausmaß und individuelle Interventionsgrenzen
(Dokumentation in Nomogramm)
44leichte Verläufe: Serielle transkutane (unblutige) Messung
44Bestimmung Bilirubinfraktionen: unkonjugiert, konjugiert
55 Abklärung Hämolyse
44Ausschluss Blutgruppeninkompatibilität: Mütterliche (+ggf.
kindliche) Blutgruppe
44Hämatokrit (Anämie), Laktatdehydrogenase (Zellzerfall),
Retikulozyten, Erythroblasten (Kompensationsmechanismen;
Differenzialblutbild)
55 Abklärung hepatotrope Organismen: TORCH (Mutterpass),
Leberenzyme, spezifische Diagnostik
55 Abklärung Stoffwechseldefekte: Neugeborenenscreening (Gluko-
se-6-Phosphatdehydrogenase, Pyruvatkinase, Hypothyreose)
55 ggf. Abklärung Membrandefekte, Hämoglobinopathien jenseits
der Neonatalperiode (wenn HbF → HbA)
55 bei konjugierter Hyperbilirubinämie (häufig Icterus prolongatus):
intra-/extrahepatische Gallengangsatresie (-hypoplasie), Galak-
tosämie, Tyrosinämie, α1-Antitrypsinmangel, zystische Fibrose,
Folge parenteraler Ernährung (. Tab. 2.13)
2.5 · Neonatale Bluterkrankungen
39 2

. Tab. 2.13  Diagnostische Einteilung Hyperbilirubinämie

Entstehung Konjugier- Unkonjugiertes Keine Hämolyse Hämolyse


tes Bilirubin Bilirubin

Prähepatisch Normal Stark erhöht Physiologisch Blutgruppeninkompatibilität


Muttermilchikterus (Rhesus-, AB0-System u. a.)
Criggler-Najjar-Syndrom Sepsis
M. Meulengracht
Hypothyreose
Polyglobulie
Geburtstraumata
Membran-/Enzymdefekte
Intrahepatisch Erhöht Erhöht Infektion durch
hepatotrope Organismen:
Hepatitis, CMV, EBV, HIV,
TORCH
Parenterale Ernährung
Posthepatisch Stark erhöht Leicht erhöht Cholestase (intra-/
extrahepatisch)

z Therapie
55 Flüssigkeit (enteral vor parenteral)
55 Abführen (Unterbrechung enterohepatischer Kreislauf)
55 Phototherapie: blaues Licht, Wellenlänge 445 nm → Isomeri-
sierung → ohne Glukuronidierung Ausscheidung über Galle und
Urin (Nebenwirkungen Diarrhö, Temperaturinstabilität und
Dehydratation, deshalb Monitoring), geringer Lampenabstand,
ggf. mehrere Lampen, bei erhöhtem konjugierten Bilirubin nicht
indiziert
55 Ultima ratio: Austauschtransfusion

2.5.2 Morbus haemolyticus neonatorum

55 Hämolyse kindlicher Erythrozyten durch diaplazentar


­übertretende mütterliche Antikörper (IgG) nach mütterlicher
Sensibilisierung gegen Erythrozytenantigene (Rhesus, AB0, Kell,
Duffy etc.)
55 Inkompatibilität Rhesus-System (CDE)
44häufig Mutter Rh d−, Vater Rh D+, Kind Rh D+; durch
mütterliche Anti-D-IgG-Prophylaxe (28. SSW und <72 h nach
Geburt) → 95 % vermeidbar
44Sensibilisierung durch Schwangerschaft, Abort, Abruptio →
Boosterung in der nächsten Schwangerschaft mit
T-Zellhilfe
40 Kapitel 2 · Tag 1: Neonatologie

55 Inkompatibilität AB0-System
44häufig Mutter 0, Kind A oder B; Differenzierung von A- und
B-Eigenschaften im späten III. Trimenon → Frühgeborene wenig
2 betroffen, Hämolyse geringer, kann bereits beim 1. Kind auftreten

z Klinik
55 Hyperbilirubinämiefolgen:
44Icterus praecox → strohgelb, in Ausprägung oft unterschätzt
(Anämie + Hyperbilirubinämie) → Kernikterus
55 Anämiefolgen:
44extramedulläre Blutbildung (Leber, Milz, Röhrenknochen)
→ Hepatosplenomegalie, aufgetriebene Knochen, Erythro-
blastose → Knochenmarkinsuffizienz, Leberversagen
44Anämie → niedriger onkotischer Druck → Hypoxie, Azidose
→ Mehrhöhlenergüsse, Hypotonie → Hydrops congenitus
(„Wasserklops“)

z Diagnostik
55 Pränatal:
44indirekter Coombs-Test (Schwangerschaftsvorsorge):
Fähigkeit mütterlicher Antikörper, Schafserythrozyten zu
lysieren
44fetale Ultraschalldiagnostik: Anämiezeichen
(Dopplersonographie)
44Nabelschnurpunktion: fetale Hämoglobinbestimmung
55 Postnatal:
44direkter Coombs-Test (Kind): direkter Nachweis von inkom-
pletten mütterlichen Antikörpern auf kindlichen Erythrozyten
44Anämie-/Hyperbilirubinämiediagnostik (7 Abschn. 2.5.1)

z Therapie
55 pränatal: ab 24. SSW (nach Induktion Lungenreife) mehrmals
intrauterine Transfusion über Nabelschnur in Sectio-Bereitschaft
(geringe Gefahr: Frühgeburtsinduktion); erhebliche Verbes-
serung der Prognose durch diese Maßnahme
55 postnatal: intensivierte Phototherapie, ggf. Austauschtrans-
fusion; Vollbild des (pränatal nicht bekannten) Hydrops fetalis
ist neonatologischer Notfall → Intubation, Pleuradrainagen,
Austauschtransfusion; schlechte Prognose

> Memo Hauptursache der 2.5.3 Anämie


Frühgeborenenanämie ist
die iatrogene Blutentnahme, 55 Absinken des Hämatokrits (HK) unter Referenzwert (1.
oft in Kombination mit zu Lebenstag HK <40 %)
hohen Entnahmevolumina → 44Ätiologie
„intelligente Blutentnahme“. –– gestörte Bildung (virale/bakterielle Infektionen)
–– verzögerte Reifung (Blackfan-Diamond)
2.5 · Neonatale Bluterkrankungen
41 2
–– gesteigerte Hämolyse (Inkompatibilitäten, Sepsis)
–– Blutverlust (vorzeitige Plazentalösung, Nabelschnurabriss)
44frühes Auftreten: Fetale Blutung bei Gefäß-
abrissen, fetomaternale/fetofetale Transfusions-
syndrome, fetale Hämolyse bei Inkompatibilitäten,
Glukose-6-Phosphatdehydrogenase-Mangel
44spätes Auftreten: Blutentnahmen, Blutentnahmen, Blutent-
nahmen, chronische Blutungen, Trimenonreduktion

z Klinik
55 akut: Tachypnoe, fadenförmiger Puls, Schnappatmung, ! Cave Kolorit kann noch
Schockzeichen rosig sein → Hämatokrit vor
55 chronisch: Blässe, fehlendes Gedeihen, schwaches Trinkverhalten, Dilution noch „normal“.
niedrige Körpertemperatur, Zeichen extramedullärer Blutbildung
(Hepato-/Splenomegalie, Bürstenschädel)

z Diagnostik
55 venöser Hämatokrit, MCV (mittleres korpuskuläres Volumen),
Retikulozyten (Produktion), Laktatdehydrogenase (Hämolyse),
Blutgruppe + Coombs-Test (Mutter)
55 nächste Schritte (da seltener): Suche nach Hämoglobinopathien

z Therapie
55 akuter Verlust: sofortige Transfusion aus Notfallkonserve
(bestrahlt, Blutgruppe 0, Rh-negativ)
55 chronischer Verlust: späteres Abnabeln von Frühgeborenen,
frühzeitige Eisensubstitution, in Einzelfällen
Erythropoetin
44strenge Indikation: Transfusion (Erythrozytenkonzentrat,
bestrahlt, blutgruppenidentisch CMV-negativ)

2.5.4 Polyglobulie

55 Ansteigen des Hämatokrits über Referenzwert (Hämatokrit ! Cave oft übersehen (da Kind
>65 %): „gute Hautfarbe“ hat) und
44Überschreiten des rheologischen Optimums → Stase, Mikro- unterschätzt.
thromben → Hyperviskositätssyndrom mit Zirkulationsstö-
rungen, Hypoperfusion, Ischämie
44gefährdet „letzte Wiesen“: germinale Matrix und mesenteriale
Venenendstrecken
55 Ätiologie:
44erhöhte intrauterine Blutbildung: fetale Hypoxie, Wachstums-
retardierung, maternaler Diabetes, Trisomie 21
44Transfusion: fetofetales Transfusionssyndrom Akzeptor,
verspätete Abnabelung
44erhöhter Flüssigkeitsverlust: Übertragung, Hyperthermie,
fehlende Flüssigkeitszufuhr
42 Kapitel 2 · Tag 1: Neonatologie

z Klinik
55 rotes, plethorisches Kolorit, gleichzeitig verzögertes kapilläres
Refill
2 55 Belastungszyanose, Lethargie, Hypotonie, Organkomplikationen
(Krampfanfälle, nekrotisierende Enterokolitis)
55 Thrombozytopenie, Hypokalzämie, Hypoglykämie

z Diagnostik
55 Blutbild (venöser Hämatokrit am sensitivsten)
55 Bilirubin (Icterus gravis)
55 Elektrolyte, Blutzucker

z Therapie
55 Flüssigkeit (enteral/parenteral)
55 symptomatisches Hyperviskositätssyndrom oder Hämatokrit
>75 %: „Aderlass“ (Hämodilution; modifizierte partielle
Austauschtransfusion)

2.5.5 Morbus haemorrhagicus neonatorum

55 Blutungsneigung in den ersten Lebenstagen (Gipfel 3.–7.


Lebenstag) bzw. -wochen aufgrund Vitamin K-Mangels
44niedrige Vitamin K-Spiegel in Muttermilch + erniedrigte
Leberenzymaktivität + kaum vorhandene Darmflora →
Vitamin K-Mangel
! Cave besonders bei 55 Lokalisation: Haut-, Schleimhäute, Nebennieren, Hirn
Phenobarbital, Salizylate. 55 betroffen: gesunde, gestillte Neugeborene; potenziell lebens-
bedrohlich (1:200 Neugeborene ohne Prophylaxe), durch
Prophylaxe vermeidbar

z Klinik
55 Hämatemesis, Meläna (Differenzialdiagnose verschlucktes
mütterliches Blut)
55 Hämorrhagien, Nabelschnurblutungen

z Diagnostik
55 klinische Organkomplikationen
55 verlängertes Nachbluten bei Blutentnahme
55 Verlängerung von partieller Thromboblastinzeit, Thrombin-,
Blutungszeit
55 Erniedrigung der Faktoren II, VII, IX und X

z Therapie
55 – akute Blutung: Substitution von „fresh frozen plasma“, Blutpro-
dukten und Vitamin K i.v.
55 – Prophylaxe: Vitamin K s.c., i.m. oder p.o. postnatal, am 5. und
28. Lebenstag
2.6 · Neonatale Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts
43 2
2.5.6 Thrombozytopenie

55 Absinken der Blutplättchen unter Referenzwert (<150.000/µl)


55 häufigste Störung des neonatalen Blutbildes; häufigste
Gerinnungsstörung
44mütterliche Ursachen
–– immun-thrombozytopenische Purpura
–– (oft nicht bekannter) Lupus erythematodes
–– Alloimmunthrombozytopenie (fetomaternale Thrombozy-
tenunverträglichkeit in Analogie zur Rh-Inkompatibilität);
1:3.000
–– plazentare Insuffizienz
44kindliche Ursachen
–– herabgesetzte Produktion: Hypotrophie
–– erhöhter Verbrauch: Hämangiome, Kasabach-Merritt-
Syndrom, nekrotisierende Enterokolitis
–– Sequestration: Infektion; Kombination
(„Late-onset“-Sepsis)
–– gestörter Aufbau (Wiskott-Aldrich-Syndrom; männliche
Neugeborene)

z Klinik
55 trotz niedriger Thrombozytenzahlen oft symptomlos →
Zufallsbefund
55 Petechien, Purpura, Schleimhaut-, Nebennieren-, Hirnblutungen

z Diagnostik
55 Ausschluss Infektionen, Systemerkrankungen
55 Bestimmung Thrombozytenzahl, -volumen (reduziert bei
Wiskott-Aldrich-Syndrom), Megakaryozyten
55 Nachweis spezifischer Thrombozytenmerkmale und Antikörper
bei Eltern und Kind

z Therapie
55 Beurteilung Verlauf (Plazentainsuffizienz: Nadir 5. Lebenstag)
55 Blutung und Thrombozytenzahl <50.000/µl sofortiges (plasma-
reduziertes) Thrombozytenkonzentrat
55 „minimal handling“
55 Alloimmunthrombozytopenie: mütterlicher Einzelspender
+ Immunglobuline

2.6 Neonatale Erkrankungen des


Gastrointestinaltrakts

2.6.1 Gastroschisis

55 Bauchwanddefekt, in 95 % rechts des Nabels


44 Kapitel 2 · Tag 1: Neonatologie

z Klinik
55 mediane Bauchspalte, fehlender Bruchsack, offener Vorfall von
Darmanteilen
2
z Diagnostik
55 Sonographie Pränataldiagnostik
55 postnataler Aspekt:
44freiliegendes, meist distendiertes, mit Fibrin belegtes
Darmschlingenkonvolut
44kleine Bruchpforte → Durchblutungsstörung mit atretischen,
hypoperistaltischen Arealen, teils kombiniert mit Mal-/
Nonrotation

z Therapie
55 Entbindung in Perinatalzentrum mit kinderchirurgischer
Expertise
55 Planung des Entbindungszeitpunktes via primäre Sectio caesarea:
44„maximale Reife“ versus „minimale Organschädigung“;
abhängig Volumenentwicklung der Darmschlingen und
Verkleinerung der Bruchpforte intrauterin
55 postnatal Stabilisierung: Abdeckung der Darmschlingen mit
feuchten Kompressen, steriler Verband, offene Magenablaufsonde
55 Operation innerhalb der ersten 24 Lebensstunden:
44schrittweiser Verschluss oder einzeitige Rückverlagerung
44postoperativ langsamer Kostaufbau, da häufig Motilitäts-/
Passagestörungen

2.6.2 Omphalozele

55 Nabelschnurhernie, Bruchsack aus Nabelgefäßen und Bauch-


organen (Leber, Darm, Magen):
441:5.000 Geburten; kein bekannter Erbgang
44Assoziationen: Herzfehler, Cantrell-, Pätau- (Trisomie 13),
Edwards-Syndrom (Trisomie 18), Triploidie
44Prognose: abhängig von Größe und Begleitfehlbildungen,
Kostaufbau oft schwierig

z Klinik
55 Nabelschnurhernie mit medianer Bruchsackvorwölbung, enthält
amnionüberhäutete Abdominalorgane

z Diagnostik
55 pränatale Sonographie
55 postnataler Aspekt: Bruchsack variabler Größe

z Therapie
55 7 Abschnitt 2.6.1. Gastroschisis
55 chirurgischer Verschluss nicht zwingend sofort (außer Ruptur)
2.6 · Neonatale Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts
45 2

. Tab. 2.14  Vergleich Gastroschisis und Omphalozele

Kriterium Gastroschisis Omphalozele

Situs Darm frei außerhalb der Bauchhöhle im Geschlossener Bruchsack (Amnion und
Fruchtwasser Peritoneum)
Bauchhöhle offen, Peritonitisgefahr
Gestationsalter 50–70 % FG 10 % FG
Geschlecht m < w m = w
Ätiologie Gefäßfehlbildung der Bauchwand? Mittelliniendefekt, fehlende
(physiologische) Rückbildung Nabelschleife
Prolabierte Organe Alle Abdominalorgane Meist Leber- und Darmanteile
Begleitfehlbildungen Selten Häufig (40 % Vitien, Trisomien)
(bestimmen Prognose)
Hypothermiegefahr Hoch Gering
Darmentwicklung Ab 34. SSW Darm ödematös, verdickt, Normal bei intakter Zele
fibrinüberzogen, livide, verklebt (Pannus),
ggf. assoziierte Mal-/Nonrotationen

55 Direktverschluss wird angestrebt, bei größeren Defekten


Interponate (hoher intraabdomineller Druck) (. Tab. 2.14)

2.6.3 Nekrotisierende Enterokolitis (NEC)

55 transmurale nekrotisierende Entzündung


55 häufigster gastrointestinaler Notfall bei Neu- und Frühgeborenen:
ca. 5–10 % <1.500 g; Mortalität 10–50 %
55 Zeitpunkt des Auftretens: je früher Gestationsalter, desto später
Manifestation
55 Hauptursache für Kurzdarmsyndrom im Kindesalter
44Ausbreitung disseminiert fleckförmig bis kontinuierlich,
assoziiert mit aeroben, anaeroben Bakterien und Viren (Rota)
44Ungleichgewicht von protektiven und schädigenden
Substanzen, vier pathogene Elemente: Darmwandhypoxie
+ potenziell pathogene Bakterien + Substrat (enterale
Ernährung) + intestinale Vasokonstriktion
55 Folge: Ischämie, Nekrose, Durchwanderungsperitonitis →
septischer Schock
44Risikofaktoren: arterielle Hypotension, Atemnotsyndrom,
Hypothermie, Katheter, fehlende oder zu rasch gesteigerte orale
Nahrungszufuhr, Sepsis, persistierender Ductus arteriosus

z Klinik
55 unspezifische Symptome:
44Lethargie, Apnoen/Bradykardie
44marmoriertes Kolorit, Temperaturinstabilität, verlängertes Refill
46 Kapitel 2 · Tag 1: Neonatologie

55 gastrointestinale Symptome:
44geblähtes Abdomen, zunehmender Bauchumfang
44nahrungsunabhängiges Erbrechen, Magenreste
2 44Blut im Stuhl; blutiger Mageninhalt
44angezogene Beine, glänzende/gerötet, stehende
Darmschlingen
44Flankenrötung, fehlende Darmgeräusche
55 Infektionszeichen: Granulozytopenie (besonders nach Perfo-
ration), CRP-/IL-6 Anstieg

z Diagnostik
55 Röntgen/Sonographie
44stadienhafte Einteilung (nach Bell) mit verdickten
Darmwänden, Pneumatosis intestinalis, Aeroportogramm
44bei Perforation Pneumoperitoneum („football sign“)
oder Luft zwischen Leberrand und Peritoneum
(Linksseitenlage)
55 Differenzialdiagnose: Mekoniumileus, angeborene Fehlbildungen
spontane intestinale Perforationen

z Therapie
55 konservativ: Nahrungspause, Magenablaufsonde, parenterale
Ernährung, Antibiotika, supportive Therapie (Intensivstation)
55 chirurgisch: Nach Perforation (Enterostoma) nachfolgend
Umfüllen der Nahrung
55 Prophylaxe: Muttermilch, standardisierter Kostaufbau, Risiko-
reduktion (s. o.), ggf. Probiotika

2.6.4 Mekoniumileus

55 mechanischer Darmverschluss des distalen Ileums bei


Verstopfung mit Mekonium
44in 90 % Erstsymptom der zystischen Fibrose: Ausfall
Chloridkanal + fehlende Pankreasenzyme → Verlegung
! Cave Neugeborene mit Lumen → Ileus
Mekoniumileus auf zystische
Fibrose testen. Aber: Nur 10 % z Klinik
der Patienten mit zystische 55 Entwicklung über Tage:
Fibrose haben Mekoniumileus. 44fehlender Mekoniumabgang, distendiertes Abdomen, ggf.
NEC-Zeichen
44galliges Erbrechen, mechanischer Ileus, Ikterus

z Diagnostik
55 Palpation (perlschurartige Mekoniumballen)
55 Röntgen nativ + Kontrastmittel: proximal erweiterte
Darmschlingen, distal Mikrokolon, bei intrauteriner Perforation:
Verkalkungen
2.7 · Metabolische Störungen in der Neonatalzeit
47 2
z Therapie
55 konservativ (osmotisch abführende Maßnahmen)
55 chirurgisch (bei Perforation): Anus-praeter-Anlage, vorsichtiger
Kostaufbau, ggf. Pankreasenzyme
55 Differenzialdiagnose: Ileus anderer Genese (Duodenalstenose-/
atresie, „double bubble“), Volvolus, Malrotationen

2.7 Metabolische Störungen in der


Neonatalzeit

2.7.1 Hypoglykämie

55 Blutzuckerspiegel <35 mg/dl am 1. Lebenstag und <45 mg/dl ab 2.


Lebenstag
55 häufigste metabolische Störung (20 % hypotrophe Neugeborene, ! Cave Gehäufte, schwere
50 % Kinder diabetischer Mütter) Hypoglykämien können zu
55 Ätiologie: Anfallsleiden, neurologischen
44verminderte Glykogenspeicher (Hypotrophie, Mehrlinge, Störungen und Mikrozephalie
Frühgeborene) führen; empirisch geprüfte
44anaerobe Glykolyse (Hypoxie, Asphyxie, Schock, Sepsis, Grenzwerte existieren nicht.
Polyglobulie) Aggressive Behandlung von
44Hyperinsulinismus (Fetopathia diabetica, Nesidioblastose, Hypoglykämien kann diese
Glukose-Bolusgaben) Schäden verhindern.
44hormonelle Störung (Nebenniereninsuffizienz, -blutung)
44Defekte Glukoneogenese (Galaktosämie)
44Insulinresistenz (Hypotrophie und mangelndes
Gedeihen)

z Klinik
55 ca. 30 % symptomlos
55 Apnoe, Zittrigkeit, Hyperexzitabilität, Krampfanfälle, Hypotonie,
Trinkschwäche, Apathie, Koma

z Diagnostik
55 Blutzuckerbestimmung bei Risikokindern (s. o.): regelmäßige
Intervalle (z. B. Kinder diabetischer Mütter in den ersten 72
Lebensstunden)

z Therapie
55 Behandlung von Schwangeren mit Diabetes in Zentren,
Entbindung in Kliniken mit Neonatologie
55 Frühfütterung (ggf. Formula, 12 Mahlzeiten/Tag)
55 ausgeprägte Hypoglykämien: Glukose-Bolusgabe mit anschlie-
ßender Glukose-DTI
44Besonderheit: Fetopathia diabetica (Hypertrophie, Organo-
megalie, Septumhypertrophie, Hyperinsulinismus, Atemnot-
syndrom, Fehlbildungen, kaudale Regression)
48 Kapitel 2 · Tag 1: Neonatologie

2.7.2 Hypokalzämie

55 Serumkalzium <1,8 mmol/l
2 44ausbleibende hohe intrauterine Kalziumzufuhr + passagerer
Hypoparathyreoidismus oder erhöhter Kalzitoninspiegel →
Hypokalzämie
44Auslöser: Asphyxie, Frühgeburtlichkeit, Hypotrophie, Polyglo-
bulie, Hypomagnesiämie
44Frühform: Gipfel 1.–3. Lebenstag

z Klinik
55 oft asymptomatisch
55 Tremor, Hyperexzitabilität, Kloni (selten Chvostek-
Zeichen)

z Diagnostik
55 Bestimmung Gesamtkalzium, ionisiertes Kalzium, Magnesium,
ggf. Parathormon
55 Persistenz: Ausschluss DiGeorge-Syndrom (T-Zellmangel,
Hypoparathyreoidismus, Herzfehler)
55 EKG-Kontrolle (QRS-Verbreiterung)

z Therapie
55 Substitution (ggf. auch Mg)

2.7.3 Neonatale Krampfanfälle

55 hypersynchrone Aktivität zerebraler Neurone → abnorme


motorische oder vegetative Aktivität → Steigerung intrazellulärer
Energieumsatz, Glukoseverbrauch, Durchblutung
55 Lokalisation meist subkortikal, unabhängig vom Fokus meist
generalisiert klonischer Ablauf
55 idiopathisch (Ausschlussdiagnose, ca. 25 %) versus symptoma-
tisch (sekundärer Störungen, s. u.)

z Klinik
55 Kloni, Tonuserhöhung im Wachzustand
55 Bulbusbewegungen, starrer Blick, Blinzeln, orale Automatismen,
Kauen, Schmatzen, Gähnen
55 Extremitäten: Rudern, Treten
55 autonome Reaktion: Blutdruckanstieg, Tachykardie
55 Apnoe (im Gegensatz zu Apnoe-Bradykardie oft Tachykardie)

z Diagnostik
55 Beschreibung des Ereignisses, Ausschluss benigner Myoklonien
(durchbrechbar nach Änderung der Schlaftiefe)
55 Ausschluss sekundäre Störungen: Blutentnahme, Lumbal-
punktion, EEG
2.8 · Neonatale Infektionen
49 2
44Metabolismus: Hypoglykämie, Hypokalzämie, -magnesiämie,
-natriämie
44Infektion: Meningoenzephalitis (bakteriell, viral): Liquor IL-6,
Zellzahl, Herpes-PCR
44intrakranielle Blutung: Sonographie
44hypoxisch-ischämische Enzephalopathie (HIE): Anamnese,
NMR
44Hirninfarkt (meist A. cerebri media), Sinusvenenthrombose:
NMR
44angeborene Stoffwechseldefekte (Neugeborenenscreening,
Ammoniak, Laktat, Blutzucker, pH, Basenexzess)
44Fehlbildungen (meist Migrationsstörungen), Trauma
44Vitamin B6-Mangel
55 EEG (früh postiktal) ! Cave nicht alle
55 NMR mit Diffusionswichtung (Ischämie, Infarkt) Neugeborenenkrämpfe im EEG
55 Differenzialdiagnose benigne Myoklonien detektierbar.

z Therapie
55 nach Ausschluss Hypoglykämie/Hypokalzämie Antikonvulsiva > Memo Diagnostik zum
(Phenobarbital, Vitamin B6) Ausschluss sekundärer neonataler
55 bis Ausschluss infektiöser Ursachen: Antibiotika Krampfanfälle innerhalb von einer
(Meningitisdosis)/Aciclovir Stunde.

2.8 Neonatale Infektionen

2.8.1 Bakterielle Infektionen

55 systemische, fulminante Entzündungsreaktion (SIRS), pränatal > Memo Infektion häufigste


FIRS („fetal inflammatory response syndrome“) mit rascher Ursache und Hauptkomplikation
Progression zum septischen Schock der Frühgeburtlichkeit.
44neonatales Immunsystem: humorale + zelluläre Komponenten
+ Interaktion aus Sicht der extrauterinen Welt komprom-
mitiert → intrauterin optimale Austragung der Schwanger-
schaft (semiallogener Fetus) → postnatal erhöhte Infektions-
bereitschaft (besonders Frühgeborene)
44maternofetaler Antikörpertransport (Leihimmunität) ab ca.
30. SSW → <30. SSW Fehlen dieses „Nestschutzes“
44Geburt = „milde Inflammationsreaktion“ → diagnostische
Parameter (Leukozytenzahl, Linksverschiebung) nur einge-
schränkt nutzbar
55 verzögerte Diagnose/Therapie → hohes Risiko von Meningitis,
Spätschäden
55 Formen
44EOBI („early onset bacterial infection“) ≤72 Lebensstunden:
Vaginalkeime (E. coli, Streptokokken Gruppe B) → vaginale
Aszension ins Fruchtwasser (z. B. bei vorzeitigem Blasen-
sprung, Amnioninfektionssyndrom) → Aspiration durch Fetus
→ neonatale Pneumonie
50 Kapitel 2 · Tag 1: Neonatologie

! Cave „Late-onset“-Form bei 44LOBI („late onset bacterial infection“) >72 Lebensstunden:
Streptokokken Gruppe B. häufig nosokomiale Keime
55 Fremdmaterialien (Tubus, Katheter, i.v. Zugänge) → hämatogene
2 Aussaat → Sepsis/Meningitis

z Klinik
55 Kinderkrankenschwester: „Dieses Kind gefällt mir nicht“, sehr
diskrete Zeichen
55 grau-blasses Hautkolorit, Tachy-/Dyspnoe, juguläre, interkostale
Einziehungen
55 verlängertes kapilläres Refill >2 s, Apnoe (Meningitis)
55 Zunahme (Frequenz/Intensität) Apnoe-Bradykardie-Syndrom
55 Hypotonie, Temperaturinstabilität (Fieber nicht obligat),
Schockzeichen

z Diagnostik
55 klinischer Verdacht → Blutentnahme (IL-6 + CRP + Blutbild +
Blutkultur)
55 ggf. Lumbalpunktion (Liquor IL-6, Bakteriologische Untersu-
chung, Zellzahl)
55 Konstellation Laborwerte:
44initial („Stunde Null“): IL-6 erhöht, CRP noch nicht erhöht,
Leukozytose oder -penie (gramnegative Erreger)
4424–48 h nach Infektionsverdacht: Bestätigung durch
CRP-Erhöhung
44Sensitivität Blutkultur gering, dennoch Abnahme

z Therapie
55 klinischer Verdacht → Sofortige Verlegung in Neonatologie und
kalkulierte kombinierte Antibiotikatherapie, ggf. spezifische
Therapie nach Ergebnis Blutkultur
55 Prognose hinsichtlich Spätschäden umso besser, je früher
Therapie
55 Therapieerfolg: Klinik + CRP-Normalisierung
55 Behandlungsdauer: <1 Woche bei blandem Verlauf, 10–14 Tage
bei Sepsis, >14 Tage bei Meningitis, Osteomyelitis

z Prävention
55 EOBI
44Schwangerschaftsvorsorge: frühzeitige Diagnose eines
Amnioninfektionssyndroms ggf. antibiotische Therapie,
CTG-Kontrollen
44Vaginalabstriche (z. B. Streptokokken Gruppe B)
55 LOBI
44Hygiene Stationspersonal (Keine Ringe, Uhren,
Händedesinfektion)
44restriktive Antibiotikagaben, keine -prophylaxe
2.8 · Neonatale Infektionen
51 2
44so wenig und kurz als möglich „Plastik“ ins Kind
44früher enteraler Kostaufbau (Vermeiden von Lipidemulsionen)

2.8.2 Virale Infektionen

55 Abklärung bei Verdacht postnatal: Nachweis von (nicht-plazenta- > Memo Neben spezifischen
gängigem und damit kindlichem) IgM Organkomplikationen
55 prä-/konnatal erworben: (teratogene Periode) ist „kleinstes
44Röteln: Rötelnembryopathie (Katarakt, gemeinsames Vielfaches“:
Innenohrschwerhörigkeit,Herzfehler) Frühgeburt (Spätabort) +
44Herpes simplex: lokal (gruppierte Bläschen), Enzephalitis Hypotrophie + Mikrozephalie.
(35 %), systemisch
44Varizella Zoster: Embryopathie (Enzephalitis, hypoplastische
Gliedmaßen, dermatombezogene Narben), neonatale
Varizellen mit hoher Letalität
44CMV: häufigste konnatale Infektion, 90 % asymptomatisch,
ansonsten Hepato-/Splenomegalie, intrazerebrale Verkal-
kungen, Thrombozytopenie, Retardierung
44HIV: oft asymptomatisch, Gedeihstörung, persistierende
Infektionen mit atypischen Erregern
44Hepatitis B: perinatal erworben, Hepatomegalie, Ikterus
44Parvovirus B19: Intrauterine Anämie bis zum fetalen Hydrops
55 postnatal erworben:
44CMV: endogene Reaktivierung einer CMV-positiven
Mutter → laktogen übertragene CMV-Infektion, für ! Cave Meningoenzephalitis bei
Frühgeborene potenziell gefährlich („Sepsis-like“-Syndrom, Herpes simplex fulminant →
evtl. Spätschäden) →Therapie: Pasteurisierung der bei anamnestisch/klinischen
Muttermilch Hinweisen auf Infektion bis zum
44Rotavirus: für Frühgeborene potenzieller Auslöser einer Ausschluss (negative Herpes-PCR
nekrotisierenden Enterokolitis im Liquor) → Aciclovir.

2.8.3 Pilzinfektionen

55 lokale Form (Mund-, Analsoor): häufig Candidaspezies,


Behandlung (Nystatin) lokal
55 systemische Form: Vollbild einer Candidasepsis mit Organmani-
festationen (Pneumonie, Glomerulonephritis mit „fungus balls“,
Nieren)
44Risikokollektiv: unreife Frühgeborene bei langem/unkriti-
schem Einsatz von Antibiotika

z Klinik
55 oft nicht von LOBI zu unterscheiden
55 Verschlechterung klinischer Zustand + Entzündungszeichen trotz
antibiotischer Behandlung
52 Kapitel 2 · Tag 1: Neonatologie

z Diagnostik
55 Blutkulturen, spezielle Abstrichmedien

2 z Therapie
55 fungistatische Langzeittherapie (z. B. Fluconazol, Amphotericin
B; Spiegelkontrollen)

2.9 Embryofetopathien nichtinfektiöser Genese

2.9.1 Fetales Alkoholsyndrom (FAS)

55 Synonym: Alkoholembryopathie
55 Alkohol = Zellgift (u. a. Mitosehemmer); Schädigung auch durch
Alkoholabbauprodukte
55 Embryo kann plazentagängigen Alkohol nicht abbauen
55 ca. 20–30 % aller Kinder mit mütterlichem Alkoholabusus
(30–80 g/d)
55 Häufigkeit 1:500–1:800

z Klinik
55 Hypotrophie, Minderwuchs, mangelndes Unterhautgewebe
55 mentale Retardierung, kognitive Behinderung,
Mikrozephalie
55 Verhaltensauffälligkeiten: Hyperaktivität
55 Dysmorphiezeichen:
44Epikanthus
44antimongoloide Lidachsenstellung, kurze Lidspalten
44schmales Lippenrot, hypoplastisches Philtrum
44kleines Kinn
44hoher Gaumen, Lippen-Kiefer-Gaumenspalten
55 Skelettanomalien (Klinodaktylie)
55 Organfehlbildungen (z. B. Herzfehler)

z Diagnostik
55 Alkoholkonsum der Mutter gesichert
55 zwei von drei FAS-Kriterien vorliegend:
44vor-/nachgeburtliche Wachstumsstörungen
44Störungen des Zentralnervensystems
44Gesichtsveränderungen

z Therapie
55 kausal nicht möglich
55 Frühförderung für Entwicklung entscheidend
2.9 · Embryofetopathien nichtinfektiöser Genese
53 2

. Tab. 2.15  Art und Häufigkeit typischer Entzugsymptome

76–100 % 25–75 % <25 %

Zittrigkeit Trinkschwierigkeiten Fieber


Irritabilität Erbrechen Krämpfe
Hyperaktivität Durchfälle
Muskuläre Hypertonie Niesen
Kurze Schlafphasen Tachypnoe
Schrilles Schreien Schwitzen
Übermäßiges Saugen

2.9.2 Drogenentzug

55 gute Aufnahme und Verteilung von Morphinderivaten im fetalen


Gewebe; Abhängigkeit des Neugeborenen durch mütterlichen
Drogenabusus während der Schwangerschaft
55 teratogene Schädigung durch Drogenkonsum möglich (insbe-
sondere Kokain)
55 Gefährdung:
44Kind: intrauterine Abhängigkeitsentwicklung; fetaler Entzug
44Mutter: Entzugskomplikationen, Konsum weiterer Drogen,
Mangelernährung, unzureichende medizinische Betreuung,
erhöhte Inzidenz viraler Infektionen, „sexually transmitted
diseases“
55 70–90 % der Kinder heroinabhängiger Mütter (auch nach Metha-
donsubstitution) behandlungsbedürftige Entzugssymptomatik
55 Symptome 40–60 h (Heroin), 72 h bis zu 2 Wochen (Methadon)

z Klinik
. Tabelle 2.15
55 postnatale Atemdepression, Asphyxie
44Frühgeburtlichkeit, SGA
44Mikrozephalus
44transitorischer Pendelnystagmus
44Infektionen (HIV, Hepatitis u. a.)
44erhöhtes Risiko für plötzlichen Kindstod (Kokain 15/100,
Heroin 6/1.000, Methadon 10/1.000)

z Diagnostik
55 Ausschluss von Hypoglykämie, -kalzämie, -magnesiämie,
Meningitis, Sepsis, Gastroenteritis
55 Drogennachweis im mütterlichen Urin und fetalem Urin oder
Mekonium
54 Kapitel 2 · Tag 1: Neonatologie

55 Hepatitisserologie, HIV-Status
55 Finnegan-Score regelmäßig (Quantifizierung Entzugssymptome)

2 z Therapie
55 supportive Therapie:
44Monitoring von EKG, Atmung während des Entzugs
44orale Ernährung, viele kleine Mahlzeiten
44Abschirmung vor exogenen Reizen
44Hepatitisimpfung
55 medikamentöse Therapie: Phenobarbital, Tinctura opii,
Morphinhydrochlorid p.o.
55 Einschaltung von Sozialdienst, Jugendamt, Pflegefamilien
55 3

Tag 1: Genetische und


metabolische Erkrankungen
B. Karges

3.1 Chromosomale Störungen – 56


3.1.1 Trisomie 21 (Down-Syndrom) – 56
3.1.2 Ullrich-Turner-Syndrom – 57
3.1.3 Klinefelter-Syndrom – 58
3.1.4 Syndrom des fragilen X-Chromosoms – 59
3.1.5 Mikrodeletionssyndrome – 60

3.2 Störungen des Aminosäurestoffwechsels – 60


3.2.1 Phenylketonurie – 61
3.2.2 Tyrosinämien – 63
3.2.3 Störungen im Stoffwechsel verzweigtkettiger Aminosäuren
und verwandte Organoazidurien – 66
3.2.4 Andere Erkrankungen des Aminosäurestoffwechsels – 70
3.2.5 Störungen des Harnstoffzyklus – 74

3.3 Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels – 75


3.3.1 Kongenitaler Hyperinsulinismus – 75
3.3.2 Glykogenspeicherkrankheiten – 77
3.3.3 Störungen des Galaktosestoffwechsels – 79
3.3.4 Störungen des Fruktosestoffwechsels – 82

3.4 Störungen des Fettstoffwechsels – 83


3.4.1 Störungen im Fettsäuremetabolismus – 83
3.4.2 Lipoproteinstoffwechselstörungen – 84

3.5 Andere Stoffwechselerkrankungen – 88


3.5.1 Lysosomale Speicherkrankheiten – 88
3.5.2 Peroxisomale Erkrankungen – 92

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2017


B. Karges, N. Wagner (Hrsg.), Pädiatrie in 5 Tagen, Springer-Lehrbuch,
DOI 10.1007/978-3-662-52813-6_3
56 Kapitel 3 · Tag 1: Genetische und metabolische Erkrankungen

3.1 Chromosomale Störungen

55 Häufigkeit numerischer oder struktureller Aberrationen ca. 1:150


Lebendgeburten
55 Indikation zur Durchführung einer Chromosomenanalyse
44angeborene komplexe Fehlbildungen
3 44mentale Retardierung
44multiple Fehlgeburten/Totgeburten
44Störung der Geschlechtsentwicklung (z. B. atypisches Genitale,
fehlende Pubertät)
44positive Familienanamnese für chromosomale Erkrankung
55 Mortalität von Trisomie 18 und 13 im ersten Lebensjahr >90 %

3.1.1 Trisomie 21 (Down-Syndrom)

55 häufigstes chromosomales Syndrom durch überzähliges


Chromosom 21
55 1:700 Lebendgeborene, Inzidenz steigt mit mütterlichem Alter
55 in 95 % freie Trisomie 21, in 5 % Translokation, selten partielle
Trisomie
55 „contiguous gene syndrome“, d. h. die dreifache Dosis mehrerer
Gene einer bestimmten Chromosomenregion verursacht typische
Merkmalskombination

z Klinik
55 kraniofaziale Dysmorphie: mongoloide Lidachsen (80 %),
Epikanthus (60 %), Brachyzephalie (75 %), flache Nasenwurzel
(70 %), kurzer Hals, Makroglossie, hoher Gaumen, Dysodontie
55 Augenfehlbildungen: Brushfield-spots der Iris, Katarakt, Myopie,
Glaukom
55 Skelettsystem: hypoplastisches breites Becken, kurze
breite Hände, Vierfingerfurche, Sandalenlücke, Skoliose,
Kleinwuchs
55 Organfehlbildungen: Herz (40 %, meist AV-Kanal), Magen-
Darmtrakt (2–10 %), Niere
55 mentale Retardierung
55 muskuläre Hypotonie
55 verzögerte motorische und sprachliche Entwicklung
55 Hörstörungen
55 erhöhte Infektanfälligkeit
55 obstruktive Schlafapnoe
55 erhöhtes Risiko für Autoimmunerkrankungen (Hashimoto-
Thyreoiditis, Typ 1 Diabetes, Zöliakie, juvenile idiopathische
Arthritis)
55 erhöhte Leukämieinzidenz (14- bis 20-fach erhöht)
55 Hypogonadismus, Infertilität bei Männern, reduzierte Fertilität
bei Frauen
3.1 · Chromosomale Störungen
57 3
z Diagnostik
55 Chromosomenanalyse und genetische Beratung
55 Echokardiographie, Abdomensonographie
(Begleitfehlbildungen)
55 Augenärztliche Untersuchung, HNO-ärztliche Untersuchung
inklusive Hörtest, ggf. Polysomnographie, zahnärztliche und
orthopädische Untersuchung
55 Schilddrüsenfunktion (fT4, TSH) jährlich kontrollieren

z Therapie
55 je nach begleitenden Fehlbildungen und Komplikationen
55 Physiotherapie, Logopädie, Ergotherapie, Heilpädagogik
55 soziale und psychische Unterstützung der Familie

3.1.2 Ullrich-Turner-Syndrom

55 numerische oder strukturelle Aberration des X-Chromosoms, in


50 % Monosomie 45,X0, sonst Mosaike (z. B. 45,X0/46,XX) oder
46,X,i (Xq) mit primärer Ovarialinsuffizienz
55 Häufigkeit 1:2.000 Mädchen

z Klinik
55 Kleinwuchs > Memo Wachstumsprognose
55 typische klinische Stigmata (u. a. Pterygium colli, Trichterbrust, liegt unterhalb der familiären
Lymphödeme) Zielgröße.
55 häufig Organfehlbildungen: z. B. Herz (meist Aortenisthmuss-
tenose, bikuspide Aortenklappe), Niere
55 fehlende Pubertät und primäre Amenorrhö, Infertilität
55 sekundäre Osteoporose (falls längere Zeit unbehandelt)

z Diagnostik
55 Chromosomenanalyse
55 Röntgen linke Hand zur Bestimmung von Knochenalter und
Wachstumsprognose
55 Gonadotropine LH, FSH ↑ (wegen primärer
Gonadeninsuffizienz)
55 Nierensonographie, Echokardiographie (Begleitfehlbildungen,
-erkrankungen)
55 HNO-ärztliche Untersuchung incl. Audiometrie (Schalleitungs-,
Innenohrschwerhörigkeit)
55 augenärztliche Untersuchung (z. B. Myopie)
55 erhöhtes Risiko für Autoimmunerkrankungen (u. a. Thyreoiditis,
Zöliakie, Diabetes, Hepatitis)

z Therapie
55 Östrogensubstitution zur Induktion der Pubertät, dann zyklische
Östrogen/Gestagentherapie
58 Kapitel 3 · Tag 1: Genetische und metabolische Erkrankungen

55 Wachstumshormon s.c. zur Steigerung des Längenwachstums


(führt bei frühem Beginn bis ca. 8. Lebensjahr zu einer Verbes-
serung der Endgröße um 8–10 cm)
55 Gonadektomie bei Nachweis eines Y-Chromosoms wegen
Gonadoblastom-Risiko (12 %)
55 psychologische Unterstützung der Patientin und ihrer Familie
3 (u. a. wegen Infertilität)
55 lebensbegleitend medizinische Kontrolluntersuchungen (u. a.
erhöhte kardiale Morbidität)

3.1.3 Klinefelter-Syndrom

55 numerische Chromosomenaberration bei Männern, Karyotyp


47,XXY in 80 %, sonst Mosaike, höhergradige X-chromosomale
Aneuploidien oder zusätzliche Y-Chromosomen
55 Häufigkeit 1:500 Jungen
55 hypergonadotroper Hypogonadismus mit typischen Folgeerkran-
kungen (z. B. Osteoporose)

z Klinik
55 verzögerte Pubertät, aber Diagnosestellung oft im
Erwachsenenalter
55 Androgenmangel mit verminderter Libido, erektiler Dysfunktion,
spärliche virile Behaarung (Hypogonadismus)
> Memo Leitbefund sind kleine, 55 Hochwuchs mit langen Beinen (wegen anhaltendem
feste Hoden (<10 ml) mit Längenwachstum)
Azoospermie (Infertilität). 55 häufig Gynäkomastie
55 sprachliche Fähigkeiten unterdurchschnittlich
55 seltener Lern- und Verhaltensstörungen
55 sekundäre Osteoporose (falls längere Zeit unbehandelt)

z Diagnostik
55 Testosteron ↓, LH und FSH ↑ (primäre Gonadeninsuffizienz)
55 Chromosomenanalyse
55 Röntgen linke Hand zur Bestimmung von Knochenalter und
Wachstumsprognose
55 ggf. Osteoporosediagnostik
55 erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, Mamma-
karzinom, Diabetes, Hypothyreose

z Therapie
55 Testosteron Substitution (z. B. Depot i.m., transdermal), Ziel:
komplette Virilisierung und Prävention der Osteoporose
55 bei ausgeprägter Gynäkomastie ggf. chirurgische Resektion
55 ggf. Logopädie, Therapie der Lern- und Verhaltensstörungen
3.1 · Chromosomale Störungen
59 3
55 bei manifester Osteoporose: Therapie mit Vitamin D, Kalzium
und ggf. Bisphosphonat
55 meist Infertilität, in Einzelfällen erfolgreiche assistierte Repro-
duktion z. B. durch intrazytoplasmatische Spermieninjektion
(ICSI) nach testikulärer Spermienextraktion (TESE), Fertili-
tätsrate am höchsten bei Mosaik 46,XY/47,XXY

3.1.4 Syndrom des fragilen X-Chromosoms

55 mentale Retardierung assoziiert mit instabilem DNA-Fragment


bei Xq27.3
55 Synonym: Martin-Bell-Syndrom
55 Häufigkeit Jungen 1:4.000 (ca. 3 % der männlichen geistigen
Behinderung), Mädchen 1:6.000
55 Ursache: Mutation im FMR1-Gen („fragile site mental
retardation 1“), Tandemamplifikation von CCG-Trinukleotid
(Kopienzahl: Gesunde 0–50, Prämutation 55–200, Betroffene
(Vollmutation)>200–2.000), zunehmende Verlängerung der
Nukeotidsequenz in Generationenfolge (instabile Mutation)
→ Antizipationseffekt
55 Individuen mit Prämutation haben erhöhtes Risiko für spätma-
nifestierende neurodegenerative Störung mit Tremor und Ataxie,
bei Frauen häufiger primäre Ovarialinsuffizienz

z Klinik
55 Lernschwierigkeiten bis schwere geistige Behinderung (IQ < 60)
55 verzögerte Sprachentwicklung, Autismus
55 psychiatrische Symptome: Hyperaktivität, Impulsivität,
Depression, Aggressivität
55 prominente Ohren, langes Gesicht, großer Kopf, Prognathie
55 vergrößerte Hoden bei Jungen ab Pubertät
55 Hochwuchs (als Kind), überstreckbare Gelenke, teigige Hände

z Diagnostik
55 DNA-Analyse mit Nachweis der CCG-Amplifikation im
FMR1-Gen (CCG-Kopienzahl)
55 bei Bestätigung der Diagnose Familienuntersuchung
55 Echokardiographie (Aortenbogendilatation,
Mitralklappenprolaps)
55 Röntgen linke Hand mit Bestimmung des Knochenalters und der
Wachstumsprognose

z Therapie
55 symptomatisch, Logopädie, Ergotherapie, Heilpädagogik
55 soziale und psychische Unterstützung der Familie
60 Kapitel 3 · Tag 1: Genetische und metabolische Erkrankungen

3.1.5 Mikrodeletionssyndrome

55 Erkrankungen mit Verlust sehr kleiner Chromosomenbruch-


stücke, die durch FISH- oder DNA Untersuchungen erkannt
werden (. Tab. 3.1)
55 Häufigkeit 1:4.000 (Mikrodeletion 22q11.2) bis 1:15.000
3 55 „contiguous gene syndrome“, falls mehrere benachbarte Gene von
der Deletion betroffen sind
55 uniparentale Disomie: beide homologe Chromosomen werden
vom gleichen Elternteil geerbt → kann zu Erkrankungen führen,
wenn dadurch monoallelisch exprimierte Gene fehlen, die
grundsätzlich nur auf einem elterlichen Allel (nur mütterlich/
väterlich) aktiv sind (genomic imprinting), typische Beispiele sind
Prader-Willi-Syndrom und Angelman-Syndrom
55 Eltern betroffener Kinder können Träger einer balanzierten
Strukturaberration sein
55 Therapie: symptomatisch

3.2 Störungen des Aminosäurestoffwechsels

55 Enzymdefekte in Umwandlung und Abbau von Aminosäuren


verursachen Anstau toxischer Metabolite, die zu Organschäden
(u. a. Gehirn, Leber, Niere) führen
55 akute Symptome werden durch katabole Stoffwechsellage
ausgelöst (Abbau endogener Proteine, Freisetzung von Amino-
säuren z. B. bei Fasten, Infektion, Operation), abhängig von
44spezifischer Toxizität der Metabolite bzw. Mangel an Produkt
44Ausmaß/Dauer der Proteinzufuhr oder des endogenen
Proteinabbaus bei Katabolie
55 chronisch neurologische Schäden ohne akute Entgleisung möglich
55 unterschieden werden
44Aminoazidopathien: betreffen zytosolische Enzyme
→ Aminosäuren in Plasma (und Urin) ↑
44Organoazidurien: Defekt mitochondrialer Enzyme, betrifft
Abbau kleiner CoA-aktivierter Carbonsäuren → Analyse über
Ausscheidung organischer Säuren im Urin
55 Manifestation in jedem Alter möglich, häufig in Neugeborenen-
periode, Säuglingsalter durch
44akutes Koma, Ataxie, Enzephalopathie
44akute Verschlechterung oder ungewöhnlich lange Dauer eines
unspezifischen Infektes
44progrediente neurologische Symptomatik
44Multisystemerkrankung
44Ketonurie, Azidose, Hypoglykämie, Hyperammonämie
55 Therapie mit speziellen Diäten
44Proteinrestriktion (Zufuhr nicht abbaubarer/toxischer Amino-
säuren reduzieren)
3.2 · Störungen des Aminosäurestoffwechsels
61 3

. Tab. 3.1  Mikrodeletionssyndrome

Syndrom Chromosomale Lokalisation Klinik

CATCH 22 22q11.2 Cardial → Herzfehler


DiGeorge (DGS) Abnormes Gesicht
Velokardiofaziales (Shprintzen, Thymushypoplasie → Immundefekt
VCFS) Cleft Palate → Gaumenanomalien
Hypokalzämie → Hypoparathyreoidismus
Lernbehinderung
Williams-Beuren 7q11.23 Supravalvuläre Aortenstenose
Hyperkalzämie
Lernbehindert, expressive Sprache gut,
distanzlos
Charakteristisches Gesicht
Prader-Willi1 15q11.2 Muskuläre Hypotonie, Hyporeflexie
Zunächst Gedeihstörung dann Adipositas
Kleinwuchs
Entwicklungsverzögerung, verhaltensauffällig
Hypogonadismus, Skrotal-, Labienhypoplasie
Angelman2 15q11.2 Schwere geistige Behinderung, Ataxie
Epilepsie, Lachanfälle

DGS: Entwicklungsdefekt der 3./4. Schlundtasche, phänotypisch Überlappung mit VCFS (→ Gaumenanomalie), breites
Phänotypspektrum → FISH-Analyse (22q11.2) bei einem „CATCH“-Symptom erwägen
1Paternale Deletion in 70 %, maternale uniparentale Disomie in 25 %, Imprinting Mutation in 1 % (→ Fehlen

väterlicher Allele)
2Maternale Deletion in 70 %, paternale uniparentale Disomie in 3 %, Imprinting Mutation in 3 % (→ Fehlen

mütterlicher Allele)

44Supplementation der normal verstoffwechselten Aminosäuren


(Mangel vermeiden)
44konsequente und zuverlässige Notfalltherapie im Frühstadium ! Cave Spezielle Behandlung
der Entgleisung und Notfallmaßnahmen sind
–– Vermeidung/Umkehr einer Katabolie durch Flüssigkeits-, nicht auf Kindesalter beschränkt
Energiezufuhr (Glukose, Fett) und müssen lebensbegleitend
–– konsequente Fortführung der Einnahme von Medika- angewandt werden! → Schulung
menten (Kofaktoren, Vitamine) der Familie und Notfallausweis für
–– spezielle Detoxifizierung jeden Patienten.

3.2.1 Phenylketonurie

55 erhöhte Phenylalaninkonzentration >120 µmol/l im Plasma,


Phenylalanin:Tyrosin-Ratio >3
55 entsteht in 98 % durch Funktionseinschränkung der Phenylala-
ninhydroxylase (PAH), seltener (2 %) gestörte Biosynthese oder
Regeneration des PAH Kofaktors Tetrahydrobiopterin (BH4)
62 Kapitel 3 · Tag 1: Genetische und metabolische Erkrankungen

. Tab. 3.2  Klinische Klassifikation der Phenylketonurie (PKU) und Hyperphenylalaninämie*

Klassische PKU Milde PKU Milde Hyperphenylalani-


nämie (MHP)#

Enzymaktivität (PAH) <1 % 1–3 % 3–10 %


3 Phenylalanin (Phe) im Plasma >1.200 600–1.200 120–600
vor Therapie (µmol/l)

* Variante „BH4-responsive PKU“: Abfall der Phe-Spiegel nach BH4 Gabe → immer überprüfen!
# bei Phe Konzentrationen <600 µmol/l unter normaler Ernährung keine Therapie erforderlich, Prävalenz der MHP
1:7.000
In ca. 2 % Fehlen des Kofaktors BH4 → Mangel der Neurotransmitter Dopamin, Serotonin, Akkumulation von Pterinen

55 PAH-Defekt durch autosomal-rezessive Mutationen im


PAH-Gen
55 bei PAH-Defekt Abbau von Phenylalanin (Phe) in Phenylketone
→ Phenylketonurie (PKU)
55 Prävalenz der PKU 1:10.000
55 führt unbehandelt zu schwerer psychomotorischer Retardierung
(Störung der Myelinisierung und kognitiver Funktionen), bei
adäquater Behandlung altersentsprechende Entwicklung
. Tabelle 3.2

z Klinik
! Cave Neugeborene mit 55 unbehandelte Kleinkinder mit PKU
klassischer PKU sind unauffällig! 44blonde Haare, helle Haut, blaue Augen, ekzematöse
Hautveränderungen
44progredienter mentaler Entwicklungsrückstand, zerebrale
Krampfanfälle, Pyramidenbahnzeichen, Muskeleigenreflexe
gesteigert, Muskeltonus ↑, Hyperkinesie, verhaltensauffällig
44Uringeruch von Phenylessigsäure (Pferdestall)
55 bei BH4-Mangel (atypische PKU)
44neurologische Symptome in ersten Lebenstagen: infantiler
Parkinsonismus mit Hypokinesie, Hypomimie, Stammhypo-
tonie, Extremitätenhypertonie, Schluckbeschwerden mit
Hypersalivation, Myoklonien, Choreoathetose, psychomotori-
scher Entwicklungsrückstand, Mikrozephalie

z Diagnostik
55 Neugeborenen-Screening am 3. Lebenstag (quantitative Phenyl-
alanin (Phe)-Bestimmung)
55 Diagnosebestätigung durch
44Aminosäuren (Plasma): Phe ↑, Tyrosin normal/↓
44Ausschluss sekundärer Ursachen (z. B. Leber-, Niereninsuffi-
zienz, Tyrosinämie)
3.2 · Störungen des Aminosäurestoffwechsels
63 3
44BH4-Test: BH4 20 mg/kg p.o. → Abfall von Phe um mindestens
30 % nach 4–24 h
55 Mutationsanalyse (PAH-Gen) → Genotyp-Phänotyp-Korre-
lation, Pränataldiagnostik
55 Pterinmetabolite im Urin ↑, → BH4-Mangel
55 Aktivitätsbestimmung der Dihydropterin-Reduktase im
Trockenblut ↓ → BH4-Mangel

z Therapie
55 PAH-Defekt ohne BH4-Sensitivität
44phenylalaninfreie Säuglingsnahrung (z. B. PKU-Mix®, P-AM
Analog®)
44nach Abfall von Phe < 360 µmol/l → phenylalaninarme Diät
–– wenig Muttermilch oder Säuglingsnahrung im Wechsel mit
phenylalaninfreier Milch
–– vegetarische Diät (Meiden von Fleisch, Fisch,
Milchprodukten)
44Eiweißsubstitution mit phenylalaninfreiem Aminosäure-
gemisch (z. B. PKU®, P-AM®, angereichert mit Tyrosin,
Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen)
55 PAH-Defekt mit BH4 Sensitivität: BH4 10–15 mg/kg/d
55 Ziele: Plasmaphenylalanin (aus Kapillarblut, zunächst täglich,
dann wöchentlich/monatlich)
441.–10. Lebensjahr: 40–240 µmol/l
4411.–16. Lebensjahr: 40–900 µmol/l
44>16 Jahre: <1.200 µmol/l
44Schwangerschaft: 120–360 µmol/l
44Therapiebeginn innerhalb der ersten 2 Lebenswochen (so früh
wie möglich)
44möglichst strenge Einhaltung der lebensbegleitenden Therapie
44bei maternaler PKU: strenge Diäteinstellung vor und während
der Schwangerschaft
55 bei BH4-Mangel ! Cave BH4-Stoffwechselstörung
44zusätzlich Neurotransmittervorstufen L-Dopa, Carbidopa, vor Therapiebeginn ausschließen,
5-OH Tryptophan substituieren da sonst trotz diätetischer
44bei Dihydropterinreduktasemangel ist BH4 wirkungslos PKU Behandlung schwere
→ Therapie mit phenlyalaninarmer Diät, Neurotransmittervor- neurologische Störungen
stufen, Folinsäure → Kontrolle über Neurotransmitter im Liquor auftreten.

3.2.2 Tyrosinämien

Transitorische Tyrosinämie des Neugeborenen


55 betrifft 0,2–10 % der Neugeborenen, häufig Frühgeborene
55 vorübergehender Tyrosin-Anstieg im Plasma durch Unreife von
Leberenzymen
55 wird begünstigt durch proteinreiche Ernährung (>3 g/kg/d)
64 Kapitel 3 · Tag 1: Genetische und metabolische Erkrankungen

55 meist asymptomatisch, gelegentlich Trinkschwäche, Spontan-


motorik ↓, Lethargie
55 Phenylalanin (positives Neugeborenen-Screening!) und Tyrosin
(Plasma) ↑
55 Therapie: Verminderung der Proteinzufuhr, Vitamin C
200–400 mg/d (Enzyminduktion)
3 55 Spontanheilung meist innerhalb eines Monats

Tyrosinämie Typ I
55 Defekt der Fumarylazetoazetathydrolase (FAH), autosomal-
rezessiv erblich
55 Häufigkeit 1:100.000, häufiger in Bevölkerung französischen
Ursprungs in Quebec (1:1.900)
55 Akkumulation hepatotoxischer Metabolite, erhöhte
Ausscheidung von 5-Aminolävulinsäure

z Klinik
55 akute oder chronische Lebererkrankung (Erbrechen, Ikterus,
Hepatomegalie, Ödeme, Aszites, Hypoglykämie, Gerinnungs-
störung) → Leberzirrhose, terminales Leberversagen
55 Gedeihstörung, Wachstumsrückstand, Rachitis (renal-tubuläre
Funktionsstörung)
55 periphere Neuropathie und neurologische Krisen
(porphyrieähnlich)

z Diagnostik
55 Aminosäuren (Plasma): Tyrosin ↑, Methionin ↑
55 organische Säuren (Urin, Plasma): Sukzinylazeton ↑
55 Phorphyrine (Urin): 5-Aminolävulinsäure ↑ (Hemmung der
Porphobilinogensynthese)
55 Leberfunktionsstörung: Transaminasen ↑, Gerinnungsstörung,
Protein ↓, BZ ↓, Bilirubin ↑
55 α-Fetoprotein ↑ (hepatozelluläres Karzinom im Kleinkind-,
Schulalter)
55 Hyperaminoazidurie, Glukosurie, Hyperphosphaturie
(Fanconi-Syndrom)
55 Enzymaktivität (Leber, Fibroblasten)
55 Mutationsanalyse (FAH-Gen)
55 Pränataldiagnostik möglich (Chorionzottenbiopsie, Fruchtwas-
seranalyse, Genetik)

z Therapie
> Memo Lebertransplantation 55 NTBC [2-(2-Nitro-4-Trifluoro-Methylbenzoyl)-1,3-Cycloha-
seit Einführung der NTBC xandion], ein Herbizid, hemmt die 4-Hydroxyphenylpyruvat-Dio-
Therapie meist nicht xygenase und verhindert so die Bildung der toxischen Metabolite
notwendig. 55 Diät: tyrosinarm, phenylalaninarm, methioninarm (NTBC führt
zur Hypertyrosinämie)
3.2 · Störungen des Aminosäurestoffwechsels
65 3
Tyrosinämie Typ II (okulokutane Tyrosinose)
55 seltener autosomal-rezessiver Defekt der Zytosol-Tyrosinamino- > Memo Manifestation an Haut
transferase (TAT) in Leber und Augen, Kornealläsion durch
55 Akkumulation von Tyrosin in Plasma und Liquor kristalline Tyrosinablagerung.

z Klinik
55 Haut: palmare und plantare, schmerzhafte, nicht juckende Hyper-
keratosen (in 80 %)
55 Augen: korneale, herpetiforme Erosionen und Ulzerationen
→ Photophobie, Tränen, Rötung
55 als neurologische Komplikation evtl. mentale Retardierung

z Diagnostik
55 Aminosäuren (Plasma): Tyrosin ↑↑ >1.200 µmol/l
55 organische Säuren (Urin): 4-Hydroxyphenylpyruvat, -laktat und
-azetat ↑
55 Enzymaktivität (Lebergewebe)
55 Mutationsanalyse (TAT-Gen)

z Therapie
55 Diät: tyrosin- und phenylalaninarm → Abheilen der kornealen
und kutanen Läsionen
55 früher Therapiebeginn (Ziel: Tyrosin < 600 µmol/l) kann mentale
Retardierung verhindern

Alkaptonurie
55 Defekt der Homogentisinsäureoxidase, autosomal-rezessiv
erblich
55 Homogentisinsäure entsteht im Stoffwechsel von Phenylalanin
und Tyrosin
55 typische Trias: Homogentisinurie (→ braunrote Verfärbung des
Urins), Ochronose, Arthritis

z Klinik
55 Nachdunkeln des Urins bei alkalischem pH (Oxidation, Polymere
der Homogentisinsäure)
55 Ochronose: Dunkelfärbung von Cerumen, Knorpel, Skleren,
Kornea, Konjunktiven
55 Arthitis (erst im Erwachsenenalter, durch Ablagerung toxischer
Metabolite)
55 Herzklappendefekte

z Diagnostik
55 organische Säuren (Urin): Homogentisinsäure ↑

z Therapie
55 proteinarme Diät
66 Kapitel 3 · Tag 1: Genetische und metabolische Erkrankungen

3.2.3 Störungen im Stoffwechsel verzweigtkettiger


Aminosäuren und verwandte Organoazidurien

Ahornsirupkrankheit
55 Synonyme: Leuzinose, „maple sirup urine disease“ (MSUD)
55 Defekte im Dehydrogenase-Enzymkomplex der verzweigtket-
3 tigen 2-Oxosäuren, werden autosomal-rezessiv vererbt
> Memo Uringeruch wie 55 Störung der oxidativen Decarboxylierung führt zur Akkumu-
Ahornsirup oder Maggi. lation der verzweigtkettigen 2-Oxosäuren und der Aminosäuren
Leucin, Isoleucin, Alloisoleucin und Valin in allen Organen und
Körperflüssigkeiten
55 ausgeprägte neurologische Symptome bei Neugeborenen (Leucin
und 2-Oxo-Isocapronsäure sind neurotoxisch)
55 Häufigkeit 1:160.000

z Klinik
. Tabelle 3.3

z Diagnostik
55 Neugeborenen-Screening am 3. Lebenstag (Leucin ↑, Isoleucin ↑,
Alloisoleucin ↑)
55 schwere metabolische (Keto-)Azidose, Hypoglykämie
55 Aminosäuren (Plasma, Urin): Leucin ↑, Isoleucin ↑, Valin ↑;
Alloisoleucin ↑ (spezifisch)
55 organische Säuren (Urin): 2-Oxosäuren der verzweigtkettigen
Aminosäuren ↑

z Therapie
55 akute Krise
44Proteinzufuhr stoppen, hochdosierte Glukoseinfusion mit
Insulin
44Entfernung toxischer Metabolite durch forcierte Diurese und/
oder Hämofiltration
44Therapieversuch mit Thiamin 10 mg/d
55 Dauertherapie
44eiweißarme Diät, Substitution leucin-, isoleucin-, valinfreier
Aminosäuremischungen
! Cave bei katabolen Situationen 44bei Thiaminsensitivität Thiamin 10–800 mg/d
(z. B. Infekt, Operation) Gefahr 55 Prognose gut bei Therapiebeginn vor 5. Lebenstag und konse-
von Ketoazidose und Hirnödem. quenter Therapie

Klassische Organoazidurien
55 autosomal-rezessiv erbliche Störungen im intramitochondrialen
Abbau von Leucin, Isoleucin, Valin betrifft
44Methylmalonyl-CoA-Mutase → Methylmalonazidurie
(MMA)
3.2 · Störungen des Aminosäurestoffwechsels
67 3

. Tab. 3.3  Klinische Symptome der Ahornsiruperkrankung

Formen Symptome

Klassisch In erster Lebenswoche rasch progrediente neurologische Symptome mit


Trinkschwäche, Erbrechen, Somnolenz, muskuläre Hyper-/Hypotonie, Krampfanfälle
Süßlich-würziger Geruch von Urin, Schweiß, Zerumen
Schwere Ketoazidose
Mild/intermediär* Rezidivierendes Erbrechen, Gedeihstörung
Progrediente psychomotorische Retardierung, Ataxie
Meist keine Ketoazidose
Intermittierend* Episodenhafte metabolische Entgleisung bei Katabolie (Infekt, Operation) oder nach
proteinreichen Mahlzeiten
→ in Krise wie klassische Form
Meist unauffällige psychomotorische Entwicklung
Wird im Neugeborenen Screening nicht immer erkannt!

* „Thiamine-responsive“ Variante: Thiamingabe führt zu klinischer und biochemischer Besserung

44Propionyl-CoA-Carboxylase → Propioanazidurie (PA)


44Isovaleryl-CoA-Dehydrogenase → Isovalerianazidurie (IVA)
mit „Schweißfußgeruch“
55 kumulative Häufigkeit der Enzymdefekte 1:10.000
55 Akkumulation organischer Säuren
44hemmt Pyruvatdehydrogenase (→ Laktatazidose)
44führt zu Veresterung mit Carnitin (→ Aycl- bzw. Isovaleryl-
Carnitin ↑, → sekundärer Carnitinmangel)
44verhindert Glukoneogenese durch Hemmung der Pyruvat-
carboxylase (→ Hypoglykämie)
44hemmt Harnstoffzyklus über Acetylglutamatsynthetase
(→ Hyperammonämie → Hirnödem)

z Klinik
. Tabelle 3.4

z Diagnostik
55 Neugeborenen-Screening am 3. Lebenstag (Azylcarnitine ↑ bzw.
Isovaleryl-Carnitin ↑)
55 metabolische (Laktat-)Azidose, Hypoglykämie, Hyperammo-
nämie, Ketonurie
55 organische Säuren (Urin): spezifische Metabolite
55 Aminosäuren (Plasma): Glycin ↑, Alanin ↑
55 Carnitinstatus (Plasma): Azylcarnitine ↑ bzw. Isovalerylcarnitin
↑, freies Carnitin ↓
55 Blutbild: Anämie, Neutropenie, Thrombopenie
55 Enzymaktivität (Fibroblasten) fakultativ
68 Kapitel 3 · Tag 1: Genetische und metabolische Erkrankungen

. Tab. 3.4  Klinische Einteilung der Methylmalonazidurie*,+, Propionazidurie+ und Isovalerianazidurie#

Manifestationsformen Symptome

Neonatal, akut In ersten Lebenstagen Trinkschwäche, Erbrechen, Hepathopathie, muskuläre


Hypotonie, Somnolenz, Koma, Multiorganversagen
3 Chronisch-intermittierend bei katabolem Stoffwechsel (z. B. Infektion, Operation) metabolische Krisen
mit Azidose, Hyperammonämie, im Intervall asymptomatisch
Chronisch-progredient Gedeihstörung, muskuläre Hypotonie, psychomotorische
Entwicklungsretardierung, rezidivierende Infekte

* „Vitamin B12-responsive“ Varianten beachten!


+ Auch bei optimaler Therapie kann bei metabolischem Stress eine Ketoazidose auftreten! Extrapyramidale

Bewegungsstörungen und Krampfanfälle häufig trotz sorgfältiger Therapie!


# IVA in 50 % akute Manifestation, sonst intermittierender Verlauf.

55 Mutationsanalyse fakultativ
55 Komplikation: tubulointerstitielle Nephritis → chronisches
Nierenversagen

z Therapie
55 Akuttherapie
44Proteinzufuhr stoppen, hochdosierte Glukosezufuhr mit
Insulin
44Toxinentfernung: forcierte Diurese, Carnitin i.v., Glycin (bei
IVA) i.v., ggf. Hämofiltration
> Memo Prognose abhängig 55 Dauertherapie
von Schwere und Häufigkeit 44eiweißarme Diät, leucinfrei bei IVA, Substitution nicht
der Hyperammonämie → betroffener Aminosäuren
frühzeitige Diagnose und 44Carnitin 100 mg/kg/d. Bei Infekten, Durchfall, Erbrechen
Therapie senken Mortalität Dosis verdoppeln!
und Inzidenz neurologischer 44Glycin bei Isovalerianazidurie
Symptome. 44Hydroxycobalamin bei Vitamin B12-abhängiger
Methylmalonazidurie

Glutarazidurie Typ 1
55 Störung im Abbau von Lysin, Hydroxylysin, Tryptophan,
autosomal-rezessiv erblich
55 Defekt der Glutaryl-CoA-Dehydrogenase (GCDH)
55 führt zu schwerer enzephalopathischer Krise, irreversible
Schädigung des Striatums
55 Inzidenz 1:120.000
55 Akkumulation von Glutarsäure, 3-Hydroxyglutarsäure (renale
Ausscheidung) ist neurotoxisch
3.2 · Störungen des Aminosäurestoffwechsels
69 3
55 sekundärer Carnitinmangel durch Veresterung von Glutaryl-CoA
zu Glutarylcarnitin

z Klinik
55 Makrozephalie (progredientes Schneiden der Perzentilen nach oben) ! Cave wichtige
55 frontotemporale Hirnatrophie mit subduraler Flüssigkeitsan- Differenzialdiagnose bei Verdacht
sammlung (Hygrome) und Hämatomen auf Kindesmisshandlung.
55 zunächst normale Entwicklung, teilweise neurologische Auffäl-
ligkeiten wie Muskelhypotonie, Irritabilität, Erbrechen, bei
Katabolie (z. B. Infekt, Fasten) im 3.–36. Lebensmonat:
44akute enzephalopathische Krise mit irreversiblem ! Cave kaum metabolische
Verlust statomotorischer Fähigkeiten, extrapyramidalen Symptome/Befunde.
Bewegungsstörungen

z Diagnostik
55 Neugeborenen-Screening am 3. Lebenstag (Glutarylcarnitin ↑)
55 organische Säuren (Urin): Glutarsäure, 3-Hydroxyglutarsäure,
Glutaconsäure ↑
55 Carnitinstatus (Plasma): freies Carnitin ↓, Glutarylcarnitin ↑
55 Sonographie, MRT des Schädels: frontotemporale Hirnatrophie,
Kleinhirnatrophie, gestörte Myelinisierung, Hypodensität der
Basalganglien, subdurale Hygrome
55 Mutationsanalyse (GCDH-Gen) → Standardverfahren zur
Diagnosesicherung
55 Enzymaktivitätsmessung (Leukozyten, Fibroblasten), falls
Mutationsnachweis nicht eindeutig

z Therapie
55 Notfalltherapie und präventiv z. B. bei Infekt, Operation
44Proteinzufuhr stoppen, hochdosierte Glukoseinfusion mit Insulin
44L-Carnitin i.v. (entfernt toxische Metabolite)
55 Dauertherapie > Memo frühe Therapie kann
44lysinarme Diät (vegetarisch) enzephalopathische Krise und
44Substitution lysinfreier, tryptophanarmer schwere Behinderung verhindern!
Aminosäuremischung
44L-Carnitin p.o.

Biotinidasemangel
55 autosomal-rezessiv erblicher Defekt verhindert im intermediären
Stoffwechsel die Verfügbarkeit des Vitamins Biotin → fehlende
Aktivität multipler Carboxylasen im Abbau organischer Säuren
55 Unterscheidung in:
44Biotinidasemangel (fehlende Wiedergewinnung von freiem
Biotin), Häufigkeit 1:23.000
–– Manifestation im späten Säuglings-, Kleinkindalter („late
onset“)
70 Kapitel 3 · Tag 1: Genetische und metabolische Erkrankungen

–– Biotinzufuhr in Nahrung (Hefe, Sojamehl, Hafer, Reiskleie,


Eigelb) verzögert Symptome
44Holocarboxylasemangel (fehlende Biotinylierung der
Carboxylasen)
–– Manifestation im frühen Säuglingsalter („early onset“)

3 z Klinik
55 akut: muskuläre Hypotonie, Krampfanfälle, Koma
55 chronischer Verlauf mit progredienter psychomotorischer
Entwicklungsverzögerung
55 Hautveränderungen (Ekzeme, Alopezie)
55 Optikusatrophie, Keratokonjunktivitis
55 Innenohrschwerhörigkeit

z Diagnostik
55 Neugeborenen-Screening am 3. Lebenstag
(Biotinidaseaktivität ↓)
55 akut: metabolische (Laktat-)Azidose, NH3 ↑
55 Diagnosebestätigung durch Messung der Enzymaktivität
(Plasma, Fibroblasten)
55 organische Säuren (Urin): spezifische Metabolite ↑

z Therapie
55 Biotin Tabletten 5–20 mg/d

3.2.4 Andere Erkrankungen des


Aminosäurestoffwechsels

Störungen des Glycinstoffwechsels


55 autosomal-rezessiver Defekt im Glycin spaltenden Enzym-
komplex in Leber und ZNS, Akkumulation von Glycin in Plasma,
Liquor (nicht-ketotische Hyperglycinämie)
55 sekundär bei anderen Stoffwechseldefekten z. B. Organazidurie
(ketotische Hyperglycinämie)

z Klinik
. Tabelle 3.5

z Diagnostik
55 Aminosäuren (Plasma, Urin, Liquor): Glycin ↑, Ratio Liquor/
Plasma-Glycin ↑↑ (>0,08)
55 organische Säuren (Urin): Ausschluss ketotische
Hyperglycinämie
55 EEG: „Burst-suppression“-Muster
55 Enzymaktivität (Lymphozyten, Leber)
55 Mutationsanalyse (Multienzymkomplex besteht aus 4 Proteinen,
kodiert durch 4 Gene)
3.2 · Störungen des Aminosäurestoffwechsels
71 3

. Tab. 3.5  Klinische Symptome der nicht-ketotischen Hyperglycinämie

Manifestationsform Symptome

Neonatal (80 %) Am 2. Lebenstag schwerste epileptische


Enzephalopathie mit Reflexverlust
Progrediente neurologische Erkrankung, mentale
Retardierung, Mikrozephalie
Late-onset-Form Neurologische Symptome im Kleinkind-, oder
(20 %) Jugendalter

z Therapie
55 experimentell Dextromethorphan 5–20 mg/kg/d, Natrium-
benzoat 250–750 mg/kg/d (Ziel: Normalisierung des Plasma-
Glycins), Folinsäure 15 mg/d
55 bei neonataler Form schlechte Prognose trotz Therapie

Homozystinurie
55 Defekt der Zystathionin-β-synthetase (CBS), autosomal-rezessiv
erblich
55 Kollagenstörung durch Akkumulation von Homozystein
→ Bindegewebsläsionen, Thrombozytenadhäsivität ↑
55 Häufigkeit 1:200.000

z Klinik
55 bei Geburt unauffällig, progrediente charakteristische Symptome
oft erst ab Schulalter (. Tab. 3.6)

z Diagnostik
55 Aminosäuren (Plasma): Gesamthomozystein ↑, Methionin ↑,
Zystin ↓; Homozystein (Urin) ↑
55 Enzymaktivität (Fibroblasten)
55 Mutationsanalyse (CBS-Gen)
55 Pränataldiagnostik aus Amnionzellen oder Chorionzotten
(Enzymaktivität, Mutationsanalyse)

. Tab. 3.6  Charakteristische klinische Zeichen der Homozystinurie

Organ Symptome und Befunde

Auge Linsenluxation, Glaukom, Myopie


Skelett Osteoporose, Hochwuchs (marfanähnlich), Arachnodaktylie,
Skoliose
Gefäße frühzeitig Arteriosklerose, Thromboembolien
ZNS Psychomotorische Entwicklungsverzögerung, psychiatrische
Auffälligkeiten, Epilepsie
72 Kapitel 3 · Tag 1: Genetische und metabolische Erkrankungen

z Therapie
55 Ziel: Normalisierung des Gesamthomozysteins (Plasma)
55 Pyridoxin (Vitamin B6): in ca. 50 % gutes Ansprechen auf hohe
Dosis 50–1.000 mg/d und Folsäure 10 mg/d
55 methioninarme Diät, Betain (remethyliert Homozystein in
Methionin) 100 mg/kg/d, Hydroxycobalamin (Vitamin B12)
3 1 mg/d oral ab 5. Lebensjahr, Vitamin C 100 mg/d

Zystinurie
55 renal-tubuläre (und duodenale) Transportstörung der dibasi-
schen Aminosäuren Ornithin, Arginin, Lysin, Zystin, autosomal-
rezessiv erblich
55 gestörte Rückresorption der Aminosäuren im proximalen
Tubulus → Ausscheidung im Urin
55 Zystin ist schlecht wasserlöslich (Löslichkeitsgrenze
1.250 µmol/l bei pH 7,5) → Kristallisation im sauren Milieu,
Nephrolithiasis
55 Häufigkeit ca. 1:7.000

z Klinik
55 Nierensteine im Kleinkindalter, akute Nierenkolik, Hämaturie,
Pyurie

z Diagnostik
55 Aminosäuren (Urin): Zystin, Ornithin, Arginin, Lysin ↑
55 Sonographie der Nieren und ableitenden Harnwege
55 Mutationsanalyse SLC3A1 oder SLC7A9 Gen

z Therapie
55 hohe Flüssigkeitszufuhr auch nachts, Urinalkalisierung
(Zitrat, Bikarbonat) → Ziel: Senkung der Zystinkonzent-
ration bzw. Erhöhung der Löslichkeit zur Verhinderung der
Nephrolithiasis
55 D-Penicillamin oder Mercaptopropionylglycin → bildet besser
lösliches Disulfid mit Zystin
55 Nierensteine → Lithotripsie oder operative Entfernung

Zystinose
55 Störung des lysosomalen Zystintransports
55 autosomal-rezessiv erblich, Cystinosin-(CTNS-)Genmutation
55 Häufigkeit 1:50.000 bis 1:100.000
55 intrazelluläre Zystinakkumulation → Niereninsuffizienz (nephro-
pathische Zystinose)
55 Speicherung von Zystin im retikuloendothelialen System
zahlreicher Gewebe
55 infantile, late-onset und adulte (benigne) Formen je nach
Manifestationsalter
3.2 · Störungen des Aminosäurestoffwechsels
73 3
z Klinik
55 im 1. Lebensjahr Gedeihstörung mit Appetitlosigkeit, Erbrechen,
Fieber, Polyurie, Polydipsie
55 Vitamin D-refraktäre Rachitis, Wachstumsverzögerung
55 Photophobie, Zystinkristalle in Kornea und Konjunktiven
(Spaltlampenuntersuchung)
55 Dehydratation und Hypokaliämie können bei Infekten zu
schweren Stoffwechselkrisen führen
55 terminale Niereninsuffizienz innerhalb der ersten 10 Lebensjahre
55 spätere Organmanifestationen: Hypothyreose, Diabetes mellitus,
Hypogonadismus
55 progressive distale Myopathie (ab 30. Lebensjahr, beginnt mit
Atrophie der Handmuskulatur)
55 selten neurologische Defizite (Verlust des Kurzzeitgedächtnisses,
Psychosen)

z Diagnostik
55 bei klinischem Verdacht (Wachstumsstörung, Polydipsie)
→ Urinuntersuchung: Glukosurie
55 Hypokaliämie, Hyponatriämie, Hypophosphatämie, Hyperuri-
kämie, metabolische Azidose
55 renales Fanconi-Syndrom: Hyperaminoazidurie, Glukosurie,
Phosphaturie, Bicarbonatverlust mit renaler Azidose, zusätzlich
Hyperkalziurie, Proteinurie, Hyperkaliurie bei Polyurie
55 augenärztliche Untersuchung: Spaltlampe (Zystinkristalle),
Funduskopie (Pigmentstörung)
55 Zystinkonzentration in Leukozyten ↑↑ (spezifisch)
55 Mutationsanalyse (Cystinosin-(CTNS-)Gen)
55 Pränataldiagnose: Zystingehalt in Chorionzotten oder
Mutationsanalyse

z Differenzialdiagnose
55 renales Fanconi-Syndrom (proximal tubuläre Dysfunktion)
durch hereditäre Stoffwechselstörungen:
44Zystinose
44Galaktosämie
44hereditäre Fruktoseintoleranz
44Tyrosinämie Typ 1
44Glykogenose
44Lowe-Syndrom (okulo-zerebro-renales Syndrom, X-chromo-
somal vererbt)
44Mitochondriopathie
44M. Wilson

z Therapie
55 symptomatische Behandlung der tubulären Dysfunktion
44freier Zugang zu Getränken (oft >6 l/d)
44hohe Vitamin D Dosen notwendig
44keine Kalziumsubstitution wegen Hyperkalziurie
74 Kapitel 3 · Tag 1: Genetische und metabolische Erkrankungen

55 Cysteamin (10)–50 mg/kg/d → bindet Zystin, verhindert


terminales Nierenversagen
55 bei Niereninsuffizienz Hämodialyse und Nierentransplantation
55 Sonnengläser und 0,5 %-ige Cysteamin Augentropfen 4-mal
täglich vermindern Photophobie

3
3.2.5 Störungen des Harnstoffzyklus

55 verschiedene Enzymdefekte → Hyperammonämie, lebensbe-


drohlich im Neugeborenenalter
44Carbamylphosphat Synthetase (CPS)
44Ornithin Transcarbamylase (OTC)
44Argininsukzinat Synthetase (ASS) → Citrullinämie
44Argininosukzinat Lyase (ASL) →
Argininbernsteinsäurekrankheit
44Arginase → Argininämie
44N-AzetylglutamatSynthetase (NAGS)
55 Harnstoffzyklus wichtig für Elimination von Stickstoff, metaboli-
siert Ammoniak zu Harnstoff
55 Glutamin ↑ bei unzureichender Harnstoffsynthese → Astrozyten-
schwellung, Hirnödem
55 Häufigkeit 1:8.000, autosomal-rezessiv erblich (nur OTC-Defekt
X-chromosomal rezessiv)

z Klinik
. Tabelle 3.7

z Diagnostik
55 Hyperammonämie (1.–5. Tag ≥150 µmol/l, 1. Monat ≥100 µmol/l,
danach ≥50 µmol/l)

. Tab. 3.7  Klinische Symptome des Harnstoffzyklusdefektes

Manifestationsalter Symptome

Neugeborene Ab 2. Lebenstag Enzephalopathie mit Trinkschwäche, Erbrechen, Somnolenz,


Irritabilität, Tachypnoe, Krampfanfälle, Koma (oft Fehldiagnose Sepsis!)
Säuglinge/Kleinkinder Bei erhöhter exogener Proteinzufuhr oder Katabolie (z. B. Infekt, Operation):
Nahrungsverweigerung, Erbrechen; Entwicklungsverzögerung, Ataxie
Jugendliche Bei hoher Proteinzufuhr oder Katabolie: akute Enzephalopathie
Chronische neurologische oder psychiatrische Symptome

bei ausbleibender Therapie → Koma, Hirnödem


im Intervall meist keine Symptome, häufig mentale Retardierung
bei Arginasedefekt: spastische Diplegie (Differenzialdiagnose zur infantilen Zerebralparese)
3.3 · Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels
75 3
55 Aminosäuren (Plasma, Urin): Glutamin ↑, spezifisches Muster für
jeweiligen Enzymdefekt
55 organische Säuren (Urin): Orotsäure ↑, spezifische Metabolite
55 Enzymaktivität (Lebergewebe)
55 Mutationsanalyse

z Differenzialdiagnose
55 organische Azidurie (z. B. Propionazidurie,
Methylmalonazidurie)
55 Hyperinsulinismus-Hyperammonämie-Syndrom
55 Störung im Transport oder Oxidation von Fettsäuren
55 Leberfunktionsstörung

z Therapie
55 Notfalltherapie: bei NH3 >200 µmol/l
55 Prinzip
44Proteinzufuhr stoppen, hochdosierte Glukoseinfusion (10 mg/
kg/min) ggf. mit Insulin
44medikamentöse Entgiftung des Ammoniaks mit Natrium-
benzoat (eliminiert Glycin), Phenylbutyrat (bindet
Glutamin)
44Substitution von L-Arginin (nicht bei Arginasemangel)
44L-Carnitin (Substitution und Ausscheidung pathologischer
Acetylcarnitine)
44forcierte Diurese, ggf. Hämodialyse (falls NH3 >400 µmol/l) ! Cave hohe Neurotoxizität
55 Dauertherapie: Ziel → Anabolie aufrechterhalten von Ammoniak → bei
44eiweißarme Diät, Substitution essenzieller Aminosäuren, hyperammonämischem
L-Arginin, L-Citrullin Koma schwere irreversible
44Natriumbenzoat und/oder Phenylbutyrat Gehirnschäden, bei rechtzeitiger
44Kontrollparameter: NH3 < 80 µmol/l, Arginin (Plasma) Therapie (z. B. Geschwister)
80–150 µmol/l, Glutamin < 800 µmol/l bessere Prognose.

3.3 Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels

3.3.1 Kongenitaler Hyperinsulinismus

55 häufigste Ursache persistierender Hypoglykämien im frühen


Kindesalter
55 während Hypoglykämie Insulin (Plasma)↑, freie Fettsäuren ↓,
Ketonkörper ↓
55 transitorisch bei mütterlichem Diabetes mellitus, Medikamenten-
einnahme der Mutter in der Schwangerschaft (z. B. Tokolytika)
oder bei Beckwith-Wiedemann Syndrom
55 Ursachen eines persistierenden Hyperinsulinismus
44diffuse β-Zell Hyperplasie (in 60 %) infolge autosomal-rezessiv
vererbter inaktivierender Mutation im Sulfonylharnstoff
76 Kapitel 3 · Tag 1: Genetische und metabolische Erkrankungen

Rezeptor (SUR1) Gen oder KIR6.2 Gen (ATP-sensitiver


Kaliumkanal)
44seltener fokal adenomatöse Pankreashyperplasie (somatische
Mutation, Verlust der maternalen 11p15 Region)
44milder Hyperinsulinismus bei heterozygoter
aktivierender Mutation im Glukokinase- oder
3 Glutamatdehydrogenase (GLDH)-Gen
(Hyperinsulinismus-Hyperammonämie-Syndrom)

z Klinik
55 Hypoglykämie: zerebraler Krampfanfall, Apnoen, Zittrigkeit,
Trinkschwäche, Somnolenz
55 bei neonataler Form: Makrosomie

z Diagnostik
55 Hypoglykämie < 45–50 mg/dl (<2,5–3 mmol/l)
55 Insulin (Plasma) >2 µU/ml bei Glukose (Plasma) <50 mg/dl
(fehlende Suppression der Insulinsekretion durch Hypoglykämie)
55 extrem gesteigerter Glukosebedarf >10 mg/kg/min für Blutzucker
45–55 mg/dl (2,5–3,0 mmol/l)
55 β-Hydroxybutyrat (Plasma) ↓, freie Fettsäuren (Plasma) ↓
(→ Insulin hemmt Lipolyse!)
55 Glukagontest (30–100 µg/kg i.m., maximal 1 mg): Plasmaglukose
steigt um >30 mg/dl (>1,5 mmol/l)
55 C-Peptid (↑ bei endogenem Hyperinsulinismus, supprimiert bei
exogener Insulinzufuhr)
55 (18)F-DOPA-PET-CT (Pankreas): unterscheidet fokale oder
diffuse Adenomatose

z Differenzialdiagnose
55 Wachstumshormonmangel: IgF-1 ↓
55 Kortisolmangel: Kortisol ↓, ACTH ↑/↓
55 Aminosäurestoffwechselstörung: organische Säuren (Urin),
Acylcarnitin (Plasma)
55 Defekte der Glukoneogenese: Laktat ↑
55 Fettsäureoxidationsstörung: freie Fettsäuren ↑ und
β-Hydroxybutyrat ↓
55 Glutamatdehydrogenase-Aktivierung: Ammoniak ↑

z Therapie
! Cave kindliches Gehirn 55 Ziel: Vermeidung hypoketotischer Hypoglykämien
ist durch Hypoglykämie 55 Glukosezufuhr
besonders gefährdet → 44hochdosierte altersabhängige intravenöse Glukosezufuhr
irreversible psychomotorische (zentraler Zugang)
Retardierung. 44orale Glukosezufuhr: häufige, kleine Mahlzeiten, Dauer-
sondierung von Oligosacchariden (Maltodextrin®),
Glukosepolymer (Dextroneonat®), ungekochter Maisstärke
(Mondamin®)
3.3 · Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels
77 3
55 medikamentös
44Glukagon 5–10 µg/kg/h iv (1–4 mg/d), alternativ: subkutane
Glukagoninfusion (Pumpe)
44Diazoxid 5–15 mg/kg/d per os (bei gesichertem
Hyperinsulinismus)
44bei Nichtansprechen auf Diazoxid: Octreotid s.c. (Somatos-
tatin Analogon) oder Nifedipin
55 chirurgisch
44Pankreatektomie ([sub-]/total) bei diffuser β-Zell Hyperplasie
ohne Euglykämie (6 h Fasten)
44Enukleation bei fokaler Adenomatose
55 Kontrolle von Wachstum und psychomotorischer Entwicklung
55 ggf. Therapie des Diabetes mellitus

3.3.2 Glykogenspeicherkrankheiten

55 synonym: Glykogenose, „glycogen storage disease“, GSD


55 Enzymdefekte oder Störung der Transportproteine des Glykogen-
und Glukosestoffwechsels
55 zytoplasmatische und/oder lysosomale Ablagerung von Glykogen
55 Unterteilung in Leber- und Muskelglykogenosen (insgesamt 12
verschiedene Formen)
44Leberglykogenose GSD-I-, -II-, -III-,- IV-, -VI-, IX-Varianten)
charakterisiert durch
–– Hepatopathie
–– Hypoglykämie
–– sekundäre Veränderungen im Lipid- und
Harnsäurestoffwechsel
44Muskelglykogenosen (GSD II, III, V, VII, IX-Varianten) mit
–– Symptomen der Skelett- und/oder Herzmuskulatur
55 Prävalenz aller Formen ca. 1:20.000, autosomal-rezessiv erblich,
Ausnahme: Phosphorylasekinase Mangel (GSD IX) wird
X-chromosomal vererbt
55 bekannte Gene der betroffenen Enzym- und Transportproteine
→ Mutationsanalyse möglich
55 häufigste Enzymdefekte
44in Kindheit: GSD Ia (Glukose-6-Phosphatase), GSD II
(α-Glukosidase), GSD III (Glykogen-debranching-Enzym),
GSD IX (Leber-Phosphorylasekinase)
44bei Jugendlichen und Erwachsenen: GSD V
(Myophosphorylase)

z Klinik
55 vorgewölbtes Abdomen infolge ausgeprägter Hepatomegalie im
Alter von 4–18 Monaten
55 Hypoglykämie (geringste Nüchterntoleranz bei GSD I, 2 h
postprandial), evtl. Krampfanfall
78 Kapitel 3 · Tag 1: Genetische und metabolische Erkrankungen

55 „Puppengesicht“ (durch vermehrtes subkutanes Fettgewebe)


55 Myopathie, Hypotrophie der Muskulatur und Muskelschwäche,
schnelle Ermüdbarkeit
55 ausgeprägte Kardiomegalie im Säuglingsalter (infantile Form
GSD II)
55 Wachstumsverzögerung, Osteopenie (infolge chronischen
3 Energiemangels und Myopathie)
55 polyzystische Ovarien (in 60 % der Mädchen mit GSD I)
55 GSD I-non-a: rezidivierende bakterielle Infektionen infolge
Neutropenie und Granulozyten-/Monozyten-Funktionsstörung,
chronisch-entzündliche Darmerkrankung

z Diagnostik
55 Blutzucker ↓, Dauer der Nüchterntoleranz
44geringe Nüchterntoleranz (2–4 h), fehlende Ketose, Hyper-
ventilation bei Laktatazidose, vergrößerte Nieren → Verdacht
auf GSD I (Glykogenolyse und Glukoneogenese gestört)
44Hypoglykämie erst nach längeren Nüchternphasen, Nüchtern-
ketose (Fötor, Ketostix++), Myopathie (CK ↑) → Verdacht auf
GSD III, VI, IX (Störung der Glykogenolyse)
44keine Hypoglykämien, Leberfunktionsstörung mit progre-
dienter Leberzirrhose → Verdacht auf GSD IV (Störung der
Glykogensynthese mit abnormem Glykogen)
55 Laktat ↑, Harnsäure ↑, Transaminasen ↑, Triglyzeride ↑
55 Nierenfunktionsstörung (Proteinurie, Hypertonus) durch fokal-
segmentale Glomerulosklerose
55 Lebersonographie (erhöhte Echogenität, Adenome, selten
hepatozelluläres Karzinom)
55 EKG und Echokardiographie (ventrikuläre Hypertrophie,
Dilatation, Endokardfibroelastose)
55 molekulargenetische Untersuchung → wichtigster diagnostischer
Schritt zur Klassifikation
55 Enzymaktivität (Leukozyten, Fibroblasten, Leber-,
Muskelgewebe)

z Therapie
55 Ziele: Vermeidung von Hypoglykämien und chronischen
Organkomplikationen
55 Notfalltherapie bei Inappetenz, Erbrechen, operativen Eingriffen
mit Hypoglykämierisiko:
44intravenöse Glukosezufuhr (altersabhängiger Glukosebedarf:
Säuglinge 7–9 mg/kg/min, Kleinkinder 6–8 mg/kg/min,
Schulkinder 4–6 mg/kg/min, Erwachsene 3–4 mg/kg/min)
55 Dauertherapie bei GSD Ia → nächtlicher Blutzucker soll >70 mg/dl
44Ernährung
–– kontinuierliche Mageninfusion (PEG-Sonde): Glukose-
Polymer Lösung (Maltodextrin®)
3.3 · Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels
79 3
–– regelmäßige Mahlzeiten im 2–3, später 3–4 h
Intervall
–– laktose- und saccharosefreie Nahrung, angereichert mit
Maltodextrin® oder Stärke
–– kalziumhaltige Milchersatzprodukte auf Sojabasis
–– fruktosearme Ernährung
–– Supplementierung von Spurenelementen, Salzen,
Vitaminen
44Therapiekontrolle: BZ-Werte im Tagesprofil >80 mg/dl ! Cave Notfallausweis und
–– Aufholwachstum Elternschulung (vitale Bedeutung
–– Blutlaktat vor der Mahlzeit normal oder leicht erhöht von kontinuierlicher Ernährung,
(<4 mmol/l) Gefahr der Sondendiskonnexion
–– Harnsäure (Allopurinol bei Hyperurikämie), normale → Warnsystem installieren z. B.
Leberwerte und Triglyzeride Klingelmatte).
–– Nierenfunktion
–– Sonographie von Leber und Ovarien
55 GSD Ib (I-non-a): antibiotische Dauertherapie, bei Neutropenie
evtl. G-CSF
55 GSD III: keine Einschränkung für Fruktose, Saccharose;
(Kardio-) Myopathie progredient
55 GSD IV: Lebertransplantation möglich
55 GSD II: Enzymersatztherapie mit humaner rekombinanter
α-Glukosidase (verbessert muskuläre Hypotonie und kardiale
Funktion), Physiotherapie, proteinreiche Ernährung mit
Supplementierung von Alanin und Leucin

3.3.3 Störungen des Galaktosestoffwechsels

. Tabelle 3.8
55 Anreicherung der Galaktosemetabolite schädigt u. a. Leber, Niere, > Memo galaktosearme Diät kann
Gehirn, Linse, Ovar akut toxische Schädigungen
55 Neugeborenen-Screening bestimmt Galaktose (Gal), Galaktose- verhindern.
1-Phosphat und GalT-Aktivität
55 klassische Galaktosämie: Enzymaktivität < 1 %, Prävalenz
1:68.000
55 milde (Duarte-) Variante: Enzymaktivität >25 %, 10 mal häufiger,
keine Symptome
55 Galaktose-1-Phosphat hemmt Phosphoglukomutase →
Hypoglykämie
55 Diagnosebestätigung: Enzymaktivität (Erythrozyten), Metabolit-
quantifizierung (Blut, Urin)
55 therapeutisch Galaktosezufuhr einschränken (Muttermilch/
Säuglingsmilch enthalten Laktose!)
55 endogene Galaktose Synthese ca. 1–2 g/d (→ Synthese von
Galaktolipiden, Glykoproteinen)
55 Pränataldiagnose möglich (Enzymaktivität, Mutationsanalyse)
80 Kapitel 3 · Tag 1: Genetische und metabolische Erkrankungen

. Tab. 3.8  Autosomal-rezessiv erbliche Enzymdefekte des Galaktosestoffwechsels

Enzymdefekt Besonderheiten

Galaktose-1-Phosphat-Uridyltransferase Klassische Galaktosämie, nach Milchfütterung Trinkschwäche, Leber- und


(GalT) Nierenfunktionsstörung, Katarakt; Gal ↑, Gal-1-P ↑, GalT ↓ → laktosefreie
3 Diät
Galaktokinase (GalK) Rasch progredienter beidseitiger Katarakt, Gal ↑, Gal-1-P ↓, bei früher
laktosefreier Ernährung Rückbildung der Katarakte möglich
Uridin-Diphosphat-Galaktose-4- Selten, bei Enzymaktivität < 10 % wie klassische Galaktosämie
Epimerase (GalE) Bei partiellem Enzymdefekt asymptomatisch, laktosefreie Nahrung bis
Gal-1-Phosphat in Erythrozyten normalisiert

Klassische Galaktosämie

z Klinik
> Memo typische Trias: 55 akute progrediente Symptomatik (sepsisähnlich) nach Beginn
Leberzirrhose, Katarakt und der Milchfütterung mit Trinkschwäche, Erbrechen, Durchfall,
geistige Behinderung. muskuläre Hypotonie
55 Leberfunktionsstörung: Hepatomegalie, Ödeme, Aszites,
Blutgerinnungsstörung, Ikterus
55 häufig Sepsis durch gramnegative Keime (E. coli)
55 Katarakt innerhalb von Tagen oder Wochen irreversibel (Linsen-
schädigung durch Galaktit)

z Diagnostik
55 Galaktose-1-Phosphat (Gal-1-P) ↑, Galaktose (Gal) ↑ (Serum,
Erythrozyten)
55 GalT Aktivität (Erythrozyten) ↓
55 Leberfunktionsstörung: Hyperbilirubinämie (direktes Bilirubin ↑),
Hypalbuminämie, Gerinnungsstörung (Quick ↓, PTT ↑),
Transaminasen ↑, Hypoglykämie
55 renal-tubuläres Fanconi-Syndrom mit Glukosurie, Hyperaminoa-
zidurie, Hyperphosphaturie, tubuläre Azidose und Albuminurie
55 reduzierende Substanzen im Urin positiv: Galaktose, Galaktit und
Galaktonat ↑
55 Molekulargenetik (GALT-Gen: typische Mutationen für
klassische oder milde Duarte Variante)
55 hypergonadotroper Hypogonadismus bei 54 % der Mädchen
(Ovarialfibrose)
55 neurologisch: Sprachstörungen, Rechenschwäche, Intentions-
tremor, Mikrozephalie, Ataxie, IQ < 85 in 83 % der über
12-jährigen Patienten

z Therapie
55 Zufuhr von Muttermilch oder Säuglingsmilch auf Kuhmilchbasis
sofort stoppen
3.3 · Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels
81 3
55 bei schwerer Gerinnungsstörung: Vitamin K und Fresh Frozen
Plasma i.v.
55 Antibiotikatherapie großzügig, da hohes Risiko für gramnegative
Sepsis
55 Dauertherapie: Ziel Gal-1-P (Erythrozyten) 2–4 mg/dl
44galaktosefreie Säuglingsnahrung auf Sojabasis (z. B. Humana
SL, Aptamil Soja)
44Galaktosequellen in Beikost (Milchprodukte, Obst, Gemüse) ! Cave D-Fluoretten enthalten
und Medikamenten beachten Galaktose.
44Zufuhr von Kalzium, Fluor, Jod, Zink, Vitamin D
55 Hypogonadismus bei Mädchen: Hormonsubstitution (Östrogen/
Gestagen) ab 12. Lebensjahr
55 Prognose bei frühzeitiger galaktosefreier Diät
44Rückbildung von Ikterus, Gerinnungsstörung, Katarakt, keine
Progression in Leberzirrhose
44Ovardysfunktion und neurologische Symptome trotz Diät

Andere Störungen im Glukose- und


Galaktosestoffwechsel
55 kongenitale Glukose-Galaktose-Malabsorption (Na-Glukose-
Kotransporter SGLT1-Defekt)
44Glukose wird in luminaler Zellmembran der Mukosazelle
nicht resorbiert
44bei Neugeborenen osmotische, lebensbedrohliche Diarrhoe
44Symptombesserung 1 h nach Entfernen von Glukose und
Galaktose aus der Nahrung
44Diagnose: reduzierende Substanzen im Stuhl, Mutations-
nachweis (SGLT1-Gen)
44Therapie: kohlenhydratfreie Milch angereichert mit 1–5 %
Fruktose (Transport über GLUT5)
55 Glukose-Transporterprotein-Syndrom (GLUT1-Defekt)
44intrazerebraler Glukosemangel mit zerebralen Krampf-
anfällen, psychomotorischer Entwicklungsretardierung,
Mikrozephalie, muskuläre Hypotonie, Ataxie
44diagnostisch Liquorglukose ↓ bei normaler Plasmaglukose ! Cave vor ketogener Diät
und normalem Liquorlaktat Fettsäurestoffwechselstörung
44Mutationsnachweis (GLUT1-Gen) ausschließen → metabolische
44therapeutisch ketogene Diät mit 90 % Fettanteil (alternative Krise. Kontraindiziert sind
energiereiche Substrate) Barbiturate (hemmen
44Vitamin- und Mineralstoffsubstitution GLUT1-Transport).
55 Fanconi-Bickel-Syndrom (Defekt des Glukosetransporters
GLUT2, GSD XI)
44Glukose/Galaktose-Utilisation gestört → Glykogenspei-
cherung (Leber), renale Tubulopathie
44Leitsymptome: Fastenhypoglykämie ohne Ansprechen auf
Glukagon, Hepatomegalie, Gedeihstörung, Kleinwuchs,
Rachitis, Osteopenie
82 Kapitel 3 · Tag 1: Genetische und metabolische Erkrankungen

44Diagnose durch Mutationsnachweis (GLUT2-Gen)


44therapeutisch: Galaktosezufuhr ↓, häufige Mahlzeiten,
langsam resorbierbare Kohlenhydrate, Substitution tubulärer
Verluste

3 3.3.4 Störungen des Fruktosestoffwechsels

Hereditäre Fruktoseintoleranz
55 Defekt der Fruktose-1-Phosphat-Aldolase, autosomal-rezessiv
erblich
55 Häufigkeit 1:20.000
55 toxische Akkumulation von Fruktose-1-Phosphat in Leber, Niere,
Darm
55 Fruktose-1-Phosphat hemmt Glykogenolyse und Glukoneo-
genese → Hypoglykämie

z Klinik
55 bei fruktosefreier Ernährung (Muttermilch, Säuglings-„Pre“-
Nahrung) keine Symptome
55 nach Fruktosezufuhr Erbrechen, Durchfall, postpran-
diale Hypoglykämie, Somnolenz, Krampfanfall, schwere
­Leberfunktionsstörung mit Hepatomegalie, Ikterus,
Gerinnungsstörung
55 ältere Kinder haben Abneigung gegenüber fruktose- und
saccharosehaltigen Nahrungsmitteln (Honig, Obst, Süßigkeiten)
→ kariesfreie Zähne

z Diagnostik
55 Ernährungsanamnese
55 postprandiale Hypoglykämie
55 renale Tubulopathie: metabolische Azidose, Hypophosphatämie,
Hyperaminoazidurie
55 Leberfunktionsstörung: Transaminasen ↑, gestörte Blutge-
rinnung, Protein ↓, Bilirubin ↑
55 Enzymaktivität (Leber- oder Dünndarmschleimhautgewebe)
55 Mutationsanalyse (Standardverfahren zur Diagnosesicherung)
44drei häufige Mutationen im ALDOB-Gen (A150P, A175D,
N335K) bei 94 % der Patienten
55 rasche Besserung der klinischen Befunde unter Glukoseinfusion
und fruktosefreier Ernährung

z Differenzialdiagnose
55 essenzielle Fruktosurie
44autosomal-rezessiv erblicher Defekt der Frukto-
kinase,1:50.000, gutartiger Verlauf
44Fruktose wird nicht phosphoryliert → Hyperfruktosämie und
Fruktosurie
44keine klinischen Symptome, Therapie nicht erforderlich
3.4 · Störungen des Fettstoffwechsels
83 3
55 Fruktose-1,6-Bisphosphatase-Mangel
44seltener autosomal-rezessiv erblicher Defekt, beeinträchtigt
Glukoneogenese
44nach 12–15 h Fasten oder Fruktosezufuhr → Hypoglykämie,
Ketose, Laktatazidose

z Therapie
55 akut: Glukose i.v. (8–10 mg/kg/min)
55 Dauertherapie der hereditären Fruktoseintoleranz
44fruktosefreie bzw. -arme Diät (Übelkeit nach Fruktose schützt
vor Fruktoseintoxikation)
44nach Rückbildung der Lebervergrößerung ist 0,5–1 g
Fruktose/d erlaubt
44Vitaminsubstitution mit Multivitaminpräparaten
55 bei Fruktose-1,6-Bisphosphatase-Mangel ! Cave Fruktosehaltige
44fruktose-/galaktosefreie Ernährung, nächtliche Glukose- Infusionslösungen führen bei
zufuhr, häufige Mahlzeiten, fettarme (20 %), proteinarme angeborenen Störungen im
(10 %) Diät, angereichert mit Kohlenhydraten (Stärke) Fruktosestoffwechsel zu akuter
55 Notfallausweis → soll vor intravenöser Fruktosezufuhr schützen Lebensgefahr → Fruktose-,
55 bei frühzeitiger Diagnose und Therapie sehr gute Prognose, Sorbitol-, Invertzuckerhaltige
Leberfunktion normalisiert Infusionen sind obsolet!

3.4 Störungen des Fettstoffwechsels

3.4.1 Störungen im Fettsäuremetabolismus

55 genetische Defekte im Transport oder Oxidation von Fettsäuren,


kumulative Inzidenz 1:8.000
55 unbehandelt hohe Morbidität und Mortalität, präsymptomatisch
sehr gut behandelbar
55 Nachweis im Neugeborenen-Screening am 3. Lebenstag
(Azylcarnitine)
55 autosomal-rezessive Vererbung verschiedener Enzymdefekte u. a.
44MCAD-Defekt: Acyl-CoA-dehydrogenasedefekt mittelkettiger ! Cave bei ausreichenden
Fettsäuren (häufigste Störung) Glykogen- und Glukosereserven
44LCHAD/mTFP-Mangel: Aktivitätsminderung des mitochon- wird Defekt nicht bemerkt.
drialen trifunktionalen Proteins (mTFP) führt zu gestörter
Oxidation langkettiger Fettsäuren (LCHAD)
44VLCAD-Defekt: Acyl-CoA-dehydrogenasedefekt (über)
langkettiger Fettsäuren
44sehr selten Carnitinzyklus- und Carnitintransporterdefekt
(Muskel) → intrazellulärer Carnitinmangel, gestörter
Transport und Oxidation langkettiger Fettsäuren
55 während Katabolie (Fasten, Operation, Infektion) fehlende
Ketonkörperproduktion und Hemmung der Glukoneogenese
→ hypoketotisch-hypoglykämisches Koma
55 Veresterung der Fettsäuren mit Carnitin zu Azylcarnitin
(→ Laktatazidose, Carnitinmangel)
84 Kapitel 3 · Tag 1: Genetische und metabolische Erkrankungen

55 (Kardio-)Myopathie, muskuläre Hypotonie, Rhabdomyolyse


(Carnitinstoffwechselstörung)
55 Leberfunktionsstörung, NH3↑ (Acetyl-CoA-Mangel →
Acetylglutamatsynthese ↓)

z Klinik
3 55 im Säuglings-/Kleinkindalter nach 8–16 h Fasten oder Katabolie
(z. B. Infekt, Operation): Übelkeit, Erbrechen, Somnolenz, Koma
innerhalb von 1–2 h, Hepatomegalie
55 Hypoglykämie (hypoketotisch) mit zerebralen Krampfanfällen
55 Herz- und Atemstillstand, erste Krise letal in bis 25 % der Fälle
mit MCAD-Defekt
55 progrediente hypertrophe Kardiomyopathie
55 muskuläre Hypotonie, reduzierte Muskelkraft, Rhabdomyolyse

z Diagnostik
55 Blutzucker ↓, Transaminasen ↑, NH3 ↑, (Laktat)Azidose, CK,
Myoglobin, Harnsäure
55 freie Fettsäuren (Plasma) ↑, Ketonkörper (3-Hydroxybutyrat)
(Plasma)↓
55 Carnitinstatus (Serum): Gesamt-, freies-, Azylcarnitin, ggf.
Carnitintransport (Fibroblasten)
55 organische Säuren (Urin): spezifische Metabolite
55 Mutationsanalyse zur Diagnosebestätigung und
Familienuntersuchung

z Therapie
55 hochdosierte Glukoseinfusion (7–12 mg/kg/min) ist
lebensrettend
55 Dauertherapie: Vermeiden protrahierter Fastenperioden → gute
Prognose
44Carnitintransporterdefekt: Carnitin 100 mg/kg/d → normali-
siert kardiale/muskuläre Funktion
44LCHAD/mTP, VLCAD-Defekt, Carnitinzyklusdefekte:
Zufuhr mittelkettiger Triglyzeride und essenzieller Fettsäuren,
Reduktion langkettiger Fettsäuren

3.4.2 Lipoproteinstoffwechselstörungen

Hyperlipoproteinämien
> Memo Hyperlipidämien 55 Plasmalipide >altersentsprechende 95. Perzentile
(genetisch oder sekundär) sind 55 altersabhängige Richtwerte sind bei Kindern und Jugendlichen
Risikofaktor für frühzeitige niedriger als bei Erwachsenen
Arteriosklerose → Therapie 55 pathologische Grenzwerte für LDL-Cholesterin (LDL-C)
schon im Kindesalter ≥130 mg/dl, Triglyzeride ≥100 mg/dl (<9 Jahre) und ≥130 mg/dl
notwendig! (10–18 Jahre), HDL-C < 35 mg/dl
3.4 · Störungen des Fettstoffwechsels
85 3

. Tab. 3.9  Familiäre autosomal-dominant erbliche Hyperlipidämien#

Häufigkeit Typische Laborbefunde (Serum)

Hypercholesterinämie – 1:500 (heterozygot) Gesamtcholesterin (Chol) 2- bis 10-fach ↑,


– LDL-Rezeptor-Defizienz – 1:200–1:700 LDL-C ↑, HDL-C ↓, Triglyzeride normal
– Apolipoprotein-B-Defekt
Hypertriglyzeridämie 1:500 Triglyzeride ↑ (250–1.000 mg/dl), VLDL ↑
Kombinierte Hyperlipidämie 1:250 Chol ↑ und Triglyzeride ↑, VLDL ↑, LDL-C ↑,
HDL-C ↓

# Polygen vererbte Formen manifestieren sich oft erst bei Erwachsenen.

55 Gefäßläsionen korrelieren mit Höhe des LDL-Cholesterins


(LDL-C) bzw. LDL/HDL-C-Ratio
. Tabelle 3.9

z Klinik
55 asymptomatisch im Kindesalter, frühzeitige Arteriosklerose und
kardiovaskuläre Erkrankung im (jungen) Erwachsenenalter
55 homozygote LDL-Rezeptor-Defizienz: Xanthome, Koronargefäß-
erkrankung im Kindesalter
55 bei Hypertriglyzeridämie häufig Adipositas, Insulinresistenz,
Harnsäure ↑, arterielle Hypertonie

z Diagnostik
55 Familien-, Medikamentenanamnese (Hyperlipidämie, frühe
kardiovaskuläre Erkrankung)
44bei positiver Anamnese: Lipidbestimmung (Cholesterin/
Triglyzeride) ab 3. Lebensjahr
55 Gesamtcholesterin (Serum) einmalig bei jedem Kind, Vorsorge-
untersuchung U9 oder U10
55 bei Hypercholesterinämie vollständiger Lipidstatus nüchtern:
44Gesamt-, LDL-, HDL-Cholesterin, Triglyzeride, Lipoprotein A
(Lp(a)), Gesamthomozystein
55 hochauflösender Ultraschall der A. carotis, Aorta abdominalis
(erhöhte Intima-Media-Dicke)
55 Mutationsanalyse: LDL-Rezeptor-Gen (>700 bekannte
Mutationen) oder ApoB3500-Gen
55 bei homozygoter Hypercholesterinämie: Echokardiographie und
Belastungs-EKG jährlich

z Differenzialdiagnose
55 sekundäre Hyperlipidämie
44Endokrinopathie: z. B. Hypothyreose, Diabetes mellitus,
M. Cushing
86 Kapitel 3 · Tag 1: Genetische und metabolische Erkrankungen

44Lebererkrankungen z. B. Cholestase, Hepatitis, Glykogenose


Typ 1, biliäre Zirrhose
44Nierenfunktionsstörung z. B. nephrotisches Syndrom,
Niereninsuffizienz
44Medikamente z. B. Kortikosteroide, Thiazide, β-Blocker,
Östrogene
3 44andere: z. B. Anorexia nervosa, Adipositas, Pankreatitis, akute
intermittierende Porphyrie

z Therapie
55 Diät (ab Alter von 3 Jahren) → senkt LDL-Cholesterin um 7–15 %
44fettarm (<30 % der Energiezufuhr) und cholesterinarm
(<150 mg/d)
44wenig gesättigte Fettsäuren (tierische Fette), Zufuhr mehrfach
ungesättigter Fettsäuren (Olivenöl) und komplexer Kohlen-
hydrate (mediterrane, ballaststoffreiche Kost)
55 Änderung des Lebensstils: Gewichtsreduktion, körperliche
Aktivität ↑ (1 h/d), kein Nikotin
55 medikamentöse Therapie ab 8. Lebensjahr, wenn Diättherapie
nicht ausreichend
44Cholesterinsynthesehemmer (Statine) hemmen
HMG-CoA-Reduktase
–– senken LDL-Cholesterin um 20–60 %
–– Pravastatin für Kinder ab 8 Jahre zugelassen
–– mögliche Nebenwirkungen: Transaminasen ↑, Myopathie,
Rhabdomyolyse (CK ↑)
44Ezetimib (Sterintransporterinhibitor) hemmt Cholesterinauf-
nahme im Darm
–– senkt LDL-Cholesterin um 15–20 %, Triglyzeride um
10–15 %
–– Zulassung für Kinder >10 Jahre, kann mit Pravastatin
kombiniert werden
44Anionenaustauscherharze (Colestyramin, Colestipol) weniger
gut wirksam, belastender
44Fibrate (Bezafibrat, Fenofibrat) steigern Lipoproteinlipase-
aktivität, Apolipoprotein C III ↓
–– indiziert bei schwerer Hypertriglyzeridämie und kombi-
nierter Hyperlipidämie
55 bei homozygoter LDL-Rezeptor-Defizienz: regelmäßige extra-
korporale LDL-Apherese zur Elimination des LDL-Cholesterins,
in schwersten Fällen Lebertransplantation
. Tabelle 3.10

z Differenzialdiagnose
55 familiäre Hyperchylomikronämie
44seltener autosomal-rezessiv vererbter Defekt der Lipoprotein-
lipase oder Apolipoprotein CII
3.4 · Störungen des Fettstoffwechsels
87 3

. Tab. 3.10  Indikation zur medikamentösen Therapie bei Kindern/Jugendlichen mit Hyperlipoproteinämie nach
adäquater Diät und Lebensstilmodifikation über mehrere Monate

LDL-Cholesterin ≥190 mg/dl oder


LDL-Cholesterin ≥160 mg/dl und ein – Positive Familienanamnese (mindestens 2 betroffene Verwandte
weiteres der nebenstehenden 4 Kriterien 1. oder 2. Grades < 55 Jahre (männlich), <65 Jahre (weiblich)) für
vorzeitige koronare Herzerkrankung oder
– ≥1hochgradige Risikofaktoren (arterielle Hypertonie,
Rauchen, BMI >97. P., Lp(a) >30 mg/dl)/Risikokonditionen (Diabetes
mellitus, chronische Nierenerkrankung, Kawasaki Syndrom mit
Aneurysma) oder
– ≥2 mäßiggradige Risikofaktoren (BMI ≥ 85. P.-97. P., HDL-C < 40 mg/
dl)/Risikokonditionen (u. a. chronisch-entzündliche Erkrankung) oder
– Übergewicht, Adipositas oder Insulinresistenz
LDL-Cholesterin ≥130–159 mg/dl und eines – ≥2 hochgradige Risikofaktoren/Risikokonditionen oder
der nebenstehenden 2 Kriterien – 1 hochgradiger + 2 mäßiggradige Risikofaktoren/
Risikoindikationen

44führt zu Hyperchylomikronämie und exzessiver


Hypertriglyzeridämie
44klinisch: Xanthome, Hepatomegalie und Pankreatitisrisiko
44Therapie: Reduktion langkettiger Fette, Zufuhr mittelkettiger
Triglyzeride
55 Phytosterinämie
44seltene autosomal-rezessiv erbliche Erkrankung, Konzent-
ration pflanzlicher Sterine ↑ durch vermehrte Absorption/
verminderte Ausscheidung (ABCD5-/ABCD8-Genmutation)
44schwere frühmanifeste Arteriosklerose, Xanthome, Myokard-
risiko im Kindesalter
44Therapie: phytosterinarme Diät

Hypolipoproteinämien
55 sehr seltene genetische Erkrankungen, gestörter Lipidstoffwechsel
ohne Hyperlipidämie!
44Hypoalphalipoproteinämie: autosomal-rezessiv vererbter
Defekt der ApoA-I-Synthese
–– klinisch gelbe Tonsillen, Hepatosplenomegalie, periphere
Neuropathie, Kornealinfiltrate
–– Cholesterin ↓, Mangel an protektivem HDL → erhöhtes
Atheroskleroserisiko
44Abetalipoproteinämie: autosomal-rezessiv, abnorme Synthese
von ApoB-Lipoproteinen
–– klinisch Fettmalabsorption (Durchfall), Retinopathie,
Ataxie
–– Serum wasserklar, Cholesterin ↓, Triglyzeride ↓, Chylomi-
kronen, LDL und VLDL fehlen
88 Kapitel 3 · Tag 1: Genetische und metabolische Erkrankungen

–– Therapie: fettarme Diät, Substitution fettlöslicher Vitamine


und essenzieller Fettsäuren
44Smith-Lemli-Opitz-Syndrom: autosomal-rezessiv vererbtes
Fehlbildungssyndrom
–– 7-Dehydrocholesterol-Reduktase Mangel → gestörte
endogene Cholesterinsynthese
3 –– sekundärer Mangel an Gallensäuren, Steroidhormonen und
Signalproteinen
–– klinisch kraniofaziale Dysmorphie, Organfehlbildungen,
Gedeihstörung, Kleinwuchs
> Memo Auch erniedrigte –– diagnostisch 7- und 8-Dehydrocholesterol im Plasma ↑,
Konzentrationen der Mutation im DHCR7-Gen
Serumlipide können zu –– Therapie: exogene Cholesterinzufuhr (Pulver, Eigelb) oder
Symptomen führen! Simvastatin

3.5 Andere Stoffwechselerkrankungen

3.5.1 Lysosomale Speicherkrankheiten


Mukopolysccharidosen (MPS)
55 lysosomale Enzymdefekte mit Speicherung von Glykosaminogly-
kanen (GAGs)
55 Klassifikation nach Enzymdefekt und klinischen Symptomen in 7
verschiedene Untergruppen
55 autosomal-rezessive Vererbung, Ausnahme: MPS II Hunter
(X-chromosomal rezessiv)
55 Häufigkeit 1:25.000

z Klinik
55 progrediente Bindegewebsveränderungen und Skelettdeformi-
täten mit vergröberter Fazies, Knochendysplasien, Kontrakturen,
Wachstumshemmung
55 Hepatosplenomegalie, Hernien
55 abhängig vom Typ progressive mentale Retardierung mit Verlust
psychomotorischer Fähigkeiten (MPS I Hurler) oder normale
Intelligenz (MPS I Scheie)
55 Kornealtrübung
55 Taubheit
55 Atemwegsobstruktion, rezidivierende Atemwegsinfektionen
55 Herzklappenfehlfunktion
55 Hydrozephalus

z Diagnostik
55 GAGs (Urin) ↑ → Quantifizierung, Differenzierung
55 Oligosaccharide (Urin) (zur Differenzialdiagnose)
55 Lymphozytenvakuolen im Blutausstrich
3.5 · Andere Stoffwechselerkrankungen
89 3
55 Enzymaktivität (z. B. α-L-Iduronidase bei MPS I) (Leukozyten,
Fibroblasten)
55 Mutationsanalyse und Pränataldiagnostik möglich
55 EKG, Echokardiographie
55 CT bei Verdacht auf Hydrozephalus, MRT zervikale Wirbelsäule
bei Verdacht auf Rückenmarkkompression
55 ophthalmologische Untersuchung (Hornhauttrübung, Glaukom,
Retinadegeneration)

z Therapie
55 kausal > Memo Therapie mit
44Transplantation von Knochenmark oder hämatopoetischen rekombinanten lysosomalen
Stammzellen vor 24. Lebensmonat schützt ZNS, wenig Einfluss Enzymen bei MPS I, II, VI
auf Skelett (Nutzen vor allem bei MPS I) (beeinflusst ZNS-Schädigung
55 symptomatisch nicht, weil Enzym Blut-Hirn
44Hydrozephalus → ventrikuloperitonealer Shunt Schranke nicht passiert)
44Hornhautrübung → Kornealtransplantation bessert Hepatosplenomegalie,
44Hörstörung → Paukendrainage, Hörhilfen Gelenkbeweglichkeit, Wachstum.
44Gelenksteifheit → Physiotherapie
44Karpaltunnelsyndrom → Elektromyographie, chirurgische
Dekompression
44obstruktive Apnoen → Tonsillektomie, Adenotomie, CPAP
nachts, Tracheostomie
44bei Narkosen: atlantoaxiale Subluxation vermeiden, kleine
endotracheale Tuben
44Mitralinsuffizienz oder Aortenklappenerkrankung →
Klappenersatz, Endokarditisprophylaxe
44Rückenmarkkompression → chirurgische Stabilisierung

z Differenzialdiagnose
55 Oligosaccharidosen
44lysosomale Enzymdefekte der Glykoproteine (Mannosidose,
Fukosidose, Sialidose)
44Klinik ähnlich wie MPS
44Diagnose: pathologische Oligosaccharide im Urin, Bestätigung
durch Enzymanalyse
44Therapie symptomatisch, bei Mannosidose hämatopoetische
Stammzelltransplantation
55 Mukolipidosen
44lysosomale Enzymdefekte im komplexen
Kohlenhydratstoffwechsel
44Typ II (I-Cell Disease) imponiert klinisch wie MPS I

Sphingolipidosen
55 lysosomale Enzymdefekte mit Speicherung von Glykolipiden
55 autosomal-rezessive Vererbung, Ausnahme: M. Fabry wird
X-chromosomal-rezessiv vererbt
90 Kapitel 3 · Tag 1: Genetische und metabolische Erkrankungen

55 vorwiegend neurodegenerative Symptome (Differenzialdiagnose:


psychiatrische Erkrankung), Hepatosplenomegalie, Skelettver-
> Memo Enzymersatztherapie änderungen, ophthalmologische Symptome
möglich für M. Gaucher, 55 Diagnose durch spezifische Enzymaktivitätsmessung in Fibro-
M. Fabry. blasten, Mutationsanalyse

3
M. Gaucher
55 häufigste lysosomale Speicherkrankheit, Defekt der
β-Glukozerebrosidase
55 Zerebrosidspeicherung im RES (Lymphknoten, Milz, Leber,
Knochenmark: Gaucher-Zellen)
55 Häufigkeit 1:40.000 (nicht neuronopathisch), 1:1.000 bei Juden
osteuropäischer Abstammung

z Klinik
. Tabelle 3.11

z Diagnostik
55 Blutbild: Anämie, Thrombozytopenie, „Gaucher-Zellen“ im
Knochenmark
55 Ferritin ↑, Angio-Converting-Enzym ↑, saure Phosphatase ↑ (Serum)
55 Chitotriosidase (Plasma) 100- bis 1.000-fach ↑
55 Aktivität der β-Glukozerebrosidase (Leukozyten, Fibroblasten) ↓
(Standardverfahren)
55 Mutationsanalyse des GBA-Gens (fakultativ)
55 augenärztliche Untersuchung (kirschroter Makulafleck)

z Therapie
55 Enzymersatztherapie (Cerezyme®, VPRIV®) bei viszeraler Form
alle 2 Wochen i.v. → verbessert Leistungsfähigkeit, hämatolo-
gische Parameter, Wachstum
55 Enzyminhibitor (Miglustat, Zevesca®) hemmt Synthese von
Glukozerebrosid (Speichersubstanz), für Patienten >18 Jahre, falls
Enzymersatztherapie nicht möglich
55 symptomatisch: orthopädische Maßnahmen bei
Knochenschmerzen

Andere Sphingolipidosen
55 Niemann-Pick-Krankheit: Defekt der Sphingomyelinase
44Speicherung von Sphingomyelin in Knochenmark, Leber,
Milz, Gehirn
44akute infantile neuronopathische (Typ A) und chronisch-vis-
zerale Form (Typ B)
44klinisch: Hepatosplenomegalie, krischroter Makulafleck (in
50 %), progrediente neurologische Verschlechterung (Typ A),
Lungenbeteiligung (interstitiell) (Typ B)
44diagnostisch: Enzymaktivität (Fibroblasten), Mutationsanalyse
3.5 · Andere Stoffwechselerkrankungen
91 3

. Tab. 3.11  Manifestationsformen des M. Gaucher

Formen Symptome

Viszerale, nicht-neuronopathische Form (99 %) Hepatosplenomegalie → Hypersplenismus, Panzytopenie


Knochenschmerzen, Fieber (Differenzialdiagnose:
Osteomyelitis), aseptische Knochennekrosen, pathologische
Frakturen
Kleinwuchs, Dystrophie
Neuronopathische Form mit akutem oder Gedeihstörung, Atemwegsinfekte, Dysphagie
chronischem Verlauf Augenmuskellähmungen, kirschroter Makulafleck
Opisthotonus, Tetraspastik, Verhaltensänderungen,
Choreoathetose, Krampfanfälle

55 GM2-Gangliosidose (M. Tay-Sachs, infanile amaurotische


Idiotie)
44Defekt der Hexosaminidase; häufig bei Juden osteuropäischer
Abstammung
44klinisch mit 6 Monaten Verlust von statomotorischen Fähig-
keiten, myoklonische Schreckbewegungen auf Geräusche,
Spastik, Erblindung, kirschroter Makulafleck, Makrozephalie
44diagnostisch: Enzymaktivität, Mutationsanalyse
55 Morbus Fabry: X-chromosomal-rezessiver Defekt der
α-Galaktosidase
44Ceramidtrihexosid im Endothel von Gefässen, Epithelien
(Niere) und glatter Muskulatur
44klinisch: bei Jungen (Schulalter) schmerzhafte Akroparäst-
hesien, gestörte Schweißbildung, Angiokeratome, Hornhaut-
trübung, Katarakt, Herzklappen-, Niereninsuffizienz > Memo Enzymersatz
44auch heterozygote Frauen haben häufig klinische Symptome! (rekombinante α-Galaktosidase)
44diagnostisch: doppelbrechende Substanzen (Urin), Enzym- bessert Schmerzen, Herz-,
aktivität, Mutationsanalyse Nierenfunktion.
55 Morbus Krabbe: Defekt der β-Galaktozerebrosidase
44toxisches Galaktosylsphingosin zerstört Oligodendrozyten →
Demyelinisierung
44klinisch mit 3–6 Monaten Irritabilität, Taub-, Blindheit,
Opisthotonus, Spastik, Krampfanfälle
44Diagnose: Liquoreiweiß ↑, Nervenleitgeschwindigkeit ↓,
Demyelinisierung (MRT), Enzymaktivitätsmessung in Fibro-
blasten, Mutationsanalyse
55 metachromatische Leukodystrophie: Defekt der Zerebrosidsul-
fatase (Arylsulfatase A)
44Sulfatidakkumulation → Demyelinisierung
44infantile und juvenile Formen: Verlust erworbener Fähig-
keiten, spastische Tetraparese, Bulbärparalyse, Optikus-
atrophie, im Schulalter zuerst Verhaltensstörungen
44diagnostisch: Nervenleitgeschwindigkeit ↓, MRT Schädel:
Demyelinisierung, Enzymaktivitätsmessung in Fibroblasten,
Mutationsanalyse
92 Kapitel 3 · Tag 1: Genetische und metabolische Erkrankungen

55 neuronale Zeroidlipofuszinose: verschiedene Enzym- oder


Membranproteindefekte
44intrazelluläre Speicherung von Zeroidlipofuszin
44gehört zu häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen im
Kindes- und Jugendalter
44erste klinische Zeichen sind Krampfanfälle, Ataxie, Spastik,
3 Mikrozephalie
44gemeinsames klinisches Merkmal ist Entwicklung von
Amaurose und Demenz
44Einteilung nach Manifestationsalter (infantil/juvenil) oder
Gendefekt (CLN1–10)
44diagnostisch: (Elektronen-)Mikroskopie (Hautbiopsie,
Lymphozyten): Speichermuster; molekulargenetische
Untersuchung

3.5.2 Peroxisomale Erkrankungen

55 Störung der peroxisomalen Biogenese (Ausfall aller peroxiso-


malen Funktionen wie z. B. Fettsäureabbau, Cholesterinsynthese)
oder Defekte einzelner peroxisomaler Proteine

X-chromosomal vererbte Adrenoleukodystrophie


55 häufigste peroxisomale Erkrankung, 1:20.000 Jungen
55 Defekt des peroxisomalen ABC-Transporters ABCD1
55 Akkumulation überlangkettiger Fettsäuren
55 entzündliche Demyelinisierung des ZNS, periphere Neuropathie
55 adrenale und testikuläre Insuffizienz

z Klinik
55 hauptsächlich Jungen betroffen, >50 % der weiblichen Mutations-
träger neurologisch auffällig
. Tabelle 3.12

z Diagnostik
55 überlangkettige Fettsäuren (Serum) ↑
55 MRT Schädel: Demyelinisierung periventrikulär und okzipital
55 bei Nebennierenrindeninsuffizienz: ACTH (Plasma) ↑, Kortisol ↓
55 Mutationsanalyse (ABCD1-Gen), keine Korrelation zwischen
Genotyp und Phänotyp

z Therapie
55 frühe hämatopoetische Stammzelltransplantation,
Stammzell-Gentherapie
55 „Lorenzos Öl“: Diät mit einfach ungesättigten Fettsäuren (Glyze-
rintrioleat: Glyzerintrierukat 4:1) bei asymptomatischen Jungen
3.5 · Andere Stoffwechselerkrankungen
93 3

. Tab. 3.12  Klinische Manifestation der Adrenoleukodystrophie

Form Symptome

Kindlich-zerebral (48 %) Im 2.–10. Lebensjahr Verhaltensauffälligkeiten, Seh-, Hörverlust, in


wenigen Monaten spastische Tetraparese, Epilepsie, Demenz
Jugendlich-zerebrale Form (5 %) und Manifestation im Jugend-/Erwachsenenalter meist mit
erwachsen-zerebrale Form (3 %) psychiatrischen Symptomen, Verlauf dann wie kindlich-zerebrale
Form, Demenz
Adrenomyeloneuropathie (25 %) In 2. Lebensdekade, spastische Paraparese der Beine, Inkontinenz,
somatosensible Störungen, Nebennierenrinden- und
Gonadeninsuffizienz
Addison-only-Form (10 %) Isolierte Nebennierenrindeninsuffizienz
Asymptomatische Form (10 %) Keine

<6 Jahren → normalisiert überlangkettige Fettsäuren im Plasma,


verzögert Auftreten neurologischer Symptome ! Cave Notfallausweis bei
55 Substitution von Hydrokortison bei Nebennierenrindeninsuffizienz Hydrocortison-Substitution.

Andere peroxisomale Erkrankungen


55 klassisches Refsum-Syndrom: Störung des Phytansäureabbaus
44Akkumulation/Speicherung von Phytansäure im Plasma und
Gewebe
44klinisch: Retinitis pigmentosa (Nachtblindheit), Polyneuro-
pathie, zerebelläre Ataxie, Taubheit, Anosmie
44diagnostisch: Nervenleitgeschwindigkeit ↓, visuell und
akustisch evozierte Potenziale abnorm, pathologisches
Elektroretinogramm, Liquoreiweiß ↑, Phytansäure im Serum ↑
44Therapie: phytansäurearme Diät → verhindert Progredienz
der peripheren Polyneuropathie
55 Zellweger-Syndrom: autosomal-rezessiv erblicher Defekt der
peroxisomalen Biogenese
55 klinisch: kraniofaziale Dysmorphie, Augenfehlbildungen,
muskuläre Hypotonie, neonatale Krampfanfälle, psychomotori-
scher Entwicklungsstillstand, Cholestase, Nierenzysten, Taubheit
55 diagnostisch: überlangkettige Fettsäuren (Plasma) ↑, Plasma-
logen ↓, Fehlen von intakten Peroxisomen in Fibroblastenkultur,
PEX-Genanalyse
55 keine kausale Therapie verfügbar, Pränataldiagnose möglich
95 4

Tag 2: Infektionskrankheiten
L. von Müller

4.1 Allgemeine Infektionslehre – 97

4.2 Krankheitsbilder – 98
4.2.1 Sepsis – 98
4.2.2 Meningitis – 100
4.2.3 Pneumonie – 102
4.2.4 Osteomyelitis – 102
4.2.5 Harnwegsinfektion – 102
4.2.6 Infektiöse Darmerkrankungen – 102

4.3 Bakterielle Infektionen – 103


4.3.1 Streptokokkeninfektionen – 103
4.3.2 Staphylokokkeninfektionen – 107
4.3.3 Meningokokkeninfektionen – 110
4.3.4 Haemophilus-influenzae-Infektion – 111
4.3.5 Diphtherie – 112
4.3.6 Pertussis (Keuchhusten) – 113
4.3.7 Clostridien – 114
4.3.8 Salmonellose – 117
4.3.9 Shigellose (Ruhr) – 118
4.3.10 Escherichia-coli-Enteritis – 118
4.3.11 Lues/Syphilis – 119
4.3.12 Lyme-Borreliose – 120
4.3.13 Tuberkulose – 121
4.3.14 Chlamydien – 123

4.4 Virusinfektionen – 125


4.4.1 Masern – 126
4.4.2 Mumps (Ziegenpeter, epidemische Parotitis) – 127
4.4.3 Röteln – 127
4.4.4 Herpes simplex – 128

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2017


B. Karges, N. Wagner (Hrsg.), Pädiatrie in 5 Tagen, Springer-Lehrbuch,
DOI 10.1007/978-3-662-52813-6_4
4.4.5 Varizellen und Herpes Zoster – 129
4.4.6 Infektiöse Mononukleose – 130
4.4.7 Zytomegalievirus – 131
4.4.8 Exanthema subitum – 132
4.4.9 Ringelröteln – 132
4.4.10 Enterovirusinfektionen – 133
4.4.11 Frühsommermeningoenzephalitis (FSME) – 134
4.4.12 Human-Immunodefizienz-Virus (HIV) – 135
4.4.13 Adenovirusinfektionen – 136
4.4.14 Influenza – 137
4.4.15 Rotavirusinfektionen – 138
4.4.16 Norovirusinfektionen – 138

4.5 Pilzinfektionen – 139


4.5.1 Dermatomykosen – 139
4.5.2 Systemische Mykosen – 139
4.5.3 Nicht-infektöse Erkrankungen durch Pilze – 140

4.6 Erkrankungen durch Protozoen – 140


4.6.1 Malaria – 140
4.6.2 Toxoplasma gondii – 141
4.6.3 Amöben – 142

4.7 Wurmerkrankungen – 142


4.7.1 Nematoden (Rundwürmer) – 142
4.7.2 Trematoden (Saugwürmer) – 143
4.7.3 Zestoden (Bandwürmer) – 144

4.8 Erkrankungen durch Arthropoden – 145


4.8.1 Pediculosis capitis (Kopflaus) – 145
4.8.2 Skabies (Krätze) – 145

4.9 Impfungen – 146


4.9.1 Aktive Impfung – 147
4.9.2 Passive Impfung – 149
4.9.3 Standardimpfungen – 149
4.9.4 Reiseimpfungen/Indikationsimpfung – 149
4.1 · Allgemeine Infektionslehre
97 4
4.1 Allgemeine Infektionslehre

55 Infektionskrankheiten sind die häufigste Ursache für den Besuch


beim Kinderarzt
55 Infektionserreger sind mutations- und adaptationsfreudig
44Entstehung neuer humanpathogener Erreger, z. B. humanes
Immundefizienz-Virus (HIV), schweres akutes respiratori-
sches Syndrom-Virus (SARS)
44Entstehung resistenter Erreger, z. B. Methicillin-resistenter
Staphylococcus aureus (MRSA), Vancomycin-resistente
Enterokokken (VRE)

z Allgemeine Übertragungswege
55 aerogen (Tröpfcheninfektionen)
55 fäkal-oral (Schmierinfektionen)
55 hämatogen (z. B. i.v. Drogenabusus)
55 sexuell
55 endogen (z. B. opportunistische Infektionen)

z Besondere Übertragungswege (intrauterin und perinatal)


55 Embryo/Fetus
44i. d. R. natürlicher Schutz durch die sterile Fruchthöhle
(Amnion) und durch transplazentar übertragene mütterlicher
Antikörper („Nestschutz“)
44aszendierende oder transplazentare Infektion möglich > Memo wichtige konnatale
55 perinatal Erreger: „STORCH“, Akronym
44Vaginalflora der Mutter (z. B. Streptococcus agalactiae, für Syphilis, Toxoplasma
Escherichia coli, Listeria monocytogenes) gondii, „Others“, Rubella,
44Erreger aus mütterlichem Blut (z. B. Hepatitis B, HIV) CMV (Zytomegalievirus)/
44genitale Virusinfektionen der Mutter (z. B. Herpes-simplex- Chlamydia trachomatis, Herpes,
Virus, Papillomaviren) NEU: kongenitale Zika Virus
55 Früh- und Neugeborene Infektion mit Mikrozephalie
44Erhöhte Infektanfälligkeit aufgrund immunologischer Unreife (Reiseanamnese beachten).

z Disposition
55 lokale Störung der Haut-/Schleimhautbarriere (z. B. Traumata,
atopische Dermatitis)
55 Immunsuppression
55 angeborene Immundefekte
44Phagozytosesystem (z. B. septische Granulomatose, „chronic
granulomatous disease“, CGD)
44Antikörperbildung durch B-Zellen
(Bruton-Agammaglobulinämie)
44T-Zell-System („severe combined immunodeficiency
syndrome“, SCID)
44T-Zell-Defekte beeinflussen die Antikörperbildung, z. T. auch
die Funktion von natürlichen Killerzellen (NK-Zellen)
98 Kapitel 4 · Tag 2: Infektionskrankheiten

z Basisdiagnostik
55 „Infektlabor“
44Blutbild: Leukozyten, Thrombozyten, Differenzialblutbild
–– Eosinophilie z. B. bei Infektionen mit Helminthen und
Parasiten
–– Leukozytose (meist bakteriell), Lymphopenie/Lympho-
zytose (häufig viral)
–– „Linksverschiebung“ (bakterielle Infektion): unreife
4 (Stabkernige)/reife Granulozyten (Segmentkernige):
„immature to total quotient“ (ITQ)
> Memo Besonders 44C- reaktives Protein (CRP), Prokalzitonin (PCT), nur noch in
aussagekräftig sind begründeten Ausnahmefällen: Blutkörpersenkungsgeschwin-
Untersuchungen aus „primär digkeit (BSG)
sterilen Materialien“: z. B. Blut, 55 Erregerdiagnostik
Liquor, Punktate, Biopsien, 44Erregeranzucht (Kultur)
bronchioalveolärer Lavage 44Antigennachweis (z. B. ELISA, Immunfluoreszenz)
(BAL). 44Genomnachweis (z. B. PCR)
44Serologie (Nachweis spezifischer Antikörper)

> Memo Bei schweren z Therapie


Infektionen ist die antibiotische 55 der rationale Einsatz von Antibiotika („Antibiotic Stewardship“)
Therapie eine Notfalltherapie, soll einer lokalen und globalen Resistenzentwicklung vorbeugen.
die ohne Zeitverzögerung
begonnen werden muss.
4.2 Krankheitsbilder

4.2.1 Sepsis

55 „systemic inflammatory response syndrome“ (SIRS): schweres


generalisiertes Infektionssyndrom mit den klinischen Zeichen
einer systemischen Entzündungsreaktion (. Tab. 4.1)
55 Sepsis: systemische Infektionskrankheit (z. B. Bakteriämie) mit
den Zeichen der SIRS
55 häufige Erreger:
44Neugeborene: Streptococcus agalactiae (β-hämolysierende
Streptokokken der Gruppe B [GBS]), Escherichia coli, Listeria
monocytogenes, Herpes-simplex-Virus
44alle Altersgruppen: Staphylococcus aureus, Streptococcus
pyogenes (β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A
[GAS]), Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae,
Neisseria meningitidis
44Reiserückkehrer: Plasmodium falciparum (Malaria tropica)
44Immunsupprimierte: opportunistische Infektionen (CMV,
Adenoviren, Pilze)
55 alternative nichtinfektöse Ursachen des SIRS: schwere Traumata
oder Verbrennungen („sterile Entzündungsreaktion“)
4.2 · Krankheitsbilder
99 4

. Tab. 4.1  SIRS-Kriterien (2 oder mehr Kriterien müssen erfüllt sein)

Symptome Altersabhängige Richtwerte

Fieber oder Hypothermie >38,5 °C (Ausnahme: Neugeborene: >38,0 °C) oder <36 °C


Tachykardie (altersabhängig) <1 Monat: >190/min; 1–12 Monate: >160/min; 1–2 Jahre: >140/min;
2–5 Jahre: >130/min; 6–12 Jahre: >120/min; 13–15 Jahre: >100/min;
>15 Jahre: >90/min
Tachypnoe (altersabhängig) <1 Monat: >60/min; 1–12 Monate: >45/min; 1–2 Jahre: >40/min;
3–5 Jahre: >35/min; 6–12 Jahre: >30/min; 13–15 Jahre: >25/min;
>15 Jahre: >20/min
Leukozytose oder Leukopenie Leukozyten >14.000/µl oder <4.000/µl

z Klinik
55 Symptome am Beginn einer Sepsis sind häufig wenig spezifisch,
z. B. Fieber, Verwirrtheit
55 frühes Zeichen der Mikrozirkulationsstörung ist die verlängerte
kapillare Füllzeit (KFZ> 2 s)
44Druck auf gut zirkulierte Hautareale (z. B. Fingernagel) →
Abblassen → anschließende Dekompression → erneute Rötung
innerhalb von 2 Sekunden
55 Vollbild der Sepsis: disseminierte intravasale
Gerinnung (Hautblutungen), Somnolenz, Organ- und
Herz-Kreislauf-Versagen
55 Weitere Kriterien für SIRS bei Frühgeborenen <1.500 g (nach
Neo-KISS) sind metabolische Azidose (BE < -10 mmol) und
Hyperglykämie (>140 mg/dl)
55 schwere Sepsis: SIRS mit Organversagen (Niere, Atmung, Leber,
ZNS)
55 septischer Schock: schwerste Form der Sepsis mit katecholaminbe-
dürftiger Herz-Kreislaufinsuffizienz trotz adäquater Flüssigkeits-
zufuhr (Mortalität trotz intensivmedizinischer Therapie 30–50 %)
55 Risikopatienten: Immunsupprimierte, Splenektomierte
(„Postsplenektomie-Sepsis“, „overwhelming post splenectomy
syndrome“, OPSI), immunologische Unreife (Früh- und
Neugeborene)
55 anamnestische Angaben über Exposition und Disposition:
Geburtsanamnese (z. B. vorzeitiger Blasensprung, Nachweis
von beta-hämolysierenden Streptokokken im Vaginalabstrich
der Mutter, Herpes genitalis der Mutter), Umgebungsanamnese,
Reiseanamnese, Impfanamnese, Fremdkörper (z. B. zentrale
Venenkatheter, Schrittmacher)

z Diagnostik
55 Infektlabor und kulturelle Erregerdiagnostik (z. B. Blutkultur,
Urin, Liquor)
100 Kapitel 4 · Tag 2: Infektionskrankheiten

55 Antigennachweise (z. B. Gruppe-B-Streptokokken-Ag)


55 PCR (z. B. Herpes-simplex-Virus)
55 Ausschluss Malaria (Blutausstrich und „dicker Tropfen“) bei
bekannter Reiseanamnese
55 apparative Diagnostik (Fokussuche): z. B. Sonographie, Röntgen,
CT, NMR, Szintigraphie

z Therapie
4 55 sofortige kalkulierte antibiotische Therapie (Notfalltherapie) mit
„Breitband-Antibiotika“
55 bei klinischem Verdacht: frühzeitige spezifische antivirale
Therapie (z. B. Herpes-simplex-Virus, Influenza)
55 nur in begründeten Fällen zusätzliche antimykotische Therapie,
z. B. bei Therapieversagen bzw. bei Nachweis/Verdacht auf
systemische Mykose
55 chirurgisch: Fokussanierung, z. B. Abszesse („ubi pus ibi evacua“).
55 supportive intensivmedizische Maßnahmen
44Herz-Kreislauf-Stabilisierung: Volumengabe plus
Katecholamine
44Sicherung der Atmung (z. B. O2-Gabe, Beatmung)
44Stabilisierung der Gerinnung (z. B. FFP, Gerinnungsfaktoren)
44Dialyse

4.2.2 Meningitis

55 Entzündung der Hirnhäute


55 hämatogene (idiopathische) Meningitis (z. B. akute
Meningokokken-Meningitis)
55 Durchwanderungsmeningitis (mit bekanntem Focus, z. B.
Sinusitis)
55 posttraumatische Meningitis
55 Meningoenzephalitis (bei zusätzlicher ZNS-Beteiligung)
55 wichtige Erreger
44Bakterien: Streptococcus pneumoniae, Neisseria meningitidis,
Listeria monocytogenes, Haemophilus influenzae Typ B,
Escherichia coli, Mycobacterium tuberculosis
44Viren: Herpes-simplex-Virus, Enteroviren, Mumps
44Pilze: Cryptococcus neoformans (Immunsupprimierte)

z Klinik
55 meningeale Schmerzzeichen (Hirnhäute sind besonders gut
sensorisch innerviert)
44Nackensteifigkeit (Meningismus)
44Brudzinski-Zeichen (Beugung des Kopfes → Anziehen der
Oberschenkel)
44Kernig-Zeichen (Streckung im Kniegelenk bei Beugung im
Hüftgelenk nicht möglich)
4.2 · Krankheitsbilder
101 4

. Tab. 4.2  Liquorstatus bei verschiedenen Formen der Meningitis

Messparameter Eitrige Meningitis (meist bakterielle) Seröse Meningitis (meist viral)

Zellzahl +++ (>1.000/µl) ++ (<1.000/µl)


Differenzierung Granulozytenanteil >70 % Lymphomonozytäre Zellen
Glukose Erniedrigt (<30 mg/dl) Normal (>70 % des Blutzuckers)
Laktat Erhöht (>3,5 mmol/l) Normal
Protein >40 mg/dl (bei Neugeborenen >90 mg/dl) Normal-mäßig erhöht

44„Knie-Kuss“ nicht möglich > Memo Meningeale


44erhöhter Hirndruck (bei Säuglingen: vorgewölbte Fontalelle) Schmerzzeichen können fehlen
55 Petechien → Generalisierte Blutungen (Waterhouse-Friedrichsen- (besonders bei Säuglingen).
Syndrom, 7 Abschn. 11.6.2)
55 Meningoenzephalitis: Meningitiszeichen plus Bewusstseins-
trübung (Desorientiertheit, Somnolenz, Koma)

z Diagnostik
55 Anamnese: Umgebungsanamnese, Reiseanamnese, Zeckenstiche, ! Cave Ein negatives Gram-
Impfanamnese, Trauma Präparat schließt eine bakterielle
55 Infektlabor und Blutkulturen Meningitis nicht sicher aus
55 Liquorpunktion nach Ausschluss eines erhöhten Hirndrucks (geringe Sensitivität bei hoher
(Augenhintergrund/CT Schädel) Spezifität)!
55 Liquordiagnostik: Zellzahl, Eiweiß, Glukose, Laktat, mikrosko-
pisches Direktpräparat mit Gram-Färbung, kulturelle Anzucht,
PCR (. Tab. 4.2)
55 zusätzliche Liquordiagnostik bei seröser Meningitis: HSV-, VZV-,
Enterovirus-PCR, Borrelienantikörper (Serum-Liquor-Quotient,
Reiber-Schema)
55 zentrale Bildgebung (Sonographie, NMR, CT): Fokussuche bzw.
Ausschluss Abszess
55 hohe Letalität (10–20 % foudroyante Verlaufsformen) > Memo regelmäßige
55 Defektheilung: bleibende Behinderungen, z. B. progrediente Nachsorgeuntersuchungen
Innenohrschwerhörigkeit notwendig!

z Therapie
55 sofortige kalkulierte antibiotische (und antivirale) Therapie > Memo Jede Verzögerung der
(Notfalltherapie!) antibiotischen Therapie erhöht
44Cephalosporin der 3. Generation (hohe Liquorgängigkeit) signifikant die Mortalität und die
plus Ampicillin (bei Verdacht auf Listerien) plus Aciclovir (bei Schwere von Residuen.
Verdacht auf Herpes- oder Varizella-Zoster-Meningitis)
55 therapiebegleitend: antiinflammatorische Therapie mit
Dexamethason für 2 Tage empfohlen (Reduktion der zerebralen
Zellschädigung infolge der Inflammation, besonders nach
Pneumokokkeninfektionen)
55 chirurgisch bei nachgewiesenem Fokus (z. B. offenes Schädel-
Hirn-Trauma, Abszess)
102 Kapitel 4 · Tag 2: Infektionskrankheiten

4.2.3 Pneumonie

7 Abschnitt 5.3.4

4.2.4 Osteomyelitis

55 hämatogene Osteomyelitis (idiopathische Osteomyelitis)


4 44Staphylococcus aureus, Gram-negative Stäbchen (z. B. Salmo-
nellen), Mycobacterium tuberculosis, Treponema pallidum
(Lues connata)
! Cave Bissverletzungen von 55 posttraumatische Osteomyelitis
Menschen und Tieren. 44Aeobe/anaerobe Mischinfektion, C. perfringens (Gasbrand)

z Klinik
55 häufig wenig spezifisch (Abgeschlagenheit, subfebril)
55 Schonung der betroffenen Extremität („Pseudoparalyse“)
55 septische Arthritis (Ausbreitung per continuitatem)
55 Senkungsabszess in präformierte Muskellogen (z. B.
> Memo Differenzialdiagnose: Psoasabszess)
Knochentumoren, benigne 55 Komplikation: Wachstumsstörungen durch Zerstörung von
Knochenzysten. Epiphysenfugen

z Diagnostik
55 Infektlabor einschließlich Blutkörpersenkungsgeschwindigkeit
(BSG) plus wiederholte Blutkulturen
55 Erregernachweis sollte wenn möglich erzwungen werden
55 invasive Untersuchungen (Biopsie, Punktion) bei negativen
Blutkulturen
55 Bildgebung mit Röntgen (häufig erst mit Latenz auffällig), Ultra-
schall (perifokales Weichteilödem), NMR (besonders sensitiv
und spezifisch),99 m Tc-Sklelettszintigraphie (postoperativ nicht
sinnvoll, da falsch-positiv), evtl. PET

z Therapie
55 gezielte antibiotische Therapie (i.v.) entsprechend Erreger-
nachweis und Antibiogramm (Minimum 3(–6) Wochen)
55 nur in begründeten Ausnahmen chirurgische Fokussanierung
(bei konservativem Therapieversagen)

4.2.5 Harnwegsinfektion

7 Abschnitt 10.2

> Memo Durchfallerkrankungen


sind weltweit eine der 4.2.6 Infektiöse Darmerkrankungen
häufigsten Ursachen der
Kindersterblichkeit. 55 Übertragung: fäkal-oral
4.3 · Bakterielle Infektionen
103 4
44hohe Infektionsdosis: Anreicherung in Nahrungs-
mitteln durch unsachgemäße Lagerung (z. B. enteritische
Salmonellen)
44geringe Infektionsdosis: direkte Übertragung von Mensch zu
Mensch (z. B. Rotaviren)
55 wichtige Erreger
44Bakterien: Campylobacter jejuni, Salmonella enteritidis,
Shigella dysenteriae (Ruhr), Vibrio cholerae, Yersinien
enterocolitica (Inkubationszeit: wenige Tage)
44Viren: Rotaviren, Noroviren, Enteroviren (Inkubationszeit:
Stunden bis wenige Tage)
44Parasiten: Amöben, Cryptosporidien (Immunsupprimierte)
44Lebensmittelvergiftung: z. B. Toxine von Staphylococcus
aureus, Bacillus cereus (Inkubationszeit: wenige Stunden)
55 meldepflichtig nach IfSG §6 und 7
55 Komplikationen: Postinfektöse Arthritis (1–2 Wochen nach
Diarrhö)
44Assoziation mit HLA-B27
44Reiter-Trias (Konjunktivitis, Arthritis, Urethritis)

z Klinik
55 Durchfälle
55 Exsikkose > Memo aufgrund der
44Gewichtsabnahme Dehydratation initiale
44stehende Hautfalten Venenpunktion häufig
44eingesunkene Fontanelle problematisch.
55 Bewusstseinsstörung, Apathie

z Diagnostik
55 Erregeranzucht (Selektivmedien)
55 Antigennachweis (Gruber-Agglutination)
55 molekularbiologischer Nachweis der Pathovare von E. coli (PCR
für Pathogenitätsfaktoren)

z Therapie
55 orale bzw. i.v. Rehydratation
55 antibiotische Therapie nur bei invasiven Infektionen (z. B.
Typhus)

4.3 Bakterielle Infektionen

4.3.1 Streptokokkeninfektionen

55 Gram-positive, Katalase-negative Bakterien, die mikroskopisch in


Ketten gelagert sind
55 Einteilung nach
44Hämolyseverhalten auf Schafsblut-Agar
–– α-Hämolyse (unvollständige Hämolyse: „vergrünend“)
104 Kapitel 4 · Tag 2: Infektionskrankheiten

–– β-Hämolyse (vollständige Hämolyse)


–– γ-Hämolyse (ohne Hämolyse)
44Gruppenantigenen (C-Substanz, Lancefield-Klassifikation)

Streptococcus pyogenes (β-hämolysierende


Streptokokken der Gruppe A, GAS)
> Memo S. pyogenes ist immer 55 lokale Infektionen (Tonsillitis, Haut-/Weichteilinfektionen)
4 Penicillin-empfindlich. 55 toxinvermittelte Erkrankung (Scharlach, „streptokokken toxic
shock syndrome“ [STSS])
55 postinfektiöse, immunologisch vermittelte Erkrankung
(Poststreptokokken-Glomerulonephritis und rheumatisches
Fieber)

Angina tonsillaris (Tonsillopharyngitis)


55 eitrige Mandelentzündung
55 Manifestation: Klein- und Schulkindalter
55 Inkubationszeit: wenige Tage

z Klinik
55 Fieber, Schluckstörung, feuerrote mit Stippchen belegte
Tonsillen
55 druckdolente Lymphknotenvergrößerung (mandibulär,
zervikonuchal)
55 Rezidive möglich (Erregerpersistenz in den Krypten der
Tonsillen)

z Diagnostik
55 kultureller Erregernachweis, Antigennachweis
(„Streptokokken-Schnelltest“)

z Therapie
55 Penicilline p.o. oder i.v.

Scharlach
55 toxinvermittelte Erkrankung (erythrogenes, phagenkodiertes
Toxin)
55 lokale Infektion mit toxinogenen Stämmen (z. B. Tonsillitis)
55 selten: Wundscharlach nach Haut-/Weichteilinfektionen mit GAS

z Klinik
55 feinfleckiges Exanthem/Enanthem
44Betonung der Beugen (axillär und inguinal), Munddreieck
ausgespart (Facies scarlatina)
55 „Himbeerzunge“ (prominente, stark geröteten Papillen)
55 groblamelläre Hautschuppung an Händen und Füßen
(2.–4. Woche nach Krankheitsbeginn)
4.3 · Bakterielle Infektionen
105 4
z Diagnostik
55 kultureller Erregernachweis, Antigennachweis
(„Streptokokken-Schnelltest“)

z Therapie
55 Penicilline p.o. oder i.v.

Streptokokken toxic shock syndrome (STSS)


55 toxinvermittelte systemische Entzündungsreaktion durch Super-
antigene (s. auch Staphylococcus aureus)
55 sepsisartiges Krankheitsbild (s. auch 7 Kap. 4, S. aureus toxic
shock syndrome)

Haut-/Weichteilinfektionen durch β-hämolysierende


Streptokokken
55 klinische Unterscheidung folgender oberflächiger und tiefer
Infektionen

Impetigo contagiosa
55 hochkontagiöse superfizielle Infektion der Haut
55 Manifestation: Kleinkind- und Schulalter

z Klinik
55 Infektion der Haut mit Blasen- und Ulkusbildung (honigfarbene
Krusten)
55 Schmierinfektion: häufige Autoinfektionen an gut zugängigen
Hautarealen (Kratzstellen)

z Diagnostik
55 kultureller Erregernachweis aus Abstrichmaterial
55 Differenzialdiagnose: Staphylodermie (Staphylococcus aureus)

z Therapie
55 Lokaltherapie
55 evtl. plus Cephalosporin 1.–2. Generation p.o.

Erysipel
55 intrakutane Infektion mit Ausbreitung in den Lymphspalten
55 Risikofaktoren: Vorausgegangenes Erysipel, Lymphabfluss-
störung, Stoffwechselerkrankungen (z. B. Diabetes mellitus)

z Klinik
55 Fieber plus feuerrotes, scharf begrenztes, schmerzhaftes
Erythem
55 ipsilaterale druckdolente Lymphknotenvergrößerung
55 häufige Eintrittspforten: Mikrotraumata/Hautmazerationen
106 Kapitel 4 · Tag 2: Infektionskrankheiten

> Memo Abstriche sind z Diagnostik


nicht sinnvoll, Biopsien nicht 55 klinische Blickdiagnose
indiziert! 55 evtl. Blutkultur

z Therapie
55 Penicillin i.v./p.o.
55 evtl. kurzzeitige Ruhigstellung der befallenen Extremität

4 Phlegmone („cellulitis“)
55 Infektion der Kutis und Subkutis (Differenzialdiagnose: andere
Erreger, z. B. Staphylococcus aureus)

z Klinik
55 klassische Entzündungszeichen (calor, rubor, dolor, tumor, functio laesa)
55 Ekthyma gangraenosum: Ulzerierende eitrige Entzündung der
Haut bei Immunsupprimierten

z Diagnostik
! Cave keine Abstriche und 55 evtl. Blutkultur
keine Biospien. 55 Bildgebung mit Sonographie, CT

z Therapie
55 Staphylokokken-wirksame Therapie, z. B. Ampicillin plus
Clavulansäure oder Cephalosporine 1.–2. Generation i.v./p.o.

Nekrotisierende Fasziitis
55 lebensbedrohliche Haut-/Weichteilinfektion
55 invasive, häufig auch toxinvermittelte Infektion

z Klinik
55 starke lokale Schmerz/Gefühlsstörungen bei äußerlich wenig
auffälligem Lokalbefund
55 Eintrittspforte: Bagatelltraumata der Haut (z. B. superinfizierte
Insektenstiche)

z Diagnostik
55 Bildgebung: Sonographie, Röntgen, NMR
55 mikrobiologische Untersuchung aus Biopsiematerial (Gram-
Präparat und Kultur)

z Therapie
55 antibiotische Kombinationstherapie (Notfalltherapie) (Penicillin
plus Clindamycin)
55 frühzeitige chirurgische Exploration (Notfalltherapie), Nekrosektomie

Streptokokken-Folgeerkrankungen
55 immunologisch vermittelte postinfektiöse Erkrankungen durch
nephritogene/rheumatogen Stämme (M-Antigene)
4.3 · Bakterielle Infektionen
107 4
Rheumatische Fieber (RF)
7 Abschnitt 8.1.5

Akute Poststreptokokken-Glomerulonephritis (akute


exsudativ-proliferative GN)
7 Abschnitt 10.3.2

Pneumokokken (Streptococcus pneumoniae)


55 „vergrünende“, Gram-positive Diplokokken
55 wichtigster Pathogenitätsfaktor: Polysaccharidkapsel (>100
Kapseltypen)
55 30–40 % asymptomatische Träger (Nase-Rachen-Raum)
55 Manifestation: besonders häufig in den ersten beiden Lebensjahren
55 besondere Disposition bei Asplenie (OPSI, „overwhelming post ! Cave zunehmende
splenectomy infection syndrome) Resistenzentwicklung gegen
55 Prophylaxe invasiver Infektionen durch Impfung (Totimpfstoffe): Penicilline, Cephalosporine und
44Regelimpfung für Säuglinge ab 2. Lebensmonat mit 10- oder Makrolide in südlichen Ländern
13-valentem Konjugat-Impfstoff (z. B. in Spanien >50 %)!
44der ab dem 3. Lebensjahr zugelassene 23-valente Kapselpoly-
saccharid-Impfstoff hat in der Pädiatrie aktuell keine relevante
Bedeutung (Indikationsimpfung)

z Klinik
55 Infektionen des Respirationstrakts
44Pneumonie
44Otitis media
44Sinusitis
44Komplikationen: Mastoiditis, Durchwanderungsmeningitis,
Lungenabszess, Pleuraempyem, sekundäre Sepsis
55 Pneumokokkenmeningitis, -sepsis (7 Abschn. 4.2.2)
44Defektheilungen treten im Vergleich zu anderen Meningitis-
erregern besonders häufig auf (bis 20 %)

z Diagnostik
55 Infektlabor und Blutkultur
55 Röntgen-Thorax (Lobärpneumonie: lokalisierte Zeichnungsver-
mehrung mit Aerobronchogramm)
55 Sputum- bzw. Liquordiagnostik mit Kultur
55 fakultativ: Pneumonkokken-Antigennachweis im Urin > Memo Die antibiotische
Therapie ist bei schweren
z Therapie Pneumokokken-Infektionen eine
55 kalkulierte antibiotische Therapie (z. B. Cephalosporine, Ampicillin) Notfalltherapie.

4.3.2 Staphylokokkeninfektionen

55 Gram-positive, Katalase-positive Bakterien, die mikroskopisch in


Trauben gelagert sind
108 Kapitel 4 · Tag 2: Infektionskrankheiten

Koagulase-negative Staphylokokken (KNS)


55 physiologische Hautkeime (Kommensale)
55 geringe Virulenz bei ausgeprägter Persistenz (z. B.
Biofilmbildung)
55 häufige Antibiotikaresistenz (z. B. Methicillin-resistenter S.
epidemidis, MRSE)

z Klinik
4 55 Fremdkörperinfektion/nosokomiale Infektion
55 Infektionen bei Immunsupprimierten und Immununreifen
(Neonatologie)
55 häufige Kontaminante bei unsachgemäßer Probeabnahme

z Diagnostik
55 Kultur

z Therapie
55 bei oberflächiger Besiedlung: keine Therapie nötig
55 bei invasiver Infektion:
44Entfernung besiedelter Fremdkörper (z. B. zentrale
Venenverweilkatheter)
44antibiotische Therapie nach Antibiogramm (häufig resistent
gegen Beta-Laktam Antibiotika: Methicillin-resistenter
S. epidemidis [MRSE)]

Staphylococcus aureus
55 ca. 10–30 % asymptomatische Träger im Nasen-Rachen-Raum
55 wichtige Voraussetzung der Invasion ist i. d. R. eine gestörte
> Memo „community acquired Haut-/Schleimhautbarriere
MRSA“ (CA-MRSA) sind 55 hohe Virulenz (Adhäsine, Invasine, Toxine, Superantigene)
neue ambulant erworbene 55 akute, z. T. perakut verlaufende Infektionen mit hoher Mobidität
„Problemkeime“, die häufig von und Letalität
Kindern aus USA und Canada 55 chronische Infektionen mit ausgeprägter Rezidivneigung
importiert werden. 44Rezidive durch „Small-colony“-Varianten
44Rezidive durch Biofilme und nach intrazellulärer Persistenz
(Mimikry)
55 Antibiotikaresistenz (Methicillin-resistenter S. aureus [MRSA])
44Alternatives Penicillin-bindendes Protein (PBP2a,
MecA-Gen)

Invasive S.-aureus-Infektionen
z Klinik
55 Systemerkrankungen durch Staphylococcus aureus
! Cave Säuglinge, Patienten 44Pneumonie, z. B. häufige bakterielle Superinfektion nach
mit Mukoviszidose oder Influenza- oder RSV-Infektionen
Antikörpermangel. 44Endokarditis
44Sepsis
4.3 · Bakterielle Infektionen
109 4
55 Haut-/Weichteilinfektionen durch S. aureus
44Abszesse: Follikultis (Haarbalgentzündung), Furunkel (eintrig
abzedierende Hautinfektion), Karbunkel (Einschmelzung
mehrerer Furunkel), tiefe Weichteilabzesse
44Impetigo contagiosa (hochkontagiöse oberflächige Hautin-
fektion; „Staphylodermie“)
44Phlegmone (subkutane Infektion)
44Osteomyelitis (meist hämatogen)

z Diagnostik
55 Blutkulturen (z. B. bei Osteomyelitis), Kultur aus Abszess- oder
Abstrichmaterial
55 Schnelldiagnostik mit PCR möglich (z. B. MRSA)

z Therapie > Memo Abszesse immer


55 MSSA (Methicillin-sensitiv): Penicillinase-feste Penicilline chirurgisch behandeln („ubi pus
(Flucloxacillin) oder Cephalosporine der 1.–2. Generation ibi evacua“).
55 MRSA: Glykopeptide (z. B. Vancomycin), Oxazolidone (z. B.
Linezolid), Daptomycin, Tigecyclin

Toxisches Schocksyndrom (TSS)


55 toxinproduzierende Stämme (toxic shock syndrome toxin
[TSST-1], andere Superantigene [z. B. SEB]) ! Cave Verwendung bestimmter
55 möglicher Fokus: vaginale Besiedlung mit toxinogenen Tampons!
Stämmen

z Klinik
55 sepsisartiges Krankheitsbild mit Exanthem
55 Hauptkriterien (mindestens 3 Organsysteme müssen
beteiligt sein)
44Gastrointestinaltrakt: Erbrechen, Diarrhö
44Muskulatur: Myalgie, CK-Erhöhung
44Schleimhaut: Enanthem, Hyperämie
44Niere: Harnstoff/Kreatinin Erhöhung, Leukozyturie ohne
Erregernachweis
44Leber: Transaminasen-, alkalische Phosphatase-,
Bilirubinerhöhung
44ZNS: Desorientiertheit, Bewusstseinstrübung
55 nach 2 Wochen: groblamelläre Hautschuppung
55 Pathogenese durch systemische Toxinwirkung

z Diagnostik
55 kultureller Nachweis toxigener Stämme (Typisierung durch
Speziallaboratorien)

z Therapie
55 Fokussanierung (z. B. Entfernen des Tampons)
55 plus antibiotische Kombinationstherapie
110 Kapitel 4 · Tag 2: Infektionskrankheiten

44Hemmung der Bakterienvermehrung (Betalaktam-


Antibiotika, z. B. Oxacillin)
44plus Inhibition der Toxinproduktion (Proteinsynthese-
hemmer, z. B. Clindamycin)
55 plus intensivmedizinische symptomatische Therapie

Staphylococcal scalded skin syndrome (SSSS)


55 Synonyme: Epidermolysis Ritter von Rittershain, kutanes Lyell-
4 Syndrom, toxische Epidermolyse

z Klinik
55 toxinvermittelte bullöse Hautinfektion (Exfoliativtoxin)
55 Schocksymptomatik (Superantigene)
55 Manifestationsalter: Säuglinge

z Diagnostik
55 Kultur aus Abstrichmaterial

z Therapie
55 Cephalosporine der 1.–2. Generation evtl. plus Clindamycin
(Hemmung der Toxinproduktion)

Lebensmittelvergiftungen
55 Übertragung: kontaminierte, unsachgemäß gelagerte
Nahrungsmittel
55 Inkubationszeit: wenige Stunden
55 hitzelabile Enterotoxine (A–H)
55 Differenzialdiagnose: Bacillus cereus, Clostridium perfringens
55 meldepflichtig nach §6 und 7 des IfSG

z Klinik
55 plötzlich einsetzender Durchfall (häufig mit Erbrechen)

z Diagnostik
55 typische Anamnese mit zeitgleich Erkrankten
55 Kultur aus Rückstellproben (Toxinnachweis in
Speziallaboratorien)

z Therapie
55 symptomatisch

4.3.3 Meningokokkeninfektionen

55 Neisseria meningitidis (Gram-negative Diplokokken)


55 wichtigster Virulenzfaktor: Polysaccharidkapsel
55 12 verschiedene Kapseltypen (in Deutschland i. d. R. Kapseltyp B
und C)
55 meldepflichtig nach 6 und §7 des IfSG
4.3 · Bakterielle Infektionen
111 4
z Klinik
55 Meningokokken Meningitis (Meningitis epidemica)
55 Sepsis
55 hochakute Erkrankung mit hoher Letalität (5–25 %) ! Cave Fehldiagnosen bei
55 Beginn häufig als „banaler Infekt“ Erkrankungsbeginn.
55 Krankheitsprogression innerhalb weniger Stunden
44„grippaler Infekt“ → Meningismus → Somnolenz → disse-
minierte intravasale Gerinnung (DIG) → Organ- und > Memo Ein wichtiger Hinweis für
Herzkreislaufversagen die Meningokokkenmeningitis
55 Komplikationen sind Hautblutungen/Petechien
44Residuen mit geistiger Behinderung und motorischen (Vollbild: Waterhouse-
Entwicklungsstörungen Friedrichsen-Syndrom).
44häufig: sensorische Hörstörung
44septische Metastasen mit Vernarbungen > Memo Nachsorge!

z Diagnostik und Therapie


7 Abschnitt 2.2
55 frühzeitige kalkulierte antibiotische Therapie ist eine
Notfalltherapie

z Prophylaxe
55 Regelimpfung gegen Kapseltyp C für Kinder ab dem 12. Lebens-
monat (Konjugat-Impfstoff))(7 Abschn. 4.9)
55 Indikationsimpfung mit tetravalentem Kapselimpfstoff (ab dem 3.
Lebensjahr, Kapseltypen A, C, W135, Y)
55 Indikationsimpfung gegen Meningokokken der Serogruppe B
möglich (4CMenB Impfstoff mit alternativen Impfantigenen:
Faktor-H-Bindungsprotein (fHbp), neisseriales Heparin-­
Bindungsantigen (NHBA), Neisseria-Adhäsin (NadA) sowie
Porin A (PorA)), Verträglichkeit im Kindesalter jedoch
eingeschränkt, deshalb bislang keine Empfehlung von der
STIKO
55 Postexpositionsprophylaxe direkter Kontaktpersonen: 600 mg
Rifampicin (2 Tage) oder 500 mg Cipropfloxacin (Einmalgabe)

4.3.4 Haemophilus-influenzae-Infektion

55 Gram-negative, anspruchsvoll wachsende Stäbchenbakterien


55 Besiedlung von Nasen-Rachenraum (asymtomatische Träger)
55 wichtigster Pathogenitätsfaktor ist die Polysaccharidkapsel
(Serotypisierung)
55 besonders virulent ist der impfpräventable Serotyp B (Hib)
44Prophylaxe durch Hib-Impfung (konjugierter Totimpfstoff)
55 nicht-invasive Infektionen (z. B. Otitis media) durch nicht-typi-
sierbare, z. T. unbekapselte Stämme (NTHi)

z Klinik
55 Otitis media, Pneumonie, Konjunktivitis
112 Kapitel 4 · Tag 2: Infektionskrankheiten

! Cave Atemwegsverlegungen 55 Meningitis, Epiglottitis (eitrige Kehlkopfentzündung)


(Manipulation am Kehlkopf 55 selten: Osteomyelitis, Arthritis, Endokarditis
vermeiden).
z Diagnostik
55 Erregernachweis (Blut, Liquor, respiratorisches Sekret)

z Therapie
55 Cephalosporine oder Aminopenicilline (bislang nur geringe
4 Resistenz durch Beta-Laktamasebildner)
55 Intubation nur durch Erfahrene in Tracheotomiebereitschaft
(Epiglottitis)
55 postexpositionelle Umgebungsprophylaxe mit Rifampicin
bei schweren, invasiven Infektionen (nicht geimpfte
Kontaktpersonen)

4.3.5 Diphtherie

55 Corynebacterium diphtheriae, Gram-positives


Stäbchenbakterium
55 toxinvermittelte Erkrankung (Diphtherie-Toxin-Gen: lysogener
Bakteriophage)
55 sporadische Ausbrüche in Gemeinschaften von Nicht-Geimpften
55 Inkubationszeit: 2–5 Tage
55 meldepflichtig ist bereits der Krankheitsverdacht (§6 IfSG)

z Klinik
55 grau-weißliche „diphtherische Pseudomenbranen“
55 charakteristischer süßlicher Geruch
55 massive Lymphknotenvergrößerung („Cäsarenhals“)
55 primäre Lokalisationen
44Rachendiphtherie (Tonsillendiphtherie), Nasendiphtherie
! Cave Erstickung durch 44Kehlkopf-/Larynx-Diphtherie (klassischer Krupp)
Atemwegsverlegung. 44Wunddiphtherie
55 Verlaufsformen/Komplikationen (Manifestation 1–2 Wochen
nach Erkrankungsbeginn)
44Nervensystem (Demyelinisierung)
–– Parese des Gaumensegels, der Augen-, Gesichts-, Schluck-
und Atemmuskulatur
! Cave akuter Herztod bei erster 44Herz (Myokarditis)
körperlicher Belastung (z. B. –– EKG-Veränderungen (Erregungsrückbildungsstörungen)
Aufstehen, Stuhlgang). und Herzrhythmusstörungen
44Niere (Tubulusnekrosen): Proteinurie
44maligne-systemische Form (Intoxikation aller Organsysteme)

z Diagnostik
55 Impfanamnese (besonders wichtig bei Flüchtlingen aus
Krisengebieten)
4.3 · Bakterielle Infektionen
113 4
55 kulturelle Anzucht (Rachenabstrich)
55 Toxinnachweis bzw. Nachweis des Toxingens (PCR)

z Therapie
55 frühzeitige Gabe von „Antitoxin“ (Antiserum)
44Nobelpreis für E. von Behring (1901) für die passive Immuni-
sierung mit spezifischem Pferdeserum (Antitoxin)
55 antibiotische Therapie (Penicillin) zur Unterbrechung der
Infektionskette, aber ohne Einfluss auf den Krankheitsverlauf
(Toxinwirkung)
55 Bettruhe (für mehrere Wochen)
55 Isolierung und Pflege ausschließlich durch Geimpfte

4.3.6 Pertussis (Keuchhusten)

55 Bordetella pertussis und B. parapertussis (selten B. bronchiseptica)


55 schwer anzüchtbare Gram-negative Stäbchenbakterien
55 stadienhaft verlaufende toxinvermittelte Erkrankung (Pertussis-
Toxin, tracheales Zytotoxin)
55 Übertragung: Tröpfcheninfektion (häufig durch asymptomatisch > Memo Prävention des
besiedelte Erwachsene) Säuglings-Pertussis durch Booster-
55 Inkubationszeit: 1–2 Wochen Impfung von Eltern/Großeltern.

z Klinik
. Tabelle 4.3
55 Komplikationen
44schwere Hustenanfälle mit Zyanose, Erbrechen, Schleimhaut-
blutungen (Petechien)
44Keuchhustenenzephalopathie, zerebrale Krampfanfälle
(hypoxiebedingt)
44Pertussispneumonie
44bakterielle Superinfektionen
44hyperreagibles Bronchialsystem
44Säuglings-Pertussis: Apnoe-Anfälle (Tod durch Atemstill-
stand) ohne Hustenattacken

. Tab. 4.3  Stadien des Keuchhustens

Dauer Symptome

Stadium catarrhale 1–2 Wochen Unspezifisch: „grippaler Infekt“,


Konjunktivitis, Husten, Fieber
Stadium convulsivum 3–6 Wochen Stakkatoartige Hustenanfälle,
angestrengtes Inspirium
(„Ziehen“)
Stadium decrementi 2–6 Wochen Rekonvaleszenz
114 Kapitel 4 · Tag 2: Infektionskrankheiten

z Diagnostik
55 Lymphozytose (Pertussistoxin = „lymphocytosis promoting
factor“)
55 PCR vom Nasenrachenabstrich (früher: Immunfluoreszenz;
> Memo wichtige Kultur: wenig sensitiv)
Differenzialdiagnose: 55 Serologie (häufig erst in der 3. Krankheitswoche positiv →
Fremdkörperaspiration. Wiederholungsuntersuchung bei begründetem Verdacht)

4 z Therapie
55 antibiotische Therapie (Makrolide) → Unterbrechung von Infek-
tionsketten, Reduktion von Komplikationen aber ohne Einfluss
auf die Dauer der Klinik (Toxinwirkung)
55 symptomatische antitussive Therapie

z Prophylaxe
55 azelluläre Pertussis-Impfung ab dem 3. Lebensmonat (Subunit-
Vakzine, Totimpfstoff)
55 Herdenimmunität durch Auffrischimpfung im Erwachsenenalter
mit Diphtherie- und Tetanus- (TdaP) evtl. zusammen mit Polio-
Totimpfung (TdaP-IPV)

4.3.7 Clostridien

55 Gram-positive, anaerob wachsende Sporenbildner

Tetanus (Wundstarrkrampf)
55 Clostridium tetani: ubiquitärer Keim (Erdreich)
55 toxinvermittelte Erkrankung (Tetanospasmin)
44retrograde axonale, lympho- oder hämatoge Ausbreitung von
Tetanospasmin in das ZNS
44Hemmung glycinerger und GABAerger inhibitorischer
Neurone (Degradation von Synaptobrevin)
55 Infektion: kontaminierte Wunden (z. B. Mikrotraumata bei der
Gartenarbeit, Bissverletzungen)
55 Inkubationszeit 3 Tage bis 3 Wochen

z Klinik
55 Muskelspasmen: Trismus (Mundöffnung nicht möglich); Risus
sardonikus (breit gezogener schmaler Mund), Opisthotonus
(Rumpfmuskulatur), Harn- und Stuhlverhalt, Schlundkrampf,
Atemlähmung
55 Übererregbarkeit der Muskulatur durch taktile und sensorische
Reize (z. B. Hydrophobie)

z Diagnostik
55 fehlende Impfanamnese, typische Klinik
4.3 · Bakterielle Infektionen
115 4
55 Toxinnachweis (Tierversuch)
55 Säuglingstetanus in Entwicklungsländern durch Kontamination
des Nabelstumpfs
44Prävention durch aktive Impfung werdender Mütter (→
„Nestschutz“)

z Therapie
55 intensivmedizinische Therapie einschließlich Beatmung mit
Muskelrelaxation
55 plus passive Immunisierung (anti-Tetanus Immunglobulin)
55 plus Penicillin i.v.

z Prophylaxe
55 Regelimpfung: aktive Impfung mit Tetanus Toxoid (Totimpstoff)
ab dem 3. Lebensmonat
55 Postexpositionsprophylaxe durch Simultanimpfung aktiv und
passiv (Exponierte ohne ausreichenden Impfschutz)

Botulismus (Allantiasis)
55 Clostridium botulini
55 Intoxikation: hitzelabile Neurotoxine (Botulinumtoxine A–G)
44Botulinumtoxine gelten als die stärksten biologischen Gifte
(<1 µg ist tödlich)
44Übertragung: Ingestion von kontaminierten Lebensmitteln
(z. B. hausgemachte, nicht ausreichend erhitzte Konserven)
44Inkubationszeit: Stunden bis Tage (abhängig von der ! Cave Konserven mit
Toxinmenge) vorgewölbtem Deckel
44Pathogenese: irreversible Hemmung der Motoneurone („Bombagen“).
(Azetylcholin-Freisetzung)
44Rückbildung der Paralyse nur durch Wiederausbilden neuer
Synapsen
55 Säuglingsbotulismus: Toxinproduktion im Säuglingsdarm nach
Ingestion sporenhaltiger Nahrungsmittel (z. B. Honig)
55 Wundbotulismus: Toxinproduktion in infizierten
Wunden
55 therapeutische Anwendung von Botulinustoxin („Botox“) z. B.
bei spastischen neurologischen Erkrankungen (z. B. spastische
Zerebralparese)

z Klinik
55 Erkrankungsbeginn: Obstipation, Gaumensegelparese, Paresen
der Gesichts- und Augenmuskulatur
55 kraniokaudal progrediente Paralyse der gesamten ! Cave Gefahr der
Muskulatur Zwerchfellparese.

z Diagnostik
55 Kultur- und Toxinnachweis (Tierversuch)
116 Kapitel 4 · Tag 2: Infektionskrankheiten

z Therapie
55 frühzeitige Gabe von Antitoxin (Antiserum vom Pferd)
55 antibiotische Therapie bei Wundbotulinus (Penicillin i.v.)
55 bei Säuglingsbotulinus wird die antibiotische Therapie kontrovers
diskutiert (evtl. Steigerung der Toxinproduktion)
55 Giftentfernung nur unmittelbar nach Ingestion sinnvoll (Aktiv-
kohle, Magenspülung)

4
Clostridium difficile
> Memo alkoholische 55 pseudomembranöse Kolitis/antibiotikaassoziierte Kolitis/„Clost-
Händedesinfektionsmittel sind bei ridium difficile associated diarrhoea“ (CDAD)
Sporenbildnern nicht wirksam. 55 toxinvermittelte Darmerkrankung (Toxin A [Enterotoxin], Toxin
B [Cytotoxin], evtl. plus binäres Toxin)
! Cave komplizierte C. 55 meist asymptomatische Besiedlung im 1. Lebensjahr (deshalb
difficile Erkrankungen sind Diagnostik bei Kindern <2 Jahre i. d. R. nicht sinnvoll)
meldepflichtig (§6 IfSG). 55 schwere Infektionen bei hospitalisierten Patienten mit Grund-
erkrankungen (z. B. Onkologie)
55 spezielle hygienische Maßnahmen (Handschuhpflege, Hände-
waschen mit Seife, sporozide Flächendesinfektion) aufgrund der
besonderen Umweltresistenz der Sporen

z Klinik
55 wässrige, hämorrhagische Durchfälle, Tenesmen
55 Komplikation: toxisches Megakolon, Rezidive (ca. 20 %)
55 mögliche Assoziation mit nekrotisierender Enterokolitis bei
Frühborenen (NEC)

z Diagnostik
55 Stufendiagnostik mit empfindlichem Suchtest (z. B. GDH EIA)
und Bestätigungstest für die toxigene Infektion (z. B. Toxin A und
B EIA)
55 Erregeranzucht oder PCR aus Stuhl
55 Rektosigmoidoskopie (pathognomonische Pseudomembranen)

z Therapie
55 Vancomycin oder Metronidazol p.o., Fidaxomycin für Kinder
noch nicht zugelassen
55 bei rekurrenten Rezidiven: experimenteller Mikrobiomtransfer
(„Stuhltransplantation“), bislang kaum Erfahrung in der
Pädiatrie
55 bei Komplikationen evtl. chirurgische Intervention
(Kolektomie)

Clostridium perfringens (Perfringens-Toxin)


55 toxinvermittelte Infektionskrankheit
55 ubiquitärer Umweltkeim mit hoher Umweltresistenz
4.3 · Bakterielle Infektionen
117 4
z Klinik
55 „Gasbrand“
44lebensbedrohliche Wundinfektion
44kontaminierte chirurgische Instrumente ! Cave keine sichere Sporozidie
44kontaminierte Wunden (z. B. Unfälle mit offenen Frakturen) durch Auskochen.
44sehr selten: „Darmbrand“ (Enteritis necroticans)
55 Lebensmittelvergiftungen

z Diagnostik
55 Lokalbefund mit Krepitation bei der Palpation
55 Bildgebung: Röntgen (Lufteinschüsse), Sonographie
55 Gram-Präparat und Kultur aus Biopsiematerial

z Therapie
55 kombinierte chirurgische (Debridement) und antibiotische
Therapie (z. B. Ampicillin plus Clavulansäure)
55 evtl. plus hyperbare Sauerstofftherapie

4.3.8 Salmonellose

55 Salmonella enteritidis Subspezies enteritica, Gram-negative


Stäbchen (Enterobakterien)
55 Übertragung: fäkal-oral
44meist durch kontaminierte Speisen
44selten direkt von Mensch zu Mensch (Typhus)
55 wässrige Diarrhö

z Klinik
55 typhöse Verlaufsform
44Serovare typhi und paratypi
44systemische Infektion
44Inkubationszeit: 2 Wochen
. Tabelle 4.4
55 Enteritische Verlaufsform
44häufigste Serovare: typhimurium und enteritidis
44Vermehrung ausschließlich im Darm
44Inkubationszeit: 12 bis 36 Stunden
55 asymptomatische Dauerausscheider (Reservoir: Gallenblase)

z Diagnostik
55 kulturelle Anzucht auf Spezialnährböden (Leifson-Agar)
55 Serotypisierung nach Kauffmann-White-Schema
(Widal-Agglutination)

z Therapie
55 symptomatische Therapie (Rehydratation)
55 antibiotische Therapie nur bei typhösem Verlauf
118 Kapitel 4 · Tag 2: Infektionskrankheiten

. Tab. 4.4  Stadien des Typhus

Krankheitsstadien Symptome

Stadium incrementi (1 Woche) Fieberanstieg (bis >40°C), Roseolen (septische Hautzeichen), relative
Bradykardie, Leukopenie, Splenomegalie, Obstipation
Stadium acmes (1–2 Wochen) Fieber (Kontinua), erbsbreiartiger Stuhl, Delirium (typhos = griechisch:
„benebelt“), Organbeteiligung (z. B. Pneumonie, Myokarditis)

4 Stadium decrementi (1–2 Wochen) Fieberschwankungen (ambiophiles Fieber), blutige Durchfälle (cave:


Darmperforation), Besserung des Allgemeinzustandes
Selten: Relaps Nach kurzem symptomfreien Intervall Wiederauftreten der Symptomatik
(cave: Organmetastasen (z. B. Osteomyelitis, Organabszesse)

55 antibiotische Eradikation bei Dauerausscheidern (Chinolone)


55 nur in refraktären Fällen: Cholezystektomie

4.3.9 Shigellose (Ruhr)

55 Shigella dysenteriae, S. flexneri, S. boydii, S. sonnei


55 Inkubationszeit: 2–4 Tage
55 Übertragung: fäkal-oral von Mensch zu Mensch (geringe
Infektionsdosis: <100 Bakterien)

z Klinik
55 Tenesmen mit blutigen Durchfälle („himbeergeléeartige Stühle“)
55 Exsikkose

z Diagnostik
55 kulturelle Anzucht auf Spezialnährböden
55 Nachweis von Toxingenen (Shigatoxin, Verotoxin)

z Therapie
55 antibiotische Therapie: z. B. Chinolone oder Amoxycillin

4.3.10 Escherichia-coli-Enteritis

55 E. coli ist Indikatorkeime für die Darmflora


(Trinkwasserkontrolle)
55 Übertragung: fäkal-oral (Mensch-Mensch, aber auch
Tier-Mensch)
55 Inkubationszeit: 6 h bis wenige Tage
55 obligat pathogene E.-coli-Pathovare sind:
44EPEC (enteropathogene E. coli) (eae Gen)
–– Säuglings- oder Reisediarrhö
–– Schädigung der Mikrovilli (Enterozyten) über Adhäsine
44ETEC (enterotoxische E. coli)
4.3 · Bakterielle Infektionen
119 4
–– Toxin vermittelte Durchfallerkrankung („choleraartiges“
Toxin)
44EIEC (enteroinvasive E. coli)
–– interzelluläre Ausbreitung (ipaH Gen)
–– Shigella-artiges Enterotoxin (Sen)
44EHEC (enterohämorrhagische E. coli) (eae und stx1/stx2)
–– toxinvermittelte Durchfallerkrankung (Verotoxin/Shiga- ! Cave Tierkontakte, besonders
toxin, ST) Rinder, nicht pasteurisierte Milch.
–– Antropozoonose
–– häufig: Serovar O157 ! Cave hämolytisch-urämisches
–– Hämolyse mit Fragmentozyten, Thrombozytopenie, akute Syndrom (HUS) bei ca. 10 % der
Niereninsuffizienz Infizierten.
–– Komplikation: Terminale Niereninsuffizienz (15–30 %)

z Klinik > Memo Bei blutigen Durchfällen


55 blutige Diarrhö immer Hämolyse Diagnostik
(Differenzialblutbild mit Nachweis
z Diagnostik von Fragmentozyten, LDH,
55 Stuhlkultur und molekularbiologischer Nachweis der Pathogeni- Haptoglobin) und EHEC-Nachweis
tätsgene mit PCR (z. B. eae (Intimin) Gen) im Stuhl anstreben.
55 Anzucht und Typisierung (Toxingene stx1 und stx2)
55 Widal-Agglutination (O- und H-Antigene) > Memo bei Verdacht auf HUS
Antibiotika möglichst vermeiden
z Therapie (Steigerung der Toxinproduktion).
55 Rehydratation
55 frühzeitige Dialyse bei HUS mit Niereninsuffizienz

4.3.11 Lues/Syphilis

55 Treponema pallidum, Gram-negative Stäbchenbakterien (Spirillen)

z Klinik
55 Lues acquisa: sexuelle Übertragung/Schmierinfektion (Rarität im
Kindesalter) (. Tab. 4.5)
44Inkubationszeit: 10 Tage bis 3 Monate
44Parallelität von Stadien und verkürzter Verlauf bei Immun-
defekten (z. B. AIDS)
55 Lues connata
44Infektion der Mutter → transplazentare Übertragung nach der
10. SSW
–– intrauteriner Fruchttod/Frühgeburtlichkeit
–– häufig: Postnatal klinisch unauffällig (>50 %)
–– Frühform (bei Geburt symptomatisch): Coryza syhilitica
(blutig-eitriger Schnupfen), Atemstörung, Hepatospleno-
megalie, Pemphigus syphilitica
44Spätform (Manifestation 1–3 Monate postnatal)
–– makulopapulöses Exanthem (Syphilid), Schleimhautulzera
(Plaque muqueuses), Fieber, Osteochondritis/Periostitis/
120 Kapitel 4 · Tag 2: Infektionskrankheiten

. Tab. 4.5  Stadien der Lues acquisa

Stadien Symptome

Primärstadium (Lues I) (ca. 4 Wochen) Primäraffekt: Ulcus durum (kontagiös), plus schmerzlose
Lymphknotenvergrößerung (Primärkomplex)
Sekundärstadium (Lues II) (Monate bis Jahre) Systemische Ausbreitung der Erreger (kontagiös): Fieber,
Abgeschlagenheit, Exanthem (Syphilid) mit Betonung der

4 Hand- und Fußflächen, Condylomata lata, Enanthem (Plaque


muqueuses)
Tertiärstadium (Lues III) (nach Jahren) Nicht mehr infektiös: Gummen (chronisch-granulomatöse
Infektion: Haut und Organe), Neurolues (Tabes dorsalis,
progrediente Paralyse), kardiovaskuläre Lues (Mesaortitis luetica)

Osteomyelitis (Pseudoparalyse), Myokarditis, Hepatitis,


Iritis/Retinitis u. a.
–– 2. Lebensjahr: seröse Meningitis
55 Lues connata tarda (Manifestation in Kleinkind-/Schulalter)
44Hutchinson-Trias
–– Keratitis parenchymatosis
–– Tonnenzähne
–– Innenohrtaubheit

z Diagnostik
55 Direktnachweis (Dunkelfeldmikroskopie)
55 Serologie: Suchtest (TPHA/TPPA), Bestätigungstest
(FTAabs-IgG/IgM), Aktivitätsmarker (VDRL, Lipoid-/
Cardiolipin-Antikörper)

z Therapie
! Cave Jarisch-Herxheimer- 55 Penicillin G
Reaktion bei Therapiebeginn 55 Prophylaxe der Lues connata
(Endotoxinfreisetzung) mit 44TPHA-Suchtest in der Frühschwangerschaft (Dokumentation
Fieber, Exanthem, Myalgie. im Mutterpass)
44frühzeitige antibiotische Therapie der infizierten Mutter

4.3.12 Lyme-Borreliose

> Memo Prävention durch 55 Borrelia burgdorferi (B. sensu strictu, B. afzelii, B. garinii), Gram-
Repellentien bzw. durch negative Stäbchenbakterien (Spirillen)
frühzeitige Entfernung von 55 stadienhaft verlaufendes Infektionssyndrom
Zecken, Impfung nicht möglich. 55 Übertragung durch Zecken

z Klinik
. Tabelle 4.6
4.3 · Bakterielle Infektionen
121 4

. Tab. 4.6  Stadien der Borreliose

Stadien Symptome

Frühstadium (lokalisiert) Erythema chronicum migrans („Wanderröte“)


Frühstadium (generalisiert) – Lymphadenosis cutis benigna („Pseudolymphom“),
– Meningoradikulitis Bannwath (z. B. Fazialisparese)
– Seröse Meningitis (Differenzialdiagnose: virale Meningitiden)
– Arthritis/Karditis/Konjunktivitis
Spätstadium – Chronisch progressive Enzephalomyelitis
– Chronische Polyneuropathie
– Chronische Arthritis
– Akrodermatitis chronica atrophicans

z Diagnostik
55 Frühstadium: ausschließlich klinisch (Erythema chronicum
migrans), Serologie meist negativ
55 Serologie: IgG- und IgM-Antikörper,
Western-Blot-Bestätigungstest

z Therapie
55 Frühstadium (lokalisiert): z. B. Amoxycillin p.o. (im Jugend-
lichen- und Erwachsenenalter auch Doxycyclin p.o.)
55 generalisierte Infektion und Spätstadium: Ceftriaxon i.v. oder
Doxycyclin p.o.

4.3.13 Tuberkulose

Mycobacterium tuberculosis
55 säurefeste Stäbchenbakterien, langsames intrazelluläres
Wachstum (Makrophagen)
55 immunologische Kontrolle durch spezifische T-Zellen
55 Histologie: granulomatöse Entzündung mit verkäsender
Nekrose
55 Übertragung: aerogene Infektion, selten Nahrung
(Darmtuberkulose)
55 nach WHO erkrankten 2014 weltweit 1 Million Kinder neu an
Tuberkulose (TB)
55 Säuglinge und Kleinkinder häufiger betroffen als ältere
Kinder

z Klinik
55 Primärkomplex (Ghon-Komplex): Primäraffekt plus korrespon-
dierender Lymphknoten
55 systemische Aussaat („Mikrometastasen“)
122 Kapitel 4 · Tag 2: Infektionskrankheiten

44symptomlose Persistenz in multiplen Organen (z. B. Simon-


Spitzenherde der Lunge)
44selten (Immunsupprimierte/Immununreife): Miliartuber-
kulose, Landouzy-Sepsis
55 Reaktivierung (z. B. bei Immunsuppression, Unterernährung,
Tumoren, erhöhtem Alter etc.)
55 Organmanifestationen (postprimäre Tuberkulose)
44Lungentuberkulose (Kavernenbildung im Röntgenbild)
4 44tuberkulöse Meningitis
44tuberkulöse Nephritis („sterile Leukozyturie“)
44Osteomyelitis/Spondylodiszitis
44Darmtuberkulose (Auslandsanamnese: infizierte Milchpro-
dukte, z. B. M. bovis)

z Diagnostik
55 Anamnese: Exposition zu Erkrankten, Herkunft aus
Risikogebieten
55 Immundiagnostik (indirekter Nachweis spezifischer T-Zellen)
44Mendel-Mantoux-Intrakutantest (Induration innerhalb von
72 h, allergische Typ IV Reaktion)
44T-Zell-Aktivierungstest im Blut („tuberculosis interferon-
gamma release assay“, TIGRA)
–– Unterscheidung zwischen Impfantwort (BCG) und Kontakt
mit M. tuberculosis im Gegensatz zum Intrakutantest
möglich
–– Röntgen Thorax
55 direkter Nachweis (aus Sputum oder Magensaft)
44Mikroskopie (Ziehl-Neelsen-Färbung, Kinyoung-Färbung)
44Anzucht auf Spezialnährböden (z. B. Löwenstein-Jensen-Agar,
Dauer der Anzucht: mehrere Wochen)
44obligat bei jedem positiven Isolat: phänotypische Resistenz-
testung (Dauer: mehrere Wochen)
44Genomnachweis und genotypische Resistenztestung (PCR)
innerhalb von 24 h möglich

z Therapie
! Cave Resistenzentwicklung 55 Diagnostische und klinische Einteilung
gegen klassische 44TB-Exposition: gesicherte TB-Exposition, negative Immun-
Tuberkulostatika (MDR/ diagnostik, negativer Röntgen-Thorax
XDR-Stämme). 44Chemoprophylaxe mit Isoniazid (3 Monate, bei klinischer
Auffälligkeit Erweiterung um weitere 6 Monate)
44latente TB-Infektion: gesicherte TB-Exposition,
positive Immundiagnostik (Serokonversion), negativer
Röntgen-Thorax
44Chemoprävention mit Isoniazid (9 Monate), alternativ
Isoniazid/Rifampicin (3–4 Monate)
44aktive Tuberkulose: Kombinations-Chemotherapie
4.3 · Bakterielle Infektionen
123 4
44Vierfachtherapie (2 Monate): Isoniazid, Rifampicin,
Etambutol, Pyrazinamid
44Zweifachtherapie (weitere 4(–7) Monate): Isoniazid,
Rifampicin

Atypische Mykobakteriosen („mycobacterium


other than tuberculosis“, MOTT)
55 besondere Disposition bei Kleinkindern und bei
Immmunsupprimierten

z Klinik
55 meist einseitige Lymphknotenvergrößerung ! Cave Differenzialdiagnose:
55 „Schwimmbadgranulom“ der Haut (M. marinum) Tumor/Lymphom.
55 Hautulkus (M. ulcerans, „Buruli-Ulkus“)
55 tuberkuloseartige pulmonale Infektion bei Immunsupprimierten
(z. B. AIDS)

z Diagnostik
55 Nachweis bevorzugt aus Biopsiematerial
55 Anzucht (Spezialnährböden)
55 Genomnachweis (PCR)

z Therapie
55 Lymphknotenexstirpation in toto (Immungesunde) ohne weitere
tuberkulostatische Therapie
55 alternativ: Antimykobakterielle Therapie (z. B. Rifabutin plus
Clarithromycin)

4.3.14 Chlamydien

55 Chlamydien sind obligat intrazellulär wachsende Bakterien


55 Therapie der Wahl: Makrolide

Chlamydia trachomatis
55 abhängig vom Serotyp sind verschiedene Krankheitsentitäten
bekannt

z Klinik
55 Trachom (Serovare A–C)
44chronischen Augenentzündung, die unbehandelt zur ! Cave „Ping-pong-Infektionen“
Erblindung führt (sexuelle Übertragung bei
44endemisch in tropischen Ländern Erwachsenen).
55 Lymphogranuloma venerum (Serovare L1–3)
44Geschlechtskrankheit
124 Kapitel 4 · Tag 2: Infektionskrankheiten

44Primärläsion (Ulkus) und begleitender


Lymphknotenschwellung
55 Chlamydien-Konjunktivitis und -Pneumonie (Serovare D–K)
44konnatale aszendierende Infektion bei vorzeitigem
Blasensprung
44perinatale Infektion durch die vaginal besiedelte Mutter
(Prävention durch Screening der Mutter[PCR])
44klinisch bei Erwachsenen häufig asymptomatischer
4 Verlauf
44Inkubationszeit: 1–4 Wochen
44Neugeborene (perinatal erworbene Infektion)
–– C.-trachomatis-Pneumonie (10–20 % der Exponierten)
> Memo Die Credé-Prophylaxe –– eitrige Konjunktivitis („Einschlusskörperchen-Konjunkti-
verhindert die Konjunktivitis, vitis“) bei >50 % der Exponierten
nicht die Entwicklung der 44Frauen
Pneumonie. –– Adnexitis durch aszendierende Infektion (Unfruchtbarkeit
durch Tubenverklebung)
–– selten: Peritonitis
44Männer
> Memo immer systemische –– Epididymitis/Prostatitis/z. T. auch Proktitis
antibiotische Therapie, auch bei
Konjunktivitis. z Diagnostik
55 Genomnachweis (PCR)
55 Serologie nur eingeschränkt für die Akutdiagnostik verwertbar
55 Anzucht in Zellkultur (Speziallabore)

z Therapie
55 Makrolide, bei Jugendlichen auch Doxycyclin

Chlamydia psittaci
55 natürliches Habitat: Vögel
55 Übertragung: Inhalation von erregerhaltigem Staub
55 Inkubationszeit 7–14 Tage

z Klinik
55 atypische Pneumonie (Psittakose, Ornithose,
Papageienzüchter-Erkrankung)

z Diagnostik
55 Anzucht in Zellkultur (Speziallabore)
55 Serologie (im Rahmen der akuten Erkrankung häufig noch
negativ)
55 Genomnachweis (PCR)

z Therapie
55 Makrolide
4.4 · Virusinfektionen
125 4
Chlamydia pneumoniae

z Klinik
55 Infektionen der oberen und unteren Luftwege (Konjunktivitis,
Pharyngitis, Bronchitis, Otitis media, Pneumonie)
55 Hyperreagibilität des Bronchialsystems im Anschluss an die akute
Infektion

z Diagnostik
55 PCR (Antigennachweis und Serologie sind wenig sensitiv und
spezifisch)

z Therapie
55 Makrolide

4.4 Virusinfektionen

55 infektiöse Partikel ohne eigenen Stoffwechsel


55 Zusammensetzung: Nukleinsäure (DNA oder RNA) und Proteine
55 Vermehrung obligat intrazellulär
55 infektiöses Prinzip: virale Nukleinsäure → Umprogrammierung
der Wirtszelle → Synthese der Virusbausteine und des Virus-
genoms → Zusammenbau („self assembly“) → Virusfreisetzung
55 Aktivität/Replikation
44aktive Infektion (Virusnachweis positiv)
44Primärinfektion (Serokonversion)
44latente Infektion (Persistenz von Virusgenom ohne Virusrepli-
kation, z. B. Herpesviren)
44Reaktivierung vormals latenter Infektionen (häufig im
Rahmen von Immunsuppression)
55 Pathogenese von Viruserkrankungen
44abortive Infektion (asymptomatisch)
44lytische Infektion (direkter zytopathischer Effekt)
44immunvermittelte Zellschädigung (indirekter Effekt)
44Transformation (z. B. Tumor-/Warzenviren)
55 typische Charakteristika viraler Infektionskrankheiten
44zweigipfliger Fieberverlauf (1. Virämie → 2. Immunreaktion)
44hohe Infektiosität häufig bereits wenige Tage vor
Exanthembeginn
44lebenslange Immunität bei einigen klassischen Kinderkrank-
heiten z. B. Masern, Mumps, Röteln, Windpocken (Voraus-
setzung: ein Serotyp)
44Teilimmunität: zeitlich begrenzter Schutz vor Neuinfektionen
(z. B. Noroviren)
44selten: „immune enhancement“ (verstärkte Pathogenität bei
nicht-sterilisierender Immunität, z. B. Dengue-Virus)
126 Kapitel 4 · Tag 2: Infektionskrankheiten

4.4.1 Masern

55 Morbillivirus (Paramyxovirus)
55 Übertragung: Tröpfcheninfektion/aerogene Infektion
55 Inkubationszeit: 9–12 Tage
55 fast alle Infektionen verlaufen symptomatisch (Manifestations-
index >90 %)
55 i. d. R. lebenslange Immunität
4
z Klinik
55 Prodromalstadium (3–4 Tage)
44katarrhalische Symptomatik mit Fieber, Abgeschlagenheit, Husten
44Konjunktivitis, Lichtscheu
44pathognomonisch: Koplik-Flecken (kalkspritzerartiges
Enanthem der Wangenschleimhaut auf Höhe der Prämolaren)
55 Exanthemstadium
44mittel- bis großflächiges, z. T. konfluierendes Exanthem
44Exanthembeginn am Kopf, kraniokaudale Ausbreitung
44Zunahme der katarrhalischen Allgemeinsymptome, Fieber,
starke Abgeschlagenkeit
44Lymphadenopathie (zervikonuchal), Lymphozytopenie
! Cave prolongiertes Fieber → 44Entfieberung spätestens am 4. Krankheitstag
komplizierter Verlauf (z. B. durch 55 Komplikationen
bakterielle Superinfektion). 44Masern-Pneumonie (Riesenzellen, Synzytien)
44Masern-Enzephalitis (Häufigkeit 1:1.000) mit hoher Letalität
(bis 20 %); Defektheilungen (bis 40 %)
44Immunsuppression (z. B. Reaktivierung einer Tuberkulose)
44toxische Masern (foudroyant) mit generalisierter Hämorrhagie
und hoher Letalität
44bakterielle Superinfektionen
44subakut sklerosierende Panenzephalitis (SSPE)
–– Spätkomplikation mit einer Latenz von mehreren Jahren
–– chronische Enzephalitis durch mutierte Masernviren
–– chronisch progrediente neurologisch-demenzielle Entwick-
lungsstörung (100 % letal!)
–– typische EEG-Veränderungen
–– Risikopatienten nach Infektion im Alter <1 Jahr (vor
Erreichen des empfohlenen Alters für Lebendimpfungen!)

z Diagnostik
55 Serologie: Masern-IgG und -IgM

z Therapie
55 symptomatisch, Prävention durch Impfung (Lebendimpfstoff)
55 antibiotische Therapie bei Verdacht auf bakterielle
Superin­fektion
4.4 · Virusinfektionen
127 4
4.4.2 Mumps (Ziegenpeter, epidemische Parotitis)

55 Mumpsvirus (Paramyxovirus)
55 Übertragung: Tröpfcheninfektion
55 Inkubationszeit 2–3 Wochen
55 i. d. R. Lebenslange Immunität

z Klinik
55 schmerzhafte Parotisschwellung (ein- oder beidseitig)
55 häufig asymptomatischer Verlauf (60–70 %)
55 Knabenwendigkeit
55 Komplikationen
44Mumps-Orchitis (selten vor der Pubertät, bis 30 %
nach der Pubertät), in der Folge häufig Hodenatrophie/
Fertilitätsstörung ! Cave häufig bleibende
44Mumps-Meningoenzephalitis Innenohrschwerhörigkeit.
44Mumps-Pankreatitis

z Diagnostik
55 Serologie: Mumps-IgG und -IgM
55 Amylase/Lipase zum Ausschluss der Pankreatitis

z Therapie
55 symptomatisch, Prävention durch Impfung

4.4.3 Röteln

55 Rubella-Virus (Rubivirus)
55 Übertragung: Tröpfcheninfektion, transplazentare Transmission
55 i. d. R. lebenslange Immunität

z Klinik
55 Röteln (Kinder und Erwachsene): harmlose Kinderkrankheit
44makulopapuläres Exanthem
44generalisierte Lymphknotenvergrößerung
44Allgemeinzustand kaum beeinträchtigt
44häufig: abortive Infektionen (50 % ohne klinische Symptome)
55 Röteln-Embryofetopathien („Gregg-Syndrom“)
44transplazentare Infektion durch Primärinfektion der Mutter in
der Schwangerschaft
44häufigste infektiöse Embryofetopathie vor Einführung der
Impfung
44Embryofetopathie-Risiko besonders hoch in der Frühschwan-
gerschaft (>50 %), nach der 18. SSW sinkt das Risiko auf <5 %
44klinische Zeichen
128 Kapitel 4 · Tag 2: Infektionskrankheiten

–– Katarakt bzw. weitere Augendefekte


–– Innenohrschwerhörigkeit
–– Herzfehler
–– psychomotorische Retardierung/Mikrozephalie
–– Hypotrophie/Minderwuchs
44erweitertes Röteln-Syndrom: plus Organbeteiligung
(Hepatitis, Pneumonie, Myokarditis, Blutbildungsstörung
u. a.)
4
z Diagnostik
55 Serologie: IgG (Immunität bei >10(–15) IU/ml im ELISA-Test)
und IgM
55 Spezialuntersuchungen zur Unterscheidung frischer und älterer
Infektionen
44epitopspezifische Anti-E2-Antikörper (Infektionszeitpunkt
>3 Monate)
44Aviditätstest (hochavide Antikörper >3 Monate nach
Infektion)
44Genomnachweis (RT-PCR)

z Therapie
55 symptomatisch, Prävention durch Impfung

4.4.4 Herpes simplex

55 Herpes-simplex-Virus Typ 1 und 2 (α-Herpesvirus)


55 Übertragung: Schmierinfektion, oral, sexuell, perinatal
55 Latenz in sensorischen Ganglien

z Klinik
55 gruppierte Bläschen (Vesikel) → Erosion → Ausheilung immer
ohne Narbenbildung
55 lokales Taubheitsgefühl
55 Primärinfektion
44häufig asymptomatisch
44Stomatitis aphthosa (Mundfäule): Kleinkindalter
–– schmerzhaft ulzerierendes Enanthem → Nahrungsverwei-
gerung → Exsikkose
55 Reaktivierungen
44Herpes labialis („Lippenbläschen“)
–– HSV1 (Persistenz in den trigeminalen Ganglien), selten
HSV2
44Herpes genitalis
–– HSV2 (Persistenz in den sakralen Ganglien), selten HSV1
55 Komplikationen
44Herpes-Enzephalitis (Temporallappen-Enzephalitis)
4.4 · Virusinfektionen
129 4
44Herpes neonatorum (perinatale Infektion, Herpes genitalis der
Mutter)
–– lokalisierte exanthematische Infektion („eye, skin, mouth
infection“) ! Cave Neonatale HSV-Infektionen
–– ZNS-Infektion (Enzephalitis) generalisieren zwangsläufig ohne
–– neonatale Sepsis (generalisierter Verlauf mit frühzeitige antivirale Therapie!
Multiorganbefall)

z Diagnostik
55 PCR (Genomnachweis), Antigennachweis (Direktpräparat),
Zellkultur
55 Serologie: IgG- und IgM-Antikörper
> Memo Bei Verdacht auf
z Therapie schwere HSV-Infektionen ist
55 Mittel der Wahl: Aciclovir Aciclovir i.v. eine Notfalltherapie,
die ohne Zeitverzögerung
appliziert werden muss. Die orale
4.4.5 Varizellen und Herpes Zoster Bioverfügbarkeit von Aciclovir
ist gering, so dass schwere HSV
55 Varizella-Zoster-Virus (VZV), α-Herpesvirus (HHV3) Infektionen stets i.v. therapiert
55 hochkontagiös; Übertragung durch Tröpfcheninfektion/aerogene werden müssen.
Infektion
55 lebenslange Latenz in sensorischen Ganglien

z Klinik
55 Primärinfektion: Windpocken (Varizellen)
44Inkubationszeit: 10 Tage bis 3 Wochen
44schubweise auftretendes, stark juckendes Exanthem (zentri-
petaler Ausbreitung)
44typische Abfolge der Effloreszenzen: Erythem → gruppierte
Vesikel → Ulkus → Ausheilung/Narbe
44„Sternenhimmelphänomen“ (Parallelität früher und später
Exanthemstadien)
44Komplikationen:
–– Varizellen-Pneumonie ! Cave hämorrhagische Varizellen
–– Enzephalitis (selten) (Immunsupprimierte).
–– bakterielle Superinfektionen
55 Reaktivierung: Gürtelrose (Zoster)
44häufig streng einseitig, dermatombegrenzt
44gruppierte Bläschen (Virusnachweis im Abstrich positiv)
44Disposition: Immunsuppression, Tumorerkrankung, ältere
Menschen
44Komplikationen: Rezidive, Post-Zoster-Neuralgie
55 konnatale VZV-Infektion (fetales/kongenitales
Varizellensyndrom)
44sehr selten: transplazentare teratogene Infektion (Primär-
infektion der Mutter)
130 Kapitel 4 · Tag 2: Infektionskrankheiten

44skarifizierende, häufig dermatombegrenzte Gewebsschä-


digung, Abschnürungen
44Enzephalitis/Mikrozephalie
55 perinatal erworbene Varizelleninfektion
44Windpocken der Mutter um den Geburtstermin (Exanthem-
beginn 5 Tage vor bis 2 Tage nach der Entbindung)

z Diagnostik
4 55 Serologie: IgG und IgM
55 Genomnachweis (PCR), Antigennachweis, Zellkultur

z Therapie
55 symptomatisch (Juckreiz), Prävention durch Impfung
55 postexpositionelle Prophylaxe bei seronegativen Risikopatienten:
passive Impfung (VZV-Hyperimmunglobulin)
55 antivirale Therapie: Aciclovir oder Brivudin (Zoster)
55 Therapie der Zoster-Neuralgie (z. B. Antidepressiva,
Antiepileptika)

4.4.6 Infektiöse Mononukleose

55 Epstein-Barr-Virus (EBV), γ-Herpesvirus (HHV4)


55 Zielzellen: humane B-Lymphozyten (EBV-Rezeptor = Komple-
ment-Rezeptor 2 [CD21])
55 Übertragung: enger körperlicher Kontakt („kissing disease“)
55 Infektion häufig asymptomatisch

z Klinik
55 Primärinfektion: infektiöse Mononukleose (Pfeiffersches
Drüsenfieber)
44Inkubationszeit: 10 Tage bis 6 Wochen
44Fieber, Abgeschlagenheit
44generalisierte Lymphadenopathie (schmerzhaft),
Hepatosplenomegalie
44Tonsillitis (Differenzialdiagnose: eitrige Angina tonsillaris)
44Komplikationen
–– spontane Milzruptur
–– sepsisartige Erkrankung mit Hämophagozytose bei Kindern
mit angeborenen Immundefekte (z. B. „X-linked lympho-
proliferative disease“, XLD)
–– Hämolyse/Thrombozytopenie
> Memo Das Auftreten dieser 55 Tumoren
EBV-assoziierten Tumoren zeigt 44Hodgkin-/Non-Hodgkin-Lymphome (z. B. Burkitt
eine besonders hohe Prävalenz Lymphom), Nasopharynxkarzinom
in Endemiegebieten mit Malaria 44„post transplant lymphoproliferative disease“ (PTLD)
(Kofaktor). (lymphomartige Erkrankung bei Immunsupprimierten)
4.4 · Virusinfektionen
131 4
z Diagnostik
55 heterophile Antikörper (Paul-Bunnell-Test,
Mononukleose-Schnelltest)
55 „Pfeiffer-Zellen“ im Blut (lymphozytäre Reizformen, aktivierte
T-Lymphozyten)
55 Kälteagglutinine, polyklonale IgM-Produktion
55 Serologie: Anti-VCA IgG/IgA/IgM, Anti-EBNA (ältere
Infektion), Anti-EA („early antigen“, aktive Infektion)
55 EBV-PCR (Genomnachweis) ! Cave generalisiertes
Exanthem bei fälschlichem
z Therapie Behandlungsversuch mit
55 symptomatisch, Prävention durch Impfung nicht möglich Ampicillin/Amoxycillin.
55 bei EBV induzierten B-Zell-Tumoren: Anti-CD20-Antikörper
(Rituximab) → B-Zell-Depletion
55 bei Transplantierten Immunsuppression möglichst reduzieren

4.4.7 Zytomegalievirus

55 β-Herpesvirus (HHV5)
55 Übertragung: enger körperlicher Kontakt (Urin, Speichel, Blut)

z Klinik
55 Primärinfektion
44meist abortiv (hohe Durchseuchung nach asymptomatischer
Infektion)
44mononukleoseartige Erkrankung („heterophile negative
mononucleosis“) > Memo häufigste
55 konnatale CMV-Infektion (transplazentare Transmission bei konnatale Infektion seit
Primärinfektion der Mutter) erfolgreicher Prävention der
44Mikrozephalie/Enzephalitis Röteln-Embryopathien.
44Defektheilung mit progredienter Innenohrschwerhörigkeit,
geistiger Behinderung > Memo besondere
44Organbeteiligung: Hepatitis, Blutbildungsstörung, Blutungs- klinische Manifestationen
zeichen, extramedulläre Blutbildung z. B. in der Haut in den Risikogruppen:
(„blueberry muffin“), Pneumonie Pneumonie (Stammzell-,
44meldepflichtig nach §6 IfSG Knochenmarktransplantation),
55 CMV-Infektion bei Immunsupprimierten Retinitis (AIDS), Kolitis und
44Transplantierte, Patienten mit erworbenen (AIDS) und chronisches Transplantatversagen
angeborenen Immundefekten (Organtransplantierte).

z Diagnostik
55 PCR (Genomnachweis)/Antigennachweis in Blutzellen
(pp65-Antigenämie)
55 Serologie: CMV-IgG und -IgM

z Therapie
55 meist symptomatisch, Prävention durch Impfung nicht möglich
132 Kapitel 4 · Tag 2: Infektionskrankheiten

55 Ganciclovir (GCV) i.v. oder Val-Ganciclovir p.o., bei GCV-Re-


sistenz: Cidofovir, Foscarnet
55 evtl. postexpositionelle Prophylaxe/Therapie bei Schwangeren
mit nachgewiesener Primärinfektion: Immunglobuline i.v.
(→ möglicherweise Rückgang der symptomatisch infizierten
Neugeborenen)

4 4.4.8 Exanthema subitum

55 humanes Herpesvirus Typ 6 (HHV6-Variante A und B),


β-Herpesvirus
55 alternativ: humanes Herpesvirus Typ 7 (HHV7)
55 Übertragung: Tröpfcheninfektion bzw. enger körperlicher
Kontakt
55 Inkubationszeit: 1–2 Wochen

z Klinik
55 Dreitagefieber, „Roseola infantum“ (Primärinfektion)
44Manifestation: Säuglings- und Kleinkindalter
44hohes Fieber bei gutem Allgemeinzustand
–– unkomplizierte Fieberkrämpfe möglich
44Exanthembeginn drei Tage nach Fieberanstieg
(pathognomonisch)
55 HHV6-Reaktivierung (Rekrudenz) bei Immunsupprimierten

z Diagnostik
55 typischer klinischer Befund
55 Serologie (IgG, IgM), Genomnachweis (PCR)

z Therapie
55 symptomatisch, Prävention durch Impfung nicht möglich,
antivirale Therapie nicht etabliert

4.4.9 Ringelröteln

55 Parvovirus B19
55 Übertragung: Tröpfcheninfektion bzw. enger körperlicher
Kontakt, selten über Blut
55 Inkubationszeit: 1–2 Wochen
55 Zielzellen für die Virusinfektion sind Erythroblasten

z Klinik
! Cave Patienten mit 55 Ringelröteln (Erythema infectiosum)
verminderter Erythrozyten 44häufig asymptomatisch
Überlebenszeit, z. B. 44girlandenförmiges, wanderndes Exanthem, geringes
Sphärozytose. Krankheitsgefühl
4.4 · Virusinfektionen
133 4
44passagere aregeneratorische Anämie
44persistierende Infektion (Monate bis Jahre): Abgeschlagenheit,
Arthralgien
55 konnatale Infektion
44transplazentare Infektion nach Primärinfektion der Mutter > Memo nicht teratogene
(besonders in den ersten beiden Schwangerschaftsdritteln) Infektion; Rückbildung der
44Pathogenese: fetale aregeneratorische Anämie → generalisierte Organveränderungen nach
O2-Minderversorgung → Hydrops fetalis → intrauteriner Korrektur der Anämie (s. Therapie).
Fruchttod

z Diagnostik
55 Serologie: IgG und IgM
55 Virusnachweis durch PCR (Serum, Synovia, Fruchtwasser,
Fetalblut)
55 fetale Sonographie/Dopplersonographie

z Therapie
55 intrauterine Erythrozytentransfusion durch Nabelschnur-
punktion (Universalerythrozyten der Blutgruppe 0, Rh-negativ,
bestrahlt)
55 nach erfolgreicher Transfusion bilden sich die Hydropszeichen
i. d. R. vollständig zurück

4.4.10 Enterovirusinfektionen

55 Picorna-Viren (Coxsackie-A- und -B-Viren, Echoviren, Entero-


viren (Typ 68–71), Polioviren)

z Klinik
55 „Sommergrippe“
55 virale Meningitis, „Sommermeningitis“ (heilt meist folgenlos aus)
55 Myokarditis (Coxsackie-A- und -B-Viren)
44chronische Abgeschlagenheit nach „banalen“ Infekten
44Kardiomyopathie
55 Sepsis bei Neugeborenen
55 „Hand-Mund-Fuß“-Erkrankung (Coxsackie-A-Viren)
55 Pleurodynie (Bornholm-Erkrankung) (Coxsackie-B Viren)
55 Poliomyelitis (s. unten)

z Diagnostik
55 Zellkultur bzw. Genomnachweis (RT-PCR, In-situ-Hybridi-
sierung) aus Stuhl
55 Serologie: Komplement Bindungsreaktion (KBR),
Neutralisationstests

z Therapie
55 symptomatisch
134 Kapitel 4 · Tag 2: Infektionskrankheiten

Poliomyelitis (Kinderlähmung)
> MEMO: Polio Typ 2 Wildviren 55 Poliovirus Typ 1, 2 und 3, selten auch andere Enteroviren
wurden seit 1999 als Ausdruck 55 fäkal-orale Übertragung
der erfolgreichen weltweiten 55 Inkubationszeit 2 Tage bis 2 Wochen
Eradikationsbemühungen 55 meldepflichtig nach §6 und 7 des IfSG
nicht mehr nachgewiesen.
Im September 2015 hat die z Klinik
Weltgesundheitsorganisation 55 häufig asymptomatisch
4 (WHO) daher die Eradikation 55 zweigipfliger Fieberverlauf
von Polio Typ 2 erklärt. 55 seröse Meningitis (nicht-paralytische Form)
55 paralytische Form (Extremitäten)
55 bulbopontine Form (Hirnnervenausfälle, Schluck-, Atem- und
Kreislaufstörung)
55 enzephalitische Form (Bewusstseinsstörung)
55 vegetative Störungen (Tachykardie, Schweißausbrüche)
55 Postpoliomyelitis-Syndrom (erneute Progredienz nach
2–3 Jahren)

z Diagnostik
55 Zellkultur (Stuhl) und Genomnachweis (RT-PCR, In-situ
Hybridisierung)
55 Serologie: Komplement Bindungsreaktion (KBR),
Neutralisationstests

z Therapie
55 symptomatisch, Prävention durch aktive Impfung (Totimpfstoff,
Salk), früher durch attenuierte Lebendimpfung (Sabin)
55 weltweites Eradikationsprogramm der WHO: bislang konnte nur
Polio Typ 2, aber noch nicht Typ 1 und Typ 3 eradiziert werden

4.4.11 Frühsommermeningoenzephalitis (FSME)

55 FSME-Virus, Flavivirus
55 Anthropozoonose
55 Übertragung durch Zecken (Ixodes ricinus)
55 Endemiegebiete u. a. in Süddeutschland/Österreich/
Osteuropa
55 Inkubationszeit 1–3 Wochen
55 Meldepflicht nach §7 IfSG

z Klinik
! Cave häufige Residuen, 55 meist inapparent (abortive Infektion), symptomatische Verläufe
ca. 10 % i. d. R. erst ab dem Schulalter
55 seröse Meningitis

z Diagnostik
55 Impfanamnese, Reiseanamnese (Aufenthalt in Endemiegebieten)
4.4 · Virusinfektionen
135 4
55 Serologie: IgG- und IgM-Antikörper in Serum und Liquor
55 RT-PCR häufig zum Zeitpunkt der klinischen Manifestation nicht
mehr positiv

z Therapie
55 symptomatisch
55 Prophylaxe durch Impfung ab dem 3. Lebensjahr
(Totimpfstoff)
55 Expositionsprophylaxe (lange Kleidung, Repellentien)

4.4.12 Human-Immunodefizienz-Virus (HIV) > Memo Aufgrund der


in Deutschland üblichen
55 HIV-1 (weltweit) und HIV-2 (v. a. Westafrika); Lentiviren Spenderauswahl
55 Übertragung: Sexuell, hämatogen, selten durch Stillen und Testung ist die
55 Infektion CD4-positiver Zellen (z. B. T-Helfer-Zellen), progre- Übertragungswahrscheinlichkeit
diente Immundefizienz durch Depletion von HIV mit Blutprodukten sehr
gering (<1/Mio.).
z Klinik
55 akutes HIV-Syndrom
44Inkubationszeit 1–12 Wochen ! Cave Der Antikörpernachweis
44mononukleoseartiges Krankheitsbild (grippaler Infekt, Tonsil- kann in der Frühphase der
litis, Lymphadenopathie, Hepatitis, makulopapulöses Exanthem) Infektion noch negativ sein,
44hohe Virämie „diagnostisches Fenster“!
55 AIDS („acquired immunodeficiency syndrome“)
44Korrelation der Immundefizienz mit dem Verlust CD4+-T-
Zellen (kritischer Wert <500/µl)
44opportunistische Infektionen (AIDS-definierende Erkran-
kungen), z. B. Pneumocystis-Pneumonie
44viral induzierte Tumoren, z. B. EBV-induzierte Lymphome, Kaposi-
Sarkom (HHV8), Zervixkarzinom/Kondylomata (Papillomaviren)

z Diagnostik
55 HIV-Antikörper-Suchtest/Bestätigungstest (Western-Blot)
55 HIV-p24-Antigen (häufig als Kombi-Test zusammen mit dem
serologischen Suchtest)
55 quantitative HIV RT-PCR aus Serum („Viruslast“)

z Therapie
55 keine kurative Therapie möglich > Memo Eine Monotherapie
55 wichtigste gesundheitspolitische Maßnahme: Prävention der HIV ist aufgrund der schnellen
Infektion durch Aufklärung („safer sex“, perinatale Therapie) Resistenzentwicklung
55 antiretrovirale Therapie (Substanzklassen) obsolet. Die Entstehung von
44nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTI) → Resistenzmutationen wird durch
kompetitive Inhibition der RT die häufigen „Lesefehler“ der RT
44nicht-nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren begünstigt.
(NNRTI) → nicht-kompetitive Inhibition der RT
44Protease-Inhibitoren (PI)
136 Kapitel 4 · Tag 2: Infektionskrankheiten

–– PI werden i. d. R. mit Ritonavir geboostert → kompetitive


Hemmung des PI-Abbaus durch Cytochrom P450 →
suffiziente Wirkspiegel
44Integrase-Inhibitoren (neue Reservesubstanz)
44Fusionsinhibitoren (Reservesubstanz zur, ausschließlich
parenteralen Applikation, s.c.)
55 ausschließlich als Kombinationstherapie zur Vermeidung von
Resistenzen („highly active antiretroviral therapy“, HAART)
4 44Ziel der HAART z. B.:
–– Senkung der Viruslast (unter die Nachweisgrenze)
–– Rekonstitution von Immunfunktionen zur Prävention von
AIDS Folgeerkrankungen
55 Supportivtherapie
44Pneumocystis-jirovecii-Prophylaxe (PcP, früher P. carinii) mit
Cotrimoxazol bei Säuglingen und bei Kindern mit niedrigen
CD4+-Zellen (altersspezifische Richtwerte)
44nur in begründeten Ausnahmefällen:
Immunglobulinsubstitution
55 Prävention der perinatalen Transmission
44antiretrovirale Therapie (spätestens ab der 32. SSW)
44Sectio caesarea am wehenfreien Uterus (z. B. 37. SSW)
44postnatale antiretrovirale Prophylaxe des Neugeborenen
44möglichst Stillverbot
55 postexpositionelle Prophylaxe (PEP) nach Exposition (z. B.
Nadelstichverletzung)
44frühzeitige antiretrovirale Kombinationstherapie zur Prävention
einer Infektion (Beginn möglichst <2 h nach Exposition)

4.4.13 Adenovirusinfektionen

55 52 verschiedene Typen
55 hohe Umweltresistenz → nosokomiale Infektionen z. B. in
Augenkliniken

z Klinik
55 sehr heterogene Klinik in Abhängigkeit vom Adenovirus-Typ und
von der Wirtsimmunität
55 Conjunctivitis epidemica (hochkontagiös, meldepflichtig nach §6
und 7 des IfSG)
55 Enteritis („Säuglingsdiarrhö“)
55 Infektionen der Atemwege (Rhinitis, Pharyngotonsillitis,
Bronchitis, Pneumonie)
55 Sepsis bei Immunsupprimierten (Primärinfektionen aber auch
Reaktivierungen)

z Diagnostik
55 Antigennachweis im Stuhl (enteritische Adenoviren), Genom-
nachweis (PCR)
4.4 · Virusinfektionen
137 4
z Therapie
55 symptomatisch (nur bei Immunsupprimierten: experimentelle
antivirale Therapie mit Cidofovir)

4.4.14 Influenza

55 akute virale Infektion der oberen und unteren Luftwege, z. T.


mit Organbeteiligung (Myokarditis, Perikarditis, Enzephalitis,
Myositis)
55 Disposition für schwere Verläufe bei Patienten mit gestörter
Lungenfunktion (z. B. bronchiopulmonale Dysplasie, zystische
Fibrose) oder anderen chronischen Erkrankungen (z. B.
Herzfehler, neuromuskuläre Erkrankungen)
55 Übertragung: Tröpfchen- und Schmierinfektion
55 jahreszeitliche Häufung in den Wintermonaten
44derzeit zwei endemische humane Influenza-A-Viren (humane
H1N1- und H3N2-Stämme) plus ein endemischer humaner
Influenza-B-Virusstamm
44Tierreich (z. B. Vögel) ist ein vielfältiges Reservoir für andere
Influenzavirus-Stämme
44Antigendrift (langsame Veränderung der Oberflächen-
antigene H (Hämagglutinin) und N (Neuraminidase) durch
Mutationen → saisonale Anpassung der Impfstoffantigene)
44Antigenshift (Entstehung neuer humanpathogener Influenza-
virus Stämme, z. B. durch Reassortantenbildung mit animalen ! Cave Pandemiegefahr durch
Influenzavirusstämmen) neue Influenzaviren.

z Klinik
55 akut Fieber, Husten, Kopf- und Gliederschmerzen
55 selten auch mit Durchfall, Übelkeit, Erbrechen
55 Komplikationen:
44fulminante Influenza-Pneumonie
44bakterielle Superinfektionen (besonders Pneumokokken und ! Cave Reye-Syndrom in
Staphylococcus aureus) Zusammenhang mit Antipyrese
44Myokarditis, Perikarditis, Myositis durch Azetylsalizylsäure.

z Diagnostik
55 Antigennachweis oder RT-PCR aus Nasensekret (Schnelltests)
55 Virusanzucht in Zellkultur

z Therapie
55 frühzeitiger Therapiebeginn mit Neuraminidase-Inhibitoren ! Cave Resistenzentwicklung
44Zanamivir inhalativ gegen Neuraminidase-Inhibitoren.
44Oseltamivir p.o.
55 Influenza-A-Therapie („second line“): Amantadin
55 antibakterielle Therapie bei Verdacht auf Superinfektion
55 Prävention durch jährliche Impfung mit Totimpfstoff (Indika-
tionsimpfung bei Risikokindern)
138 Kapitel 4 · Tag 2: Infektionskrankheiten

55 Pandemieplan zur Kontrolle von Ausbrüchen mit neuen


humanpathogenen Influenzavirusstämmen (z. B. Meldepflicht,
Isolierungsmaßnahmen/Quarantäne)

4.4.15 Rotavirusinfektionen

55 Reoviren, 6 Serotypen (A–F)


4 55 hohe Umweltresistenz (Tenazität)
55 meldepflichtig nach IfSG §6 und 7

z Klinik
55 Inkubationszeit 1–3 Tage
55 Übertragung: fäkal-oral
55 breiige Durchfälle (charakteristischer süßlicher Geruch)
→ Exsikkose
55 hohe Mortalität bei schlechter medizinischer Versorgung
(z. B. in Ländern der 3. Welt)
55 häufig: nosokomiale Infektionen auf Säuglingsstationen
(→ Handschuhpflege, viruzide Händedesinfektionsmittel)

z Diagnostik
55 Rotavirus Antigennachweis/PCR im Stuhl

z Therapie/Prävention
55 orale oder intravenöse Rehydratation
55 aktive Rotavirus-Impfung ab der 6. Lebenswoche („Schluck-
impfung“, polyvalenter Lebendimpfstoff)

4.4.16 Norovirusinfektionen

55 Caliciviren
! Cave nosokomiale Norovirus- 55 hohe Umweltresistenz (Tenazität)
Ausbrüche/Epidemien 55 geringe Infektionsdosis (10 Virionen), hohe genetische
(Patienten, Personal und deren Variabilität
Angehörige). 55 Epidemien in den Wintermonaten
55 Übertragung: Fäkal-oral oder durch Tröpfcheninfektion (inhalativ)

z Klinik
55 Brechdurchfall, Dauer: 1–2 Tage

z Diagnostik
55 Genomnachweis (RT-PCR), Antigennachweise je nach saiso-
nalem Stamm unterschiedlich sensitiv
55 in der Ausbruchsituation kann die Diagnose der Norovirusin-
fektion aufgrund der klinischen Symptomatik auch ohne weitere
virologische Diagnostik gestellt werden (s. Falldefinition des RKI)
4.5 · Pilzinfektionen
139 4
z Therapie
55 symptomatisch (Rehydratation)

4.5 Pilzinfektionen

55 Einteilung nach DHS-Klassifikation


44Dermatophyten
44Hefen
44Schimmelpilze

4.5.1 Dermatomykosen

z Klinik
55 Soor (mukokutane Candida-Infektion): weißliche Beläge
55 Epidermatomykose (oberflächige Hautmykosen): Tinea corporis/
pedis/capitiis
44juckendes Exanthem (rund und randbetont) > Memo anamnestische Frage
44selten: tiefe Trichophytie (Kerion celsi) mit Einbeziehung der nach Tierkontakten bei tiefer
Haarfollikel (narbige Ausheilung) Trichophytie („Kälberflechte“).
55 Onchomykosen (Nagelmykose)
55 Trichomykose (Haarmykosen)

z Diagnostik
55 Direktpräparat (Vorbehandlung mit KOH, Fluoreszenzfärbung)
55 Kultur auf Spezialnährböden (Dauer: mehrere Wochen)

z Therapie
55 Lokaltherapie: z. B. Azole, Cyclopiroxolamin, Terbinafin
55 systemische Therapie: Terbinafin, Azole, Griseofulvin

4.5.2 Systemische Mykosen

55 Immunsupprimierte/Patienten mit Systemerkrankungen (z. B.


Diabetes mellitus)
44Aspergillosen, Candidosen, Mukomykosen

z Klinik
55 Pilzpneumonie
55 Organmykosen

z Diagnostik
55 Goldstandard: Pilznachweis in Biopsien (Mikroskopie, Kultur,
PCR) und Blutkultur (Sensitivität gering)
55 Aspergillus- und Candida-Antigennachweis (Antikörpernach-
weise bei Immunsupprimierten besonders wenig sensitiv)
140 Kapitel 4 · Tag 2: Infektionskrankheiten

> Memo Aufgrund der wenig 55 Bildgebung (z. B. Dünnschicht-CT der Lunge)
sensitiven Diagnostik ist
antibiotikaresistentes Fieber z Therapie
bei Immunsupprimierten 55 Azole, Echinocandine, liposomales Amphotericin B
häufig der einzige Hinweis für 55 bei stark Immunsupprimierten evtl. auch antimykotische
eine systemische Mykose → Prophylaxe
Erweiterung der kalkulierten
antibiotischen Therapie um
4 Antimykotika. 4.5.3 Nicht-infektöse Erkrankungen durch Pilze

55 Allergien, z. B. bei beruflicher Exposition (Kanalarbeiter, Bauern,


Vogelzüchter)
55 Vergiftungen, z. B. Aflatoxin (Aspergillus flavus)

4.6 Erkrankungen durch Protozoen

4.6.1 Malaria

55 Übertragung von Plasmodien durch den Stich der weiblichen


Anophelesmücke
44geschlechtliche Entwicklung (Oozyste) in der weiblichen
Anophelesmücke
44ungeschlechtliche Vermehrung in Leberzellen
(Gewebsschizogonie)
44ungeschlechtliche Vermehrungszyklen in roten Blutkör-
perchen (Blutschizogonie)
55 Pathogenese
44Fieberanstieg beim Freisetzen der Plasmodien
44verminderte Erythrozyten Elastizität → Mikroembolien →
Minderversorgung lebenswichtiger Organe
44Korrelation zwischen Parasitämie und Schwere der
Erkrankung
55 Malariaformen
44Malaria tertiana, Fieberspitzen alle 48 h (synchronisierte
Vermehrung bei P. vivax und P. ovale)
44Malaria quartana, Fieberspitzen alle 72 h (synchronisierte
Vermehrung bei P. malariae)
44Malaria tropica, Fieber kontinuierlich (nicht-synchrone
Vermehrung bei P. falciparum)
> Memo Bei Fieber und –– hohe Mortalität (unbehandelt)
Reisen in Endemiegebiete –– hohe Kindersterblichkeit in Endemiegebieten
muss umgehend eine Malaria –– Teilimmunität in Endemiegebieten nach wiederholter
ausgeschlossen werden. Exposition

z Klinik
55 Fieber nach Reisen in Endemiegebiete
55 Hämolyse/Thrombopenie
4.6 · Erkrankungen durch Protozoen
141 4
55 Splenomegalie
55 Mikroembolien führen zu multiplem Organversagen
44Niere: Schwarzwasserfieber
44ZNS: Koma

z Diagnostik
55 Mikroskopie: Blutausstrichen und „dicker Tropfen“
(Giemsa-Färbung)
55 Plasmodien-Antigennachweis oder PCR möglich

z Therapie
55 z. B. Atovaquon/Proguanil (Malarone®) p.o., Artemether-­
Lumefantrin (Riamet®) p.o.
55 bei komplizierter Malaria Initialtherapie i.v. mit Artesunat alter-
nativ mit Chinin i.v. plus Doxycyclin
55 Prophylaxe bei Reisen in Endemiegebiete
44Expositionsprophylaxe (Schutz vor nachtaktiven Anopheles
Mücken)
44resistenzgerechte medikamentöse Prophylaxe in Abhängigkeit
vom Reiseziel (z. B. Atoquavon/Proguanil (Malarone®),
Mefloquin (Lariam®), Chloroquin.)

4.6.2 Toxoplasma gondii

55 Endwirt: Katzen (Ausscheidung von Oozysten im Kot)


55 Zwischenwirte: Nutztiere, Mensch (Dauerformen in ZNS/
Organen/Muskulatur)
55 Übertragung: Kontakt mit Katzenkot bzw. Ingestion von rohem,
nicht ausreichend erhitztem Fleisch (z. B. Salami)
55 Inkubationszeit: 1–3 Wochen

z Klinik
55 häufig asymptomatisch → hohe Durchseuchung ! Cave konnatale Infektion nach
(ca. 50 %) Primärinfektion der Mutter
55 Lymphknotenvergrößerung, ZNS-Befall mit Verkalkungen, (besonders im 1. und 2. Trimenon).
Chorioretinitis

z Diagnostik
55 Serologie: Toxoplasma-IgG- und -IgM-Antikörper (ISAGA),
Toxoplasma-IgG-Avidität, Genomnachweis (PCR)

z Therapie
Schwangere mit Primärinfektion:
55 <16. SSW: Spiramycin
55 ab 16. SSW: Pyrimethamin plus Sulfadiazin plus Folsäure
55 Fortsetzung der Therapie bei Neugeborenen mit konnataler
Infektion: 6 Monate
142 Kapitel 4 · Tag 2: Infektionskrankheiten

4.6.3 Amöben

55 Amöbenruhr (Entamoeba histolytica)

z Klinik
55 blutige Durchfälle (Reiserückkehr-Erkrankung)
55 Komplikationen: Organabszesse (häufig Leber)

4 z Diagnostik
55 Mikroskopie aus frischem Stuhl, Antigennachweis im Stuhl
(ELISA)
55 PCR

z Therapie
55 Metronidazol

4.7 Wurmerkrankungen

> Memo Eosinophilie kann auf 55 Wurmerkrankungen sind in Deutschland aufgrund der allge-
Wurminfektionen hinweisen. meinen Hygienestandards selten
55 vermehrt importierte Infektionen (Reisetätigkeit,
Flüchtlinge)
55 Vermehrungszyklus häufig mit komplizierten Wirtswechseln
44Endwirt: Produktion und Ausscheidung von Wurmeiern
44Zwischenwirt: ungeschlechtliche Vermehrung/Metamorphose
55 Präpatenzperiode: Zeit zwischen Infektion und Produktion von
Wurmeiern

4.7.1 Nematoden (Rundwürmer)

Enterobius vermicularis (Madenwurm)


! Cave Verhinderung der 55 Übertragung: fäkal-oral
Autoingestion von Wurmeiern. 55 Manifestationsalter: Kleinkind- und Schulalter

z Klinik
55 Ausscheidung von wenige Millimeter großen, makroskopisch
sichtbaren weißen Madenwürmern mit dem Stuhl
55 perianaler Juckreiz, besonders nachts (Zeit der Eiablage)
55 Allgemeinzustand unbeeinträchtigt

z Diagnostik
55 mikroskopischer Nachweis von Wurmeiern („Tesafilm“-Ab-
klatschpräparat perianal)

z Therapie
55 Unterbrechung des Infektionszyklus (Vermeidung von
Autoingestion)
4.7 · Wurmerkrankungen
143 4
55 Hygienemaßnahmen (Händewaschen, kurze Fingernägel,
häufiger Wäschewechsel)
55 Anthelmintika im Abstand von 2 Wochen (z. B.
Albendazol)

Ascaris lumbricoides (Spulwurm)


55 Übertragung: „Kopfdüngung“ von Nutzpflanzen (z. B. Salat)
55 Infektionszyklus: Freisetzung von Eiern im Stuhl → Embryo-
nierung im Freiland (L1-Larve) → Aufnahme der L1-Larve →
Eindringen in das Duodenum → Wanderung mit Blut über Leber
in die Lunge → Trachea → Speiseröhre → Darm (adulter Wurm) →
Freisetzung von Eiern im Stuhl

z Klinik
55 abhängig von der Infektionsdosis
55 Löffler-Syndrom: Lungeninfiltrate und Eosinophilie
55 gastrointestinale Beschwerden, Ileus, Ikterus (Verschluss des
Ductus choledochus)

z Diagnostik
55 Wurmeier im Stuhl

z Therapie
55 Albendazol, Mebendazol

4.7.2 Trematoden (Saugwürmer)

Bilharziose (Schistosomiasis)
55 wird in warmen Binnengewässern durch Süßwasserschnecken
(Zwischenwirt) übertragen

z Klinik
55 S. haematobium: Blasenbiharziose (Afrika)
55 S. mansoni: Darmbilharziose (Afrika und Südamerika)
55 S. japonicum: Darmbilharziose (Südost Asien)
55 in Deutschland: Zerkarien Dermatitis, „Badedermatitis“
(Fehlwirt Mensch)
44juckendes Exanthem der Haut
44Übertragung: Eindringen von Zerkarien (Schnecken)
durch die intakte Haut beim Baden in kontaminiertem
Süßwasser („Vogelzerkarien“ im Menschen nicht
überlebensfähig)

z Diagnostik
55 Antigen-Schnelltest im Urin
55 Nachweis von Wurmeiern im Stuhl (Darmbilharziose) oder im
Urin (Blasenbilharziose)
144 Kapitel 4 · Tag 2: Infektionskrankheiten

z Therapie
55 Praziquantel

4.7.3 Zestoden (Bandwürmer)

55 Räuber-Beute-Zyklus
44Beute (Zwischenwirt): Infektion (Wurmeier) → Gewebslarven
4 in Muskulatur (Finnen)
44Räuber (Endwirt): Aufnahme von Finnen (Fleischnahrung)
→ Entstehung adulter Würmer im Darm → Freisetzung von
Wurmeiern mit dem Stuhl
44Unterbrechung der Infektionskette: Lebensmittelkontrolle
(Fleischbeschau)

Rinderbandwurm (Taenia saginata)


55 Mensch = Endwirt
55 Rind = Zwischenwirt

z Klinik
55 meist asymptomatisch
55 Proglottidenabgang im Stuhl, Nachweis von Wurmeiern im Stuhl

z Diagnostik
55 Wurmeier im Stuhl

z Therapie
55 evtl. Niclosamid (→ Wurmabgang)

Schweinebandwurm (Taenia solium)


55 Mensch = Endwirt (harmlos: Befall mit adulten Würmern)
55 Mensch = Zwischenwirt (Zystizerkose)
55 Endemiegebiete u. a. Südamerika und Mexiko

z Klinik
55 abhängig vom Befallsmuster (Muskulatur, Gehirn) und Menge
aufgenommener Zysten

z Diagnostik
55 Wurmeier im Stuhl
55 Serologie, Bildgebung: z. B. CT/NMR Schädel (Verkalkungen)
! Cave zu Beginn häufig
Verschlechterung im Rahmen z Therapie
der Entzündungsreaktion gegen 55 symptomatisch („wait and watch“)
freigesetzte Wurmantigene. 55 alternativ: Praziquantel oder Albendazol
4.8 · Erkrankungen durch Arthropoden
145 4
Hunde- und Fuchsbandwurm
55 Echinococcus granulosus: zystische Echinokokkose (Hydatide)
55 Echinococcus multilocularis: alveoläre Echinokokkose (invasives
Wachstum)
55 Mensch: Fehlzwischenwirt

z Diagnostik
55 Serologie: IgG- und IgM-ELISA, Western-Blot
55 Bildgebung: Sonographie, CT, NMR, PET

z Therapie
55 vollständige Entfernung/Verödung der Zyste
55 Symptomatisch („wait and watch“)
55 Mebendazol (Suppressionstherapie über Monate/Jahre, keine
Eradikation möglich)

4.8 Erkrankungen durch Arthropoden

4.8.1 Pediculosis capitis (Kopflaus)

55 Übertragung Mensch zu Mensch


55 Ausbrüche in Gemeinschaftseinrichtungen (Kindergärten,
Schulen)
55 Blutmahlzeiten → Juckreiz (Leitymptom)
55 Eiablage am Haaransatz → nach Ausschlüpfen der Larve → leere
Eihülle (Nissen)
55 meldepflichtig nach §6 des IfSG

z Klinik
55 Juckreiz am Kopf

z Diagnostik
55 makroskopischer und mikroskopischer Nachweis von Läusen
und Nissen

z Therapie
55 Permethrin 0,5 %, Pyrethrum-Präparate
55 Schul-/Kindergartenbefreiung bis 24 h nach Therapie

4.8.2 Skabies (Krätze)

55 Krätzmilbe (Sarcoptes scabiei)


55 intrakutane Tunnelgänge
55 Prädilektionsstellen: Beugefalten axillär/inguinal, Mammae
146 Kapitel 4 · Tag 2: Infektionskrankheiten

55 bei Säuglingen auch Befall der Kopfhaut möglich


55 Übertragung: enger persönlicher Kontakt (Mensch zu
Mensch)
55 Inkubationszeit: 1–3 Wochen

z Klinik
55 Leitsymptom: Juckreiz, Kratzspuren, Superinfektionen
55 Exanthem, z. T. Inkrustationen
4
z Diagnostik
55 Darstellung der Tunnelgänge (Lupenvergrößerung) mit Nachweis
von Milben

z Therapie
55 Permethrin (wesentlich toxischer: Jakutin)
55 zusätzliche Therapie von Angehörigen im gleichen
Haushalt
55 Anleitung zur besseren häuslichen Hygiene

4.9 Impfungen

55 Impfungen gehören zu den erfolgreichsten Maßnahmen der


Infektionsprävention
55 Impfstrategien
44Individualschutz: Individuelle Immunität des Geimpften
44Herdimmunität (flächendeckende Impfungen/
Regelimpfungen)
–– Unterbrechung von Infektionsketten in einer
Population
–– indirekter Schutz für nicht-Geimpfte bzw. Impfversager
44Riegelungsimpfung: Umgebungsimpfung in
Ausbruchsituationen
44Voraussetzung für eine weltweite Eradikation von
Infektionserregern
–– Impfstoffe mit hoher Immunogenität
–– Erregerresevoir ausschließlich Mensch
–– wenige, gut definierte Serotypen
–– erfolgreiche Beispiele: Eradikation der Pocken (Variola)
(1980) und von Poliovirus Typ 2 (2015)
55 allgemeine Impfempfehlungen werden regelmäßig von der
„Ständigen Impfkommission“ (STIKO) des Robert-Koch-Instituts
(RKI) aktualisiert
44Standardimpfungen (Grundimmunisierung,
Auffrischimpfungen)
44Indikations- und Reiseimpfungen
44postexpositionelle Prophylaxe
55 Impfleistung des Arztes
4.9 · Impfungen
147 4
44Informationen über Nutzen, Nebenwirkungen und
Komplikationen
44Anamnese, Impfanamnese, mögliche Kontraindikationen
44Dokumentation (Impfausweis)
44Erkennen und dokumentieren von Nebenwirkungen
55 Impfregeln
44jede dokumentierte Impfung zählt
44Mehrfachimpfungen sollen an einem Impftermin zusammen
durchgeführt werden
44Kombinationsimpfstoffe erleichtern die Umsetzung des
Impfplans
44Intervall zwischen Impfungen mindestens 4 Wochen

4.9.1 Aktive Impfung

Totimpfstoffe
55 mehrmalige Booster-Impfungen erforderlich (3–4 Impfdosen)
55 Grundimmunisierung im Alter von jeweils 2, 3, 4, und > Memo Das Prinzip der
12 Monaten: Tetanus/Diphtherie/azelluläre Pertussis/Haemo- Impfung mit inaktivierten
philus influenzae Typ B/Polio/Hepatitis B, Pneumokokken Infektionserregern wurde bereits
55 im Alter von 12 Monaten: Meningokokken im 19. Jahrhundert durch Louis
55 Mädchen im Alter von 12–17 Jahren: humane Papillomaviren Pasteur beschrieben.
(besonders wichtig HPV 16 und 18)
55 Kontraindikationen für Totimpfstoffe: Allergien gegen Impfbe-
standteile (z. B. Hühnereiweiß bei Influenza-Impfung)
55 Herstellung und Zusammensetzung von Totimpfstoffen
44abgetötete Erreger: inaktivierte Ganzkeim-Vakzine
–– Nachteil: Nebenwirkungsreich aufgrund toxischer, z. T. wenig
immunogener Komponenten, z. B. alte Pertussis-Impfung)
44gereinigte Antigene („Subunit-Vakzine“)
44rekombinant hergestellte Antigene (z. B. HBs-Antigen)
44„virus like particles“, Viruskapside aus rekombinant syntheti-
sierten Kapsidantigenen („self-assembly“) (. Tab. 4.7)

Lebendimpfstoffe
55 attenuierte („abgeschwächte“) vermehrungsfähige Viren
44Empfohlen im Alter von 1 und 2 Jahren: Masern, Mumps,
Röteln, Varizella-Zoster
44Auffrischimpfung bei Mädchen und jungen Frauen ohne
ausreichenden Impfschutz: Röteln, Varizella-Zoster
55 Beginn: 11.–14. Lebensmonat (nach Verlust der mütterlichen
Leihimmunität); Ausnahme: orale Lebendimpfung gegen
Rotaviren (lokale Immunität)
55 einmalige Booster Impfung empfohlen (Schließen von
Impflücken)
148 Kapitel 4 · Tag 2: Infektionskrankheiten

. Tab. 4.7  Totimpfstoffe

Tetanus Tetanustoxoid (Formalin-inaktiviertes Toxin)

Diphtherie Diphtherietoxoid (Formalin-inaktiviertes Toxin)


-D - Kinderdosis (<6 Jahre)
-d - Erwachsenendosis für Auffrischimpfungen (Toxoidmenge halbiert)
Pertussis Subunit-Vakzine aus Pertussis-Toxoid, Adhäsinen u. a.

4 H. influenzae B Konjugiertes Kapselpolysaccharid (Konjugatimpfstoff )


PoIio (IPV) Inaktivierte Poliovirus-Vakzine (Salk) Serotypen 1–3
Hepatitis B Rekombinantes HBs-Antigen
Pneumokokken - <2 Jahre: 10 bzw. 13-valenter Konjugatimpfstoff
- >2 Jahre: 23-valenter Kapselpolysaccharid Impfstoff
Meningokokken - <2 Jahre: Konjugatimpfstoff (Kapseltyp C)
- >2 Jahre: polyvalenter Polysaccharid Impfstoff (Kapsel-Ag A, C, W135, Y)
- 4CMenB: Oberflächenproteine von Meningokokken der Serogruppe B
Influenza Subunitvakzine (Indikationsimpfung): Neuraminidase (N) und Hämagglutinine (H) der
vorausgehenden Influenza-Saison
Humane Papillomaviren Mädchen im Alter von 12–17 Jahren; „virus-like particles“ (VLP) gegen HPV-Typ
(HPV) 16/18 u. a. (2-, 4- oder 9-valente Impfstoffe)
Tollwut Inaktivierte Rabiesviren (Indikationsimpfung)

. Tab. 4.8  Lebendimpfstoffe (atttenuierte Impfstämme)

MMR Attenuierung durch Zellkultur-Passage (Masern/Mumps/Röteln)


Varizellen Attenuierung durch Zellkultur-Passage
Rotavirus Assortantenimpfstoff aus humanen und animalen Stämmen; „Schluckimpfung“ (orale Lebendimpfung)

55 Kontraindikation: schwere Immunsuppression


55 Strategien der Herstellung von Lebendimpfstoffen
44wiederholte Zellkulturpassage → Attenuierung
44Einsatz animaler Homologe (früher z. B. Pockenimpfung,
Vaccinia-Virus)
44Assortantenbildung in vitro → Expression von humanen
immunogenen Genomsequenzen in animalen, nicht patho-
! Cave Rückmutationen genen Stämme (z. B. Rotavirus-Impfstoff)
(Revertanten) → „Impfpolio“. 44in Zukunft sollen auch rekombinante, gentechnisch entwi-
ckelte Impfstämme mit gezielten „knock-outs“ von Pathogeni-
! Cave BCGitis bei tätsfaktoren synthetisiert werden (. Tab. 4.8)
Immunsupprimierten. 55 Lebendimpfungen, die aufgrund von Nebenwirkungen in
Deutschland nicht mehr empfohlen werden
> Memo Nach weltweiter 44OPV: orale Poliovirus-Vakzine (Sabin) Serotypen 1–3
Pocken Eradikation entfällt diese („Schluckimpfung“)
nebenwirkungsreiche Impfung. 44BCG: Tuberkulose-Impfung
44Vakzinia: Pockenimpfung
4.9 · Impfungen
149 4

. Tab. 4.9  Impfkalender

6 Wochen 2 Monate 3 Monate 4 Monate 11–14 Monate 15–23 Monate

Tetanus (T) x x x x
Diphtherie (D) x x x x
Pertussis (aP) x x x x
H. influenzae B x x x x
(Hib)
Poliovirus (IPV) x x x x
Hepatitis B (HB) x x x x
Pneumokokken x (x) x x
Rotaviren x x x
Meningokokken C x
Masern/Mumps/ x x
Röteln
Varizellen x x

Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut/Stand: August 2015


Nach Grundimmunisierung werden für spätere Diphtherie Auffrischimpfungen (ab dem 5. Lebensjahr) Impfstoffe mit
reduzierter Antigenmenge (d) eingesetzt

4.9.2 Passive Impfung

55 (postexpositionelle) Prophylaxe → Sofortschutz ! Cave Allergisierung,


44menschliche Immunglobuline/Hyperimmunglobuline Serumkrankheit.
44Antiseren (polyklonale Antikörper aus immunisierten Tieren)
–– toxinvermittelte Erkrankungen (z. B. Diphtherie,
Botulismus)
55 Simultanimpfung: aktiv + passiv (Sofortschutz plus
Langzeitschutz)
44z. B. Hepatitis-B-Simultanimpfung von Neugeborenen
HBs-Antigen-positiver Mütter

4.9.3 Standardimpfungen

Impfkalender für die Grundimmunisierung von Säuglingen und


Kindern (. Tab. 4.9)

4.9.4 Reiseimpfungen/Indikationsimpfung

55 Frühsommer-Meningoenzephalitis-Virus (FSME): bei Aufenthalt


in Endemiegebieten (inaktivierter Totimpfstoff); Grundimmuni-
sierung (0, 1, 9, 12 Monate)
150 Kapitel 4 · Tag 2: Infektionskrankheiten

55 Hepatitis A: bei beruflicher Exposition oder Reisen in Endemie-


gebiete (Totimpfstoff)
55 Gelbfieber: Impfpflicht bei Reisen aus Endemiegebieten (z. B.
Südamerika) in Gelbfieber-freie asiatische Länder (attenuierter
Lebendimpfstoff).
55 Typhus: orale attenuierte Lebendimpfung oder inaktivierter
Totimpfstoff (Vi-Antigen)
55 Tollwut: inaktivierter Totimpfstoff
4 55 Japanisches Enzephalitis-Virus: attenuierte Lebendimpfung
151 5

Tag 2: Erkrankungen des


Respirationstraktes
K. Tenbrock

5.1 Angeborene Fehlbildungen – 153


5.1.1 Choanalatresie – 153
5.1.2 Lippen-Kiefer-Gaumenspalten – 153
5.1.3 Fehlbildungen von Kehlkopf und Larynx – 154
5.1.4 Primäre Ziliendyskinesie – 155
5.1.5 Lungensequestration – 156
5.1.6 Zystische Malformation – 157

5.2 Infektiöse Erkrankungen des oberen


Respirationstraktes – 157
5.2.1 Otitis media – 157
5.2.2 Mastoiditis – 158
5.2.3 Pharyngitis, Tonsillitis – 159
5.2.4 Adenoide – 160

5.3 Infekte der unteren Atemwege – 161


5.3.1 Pseudokrupp – 161
5.3.2 Epiglottitis – 162
5.3.3 Bronchitis – 162
5.3.4 Pneumonien – 163

5.4 Obstruktive Lungenerkrankungen – 165


5.4.1 Bronchiolitis – 165
5.4.2 Obstruktive Bronchitis – 166
5.4.3 Asthma bronchiale – 166

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2017


B. Karges, N. Wagner (Hrsg.), Pädiatrie in 5 Tagen, Springer-Lehrbuch,
DOI 10.1007/978-3-662-52813-6_5
5.5 Mukoviszidose – 168

5.6 Exogen-allergische Alveolitis (EAA) – 171

5.7 Fremdkörperaspiration – 172

5.8 Pneumothorax – 173


5.1 · Angeborene Fehlbildungen
153 5
5.1 Angeborene Fehlbildungen

5.1.1 Choanalatresie

55 meist knöcherne ein oder doppelseitige Stenose (5:1) als trichter-


förmige Verschlussplatte mit oder ohne Restlumen, häufig mit
Hypoplasie der Nase
55 häufigste angeborene Fehlbildung der Nase
55 Assoziation in 30–50 % mit anderen kongenitalen Fehlbildungen
z. B. Kolobom, Herzfehler, Hypogonadismus, Ohrfehlbildung,
Lernbehinderung (CHARGE-Syndrom)

z Klinik
55 bei doppelseitiger Choanalatresie: unmittelbar postnatal
­einsetzende Atemnot und Zyanose bei schleimgefüllten
Nasenlöchern
55 Aspiration beim ersten Trinkversuch
55 bei einseitiger Choanalatresie: behinderte Nasenatmung,
anhaltende Nasensekretion (häufig erst im späten Kindesalter
diagnostiziert)

z Diagnostik
55 Sondierung der Nase unmittelbar postnatal mit Widerstand
55 Röntgen-Schädel, CT-Schädel, Endoskopie
55 Sonographie Abdomen, Echokardiographie zum Ausschluss
zusätzlicher Fehlbildungen

z Therapie
55 bei doppelseitiger Choanalatresie
44verzögerte plastisch-konstruktive Korrektur über transpalati-
nalen Zugang im Alter von 2–3 Monaten
44vorher: Offenhalten der Atemwege mittels Säuglings-Guedel-
Tubus oder Spezialschnuller, Ernährung über Magensonde
55 bei einseitiger Choanalatresie: plastisch-konstruktive Korrektur
über transpalatinalen Zugang nach Diagnosestellung (>3 Monate)

5.1.2 Lippen-Kiefer-Gaumenspalten

55 angeborene Fehlbildung mit einer hohen Inzidenz von 1:500


55 in der Embryonalentwicklung zwischen 5. und 7. (Lippen-Kiefer-
spalte) bzw. 10. und 12. Woche (Gaumenspalte) Verschmelzungs-
störung zwischen rechtem und linkem Oberkieferwulst unter-
schiedlicher Ausprägung
55 genetisch bedingte sowie exogen verursachte Formen: Röteln
in der Frühschwangerschaft, Vitamin A-Mangel, Alkohol,
Hydantoin, Rauchen, ionisierende Strahlung
154 Kapitel 5 · Tag 2: Erkrankungen des Respirationstraktes

55 abhängig von Ausprägung unterscheidet man: Lippenspalten,


Lippen-Kieferspalten, Gaumenspalten und Lippen-Kiefer-Gau-
menspalten, diese können ein- und beidseitig vorkommen
55 isoliert oder in Kombination mit Mikrogenie/Retrognathie sowie
Glossoptose als Pierre-Robin-Syndrom

z Klinik
! Cave Sprachentwicklungsver- 55 Atembehinderungen durch Nasenabflachung
zögerungen durch sekundäre 55 Probleme bei der Nahrungsaufnahme und insbesondere beim
Tubenbelüftungsstörungen. Stillen
5 55 Sprachprobleme

z Diagnostik
55 Inspektion
55 ggf. CT/NMR Gesicht und Kieferschädel
55 pädaudiologische Diagnostik, logopädische Diagnostik
55 bei Verdacht auf syndromale Erkrankung Vorstellung in Human-
genetik mit Chromosomenanalyse

z Therapie
55 multimodales Therapiekonzept bestehend aus Pädiatrie, Mund-
Kiefer-Gesichtschirurgie, Kieferorthopädie, Hals-Nasen-Ohren-
heilkunde, Phoniatrie und Pädaudiologie sowie Logopädie
55 initial herausnehmbare Gaumenplatten, Unterstützung des
Saugaktes mit einem sog. Haberman-Feeder, ggf. Sondierung zur
Nahrungsaufnahme
55 mehrzeitige operative Korrektur des Defektes zwischen dem 3.
und 18. Lebensmonat je nach betroffenem Segment, bei größeren
Defekten insbesondere des harten Gaumens zwischen 6. und 10.
Lebensjahr, Sekundäroperationen mit Spongiosaplastik
55 frühzeitig Paukenröhrchen bei Hörminderung

5.1.3 Fehlbildungen von Kehlkopf und Larynx

> Memo Ein inspiratorischer 55 verschiedene, teils anatomisch bedingte, teils durch funktio-
Stridor entsteht fast immer nelle Unreife (Laryngomalazie/infantiler Larynx) bedingte
durch eine extrathorakale Verengungen, die bei forcierter Einatmung (Schreien) zu einer
Atemwegsobstruktion erhöhten Luftströmungsgeschwindigkeit mit Geräuschen
(Ausnahme: tiefe (Stridor, Schnarchen) bis hin zum Kollaps führt
Trachealstenosen). 55 differenzialdiagnostisch Ausschluss extralaryngealer Ursachen
(Hämangiome, Lymphangiome, Fibrome, Struma congenita,
Thymushyperplasie, Gefäßanomalien)

z Klinik
55 inspiratorischer Stridor, der sich insbesondere bei Aufregung
verstärkt
55 Schnarchen
5.1 · Angeborene Fehlbildungen
155 5
55 ggf. zusätzliche Fehlbildungen wie Pierre-Robin-Sequenz (Mikro-
genie mit Retrognathie, Glossoptose, mediane Gaumenspalte)

z Diagnostik
55 Stridor, der nur in Rückenlage auftritt, aber in Bauchlage
verschwindet → funktionelle Unreife
55 Endoskopie/Bronchoskopie
55 Echokardiographie zum Ausschluss einer Gefäßanomalie
(doppelter Aortenbogen, rechter Aortenbogen, aberrierende
Pulmonalarterie etc.)
55 ggf. CT-Thorax und Halsweichteile oder NMR-Thorax und Hals
mit Kontrastmittel u. a. zur Gefäßdarstellung

z Therapie ! Cave Kinder vor


55 bei funktioneller Unreife abwarten Langzeitintubationen
55 bei anatomischen Veränderungen (Laryngozelen, Larynxsegel, bewahren, da vermeidbare
Hämangiome etc.) chirurgisch/mikrochirurgische Therapie, Schleimhautschäden durch den
Laserabtragung Tubusdruck entstehen können, die
55 bei Gefäßanomalien abhängig vom Ausmaß der Trachealstenose die Stenose verstärken können,
operative Korrektur ggf. frühzeitige Tracheotomie.

5.1.4 Primäre Ziliendyskinesie

55 angeborene Anomalie der Zilienstruktur des Nasen und


Bronchialepithels
55 Auftreten isoliert oder zusammen mit Situs inversus, männlicher
Infertilität und Bronchiektasen als sog. Karthagener-Syndrom
55 Strukturdefekte der Zilien → schwere Beeinträchtigung
der mukoziliären Clearance → Begünstigung sekundärer
Bakterienbesiedelung

z Klinik
55 rezidivierende bronchiale und pneumonische Infekte mit
gemischt-obstruktiver Ventilationsstörung
55 chronischer Husten
55 chronische Sinusitis
55 Bronchiektasen

z Diagnostik
55 Lungenfunktion: kombiniert obstruktiv-restriktive
Ventilationsstörung
55 Röntgen-Thorax: grob-streifige Zeichnungsvermehrung, Zeichen
der Lungenüberblähung, Bronchiektasen
55 HR-CT: Darstellung von Bronchiektasen und sekundär narbigen
Veränderungen
55 Bronchoskopie oder Nasenbürstung mit Spezialbürste:
Gewinnung einer Biopsie zur nativmiskroskopischen
156 Kapitel 5 · Tag 2: Erkrankungen des Respirationstraktes

Begutachtung der Zilienfunktion (Standard) und zum elektro-


nenmikroskopischem Nachweis der Strukturanomalie
55 Erregernachweis: häufig Pneumokokken und Hämophilus, im
späteren Stadium auch Pseudomonas

z Differenzialdiagnose
55 Asthma bronchiale
55 Mukoviszidose
55 α1-Antitrypsinmangel (Erwachsenenalter)

5 z Therapie
55 konsequente Antibiotikatherapie
55 Inhalationen (antiobstruktiv mit β2-Sympathomimetika, antiin-
flammatorisch mit Glukokortikoiden, Antibiotikainhalationen)
55 intensive Physiotherapie/Atemgymnastik
55 Prognose abhängig von Entwicklung von Bronchiektasen

5.1.5 Lungensequestration

55 pulmonale Missbildung mit Sequestration eines funktions-


losen Lungenanteils, bestehend aus Zysten und unbelüfteten
bronchialen und alveolären Strukturen mit eigener Gefäßver-
sorgung innerhalb der Pleura
55 zweithäufigste pulmonale Fehlbildung

z Klinik
55 häufig symptomlos und damit Zufallsbefund
55 oft schon pränatale Diagnose mittels fetalem Ultraschall
55 bei Infektion des Lungensequesters chronisch rezidivierende
Pneumonien mit Abszessbildung möglich

z Diagnostik
55 Röntgen-Thorax: flächige Verdichtung bevorzugt im Lungen-
unterfeld links
55 Spiral-CT: zur Diagnosesicherung und präoperativen Vorbe-
reitung in Kombination mit Angiographie zur Darstellung der
arteriellen Gefäße
55 Echokardiographie: zur Darstellung aberrierender Gefäße und
eines Shunts

z Therapie
55 Antibiotikatherapie bei Infektionen
55 Ggf. elektive Operation im 9.–18. LM vor Kitabesuch
(Infektionsgefahr)
55 operativ bei symptomatischen Sequestern mit Lobektomie,
Prognose nach Lobektomie günstig
5.2 · Infektiöse Erkrankungen des oberen Respirationstraktes
157 5
5.1.6 Zystische Malformation

55 glattwandige, mit Luft oder Flüssigkeit gefüllte intrapulmonale


Hohlräume, die als Entwicklungsfehlbildung mit Bronchialepithel
ausgefüllt sind, häufig Zufallsbefund

z Klinik
55 oft symptomlos
55 bei Beschwerden häufig unspezifisch mit rezidivierendem Husten
55 Infektionen mit Abszessen als Komplikationen
55 Pneumothorax

z Diagnostik
55 Röntgen-Thorax: scharfwandiger Aufhellungsbezirk innerhalb
der normalen Lunge
55 HR-CT: vor geplanten operativen Eingriffen und zur Diagnosesi-
cherung/Differenzialdiagnose der unterschiedlichen Zystenformen
55 Bronchoskopie: indiziert zum Ausschluss von Ursachen anderer
Hohlraumbildungen (Abszess, Tbc), Erregerdiagnostik

z Therapie
55 antibiotische Behandlung von Infektionen
55 chirurgische Resektion von symptomatischen Pneumatozelen

5.2 Infektiöse Erkrankungen des oberen


Respirationstraktes

5.2.1 Otitis media

55 Entzündung der Mittelohrmukosa mit oder ohne Erguss


55 bei alleinigem Erguss ohne Symptome spricht man von Tubenmit-
telohrkatarrh, der nach 3 Monaten als chronisch bezeichnet wird
55 einer der häufigsten Konsultationsgründe beim Kinderarzt
55 Inzidenzgipfel 6.–18. Lebensmonat, Herbst und Winter, 90 % aller
Kinder hat bis zum 6. Lebensjahr mindestens eine Otitis media
55 häufigste Erreger bei akuter Otitis media (O. m.) Streptococcus
pneumonia, H. influenza, M. catarrhalis, S. pyogenes und S.
aureus, bei chronischer O. m. Pseudomonas
55 Risikofaktoren: Anomalien der Eustachschen Röhre, familiäre
Belastung, Immundefekt, Allergien, kein Stillen, Betreuung im
Hort, frühe Erstinfektionen, virale Atemwegsinfekte, Geschwister,
Rauchen der Eltern

z Klinik
55 Symptome: Ohrenschmerzen, Reizbarkeit, sich ans Ohr greifen,
Schlafstörung, Fieber, Otorrhö
158 Kapitel 5 · Tag 2: Erkrankungen des Respirationstraktes

55 Tympanon: rot oder gelblich, Vorwölbung, Verdickung,


Erguss, veränderter Lichtreflex (matt), Perforation, Abflachung
im Tympanogramm (in der Tympanometrie misst man die
Trommelfellbeweglichkeit in Abhängigkeit vom Luftdruck
im äußeren Gehörgang. Diese ist ein Maß für die Druck- und
Schwingungsverhältnisse im Mittelohr)

z Diagnostik
55 Otoskopie und Tympanogramm (bei chronischem Erguss)
55 ggf. Erregernachweis bei chronisch perforierter Otitis
5 (Pseudomonas)
55 bei rezidivierenden Otitiden mit Komplikationen weiterführende
Diagnostik (Immunstatus, Allergien)

z Therapie
55 Analgesie und Antipyrese (Paracetamol)
> Memo Mittel der ersten 55 abschwellende Nasentropfen
Wahl: Amoxicillin, 2. Wahl 55 direkte Antibiose bei eitriger Otorrhö, beidseitiger akuter Otitis,
Amoxicillin und Clavulansäure, schlechtem Allgemeinzustand, rezidivierenden Otitiden, Immun-
Cefuroxim oder Clarithromycin/ defekt und anatomischer Fehlbildung, ansonsten:
Azithromycin bei 55 watchful waiting für 24–48 h möglich mit anschließender
Penicillinallergie. Reevaluation der Antibiotikatherapie
55 Komplikationen
44akut: Schallleitungsschwerhörigkeit, Fazialisparese, Perfo-
ration, Labyrinthitis mit Schallempfindungsschwerhörgkeit,
> Memo Die Einführung der Mastoiditis, Hirnabszess, Meningitis
Pneumokokkenimpfung 44chronisch: Cholesteatom, Trommelfellatrophie, Perforation
(Konjugatimpfstoff ) hat zu mit Narben, adhäsive Otitis, Schallleitungsstörungen, Schall-
einem klaren Rückgang der empfindungsstörungen, Gehörknöchelschaden, verzögerte
Otitis media geführt. Sprachentwicklung, verschlechterte Schulleistungen

5.2.2 Mastoiditis

! Cave Gefahr des Durchbruchs 55 akute Mastoiditis ist eine Komplikation der akuten Otitis media
auf benachbarte Strukturen wie 55 vor Antibiotikaära häufig, derzeit weniger als 0,1 % der akuten
das ZNS. Otitiden
55 Haupterreger: S. pneumoniae, S. pyogenes, S. aureus
55 bei akuter Otitis media häufig Übergreifen auf Mastoid-
schleimhaut durch anatomische Verbindung, nach Abheilung der
Otitis in Ausnahmen Persistenz der Entzündung im Mastoid mit
Ausbildung von Abszesshöhlen

z Klinik
55 Fieber, Otalgie, retoraurikuläre Schmerzen
> Memo Schwellung, Rötung, 55 bei subperiostalem Abszess fluktuierende Schwellung über dem
Abstehen der Ohrmuschel. Mastoid
5.2 · Infektiöse Erkrankungen des oberen Respirationstraktes
159 5
z Diagnostik
55 Klinik führend
55 Röntgen-Aufnahmen des Mastoids nur wenig wegweisend, da es
auch bei unkomplizierter Mastoiditis Verschattungen aufweisen
kann
55 CT-Felsenbein zur Erfassung der Ausdehnung und zur Diagnose
von Knochenarrosionen hilfreich
55 chronische Mastoiditis: schmerzlose, auf konventionelle Antibio-
tikagaben sich nicht bessernde Otorrhö

z Therapie
55 Antibiose
55 operative Sanierung, Mastoidausräumung
55 bei chronischer Mastoiditis/Otitis immer nach Antibiogramm
55 Pneumokokkenimpfung vermindert Inzidenz von Otitiden und
ihren Komplikationen

5.2.3 Pharyngitis, Tonsillitis

55 Pharyngitis definiert als Entzündung irgendeiner Struktur des


Pharynx
55 am häufigsten Tonsillen mit Mesopharynxschleimhaut
betroffen
55 Erreger: Bakterien (insbesondere β-hämolysierende Strepto-
kokken) oder Viren
55 rein klinische Unterscheidung, ob Viren oder Bakterien
ursächlich sind, nicht möglich

z Klinik
55 Halsschmerzen, Schluckbeschwerden, Fieber, Lymphknoten-
schwellungen, Rötung, Schwellung, Stippchen und Beläge auf den
Tonsillen
55 Scharlach (Streptokokken): Tonsillitis, Himbeerzunge,
dunkelrote Färbung des Gaumensegels, feinfleckiges
Exanthem mit perioraler Aussparung und Aussparung in den
Leisten
55 Herpangina (Coxsackie-A-Viren): Tonsillen und Gaumenbögen
gerötet, meist ohne Beläge, Bläschen und Ulzerationen an den
Gaumenbögen und im Mund
55 Mononukleose (EBV-Virus): stark vergrößerte Tonsillen,
weißliche, fest haftende Beläge
55 Diphtherie (Corynebacterium diphtheriae): sehr selten
geworden, Halsschmerzen, Unwohlsein, Fieber, dünne, spinn-
gewebartige, leicht blutende Membranen auf den Tonsillen,
Schwellung der Lymphknoten und ausgedehnte ödematöse
Schwellung im Halsbereich, Kreislaufsymptome
160 Kapitel 5 · Tag 2: Erkrankungen des Respirationstraktes

z Diagnostik
55 Klinik führend
55 Blutbild, C-reaktives Protein und Blutkörperchensenkungsge-
schwindigkeit bei hochfieberhaftem Verlauf
55 Abstrich mit Kultur, Schnelltests sind mäßig zuverlässig, können
nicht zwischen Besiedelung und Infektion unterscheiden und
führen zu ungerechtfertigten Antbiotikagaben!

z Therapie
! Cave Nachblutung am 6. 55 orale Antibiose mit Penicillin V, alternativ Clarithromycin bis
5 postoperativen Tag, daher zum Ausschluss einer Streptokokkeninfektion
stationäre Aufnahme, ein 55 bei Staphylokokkentonsillitis Oxazillin/Flucloxazillin, alternativ
„Ausschälen der Tonsillen“ Amoxizillin und Clavulansäure/Sulbactam
(Tonsillotomie) geht mit einem 55 symptomatische Therapie (Fiebersenkung, Analgesie)
verminderten Risiko einer 55 Tonsillektomie: bei rezidiverenden Tonsillitiden, bei Spätkom-
Nachblutung einher, wird aber plikationen (rheumatisches Fieber, Glomerulonephritis), bei
bei rezidivierenden Tonsillitiden obstruktiven Apnoen aufgrund von Tonsillenhyperplasien
aufgrund von Abszessrisiko nur 55 bei Verdacht auf Diphtherie neben antibiotischer Therapie
bedingt empfohlen. Verabreichung eines Diphtherie-Antitoxins
55 Komplikationen der Streptokokken/
Staphylokokkenpharyngitis
44Retropharyngealabszess
44Peritonsillarabszess
44Bakteriämie mit septischen Metastasen
44rheumatisches Fieber (häufigste Ursache erworbener
Herzklappenfehler in der sog. 3. Welt)
44reaktive Arthritis
44akute Poststreptokokken-Glomerulonephritis
44toxisches Schocksyndrom

5.2.4 Adenoide

55 Rachenmandelhyperplasie infolge von rezidivierenden Infek-


tionen mit Hyperplasie des lymphatischen Gewebes

z Klinik
55 Mundatmung, näselnde Sprache
55 Schnarchen
55 rezidivierende Otitiden durch Tubenbelüftungsstörungen
55 Seromukotympanon
55 Schwerhörigkeit
55 obstruktive Apnoen

z Diagnostik
55 durch den HNO-Arzt
5.3 · Infekte der unteren Atemwege
161 5
z Therapie
55 operative Entfernung bei Hörstörungen, rezidivierenden
Infekten, Mundatmung
55 Indikation häufig in Zusammenhang mit Paukenröhrcheneinlage
oder Tonsillektomie
55 risikoarme Operation mit wenig Nachblutungen, ambulant
durchführbar

5.3 Infekte der unteren Atemwege

5.3.1 Pseudokrupp

55 stenosierende Laryngotracheitis, subglottische Laryngitis


55 Ursachen sind Virusinfekte, die durch Umweltfaktoren aggraviert
werden können

z Klinik
55 meist Infekt mit wenig Fieber, akut auftretend, keine Schluck-
störung, ausgeprägte Heiserkeit
55 v. a. abends und nachts auftretend, Altersgipfel 1.–3. Lebensjahr,
gehäuft im Herbst und Winter, häufige Rezidive, gute Prognose
(. Tab. 5.1)

z Diagnostik
55 bei unkompliziertem Verlauf keine notwendig
55 bei Notwendigkeit von i.v. Zugang ggf. Blutbild, C-reaktives
Protein, Blutgasanalyse

z Therapie
55 Behandlung und Prognose hängen vom Schweregrad ab ! Cave invasive Maßnahmen (i.v.
55 Stadium I und II: Inhalation mit Epinephrin (Infectokrupp), Zugang) zu diesem Zeitpunkt
Feuchtinhalationen, ggf. Hydrokortison rektal (z. B. Rectodelt) vermeiden, weil Aufregung den
oder oral (Dexamethasonsaft), ggf. stationäre Aufnahme Stridor verstärkt!

. Tab. 5.1  Symptomatik des Pseudokrupps in Abhängigkeit vom Stadium

Stadium Klinik

I Bellender Husten, leichter inspiratorischer Stridor, Heiserkeit


II Stärkerer Stridor, leichte Dyspnoe, kaum Einziehungen
III Deutlicher Stridor, deutliche Atemnot, Unruhe, Tachykardie
IV Starke Dyspnoe, Zyanose, evtl. Bewusstseinsstörung,
Hypotonie
162 Kapitel 5 · Tag 2: Erkrankungen des Respirationstraktes

! Cave Pseudokrupp rezidiviert 55 Stadium III und IV: immer stationäre Aufnahme, Maßnahmen
gerne in der darauffolgenden wie oben plus Zugang, bei Stadium IV Verlegung auf
Nacht, Eltern entsprechend Intensivstation, Intubationsbereitschaft, Sedierung,
informieren. Antibiotikaprophylaxe

5.3.2 Epiglottitis

55 durch Haemophilus influenza Typ B verursachte Entzündung der


Epiglottis, lebensbedrohliches Krankheitsbild, seit HiB-Impfung
5 selten

z Klinik
55 hohes Fieber, akut auftretend, ausgeprägte Schluckstörung,
Halsschwellung, wenig Heiserkeit
55 auch tagsüber auftretend, ganzjährig, hohe Mortalität, Gipfel
2.–5. Lebensjahr, danach selten

z Diagnostik
55 Inspektion des Halses nur in Intubationsbereitschaft mit
Sedierung
55 i.v. Zugang mit Blutbild, C-reaktives Protein, Blutkulturen

! Cave Bei Verdacht auf z Therapie


Epiglottitis sofortige Verlegung 55 bei Bestätigung der Diagnose Intubation für 24–72 h, Beatmung,
auf die Intensivstation, ggf. Spontanatmung möglich Antibiose mit Claforan
Inspektion des Rachens nur 55 Impfung schützt!
in Intubationsbereitschaft mit
Sedierung, da es bei Inspektion
zu reflektorischem Herz- und 5.3.3 Bronchitis
Atemstillstand kommen kann.
55 häufigste Erkrankung der Atemwege bei Kleinkindern, auch
mehrere Episoden pro Jahr gelten als normal, solange es zu keinen
obstruktiven Episoden kommt
55 ausgelöst durch Virusinfektionen (RSV, Rhinoviren, Metapneu-
moviren, Influenza etc.), im Herbst und Winter gehäuft

z Klinik
55 Schnupfen, Husten, leichtes Fieber, akutes Stadium über mehrere
Tage gefolgt von Reizhusten ggf. über Wochen

z Diagnostik
55 Klinik führend
! Cave bei Kleinkindern mit 55 bei Fieber ggf. Blutbild und C-reaktives Protein
rezidivierenden Bronchitiden 55 Röntgen-Thorax nur bei Verdacht auf Pneumonie
immer auch an Aspiration
denken, insbesondere bei z Therapie
hyperakutem Beginn ohne 55 symptomatisch
Fieber und Schnupfen! 55 i. d. R. keine Antibiose nötig
5.3 · Infekte der unteren Atemwege
163 5
55 rezidivierende Bronchitiden mit Dyskrinie können der Übergang
in eine obstruktive Bronchitis sein, die entsprechend therapiert
werden muss
55 Übergang zur Bronchopneumonie fließend; benötigt eine
entsprechende antibiotische Therapie

5.3.4 Pneumonien

55 Viral oder bakteriell bedingte Erkrankungen der Lunge, die


den Alveolarraum und/oder das Interstitium erfassen,
nach pathologisch-anatomischen Kriterien werden
unterschieden:
44Bronchopneumonie: mit Abstand häufigste
Pneumonieform, Röntgenbild kann dem klinischen Befund
hinterherhinken, Übergang von Bronchitis/Peribronchitis
fließend, zentrifugale Ausbreitung, virale
und bakterielle Verursacher, häufig Säuglings/
Kleinkindalter
44Lobärpneumonie: fast immer bakterieller Genese
(Pneumokokken), ein oder mehrere Lungensegmente
betreffend, (eher ältere Kinder/Schulkinder), intraalveoläre
Entzündungsreaktion
44interstitielle Pneumonie: bakterielle Pneumonien, ausgelöst
durch atypische Erreger (Mykoplasmen, Chlamydien), ältere
Kinder (Milchglasinfiltrat)
55 aus klinischen, therapeutischen und prognostischen Gründen
unterscheidet man zusätzlich zwischen ambulant und im
Krankenhaus (nach 3. Tag des Krankenhausaufenthaltes)
erworbenen Pneumonien
55 prädisponierende Faktoren für bakterielle Pneumonien im
Kindesalter sind:
44Immundefizienz
44anatomische Fehlbildungen
44Mukoviszidose
44Ziliendysfunktion
44Belüftungsstörungen bei Asthma bronchiale
44bronchopulmonale Dysplasie
44Aspiration
44neuromuskuläre Erkrankungen
44Shuntvitien mit vermehrter Lungendurchblutung
44Beatmung ! Cave Röntgenbild und
44virale Infektionen (Masern, Influenza) Symptome müssen nicht
immer korrelieren, eine klinisch
z Klinik eindeutige Pneumonie gehört
55 Allgemeinsymptome (Fieber, Abgeschlagenheit, Krankheits- auch bei blandem Röntgenbild
gefühl, Blässe) therapiert, laut WHO-Kriterien
55 bei Neugeborenen Trinkschwäche, blasses Kolorit, Apnoen, sind dies Fieber und typischer
Tachykardie, Temperaturinstabilität Auskultationsbefund!
164 Kapitel 5 · Tag 2: Erkrankungen des Respirationstraktes

55 organspezifisch: Tachypnoe, Dyspnoe, Nasenflügeln, Zyanose,


Husten (anfangs trocken, später produktiv), Dämpfung (Pleura-
erguss), Rasselgeräusche (fein-mittelblasig)

z Diagnostik
55 Röntgen-Thorax
55 bei Verdacht auf abszedierende Pneumonie und Pleuraempyem
Thorax-CT
55 C-reaktives Protein, Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit,
Blutbild (Leukozytose), ggf. Blutgasanalyse
5 55 Erregernachweis durch Sputum- und Rachenabstrich, Blutkultur,
Pleurapunktat, ggf. Bronchoskopie bei abszedierenden
Pneumonien, Blutkultur!
55 Serologie nur bei Verdacht auf atypische Erreger

z Therapie
55 antibiotische Therapie
55 bei ambulant erworbenen Pneumonien
44Amoxicillin, ggf. Cephalosporin der II. Generation
44alternativ Makrolid (insbesondere bei Verdacht auf atypische
Pneumonie)
55 bei nosokomialen Infektionen Therapie abhängig vom
Erregerspektrum
44bei unbekanntem Erreger Antibiose mit einem III. Generation
Cephalosporin (z. B. Ceftazidim), alternativ ein Carbapenem
(z. B. Meronem) oder Ureidopenicillin (z. B. Piperacillin und
Tazobactam)
> Memo Nicht jede 44zusätzlich ein Aminoglykosid (z. B. Gentamicin)
Pneumonie muss stationär 44bei Frühgeborenen aufgrund des hohen Vorkommens von
behandelt werden! Gruppe B Streptokokken Vancomycin
55 Indikationen für stationäre Therapie sind:
44schlechter Allgemeinzustand und hochfieberndes Kind
44Sauerstoffbedarf
! Cave Bei immunsupprimierten 44Nahrungsverweigerung/fragliche Verabreichung oraler
Patienten (z. B. Patienten Medikation/Compliance
in Neutropenie bei 44großzügig bei Patienten mit Vorerkrankungen (geistige
Chemotherapie) immer auch an Behinderung, neuromuskuläre Erkrankungen, CF, Immun-
eine Pilzpneumonie (Candida defizienz etc.)
oder Aspergillose) denken, 55 ausreichende Flüssigkeitszufuhr
Nachweis durch Thorax-CT oder 55 Inhalation mit β2-Sympathikomimetika kann insbesondere bei
Bronchoskopie mit Lavage. Des obstruktiver Komponente sinnvoll sein
Weiteren sollten Patienten mit 55 Atemtherapie/Physiotherapie insbesondere bei bettlägrigen und
Neutropenie zur Prophylaxe behinderten Patienten
einer Pneumocystis-jirovecii- 55 bei respiratorischer Insuffizienz Intubation und Beatmung
Pneumonie Cotrimoxazol 55 Pneumokokkenimpfung reduziert die Zahl invasiver
erhalten. Pneumonien!
5.4 · Obstruktive Lungenerkrankungen
165 5
5.4 Obstruktive Lungenerkrankungen

5.4.1 Bronchiolitis

55 durch Virusinfekte insbesondere RS-Viren hervorgerufenen


Entzündung der kleinen Bronchien mit Schleimhautschwellung
und Überblähung
55 Säuglinge sind bevorzugt betroffen

z Klinik
55 Beginn als Rhinitis, dann Trinkschwäche, häufig wenig ! Cave Gefahr der akuten
Fieber Verschlechterung mit Apnoen.
55 Tachypnoe, Einziehungen, abgeschwächtes Atemgeräusch,
feinblasige Rasselgeräusche

z Diagnostik
55 Klinik führend
55 Sauerstoffsättigung häufig vermindert
55 Blutgasanalyse zur Diagnostik einer möglichen CO2-Retention
und Indikation zur Verlegung auf die Intensivstation
(pCO2 > 60 mmHg)
55 Röntgen-Thorax
55 Blutbild, C-reaktives Protein
55 Rachenspülwasser zum Direktnachweis der Viren

z Therapie
55 i.v. Flüssigkeitszufuhr
55 Isolierung (Infektionsgefahr für andere Säuglinge)
55 O2-Zufuhr bei Hypoxämie
55 Monitoring
55 Inhalationstherapie häufig wenig wirksam, 0,9–3 % NaCl-Lösung,
ggf. β2-Sympathomimetika
55 evtl. i.v. Kortikosteroide (1–2 mg/kg/Einzeldosis)
55 Antibiose erst bei persistierendem Fieber oder ansteigenden
Entzündungszeichen als Zeichen einer bakteriellen Superin-
fektion, nicht primär notwendig
55 Intubation und Beatmung, alternativ High-Flow-
Atemunterstützung oder CPAP bei Hyperkapnie und
Erschöpfung
55 aktive Immunisierung derzeit noch nicht möglich,
jedoch besteht zur Prophylaxe einer RSV-Infektion die
Möglichkeit der passiven Immunisierung mit Palivizumab
bei ehemaligen Frühgeborenen mit Bronchopulmonaler
Dysplasie < 24 Lebensmonate und bei Kindern mit
hämodynamisch relevanten Herzfehlern < 12
Lebensmonate
166 Kapitel 5 · Tag 2: Erkrankungen des Respirationstraktes

5.4.2 Obstruktive Bronchitis

55 häufig durch Virusinfekte getriggerte, mit Hypersekretion


vergesellschaftete Inflammation der Bronchien
55 Säuglinge und Kinder jeder Altersgruppe betroffen

z Klinik
55 exspiratorische Dyspnoe, Tachypnoe, trockener Husten, selten
hohes Fieber
55 Giemen, Brummen, verlängertes Exspirium
5 z Diagnostik
55 Klinik führend
55 Röntgen-Thorax nur bei erster Episode oder bei schweren
Verläufen mit DD: Pneumonie, Aspiration, CF
55 Blutbild zum Ausschluss Linksverschiebung
mit Pneumonie, ggf. C-reaktives Protein und
Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit
55 Blutgasanalyse zur Einschätzung der pulmonalen Situation/
CO2-Retention
55 bei rezidivierenden Verläufen Allergiediagnostik zum Ausschluss
beginnendes Asthma bronchiale, Schweißtest zum Ausschluss
einer zystischer Fibrose, ggf. Ausschluss Ziliendyskinesie

z Therapie
> Memo Die Inhalationstherapie 55 inhalative β2 Sympathomimetika (z. B. Sultanol) und Parasympa-
bedarf der Schulung der Eltern thikolytika (Atrovent) als Dosieraerosol ggf. 1–2-stündlich (dann
und der Verordnung einer Monitorkontrolle)
Applikationshilfe (Spacer mit 55 systemische Kortikosteroide (2 mg/kg alle 6 h)
Maske). 55 ausreichende Flüssigkeitszufuhr
55 O2-Therapie bei Bedarf (Monitoring)
55 bei rezidivierenden obstruktiven Bronchitiden Dauertherapie
mit inhalativen Kortikosteroiden (Beclomethason, Budesonid
oder Fluticason) oder oralen Leukotrienrezeptorantagonisten
(Singulair)

5.4.3 Asthma bronchiale

> Memo klassische Trias 55 Erkrankung mit erhöhter Empfindlichkeit der Atemwege
aus Bronchospasmus, gegenüber verschiedenartigen Reizen (Hyperreagibilität), die
Schleimhautödem und auf chronischer Entzündung der Bronchialschleimhaut v. a. im
vermehrter Schleimproduktion Bereich der kleinen Atemwege beruht
(Dyskrinie). 55 Basis ist in 90 % der Fälle eine allergische Disposition mit
Sensibilisierung gegen Inhalationsallergene
55 überwiegend anfallsweise auftretende, selten auch konstante
exspiratorische Behinderung der Atmung, die vom Verlauf
variabel ist
5.4 · Obstruktive Lungenerkrankungen
167 5
55 5–10 % aller Kinder haben ein Asthma bronchiale, Erstmanifes-
tation mit 70 % vor dem 5. Lebensjahr

z Klinik
55 intermittierende Obstruktion der Atemwege mit Luftnot, Giemen
und Brummen
55 Tachykardie, Unruhe, Kaltschweißigkeit, Blässe, bei Dekompen-
sation auch Zyanose
55 Besserung auf β2 Sympathikomimetika
55 plötzlich auftretend, häufig bei Allergenexposition, ggf. im
Rahmen von Infekten
55 i. d.R. kein Fieber

z Diagnostik
55 Asthma bronchiale ist eine klinische Diagnose
55 Anamnese: Häufigkeit, Art und Dauer der Beschwerden,
atopische Disposition, Familienanamnese mit Allergiebelastung,
körperliche Untersuchung
55 bei Kindern <5 Jahre: 3 Episoden mit Giemen, Brummen
während der letzten 6 Monaten
55 bei Kindern >5 Jahre: Lungenfunktionsprüfung mit Nachweis
einer obstruktiven Ventilationsstörung (FEV1 < 80 %) plus
Nachweis der Reversibilität nach Gabe von β2-Sympathomime-
tikainhalation (FEV1-Steigerung um 15 % oder Abfall des
Atemwegswiderstandes um 50 %)
55 bei unauffälliger Lungenfunktionsprüfung Nachweis einer
bronchialen Hyperreagibilität durch z. B. Metacholin oder
Laufbandprovokation (FEV1-Abfall um 15 % oder Steigerung
des Atemwegswiderstandes um 100 %) und anschließender
Reversibilität ! Cave bei intrinsischem Asthma
55 Allergiediagnostik: Pricktest und CAP-Assay mit spezifischen bronchiale ohne Atopieneigung
Inhalationsallergenen, bei Kleinkindern auch Nahrungsmittel- immer gastroösophagealen Reflux
allerge berücksichtigen ausschließen (pH-Metrie)!
55 Röntgen-Thorax: insbesondere bei Kleinkindern zum Ausschluss
Aspiration, auch zum Ausschluss spezifischer Infektionen
55 Schweißtest: zum Ausschluss Mukoviszidose
55 bei stationärer Aufnahme im akuten Anfall auch Blutgasanalyse
55 die Schweregradeinteilung erfolgt nur noch in kontrolliertes,
teil-kontrolliertes oder unkontrolliertes Asthma bronchiale
(. Tab. 5.2 Nationale Versorgungsleitlinie)

z Therapie
55 Therapieziele: Symptomfreiheit, keine Exazerbation, keine
Notfallbehandlung, kein Bedarf an zusätzlichen β2-Sympathomi-
metika, uneingeschränkte physische und psychische Leistungs-
fähigkeit und körperliche Entwicklung der Kinder
55 einzig kausale Therapie Allergenkarenz und spezifische Immun-
therapie (Hyposensibilisierung)
168 Kapitel 5 · Tag 2: Erkrankungen des Respirationstraktes

. Tab. 5.2  Grad der Asthmakontrolle (NVL Asthma 2. Auflage, Version 1.3)

Kriterium Kontrolliertes Teilweise kontrolliertes Unkontrolliertes Asthma


Asthma (alle Asthma (1–2 Kriterien
Kriterien erfüllt) innerhalb einer Woche
erfüllt)

Symptome tagsüber Keine Vorhanden Drei oder mehr Kriterien


des „teilweise kontrollierten
Einschränkungen von Aktivitäten Keine Vorhanden
Asthmas" innerhalb einer
im Alltag
Woche erfüllt
Nächtliche Symptome/Erwachen Nein Ja
5 Einsatz einer Bedarfsmedikation Nein Ja
Lungenfunktion (FEV oder PEF) normal <80 % des Sollwertes (FEV)
oder des persönlichen
Bestwertes (PEF)
Exazerbationen nein Eine oder mehrere pro Jahr

Die Angaben beziehen sich auf eine beliebige Woche innerhalb der letzten vier Wochen.
FEV = forcierte 1-Sekunden-Kapazität, PEF = peak exspiratory flow

55 Akuttherapie im Asthmaanfall
442–4 Hübe eines kurzwirksamen β2-Sympathomimetikum
44orales oder rektales Kortikosteroid (2 mg/kg)
442–3 l O2-Vorlage
44bei unzureichender Besserung auf β2-Sympathomimetikum
stationäre Aufnahme
44forcierte Inhalationstherapie, i.v. Kortikosteroide, bei unzurei-
chender Besserung, i.v. Theophyllin oder i.v. β2-Sympathomi-
metika als Dauerinfusion
44Verlegung auf Intensivstation bei CO2-Retention in der
Blutgasanalyse (>60 mmHg), Intubation und Beatmung
möglichst vermeiden, da hohe Mortalität, schwierige
Beatmungssituation mit hohen Spitzendrücken und hohem
PEEP notwendig
55 Dauertherapie
44abhängig von Asthmakontrollgrad Unterscheidung zwischen
Bedarfsmedikation (Relievern) wie β2-Sympathomimetika
(β-2S) und Controllern wie inhalativen Kortikosteroiden
(ICS) ohne oder mit Kombination von langwirksamen
β2-Sympathomimetika (LABA) oder Leukotrienrezeptoranta-
gonisten (LTRA) (. Tab. 5.3)

5.5 Mukoviszidose

55 Synonym: zystische Fibrose (CF) häufigste autosomal-rezessiv


vererbte Erkrankung (1:2.000)
5.5 · Mukoviszidose
169 5

. Tab. 5.3  Stufenschema: Medikamentöse Langzeittherapie des Asthmas bei Kinder und Jugendlichen
(NVL Asthma 2. Auflage, Version 1.3)

← Reduziere wenn möglich

Intensiviere wenn nötig →

Stufe 1* Stufe 2** Stufe 3** Stufe 4** Stufe 5**

Bevorzugt: RABA*** Bevorzugt: ICS ICS mittel dosiert ICS hoch dosiert Zusätzlich zu Stufe 4: orale
bei Bedarf niedrig dosiert oder oder Kortikosteroide (niedrigst
wirksame Dosis)
Alternativ oder Alternativ LTRA ICS niedrig bis ICS mittel bis hoch In begründeten Fällen: Bei
zusätzlich: (Montelukast) mittel dosiert dosiert plus LTRA IgE-vermittelter Pathogenese:
Anticholinergikum plus LTRA (Montelukast) und Monoklonaler Anti-IgE-
(Ipratropiumbromid) (Montelukast) LABA Antikörper (Omalizumab)
oder LABA oder:
Retard-Theophylin
Bei Bedarf bevorzugt RABA (rasch wirksame β-2S)
Alternativ oder zusätzlich: Ipratropiumbromid
Asthmaschulung Allergie- /Umweltkontrolle

* Bedarfsmedikation
** Langzeittherapeutika
*** Formoterol wird zur Bedarfsmedikation in Stufe 1 nicht empfohlen.
Cave: Keine Langzeitmonotherapie mit einem LABA (Long acting Beta-agonist, Formeterol oder Salmeterol)!
Eine Kombinationstherapie aus niedrig dosiertem ICS plus LABA kommt nur in Frage, wenn diese Kombination
vorübergehend angesetzt wird (z. B. im Verlauf respiratorischer Infektionen) oder wenn eine ICS-Therapie in mittlerer
Dosierung mit unerwünschten Arzneimittelwirkungen assoziiert ist.

55 Defekt im Chloridkanal („cystic fibrosis transmembrane regulator“,


CFTR), der zu einer verminderten Chloridsekretion durch
exokrine Drüsen und zu einer Eindickung von Schleim führt

z Klinik
55 Mekoniumileus (Erstsymptom in 5–8 %)
55 Pankreasinsuffizienz mit fettigen, faulig-riechenden Stühlen,
Bauchschmerzen, Durchfällen
55 pulmonale Symptome mit chronisch obstruktiven Bronchitiden,
rezidivierenden Pneumonien, produktiver Husten
55 chronische Sinusitis Memo: Man unterscheidet
55 Gedeihstörung/Dystrophie trotz ausreichender Nahrungsmengen inzwischen 6 verschiedene
55 Infertilität bei männlichen Patienten Arten von Mutationsklassen
(bei über 1.000 Mutationen), für
z Diagnostik die teilweise eine zielgerichtete
55 Schweißtest Therapie zur Verfügung steht.
44Gewinnung von Schweiß durch Pilocarpin-Iontophorese, Für die Indikation zur Therapie ist
Chloridgehalt im Schweiß von >60 mmol/l gilt als patho- daher die genetische Sicherung
logisch, Standardverfahren zur Diagnosesicherung der Mutation wesentlich!
170 Kapitel 5 · Tag 2: Erkrankungen des Respirationstraktes

44CAVE: bei 10 % der CF-Patienten kann der Schweißtest negativ


bleiben
55 Molekulargenetik
44Sequenzierung/Teilsequenziereung des CFTR-Gens
44immer durchführen bei klarer klinischer Indikation, gesicherter
CF, um aus Genetik ggf. Prognose und Therapie zu bestimmen
44wichtig auch zur Sicherung der Diagnose bei fraglicher CF
55 Direktnachweis am Rektumbiopsat oder an der Nasen-
schleimhaut durch Potenzialdifferenzmessung
44Indikation bei fraglicher CF (Schweißtest negativ bei klarer
5 Klinik) und negativer Genetik
44Goldstandard zur Diagnosesicherung
44nur in wenigen Zentren verfügbar
55 Kontrolluntersuchungen
44immer Betreuung in einem CF-Zentrum mit spezialisiertem
Team (CF-erfahrener Arzt, Physiotherapeuten, Kinderkran-
kenschwester, Diätassistentin, Sozialarbeiter, Psychologen)
443-monatige Kontrollen mit Gewicht und Länge, Mikrobiologie
(Sputum, Rachenabstrich) zur Identifizierung CF-spezifischer
Problemkeime (Staph. aureus, Pseudomonas aeruginosa,
Aspergillus), Lungenfunktion
446- bis 12-monatig je nach Klinik auch öfter, Blutbild und
Serumchemie komplett, Blutgasanalyse, O2-Sättigung,
Röntgen-Thorax, Abdomen-Sonographie, jährliche
Grippeimpfung, sonstige Standardimpfungen inklusive
Pneumokokken

z Therapie
Systemische Therapie: Inzwischen gibt es die Zulassung für Therapie-
ansätze u. a. mit sog. Korrektoren, die das fehlgefaltete CFTR-Protein
an die Oberfläche bringen, und Potentiatoren, die dysfunktionale Chlo-
ridkanäle öffnen und damit funktionsfähig machen. Dies führt teilweise
zur Normalisierung des Chloridgehaltes im Schweiß.
55 Pankreasinsuffizienz
44Enzymsubstitution (Lipase)
44Vitaminsubstitution v. a. der fettlöslichen Vitamine (ADEK)
44hochkalorische Ernährung (120–140 % des normalerweise
empfohlenen Tagesbedarfs)
55 Lungenerkrankung
44Physiotherapie (autogene Drainage)
44Inhalationstherapie (β2-Sympathomimetika, inhalative
Antibiotikatherapie mit Tobramycin/Colistin bei Nachweis
von Pseudomonas aeruginosa, Dornase alpha)
44Sauerstofftherapie bei respiratorischer Partialinsuffizienz
44Lungentransplantation als Ultima ratio
55 pulmonale Infektionen
44Intensivierung der Physiotherapie und der antiobstruktiven
Therapie
5.6 · Exogen-allergische Alveolitis (EAA)
171 5
44unterschiedliche Antibiotikatherapie abhängig vom nachge-
wiesenen Keim je nach Klinik oral, intravenös oder inhalativ
44bei Nachweis chronischer Besiedelung mit Pseudomonas oder
Staph. aureus können 3-monatige i.v. Antibiosen sinnvoll sein,
um Verschlechterung der Lungenfunktion zu verhindern
55 Komplikationen
44Pneumothorax
44Hämoptysen
44Atelektasen
44Asthma/obstruktive Lungenerkrankung (fast immer)
44Allergisch bronchopulmonale Aspergillose
44Diabetes mellitus, ab 20. Lebensjahr >30 % begleitend bei
zunehmender Pankreasdestruktion
44Pankreatitis
44Ileus/distales intestinales Obstruktionssyndrom (DIOS)
44Hepatopathie, Leberzirrhose > Memo Ausmaß der
44chronische respiratorische Insuffizienz, häufig Lungenerkrankung determiniert
lebenslimitierend die Prognose der CF.

5.6 Exogen-allergische Alveolitis (EAA)

55 durch Inhalation von organischen Antigenen hervorgerufene


Hypersensitivitätsreaktion der Lunge (Alveolen und Interstitium)
55 am häufigsten berufliche Exposition von bestimmten Antigenen
(Farmerlunge, Bäckerlunge), im Kindesalter am häufigsten
Exposition von tierischen Proteinen (Vogelzüchterlunge,
Farmerlunge)

z Klinik
55 akute und chronische Verläufe
55 akut: akutes Krankheitsgefühl (4–8 h nach Antigenexposition)
mit Husten, Dyspnoe, Fieber, evtl. grippale Symptome, Abklingen
nach 24 h, wenn keine weitere Exposition erfolgt
55 chronisch: schleichender Beginn mit zunehmendem Husten,
Luftnot, Kurzatmigkeit, Leistungsminderung
55 auskultatorisch feinblasige Rasselgeräusche in den Unterfeldern

z Diagnostik
55 restriktive Ventilationsstörung mit Verminderung von Vital- > Memo Eine normale BAL
kapazität, Totalkapazität und Diffusionskapazität, zusätzliche schließt eine EAA i. d. R. aus!
obstruktive Ventilationsstörung möglich
55 Röntgen-Thorax und bei begründetem Verdacht HRCT: retikulo-
noduläre Infiltrate v. a. basal
55 Leukozytose und Erhöhung der
Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit
55 Nachweis präzipitierender IgG-Antikörper gegen das verdächtige
Antigen
172 Kapitel 5 · Tag 2: Erkrankungen des Respirationstraktes

. Tab. 5.4  Differenzierung zwischen Asthma bronchiale und allergischer Alveolitis

Befunde Allergisches Asthma Allergische Alveolitis

Antikörpernachweis Typ IgE Präzipitierende Antikörper Typ IgG


Lungenfunktion Obstruktive Ventilationsstörung Restriktive Ventilationsstörung
Diffusionsstörung nein Ja
Lokalisation Bronchiolen und Bronchien Lunge und Interstitium
Klinik Dyspnoe, anfallsartig, selten Fieber Perakut, manchmal Fieber, Husten Dyspnoe
Röntgenbild Unauffällig, ggf. Überblähung Retikulonoduläre Verdichtung
5 Atopie in Eigen- und Vorhanden Nein
Familienanamnese
Auskultation Giemen, Brummen, verlängertes Feinblasige Rasselgeräusche
Exspirium

55 Bronchoskopie: bronchoalveoläre Lavage (BAL) mit massiver


Neutrophilie im akuten Stadium und Lymphozytose im chroni-
schen Stadium (CD8-Lymphoyztose)

z Differenzialdiagnose
55 akut: unklare Pneumonien, bronchopulmonale Infekte
55 chronische Lungenfibrose unklarer Genese
55 Asthma bronchiale (v. a. bei Lungenfunktion mit sekundärer
Restriktion) (. Tab. 5.4)

z Therapie
55 Allergenkarenz (Berufswechsel, Entfernung der Tierhaltung)
55 orale und inhalative Steroide bei akuten Beschwerden

5.7 Fremdkörperaspiration

55 Häufigkeitsgipfel im 2.–3. Lebensjahr, seltener bei älteren


Kindern, dann gehäuft bei Kindern mit neurologischen
Auffälligkeiten
55 häufigste Fremdkörper (FK): Erdnüsse (sollten nicht vor dem
3. Lebensjahr gegessen werden), andere Nüsse, Hülsenfrüchte,
Apfelstücke, Karotten, Bonbons, Knöpfe, kleinere Münzen,
Wurststücke
55 am häufigsten betroffener Lungenabschnitt: rechter Unterlappen

z Klinik
55 plötzlich einsetzender starker Husten, häufig aus Wohlbefinden
heraus
5.8 · Pneumothorax
173 5
55 rezidivierende Bronchitiden/fieberhafte Pneumonien an > Memo bei chronisch
derselben Lokalisation, Abszesse obstruktiven Beschwerden
55 asymmetrisches Atemgeräusch, manchmal Ventilgeräusch im passenden Alter immer
bei Erstdiagnose Röntgenbild
z Diagnostik zum Ausschluss einer
55 Röntgen-Thorax Fremdkörperaspiration.
44oft unauffällig
44manchmal Teilatelektasen bei länger bestehenden
Aspirationen
44bei Durchleuchtung auch Mediastinalwandern und asymmet-
rische Zwerchfellbeweglichkeit

z Therapie
55 bei entsprechender Anamnese und klinischer Symptomatik
immer Bronchoskopie, zur Entfernung des FK ist diese i. d. R. starr
55 bei akut auftretender Atemnot und offensichtlichem Bolusverschluss
kann bei größeren Kindern das Heimlich-Manöver ausgeführt
werden, bei kleineren Kindern zunächst Rückenstöße in Kopftieflage,
bei Säuglingen Bruststöße, bei Kleinkindern Bauchstöße
55 bei bewusstlosem, ateminsuffizienten Kind kardiopulmonale
Reanimation beginnen
55 bei länger als 24 h liegendem Fremdkörper ggf. Antibiose

5.8 Pneumothorax

55 selten spontan auftretend, häufig iatrogen induziert v. a. bei


beatmeten Neugeborenen und Frühgeborenen, auch durch
invasive Eingriffe (ZVK)
55 Spontanpneumothorax: v. a. bei jungen Erwachsenen und
Jugendlichen, meist rechts, hohe Rezidivrate, oft durch
Emphysemblase
55 Spannungspneumothorax: durch Ventilmechanismus dringt
Luft in den Pleuraspalt und kann nicht mehr entweichen,
Verdrängung des Mediastinums auf kontralaterale Seite,
Dyspnoe, Tachykardie, Schocksymptomatik

z Klinik
55 plötzlich auftretende Luftnot
55 plötzlich auftretender Thoraxschmerz auf der betroffenen Seite
55 abgeschwächtes Atemgeräusch auf der betroffenen Seite, aufgeho-
bener Stimmfremitus, hypersonorer Klopfschall
55 bei Spannungspneumothorax: zunehmende Luftnot,
Blutdruckabfall
55 bei Beatmung: plötzlicher O2-Sättigungsabfall, Anstieg des
Inspirationsdrucks
174 Kapitel 5 · Tag 2: Erkrankungen des Respirationstraktes

z Diagnostik
55 Röntgen-Thorax
44Darstellung einer konkaven Pleuralinie
44fehlende Lungenstruktur distal dieser Linie
44ggf. Mediastinalverschiebung
55 Blutgasanalyse
44Hypoxämie bei Normo- oder Hypokapnie
44bei Hyperkapnie Verdacht auf Spannungspneumothorax

z Therapie
5 55 Notfalltherapie: Sofortentlastung durch Pleurapunktion
(3. ICR Medioklavikularlinie der betroffenen Seite mit
Kunststoffverweilkanüle)
55 konservative Therapie bei idiopathischem oder iatrogenem
Pneumothorax mit Pleuraabhebung <3 cm, abwartend mit
Röntgen-Thorax-Kontrollen, O2-Gabe beschleunigt Resorption
55 Pleuradrainage bei symptomatischem, rezidivierendem oder
großem Pneumothorax
55 Pleurodese bei rezidivierendem Pneumothorax
175 6

Tag 3: Kardiologie
H. Hövels-Gürich, E. Mühler

6.1 Angeborene Herzfehler – 176


6.1.1 Herzfehler mit primärem Links-rechts-Shunt – 176
6.1.2 Ausflusstraktobstruktionen – 180
6.1.3 Zyanotische Vitien – 183
6.1.4 Herzfehler mit Ductus-abhängiger Lungenperfusion – 185
6.1.5 Herzfehler mit Ductus-abhängiger Systemperfusion – 186

6.2 Entzündliche Herzerkrankungen – 187


6.2.1 Endokarditis – 187
6.2.2 Myokarditis – 188
6.2.3 Perikarditis – 189

6.3 Kardiomyopathien (KMP) – 190


6.3.1 Hypertrophe Kardiomyopathie (HCM) – 190
6.3.2 Dilatative Kardiomyopathie (DCM) – 191

6.4 Elektrokardiogramm und Herzrhythmusstörungen – 191


6.4.1 Besonderheiten des EKG im Kindesalter – 191
6.4.2 Herzrhythmusstörungen im Kindesalter – 191
6.4.3 Tachykarde Herzrhythmusstörungen – 193
6.4.4 Bradykarde Herzrhythmusstörungen – 194

6.5 Herzinsuffizienz im Kindesalter – 195

6.6 Akzidentelles Herzgeräusch – 197

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2017


B. Karges, N. Wagner (Hrsg.), Pädiatrie in 5 Tagen, Springer-Lehrbuch,
DOI 10.1007/978-3-662-52813-6_6
176 Kapitel 6 · Tag 3: Kardiologie

6.1 Angeborene Herzfehler

55 kardiovaskuläre Fehlbildung bei ca. 1 % aller Neugeborenen


55 in ca. 75 % isolierte kardiovaskuläre Fehlbildung
55 in 25 % Kombination mit extrakardialen Fehlbildungen, zum Teil
in Verbindung mit genetisch definierten Anomalien oder mit
genetisch nicht definierten Syndromen
55 Wiederholungsrisiko
44global intrafamiliär 2–5 %
44bei Linksherzobstruktion bis 10 %
44bei monogenen (syndromalen) Erkrankungen bis 50 %
55 genetisch definierte Erkrankungen mit angeborenen Herzfehlern
44numerische Aberration (z. B. Trisomie 21)
6 44Mikrodeletionssyndrome (z. B. Monosomie 22 q11,
DiGeorge-Syndrom)
44singulärer Gen-Defekt (z. B. JAG-1-Gen, Alagille-Syndrom)
55 Häufigkeitsverteilung
44Ventrikelseptumdefekt (30 %)
44Aorten-, Pulmonalklappenstenose, Vorhofseptumdefekt,
offener Ductus arteriosus, Aortenisthmusstenose (jeweils
5–8 %)
44häufigste zyanotische Herzfehler: komplette Transposition der
großen Arterien, Fallot-Tetralogie (jeweils 4–5 %)

6.1.1 Herzfehler mit primärem Links-rechts-Shunt

Vorhofseptumdefekt (ASD)
55 häufiger, in der Kindheit meist asymptomatischer Herzfehler mit
> Memo Der ASD gehört zu den Links-rechts-Shunt
am häufigsten übersehenen 55 Klassifikation: Defekt im Bereich der Fossa ovalis (Secun-
Herzfehlern mit Erstdiagnose dum-Typ) am häufigsten, seltener AV-Klappen-nah (atrioven-
erst im Erwachsenenalter. trikulärer Septumdefekt) oder unterhalb der Vena cava superior
(oberer Sinus-venosus-Defekt) mit partieller Fehlmündung
rechtsseitiger Lungenvenen
55 Normvariante: offenes Foramen ovale (im Säuglingsalter
fließender Übergang zu kleinem ASD)
55 Links-rechts-Shunt auf Vorhofebene abhängig von der Größe des
ASD und von der Compliance des rechten Ventrikels (bessere
Compliance, größerer Shunt), nicht vom Druckunterschied
zwischen beiden Vorhöfen
55 volumenbelastet: rechter Vorhof, rechter Ventrikel,
Lungenstrombahn
55 im Kindesalter sehr selten pulmonale Hypertonie (hohe Kapazität
des Lungengefäßsystems verhindert Druckanstieg auch bei
erhöhtem Fluss)
55 Anstieg des Pulmonalarteriendruckes im Erwachsenenalter
häufig
6.1 · Angeborene Herzfehler
177 6
z Klinik
55 im Kindesalter in der Regel keine Symptome
55 sehr selten Herzinsuffizienz bei großem Defekt und Shunt
55 typische Befunde
44spindelförmiges 2–3/6 Systolikum 2. ICR links (relative
Pulmonalstenose)
44fixiert gespaltener zweiter Herzton ohne Betonung
44evtl. leises Diastolikum 5. ICR links (relative
Trikuspidalstenose)
44hebende Pulsationen des rechten Ventrikels links parasternal

z Diagnostik
55 Echokardiographie: Defektnachweis, Lagebeziehung zu den
angrenzenden Strukturen bei geplantem interventionellem
Verschluss (nur Sekundumdefekt) Ausschluss begleitender
Fehlbildungen (Lungenvenenfehlmündung, Pulmonalstenose),
hämodynamische Relevanz
55 ergänzende Bildgebung: transösophageale Echokardiographie,
Kernspintomographie
55 EKG: Rechtsherzhypertrophie (rsR‘-Konfiguration in V1), P-dex-
trocardiale, beim atrioventrikulären Septumdefekt superiore
Herzachse
55 Röntgen-Thorax: Dilatation des rechten Ventrikels, prominentes
Pulmonalissegment, Lungenhyperämie
55 Herzkatheter: nur bei Verdacht auf pulmonale Hypertonie oder
grenzwertiger Shuntgröße

z Differenzialdiagnose
55 akzidentelles Herzgeräusch, leichte Pulmonalstenose, partielle
Lungenvenenfehleinmündung

z Therapie
55 partieller atrioventrikulärer Septumdefekt, Sinus venosus-Defekt:
Operation im Kleinkindesalter
55 Sekundum-Defekt: bei kleinem Defekt Spontanverschluss
möglich, bei relevantem Links-Rechts-Shunt interventioneller
oder operativer Verschluss im Kleinkindesalter
55 bei rechtzeitiger komplikationsloser Therapie normale Lebens-
erwartung und -qualität

Ventrikelseptumdefekt (VSD)
55 häufigster angeborener Herzfehler, der auf Grund seines
typischen Herzgeräusches (Ausnahme: sehr große Defekte)
frühzeitig diagnostiziert wird
55 Lokalisation: meist perimembranös oder muskulär, seltener im
Einlassseptum (atrioventrikulärer Septumdefekt) bzw. suprakristal
(benachbart sowohl der Aorten- als auch der Pulmonalklappe)
178 Kapitel 6 · Tag 3: Kardiologie

55 Spontanverschluss nur bei muskulärer oder perimembranöser


Lage möglich
55 bei suprakristaler Lage Verziehung der Aortenklappe mit Aorten-
klappeninsuffizienz möglich
55 kleiner VSD: geringer Links-rechts-Shunt ohne Zeichen der
Volumenbelastung (s. unten) bei erhaltenem Druckunterschied
zwischen beiden Ventrikeln
55 großer VSD: druckausgleichender Defekt, somit Systemdruck im
rechten Ventrikel und in der Pulmonalarterie
44Links-rechts-Shunt jetzt abhängig vom
Lungengefäßwiderstand!
44Volumenbelastung linker Vorhof, linker Ventrikel,
Lungenstrombahn
6 44im Spontanverlauf Anstieg des Lungengefäßwiderstandes →
Abfall des Links-rechts-Shunts
44Shuntumkehr (rechts-links) mit Zyanose, wenn Lungengefäß-
widerstand >Systemwiderstand (Eisenmenger-Reaktion)

z Klinik
55 kleiner VSD: normale Herztöne, bandförmiges, gelegentlich
Crescendo-Systolikum, hochfrequent, präkordial oder apikal,
keine Herzinsuffizienz
55 großer VSD: überaktives Herz, Herzinsuffizienz
44nur leises systolisches Geräusch (relative Pulmonalstenose,
laminarer Fluss über dem Defekt macht kein Geräusch!)
44lauter einzelner zweiter Herzton (Pulmonalklappenschluss
zeitgleich)
44apikales Diastolikum (Mitraleinstrom)
44Zunahme des pulmonalen Gefäßwiderstandes → Links-rechts-
Shunt und Herzinsuffizienz nehmen ab; später Rechts-
links-Shunt mit Zyanose, in der Regel gleichbedeutend mit
Inoperabilität

z Diagnostik
55 Echokardiographie: Lage und Größe des Defektes, Ausschluss
von Begleitfehlbildungen, hämodynamische Bedeutung, Gradient
über dem Defekt
55 ergänzende Diagnostik
44EKG: bei kleinem Defekt normal, bei relevantem Defekt
linksatriale und linksventrikuläre Belastung, bei pulmonaler
Hypertonie biventrikuläre Hypertrophie
44Röntgen-Thorax: bei kleinem Defekt normal, mit zuneh-
mender Relevanz Kardiomegalie und Lungenhyperämie
44Herzkatheteruntersuchung: präoperativ indiziert bei grenz-
wertigem Shunt, bei Verdacht auf Widerstandserhöhung im
Lungenkreislauf, ggf. bei multiplen Defekten
6.1 · Angeborene Herzfehler
179 6
z Therapie
55 keine bei hämodynamisch unbedeutendem VSD (Ausnahme:
defektbedingte Aorteninsuffizienz)
55 mittelgroßer VSD ohne pulmonale Hypertension: operativer
Verschluss im Kleinkindesalter, interventioneller Verschluss in
Erprobung
55 großer VSD mit pulmonaler Hypertension: Operation im
Säuglingsalter, bei Herzinsuffizienz mit Gedeihstörung schon in
den ersten Lebensmonaten
55 bei rechtzeitiger komplikationsloser Operation normale Lebens-
erwartung und -qualität

Persistierender Ductus arteriosus (PDA)


55 intrauterin obligate Gefäßverbindung zwischen der Arteria
pulmonalis und der Aorta
55 intrauterin bei hohem Lungengefäßwiderstand obligater
Rechts-Links-Shunt
55 PDA häufig Begleitfehlbildung bei anderen Herzfehlern
55 lebensnotwendig bei Herzfehlern mit PDA-abhängiger Lungen-
oder Systemkreislaufperfusion (7 Abschn. 6.1.4 und 6.1.5)
55 vorzeitiger intrauteriner Ductusverschluss kann durch nicht-
steroidale Antiphlogistika ausgelöst werden
55 PDA führt postpartal zu einem Links-Rechts-Shunt in Systole
und Diastole mit Abfall des diastolischen Aortendruckes und
Volumenbelastung der Pulmonalarterie, des linken Vorhofes und
Ventrikels. Je nach Weite des PDA Druckanstieg in der Pulmonal-
arterie bis zu Systemdruck, dabei Persistieren des Links-rechts-
Shunts, so lange Lungengefäßwiderstand <Systemwiderstand

z Klinik
55 bei kleinem PDA kontinuierliches systolisch-diastolisches
Geräusch im 2. ICR links parasternal bei palpatorisch ruhigem
Herz, normalen Herztönen und Pulsen
55 bei hämodynamisch relevantem drucktrennendem PDA lautes
kontinuierliches Herzgeräusch, überaktives Herz, springende
Pulsen (hohe Blutdruckamplitude), Herzinsuffizienz
55 bei großem nicht drucktrennendem PDA leises Systolikum,
einzelner betonter zweiter Herzton (pulmonale Hypertonie!).
Links-rechts-Shunt mit Herzinsuffizienz, so lange der Lungen-
gefäßwiderstand niedrig ist
> Memo Ein kombiniertes Aorten-
z Differenzialdiagnose bzw. Pulmonalklappenvitium
55 bei systolisch-diastolischem Geräusch: Koronararterienfistel, zeigt ein systolisches und ein
aortopulmonaler Shunt bei zyanotischem Vitium (thorakale diastolisches, jedoch kein
Narbe!) kontinuierliches Geräusch!
180 Kapitel 6 · Tag 3: Kardiologie

z Diagnostik
55 Echokardiographie
55 ergänzend EKG
55 bei Therapiebedürftigkeit Röntgen-Thorax

z Therapie
55 Spontanverschluss im ersten Lebensjahr möglich, danach
elektiver Verschluss (katheterinterventionell durch
Einbringen von Spiralen oder Implantaten; Risiken: Restshunt,
Embolisierung)
55 bei großem PDA mit pulmonaler Hypertension frühzeitiger
Verschluss (<6 Monate); operativ, falls interventionell nicht
möglich
6 55 bei rechtzeitiger komplikationsloser Therapie normale Lebens-
erwartung und -qualität

6.1.2 Ausflusstraktobstruktionen

Aortenisthmusstenose (CoA)
55 häufigste Auswurfbehinderung des linken Ventrikels; oft
kombiniert mit Fehlbildungssyndromen (Turner-Syndrom)
> Memo „Kritische“ und anderen kardialen Fehlbildungen (VSD;
Aortenisthmusstenose Aortenstenose)
des Neugeborenen: (Teil-) 55 Einengung (Aortenisthmus = physiologische Enge zwischen
Abhängigkeit der Perfusion Abgang der linken A. subclavia und Übergang des transversen
der unteren Körperhälfte Aortenbogens in die Aorta descendens) meist durch disloziertes
via Ductus; unterbrochener Ductusgewebe an dessen Einmündung in die Aorta
Aortenbogen als Extremform; 55 hämodynamische Bedeutung ab ca. 50 % Einengung gegenüber
führt bei Ductusverschluss Aorta in Zwerchfellhöhe → führt zu arterieller Hypertonie der
zu akuter Linksherz- und oberen Körperhälfte
Niereninsuffizienz.
z Klinik
55 infantile/neonatale Form: meist präduktale CoA mit Ductus-
Persistenz; oft auch Bogenhypoplasie
44Herzinsuffizienz (→ Schock)
! Cave bei noch offenem PDA. 44fehlende oder abgeschwächte Leisten-/Fußpulse
44apikales systolisches Geräusch (Mitralinsuffizienz)
> Memo oft jahrelang 55 kindliche/adulte Form: juxtaduktale, isolierte CoA; oft Kollateral-
asymptomatisch! kreislauf zur unteren Körperhälfte über Arterien proximal der
Stenose (Mammaria int., interkostal)
44Pulsdifferenz obere/untere Extremitäten
44spätsystolisches Geräusch über Isthmus (Rücken
paravertebral)
44arterielle Hypertonie

z Diagnostik
55 infantile/neonatale Form
6.1 · Angeborene Herzfehler
181 6
44Blutdruck und O2-Sättigung (Pulsoxymetrie) aller vier
Extremitäten: Differenz oben/unten (prä-/poststenotisch)
44EKG: rechts-/biventrikuläre Hypertrophie
44Echokardiographie = Goldstandard: direkte Darstellung,
typisches Flussprofil (nicht bei PDA)
44Röntgen-Thorax: Kardiomegalie, Pulmonalarterienpro-
minenz, Lungenvenenstau
55 kindliche/adulte Form
44Blutdruckmessung aller vier Extremitäten: Differenz oben/
unten (prä-/ poststenotisch)
44EKG: linksventrikuläre Hypertrophie
44Echokardiographie: Anatomie nur bedingt darstellbar;
typisches Flussprofil
44MRT = Goldstandard: direkte Darstellung, Kollateralen
44Röntgen-Thorax: Rippenusuren (ab Schulalter)
44Herzkatheter/Angiographie: komplexe CoA/Begleitanomalien

z Therapie
55 infantile/neonatale Form: Notfallsituation!
44Prostaglandin E bei Ductus-abhängiger Perfusion der unteren
Körperhälfte
44kurzfristige operative Resektion und End-zu-End-Anas-
tomose der CoA; evt. Isthmus-/Bogenplastik; alternativ
Subclavian-Flap-Operation (Überbrückung der CoA durch
linke A. subclavia)
44Ballondilatation bei Restenose (nicht selten!)
55 kindliche/adulte Form ! Cave chronische Persistenz
44Ballonangioplastie mit/ohne Stentimplantation oder operative des arteriellen Hypertonus trotz
Resektion erfolgreicher Stenosebeseitigung
44Ballondilatation/Stentimplantation bei Restenose häufig!

Valvuläre Aortenstenose (AS)


55 Auswurfbehinderung des linken Ventrikels; teilweise
­vergesellschaftet mit anderen Fehlbildungen des linken
Herzens (CoA, Mitralstenose); oft bikuspide Klappe, verdickte
Kommissuren
55 abhängig vom Schweregrad Druckerhöhung im linken Ventrikel
und evt. erniedrigter arterieller Blutdruck

z Klinik
55 weicher Puls > Memo „Kritische“ AS im
55 systolisches Schwirren über Jugulum und Karotiden Neugeborenenalter: hochgradig
55 hebender Herzspitzenstoß mit engem Klappenring; evt.
55 systolischer Ejektionsklick mit Hypo-/Dysplasie des
55 systolisches spindelförmiges Austreibungsgeräusch über dem 2. linken Ventrikels → akute
ICR rechts dekompensierte Herzinsuffizienz.
55 Diastolikum bei begleitender Aorteninsuffizienz (nicht selten)
182 Kapitel 6 · Tag 3: Kardiologie

55 bei hochgradiger AS Herzinsuffizienz bei Belastung, Angina


pectoris, Herzrhythmusstörungen

z Diagnostik
55 niedriger Blutdruck mit kleiner Amplitude
55 EKG: linksventrikuläre Hypertrophie; evt. mit
Repolarisationsstörungen
55 Röntgen-Thorax: evt. Kardiomegalie; poststenotisch erweiterte
Aorta ascendens
55 Echokardiographie: Sicherung der Diagnose; dopplersono-
graphische Quantifizierung; ggfs. transösophageale Echokardio-
graphie (bei Jugendlichen)
55 Herzkatheter/Angiographie: evt. im Rahmen der
6 Katheterintervention

z Therapie
55 kritische neonatale AS: Notfallsituation!
44Prostaglandin E zur Perfusion des Systemkreislaufs via Ductus
arteriosus
44interventionelle Ballonvalvuloplastie oder operative
Klappenkommissurotomie
! Cave iatrogene 55 Kindes-/Jugendalter: Therapieindikation bei Symptomen bzw.
Aorteninsuffizienz! hochgradiger AS (Druckgradient im Echo >70 mmHg
44interventionell: Ballondilatation
44chirurgisch: Kommissurotomie; Klappenrekonstruktion; evt.
Ross-Operation (native Pulmonalklappe in Aortenposition,
Klappenersatz in Pulmonalisposition); später evt. künstlicher
Aortenklappenersatz

Valvuläre Pulmonalstenose (PS)


55 Auswurfbehinderung des rechten Ventrikels; meist isoliert; auch
bei syndromalen Erkrankungen (z. B. Noonan-Syndrom); bi-
oder trikuspide dysplastische Klappe
55 abhängig vom Schweregrad Druckerhöhung im rechten
Ventrikel; Minderperfusion der Lunge

z Klinik
55 überaktiver rechter Ventrikel, evt. systolisches präkordiales
Schwirren
55 Protosystolischer Ejektionsklick
55 2/6–4/6 mittelfrequentes systolisches Geräusch über 2.–3. ICR
links mit Fortleitung zum Rücken
55 Diastolikum bei begleitender Pulmonalinsuffizienz
55 bei hochgradiger PS Dyspnoe bei Belastung; evt. hypoxämische
Anfälle bei assoziierter Infundibulumstenose
55 „kritische“ PS im Neugeborenenalter: hochgradig mit engem
Klappenring; hämodynamisch wie Pulmonalatresie (siehe dort)
6.1 · Angeborene Herzfehler
183 6
z Diagnostik
55 EKG: rechtsventrikuläre Hypertrophie (Druckbelastung)
55 Echokardiographie: Sicherung der Diagnose; dopplersonogra-
phische Quantifizierung
55 Herzkatheter/Angiographie: evt. im Rahmen einer
Katheterintervention

z Therapie
55 Kindes-/Jugendalter: Therapieindikation bei Symptomen bzw. ! Cave Re-Stenose;
hochgradiger PS (Druckgradient im Echo >50 mmHg) Pulmonalinsuffizienz.
44Interventionell: Ballondilatation = meist Methode der Wahl
44Chirurgisch: Kommissurotomie bei starker Klappendysplasie,
Versagen der Intervention, zusätzlicher sub-/supravalvulärer
Stenose

6.1.3 Zyanotische Vitien

Fallot-Tetralogie (ToF)
55 häufigster zyanotischer Herzfehler; isoliert oder bei syndro-
malen Erkrankungen (z. B. Mikrodeletion 22q11, Trisomie 21);
Deviation des infundibulären Septums mit Obstruktion des
rechtsventrikulären Ausflusstraktes und Defekt des ventrikulären
Septums → führt zur Tetralogie
44infundibuläre und valvuläre Pulmonalstenose
44rechtsventrikuläre Hypertrophie
44VSD
44über dem VSD „reitende“ Aorta
55 Begleitfehlbildungen: rechter Aortenbogen, Koronar-
anomalien, Vorhofseptumdefekt, offener Ductus arteriosus,
Pulmonalarterienhypoplasie
55 Extremvariante: Pulmonalatresie mit VSD
55 durch Rechtsherzobstruktion und VSD Druckgleichheit in
beiden Ventrikeln → Blutfluss aus rechtem und linkem
Ventrikel in die Aorta → Mischungszyanose durch
Rechts-Links-Shunt
55 abhängig vom Schweregrad der Pulmonalstenose → Minder-
durchblutung der Lunge → Hypoxämie

z Klinik ! Cave hypoxämische Anfälle:


55 zentrale Zyanose; Uhrglasnägel und Trommelschlegelfinger bei akute dynamische Obstruktion
chronischer Zyanose des Infundibulums mit
55 systolisches Austreibungsgeräusch über 3. ICR links Tachypnoe, Unruhe, Zyanose,
(Pulmonalstenose) Bewusstseinsstörung → typische
Hockstellung des Kleinkindes →
z Diagnostik verbesserte Lungenperfusion
55 Pulsoxymetrie: Grad der Hypoxämie durch erhöhten systemarteriellen
55 Blutbild: Grad der Polyglobulie Widerstand.
184 Kapitel 6 · Tag 3: Kardiologie

55 EKG: Rechtslagetyp, rechtsventrikuläre Hypertrophie


(Druckbelastung)
55 Langzeit-EKG: (spät-)postoperative Rhythmuskontrolle
55 Echokardiographie: Sicherung der Diagnose
55 Röntgen-Thorax: „Holzschuhherz“ mit angehobener Spitze und
starker Taille
55 Herzkatheter: präoperative Darstellung der Koronararterien und
Pulmonalarterien
55 MRT: spätpostoperative Verlaufskontrolle

z Therapie
55 chirurgisch
44geplante Korrekturoperation im ersten Lebensjahr mit
6 Patcherweiterung des rechtsventrikulären Ausflusstraktes,
evt. transanulär; Kommissurotomie der Pulmonalklappe;
Patchverschluss des VSD
44bei schwerer Hypoxämie palliativ zunächst aortopulmonaler
Shunt (Blalock-Taussig-Anastomose)
55 interventionell
44bei schwerer Hypoxämie evt. palliative Ballondilatation der
Pulmonalklappe
55 symptomatisch bei hypoxämischem Anfall
! Cave Pulmonalinsuffizienz 44Hockstellung, Sauerstoff, Volumensubstitution, Morphin
(fast immer) → evt. sekundärer i.v./s.c., Pufferung, evt. ß-Blocker (Esmolol i.v.)
Pulmonalklappenersatz. 55 Langzeitverlauf
55 kompletter Rechtsschenkelblock nach Kardiotomie (fast immer)
> Memo lebenslange 55 ventrikuläre Rhythmusstörungen (VES) häufig → Mortalitäts-
kardiologische Kontrollen gipfel in der 2.–3. Lebensdekade (VT)
erforderlich!

Transposition der großen Arterien (TGA)


55 häufigster zyanotischer Herzfehler im Neugeborenenalter; in der
Regel keine extrakardialen Fehlbildungen
55 ventrikulo-arterielle Diskordanz: Fehlabgang der Aorta aus dem
rechten und der Pulmonalarterie aus dem linken Ventrikel
55 Begleitfehlbildungen: VSD; Subpulmonalstenose; Aortenis-
thmusstenose; Koronaranomalien
55 System- und Lungenkreislauf sind parallel, nicht seriell geschaltet
→ Rezirkulation von venösem Blut im Körper
55 Abhängigkeit der Oxygenierung im Systemkreislauf von den
fetalen Kurzschlussverbindungen Ductus arteriosus und Foramen
ovale/ASD
55 bedrohliche Hypoxämie bei fehlendem atrialem Blutaustausch →
Organschäden, Tod

z Klinik
55 kräftiges vitales Neugeborenes → rasch generalisierte Zyanose
meist nach Stunden
6.1 · Angeborene Herzfehler
185 6
55 betonter singulärer 2. Herzton (Aorta)
55 kein typisches Herzgeräusch, außer bei Begleitfehlbildungen

z Diagnostik
55 Pulsoxymetrie und Blutgasanalyse: Grad der Hypoxämie;
Hyperoxietest
55 Echokardiographie: Goldstandard zur Sicherung der
Diagnose
55 EKG: nicht wegweisend
55 Röntgen-Thorax: „eiförmiges“ Herz mit schmalem Gefäßband
55 Herzkatheteruntersuchung: falls Rashkind-Manöver erforderlich;
Darstellung der Koronararterien
55 MRT: spätpostoperative Verlaufskontrollen

z Therapie
55 präoperativ: Offenhalten/Wiedereröffnung der intrakardialen
Shuntverbindungen
44Prostaglandin-E-Dauerinfusion zwecks Offenhalten/
Eröffnung des Ductus arteriosus → obligat!
44Ballon-Atrioseptostomie nach Rashkind zur Erweiterung des
Foramen ovale unter Durchleuchtung oder echokardiogra-
phischer Kontrolle bei ausgeprägter Hypoxämie, restriktivem
Foramen ovale
55 arterielle Switch-Operation (ASO) mit Durchtrennung und
Umsetzen der großen Gefäße oberhalb der Klappenebene und
Koronararterientransfer in den ersten zwei Lebenswochen
44Mortalität <5 %
55 früher (bis ca. 1990): funktionelle Korrekturoperation nach
Mustard oder Senning
44Umtausch der Blutströme auf Vorhofebene (Vorhof-
umkehr = atriale Switch-Operation), Belassen der großen
Gefäße, rechter Ventrikel ist Systemventrikel
55 Langzeitverlauf (bis 25 Jahre) nach anatomischer Korrektur
44ca. 85 % Überleben ohne Reintervention ! Cave belastungsinduzierte
44meist normale kardiopulmonale Belastungsfähigkeit Koronarischämie.
44supravalvuläre Pulmonalstenose (ca. 50 %) → evt.
Re-Operation/Intervention
44Insuffizienz der Neo-Aortenklappe (ca. 35 %) ! Cave psychomotorische
44Koronarstenosen möglich Entwicklung nach neonataler
44Lebenslange kardiologische Kontrollen erforderlich! Herzlungenmaschinen-Operation.

6.1.4 Herzfehler mit Ductus-abhängiger


Lungenperfusion

55 klassisches Beispiel: hypoplastisches Rechtsherzsyndrom (Pulmo-


nalklappenatresie mit intaktem Ventrikelseptum, Hypoplasie des
rechten Ventrikels und der Trikuspidalklappe)
186 Kapitel 6 · Tag 3: Kardiologie

55 pränatal gut diagnostizierbarer Herzfehler mit postpartal lebens-


notwendigem PDA zur Sicherung der Lungenperfusion
55 postpartal obligater Links-rechts-Shunt via PDA sowie obligater
Rechts-links-Shunt über das Foramen ovale

z Klinik
55 Herzgeräusch kann fehlen!
55 zunehmende Zyanose bei drohendem Ductusverschluss lässt
rasch an kardiale Fehlbildung denken
55 kein Anstieg der Sauerstoffsättigung nach O2-Gabe
55 bei zunehmender Zyanose zusätzlich Tachypnoe, Tachykardie,
metabole Azidose

6 z Diagnostik
55 Hyperoxietest
55 bei fehlendem Sättigungsanstieg sofortige Echokardiographie
zum Ausschluss bzw. Nachweis eines Vitiums mit PDA-abhän-
giger Lungenperfusion

z Therapie
55 Offenhalten bzw. Wiedereröffnen des Ductus mit
Prostaglandin E i.v.
55 Therapieprinzip totale kavopulmonale Anastomose (TCPA)
441. Schritt (Neugeborenenperiode): Ersatz des PDA durch einen
aortopulmonalen Shunt
442. Schritt (3.–6. Monat): Ersatz des aortopulmonalen Shuntes
durch eine End-zu-Seit-Anastomose der Vena cava superior
> Memo Die TCPA steht mit der Pulmonalarterie (bidirektionale Glenn-Anastomose)
prinzipiell für alle Situationen → vollständige Oxygenierung des venösen Blutes der oberen
zur Verfügung, bei denen Körperhälfte
ein biventrikulärer Kreislauf 443. Schritt (2.–4. Lebensjahr): Anastomose der V. cava inferior
nicht hergestellt werden mittels extrakardialer Gefäßprothese oder als Tunnel
kann (univentrikuläres Herz, innerhalb des rechten Vorhofes mit der Pulmonalarterie
hypoplastisches Rechts- (Resultat: TCPA)
bzw. hypoplastisches 44bei erfolgreicher Stufenoperation wird in vielen Fällen eine
Linksherz, andere gute Alltagsbelastbarkeit bei normaler Oxygenierung erreicht,
komplexe Fehlbildungen) im Langzeitverlauf sind jedoch vielfältige Probleme möglich
Voraussetzung: gut entwickelte (Komplikationen der venösen Druckerhöhung, Rhyth-
Lungengefäße und niedriger musstörungen, Insuffizienz des Systemventrikels bzw. der
Lungengefäßwiderstand. AV-Klappe(n), thrombembolische Komplikationen)

6.1.5 Herzfehler mit Ductus-abhängiger


Systemperfusion

55 klassisches Beispiel: hypoplastisches Linksherzsyndrom (Aorten-


und Mitralklappenatresie, hypoplastischer linker Ventrikel,
hochgradige Hypoplasie der Aorta ascendens)
6.2 · Entzündliche Herzerkrankungen
187 6
55 pränatal gut diagnostizierbarer Herzfehler mit postpartal Memo seltener Herzfehler (1 %),
lebensnotwendigem PDA zur Sicherung der Perfusion des aber häufigste Todesursache
Systemkreislaufes bei Neugeborenen mit
55 postpartal obligater Rechts-links-Shunt via PDA, retro- angeborenem Herzfehler.
grade Perfusion des Aortenbogens und der Aorta ascendens
(funktionelle Koronararterie), obligater Links-rechts-Shunt auf
Vorhofebene

z Klinik
55 postpartal initial unauffällig
55 bedingt durch den spontanen PDA-Verschluss akute dramatische
Verschlechterung mit:
44grau-blassem (septischem) Hautkolorit
44Tachypnoe, Tachykardie
44metaboler Azidose
44allseits abgeschwächten oder fehlenden Pulse, arterieller
Hypotonie
44Herzgeräusch fehlt oft!

z Diagnostik
55 Echokardiographie ist diagnostisch ! Cave aktive und passive
Lungenhyperämie im
z Differenzialdiagnose Röntgenthorax kann als
55 Sepsis Pneumonie fehlgedeutet werden!
55 Myokarditis
55 unterbrochener Aortenbogen ! Cave die Symptomatik des
hypoplastischen Linksherzens
z Therapie kann als Sepsis-bedingter Schock
55 Offenhalten bzw. Wiedereröffnen des Ductus mit Prostaglandin verkannt werden!
E i.v.
55 chirurgische Optionen
44Drei-Schritt-Operationsverfahren bis zur TCPA
(7 Abschn. 6.1.4 hypoplastisches Rechtsherzsyndrom,
zusätzlich Aortenbogenrekonstruktion im ersten
Schritt)
44Herztransplantation (insbesondere wenn TCPA nicht
möglich ist)

6.2 Entzündliche Herzerkrankungen

6.2.1 Endokarditis

55 akute oder subakute meist bakterielle Infektion endokar- > Memo bei Endokarditis
dialer Strukturen (Herzklappen, murales Endokard, herzgesunder Jugendlicher an
Endothel der benachbarten großen Gefäße) einschließlich Drogenmissbrauch (i.v.) denken!
Klappen- und Gefäßprothesen, intrakardialer Fremdkörper
(Schrittmacherkabel)
188 Kapitel 6 · Tag 3: Kardiologie

55 in 90 % besteht ein angeborener Herzfehler, häufig nach


Herzoperation Herzfehler-assoziierte intrakardiale
Turbulenzen → Endokardläsionen mit Ausbildung von
Mikrothromben mit sekundärer bakterieller
Besiedlung
55 typische Erreger: Streptokokkus viridans, Staphylococcus
aureus bzw. epidermidis (postoperativ!), in 10–20 % kein
Keimnachweis
55 schleichender Verlauf führt oft zu verspäteter Diagnose
55 Erkrankung mit hoher Morbidität und auch Letalität

z Klinik
55 rezidivierende Fieberschübe (evtl. mit Schüttelfrost) ohne
6 erkennbaren Fokus
55 neues oder verändertes Herzgeräusch
55 Splenomegalie
55 Embolien: Haut (Osler-Knötchen), Niere (Hämaturie), zerebral,
pulmonal

z Diagnostik
> Memo bei Herzpatienten mit 55 Labor: Entzündungszeichen, Anämie, Thrombozytopenie
anhaltendem Fieber unklarer 55 positive Blutkulturen
Ursache immer mehrere 55 Echokardiographie (gegebenenfalls transösophageal) zum
Blutkulturen vor antibiotischer Nachweis von Vegetationen
Therapie abnehmen.
z Therapie
55 erregerspezifische und resistenzgerechte intravenöse Antibiose
über 4–6 Wochen (Initialtherapie bei unbekanntem Erreger:
Vancomycin + Gentamycin)
55 chirurgische Therapie bei schwerer Klappendestruktion mit
Herzinsuffizienz, mobilen Vegetationen (besonders linksseitig),
infizierten (Klappen-)Prothesen
55 bei ausgeheilter Endokarditis besonders hohes
Wiederholungsrisiko
55 Endokarditisprophylaxe beschränkt auf Zustand nach
Endokarditis, Herzfehler mit Zyanose, Klappenprothese oder bei
Restdefekt mit benachbartem Patchmaterial sowie 6 Monate nach
Herzoperation

6.2.2 Myokarditis

55 entzündliche Erkrankung des Myokards mit generalisierter oder


fokaler Zellschädigung und interstitiellem Ödem
55 überwiegend virale Genese (Parvovirus B19, Enteroviren)
55 akute und chronische Verläufe (mit Viruspersistenz) mit stark
variabler Expression
55 häufige Ursache des plötzlichen Herztodes
6.2 · Entzündliche Herzerkrankungen
189 6
55 Verlaufsspektrum: Ausheilung (auch bei primärem Herzversagen) –
dilatative Kardiomyopathie mit chronischer Herzinsuffizienz – letal

z Klinik
55 Infektionszeichen (respiratorisch, gastrointestinal; akut oder
rezent)
55 Herzinsuffizienz (Tachykardie, leise Herztöne, weicher Puls) bis
zum kardiogenen Schock
55 präkordiale Schmerzen
55 Herzrhythmusstörungen

z Diagnostik
55 Echokardiographie: eingeschränkte linksventrikuläre Funktion > Memo Bei akuter
mit Dilatation, Mitralinsuffizienz, Perikarderguss linksventrikulärer
55 EKG:Niedervoltage, Repolarisations- und Überleitungsstö- Funktionsstörung im Kindesalter
rungen, Extrasystolen immer Koronaranomalie
55 Labor:Entzündungszeichen, Erhöhung der Herzenzyme ausschließen!
55 Röntgenthorax: Kardiomegalie, Lungenstauung
55 weiterführende Diagnostik im Einzelfall: MRT,
Endomyokardbiopsie

z Therapie
55 Bettruhe, medikamentöse Behandlung der Herzinsuffizienz
55 bei schwerem Verlauf hochdosierte Immunglobulingabe, keine
Kortikosteroide
55 bei akutem Herzversagen Assist-Device entweder passager (bei
Erholung) oder als Überbrückung zur Herztransplantation

6.2.3 Perikarditis

55 entzündliche Erkrankung des Perikards meist viraler Genese, oft


mit myokardialer Beteiligung

z Klinik
55 Leistungseinschränkung, Fieber, präkordiale Schmerzen ! Cave Perikardtamponade bei
55 typisches Reibegeräusch präkordial, bei Erguss fehlend Einflussstauung, weichem,
55 leise Herztöne inspiratorisch vermindertem Puls
(Pulsus paradoxus), arterieller
z Diagnostik Hypotonie.
55 Echokardiographie: Ergussnachweis, Funktionsbeeinträchtigung
55 EKG: Niedervoltage, Repolarisationsstörungen
55 Röntgen-Thorax: zeltförmige Kardiomegalie
55 Perikardpunktion (diagnostisch, therapeutisch)

z Therapie
55 bei großem Erguss Entlastung durch Punktion oder Drainage
(speziell eitriger Erguss)
190 Kapitel 6 · Tag 3: Kardiologie

. Tab. 6.1  Einteilung der Kardiomyopathien (KMP)

Kardiomyopathieform Ätiopathogenese

Hypertrophe KMP „Primär“ Gendefekte (>50 %)


Sporadisch
Dilatative KMP „Primär“ Chronisch-entzündlich
(nach Myokarditis)
Autoimmun
Gendefekte (ca. 25 %)
Restriktive KMP Primär u. a. Gendefekte (im Kindesalter
sehr selten)
Arrhythmogene rechtsventrikuläre KMP Primär
6 Noncompaction-Myocardium Primär Nicht klassifizierbar
(linksventrikuläre Hypertrabekulation)
Spezifische KMP Sekundär bei Entzündlich (nach Myokarditis)
herzspezifischen und Ischämisch
systemischen Erkrankungen Toxisch (u. a. Zytostatika, Hämosiderose)
Neuromuskulär
Metabolisch (u. a. Glykogenosen,
Carnitinmangel, Mitochondriopathien)

55 nichtsteroidale Antiphlogistika, Diuretika, Bettruhe


55 bei chronischer Perikarditis Kortikoide, Colchizin

6.3 Kardiomyopathien (KMP)

55 Erkrankungen des Herzmuskels mit kardialer Dysfunktion


55 Einteilung nach WHO aufgrund morphologischer, patho-
physiologischer und funktioneller Kriterien (. Tab. 6.1); neuere
Einteilung nach molekulargenetischen Aspekten einschl. KMP
bei Ionenkanalerkrankungen

6.3.1 Hypertrophe Kardiomyopathie (HCM)

55 häufigste erbliche Herzerkrankung, autosomal dominant; auch


sporadisch; sekundäre Formen (. Tab. 6.1)
44Sonderform bei Neugeborenen mit mütterlichem insulin-
pflichtigem Gestationsdiabetes (spontane Rückbildung)
55 asymmetrische Septumhypertrophie oder konzentrische Hyper-
trophie mit Verkleinerung des linksventrikulären Kavums
55 systolische Obstruktion des linksventrikulären Ausflusstraktes
(LVOT) → hypertrophisch-obstruktive KMP = HOCM (ca. 25 %
der HCM)
55 gestörte diastolische Funktion des linken Ventrikels
6.4 · Elektrokardiogramm und Herzrhythmusstörungen
191 6
55 Manifestation: im Mittel mit 13 Jahren (Säuglinge < Kinder < Er ! Cave Säuglinge →
wachsene) Gedeihstörung; Jugendliche →
55 Befund sehr variabel; asymptomatisch bis schwere plötzlicher Herztod durch VT.
Herzinsuffizienz

6.3.2 Dilatative Kardiomyopathie (DCM)

55 am häufigsten nach Myokarditis; genetisch (familiär); sekundäre


Formen (. Tab. 6.1.)
55 Ventrikeldilatation (meist links)
55 gestörte systolische Funktion, verminderte Auswurffraktion
55 Manifestation: 1. und 2. Lebensjahr (75 %)
55 Herzinsuffizienz verschiedenen Schweregrades (7 Abschn. 6.5
Herzinsuffizienz)
55 Hauptindikation für Herztransplantation bei Kindern

6.4 Elektrokardiogramm und


Herzrhythmusstörungen

6.4.1 Besonderheiten des EKG im Kindesalter

55 altersentsprechende Normalwerte (Perzentilen) der Herzfrequenz


(Neugeborene ca. 100–200/min; Schulkinder ca. 60–120/min)
44Sinustachykardie/-bradykardie: Überschreiten des oberen bzw.
Unterschreiten des unteren Altersnormwertes der Herzfre-
quenz längerfristig um >20 %
55 altersabhängige Norm-Zeitintervalle für P, PQ, QRS (werden mit ! Cave QT-Intervall ist
zunehmendem Alter länger) frequenzabhängig; Berechnung
55 Änderung des elektrischen Herzlagetyps (Drehung der frontalen der Frequenz-korrigierten QT-Zeit
QRS-Achse) von rechts (+150°/+120°) beim Neugeborenen nach (QTc), bezogen auf Herzfrequenz
links (+30°/0°) beim Erwachsenen von 60/min → Normwert
55 altersabhängige Änderung der Amplituden in den Brustwandab- <16 Jahre: <440 ms (Grenzbereich
leitungen; erhöhte rechtspräkordiale Amplituden beim Neuge- bis 460 ms); ab 16 Jahre: <430 ms
borenen/Säugling (erhöhte Muskelmasse und fetale Dominanz (Grenzbereich bis 450 ms) (♂),
des rechten Ventrikels); erhöhte linkspräkordiale Amplituden des <450 ms (Grenzbereich bis
Jugendlichen/Erwachsenen 470 ms) (♀).
55 altersabhängige T-Wellen-Ausrichtung: T in V1 beim reifen
Neugeborenen positiv, ab 2. Lebenswoche bis Pubertät negativ;
kann im Kindesalter in V1–V4 negativ sein

6.4.2 Herzrhythmusstörungen im Kindesalter

55 bei angeborenem/operiertem Herzfehler, seltener ohne assozi-


ierte Herzfehler (abnorme Leitungsbahn, kongenitaler AV-Block,
Ionenkanalerkrankung)
192 Kapitel 6 · Tag 3: Kardiologie

z Klinik
55 abhängig von Lebensalter und Grunderkrankung
44Fetus: Perikarderguss, Hydrops
44Neugeborene und Säuglinge: Blässe, Unruhe, Tachypnoe,
Trinkschwäche → rasche Herzinsuffizienz bei geringer
inotroper und lusitroper Reserve
44Kinder und Jugendliche: Palpitationen, Übelkeit, Schwindel,
Synkopen, verminderte Belastbarkeit
44Notfall: Synkope, kardiogener Schock → plötzlicher Herztod

z Diagnostik
55 12-Kanal-Standard-EKG mit Rhythmusstreifen, Langzeit-EKG
(24–72 h), Belastungs-EKG, Event-Recorder, Kipptischunter-
6 suchung, elektrophysiologische Untersuchung (EPU) bei Gewicht
>15 kg, Echokardiographie, Bildgebung (Röntgen-Thorax, MRT
etc.), Labor- und molekulargenetische Diagnostik

z Therapie
55 Tachyarrhythmien (symptomatisch bzw. potenziell bedrohlich)
44Terminierung: Vagus-Manöver (Eisbeutel, kalter Sprudel,
Valsalva, Bauchpresse); Antiarrhythmika (Adenosin, Propa-
fenon, Flecainid, Amiodaron etc.); transösophageale atriale
Überstimulation; elektrische Kardioversion
44Prävention: Antiarrhythmika je nach Form (Amiodaron,
ß-Blocker, Propafenon, Flecainid, Sotalol, Mexiletin,
Verapamil, Digoxin), Herzschrittmacher mit internem Kardio-
Defibrillator (ICD), EPU mit Hochfrequenz/-Kryoablation,
rhythmuschirurgischer Eingriff
55 Bradyarrhythmien (symptomatisch bzw. potenziell gefährlich)
44medikamentös: Orciprenalin, Atropin; nur zur Überbrückung
im Notfall
44permanenter Herzschrittmacher: gesicherte Indikationen bei
Kindern (u. a.)
–– angeborener kompletter AV-Block mit symptomatischer
Bradykardie
–– kompletter AV-Block nach herzchirurgischem Eingriff,
Dauer >7 Tage
–– längere Asystolie bei intermittierendem AV-Block II.–III.
Grades
–– Sinusknotendysfunktion mit inadäquater symptomatischer
Bradykardie
44Schrittmachertypen
–– VVI (Demand ventrikulär); AAI (Demand atrial); DDD
(sequenziell bifokal)
–– evt. Frequenzadaptation durch Detektion von
Eigenbewegung
–– Aggregat abdominal (Säuglinge, Kleinkinder) oder subpektoral
–– Elektroden epimyokardial oder transvenös endokardial
6.4 · Elektrokardiogramm und Herzrhythmusstörungen
193 6
6.4.3 Tachykarde Herzrhythmusstörungen

Supraventrikuläre Extrasystolen (SVES) ! Cave Frühzeitig einfallende


55 vorzeitige Erregung mit Ursprung aus Zentren oberhalb des SVES (insbesondere bei Feten/
His-Bündels Neugeborene) in Form eines
55 im Kindesalter häufig, insbesondere bei Früh-/Neugeborenen atrialen Bigeminus (Sinusschläge
und Säuglingen; meist asymptomatisch und nicht behandlungs- und SVES im Wechsel) können bei
bedürftig, „Spontanheilung“ blockierter Kammerüberleitung zu
Halbierung der Kammerfrequenz
mit relevanter Bradykardie und
Supraventrikuläre Tachykardien (SVT) Herzinsuffizienz führen → sog.
55 häufigste symptomatische Tachyarrhythmie im Kindesalter blockierter atrialer Bigeminus:
55 paroxysmale (anfallsartige) oder chronisch-permanente Differenzialdiagnose kongenitaler
Erhöhung der Vorhof- und/oder Kammerfrequenz AV-Block III. Grades!
44anatomische Strukturen oberhalb des His-Bündels beteiligt
44Reentry-Mechanismus (kreisende Erregung) zwischen Vorhof
und Kammer über akzessorische Leitungsbahn oder gestei-
gerte fokale Automatie
44meist schmaler QRS-Komplex
55 atrioventrikuläre Reentry-Tachykardie: SVT mit akzessorischer
Leitungsbahn; häufigste SVT im Säuglings-/Kindesalter;
Herzfrequenzen 200–300/min
44Wolff-Parkinson-White-Syndrom (Präexzitationssyndrom)
–– akzessorische Bahn leitet im Sinusrhythmus (SR) antegrad
vom Vorhof auf die Kammer → breiter QRS-Komplex
mit sog. Deltawelle und kurzer PQ-Zeit („offene“ Bahn:
sichtbar im EKG); in der SVT meist antegrade Leitung über
den AV-Knoten und retrograde Leitung über die akzes-
sorische Bahn → schmaler QRS-Komplex (orthodrome
SVT), seltener antegrade Leitung über die akzessorische
Bahn und retrograde Leitung über den AV-Knoten →
breiter QRS-Komplex (antidrome SVT)SVT häufig durch
Extrasystole ausgelöst ! Cave Herzinsuffizienz bei Feten,
44auch Formen mit „verborgener“, im EKG unsichtbarer Neugeborenen und Säuglingen.
Leitungsbahn
55 Akuttherapie: Vagus-Manöver, Adenosin (auch zur Demas-
kierung einer SVT mit Beteiligung des AV-Knotens)
55 Dauertherapie: Antiarrhythmika, ältere Kinder evt. EPU mit
Ablation
55 Säuglinge: oft spontanes Sistieren bis Ende 1. Lebensjahr
55 AV-Knoten-Reentry-Tachykardie
44zweithäufigste SVT im Kindesalter, meist ältere Kinder
44duale Leitungseigenschaften („slow“ und „fast“) im
AV-Knoten → kreisende Erregung mit paroxysmaler
Tachykardie
55 intraatriale Reentry-Tachykardie ! Cave fetale/neonatale
44kreisende Erregung im rechten Vorhof Tachykardie mit Herzinsuffizienz/
44Vorhofflattern bei herzgesunden Feten/Neugeborenen Hydrops.
194 Kapitel 6 · Tag 3: Kardiologie

! Cave 1:1-Überleitung mit 55 „inzisional“ spät nach Herzoperation (Fontan-Operation) bei


Synkope/Risiko plötzlicher Jugendlichen
Herztod.

Ventrikuläre Extrasystolen (VES)


55 vorzeitige Erregung aus Zentren im His-Bündel, den Tawara-
Schenkeln oder Purkinje-Fasern
44Schenkelblockartig deformierter breiter QRS-Komplex,
sekundäre Erregungsrückbildungsstörungen; postextrasysto-
lische Pause kompensatorisch
55 im Kindesalter häufig ohne Herzerkrankung → meist gutartig
55 Ausschluss Herzfehler, Myokarditis, Kardiomyopathie, insbe-
sondere bei belastungsinduzierten VES
6
Ventrikuläre Tachykardien (VT)
55 im Kindesalter selten; Frequenz > 120 % des vorherigen Grund-
rhythmus → sonst akzelerierter idioventrikulärer Rhythmus
55 atrioventrikuläre Dissoziation; evt. 1:1 ventrikulo-atriale
Rückleitung
55 nicht-anhaltend (Dauer < 30 s); anhaltend (Dauer > 30 s)
> Memo QTc >460 ms 55 QRS-Komplex über Altersnorm verbreitert, deformiert, differente
(<16 Jahre), >450 ms (ab QRS-Achse
16 Jahre ♂), >470 ms (ab 55 Akuttherapie: externe Kardioversion; Amiodaron i.v.
16 Jahre ♀) ist pathologisch. 55 VT bei Ionenkanalerkrankungen: meist genetisch bedingt
44angeborenes Long-QT-Syndrom (LQTS) (K+- und
! Cave multiforme VT = torsades Na+-Kanäle)
de pointes → Kammerflimmern –– EKG: verlängerte Repolarisation (QT-Intervall)
→ Synkope → plötzlicher –– Romano-Ward-Syndrom: autosomal-dominant
Herztod. –– Jervell-Lange-Nielsen-Syndrom: mit Taubheit (Innenohr);
autosomal rezessiv
> Memo Kinder mit unklarer –– Dauertherapie: Antiarrhythmika; evt. Schrittmacher mit ICD
Synkope/Krampfanfall 44erworbenes LQTS; durch Medikamente (z. B. Psycho-
benötigen ein EKG zum pharmaka, Antibiotika, Antiarrhythmika), Elektrolytstö-
Ausschluss eines LQTS! rungen, Hypothyreose etc.
55 idiopathische VT: bei Herzgesunden, meist gutartig
! Cave Myokarditis, 44belastungsinduzierte Synkopen erfordern immer eine ausführ-
Kardiomyopathie ausschließen. liche kardiologische Abklärung

6.4.4 Bradykarde Herzrhythmusstörungen

55 temporär oder permanent abnorm verminderte Herzfrequenz

Bradykarde Ersatzrhythmen
55 Ersatzsystolen: atrialen, junktionalen oder ventrikulären Ursprungs;
fallen im Gegensatz zu Extrasystolen verspätet ein; meist harmlos
55 einfache AV-Dissoziation
6.5 · Herzinsuffizienz im Kindesalter
195 6

. Tab. 6.2  AV-Blockierung

Grad EKG Klinik

I PQ-Verlängerung über Altersnorm Herzgesunde, meist harmlos


Erhöhter Vagotonus, Medikamente (Antiarrhythmika)
II Typ 1 Wenckebach: progressive PQ-Verlängerung Oft Herzgesunde, harmlos, erhöhter Vagotonus,
bis Ausfall Kammererregung nachts
II Typ 2 Mobitz: Ausfall Kammersystolen Herzfehler prä-/postoperativ, erhöhter Vagotonus,
(2:1, 3:1 etc.) Risiko AV-Block Grad III
III Komplett: Dissoziation Vorhof-Kammer mit
ventrikulärem Ersatzrhythmus
Kongenital Meist ohne Herzfehler; meist Schrittmacherindikation
Erworben Nach Herzoperation, Myokarditis, Kardiomyopathie

44vorübergehendes Absinken der Sinusknotenfrequenz


44AV-Knoten übernimmt Stimulation der Ventrikel
44Frequenzanpassung Vorhof/Kammer ca. 1:1
44P-Wellen „pendeln“ um QRS-Komplexe
44meist herzgesunde Kinder/Sportler mit Parasympathikotonie
55 komplette AV-Dissoziaton
44länger andauernde Dissoziation von Vorhof und Kammer
44Vorhoffrequenz deutlich niedriger als Kammerfrequenz
(z. B. VT)
44häufiger früh-postoperativ; evt. vorübergehende
Schrittmachertherapie

AV-Blockierung
55 Verzögerung oder Blockierung einer vom Sinusknoten
ausgehenden Erregung in Vorhof, AV-Knoten, Hisbündel oder
Tawara-Schenkel (. Tab. 6.2)
55 Kongenitaler AV-Block Grad III ! Cave fetale/neonatale
44plazentagängige, das Reizleitungssystem schädigende Autoim- Herzinsuffizienz.
munantikörper bei Kollagenose der Mutter (insbesondere
Lupus erythematodes) → Antikörpertestung
55 Differenzialdiagnose: blockierter atrialer Bigeminus

6.5 Herzinsuffizienz im Kindesalter

55 Ursachen: myokardiale Insuffizienz (systolisch und/oder > Memo Herz des Neugeborenen:
diastolisch), Volumenbelastung, Druckbelastung, Füllungsdefizit, eingeschränkte inotrope/lusitrope
Herzrhythmusstörung Reserve (kontraktile Elemente,
44angeborene Herzfehler mit hämodynamisch bedeutsamem Noradrenalinspeicher und
Links-rechts-Shunt: Ventrikelseptumdefekt, Ductus β-Rezeptoren reduziert).
arteriosus, kompletter atrioventrikulärer Septumdefekt,
Vorhofseptumdefekt (selten)
196 Kapitel 6 · Tag 3: Kardiologie

44Ausflusstraktobstruktionen: Aortenisthmusstenose
(Säugling!), valvuläre Aorten- und Pulmonalstenose
44Myokarderkrankungen: Myokarditis, Kardiomyopathie
44Rhythmusstörung: Supraventrikuläre Tachykardie (Säugling!),
ventrikuläre Tachykardie, Bradykardie bei komplettem
AV-Block/blockiertem atrialem Bigeminus (Fetus/
Neugeborenes)

z Klinik
55 Hauptzeitpunkt der klinischen Manifestation: fetal → Rhythmus-
störungen; neonatal → Druckbelastung, Asphyxie; Säuglingsalter
→ Volumenbelastung
55 typische Anamnese (insbesondere Säugling): schnelles Atmen,
6 Trinkschwäche, Schwitzneigung (beim Trinken/am Hinterkopf),
schlechte Gewichtszunahme
55 klinische Zeichen: Tachykardie, Tachy-Dyspnoe, Hepato-
megalie, kühle Extremitäten, flauer Puls, niedriger Blutdruck,
Blässe, Ödeme, Pleuraergüsse, Aszites, Dystrophie, schlechte
Belastbarkeit
55 Verlauf akut → Risiko kardiogener Schock

z Diagnostik
55 EKG: z. B. Rhythmusstörung
55 Echokardiographie: Vorhof- und Ventrikelgröße, Pumpfunktion,
Perikarderguss, Lebervenenstau, Aszites
55 Röntgen-Thorax: Herzgröße, Lungenstauung
55 Labor: BNP-Erhöhung

z Therapie
55 kausal: wenn möglich Beseitigung der Ursache (z. B. Operation,
Intervention)
55 akute Herzinsuffizienz: Wiederherstellung von adäquaten Organ-
perfusionsdrucken, insbesondere des Myokards; Optimierung
des Herzzeitvolumens und O2-Angebotes
44O2-Vorlage, Beatmung, Analogosedierung, Azidoseausgleich
44Medikamente: Katecholamine (Dopamin, Dobutamin,
Adrenalin, Noradrenalin), Inodilatoren (Milrinon,
Enoximone, Levosimendan), Vasodilatantien (Natrium-
Nitroprussid, Nitroglycerin, Urapidil, Stickstoffmonoxid,
Prostazyklin), Diuretika (Furosemid, Torasemid, Hydro-
chlorthiazid, Spironolacton)
44evt. mechanische Kreislaufunterstützung (ECMO,
Assist-Device)
55 chronische Herzinsuffizienz: Flüssigkeitsrestriktion, hochkalo-
rische Nahrung
44Medikamente: Stufentherapie nach Schweregrad →
Nachlastsenker (ACE-Hemmer), β-Blocker, Diuretika,
Digitalis (. Tab. 6.3)
6.6 · Akzidentelles Herzgeräusch
197 6

. Tab. 6.3  Orale Medikamentendosierung bei Herzinsuffizienz im Kindesalter

Substanz Startdosierung (mg/kg/d) Zieldosierung (mg/kg/d)

Captopril 3 × 0,1 1–3


Enalapril 2 × 0,03 0,15–0,3
Carvedilol 2 × 0,05–0,1 0,5–0,8
Metoprolol 2 × 0,1–0,2 1–2,5
Furosemid 1–5 (10)
Hydrochlorthiazid 2–4
Spironolacton 2–3
Digoxin Aufsättigung in 24/48 h Erhaltungsdosis nach Plasmaspiegel 0,5–1,0 (–1,2) ng/ml

44evt. biventrikulärer Herzschrittmacher zur


Resynchronisationstherapie
44evt. Herztransplantation
44begleitend: RSV-Prophylaxe (Palivizumab) im Säuglingsalter;
zeitgerechte Regelimpfungen und Influenza-Impfung

6.6 Akzidentelles Herzgeräusch

55 bis zum Vorschulalter häufig und physiologisch ohne Funktions-


störung oder organische Fehlbildung des Herzens
55 typisch: 2/6 systolisches Geräusch mit musikalischem Klang-
charakter über dem 4. ICR links mit lageabhängiger Variabilität
der Lautstärke
55 die Unterscheidung von einem organischen Herzgeräusch ist in
hohem Maße von der Erfahrung des Arztes abhängig

z Diagnostik
55 Auskultation durch erfahrenen Kinderarzt/Kinderkardiologen
55 EKG (Normalbefund)
55 Echokardiographie bei zweifelhaften Befunden

z Differenzialdiagnose
55 funktionelles Herzgeräusch: situatives Geräusch bei strukturell
normalem Herzen, typisch bei Fieber, Anämie, Hyperthyreose
55 organisches Herzgeräusch, hervorgerufen durch turbulenten
Fluss an veränderten Herzklappen, septalen Defekten, Gefäß-
stenosen oder pathologischen Gefäßverbindungen

z Therapie
55 Beruhigung der Eltern, dass es sich um ein physiologisches
Schallphänomen ohne Krankheitswert handelt
199 7

Tag 3: Hämatologie
und Onkologie
U. Kontny, E. Lassay, R. Mertens

7.1 Erkrankungen des Erythrozyten – 201


7.1.1 Eisenmangelanämie – 201
7.1.2 Megaloblastäre Anämie – 202
7.1.3 Hypo- und aplastische Anämie – 203
7.1.4 Hämolytische Anämien – 204
7.1.5 Hämoglobinopathien – 207

7.2 Erkrankungen der Leukozyten – 209


7.2.1 Neutrozytopenien – 209
7.2.2 Granulozytenfunktionsstörung – 211

7.3 Erkrankungen der Milz – 212


7.3.1 Physiologische Bedeutung der Milz – 212
7.3.2 Milzvergrößerung (Splenomegalie) – 212
7.3.3 Fehlen der Milz (Asplenie) – 212

7.4 Erkrankungen der Thrombozyten


und Gerinnungsstörungen – 213
7.4.1 Immunthrombozytopenische Purpura (ITP) – 213
7.4.2 Thrombozytopathien – 214
7.4.3 Hämophilie A/Hämophilie B – 215
7.4.4 Von-Willebrand-Erkrankung (vWS) – 216
7.4.5 Verbrauchskoagulopathie – 216

7.5 Leukämien – 218


7.5.1 Akute lymphatische Leukämie (ALL) – 218
7.5.2 Akute myeloische Leukämie (AML) – 220
7.5.3 Chronisch myeloische Leukämie (CML) – 222
7.5.4 Myelodysplastische Syndrome (MDS) – 223

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2017


B. Karges, N. Wagner (Hrsg.), Pädiatrie in 5 Tagen, Springer-Lehrbuch,
DOI 10.1007/978-3-662-52813-6_7
7.6 Histiozytosen – 224
7.6.1 Langerhans-Zell-Histiozytose – 224
7.6.2 Hämophagozytierende Lymphohistiozytose (HLH) – 225

7.7 Maligne Lymphome – 226


7.7.1 Hodgkin Lymphom – 226
7.7.2 Non-Hodgkin-Lymphome (NHL) – 228

7.8 Maligne solide Tumoren – 229


7.8.1 Neuroblastom – 229
7.8.2 Nephroblastom (Wilms-Tumor) – 231
7.8.3 Rhabdomyosarkom – 233
7.8.4 Osteosarkom – 234
7.8.5 Ewing-Sarkom – 235
7.8.6 Maligne Lebertumoren – 236
7.8.7 Retinoblastom – 237
7.8.8 Keimzelltumoren – 238

7.9 Tumoren des Gehirns und des Spinalkanals – 240


7.9.1 Astrozytome – 240
7.9.2 Primitive neuroektodermale Tumoren (PNET) – 241
7.9.3 Kraniopharyngeom – 242
7.9.4 Ependymom – 243
7.9.5 Spinale Tumoren – 243
7.1 · Erkrankungen des Erythrozyten
201 7
7.1 Erkrankungen des Erythrozyten

55 Anämie
44erniedrigter Hämoglobingehalt/Erythrozytenwert im
Vergleich zur Altersnorm
44Klassifikation nach mittlerem korpuskulärem Volumen des
Einzelerythrozyten (. Tab. 7.1) oder
44Klassifikation nach Pathogenese

Seltene mikrozytäre Anämien: Kupfermangel, Eisenverwertungsstö-


rung, sideroblastische Anämie

7.1.1 Eisenmangelanämie

55 häufigste Anämieform des Kindesalters


55 Ursachen:
44nutritiv
–– Kleinkindalter
–– Pubertät (besonders Mädchen nach Eintritt der Menarche
betroffen)
–– vegetarische –/vegane Ernährungsform
44Blutverlust
–– Refluxösophagitis
–– rez. Epistaxis
–– Hypermenorrhö
–– chronisch entzündliche Darmerkrankungen, Meckel-Di-
vertikel, Polypen
44Resorptionsstörung (selten)
–– Zöliakie
–– entzündliche Darmerkrankungen
44gestörte Eisenverwertung
–– chronische Entzündung
–– Tumorerkrankung

z Klinik
55 Blässe, Gedeihstörung, Appetitmangel
55 verminderte Belastbarkeit

z Diagnostik
55 Labor:
44Blutbild: Hypochromie, Mikrozytose, Anulozyten,
Retikulozytenzahl ↑
44Serumeisen ↓, Transferrin ↑, Transferrinsättigung ↓, Ferritin ↓,
löslicher Transferrinrezeptor ↑
44Stuhluntersuchung auf okkultes Blut
55 ggf. Endoskopie zur Suche nach einer Blutungsquelle/gynäko-
logische Untersuchung, Abklärung Resorptionsstörung
55 ggf. Eisenresorptionstest
202 Kapitel 7 · Tag 3: Hämatologie und Onkologie

. Tab. 7.1  Klassifikation der Anämien und ihre häufigsten Ursachen

Mikrozytär Normozytär Makrozytär

Eisenmangelanämie Hyporegeneratorische Anämie Vitamin B12-Mangel, Folsäuremangel


Thalassaemie Hämolytische Anämie Diamond-Blackfan-Anämie
Blutungsanämie (akut) Myelodysplastisches Syndrom

z Therapie
! Cave Schwarzfärbung der 55 Behandlung der Grunderkrankung
Zähne durch Eisentropfen, 55 Beseitigung der Blutungsursache
Schwarzfärbung des 55 orale Eisensubstitution mit Eisen (II) 3-6 mg/kg KG/d in 3 Einzel-
Stuhls, gelegentlich dosen für 1–3 Monate
Oberbauchschmerzen, 55 zu erwartender Hämoglobinanstieg 1–2 g/dl/Woche (Kontrolle
7 Obstipation. durch Retikulozytenanstieg nach 1 Woche!)
55 parenterale Eisengabe nur bei Resorptionsstörung, Unverträg-
lichkeit oder mangelnder Compliance

7.1.2 Megaloblastäre Anämie

55 seltene Anämieform im Kindesalter


55 Ursachen:
44Vitamin B12-Mangel
–– Mangel-/Fehlernährung
–– unzureichende Substitution bei vegetarischer-,veganer
Ernährung
–– Malabsorption, exokrine Pankreasinsuffizienz, Ileitis,
Zustand nach Dünndarmresektion
44Folsäuremangel
–– Unterernährung
–– Malabsorption
–– Medikamente (Methotrexat, Cotrimoxazol)
–– erhöhter Folsäurebedarf bei chronischer Hämolyse

z Klinik
55 Anämiesymptome (s. oben)
55 neurologische Symptome (bei Vitamin B12-Mangel)

z Diagnostik
55 Blutbild: Makrozytose, Leukopenie, Thrombopenie, übersegmen-
tierte Granulozyten
55 Eisen, Ferritin (normwertig/↑), Laktatdehydrogenase ↑, Vitamin
B12 ↓, Folsäure ↓
7.1 · Erkrankungen des Erythrozyten
203 7
z Therapie
55 parenterale Substitution von Hydroxycobalamin
55 orale Folsäuresubstitution

7.1.3 Hypo- und aplastische Anämie

Transitorische Erythroblastophthise/
Erythroblastopenie (TEC = transient
erythroblastopenia of childhood)
55 häufigste Form der hypoplastischen Anämie
55 Erkrankungsalter i.R. 6 Monate – 3 Jahre
55 vorübergehendes Sistieren der Erythropoese nach vorausgegan-
gener Virusinfektion

z Klinik
55 gering ausgeprägte und spät auftretende klinische Anämie-
Symptome (Blässe, reduzierte körperliche Belastbarkeit)
aufgrund Adaptation an langsam abfallenden
Hämoglobinwert

z Diagnostik
55 Blutbild: Anämie, Retikulozytopenie
55 Knochenmark: isoliertes Fehlen erythropoetischer
Vorläuferzellen

z Therapie
55 Abwarten → in den meisten Fällen spontaner Wiederanstieg des
Hämoglobinwertes innerhalb von 1–2 Monaten
55 Transfusion bei Hb <60 g/l bzw. in Abhängigkeit von klinischer
Symptomatik

Diamond-Blackfan-Anämie
55 kongenitale hypoplastische Anämie
55 versch. Mutationen in ribosomalen Proteingenen; GATA
1- Mutation
55 Manifestation meist im 1. Lebensjahr
55 erhöhtes Risiko für Entwicklung von Tumorerkrankungen, insb.
eines MDS oder einer AML

z Klinik
55 Blässe, Trinkschwäche, Tachykardie
55 50 % der Patienten zeigen Fehlbildungen (craniofacial, skelettal,
urogenital, cardial) oder Kleinwuchs
204 Kapitel 7 · Tag 3: Hämatologie und Onkologie

z Diagnostik
55 Labor
44Blutbild: Makrozytose, Retikulozytopenie
44Hb-Elektrophorese: HbF ↑, ADA Akt. ↑, i-Antigen ↑
44Serumeisen ↑, Ferritin ↑
55 Knochenmarkzytologie, -histologie
44Verminderung/Fehlen der Erythropoese

z Therapie
55 selten im Verlauf Spontanremission (10 %)
55 Steroidversuch initial 2–5 mg/kgKG/d Prednisolon, dann
Reduktion unter Cushingschwelle anstreben; möglichst alternie-
rende Gabe (<0,5 mg/kg/d oder <1 mg/kg alternierend)
! Cave transfusionsbedingte 55 1× monatliche Transfusion von Erythrozytenkonzentrat; Ziel
Eisenüberladung führt u. a. zu Hb > 90 g/l
7 Kardiomyopathie, Diabetes 44bei Nichtansprechen auf Steroide
mellitus, Infertilität und 44im 1. Lebensjahr und während Pubertät zur Vermeidung von
erfordert Eisen-ausschleusende steroidinduzierten Wachstumsstörungen
Behandlung mit Chelatbildnern. 55 Knochenmarktransplantation bei Vorhandensein eines
HLA-identischen Geschwisterkindes

7.1.4 Hämolytische Anämien

55 Anämie durch Verkürzung der Erythrozytenüberlebensdauer


55 korpuskulär bedingte Hämolyse:
44Membrandefekte
44Enzymdefekte der Erythrozyten
44Hämoglobinopathien
55 extrakorpuskulär bedingte Hämolyse:
44immunhämolytische Anämie
44hämolytisch-urämisches Syndrom

Hereditäre Sphärozytose (Kugelzellanämie)


55 häufigste korpuskuläre hämolytische Anämie in Mitteleuropa
55 Membrandefekt der Erythrozyten (Spektrin; Ankyrin) führt zu
geringerer Verformbarkeit der Erythrozyten
55 meist autosomal dominant, selten autosomal rezessiv vererbt; in
25 % Neumutation

z Klinik
55 postnatal häufig Phototherapie-bedürftige Hyperbilirubinämie
55 wechselnd ausgeprägte Anämiesymptome, Hämoglobinkonzent-
ration meist zwischen 70 und 110 g/l
55 Ikterus
55 Splenomegalie
7.1 · Erkrankungen des Erythrozyten
205 7
55 aplastische Krisen nach Parvovirus B19 Infektion, hämolytische
Krisen im Rahmen von Infekten
55 Cholezystolithiasis (Pigmentsteine) durch erhöhten Anfall von
Bilirubin (kann schon im Kindesalter Cholezystektomie erfor-
derlich machen)

z Diagnostik
55 Labor
44Blutbild: Anämie, Retikulozytose, Kugelzellen im Blutaus-
strich, MCHC ↑
44Bilirubin ↑(indirekte Hyperbilirubinämie), Haptoglobin ↓,
Laktatdehydrogenase ↑
44osmotische Resistenz der Erythrozyten ↓(ab 2. LJ), Eosin-5-
Maleimid (EMA)-Test (altersunabhängig)
55 Abdomensonographie
44Splenomegalie
44Gallenkonkremente

z Therapie
55 bei aplastischer oder hämolytischer Krise ggf. Transfusion
notwendig
55 ggf. Splenektomie ab dem Schulalter/10. Lebensjahr nach
vorheriger Immunisierung gegen Pneumokokken (Gefahr
lebensbedrohlicher Pneumokokkeninfektion), Haemophilus
influenzae Typ b, Meningokokken

Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenasemangel
(Favismus)
55 nicht sphärozytäre hämolytische Anämie
55 X-chromosomal rezessiv vererbt
55 hohe Prävalenz in ehemaligen Malaria-Endemiegebieten (Mittel-
meerraum, afrikanischer Kontinent)
55 Heterozygotie vermindert Anfälligkeit für eine Malariainfektion
55 Hämolyseauslösung durch oxidativen Stress (Favabohnen,
Medikamente, chemische Substanzen, Azidose, Infektionen)
55 selten chronische Hämolyse

z Klinik
55 Anämiesymptome
55 Neugeborenenikterus, Ikterus nach Exposition mit hämolytisch
wirkenden Noxen
55 Splenomegalie nur bei chronischer Hämolyse

z Diagnostik
55 Enzymaktivität der Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase in den
Erythrozyten ↓ (Neugeborenenscreening möglich)
206 Kapitel 7 · Tag 3: Hämatologie und Onkologie

. Tab. 7.2  Übersicht über die immunhämolytischen Anämien

Formen Beispiele

Isoimmunhämolytische Anämie Rh-Blutgruppeninkompatibiltät bei Neugeborenen


Transfusionszwischenfall
Autoimmunhämolytische Anämie Wärmeautoantikörper
Kälteautoantikörper
Donath-Landsteiner-Antikörper
Medikamentös induzierte immunhämolytische Anämie Chinin, Chinidin, Phenacetin, Penicillin, Cephalotin

55 in der Krise: Hb ↓↓, Retikulozyten ↑ Haptoglobin ↓, Bilirubin ↑,


Laktatdehydrogenase ↑
7
> Memo Betroffene Patienten z Therapie
benötigen Notfallausweis mit 55 Vermeidung auslösender Noxen
zu meidenden Substanzen! 55 in der Krise ggf. Transfusion von Erythrozytenkonzentrat

Immunhämolytische Anämie
. Tabelle 7.2

Autoimmunhämolytische Anämie
55 Anämie meist durch inkomplette Wärme-Autoantikörper vom
IgG-Typ, selten durch Kälte-Agglutinine vom IgM-Typ
55 Ursachen:
44idiopathisch
44Infektionen (EBV, HIV, CMV, Mycoplasmen)
44Medikamente (L- Dopa, Methyldopa)
44Autoimmunerkrankungen (SLE, JIA, Agammaglobulinämie)
44paraneoplastisch (Hodgkin-Lymphom, Leukämie)
55 Kombination mit Autoimmunthrombozytopenie (Evans-
Syndrom) möglich

z Klinik
55 Blässe, Ikterus, Allgemeinbefinden ↓
55 nur gering ausgeprägte Splenomegalie

z Diagnostik
55 Labor
44Hb ↓↓, Bilirubin ↑↑, Retikulozyten ↑
44Haptoglobin ↓, Laktatdehydrogenase ↑, Coombs-Test
positiv
44Hämoglobin im Urin
7.1 · Erkrankungen des Erythrozyten
207 7
z Therapie
55 in 70–80 % selbstlimitierender Verlauf über 3–6 Monate
55 selten chronischer Verlauf
55 restriktive Transfusionsindikation
55 Immunsuppression
55 Prednisolon 2 m/kg/d bis zum Sistieren der Hämolyse, dann
langsame Dosisreduktion
55 alternativ: Immunglobuline, Rituximab, Cyclosporin A,
Azathioprin, Cyclophosphamid)

7.1.5 Hämoglobinopathien

Sichelzellkrankheit
55 Hämoglobin S häufigstes anomales Hämoglobin
55 Mutation im Globin-Gen auf Chromosom 11 führt zu Amino-
säureaustausch an Position 6 der β-Kette (Glu → Val)
55 autosomal-kodominant vererbt > Memo Heterozygote
55 hohe Prävalenz auf dem afrikanischen Kontinent, aber Anlageträger sind klinisch gesund
auch in der Türkei, in Italien, Griechenland und anderen und besser geschützt gegen
Mittelmeeranrainerländern Malaria als Menschen, die die
55 Formen: Mutation nicht aufweisen.
44Homozygotie für HbS
44doppelte Heterozygotie für HbS und andere anomale
Hämoglobine, z. B. HbSC
44Kombination mit β-Thalassämie als Sichelzellthalassämie
(HbS/β-Thalassämie)

z Klinik
1. hämolytische Anämie (Normal Hb 60–90 g/l)
2. Infektneigung infolge Autosplenektomie (bedingt hohe Letalität
der betroffenen Kinder in den ersten 3 Lebensjahren in ihren
Herkunftsländern) bes.:
55 Pneumonie
55 Osteomyelitis ! Cave Salmonellen-Osteomyelitis.
3. Gefäßverschlusskrisen (im desoxygenierten Zustand präzipitiert
HbS und führt zu sichelförmiger Gestalt der Erythrozyten, die
aufgrund geringerer Verformbarkeit Gefäßverschlüsse
verursachen)
55 Säuglinge und Kleinkinder: Hand-Fuß-Syndrom mit schmerz-
hafter Schwellung von Händen und Füßen
55 ältere Kinder: Schmerzen in langen Röhrenknochen, Sternum,
Wirbelsäule
55 Thoraxsyndrom: Verschluss von kleinen Lungengefäßen und
Fettembolie im Rahmen einer Schmerzkrise → imponiert klinisch
wie Pneumonie mit Schmerzen (T-Shirt-Ausstrahlung), Fieber,
Tachydyspnoe
208 Kapitel 7 · Tag 3: Hämatologie und Onkologie

55 Girdle-Syndrom: Verschluss von Mesenterialgefäßen →


Schmerzen, klinisches Bild eines paralytischen Ileus
55 ZNS-Infarkt
4. Milz-/Lebersequestration: großer Teil des zirkulierenden Blutes
wird in der Milz gepoolt, lebensbedrohliche Anämie
5. Aplastische Krise nach Parvovirus B19 Erstinfektion
6. Cholelithiasis/Cholecystitis (Bilirubinsteine)

z Diagnostik
55 Anämie, Retikulozytose, Laktatdehydrogenase ↑, Bilirubin
(gesamt und indirekt) ↑
55 Sichelzellen im Blutausstrich
55 Hämoglobinelektrophorese zur Diagnosesicherung
55 Molekulargenetik

7 Spezielle Diagnostik:
> Memo HbF-Anteil >10 % führt 55 Röntgenuntersuchung des Thorax zur Differenzierung
zu milderem klinischen Verlauf. Pneumonie/Thoraxsyndrom
55 Kernspintomographie zur Differenzierung Osteonekrose/
Osteomyelitis
55 Dopplersonographie der hirnversorgenden Gefäße zur
Abschätzung des ZNS-Infarktrisikos (bei Flussgeschwindigkeit
>200 mm/s regelmäßige Transfusionen erwägen!)

z Therapie
55 Aufklärung von Eltern, in Kindergarten, Schule
55 Vermeidung von Triggerfaktoren (Sauerstoffmangel, Exsikkose,
Kälte)
55 Infektionsprophylaxe mit Penicillin mindestens bis zum 5.
Lebensjahr
55 konsequente Impfungen
55 Flüssigkeitssubstitution und Schmerztherapie bei Gefäßver-
schlüssen, oft Opiate erforderlich
55 Transfusion bei Sequestration, Thoraxsyndrom, Girdle-Syndrom,
ZNS-Infarkt, aplastischer Krise, vor größeren operativen Eingriffen
! Cave Schmerzen bei Patienten 55 prophylaktische Dauertherapie mit Hydroxyurea p.o. bei
mit Sichelzellkrankheit kompliziertem Verlauf
sind meist Ausdruck von 55 regelmäßiges Transfusionsprogramm bei erhöhtem ZNS-Infarkt-
Gefäßverschlüssen und müssen risiko bzw. nach stattgehabtem Infarkt
immer ernstgenommen 55 allogene Knochenmarktransplantation bei kompliziertem Verlauf
werden! und Vorhandensein eines passenden Spenders

β-Thalassämie
55 Autosomal-rezessiv vererbt, hohe Prävalenz im Mittelmeerraum
55 Störung der β-Globinsynthese
44HbA1 ↓↓, stattdessen Bildung instabiler Hämoglobine: HbA2
(αα/δδ) und Hb F (αα/γγ)
44ineffektive Erythropoese; intramedulläre Hämolyse
7.2 · Erkrankungen der Leukozyten
209 7
55 heterozygoter Status: Thalassaemia minor
44leichte hypochrome mikrozytäre Anämie
44in der Regel keine Krankheitszeichen
55 homozygoter Status: Thalassaemia major

z Klinik der Thalassämia major


55 Symptombeginn ab 3./4. Lebensmonat
55 Blässe, Ikterus, Hepatosplenomegalie (durch extramedulläre
Blutbildung), Skelettveränderungen (Bürstenschädel,
prominente Jochbögen durch Ausweitung der
Knochenmarkräume)

z Diagnostik
55 Blutbild:
44hypochrome mikrozytäre Anämie
44Anisozytose, Poikilozytose, Targetzellen im Blutausstrich
55 Hämoglobinelektrophorese zur Diagnosesicherung
55 Genotypisierung

z Therapie
55 Thalassaemia minor: kein Therapiebedarf, in der Regel keine > Memo Hämosiderose führt u.
Eisengabe (nur bei nachgewiesenem Eisenmangel) a. zu Kardiomyopathie, Diabetes,
55 Thalassaemia major: allogene Stammzelltransplantation bei Infertilität und erfordert Eisen-
vorhandenem HLA-identischem Spender in der Familie ausschleusende Behandlung mit
55 regelmäßige Transfusionsbehandlung alle 3–4 Wochen (Ziel-Hb Chelatbildnern.
>100 g/l vor Transfusion)

7.2 Erkrankungen der Leukozyten

7.2.1 Neutrozytopenien

55 Definition: Verminderung der Granulozytenzahl


55 Einteilung nach Schweregrad
44mild: 1.000–1.500 Granulozyten/µl
44mittelgradig: 500–1.000 Granulozyten/µl
44schwer: <500 Granulozyten/µl
55 angeborene Neutropenien
44schwere kongenitale Neutropenie (Kostmann-Syndrom)
44zyklische Neutropenie
44Neutropenie im Rahmen von Immundefekterkrankungen
(Hyper-IgM-Syndrom, Griscelli-Syndrom, Shwachman-­
Diamond-Syndrom, Chediak-Higashi-Syndrom)
55 erworbene Neutropenien
44Allo-/Autoimmunneutropenie
44infektionsbedingte Neutropenie
44medikamentös induzierte Neutropenie
44Malnutrition
44Leukämie
210 Kapitel 7 · Tag 3: Hämatologie und Onkologie

Schwere kongenitale Neutropenie


(Kostmann-Syndrom)
55 angeborene Ausreifungsstörung neutrophiler Granulozyten
55 verschiedene Mutationen (HAX1-Gen, ELA2-Gen,
G6PC3-Gen u. a.)
55 unbehandelt hohe Letalität bereits im Kleinkindalter

z Klinik
> Memo Bei rezidivierenden 55 Omphalitis beim Neugeborenen
bakteriellen Infektionen 55 beim Kleinkind Gingivitis, Ulzeration der Mundschleimhaut,
muss unbedingt ein Otitis media, Tonsillitis, Hautabszesse
Differenzialblutbild angefertigt 55 seltener Pneumonien, Abszesse innerer Organe
werden. 55 systemische Pilzinfektionen

z Diagnostik
7 55 Blutbild: Neutrophile meist <200/µl, milde Anämie, Thrombo-
zytose, Monozyten ↑, Eosinophile ↑
55 Knochenmarkzytologie: Ausreifungsstop der myeloischen
Vorläuferzellen auf der Stufe der Promyelozyten/Myelozyten
55 molekulargenetischer Mutationsnachweis (s. o.)

z Therapie
! Cave Konversion in MDS/ 55 hämatopoetische Wachstumsfaktoren: G-CSF zur Stimulation
Leukämie möglich. der Proliferation und Differenzierung der Myelopoese 5–10 µg/
kg täglich s.c.
55 Cotrimoxazol-Prophylaxe
55 allogene Stammzelltransplantation

Zyklische Neutropenie
55 periodische Verminderung neutrophiler Granulozyten <500/µl
alle 18–22 Tage für bis zu 1 Woche
55 autosomal-dominant vererbt oder sporadisches Auftreten

z Klinik
55 rezidivierende bakterielle Infektionen
55 aphthöse Stomatitis

z Diagnostik
55 regelmäßige Differenzialblutbilder
55 Knochenmarkzytologie: zyklusabhängig unterschiedliche
Zellularität und Neutrophilenzahl

z Therapie
55 G-CSF 1–5 µg/Tag s.c.
55 Cotrimoxazol-Prophylaxe
7.2 · Erkrankungen der Leukozyten
211 7
Autoimmunneutropenie (AIN)
55 primäre AIN
44Abbau von neutrophilen Granulozyten durch
IgG-Autoantikörper
44Auftreten zwischen 5. und 15. Lebensmonat
44milde Infektionsneigung
44selbstlimitierende Erkrankung
55 sekundäre AIN: Assoziation mit:
44Autoimmunerkrankungen (Lupus erythematodes, juvenile
idiopathische Arthritis)
44Infektionen (EBV, HIV)
44Malignome (Lymphome)

z Klinik
55 rezidivierende bakterielle Infektionen von Haut, Schleimhäuten,
Mittelohr, Respirationstrakt

z Diagnostik
55 serologischer Nachweis von Anti-Neutrophilen-Antikörpern
55 Knochenmarkzytologie : regelrechte Produktion und Ausreifung
von neutrophilen Granulozyten

z Therapie
55 in der Regel Spontanremission bei primärer AIN
55 Cotrimoxazol-Infektionsprophylaxe bei rezidivierenden Infekten
55 Behandlung der Grundkrankheit bei sekundärer AIN
(Immunsuppression)

7.2.2 Granulozytenfunktionsstörung

55 Definition: Störung der Funktion neutrophiler Granulozyten


(Chemotaxis, Phagozytose, Erregerabtötung)
55 Leukozytenadhäsionsdefekt Typ I, II, III
55 Chediak-Higashi-Syndrom
55 septische Granulomatose (7 Abschn. 8.2.5)

z Klinik
55 Omphalitis, verzögerter Nabelschnurabfall beim Neugeborenen
55 rezidivierende bakterielle oder mykotische Infektionen (Abszesse,
ulzerierende Entzündungen) trotz Leukozytose
55 Lymphknotenvergrößerungen, Hepatosplenomegalie

z Diagnostik
55 Differenzialblutbild
55 Durchflusszytometrie zur Bestimmung der Adhäsionsproteine
212 Kapitel 7 · Tag 3: Hämatologie und Onkologie

55 Phagozytenfunktionstests
55 Molekulargenetik

z Therapie
55 kurativ: allogene Stammzelltransplantation
55 Infektionsprophylaxe mit Cotrimoxazol und Itraconazol
55 Therapie akuter Infektionen (Antibiotika, Antimykotika, ggf.
Granulozytentransfusion)

7.3 Erkrankungen der Milz

7.3.1 Physiologische Bedeutung der Milz

55 Elimination von zirkulierenden Mikroorganismen


7 55 Filterung von Blutzellen
55 immunologische Reaktion auf i.v. zugeführte Antigene
55 Blutbildung während Fetalzeit

7.3.2 Milzvergrößerung (Splenomegalie)

! Cave Splenomegalie kann 55 Hyperplasie des Monozyten-/Makrophagensytems (durch


zu Hyperspleniesyndrom mit Virusinfektonen, bakterielle Sepsis, Endokarditis, Pilzinfektion)
verstärkter Elimination aller 55 Infiltration des Milzgewebes (Speicherkrankheiten, extrame-
Blutzellreihen führen! dulläre Blutbildung, Leukämie, Lymphom)
55 Immunologische Erkrankungen (juvenile idiopathische Arthritis,
Lupus erythematodes)
55 Zirkulationsstörung (Leberzirrhose, Herzinsuffizienz)
55 Blutzellsequestrierung (Sphärozytose, Sichelzellkrankheit, Rh-/
AB0-Erythroblastose, AIHA)
55 Zysten (kongenital, erworben)

7.3.3 Fehlen der Milz (Asplenie)

55 kongenital (Ivemark-Syndrom)
55 funktionell durch rezidvierende Milzinfarkte und nachfolgende
Fibrose bei Sichelzellkrankheit
55 Splenektomie nach Trauma oder bei hämatologischen Erkran-
kungen (Sphärozytose)
55 Risiko für OPSI („overwhelming postsplenectomy infection“)
55 Besondere Gefährdung durch Pneumokokken-, Haemophilus
influenzae Typ b (Hib), Meningokokkeninfektion
55 Penicillinprophylxe nach Splenektomie
55 Impfung gegen Pneumokken, Hib, Meningokokken
55 großzügige antibiotische Behandlung
7.4 · Erkrankungen der Thrombozyten und Gerinnungsstörungen
213 7
7.4 Erkrankungen der Thrombozyten und
Gerinnungsstörungen

7.4.1 Immunthrombozytopenische Purpura (ITP)

55 akute Thrombozytopenie bei ansonsten gesundem Kind > Memo ITP ist eine
55 oft 2–3 Wochen nach einer Virusinfektion Ausschlussdiagnose!
55 Inzidenz 3-5/100.000 Kinder/Jahr
55 Altersgipfel 2.–4. Lebensjahr
55 verursacht durch freie und/oder thrombozytengebundene
Antikörper

z Klinik
55 Petechien der Haut und Schleimhäute, Hämatome, Schleim-
blutungen bei meist wenig oder gar nicht beeinträchtigtem
Patienten
55 Nasenbluten, verlängerte Regelblutung
55 Einteilung nach zeitlichem Verlauf:
44neu diagnostizierte ITP: Diagnosestellung bis 3 Monate
44persistierende ITP: 3–12 Monate
44chronische ITP: >12 Monate
55 Einteilung nach Schwere der Symptomatik:
44milde Thrombozytopenie: 50–100.000 Thrombozyten/µl
44mittelschwere Thrombozytopenie: 20–50.000/µl
44schwere Thrombozytopenie: <20.000/µl

z Diagnostik
55 Blutbild/Differenzialblutbild: isolierte Thrombozytopenie bei ! Cave EDTA-induzierte
unauffälligem Differenzialblutbild (Kontrollzählung im Blutaus- Pseudothrombopenie durch
strich aus Kapillarblut) Parallelbestimmung der
55 Nachweis freier und/oder thrombozytengebundener Thrombozyten im EDTA-, Heparin-
Antikörper gegen Adhäsionsmoleküle GPIIb/IIIa, und Citrat-antikoagulierten Blut
GPIb/IX, GPIa/IIa (für die Diagnosestellung nicht ausschließen!
erforderlich)
55 Knochenmarkpunktion nicht regelhaft erforderlich (Megakaryo-
zyten normalwertig/↑)

z Therapie
55 Indikation individuell zu stellen nach Alter, Aktivität,
Blutungssymptomen
55 in der Regel nicht notwendig bei Thrombozytenzahlen >
30.000/µl
55 akute ITP-Optionen: ! Cave Bei schweren Blutungen
44Abwarten Thrombozytenkonzentratgabe
44Prednison 2 mg/kg KG über 4 Tage, dann Dosisreduktion in Kombination mit
44hochdosierte Immunglobuline 400 mg/kg KG/d über 3–5 Tage Immunglobulinen und/oder
oder 800–1.000 mg/kg KG über 2 Tage Prednison!
214 Kapitel 7 · Tag 3: Hämatologie und Onkologie

> Memo hohe 55 chronische ITP – Optionen:


Spontanheilungsrate, daher 44keine Therapie
häufig keine Therapie 44Dexamethason-Pulstherapie
notwendig. Blutungsgefahr 44Rituximab
relativ gering, da junge 44Thrombopoietin-Rezeptoragonisten (Ethrombopag®) oder
Thrombozyten sehr Thrombopoietin mimetic peptides (Romiplostin®)
funktionstüchtig sind. 44immunsuppressive Therapie (Mycophenolatmofetil,
Antimetabolite,Vincaalkaloide)
44Anti-D-Hyperimmunglobulin Splenektomie (frühestens
ab dem Schulalter); vorher Impfung gegen Pneumokokken,
Haemophilus influenzae Typ b, Meningokokken
(7 Abschn. 7.3)

7.4.2 Thrombozytopathien
7
55 Funktionsstörung der Thrombozyten führt zu Störung der
44Adhäsions- und Aggregationsfähigkeit
44Plättchensekretion
44prokoagulatorischen Aktivität der Thrombozyten
55 hereditäre Formen
44Bernard-Soulier-Syndrom: autosomal-rezessiv, Thrombo-
zytenzahl normal/leicht vermindert, Riesenthrombozyten im
Ausstrich
44Glanzmann-Naegeli-Syndrom: Fehlen des GPIIb/
IIIa-Rezeptorkomplexes
44Speichergranula-Defekte („storage pool disease“): Fehlen der
δ-Granula
44Gray-platelet-Syndrom: Fehlen der α-Granula
44May-Hegglin-Anomalie: autosomal-dominant, Thrombo-
zytenzahl erniedrigt, Leukopenie, Döhle-Körperchen
55 erworbene Formen
44nach Medikamenteneinnahme (Cyclooxygenase-Inhibitoren:
ASS, NSAIDs; β-Lactam-Antibiotika)
44bei Urämie, Leberfunktionsstörung

z Klinik
55 Nasenbluten, Zahnfleischbluten, Menorrhagie
55 Blutung nach Zahnextraktion, Tonsillektomie, Verletzung

z Diagnostik
55 Blutbilduntersuchung: niedrig-normale Thrombozytenzahlen,
z. T. Riesenthrombozyten, Leukozyteneinschlüsse
55 Verlängerung der Blutungszeit
55 fehlende/verminderte Thrombozytenaggregation nach
Stimulation mit ADP, Kollagen, Ristocetin, Thrombin,
Adrenalin
55 Bestimmung der Membranglykoproteine (↓↓)
7.4 · Erkrankungen der Thrombozyten und Gerinnungsstörungen
215 7
z Therapie
55 abhängig vom Typ der Erkrankung
55 Optionen
44Desmopressin (DDAVP)
44Thrombozytentransfusion
44Rekombinanter Faktor VIIa (rVIIa)
44Knochenmarktransplantation
55 allgemeine Behandlungsoptionen: Antifibrinolytika (Tranexam-
säure), Fibrinkleber, Gestagene (bei Menorrhagie)

7.4.3 Hämophilie A/Hämophilie B

55 X-chromosomal-rezessiv vererbter Gerinnungsdefekt mit


Mangel an oder vollständigem Fehlen von Gerinnungsfaktor VIII
(Hämophilie A) oder IX (Hämophilie B)
55 nur männliches Geschlecht betroffen, Frauen können Kondukto-
rinnen sein
55 1:5.000 männliche Neugeborene betroffen (Hämophilie A),
1:25.000 (Hämophilie B)
55 hohe Neumutationsrate

z Klinik
55 peripartal subgaleale Blutungen, Kephalhämatom ! Cave Gelenk- und
55 iatrogene Blutungen schon bei Neugeborenen/jungen Säuglingen Muskelblutungen führen bei
nach Impfung oder operativen Eingriffen unzureichender Behandlung
55 später spontan oder nach Trauma: Gelenkblutungen (Knie-, zu Versteifung und sind
Sprung-, Ellbogen- und Schultergelenke) invalidisierend und limitierend für
55 Muskelblutungen (Psoas, Wade, Hüfte, Unterarm) die Lebensqualität.
55 selten viszerale oder zerebrale Blutungen

z Diagnostik
55 aPTT (verlängert); Quick, Fibrinogen, Blutungszeit normal
55 Faktor-VIII-/-IX-Aktivität erniedrigt
44schwere Hämophilie: <1 % Restaktivität
44mittelschwere Hämophilie: 1–5 % Restaktivität
44milde Hämophilie: 5–30 % Restaktivität

z Therapie
55 i. v. Gabe von Faktor-VIII/-IX-Präparaten
44aus Plasma gewonnener, hochgereinigter und virusinakti-
vierter Faktor VIII/IX
44rekombinanter Faktor VIII (Faktor rVIII), rekombinanter
Faktor IX (Faktor rIX) ! Cave Substitutionsbeginn
55 Prophylaxe 20–30 IE/kg KG Faktor VIII 2–3× pro Woche bzw. wenn möglich nicht in den
Faktor IX 2×/Woche ersten Lebensmonaten,
55 Beginn je nach Aktivität des Patienten ab dem 2. Lebensjahr bzw. da hohes Risiko für eine
nach erster Gelenkblutung Hemmkörperentwicklung!
216 Kapitel 7 · Tag 3: Hämatologie und Onkologie

> Memo 1 IE Faktor VIII/IX/kg 55 bei Blutungen und Operationen je nach Schwere Faktor-VIII/-IX-
KG erhöht die Faktor-VIII/-IX- Aktivität auf 30–60–100 % anheben
Aktivität im Blut um 1–2 %. 55 bei leichten Blutungen: DDAVP (bewirkt Faktor-VIII-Aktivitäts-
anstieg, Tachyphylaxie!)

7.4.4 Von-Willebrand-Erkrankung (vWS)

55 häufigste hereditäre hämorrhagische Diathese


55 Prävalenz 1 %
55 quantitativer oder qualitativer Defekt des
von-Willebrand-Faktors
55 unterschieden werden:
44Typ 1 mit erniedrigter vWF-Konzentration und
44Typ 3 mit komplettem vWF-Mangel sowie
7 44Typ 2 mit qualitativen Defekten
55 verursacht u. a. eine Störung der Thrombozytenaggregation

z Klinik
55 rezidivierendes Nasenbluten, Blutungen aus dem HNO-Bereich
55 verlängerte Blutungen bei Schnittverletzungen, Nachblutungen
nach Operationen
55 Hypermenorrhö/Menorrhagie
55 Gelenkblutungen (Typ 3)

z Diagnostik (. Tab. 7.3)


55 verlängerte Blutungszeit (Screening: PFA
100 = In-vitro-Blutungszeit)
55 aPTT verlängert, FVIII:C erniedrigt
55 vWF: Antigen ↓/nl, vWF: Ristocetin-Kofaktor ↓, vWF: CB ↓
55 Multimeranalyse zur Differenzierung der einzelnen Typen des
vWS (s. u.)

z Therapie (. Tab. 7.3)


55 in der Regel keine Prophylaxe empfohlen
55 bei Blutung oder Operation Anheben der Faktor VIII: C Aktivität
bzw. des Ristocetin-Kofaktors auf >50–80 %
! Cave Rekombinante und 55 DDAVP
hochgereinigte Faktor- 44hebt Plasmaspiegel von FVIII und vWF und verkürzt die
VIII-Präparate sind nicht zu Blutungszeit
Behandlung des vWS geeignet, 44kontraindiziert bei Kindern <3 Jahre (cave: Wasserretention,
da der vWF fehlt. Hyponatriämie, Krampfanfälle)

7.4.5 Verbrauchskoagulopathie

55 Synonym: disseminierte intravasale Gerinnung, DIC


55 nicht lokalisierte, intravasale Gerinnungsaktivierung
führt zur disseminierten Mikrothrombosierung und
7.4 · Erkrankungen der Thrombozyten und Gerinnungsstörungen
217 7

. Tab. 7.3  Diagnostik und Therapie der verschiedenen Typen des von-Willebrand-Syndroms

Variante Diagnostik Therapie

Typ 1 Häufigste Variante, BZ ↑, FVIII:C normalwertig/↓, DDAVP (Minirin) nach Testung!


vWF:AG, vWF:RCo ↓
Multimere alle vorhanden
Typ 2A BZ ↑, FVIII:C nl/ ↓, vWF:AG ↓/normalwertig, vWF:RCo ↓ DDAVP nach Testung bzw. FVIII/vWF-
Große und/oder mittelgroße Multimere fehlen Konzentrat
Typ 2B BZ ↑, FVIII:C normalwertig/↓↓, vWF:AG ↓/ Kein DDAVP (cave Thrombopenie!)
normalwertig, vWF:RCo ↓ FVIII/vWF-Konzentrat
Große Multimere fehlen
Typ 2 M BZ ↑, oben genannte Tests normalwertig/↓ DDAVP nach Testung bzw. FVIII/vWF-
Multimere alle vorhanden Konzentrat
Typ 2 N BZ nl, oben genannte Tests normalwertig/↓ DDAVP nach Testung bzw. FVIII/vWF-
Multimere alle vorhanden Konzentrat
Typ 3 Schwere Form FVIII/vWF-Konzentrat
BZ ↑↑, FVIII:C ↓↓, vWF:AG, vWF:RCo unter
Nachweisgrenze
Alle großen Multimere im Plasma und in den
Thrombozyten fehlen

BZ = Blutungszeit

Verbrauch von Gerinnungsfaktoren, Inhibitoren und


Thrombozyten
55 Aktivierung der Koagulationskaskade über Zytokinfreisetzung
durch Gewebsfaktor in Kombination mit Endotoxin
55 Kombination einer Sepsis mit einer DIC hat hohe Mortalität
55 Auslöser (u. a.):
44Sepsis, schwere Infektion, z. B. Meningokokkensepsis
44Trauma/Verbrennung
44Organdestruktion (schwere Pankreatitis)
44metastasierte maligne Erkrankung
44AML (M3, M5)
44vaskuläre Anomalien (Kasabach-Merrit-Syndrom)

z Klinik
55 abhängig von der Grunderkrankung
55 meist schwerkranker Patient!
55 Blutungszeichen, Nekrosen, Organversagen

z Diagnostik
55 Quick erniedrigt, aPTT und TZ verlängert
55 Antithrombin und Fibrinogen vermindert
55 D-Dimere erhöht, Fibrinmonomere nachweisbar
55 Thrombozytenzahl erniedrigt
218 Kapitel 7 · Tag 3: Hämatologie und Onkologie

z Therapie
55 Behandlung der DIC-auslösenden Erkrankung (Antibiotika/
Schockbehandlung)
55 hämostaseologische Therapie
55 Heparintherapie, Antithrombin, Frischplasma

7.5 Leukämien

55 stellen die häufigsten Krebserkrankungen im Kindes- und


Jugendalter dar
55 Inzidenz 4,5/100.000 Kinder <15 Jahre
55 entstehen durch genetische Veränderungen innerhalb unreifer
hämatopoetischer Vorläuferzellen im Knochenmark
55 bei akuter lymphatischer Leukämie (ALL) aus unreifen Zellen der
7 B- oder T-Zellreihe des lymphatischen Systems
55 bei AML (akuter myeloischer Leukämie) ist die myeloische
Stammzelle oder eine Vorläuferzelle der Granulozyten,
Erythrozyten-, Monozyten- und Thrombozytenbildung
betroffen
55 die B-ALL beruht auf Entartung der reifen B-Zelle
55 durch klonale Proliferation Verdrängung der normalen
Hämatopoese
55 genetische Prädisposition bei Kindern mit Down-Syndrom
(Trisomie 21) mit 20-fach erhöhtem Risiko, an einer Leukämie zu
erkranken
55 Formen:
44akute lymphoblastische Leukämie (ALL)
44akute myeloische Leukämie (AML)
44reife B-ALL
44chronische myeloische Leukämie (CML)

7.5.1 Akute lymphatische Leukämie (ALL)

55 entsteht aus unreifer Zelle der B- oder T-Zellreihe des lymphati-


schen Systems (Vorläufer-B-ALL; T-ALL)
55 80 % aller kindlichen Leukämien
55 Altersgipfel Kleinkindalter (2–5 Jahre)

z Klink
! Cave Vor Einsatz einer 55 Blässe, Abgeschlagenheit
Kortisontherapie bei Fieber 55 therapierefraktäres Fieber, rezidivierende Infekte
unklarer Genese unbedingt eine 55 Knochen- und/oder Gelenkschmerzen
Leukämie ausschließen! 55 Blutungszeichen (Petechien/Hämatome)
55 Lymphknotenvergrößerung, Hepato- und/oder Splenomegalie
55 schmerzlose Hodenvergrößerung
55 Kopfschmerzen, Hirnnervenausfälle (ZNS-Beteiligung)
7.5 · Leukämien
219 7

. Tab. 7.4  FAB-Klassifikation der ALL

L1 Kleine Zellen, überwiegend einheitliche Größe, gleichförmiges


Chromatin, Nukleolus nicht sichtbar, wenig Zytoplasma
L2 Heterogenes Bild großer Zellen mit mehr oder weniger großem
Zytoplasmasaum, ungleichförmiges Chromatin, große Nukleoli,
Vakuolen im Zytoplasma möglich
L3 Einheitliches Bild großer Zellen, gleichförmig fein gesprenkeltes
Chromatin, ovaler bis runder Zellkern, deutliche Nukleoli, viel
Zytoplasma, starke Basophilie, oft Vakuolen

55 obere Einflussstauung, Atemstörung (Mediastinaltumor bei


T-ALL)
55 Ileus (intraperitoneale Lymphome bei B-ALL)

z Diagnostik
55 Blutbilduntersuchung:
44normochrome Anämie, Thrombozytopenie
44Anzahl der Leukozyten kann erhöht, erniedrigt oder normal
sein
44bei Leukozytose häufig Blasten im Differenzialblutbild
nachweisbar
55 Liquorzytologie: Nachweis von Blasten im Liquor cerebrospinalis
bei ZNS-Beteiligung
55 Knochenmarkzytologie
44Verdrängung der normalen Hämatopoese durch
Blastenpopulation
44FAB-Klassifikation (. Tab. 7.4)
55 Zytochemie: PAS-Färbung in 50 % positiv, positive saure
Phosphatase-Färbung ist Hinweis auf T-ALL
55 Immunphänotypisierung
44Oberflächenexpression bestimmter Differenzierungs-
merkmale wird durchflusszytometrisch ermittelt
44B-Vorläufer-ALL: CD10+, CD19+
44T-ALL: CD2+, CD5+, CD7+
55 Molekular-/Zytogenetik dient dem Nachweis charakteristischer
Genumlagerungen als Ergebnis chromosomaler Translokationen
44Translokation (t12;21)TEL/AML1 – Genrearrangement in
20–25 % der B-Vorläufer-ALL nachweisbar; assoziiert mit
guter Prognose
44Translokation (t4;11); in bis zu 60 % bei Säuglingen mit ALL;
assoziiert mit schlechter Prognose
44Translokation (t 9;22) = in ca. 5 % der kindlichen ALL; BCR/
ABL-Rearrangement (Philadelphia-Chromosom) assoziiert
mit schlechter Prognose
55 Molekulargenetik dient auch der Remissionsbeurteilung und
Therapiestratifizierung
220 Kapitel 7 · Tag 3: Hämatologie und Onkologie

55 minimale Resterkrankung (MRD)


44Analyse klonspezifischer Immunglobulin (Ig)- und T-Zell-
Rezeptor (TCR) Genrearrangements mittels quantitativer
PCR-Technologie oder Flowzytometrie (FACS)
44ermöglicht Nachweis von 1 Leukämiezelle/10−4–10−5 (PCR)
bzw. 10−2–10−3 (FACS) normale Lymphozyten
55 komplette klinische Remission (CCR): Leukämie-
Zellzahlen fallen unter die Nachweisgrenze im Mikroskop
(<5 %) – prognostisch und für die Stratifizierung
entscheidend sind
44Ansprechen auf initiale Prednisontherapie
44molekulargenetische Veränderungen
44Geschwindigkeit des Therapieansprechens
44Ergebnisse führen zu Eingruppierung in Standardrisiko-/
mittlere Risiko-/Hochrisiko-Therapiegruppe
7
z Therapie
55 erfolgt risikoadaptiert in Form einer Polychemotherapie
55 in Deutschland gemäß Therapieoptimierungsstudien der
GPOH, aktuell AIEOP-BFM ALL 2009 oder COALL 08-09
Therapieprotokoll
44besteht aus Steroiden, Vincristin, Anthrazyklinen, L-Aspa-
raginase, Cyclophosphamid, Cytarabin, Methotrexat,
Mercaptopurin, Thioguanin und intrathekal verabreichtem
Methotrexat
44zusätzlich Tyrosinkinasehemmer (Imatinib) bei Philadelphia-
Chromosom (BCR/ABL)-positiver ALL
44ZNS-Bestrahlung mit 12 Gy bei ZNS-Befall und bestimmten
Risikogruppen
44allogene Stammzelltransplantation kann für Hochrisiko- und
Rezidivpatienten indiziert sein
55 Therapierisiken
44initial: Zellzerfallssyndrom
44Mukositis, Panzytopenie, Sepsis
44Nephrotoxizität (Methotrexat),Kardiotoxizität
(Anthrazykline)
55 Supportivmaßnahmen: initial Hyperhydratation,
Urinalkalisierung, ggf. Uratoxidase bei Hyperurikämie,
Infektionsprophylaxe
55 Prognose: Wahrscheinlichkeit für ereignisfreies Überleben (EFS)
80–90 %

7.5.2 Akute myeloische Leukämie (AML)

55 maligne Systemerkrankung ausgehend von Vorläuferzellen


der Granulozyten, Erythrozyten, Monozyten oder
Thrombozyten
7.5 · Leukämien
221 7

. Tab. 7.5  FAB-Klassifikation der AML

FAB M0 Undifferenzierte, ungranulierte Blasten, Zytochemie: Peroxidase- und Esterase-negativ. Zuordnung


mit Hilfe der immunologisch nachweisbaren myeloischen Antigene
FAB M1 und M2 M1 nur geringe Ausreifungstendenz. M2 mäßige bis deutliche Differenzierung der Blasten mit
Granulationen und positiver Pox-Reaktion.
Auerstäbchen als Zeichen der Dysgranulation häufig, assoziiert mit einer Translokation t(8; 21)
AML-1/ETO
FAB M3 Deutliche Differenzierung der Blasten bis zu Promyelozyten, typische Auerbüschel, Pox deutlich
positiv, fast immer Translokation t(15;17)
FAB M4 Übergang zur monoblastären Leukämie (sowohl myeloische Blasten als auch monoblastische
Zellen)
M4eo: atypische Eosinophile, inv(16)
FAB M5 Monoblasten dominieren, meist ungranulierte Zellen mit exzentrischen, teils glatten Zellkernen.
M4 und M5 positive Esterase-Reaktion, molekulargenetisch häufig MLL-Rearrangement
FAB M6 Erythroblastenleukämie: >50 % der Zell-Erythropoese, verbleibende Myelopoese, 30 % myeloische
weitgehend differenzierte Blasten
FAB M7 Ungranulierte Blasten mit Zytoplasmaausstülpung, immunologischer Nachweis megakaryozytärer
Differenzierungsantige

55 15–20 % aller Leukämien im Kindes- und Jugendalter


55 mittleres Erkrankungsalter 8 Jahre

z Klinik
55 Blässe, Müdigkeit, Fieber, Infektion, Blutungszeichen,
Knochenschmerzen
55 extramedullärer Befall: 20–30 % aller Kinder mit AML
55 Hautinfiltrate, Gingivahyperplasie
55 Chlorome (blastäre Infiltrate außerhalb von Knochenmark, Milz
oder Lymphknoten)

z Diagnostik
55 Blutbild: Anämie, Thrombozytopenie, Leukopenie oder
Leukozytose
55 Gerinnungsstörung (Sub-DIC) bei AML M3, M5
55 Liquorzytologie: Nachweis von Blasten im Liquor cerebrospinalis
bei ZNS-Beteiligung
55 Knochenmarkzytologie: Verdrängung der gesunden Hämato-
poese durch große Blasten, Blastenanteil >25 %
55 Zytochemie: Peroxidase (Pox)- und/oder Esterase-Positivität
(s. u.)
55 Immunphänotypisierung für die Diagnose eines FAB-M0- und
-M7-Subtyps essenziell
55 Klassifikation . Tab. 7.5
55 Zytogenetik und Molekulargenetik:
44günstige Zytogenetik: t(15;17), inv(16), t(8;21), t(1;11);
normaler Karyotyp mit NPM1 oder CEPA-Mutation
222 Kapitel 7 · Tag 3: Hämatologie und Onkologie

44Ungünstige Zytogenetik: u.a. komplexer Karyotyp, WT1mut


und gleichzeitig FLT3-ITD; t(4;11)(q21;q23);
44MRD Diagnostik (s. o.) zur Verlaufsbeurteilung
55 Risikogruppen:
44Standardrisiko: günstige Zytogenetik und gutes
­Therapieansprechen (<5 % Blasten an Tag15 nach 1.
Induktion)
44Hochrisiko: ungünstige Zytogenetik; schlechtes Therapie-
ansprechen unabhängig von Zytogenetik
44Mittleres Risiko: gutes Therapieansprechen; Zytogenetik: nicht
Standard- oder Hochrisiko

z Therapie
55 risikoadaptierte Polychemotherapie gemäß AML BFM 2012
> Memo Sonderstellung Therapieempfehlung Studie der GPOH
7 AML-FAB M3: Behandlung 55 1. und 2. Induktion/Konsolidierung/Reinduktion/Dauertherapie
mit All-trans-Retinsäure (Atra) mit
und Arsentrioxid führt zur 44Cytarabin, L-Daunorubicin, Idarubicin, Etoposid, Mitoxan-
Differenzierung der Blasten, trone, 2-CDA/Thioguanin
senkt Blutungsrisiko. 44intrathekales Cytarabin zur ZNS-Prophylaxe/Therapie

7.5.3 Chronisch myeloische Leukämie (CML)

> Memo Protoonkogen c-abl 55 klonale Stammzellerkrankung


(Chromosom 9) lagert sich an 55 selten in Kindesalter (ca. 2 % aller Leukämien)
bcr-Lokus auf dem Chromosom 55 Philadelphiachromosom t(9;22) regelhaft nachweisbar
22 an – Fusionsgen führt zur
Transformation der Zelle. z Klinik
55 häufig Zufallsbefund
55 unspezifische Allgemeinsymptome: Müdigkeit, Leistungsknick,
Fieber, Gewichtsverlust
55 Hepatosplenomegalie
55 Verlauf
44chronische Phase (4–5 Jahre; Leukozytose, Splenomegalie)
44akzelerierte Phase (10–30 % Blasten, Basophilie, Anämie,
Thombozytopenie)
44Blastenkrise (>30 % Blasten)

z Diagnostik
55 Blutbild
44exzessive Leukozytose: im Mittel 250.000 Leukozyten/µl mit
Linksverschiebung
44Thrombozytose in 1/3 der Fälle
44stark erniedrigte oder nicht nachweisbare alkalische
Leukozytenphosphatase
55 Knochenmarkzytologie: ausgeprägte Hyperzellularität des
Knochenmarks mit gesteigerter Granulopoese
7.5 · Leukämien
223 7

. Tab. 7.6  FAB-Klassifikation der myelodysplastischen Syndrome – Pädiatrische Version der WHO-Klassifikation:
Primäres und sekundäres MDS

Typ Peripheres Blut Knochenmark

Refraktäre Zytopenie (RC) <2 % Blasten <5 % Blasten


Refraktäre (RA) mit Blastenexzess (RAEB) 2–19 % Blasten 5–19 % Blasten
Refraktäre (RA) mit Blastenexzess in 20–29 % Blasten 20–29 % Blasten
Transformation (RAEB-T)

55 Zyto-/Molekulargenetk: t(9;22) (q34;q11) (auch Philadelphia-


Chromosom genannt)

z Therapie
55 Imatinib: ABL-Tyrosinkinase-Inhibitor: komplette Remis-
sionen hämatologisch, zytogenetisch und molekulargenetisch
möglich
55 allogene Stammzelltransplantation bei nicht ausreichendem
Ansprechen auf TKI

7.5.4 Myelodysplastische Syndrome (MDS)

55 im Kindes- und Jugendalter seltene klonale ! Cave bei Kindern auch


Stammzellerkrankung hypoplastisches MDS mit
55 Reifungsstörungen der Hämatopoese mit dysplastischen zellarmem Knochenmark möglich.
Vorstufen Abgrenzung gegen schwere
55 erniedrigte bis erhöhte Zelldichte des Knochenmarks bei aplastische Anämie (SAA) kann
peripherer Zytopenie schwierig sein!
55 Übergang in eine akute myeloische Leukämie (AML) möglich

z Klinik
55 Symptome bedingt durch Thrombozytopenie (ca. 75 %), Leuko-
penie (ca. 50 %), Anämie (ca. 25 %)
55 Erstdiagnose häufig Zufallsbefund

z Diagnostik
55 Blutbild: Mono-, Bi-, Panzytopenie, MCV erhöht
55 Knochenmarkzytologie
44hypo-, normo- oder hyperzellulär
44Ausreifungsstörung aller Zellreihen (z. B. Mikromegaka-
ryozyten, doppelkernige Erythroblasten, hypogranulierte
Granulozyten)
55 Zytogenetik: häufig Chromosomenaberrationen: Monosomie 7
(30 %, hohes Leukämierisiko), Trisomie 8
55 Klassifikation . Tab. 7.6
224 Kapitel 7 · Tag 3: Hämatologie und Onkologie

z Therapie
55 Beobachtung; regelmäßige Knochenmark-Kontrollpunktionen
55 Transfusion von Erythrozyten-/Thrombozytenkonzentraten
55 allogene Stammzelltransplantation bei regelmäßigem Trans-
fusionsbedarf, rezidivierenden Infektionen, zytogenetischen
Aberrationen (s. o.), Blastenexzess

7.6 Histiozytosen

55 Histiozyten = aus dem Knochenmark stammende spezialisierte


Zellen des Immunsystems
55 dendritische Zellen → Antigenpräsentation
55 Makrophagen → Phagozytose
55 produzieren inflammatorische Zytokine
7
7.6.1 Langerhans-Zell-Histiozytose

55 Synonym: Histiozytose X
55 alte Nomenklatur: eosinophiles Granulom (isolierter Knochen-
befall), Abt-Letterer-Siwe-Syndrom (disseminierter Befall von
Haut und inneren Organen), Morbus Hand-Schüller-Christian
(Knochenläsionen, Diabetes insipidus, Hepatosplenomegalie)
55 monoklonale Proliferation von dendritischen Zellen, die phäno-
typisch mit den Langerhanszellen der Haut übereinstimmen
55 Ätiologie unklar
55 Inzidenz 0,4/100.000 Kinder unter 15 Jahren
55 Altersgipfel erste drei Lebensjahre
55 vielfältiges klinisches Erscheinungsbild
44„single system disease“: Krankheitsmanifestation eines Organs
oder Organsystems (Knochenbefall, Haut, Lymphknoten,
Lunge, ZNS) mit unilokulärem oder multilokulärem Befall
44„multisystem disease“: Befall von 2 oder mehr Organen und
Systemen mit oder ohne Beteiligung von „Risikoorganen“
(hämatopoetisches System, Leber, Lunge, Milz)

z Klinik
55 Allgemeinsymptome: Gewichtsverlust, Gedeihstörung, Unruhe,
Fieber
55 häufigste Lokalisation 80 % Knochen (34 % Schädel), Haut 60 %
55 bei ossärer Manifestation: lokale Schwellung, Schmerzen oder
Bewegungseinschränkung
55 lokalisationsabhängige Symptome: chronische Otitis media,
Otorrhö, Zahnlockerung, Exophthalmus, Frakturen
55 polymorphes, makulopapulöses Exanthem bei Hautbeteiligung
55 Diabetes insipidus bei hypothalamisch/hypophysärem Befall
55 Hepatosplenomegalie, generalisierte Lymphknotenschwellungen,
Anämie oder Panzytopenie bei systemischem Befall
7.6 · Histiozytosen
225 7
z Diagnostik
55 Röntgen Schädel, lange Röhrenknochen: scharf demarkierte
Osteolysen
55 Ganzkörper-MRT ersetzt zunehmend
Röntgen-Skelett-Übersicht
55 Skelettszintigraphie weniger sensitiv
55 weitere Diagnostik symptomorientiert (Sonographie,
Knochenmarkpunktion)
55 Biopsie für die Diagnosesicherung auch in „typischen“ Fällen
erforderlich
55 Histopathologie
44charakteristische Lichtmikroskopie
44elektronenoptischer Nachweis von Birbeck-Granula
44immunhistochemischer Nachweis von CD1a-Antigen auf der
Zelloberfläche

z Therapie
55 risikoadaptierte Therapie
44lokalisierte LCH:lokale Therapiemodalitäten
ausreichend, oder „wait and see“, evtl. intraläsionale
Kortikoidapplikation
44multifokaler Knochenbefall/Befall von Risikoorganen/
Multisytembefall: Kortikosteroide, Vinblastin, Methotrexat,
Mercaptopurin je nach Ausdehnung der Erkrankung
55 Prognose
44gut bei lokalisierter LCH
44bei multisystemischer LCH Prognose vom Alter des Patienten
(jüngeres Alter ungünstig), und von der Beteiligung von
Risikoorganen abhängig
44chronische Verläufe mit rekurrierendem Skelettbefall und
späte Reaktivierungen möglich

7.6.2 Hämophagozytierende Lymphohistiozytose


(HLH)

55 reaktive oft tödlich verlaufende Histiozytose


55 überschießende ineffektive Immunantwort auf dem Boden eines
Immundefektes
55 Aktivierung von Lymphozyten und Makrophagen
55 ausgeprägte Hämophagozytose
55 genetische Formen
44familiäre hämophagozytische Lymphohistiozytose
(M. Farquhar)
–– Inzidenz 0,12/100.000 Kinder
–– Mutation u. a. im Perforin- oder Syntaxin-Gen
44HLH bei Immundefektsyndromen (Chediak-Higashi-
Syndrom, Griscelli-Syndrom, X-linked lymphoproliferatives
Syndrom)
226 Kapitel 7 · Tag 3: Hämatologie und Onkologie

55 erworbene Formen
44infektassoziierte hämophagozytische Histiozytose (Immun-
defizienz + Virusinfektion, z. B. EBV)
44Makrophagenaktivierungssyndrom (bei Autoimmunerkran-
kungen, insbesondere M. Still)
44malignitätsassoziiertes hämophagozytisches Syndrom (v. a.
Leukämien, Lymphome)

z Klinik/Diagnostik: 5 von 8 diagnostischen Kriterien


erforderlich
55 therapierefraktäres Fieber ≥38.5 °C
55 Splenomegalie
55 Zytopenie (mindestens 2 der 3 Zelllinien: Hb <9 g/dl, Neutrophil
<1.000/µl, Thrombozyten < 100.000/µl)
55 Ferritin ↑> 500 ng/ml
7 55 Hypertriglyceridämie (nüchtern, ≥265 mg/dl) und/oder Hypofi-
brinogenämie (≤150 mg/dl)
55 Hämophagozytose in Knochenmark, Milz, Lymphknoten oder
Leber
55 niedrige oder fehlende NK-Zell Aktivität
55 löslicher IL-2 Rezeptor ≥2.400 U/ml

z Therapie
55 primäre Form: ohne Stammzelltransplantation tödlicher Verlauf
55 Induktionstherapie mit Dexamethason, Antithymozytenglobulin,
Etoposid gemäß europäischer HLH-Studie
55 bei primärer Form anschließend Erhaltungstherapie mit Cyclo-
sporin A bis zur
55 allogenen Stammzelltransplantation

7.7 Maligne Lymphome

7.7.1 Hodgkin Lymphom

55 Tumorerkrankung vorwiegend des lymphatischen Gewebes


mit charakteristischen Tumorzellen und inflammatorischem
Begleitinfiltrat
55 histologisch einkernige Hodgkin- und mehrkernige Reed-Stern-
berg-Zellen in entzündlich-granulomatösem Begleitinfiltrat
55 macht ca. 5 % aller Malignome im Kindesalter aus
55 Inzidenz: bei Kindern <15 Jahren 0,7/100.000
55 1. Häufigkeitsgipfel 2. Lebensjahrzehnt

z Klinik
55 Dauer der Anamnese von wenigen Tagen bis zu Monaten
55 derbe, schmerzlose Lymphknotenvergrößerung, am häufigsten
zervikal, mediastinal aber auch axillär, inguinal
7.7 · Maligne Lymphome
227 7

. Tab. 7.7  Modifizierte Ann-Arbor-Stadieneinteilung

Stadium Beschreibung

Stadium I Befall einer einzelnen Lymphknotenregion oder lokalisierter Befall eines extralymphatischen
Organs oder Bezirks (IE)
Stadium II Befall von zwei oder mehr Lymphknotenregionen auf der gleichen Seite des Zwerchfells oder
Befall eines extralymphatischen Organs bei lokalisiertem Befall auf der gleichen Seite des
Zwerchfells (IIE)
Stadium III Befall von Lymphknotenregionen auf beiden Seiten des Zwerchfells, zusätzlich lokalisierter
Befall extralymphatischer Organe (IIIE)
Stadium IV Disseminierter Befall eines oder mehrerer extralymphatischer Organe mit oder ohne
gleichzeitigen Lymphknotenbefall
A- und B-Kategorie A = fehlende Allgemeinsymptome
innerhalb jedes B = Allgemeinsymptome (Fieber >38,0C ohne andere Ursache, starker Nachtschweiß,
Stadiums Gewichtsverlust >10 % in 6 Monaten) vorhanden

55 Husten, venöse Einflussstauung, Atemnot durch Druck auf


Trachea, Bronchien, Gefäße
55 Pleura- und/oder Pericarderguss bei Organbeteiligung
55 paraneoplastische Syndrome: Immunthrombozytopenie,
autoimmunhämolytische Anämie, Polymyositis, nephrotisches
Syndrom

z Diagnostik
55 Labor: BSG-Beschleunigung, CRP oft ↑, LDH meist nicht oder
nur gering erhöht
55 Serologie zum Ausschluss infektiöser Lymphadenitis
55 Assoziation zu EBV-Infektion
55 bildgebende Untersuchungen
44Sonographie aller peripheren Lymphknotenregionen
(cervikal, supraclavikulär, axillär, inguinal)
44Sonographie des Abdomens (Leber, Milz, Lymphknoten)
44Röntgenaufnahme des Thorax in 2 Ebenen
44Kernspintomographie Hals/Thorax/Abdomen
4418FDG-Positronenemissionstomographie (PET)
55 Stadieneinteilung . Tab. 7.7.
55 Diagnosesicherung durch Biopsie repräsentativer
Lymphknoten
55 WHO-Klassifikation . Tab. 7.8

z Therapie
55 gemäß aktuellen Empfehlungen der Hodgkin- Lymphom-Stu-
diengruppe der GPOH
55 Kombinationschemotherapie: OEPA; COPDAC
(Vincristin, Prednison, Etoposid, Adriamycin, Dacarbazin,
Cyclophosphamid)
228 Kapitel 7 · Tag 3: Hämatologie und Onkologie

. Tab. 7.8  WHO-Klassifikation des Hodgkin-Lymphoms

Gruppe Untergruppe Inzidenz

Noduläres lymphozytenprädominantes Hodgkin-Lymphom Selten


(NH-PH-Lymphom)
Klassisches Hodgkin-Lymphom (CHL) Lymphozytenreicher Typ 1 %
Nodulär sklerosierender Typ 1/2 68 %
Mischtyp 21 %
Lymphozytenarmer Typ 1 %

! Cave enge Nachsorge nach 55 Vermeidung von Zytostatika mit hohem Potenzial für Spätfolgen
Bestrahlung wegen erhöhtem (Procarbazin → Infertilität)
7 Risiko u. a. für Mammakarzinom, 55 Bestrahlung in Form einer involved field Bestrahlung in
Kardiomyopathie, Abhängigkeit von Response in der PET und im MRT nach 2
Lungenfibrose, Chemotherapiekursen
Schilddrüsenkarzinom! 55 Prognose: >90 % Langzeitüberleben

7.7.2 Non-Hodgkin-Lymphome (NHL)

55 Gruppe maligner Erkrankungen des lymphatischen Systems mit


der Tendenz zur Generalisierung in das Knochenmark (KM) und
das Zentralnervensystem (ZNS)
55 7 % der malignen Erkrankungen des Kindes- und Jugendalters
55 Inzidenz 0,8/100.000 Kinder unter 15 Jahre
55 typische NHL im Kindesalter
44lymphoblastische Lymphome, ausgehend von unreifen
Vorläufer-T- und -B-Zellen
44reife B-Zell-Lymphome (Lymphome reifer peripherer
B-Zellen)
44großzellig anaplastische Lymphome (ALCL)
44diffus großzellige B-Zell-Lymphome (DLBCL)
55 im Jugendalter wechselt das Spektrum zunehmend zu den im
Erwachsenenalter typischen Entitäten

z Klinik
55 abhängig von Lokalisation der Lymphome
55 schmerzlose Lymphknotenschwellung
55 Husten, Stridor, Halsvenenstauung bei mediastinalem Befall
55 Bauchschmerzen, Invagination, Ileus bei abdominellem Befall
55 Hirnnervenlähmungen, Kopfschmerzen bei ZNS-Befall
55 Allgemeinsymptome: Fieber, Abgeschlagenheit
55 Stadieneinteilung . Tab. 7.9
7.8 · Maligne solide Tumoren
229 7

. Tab. 7.9  Stadieneinteilung der Non-Hodgkin-Lymphome nach Murphy

Stadium Beschreibung
Stadium I Einzelner nodaler oder extranodaler Tumor ohne lokale Ausbreitung
Stadium II Mehrere nodale oder extranodale Manifestationen auf derselben Seite des Zwerchfells
Stadium III Lokalisation auf beiden Seiten des Zwerchfells, alle thorakalen Manifestationen, nicht-resektable
abdominelle Tumoren
Stadium IV Befall des Knochenmarks (<25 % Blasten) und/oder des ZNS

Ab einem Blastenanteil von >25 % im Knochenmark wird die Erkrankung als ALL bezeichnet.

z Diagnostik
55 Labor: bei Knochenmarkbefall ggf. Panzytopenie; BSG ↑, LDH ↑
55 Biopsie von Lymphknoten, Tumorgewebe, Knochenmark
55 Zytomorphologie, Histologie, Immunhistologie, Zyto- und
Molekulargenetik
55 zytologische Untersuchung von Körperhöhlenergüssen
55 Ausbreitungsdiagnostik: MRT der betroffenen Lymphknoten,
Lumbalpunktion

z Therapie
55 Kombinationschemotherapie gemäß Empfehlungen der GPOH
getrennt nach NHL-Typ (lymphoblastisches T-/B-precur-
sor-NHL, ALCL, B-NHL)
55 kraniale Bestrahlung bei ZNS-Befall

7.8 Maligne solide Tumoren

7.8.1 Neuroblastom

55 häufigster extrakranieller solider Tumor des Kindesalters


55 Erkrankungsalter: 40 % im ersten Lebensjahr; 90 % <6 Jahre
55 geht von embryonalen sympathischen Neuroblasten des Neben-
nierenmarks oder des sympathischen Grenzstrangs aus
55 Lokalisation abdominal > thorakal > zervikal
55 spontane Tumorregression, Tumorausreifung möglich
55 aber : in 50 % bereits Metastasen (am häufigsten Knochenmark,
Knochen, Lymphknoten, Leber, Haut) zum Diagnosezeitpunkt
nachweisbar

z Klinik
55 Allgemeinsymptome
44Fieber, Gewichtsverlust
230 Kapitel 7 · Tag 3: Hämatologie und Onkologie

. Tab. 7.10  Stadieneinteilung des Neuroblastoms

Stadium Charakteristika Prognose


(Langzeitüberleben)

Stadium 1 Lokalisierter Tumor, makroskopisch komplette Entfernung 80–100 %


Stadium 2 Lokalisierter Tumor, makroskopisch inkomplett entfernt, ipsilaterale LK 80–100 %
positiv/negativ
Stadium 3 Nicht resektabler Tumor mit Überschreiten der Mittellinie; Variabel
Mittellinientumor 20–90 %

Stadium 4 Dissemination in Fernlymphknoten, Knochen, Knochenmark, Haut, 30–40 %


Leber, andere Organe
Stadium 4S Lokalisierter Primärtumor des Säuglingsalters mit Dissemination in 80 %
Haut, Leber, Knochenmark

55 abdominal
44Bauchschmerzen
44tastbare Raumforderung
55 zervikal/thorakal
44Horner-Syndrom
44Husten, Stridor
44Dysphagie
55 Querschnittslähmung (bei intraspinalem Tumor oder
Sanduhrtumor)
55 Knochenschmerzen (bei ossären Metastasen)
55 Anämie, Thrombozytopenie (bei Knochenmarkinfiltration)
55 Stadieneinteilung . Tab. 7.10

z Diagnostik
55 Labor: LDH, Ferritin, neuronenspezifische Enolase (erhöht)
55 Bestimmung von Katecholaminmetaboliten (Vanillinmandel-
säure, Homovanillinsäure) im Urin
55 Bildgebung (Sonographie, MRT)
55 Knochenmarks-Zytologie (zytologischer Nachweis von Neuro-
blastom-Zellnestern; immunologisch Nachweis von GD2-posi-
tiven Zellen im KM, neuroblastomspezifische RT-PCR
55 MiBG (131IMetajodobenzyl-Guanidin)-Szintigraphie (Anrei-
cherung des Radionuklids in Primärtumor und Metastasen
(Knochen, Knochenmark, Lymphknoten)
55 histopathologische Diagnostik:
44Histologie in Deutschland entsprechend Grading-System von
Hughes; international nach INPC-Klassifikation
44molekulargenetische Untersuchungen zum Nachweis von
MYC-N und von Veränderungen an Chromosom 1p
7.8 · Maligne solide Tumoren
231 7
55 prognostisch ungünstige Risikofaktoren:
44Alter bei Diagnose >1 Jahr
44Erkrankungsstadium IV
44Molekulare Marker: MYC-N-Amplifikation, 1p-Deletion

z Therapie
55 in Deutschland gemäß Empfehlungen der Neuroblastomstudie
der GPOH (NB 2004)
55 Beobachtung:
44im Stadium 1–2, 3 (< 2 Jahre), 4S
44nach Ausschluss molekulargenetischer Risikofaktoren
55 Operation
55 Biopsie zur histopathologischen Diagnosesicherung und
molekulargenetischen Risikostratifizierung
55 Resttumorentfernung nach Chemotherapie
55 Chemotherapie
55 entsprechend dem Tumorstadium (NB 2004):
44Hochdosischemotherapie mit autologer Stammzelltransplan-
tation im Stadium IV
44bei MYC-N-amplifizierten Tumoren
55 MIBG-Therapie (intravenöse Infusion von 131J-MIBG, das von
Tumorzellen aufgenommen wird; durch beim Zerfall emittierte
Betateilchen erfolgt eine lokale Bestrahlung der Tumorherde)
55 perkutane Bestrahlung
55 Differenzierungstherapie mit 13-cis-Retinolsäure als
Dauertherapie
55 Immuntherapie mit anti-GD2-Antikörper

7.8.2 Nephroblastom (Wilms-Tumor)

55 häufigster Nierentumor des Kindesalters


55 Mischtumor der Niere mit blastemischer, epithelialer, mesenchy-
maler Komponente
55 typisches Erkrankungsalter 1.–4. Lebensjahr
55 assoziierte Fehlbildungen
44Hemihypertrophie-Syndrome
44Aniridie ! Cave Patienten mit Risikofaktoren
44urogenitale Fehlbildungen sollten regelmäßig klinisch
55 Genetik: in 10–30 % Deletion WT1-Gen (Chromosom 11p13) und sonographisch untersucht
55 in 5 % bilaterales Auftreten werden.

z Klinik
55 Zufallsbefund bei Vorsorgeuntersuchung (10 %)
55 asymptomatischer sicht-/tastbarer abdomineller Tumor (50 %)
55 Bauchschmerzen, Hämaturie (30 %)
55 Hypertonus (10 %)
232 Kapitel 7 · Tag 3: Hämatologie und Onkologie

. Tab. 7.11  Postoperative Stadieneinteilung des Nephroblastoms

Stadium I Tumor auf Niere beschränkt, kein Kapseldurchbruch,


vollständig entfernt
Stadium II Tumor überschreitet die Niere, vollständig entfernt
Stadium III Unvollständige Tumorentfernung, lokale
Lymphknotenmetastasen
Tumorruptur
Stadium IV Fernmetastasen (Lunge, Leber, Knochen, Gehirn)
Stadium V Bilateraler Tumor

z Diagnostik
55 Labor: BSG ↑, LDH ↑, kein spezifischer Tumormarker
7 55 Ultraschall
55 Schnittbildgebung Abdomen: Kernspintomographie
55 Röntgen-Thorax in 2 Ebenen (pulmonale Metastasen?), ggf.
CT – Thorax

z Therapie
55 in Deutschland entsprechend den Richtlinien der GPOH/
SIOP-Therapiestudie
55 Einteilung in low risk; intermediate risk und high risk nach
Histologie
55 präoperative Chemotherapie mit Vincristin, Actinomycin D und
ggf. Doxorubicin zur Verbesserung der Operabilität
55 operative Tumorresektion (in der Regel Tumor-Nephrektomie
und Lymphknotenrevision)
55 postoperative Stadieneinteilung . Tab. 7.11
55 postoperative Chemotherapie gemäß Tumorstadium und
Histologie:
44in niedrigen Stadien VCR, ACT-D; in höheren Stadien
zusätzlich Adriamycin, Carboplatin, Etoposid,
Cyclophosphamid
55 Risikohistologie: Anaplasie, blastemreicher Tumor nach
Chemotherapie
55 Strahlentherapie nach Histologie und lokalem Stadium zum
Zeitpunkt der Operation:
44bei intermediärer Malignität erst ab lokalem Stadium III
44bei hoher Malignität ab lokalem Stadium II
44bei Tumorruptur Bestrahlung des gesamten Abdomens
44Lungenbestrahlung bei chemotherapeutisch und operativ
nicht erreichter Remission der Lungenmetastasen oder bei
histologisch nachgewiesener Anaplasie
55 Prognose: 80–90 % Langzeitüberleben für lokalisierte Stadien
ohne high risk-Histologie
7.8 · Maligne solide Tumoren
233 7

. Tab. 7.12  Postoperative Stadieneinteilung des Rhabdomyosarkoms

Stadium I Tumor komplett entfernt, kein mikroskopischer Rest


Stadium II Tumor komplett entfernt, mikroskopischer Rest
Stadium III Makroskopischer Rest bei primärer Biopsie oder Teilresektion
Stadium IV Fernmetastasen bei Diagnose

7.8.3 Rhabdomyosarkom

55 Weichteilsarkome sind der dritthäufigste solide Tumor des


Kindesalters
55 entstehen aus Vorläuferzellen der Weichgewebe (Muskel-, Fett-,
Bindegewebe)
55 häufigster Weichteiltumor im Kindesalter
55 5 % aller kindlichen Malignome
55 Altersgipfel 2.–5. und 15.–19. Lebensjahr
55 histologischer Ursprung quergestreifte Muskulatur
55 Lokalisation:
44Kopf/Hals 46 %
44urogenital, Blase/Prostata 28 %
44Extremitäten 8 %

z Klinik
55 abhängig von Lokalisation
55 Protrusio bulbi, Lidschwellung, verlegte Nasenatmung (Kopf/
Hals)
55 Tumorschwellung, Schmerzen (Extremitäten)
55 Bauchschmerzen, Dysurie, Hämaturie, Harnverhalt (Retroperi-
toneum; urogenital, Prostata)

z Diagnostik
55 Sonographie, Kernspintomographie (Primärtumorregion)
55 Ausbreitungsdiagnostik: Röntgen-Thorax; CT/MRT-Schädel;
Skelettszintigraphie; Knochenmarkbiopsie
55 Stadieneinteilung . Tab. 7.12
55 histopathologische Untersuchung:
44embryonales RMS (prognostisch günstig)
44alveoläres RMS (prognostisch ungünstig), Zytogenetik t(2;13),
t(1;13)
55 Risikofaktoren:
44Alter >10 Jahre
44inkomplette Resektion
44Tumorgröße >5 cm
44Lokalisation: parameningeal, Blase, Prostata, Extremitäten
44alveoläres RMS
234 Kapitel 7 · Tag 3: Hämatologie und Onkologie

z Therapie
55 in Deutschland gemäß Empfehlungen der CWS-Studie der
GPOH
55 neoadjuvante Chemotherapie
55 Lokaltherapie (Operation, Strahlentherapie)
55 postoperative Chemotherapie (risikoadaptiert)

z Prognose
55 abhängig von Tumorstadium und Histologie
55 >80 % Langzeitüberlebensrate für Stadium I und günstige
Histologie
55 10–30 % Langzeitüberlebensrate für primäres Stadium IV

7.8.4 Osteosarkom
7
55 häufigster primärer maligner Knochentumor im Kindes- und
Jugendalter
55 Erkrankungsgipfel im 2. Lebensjahrzehnt
55 entsteht meist in der Metaphyse der langen Röhrenknochen
55 typische Lokalisation: Femur 49 %, Tibia 26 %, Humerus 10 %
55 Metastasierung: Lunge, Knochen

z Klinik
55 oft lange Anamnese
55 Schmerzen, Tumorschwellung, Funktionseinschränkung
55 pathologische Fraktur

z Diagnostik
55 Nativröntgenaufnahme:
44osteosklerotische und osteolytische Veränderungen
44Periostabhebung = Codman-Dreieck
44Skip-lesions
55 Kernspintomographie
55 Dreiphasen-Skelettszintigraphie
55 CT-Thorax (Lungenmetastasen ?)
> Memo Zum 55 Biopsie zur histopathologischen Diagnosesicherung
Diagnosezeitpunkt 55 Histopathologie: chondroblastisch, fibroblastisch, osteoblastisch,
muss bei allen Patienten teleangiektatisch, kleinzellig
auch bei negativer 55 Molekulargenetik
Ausbreitungsdiagnostik 44Inaktivierung der Tumorsuppressorgene RB1 (Retinoblas-
vom Vorhandensein von tomgen); TP53
Mikrometastasen ausgegangen 44Überexpression von Onkogenen (c-fos; c-myk)
werden! 44Überexpression von Wachstumsfaktoren (u. a. TGF β)

z Therapie
55 erfolgt in Deutschland gemäß COSS Therapiestudie der GPOH
55 präoperative neoadjuvante Chemotherapie
7.8 · Maligne solide Tumoren
235 7

. Tab. 7.13  Einteilung nach Salzer-Kuntschik

Regressionsgrad 1 Keine vitalen Tumorzellen


Regressionsgrad 2 Einzelne vitale Tumorzellen oder Zellcluster
0,5 cm
Regressionsgrad 3 Vitaler Tumor <10 % der Gesamttumormasse
Regressionsgrad 4 Vitaler Tumor 10–50 %
Regressionsgrad 5 Vitaler Tumor >50 %
Regressionsgrad 6 Kein Chemotherapieeffekt

55 operative Lokaltherapie abhängig von Tumorlokalisation


55 möglichst extremitätenerhaltend:
44Endoprothese
44Umkehrpastik (Borggreve-Plastik)
44Amputation (selten)
44Metastasenchirurgie
55 Bestrahlung als Lokaltherapie nur bei Inoperabilität zu erwägen
55 postoperative Chemotherapie
55 Prognose: Langzeitüberleben 70 %
55 abhängig von:
44Resektionsgrad (ungünstig bei Tumorrest)
44Metastasen
44Regressionsgrad des Tumors nach präoperativer Chemothe-
rapie nach Salzer-Kuntschik (. Tab. 7.13.)

7.8.5 Ewing-Sarkom

55 zweithäufigster primärer maligner Knochentumor des Kindes-


und Jugendalters
55 Altersgipfel 2. Lebensjahrzehnt
55 Lokalisation: 50 % Extremitäten, 25 % Becken, 25 % Thorax
55 Metastasierung (25 % bei Diagnosestellung): v.a. in Lunge,
Knochen, Knochenmark

z Klinik
55 unspezifisch, abhängig von der Lokalisation
55 Schmerzen
55 Schwellung
55 Funktionsverlust

z Diagnostik
55 Primärtumor: Nativ-Röntgen (Zwiebelschalenmuster),
Kernspintomographie
55 Biopsie zur histopathologischen Diagnosesicherung
55 Histologie/Molekulargenetik:
236 Kapitel 7 · Tag 3: Hämatologie und Onkologie

44klein-, blau-, rundzelliger Tumor (wie Neuroblastom,


Rhabdomyosarkom, Non-Hodgkin-Lymphom)
! Cave Ewing-Tumoren 44Expression von CD99
müssen auch bei fehlendem 44t(11;22)(q24;q12)
apparativem Nachweis einer 55 Ausbreitungsdiagnostik:
Metastasierung als systemische 44CT-Thorax, Skelettszintigraphie, PET
Erkrankung angesehen werden! 44Knochenmarkaspiration/-biopsie

z Therapie
55 gemäß Empfehlungen der Ewing-2008 Therapiestudie der
GPOH
55 präoperative neoadjuvante Kombinationschemotherapie
55 Lokaltherapie:
44Operation (abhängig von Tumorlokalisation)
44und/oder Bestrahlung
7 55 postoperative Chemotherapie entsprechend initialer
Tumorgöße, Resektabilität und histologischem Tumor-
ansprechen, ggf. Hochdosischemotherapie mit autologer
Stammzelltransplantation
55 Prognose: 70 % Langzeitüberleben bei lokoregionaler
Erkrankung

7.8.6 Maligne Lebertumoren

55 1 % aller kindlichen Malignome


55 Hepatoblastom (HB):
44Erkrankungsalter: 6 Monate bis 3 Jahre
44embryonaler Tumor, Entstehung aus unreifen Stammzellen
der Leber
44Molekulargenetik: Allelverluste Chromosom 11p15.5; 1p;1q
44Assoziation mit Hemihypertrophiesyndrom, Wiedemann-
Beckwith-Syndrom, familiärer adenomatöser Polyposis (FAP),
extremer Frühgeburtlichkeit
44Metastasierung erst bei fortgeschrittener Erkrankung
55 hepatozelluläres Karzinom (HCC):
44Erkrankungsalter: Schulkinder und Jugendliche
44Assoziation: Tyrosinämie, Alagille-Syndrom, Ataxia telean-
giectatica, Fanconi-Anämie
44häufigste Ursache (Asien, Afrika, Südamerika): frühe
Hepatitis-B/C-Infektion
44aggressives multifokales Wachstum, frühe Metastasierung

z Klinik
55 Bauchschmerzen, Gewichtsverlust, Erbrechen
55 sicht-/ tastbare Raumforderung
55 Ikterus
7.8 · Maligne solide Tumoren
237 7
z Diagnostik
55 Labor: α1-Fetoprotein (AFP) ↑↑, Laktatdehydrogenase ↑,
Ferritin ↑
55 AFP als Verlaufsparameter unter Therapie geeignet
55 Bildgebung:
44Primärtumor: Sonographie, Kernspintomographie Abdomen
44Ausbreitungsdiagnostik: Röntgen/CT-Thorax,
Skelettszintigraphie
55 Biopsie zur histologischen Diagnosesicherung
55 Memo: bei Kindern zwischen 6 Monaten und drei Jahren mit
AFP > 1.000 ng/ml bzw. > 3 x Altersnorm ist keine Biopsie zur
Diagnosesicherung notwendig.
55 Stadieneinteilung: nach PRETEXT (pretreatment extension)
Eingruppierungssystem der Lebertumorstudiengruppe der SIOP:
44Standardrisiko: Tumor auf die Leber beschränkt, nicht alle
chirurgischen Sektoren betroffen (PRETEXT I,II,III)
44Hochrisiko : alle 4 Sektoren betroffen (PRETEXT IV);
Fernmetastasen, Gefäßeinbruch

z Therapie
55 Hepatoblastom:
44primäre Operation bei kleinen Tumoren
44ggf. neoadjuvante Chemotherapie und postoperative
Chemotherapie
44ggf. Lebertransplantation bei nicht resektablem Tumor
55 hepatozelluläres Karzinom:
44im Gegensatz zum HB schon initial radikale Resektion > Memo Konsequente Hepatitis-
anzustreben! B-Impfung konnte in Asien die
44fragliches Ansprechen auf Chemotherapie Inzidenz des HCC senken!
44Überlebensverlängerung durch Einsatz von
Tyrosinkinasehemmern
44interventionelle Therapieverfahren (Chemoembolisierung,
Hochfrequenzablation; wenig Erfahrung bei pädiatrischen
Patienten)

7.8.7 Retinoblastom

55 häufigster maligner intraokulärer Tumor des Kindesalters


55 2 % aller Malignome des Kindesalters
55 Erkrankungsalter: Säuglinge und Kleinkinder
55 60 % unilaterales, 40 % bilaterales Auftreten (simultan oder
konsekutiv)
55 unilaterale Erkrankung: sporadisch 90 %, Keimbahnmutation in
10 %
55 bilaterale Erkrankung: immer Keimbahnmutation vorliegend
55 Genetik:
238 Kapitel 7 · Tag 3: Hämatologie und Onkologie

44Tumor entsteht durch Verlust beider Allele des Retinoblas-


tomgens RB1 (Chromosom 13q14) in einer Retinazelle
44Verlust des 1. Allels kann konstitutionell vererbt werden oder
als de-novo-Mutation in der Gametogenese auftreten
442. Allelverlust in der Retinazelle → hereditäres RB
44beide Allelverluste in der Retinazelle → sporadisches RB

z Klinik
55 Leukokorie, „amaurotisches Katzenauge“ (= weißer Lichreflex
der Pupille)
55 neu aufgetretenes Schielen
55 Schmerzen durch Sekundärglaukom

z Diagnostik
! Cave Biopsie zur 55 indirekte Ophthalmoskopie
7 Diagnosesicherung ist 55 Sonographie von Bulbus und Orbita
kontraindiziert! 55 Kernspintomographie kranial (extraokuläres Wachstum,
ZNS-Metastasen)

z Therapie
55 in Deutschland gemäß den Empfehlungen der Retinoblastom-
studie der GPOH
55 Operation
44Enukleation großer Tumoren, wenn kein Visuserhalt möglich
44Kryotherapie/Photokoagulation bei kleinen Tumoren
55 perkutane Bestrahlung
44wenn großer oder multifokaler TU, aber Restvisuserhalt
möglich
! Cave Bei hereditärem RB 55 Chemotherapie
wird die Langzeitprognose 44bei Einbruch in Sklera, N. opticus, Aderhaut oder zur Verklei-
durch die hohe Rate nerung intraokulärer Tumoren, um Lokaltherapie zu ermöglichen
an Zweitmalignomen, und Enukleation oder perkutane Bestrahlung zu vermeiden
insbesondere nach Radiatio 44bei hämatogener Metastasierung oder Metastasierung ins ZNS
bestimmt. Häufigster 44ggf. Hochdosischemotherapie mit Stammzelltransplantation
Zweittumor ist das 55 Prognose: bei rein intraokulärem Tumor nahezu 100 %
Osteosarkom. Langzeitüberleben

7.8.8 Keimzelltumoren

55 heterogene Gruppe von Tumoren


55 3–4 % aller kindlichen Malignome
55 Ursprung: totipotente primordiale Keimzelle
55 Lokalisation: Keimdrüsen oder Mittellinien-nah (ZNS, Media-
stinum, Steißbein)
55 Erkrankungsalter:
7.8 · Maligne solide Tumoren
239 7

. Tab. 7.14  Einteilung der Keimzelltumoren nach Alter, Lokalisation und Histologie

Alter Lokalisation Histologie

Säugling Hoden, Ovar Teratom (TER), Dottersacktumor (YST)


Kleinkind Extragonadal
Jugendliche Hoden TER, Germinom (G), embryonales Karzinom (EC), YST,
Chorionkarzinom (CHC)
Jugendliche Ovar TER, G, EC, YST, CHC
Jugendliche Extragonadal TER, G, EC, YST, CHC

44Säuglings-/Kleinkindalter: reife/unreife Teratome;


Dottersacktumoren
44später: Seminome (Hoden), Dysgerminome (Ovar),
Germinome (ZNS)
44selten: Choriokarzinom, embryonales Karzinom

z Klinik
55 abhängig von der Lokalisation z. B.:
44Kopfschmerzen, endokrine Ausfälle
44Husten, Dyspnoe
44Bauchschmerzen, Obstipation
44tastbarer Bauchtumor
44schmerzlose Hodenschwellung

z Diagnostik
55 Tumormarker: ! Cave AFP ist im ersten
44α1-Fetoprotein (AFP) ↑↑ bei Dottersacktumor Lebensjahr physiologisch
44β-HCG ↑↑ bei Chorionkarzinom erhöht. Lebererkrankungen/
55 Bildgebung: Schwangerschaft als Ursache
44Sonographie einer AFP-Erhöhung müssen
44MRT/CT (lokalisationsspezifisch) ausgeschlossen sein.
55 Ausbreitungsdiagnostik (Rö-/CT Thorax)
55 ggf. Biopsie zur histologischen Diagnosesicherung
55 Einteilung . Tab. 7.14

z Therapie
55 in Deutschland gemäß den Empfehlungen der MAKEI-Studie der > Memo Bei typischer Lokalisa-
GPOH tion, typischer Bildgebung und
55 Operation, ggf. nach präoperativer Chemotherapie Nachweis von Tumormarkern ist
55 „Wait-and-see“-Strategie bei gonadalen Tumoren/niedrigem die histologische Diagnosesiche-
Stadium rung entbehrlich.
55 postoperative Chemo-,(selten) Strahlentherapie je nach Histo-
logie und Tumorstadium
240 Kapitel 7 · Tag 3: Hämatologie und Onkologie

7.9 Tumoren des Gehirns und des Spinalkanals

55 häufigste solide Tumorerkrankung bei Kindern und Jugendlichen

7.9.1 Astrozytome

Gliome WHO Grad I und II


55 30–40 % der intrakraniellen Tumoren im Kindesalter
55 jährlich 170 Neuerkrankungen in Deutschland
55 medianes Erkrankungsalter 6–11 Jahre
55 können in allen Teilen des ZNS entstehen
55 25 % im Kleinhirn lokalisiert
55 häufigste Diagnose ist pilozytisches Astroztom (WHO I°)
55 Assoziation mit Neurofibromatose Typ 1 und 2 (NF1 und NF2),
7 tuberöser Sklerose, Li-Fraumeni-Syndrom

z Klinik
! Cave 15–20 % der NF1- 55 abhängig von der Lokalisation
Patienten erkranken an einem 55 Kopfschmerzen, Erbrechen (Hirndruck)
niedriggradigen Gliom, meist 55 Sehstörungen, Protrusio bulbi
Sehbahngliom. 55 endokrinologische Ausfälle
55 dienzephales Syndrom (Erbrechen, Gedeihstörung)
55 Hirnnervenausfälle
55 Ataxie, Tremor
55 Krampfanfälle

z Diagnostik
55 Labor: endokrinologische Diagnostik
55 Visusbestimmung, Gesichtsfeld, Funduskopie
55 EEG
55 Kernspintomographie

z Therapie
55 in Deutschland entsprechend den Empfehlungen der
! Cave Strahlentherapie Hirntumorstudie HIT-LGG („low grade glioma“) der
insbesondere bei NF1 Patienten GPOH
wegen Risiko für Zweittumoren 55 Operation/Biopsie: komplette Tumorentfernung oft möglich
und Gefäßerkrankungen (Ausnahme: supratentorielle Mittellinie, Hirnstamm)
möglichst vermeiden! 55 Beobachtung
55 Bei Progress/Funktionsstörung:
44Chemotherapie <8 Jahre oder
44Bestrahlung bei älteren Kindern

Höhergradige Gliome (WHO Grad III/IV)


55 Tumoren glialen Ursprungs mit histologisch hoher Malignität:
44anaplastisches Astrozytom WHO-Grad III
7.9 · Tumoren des Gehirns und des Spinalkanals
241 7
44Oligodendrogliom
44Glioblastoma multiforme WHO-Grad IV
55 oder ungünstigem klinischem Verlauf (Hirnstamm-, Ponsgliom,
Gliomatosis cerebri)
55 15 % der pädiatrischen Hirntumorerkrankungen
55 Risikofaktoren:
44vorausgegangene ZNS-Bestrahlung (ALL-/
Hirntumortherapie)
44vorausgegangene Behandlung mit Antimetaboliten

z Klinik
55 kurze Anamnese
55 Hirndrucksymptomatik (Kopfschmerzen, Erbrechen, Apathie)
durch infiltratives Tumorwachstum mit Begleitödem
55 Lokalisation in der Großhirnrinde → Krampfanfälle, motorische/
sensorische Ausfälle
55 Hirnstammgliom → Hirnnervenausfälle, Hemiparese, Ataxie
55 Hirndrucksymptome durch Verschlusshydozephalus

z Diagnostik
55 Kernspintomographie kranial/spinal ! Cave Zur Diagnose eines
55 Liquorzytologie (seltene multifokale Erkrankung, leptomenin- Hirnstammglioms genügen
geale Aussaat) typische Anamnese, Klinik
55 Histologie und typische Bildgebung;
keine Biopsie wegen hohem
z Therapie Blutungsrisiko!
55 in Deutschland entsprechend HIT-HGG Studie der GPOH
55 möglichst vollständige Tumorresektion (Ausnahme
Hirnstammgliom)
55 simultane Radio-Chemotherapie
55 Erhaltungs-Chemotherapie
55 experimentelle Therapieansätze werden in kontrollierten Studien
geprüft

7.9.2 Primitive neuroektodermale Tumoren (PNET)

55 embryonaler Hirntumor
55 Entstehung aus wenig differenzierten neuroepithelialen Zellen
55 Lokalisation
44supratentoriell = ZNS-PNET
44infratentoriell = Medulloblastom WHO-Grad IV
44Medulloblastom:
–– häufigster maligner Hirntumor im Kindes- und
Jugendalter
–– Lokalisation hintere Schädelgrube,
Kleinhirnwurm/-hemisphären
–– Metastasierung über den Liquorweg
242 Kapitel 7 · Tag 3: Hämatologie und Onkologie

–– Risikofaktoren junges Alter, Resttumor postoperativ,


Metastasen → prognostisch ungünstig
–– Histologie desmoplastisch (günstig), Standard, anaplastisch
(ungünstig)

z Klinik
55 Hirndrucksymptome (Kopfschmerzen, Nüchternerbrechen)
55 Hirnnervenausfälle
55 Ataxie

z Diagnostik
55 Schädelsonographie (bei Säuglingen)
55 Kernspintomographie kranial
55 Kernspintomographie spinal (Abtropfmetastasen)
55 Liquorzytologie
7
z Therapie
55 in Deutschland gemäß HIT-Studie der GPOH
44> 4 Jahre: Operation → kraniospinale Bestrahlung →
Erhaltungschemotherapie
44< 4 Jahre: Operation → systemische und intraventrikuläre
Chemotherapie → Bestrahlung, lokal, nur bei Pat. >18 Monate
und ungünstiger Histologie
55 Prognose: Langzeitüberleben von Patienten ohne Metastasen
zum Diagnosezeitpunkt 79 %

7.9.3 Kraniopharyngeom

55 niedrigmaligner intrakranieller embryonaler Fehlbildungstumor


aus Überresten der Rathkeschen Tasche
55 Erkrankungsalter 5–10 Jahre
55 Lokalisation intra-/supra-/perisellär mit Nähe zu Hypophyse,
Hypothalamus, Chiasma opticum
55 Histologie: meist adamantinomatös mit Zystenbildung

z Klinik
55 Kopfschmerzen, Sehstörungen
55 endokrine Ausfälle:
44Pubertas praecox, Pubertas tarda
44Wachstumsstörung
44Hypothyreose
44Diabetes insipidus

z Diagnostik
55 Labor: endokrinologische Untersuchungen
55 Visusbestimmung, Funduskopie
7.9 · Tumoren des Gehirns und des Spinalkanals
243 7
55 Kernspintomographie
55 ggf. Computertomographie (Verkalkungen?)

z Therapie
55 möglichst vollständige Resektion
55 bei Progression nach partieller Resektion/Biopsie, ggf. perkutane
Bestrahlung
55 Problem Spätfolgen:
44Visus-/Gesichtsfeldeinschränkung
44endokrine Ausfälle (Diabetes insipidus, Wachstumshormon-
mangel, z. T. Panhypopituitarimus)
44hypothalamische Essstörung mit erheblicher Adipositas
44gestörter Tag-/Nachtrhythmus, emotionale Labilität,
Gedächtnisstörung

7.9.4 Ependymom

55 langsam wachsender Tumor


55 geht von der ependymalen Auskleidung der Ventrikelwände und
des Zentralkanals aus
55 8–12 % aller Tumoren des ZNS im Kindesalter
55 50 % bei Kindern unter 5 Jahren
55 90 % intrakraniell, 60 % in der hinteren Schädelgrube
55 30 % anaplastische Ependymome (WHO-Grad III/IV)

z Klinik
55 abhängig von Alter und Lokalisation

z Diagnostik
55 Kernspintomographie
55 Liquordiagnostik
55 Histologie

z Therapie
55 Operation
55 adjuvante Bestrahlung bei inkompletter Resektion
55 sowie adjuvante Chemotherapie bei anaplastischem Subtyp
55 Prognose: 70 % Langzeitüberleben bei kompletter Resektion;
32 % bei inkompletter Resektion

7.9.5 Spinale Tumoren

55 im Kindesalter selten
55 1–6 % aller ZNS-Tumoren
55 überwiegend histologisch benigne (. Tab. 7.15.)
244 Kapitel 7 · Tag 3: Hämatologie und Onkologie

. Tab. 7.15  Lokalisation und Histologie von spinalen Tumoren

Tumorlokalisation Histologie

Extradural Neurinome/Schwannome, Neuroblastome


Intradural extramedullär Ependymome, Meningeome,
Abtropfmetastasen
Intradural intramedullär Gliome

z Klinik
55 abhängig von Höhenlokalisation und der Beziehung zu
Nervenwurzeln:
44Schmerzen
44motorische Störungen
7 44Dysästhesien
44Störung der Sphinkterfunktionen
> Memo Sekundär
in den Spinalkanal z Diagnostik
einwachsende Tumoren 55 Kernspintomographie
(Neuroblastome, Ewing- 55 ggf. Liquorzytologie
Sarkome, parameningeale
Weichteilsarkome, Non- z Therapie
Hodgkin-Lymphome) sind 55 Tumorresektion (extraduraler/extraspinaler Tumor)
häufiger als primär intraspinale 55 Biopsie bei intramedullärem Tumor
Tumoren! 55 Chemotherapie- oder Bestrahlung entsprechend der Histologie
245 8

Tag 3: Rheumatologie
und Immunologie
N. Wagner

8.1 Rheumatologie – 246


8.1.1 Juvenile idiopathische Arthritis (JIA) – 246
8.1.2 Kollagenosen – 247
8.1.3 Vaskulitiden – 251
8.1.4 Reaktive Arthritis – 254
8.1.5 Rheumatisches Fieber – 255

8.2 Angeborene Immundefekte – 256


8.2.1 Allgemeines – 256
8.2.2 Schwere kombinierte Immundefekte – 258
8.2.3 X-chromosomal vererbte Agammaglobulinämie – 259
8.2.4 Wiskott-Aldrich-Syndrom – 260
8.2.5 Septische Granulomatose – 261

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2017


B. Karges, N. Wagner (Hrsg.), Pädiatrie in 5 Tagen, Springer-Lehrbuch,
DOI 10.1007/978-3-662-52813-6_8
246 Kapitel 8 · Tag 3: Rheumatologie und Immunologie

8.1 Rheumatologie

8.1.1 Juvenile idiopathische Arthritis (JIA)

55 Arthritis mit Beginn vor dem 16. Geburtstag


55 unklare Ätiologie
55 Klassifikation der juvenilen idiopathischen Arthritis (Interna-
tional League of Associations for Rheumatology 1995):
44systemische Arthritis (M. Still)
44Oligoarthritis
44Rheumafaktor-negative Polyarthritis
44Rheumafaktor-positive Polyarthritis
44Psoriasisarthritis
44Enthesitis-assoziierte Arthritis
44undifferenzierte Arthritis

z Klinik
8 ! Cave schwerkrankes Kind,
Gelenkbeteiligung steht zu
55 bei Oligoarthritis (häufigste Form) vor allem Kniegelenk im
Kleinkindalter betroffen
Beginn nicht im Vordergrund, 55 bei systemischem Verlauf (M. Still) Trias aus anhaltend hohem
imponiert wie Fieber unklarer Fieber, makulöses, wechselndes, lachsfarbenes Exanthem und
Genese. Arthritis
55 Rheumafaktor-positive Polyarthritis (selten) prognostisch
ungünstig

z Diagnostik
55 Gelenkfunktion auffällig: z. B. Greifen, Flaschenöffnen,
Mundöffnung, Rumpfbeuge
55 Hepatosplenomegalie bei systemischem Verlauf
55 Anämie, Thrombozytose (ausgeprägt bei systemischer
Verlaufsform)
55 antinukleäre Antikörper (ANA) bei Oligoarthritis
55 Rheumafaktor-positiv bei wenigen Patienten mit Polyarthritis
55 HLA-B27-Nachweis bei Enthesitis-assoziierter Arthritis
55 sonographisch: Erguss, Synoviaschwellung, sensitiv
55 Röntgen: Veränderungen erst nach langer Krankheitsdauer
55 MRT: Inflammation der Synovia wird zuverlässig und früh
nachgewiesen, sensitiv

z Differenzialdiagnose
! Cave dringliche Diagnose, 55 reaktive Arthritis, z. B. nach Streptokokkeninfekt
da unmittelbar Beginn einer 55 Osteomyelitis; Fieber, hohe Entzündungszeichen, MRT
Antibiose erforderlich. Goldstandard
55 Lyme-Arthritis, Borrelienserologie
55 Kollagenosen
55 Trauma
55 aseptische Knochennekrosen (z. B. im Hüftkopf M. Perthes)
8.1 · Rheumatologie
247 8
55 maligne Erkrankungen: Leukämie, Osteosarkom, Ewing Sarkom,
Neuroblastom
55 hämatologische Erkrankungen: ossärer Infarkt bei
Sichelzellkrise
55 bei Verdacht auf systemischen Verlauf immer Bakteriämie/Sepsis
ausschließen

z Therapie
55 Start mit nichtsteroidalen Antirheumatika, z. B. Naproxen,
Ibuprofen
55 intraartikuläre Injektion von Kortikosteroiden
55 Methotrexat (MTX) bei hoher Aktivität
55 Etanercept (TNF-Antagonist) bei Versagen von MTX
55 bei systemischem Verlauf hochdosiert Kortikosteroide
55 Synovektomie nur noch selten indiziert
55 immer Krankengymnastik, ggf. Hilfsmittelversorgung (Schienen)
und Ergotherapie
55 psychosoziale Unterstützung von Patient und Familie

8.1.2 Kollagenosen

Systemischer Lupus erythematodes (SLE)


55 polygen bedingte, B-Zell-vermittelte Autoimmunerkrankung
unklarer Ätiologie
55 komplementbindende Immunkomplexe verursachen eine
Vaskulitis
55 Anti-Doppelstrang-DNA-Antikörper typisch für SLE
55 wesentliche Zielorgane: Haut, Niere, ZNS
55 beteiligte Gene: HLA, Komplement, Fcγ-Rezeptoren, Apoptose-
vermittelnde Gene, Zytokine
55 Klassifikation des SLE (revidierte Kriterien des American College
of Rheumatology 1997): Nachweis von mindestens 4 von 11
Kriterien erlaubt die Diagnose SLE:
 1. Schmetterlingserythem
  2. diskoide Hautveränderungen
 3. Photosensibilität
  4. orale Ulzeration
 5. Arthritis
  6. Serositis (Pleuritis oder Perikarditis)
  7. Nierenbeteiligung (Proteinurie oder Zellzylinder im Urin)
  8. neurologische Beteiligung (z. B. zerebrale Anfälle, Psychose)
  9. hämatologische Manifestation (hämolytische Anämie,
Leukopenie oder Thrombozytopenie)
10. immunologische Auffälligkeiten (Anti-DNA-Antikörper,
Anti-Sm-Antikörper oder Antiphospholipidantikörper)
11. antinukleäre Antikörper (ANA)
248 Kapitel 8 · Tag 3: Rheumatologie und Immunologie

z Klinik
55 s. Klassifikation (s. oben)
55 zudem Fieber, Allgemeinsymptome, Gewichtsverlust
55 Schmetterlingserythem nur bei ca. 50 %
55 ZNS-Beteiligung in bis zu 40 %
! Cave arterielle Hypertonie. 55 Raynaud-Phänomen, Haarausfall
55 Infektanfälligkeit
> Memo Das Ausmaß der 55 nahezu alle Organe können betroffen sein: z. B. Myokarditis,
Nephritis, der arteriellen Lungenblutung, Pankreatitis
Hypertonie und der ZNS- 55 Lupusnephritis in über 70 %, schwererer Verlauf bei Kindern
Beteiligung ist entscheidend für 55 20 % der Lupusnephritiden gehen in terminale Niereninsuffizienz
die Prognose des SLE. über (. Tab. 8.1)

z Diagnostik
55 Urin: Mikrohämaturie, Proteinurie → Nierenbiopsie
55 Kreatininclearance
55 bei Ödemen an nephrotisches Syndrom denken
8 55 Blutbild: ein oder mehrere Zellreihen vermindert
55 häufige Diskrepanz zwischen deutlich erhöhter BSG und
normalem CRP
55 Echokardiographie zum Ausschluss einer Karditis
55 Röntgen-Thorax zum Ausschluss eines Pleuraergusses
55 ZNS-Symptome wie Zephalgie, Depression, Psychose differen-
zialdiagnostisch schwer einzuordnen, ggf. EEG, MRT (teils wenig
aussagekräftig)
55 wichtig: ANA, ds-DNA-Antikörper,
Antiphospholipidantikörper
55 ggf. Knochenmarkbiopsie zum Ausschluss einer Leukämie

z Differenzialdiagnose
55 zu Beginn gelegentlich schwierig abzugrenzen von M. Still, Sepsis,
Kawasaki-Syndrom oder Leukämie

z Therapie
55 bei leichten Verläufen: Prednison 0,5 mg/kg/d und
Hydroxychloroquin
55 bei schweren Verläufen: Prednison 2 mg/kg/d und Azathioprin
oder Mycophenolatmofetil
55 bei schwersten Verläufen: i.v. Pulssteroidtherapie und
Cyclophosphamid
55 nach Erreichen der Remission immer Prednison reduzieren unter
die Cushing-Schwelle
55 arterielle Hypertonie konsequent behandeln (ACE-Hemmer)
! Cave kongenitaler AV-Block, 55 Sonderform: neonataler Lupus
bereits präpartal auftretend, 44die Mutter leidet an einem SLE
selten aber lebensbedrohlich → 44mütterliche Antikörper werden diaplazentar übertragen und
Schrittmacherimplantation! lösen den neonatalen Lupus aus
8.1 · Rheumatologie
249 8

. Tab. 8.1  WHO-Klassifikation der Lupusnephritis

Nierenläsion Häufigkeit (%)

Typ I Normale Glomeruli  6


Typ II Mesangioproliferative Glomerulonephritis 19
Typ III Fokal-segmentale proliferative 23
Glomerulonephritis
Typ IV Diffuse proliferative Glomerulonephritis 43
Typ V Membranöse Lupusnephritis  9
Typ VI Chronische sklerosierende Glomerulonephritis k.a.

55 Sonderform: medikamenteninduzierter Lupus


44Medikamente wie z. B. Phenytoin, Etanercept oder Interferon
können einen SLE auslösen
44Absetzen des Medikamentes führt innerhalb von Wochen zur
Besserung

Dermatomyositis
55 Entzündliche Bindegewebserkrankung der Haut und der
Muskulatur
55 Immunkomplexvaskulitis häufig nachweisbar
55 Beteiligung des Gastrointestinaltrakts möglich
55 Spätfolge: Calcinosis cutis (kutane und subkutane Kalkeinlagerung)

z Klinik
55 schleichender oder plötzlicher Beginn
55 symmetrische, proximal betonte Muskelschwäche und
-schmerzen, z. B. Schwierigkeiten beim Treppensteigen
55 Fieber, Allgemeinsymptome, Ermüdbarkeit
55 fliederfarbenes (heliotropes), ödematöses Exanthem periorbital
mit Kreuzung der Nasenbrücke
55 pathognomonisch: kleinfleckige, gerötete, makulopa-
pulöse Effloreszenzen auf den Extensorenseiten der
Extremitäten = Gottron-Papeln
55 teleangiektatisch veränderte Kapillare mit Blutungspunkten in
der Nagelfalz
55 Kapillaritis im Nagelbett
55 selten Dyspnoe und Dysphagie bei viszeraler Beteiligung

z Diagnostik
55 Testung der Muskelkraft (0/5: fehlende Muskelkontraktion bis
5/5: aktive Bewegung gegen deutlichen Widerstand)
55 CK-Erhöhung, damit häufig auch Transaminasen und LDH erhöht
250 Kapitel 8 · Tag 3: Rheumatologie und Immunologie

55 normaler CK-Wert schließt Myositis jedoch nicht aus, wenn der


entzündete Muskel klein ist
55 MRT Goldstandard der Diagnostik, EMG obsolet
55 Muskelbiopsie nur notwendig, wenn die o. g. Diagnostik unein-
deutig bleibt
55 Kapillarmikroskopie der Nagelfalz
55 Lungenfunktionstestung und Ösophagusbreischluck bei visze-
raler Beteiligung

z Differenzialdiagnose
55 hereditäre Muskeldystrophien (z. B. Becker) oder -atrophien (z. B.
Werdnig-Hoffmann)
55 Myopathien (z. B. hypokaliämische), Myotonien (z. B.
Curschmann-Steinert)
55 infektiöse oder postinfektiöse Myositis
55 Guillain-Barré-Syndrom

8 z Therapie
55 hochdosierte Kortikosteroidtherapie zu Beginn: Prednison 2 mg/
kg/d oder Pulssteroidtherapie (Methylprednisolon 25 mg/kg/d als
Kurzinfusion für 3 Tage)
55 anschließend sukzessive Reduktion unter die
Cushingschwellendosis
55 bei Steroidabhängigkeit oder -toxizität Gabe von Immunsup-
pressiva: Methotrexat oder Azathioprin
55 intravenöse Immunglobuline sind eine mögliche Alternative, da
diese bei Erwachsenen wahrscheinlich effektiv sind
55 Physiotherapie

Sklerodermie
55 systemische Sklerodermie: seltene und schwere Bindegewebs-
erkrankung mit Ablagerung von Kollagen und vaskulitischen
Veränderungen
55 Prädilektionsorte: Haut, Gastrointestinaltrakt und kardiopulmo-
nales System

z Klinik
55 Beginn mit Raynaud-Phänomen der Finger oder Zehen, gefolgt
von einem Ödem und Überwärmung
55 Ausbreitung nach proximal, zunehmende Verhärtung durch
Fibrose
55 Gelenkkontrakturen durch kutane und subkutane
Pathologie
55 Ulzera der Fingerspitzen: Rattenbissnekrosen
55 gastrointestinale Beteiligung: Motilitäts- und Gedeihstörung
55 kardiopulmonal: Belastungsdyspnoe durch interstitielle Fibrose
und pulmonale Hypertonie
8.1 · Rheumatologie
251 8
z Diagnostik
55 Kapillarmikroskopie der Nagelfalz zeigt Kapillaritis
55 Ösophagusszintigraphie zum Nachweis der Motilitätsstörung
55 Lungenfunktion
55 CT bei Verdacht auf pulmonale interstitielle Fibrose
55 Echokardiographie: Rechtsherzbelastung
55 antinukleäre Antikörper (ANA) in bis zu 90 % positiv
55 Differenzierung der ANA: z. B. Anti-Scl-70
55 Entzündungszeichen häufig nicht erhöht
55 Gewichtsverlust erfragen zum Ausschluss einer Gedeihstörung

z Differenzialdiagnose
55 lokalisierte Sklerodermie (Morphea, lineare Sklerodermie):
ausschließlich auf die Haut begrenzte Veränderungen ohne
viszerale Beteiligung
55 Mischkollagenose („mixed connective tissue disease“,
Overlap-Syndrom, Sharp-Syndrom): die Erkrankung zeigt ein
wechselndes Bild mit Elementen des SLE, der Dermatomyositis
und der Sklerodermie; definiert durch Nachweis hochtitriger
ANA vom Typ Anti-U1-RNP

z Therapie
55 bei früher Diagnose im entzündlichen Stadium Immunsup-
pressiva wie z. B. Methotrexat hilfreich
55 symptomatische Therapie von Raynaud-Phänomen, Motili-
tätsstörungen im Gastrointestinaltrakt oder pulmonaler
Hypertension
55 experimentell: autologe oder allogene Stammzelltransplantation

8.1.3 Vaskulitiden

55 immunvermittelte Entzündungsreaktionen der Gefäßwand


unklarer Ätiologie
55 heterogene Krankheitsbilder unterschiedlicher Schwere
55 Klassifikation richtet sich nach der Größe der betroffenen Gefäße
(. Tab. 8.2)
55 Pathogenese . Tab. 8.2 und 8.3

Schoenlein-Hen2och-Purpura
55 häufigste kindliche Vaskulitis mit guter Prognose
55 leukozytoklastische Vaskulitis der Haut, des Darms und der Nieren
55 IgA-Immunkompexablagerungen in den Gefäßen

z Klinik ! Cave bei arterieller Hypertonie


55 Petechien bis hin zu papulösen Purpura mit Begleitödem vor als Folge schwerer Nephritis
allem an den Unterschenkeln, Fußrücken und Gesäß schlechtere Prognose.
252 Kapitel 8 · Tag 3: Rheumatologie und Immunologie

. Tab. 8.2  Klassifikation kindlicher Vaskulitiden

I. Vaskulitis großer Gefäße – Takayasu-Arteriitis


II. Vaskulitis mittelgroßer – Polyarteriitis nodosa
Gefäße – kutane Polyarteriitis
– Kawasaki-Syndrom
III. Vaskulitis kleiner Gefäße – granulomatös
– Granulomatose mit Polyangiitis (Wegener-Granulomatose)
– Churg-Strauss-Syndrom
– nicht-granulomatös
– mikroskopische Polyangiitis
– Schoenlein-Henoch-Purpura
– isoliert kutane leukozytoklastische Vaskulitis
– hypokomplementämische urtikarielle Vaskulitis
IV. Andere Vaskulitiden – M. Behçet
– sekundäre Vaskulitis aufgrund von Infektion, Malignom und Medikamenten
– Vaskulitis bei Kollagenosen
– isolierte Vaskulitis des ZNS
– Cogan-Syndrom
8 – nicht klassifiziert

. Tab. 8.3  Pathogenese der Vaskulitiden, Zuordnung zum Typ der Hypersensitivitätsreaktion

Typ Vermittelt durch Mechanismus Beispiel einer Vaskulitis

I IgE Sofortreaktion, Mastzellaktivierung Churg-Strauss-Syndrom


II IgG Autoantikörper-vermittelt Wegener-Granulomatose, Kawasaki-Syndrom?
III IgG Immunkomplexe aus Antigen und Schoenlein-Henoch-Purpura, SLE
Antikörpern
IV T-Zelle Zytotoxizität Takayasu-Arteriitis

55 Arthralgie/Arthritis
55 kein Fieber
55 bei Darmbeteiligung: Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen,
blutige Stühle
55 bei Nierenbeteiligung: Hämaturie, Ödeme

z Diagnostik
55 Blutbild zum Ausschluss von Thrombopenie-assoziierter
Petechien
55 Stuhl auf okkultes Blut
55 Urinstatus (Erythrozyten, Eiweiß)
55 Nierenbiopsie meist überflüssig
55 Sonographie Abdomen zum Ausschluss einer Invagination und
eines Gallenblasenhydrops
55 Labor: unergiebig
8.1 · Rheumatologie
253 8
z Differenzialdiagnose
55 Petechien: Immunthrombopenie, Sepsis, Leukämie, hämolytisch
urämisches Syndrom
55 Blutauflagerung auf dem Stuhl: Invagination, Colitis ulcerosa, M.
Crohn
55 Arthritis: Osteomyelitis (meist fieberhaft), juvenile idiopathische
Arthritis, Kollagenosen

z Therapie
55 Symptomlinderung steht im Vordergrund
55 Bettruhe kann hilfreich sein
55 nichtsteroidale Antirheumatika z. B. Ibuprofen, Naproxen;
zurückhaltender Einsatz bei schwerer Nierenbeteiligung
55 Prednison bei kolikartigen Bauchschmerzen

Kawasaki-Syndrom
55 Synonym: mukokutanes Lymphknotensyndrom > Memo ca. 20 % unbehandelter
55 nekrotisierende Vaskulitis kleiner und mitelgroßer Arterien Kinder entwickeln
ungeklärter Ätiologie Koronararterienaneurysmen.
55 zweithäufigste kindliche Vaskulitis

z Klinik
55 Neben Fieber sind 4 der 5 anderen Symptome für die Diagnose ! Cave inkomplettes Kawasaki-
des Kawasaki-Syndroms erforderlich (. Tab. 8.4) Syndrom vor allem bei jungen
55 zeitlicher Verlauf: akuter Beginn mit hohem Fieber, Ausbildung Säuglingen.
der o. g. Symptome über ca. 5–10 Tage, nach 14–21 Tagen ohne
Behandlung Entfieberung und Schuppung der Haut an den
Extremitäten
55 weitere Symptome: Myokarditis, Perikarditis, paralytischer Ileus,
Hepatomegalie, Ikterus, Gallenblasenhydrops

z Diagnostik
55 zunächst Diagnostik wie bei Fieber ohne Fokus, u. a. Blutkul-
turen, Röntgen-Thorax, Sonographie Abdomen
55 Echokardiographie zum Ausschluss einer Koronararterienerwei-
terung, Kontraktilitätsminderung, Erguss
55 typischer Zeitpunkt des Auftretens der Koronararterienaneu-
rysmen in der 2.–3. Krankheitswoche
55 BSG und CRP deutlich erhöht
55 Leukozytose sowie deutliche Thrombozytose (Tag 7, diagnostisch
hilfreich)
55 in Urin, Liquor und Gelenkpunktat mitunter steriler
Leukozytennachweis

z Differenzialdiagnose
55 Infektionen (z. B. Staphylokokken, „toxic shock syndrom“;
Lymphadenitis colli, Meningitis, Harnwegsinfekt)
254 Kapitel 8 · Tag 3: Rheumatologie und Immunologie

. Tab. 8.4  Diagnostische Kriterien des Kawasaki-Syndroms

Symptom Erläuterung

Fieber >5 Tage, antibiotikaresistent


Exanthem polymorph, meist makulös
Konjunktivitis Gefäßinjektion beider Augen
Palmar-, Plantarerythem In der 3. Woche gefolgt von Schuppung
Lymphadenopathie Nichteitrige Schwellung der Lymphknoten,
häufig am Hals
Cheilitis, Erdbeerzunge Hochrote sog. Lacklippen

55 systemische Verlaufsform der juvenilen idiopathischen Arthritis


> Memo Frühzeitige Gabe von (M. Still)
8 IVIG reduziert das Auftreten
von Koronaraneurysmen um z Therapie
>80 % (hohe Evidenz), daher 55 Azetylsalizylsäure 50 mg/kg/d bis zur Entfieberung, dann 5 mg/
ist die rasche Diagnosestellung kg/d
wichtig. 55 intravenöse Immunglobuline (IVIG) 2 g/kg einmalig

8.1.4 Reaktive Arthritis

55 entzündliche Gelenkerkrankung ausgelöst durch eine zeitlich und


örtlich getrennte Infektion
55 je nach Studie sind 20–60 % der Patienten HLA-B27-positiv
55 häufigste Erreger: Streptokokken, Yersinien, Salmonellen,
Campylobacter

z Klinik
55 ca. 2–3 Wochen nach einer Infektion auftretend, z. B. Angina
tonsillaris, Gastroenteritis
55 Klinik ähnlich der juvenilen idiopathischen Arthritis,
Schwellung, Überwärmung und Bewegungseinschränkung des
betroffenen Gelenks
55 häufig große Gelenke betroffen, aber auch Daktylitis
55 bei HLA-B27-Nachweis zudem Enthesitis
55 ein Teil der Patienten erleidet eine begleitende Uveitis

z Diagnostik
55 BSG und CRP erhöht
55 ANA- und Rheumafaktor-negativ
55 gezielte Serologie abhängig von der Infektionsanamnese
55 Gelenksonograpgie
55 zwecks Abgrenzung von einer Osteomyelitis: NMR
8.1 · Rheumatologie
255 8
z Differenzialdiagnose
55 juvenile idiopathische Arthritis: häufig ANA-positiv ! Cave Osteomyelitis, Klinik kann
55 Lyme-Borreliose: Borrelienserologie initial ähnlich verlaufen.

z Therapie
55 Naproxen oder Ibuprofen
55 bei hoher Aktivität kurzfristig hochdosiertes Prednison
55 da die Prognose insgesamt gut ist, auf Immunsuppressiva wie
MTX eher verzichten

Coxitis fugax
55 flüchtige Arthritis des Hüftgelenks unbekannter Ursache
55 Synonym „Hüftgelenksschnupfen“

z Klinik
55 plötzlich auftretende Gehunfähigkeit bzw. Schonhinken beim
Kleinkind
55 evtl. vorausgegangener Infekt eruierbar
55 Projektion der Schmerzen häufig in das Kniegelenk oder den Bauch
55 in der Regel ohne Fieber
55 selbstlimitierend

z Diagnostik
55 BSG und CRP nicht erhöht
55 Gelenkpunktion nur bei Verdacht auf septische Arthritis (Fieber!)
55 Sonographie: Gelenkerguss, mit oder ohne Synoviaschwellung
55 Röntgenaufnahme in Lauenstein oder MRT nur bei Verdacht auf
M. Perthes

z Therapie
55 Schonung der betroffenen Hüfte
55 nichtsteroidale Antirheumatika, z. B. Naproxen oder Ibuprofen

8.1.5 Rheumatisches Fieber

55 sehr selten gewordene Arthritis und Karditis mit der Gefahr


von erworbenen Klappenfehlern nach Infektion mit β-hämol-
ysierenden Streptokokken der Gruppe A
55 kreuzreagierende Antikörper gegen M-Protein der Erreger und
Herzmuskelantigene ursächlich für die Karditis
55 Diagnose anhand der Jones-Kriterien (. Tab. 8.5): Bei Hinweis auf
eine vorangegangene Streptokokkeninfektion reichen 2 Haupt-
kriterien oder 1 Haupt- und 2 Nebenkriterien für die Diagnose

z Klinik
55 migratorische Arthritis betrifft meist große Gelenke, „springt von ! Cave Neuauftreten eines
Gelenk zu Gelenk“ Herzgeräusches.
256 Kapitel 8 · Tag 3: Rheumatologie und Immunologie

. Tab. 8.5  Jones-Kriterien zur Diagnostik des rheumatischen Fiebers

Hauptkriterien Nebenkriterien

Karditis Fieber
Polyarthritis Arthralgien
Chorea minor (Sydenham) BSG und CRP Erhöhung
Erythema marginatum Verlängertes PR-Intervall
Subkutane Knötchen

55 deutliche lokale Entzündungszeichen an den betroffenen


Gelenken
55 Endo-, Myo- und Perikarditis
55 Herzinsuffizienz und Rhythmusstörungen möglich
8 55 Valvulitis führt zum Klappenfehler
55 meist Mitralinsufizienz
55 Chorea minor ist ein Spätsymptom
55 Erythema marginatum und subkutane Knötchen sind sehr
selten

z Diagnostik
55 Ausschluss einer Osteomyelitis
55 EKG
55 Echokardiographie

z Differenzialdiagnose
55 juvenile idiopathische Arthritis „springt nicht von Gelenk zu
Gelenk“
55 Chorea: M. Wilson, Tic, Medikament z. B. Metoclopramid

z Therapie
55 Penicillin V
55 Naproxen
55 Therapie der Herzinsuffizienz
55 sekundäre Prävention: Benzathin-Penicillin G i.m. alle 4 Wochen
5 Jahre bis lebenslang (abhängig von Klinik)

8.2 Angeborene Immundefekte

8.2.1 Allgemeines

55 Immundefekte sind durch schwere rezidivierende Infektionen,


Autoimmunerkrankungen und erhöhte Neigung zu malignen
Erkrankungen gekennzeichnet
8.2 · Angeborene Immundefekte
257 8

. Tab. 8.6  Score-System zur Entscheidung über Immundiagnostik (ab 20 Punkten erforderlich)

Gruppe Anamnese Punkte

Gruppe A Lebensbedrohliche oder schwere Infektionen mit Krankenhausaufenthalt, Je 10 Punkte


z. B. Meningitis, Sepsis, Pneumonie, Osteomyelitis, septische
Arthritis
Gruppe B Pharyngitis, Tonsillitis, Laryngitis mit Fieber (Kindergarten, Schulbesuch 2
(Infektionen in den nicht möglich)
letzten 12 Monaten)
Eitrige Otitis 3
Bronchitis (ohne Krankenhausaufenthalt) 3
Impetigo 4
Staphylokokkenabszesse 6
Anhaltende Diarrhö 6
Fieber unklarer Ursache 4
Gruppe C Primärer Immundefekt in der Familie Je 20 Punkte
Opportunistische Infektion (z. B. Pneumocystis-jiroveci-Pneumonie,
Kryptosporidiose)
Nichtinfektiöse Symptome eines Immundefektes (z. B. Thrombopenie,
Hypoparathyreoidismus, Ataxie)
Absolute Lymphopenie unter 1.500/µl im 1. Lebensjahr

55 verschiedene Zellreihen bzw. des Immunsystems können > Memo physiologische


betroffen sein (z. B. T-Zellen, B-Zellen, Granulozyten, NK-Zellen, Infektanfälligkeit des Kleinkindes
dendritische Zellen) durch bis zu 10 Infekte der oberen
55 mehr als 200 Immundefekte molekular charakterisiert Luftwege/Jahr gekennzeichnet.
55 Klassifikation der Immundefekte (ID) (. Tab. 8.6):
44Defekte der angeborenen Immunität (z. B. ektodermale
Dysplasie mit ID: NEMO-Gen)
44Defekte der Phagozyten (z. B. septische Granulomatose)
44Komplementdefekte
44Defekte von T- und B-Zellen (z. B. schwere kombinierte ID:
IL2-Rezeptor-γ-Ketten-Gen)
44humorale Defekte mit vorwiegendem Antikörpermangel
(X-chromosomale Agammaglobulinämie)
44Immundefekte mit charakteristischen Syndrombefunden
(Wiskott-Aldrich-Syndrom)
44Immundysregulation mit Lymphoproliferation (autoimmunes
lymphoproliferatives Syndrom: CD95-Gen)
55 Erhöhte Infektanfälligkeit (. Tab. 8.7):
44Malignome: Leukämie, Lymphom
44iatrogen: Chemotherapie, Radiatio, Kortikosteroide,
Immunsuppressiva
44Infektionen: HIV, EBV, Mykobakterien
44chronisch entzündliche Erkrankungen: SLE, juvenile idiopa-
thische Arthritis, M. Crohn
258 Kapitel 8 · Tag 3: Rheumatologie und Immunologie

. Tab. 8.7  Lokale Ursachen rezidivierender Infektionen

Infektion Mögliche Ursachen

Hautinfektionen Ekzem, Trauma, Verbrennung


Rezidivierende respiratorische Infekte Mukoviszidose
Bronchopulmonale Dysplasie
„immotile cilia syndrome“
Fremdkörperaspiration
Bronchiale Fehlbildung
Rezidivierende Otitis media Adenoide, allergische Rhinitis
Rezidivierende Meningitis Neuroporus, Liquorfistel
Rezidivierende Harnwegsinfekte Reflux, Fehlbildungen

44Eiweißverlust: Lymphangiektasie, nephrotisches Syndrom

8 44andere: Diabetes mellitus, Mangelernährung, Asplenie, Sichel-


zellanämie, Trisomie 21, Niereninsuffizienz

8.2.2 Schwere kombinierte Immundefekte

55 „severe combined immunodeficiency“ (SCID)


55 schwere Reifungs- oder Funktionsstörung der T- und B-Zellen
55 meist Beginn der schweren Infektionen im Säuglingsalter
55 erforderliche Therapie: Stammzelltransplantation
55 mehrere molekulare Defekte bekannt (IL2-Rezeptor-γ-Kette,
JAK3, RAG-1 oder -2, Adenosindeaminase-Mangel etc.)

z Klinik
55 lebensbedrohliches Krankheitsbild
55 beginnend ab dem 2.–3. Lebensmonat schwere Gedeihstörung
mit rezidivierender Diarrhö
55 respiratorische Insuffizienz bei persistierenden viralen Infekten
55 Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie
55 rezidivierende Sepsis
55 Candidiasis
55 „graft versus host disease“ (GvHD) nach Gabe unbestrahlter
Transfusion
55 GvHD durch maternale T-Zellen mit schwerer Dermatitis
55 fehlende Lymphknoten, fehlender Thymus

z Diagnostik
55 im Blutbild Lymphopenie unter 1.000/μl, häufig Eosinophilie
55 Durchflusszytometrie: fehlende T-Zellen mit oder ohne Nachweis
von B-Zellen (B-positiver oder B-negativer SCID)
8.2 · Angeborene Immundefekte
259 8
55 fehlendes IgA und IgM, IgG zunächst mütterlicher Herkunft
(diaplazentar übertragen) im weiteren Verlauf abfallend
55 fehlende Impfantwort
55 Knochenmark: fehlende Plasmazellen

z Differenzialdiagnose
55 andere Immundefekte (z. B. mukokutane Candidiasis,
DiGeorge-Sequenz)
55 HIV-Infektion
55 Gedeihstörung durch konnatale Diarrhö (z. B. Elektrolyt- oder
Kohlenhydrat-Transporter Defekt)

z Therapie
55 allogene Stammzelltransplantation idealerweise HLA-identisch
und so früh wie möglich; auch haploidente Elternspende nach
T-Zell-Depletion (Prognose schlechter)
55 meist intravenöse Immunglobulinsubstitution erforderlich
55 Prophylaxe gegen Pneumocystis jirovecii und Pilzinfektion
55 Transfusion nur CMV-negativer und bestrahlter Konserven
55 Gentherapie autologer Stammzellen im Einzelfall bereits erfolg-
reich durchgeführt
55 Lebendimpfungen kontraindiziert
55 bei Adenosindeaminase-Mangel Enzymsubstitution möglich

8.2.3 X-chromosomal vererbte


Agammaglobulinämie

55 Bruton-Agammaglobulinämie
55 Defekt der B-Zell-Tyrosinkinase (Btk)
55 Stop der B-Zell-Reifung von Pro- zu Prä-B-Zelle im
Knochenmark
55 Fehlen von B-Zellen und von Immunglobulinen

z Klinik
55 Symptome erst ab dem 2. Lebenshalbjahr, häufig sogar später, ! Cave Auftreten von
wegen der mütterlich übertragenen Immunglobuline Bronchiektasen.
55 bakterielle Infektionen mit bekapselten Erregern (z. B. Pneumo-
kokken, Staphylokokken, Haemophilus)
55 Mastoiditis, Pneumonie, Meningitis, Osteomyelitis, Sepsis
55 trotz Therapie mit Immunglobulinen und T-Zell-Kompetenz
Echovirusinfektionen des ZNS mit ungünstiger Prognose
55 Autoimmunerkrankungen wie sterile Arthritis

z Diagnostik
55 IgG (incl. aller Subklassen), IgA, IgM und IgE im Serum nicht
nachweisbar
260 Kapitel 8 · Tag 3: Rheumatologie und Immunologie

! Cave Antikörper-basierte 55 in den ersten Lebensmonaten mütterliche IgG nachweisbar


Nachweise bei der Suche nach 55 keine Impfantwort
Infektionen nicht möglich. 55 Tonsillen hypoplastisch
55 durchflusszytometrisch keine B-Zellen im Blut nachweisbar

z Therapie
55 gepoolte Immunglobulinpräparate, virusinaktiviert (meist durch
Hitzebehandlung), Substitution intravenös alle 3–4 Wochen oder
wöchentlich subkutan, lebenslange Substitution
55 Ziel: IgG-Spiegel in der unteren Altersnorm
55 prompte Antibiose bei bakteriellen Infektionen

8.2.4 Wiskott-Aldrich-Syndrom

55 Wiskott: Münchner Kinderarzt


55 Defekt im Wiskott-Aldrich-Syndrom-Protein (Funktion: Signal-
8 transduktion, Aktinpolymerisierung)
55 Trias aus Thrombopenie, Ekzem, opportunistische Infektionen

z Klinik
55 Petechien aufgrund der Thrombopenie
55 ernsthafte Blutungen in Abhängigkeit von der Thrombozytenzahl
möglich
55 Otitis, Meningitis, Sepsis durch bekapselte Erreger
55 Ekzem wie bei atopischer Dermatitis
55 Autoimmunerkrankungen: Arthritis, hämolytische Anämie,
Vaskulitis
55 Malignomrisiko deutlich erhöht

z Diagnostik
55 Thrombozyten erniedrigt und von geringer Größe
55 IgM vermindert, IgA häufig erhöht
55 Impfantikörper und Isoagglutinine fehlen
55 Lympho- und Neutropenie können auftreten
55 molekulargenetischer Nachweis der Mutation

z Differenzialdiagnose
55 atopisches Ekzem
55 Immunthrombozytopenie
55 Evans-Syndrom: Immunthrombozytopenie und hämolytische
Anämie

z Therapie
55 konsequente antiinfektiöse Therapie
55 antibiotische Prophylaxe
8.2 · Angeborene Immundefekte
261 8
55 Immunglobulinsubstitution
55 HLA-identische Stammzelltransplantation in über 90 %
erfolgreich
55 bei bedrohlicher Blutung bestrahlte Thrombozytenkonzentrate
verabreichen

8.2.5 Septische Granulomatose

55 „chronic granulomatous disease“ (CGD)


55 X-chromosomal oder autosomal-rezessiv vererbt
55 4 molekulare Defekte bekannt: gp91-phox (X-chromosomal),
p22-phox, p47-phox, p67-phox (autosomal-rezessiv)
55 Defekt der Sauerstoffradikalbildung verhindert intrazelluläres
Abtöten von Keimen bei intakter Phagozytose
55 hohe Letalität

z Klinik
55 rezidivierende bakterielle und Pilzinfektionen an der Haut, in der
Lunge sowie in Lymphknoten, Milz und Leber
55 überschießende Entzündungsreaktion mit Granulombildung und
Organfibrose
55 Granulome können Stenosen im Darm oder ableitenden
Harnwegen verursachen
55 Erreger: Staphylokokken, Enterobacter, Burkholderia cepacia,
Aspergillus, Actinomyceten
55 Wundheilung unter Ausbildung von Fisteln

z Diagnostik
55 Messung der Sauerstoffradikalbildung (durchflusszytometrischer > Memo bei Granulombildung
Dihydroxyrhodamintest) der Haut oder in Hohlorganen an
55 Molekulargenetik CGD denken.
55 pränatale Diagnose möglich

z Therapie
55 antibiotische und antimykotische Dauerprophylaxe mit Cotrimo-
xazol und Itraconazol
55 konsequente antiinfektiöse Therapie
55 Interferon-γ-Therapie kontrovers beurteilt
55 Granulozytentransfusionen bei katastrophalen
Infektionen
55 Einsatz von Kortikosteroiden bei Stenosesymptomatik durch
Granulome
55 HLA-identische Stammzelltranplantation frühzeitig in Erwägung
ziehen
55 Gentherapie derzeit im experimentellen Einsatz
263 9

Tag 4: Erkrankungen des


Gastrointestinaltraktes
und der Leber
T. Wenzl

9.1 Ösophaguserkrankungen – 265


9.1.1 Ösophagusatresie – 265
9.1.2 Gastroösophagealer Reflux (GÖR) – 266
9.1.3 Hiatushernie – 266
9.1.4 Achalasie – 267
9.1.5 Ösophagitis – 268

9.2 Magenerkrankungen – 268


9.2.1 Infantile hypertrophe Pylorusstenose – 268
9.2.2 Gastritis – 269

9.3 Pankreaserkrankungen – 270


9.3.1 Pankreatitis – 270
9.3.2 Exokrine Pankreasinsuffizienz – 271

9.4 Darmerkrankungen – 271


9.4.1 Kongenitale Anomalien – 271
9.4.2 Zöliakie – 273
9.4.3 Laktosemalabsorption – 275
9.4.4 Chronisch entzündliche Darmerkrankungen – 275
9.4.5 Invagination – 279
9.4.6 Obstipation – 280

9.5 Erkrankungen der Leber und Gallenwege – 281


9.5.1 Hyperbilirubinämie – 281
9.5.2 Extrahepatische Gallengangatresie – 281

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2017


B. Karges, N. Wagner (Hrsg.), Pädiatrie in 5 Tagen, Springer-Lehrbuch,
DOI 10.1007/978-3-662-52813-6_9
9.5.3 Virushepatitis – 282
9.5.4 Autoimmunhepatitis – 286
9.5.5 Leberzirrhose – 287
9.5.6 Morbus Wilson – 288
9.5.7 Akutes Leberversagen – 289
9.1 · Ösophaguserkrankungen
265 9
9.1 Ösophaguserkrankungen

9.1.1 Ösophagusatresie

55 Häufigkeit ca. 1:4.000 Lebendgeburten


44meist sporadisch, Gendefekt auf 2p23–p24
44Unterbrechung des Septierungsprozesses von
Trachea und Ösophagus zwischen 22. und 26. Tag der
Embryonalentwicklung
55 Einteilung nach Vogt
44häufigste Form (ca. 85 %): IIIb nach Vogt: proximaler
Blindsack und distale tracheoösophageale Fistel
55 ca. 55 % der Fälle mit begleitender Fehlbildung, am häufigsten
kardiale ventrikuläre Septumdefekte
44VATER-Syndrom: vertebrale, anorektale, tracheale, ösopha-
geale (engl. esophageal) und renale Anomalien
44VATERL-Syndrom: VATER + Extremitätenfehlbildung (limb)
44VACTERL-Syndrom: VATERL + kardiale Fehlbildung
(cardial)
55 präpartal: Fruchtwasser kann nicht geschluckt werden:
Polyhydramnion

z Klinik
55 keine Sondierbarkeit des Magens
55 kein Schlucken von Speichel oder Milch
44Dilatation des oberen Blindsacks durch Speichel
44Aspiration durch Überlaufen von Speichel in die Trachea bzw.
direkte Aspiration über die distale tracheoösophageale Fistel
55 Husten und Würgen bei Fütterungsversuchen
55 Hochbringen von unverdauter Milch

z Diagnostik
55 Versuch der Anlage einer Magensonde (Durchgängigkeit?) > Memo distale Fistel führt zur
55 Röntgenübersichtaufnahme des Thorax mit Abdomen (Umschlag Belüftung des Intestinaltraktes.
der Sonde?)
55 Bronchoskopie/Tracheoskopie (Fistel?) ! Cave Sonographie zum
Ausschluss einer rechts
z Therapie deszendierender Aorta
55 „Schlürf-Sonde“ im proximalen Stumpf (Operationszugang!).
55 Oberkörper-Hochlagerung
55 antibiotische Therapie (Risiko der Aspirationspneumonie)
55 Operation:
44Fistelresektion und Ösophagus-Reanastomose (in der Regel
am 1. Lebenstag)
44bei Interpositionsoperation Überbrückung mit Gastrostomie
44postoperative Relaxation und Nachbeatmung über 1–2 Tage
266 Kapitel 9 · Tag 4: Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes und der Leber

9.1.2 Gastroösophagealer Reflux (GÖR)

55 meist transiente Relaxation des unteren Ösophagus-Sphinkters


55 pathologisch erst durch assoziierte Symptome
55 Symptome ausgelöst durch Zusammensetzung des GÖR oder
durch Bolus selbst
55 primärer GÖR: bei funktionellen oder anatomischen Störungen
der ösophagogastralen Einheit, oder zur Druckentlastung des
Magens (z. B. bei intestinaler Obstruktion, Pylorusstenose)
55 sekundärer GÖR: z. B. bei Gastroenteritis, Nahrungsmittel-
unverträglichkeiten, ZNS-Erkrankungen (z. B. Hirndruck),
Intoxikationen usw.

z Klinik
55 Übergänge zwischen physiologischen und pathologischen
Befunden fließend
55 Symptome verursacht durch Säure oder Volumenbolus
55 Erbrechen, Regurgitation
55 retrosternaler Schmerz, Sodbrennen → Dysphagie, Odynophagie,
Nahrungsverweigerung
9 55 Ösophagitis
55 Barrett-Ösophagus: Defektheilung bei chronischer
Refluxösophagitis
55 Mallory-Weiss-Syndrom: longitudinale ösophageale
Schleimhauteinrisse
55 Boerhaave-Syndrom: Ösophagusruptur
55 kardiorespiratorische Symptome (Apnoen, Bradykardien):
rezidivierende Aspirationen/Pneumonien
55 dentale Erosionen
55 Sandifer-Sutcliffe-Syndrom: dystone Bewegungsstörung bei
saurem GÖR
55 BIRDY: „bolus induced reflux dystonia“ bei nicht-saurem GÖR

z Diagnostik
55 nach vermuteter Grundkrankheit
> Memo ggf. Funduskopie 55 kombinierte 24-h-pH-Impedanzmessung zur Erfassung
(Hirndruck?). saurer und nicht-saurer GÖR (Anzahl, pH, Steighöhe, Dauer,
Symptomassoziation?)
55 evtl. Ösophagogastroskopie mit Biopsien/Histologie
(Ösophagitis?)

z Therapie
. Tabelle 9.1

9.1.3 Hiatushernie

55 Durchtritt von Magenanteilen durch den Hiatus des Zwerchfells


9.1 · Ösophaguserkrankungen
267 9

. Tab. 9.1  Stufentherapie des gastroösophagealen Refluxes

Stufe 1 Beratung
Angedickte Nahrung
Verzicht auf Kuhmilcheiweiß
Stufe 2 Prokinetika (aktuell keine wirksamen zugelassen)
Stufe 3 Lagerung
Stufe 4 Protonenpumpeninhibitoren (PPI)
H2-Rezeptor-Antagonisten
Antazida
Alginate
Ggf. Kombinationstherapie (z.B. PPI plus Alginate)
Stufe 5 Endoskopische oder chirurgische Antirefluxtherapie

55 Sonderform der Zwerchfellhernie


55 meist axial (90 %), seltener paraösophageal

z Klinik
55 GÖR, Sodbrennen, Refluxösophagitis

z Diagnostik
55 Röntgenkontrast-Darstellung (Hernie?)
55 Ösophagogastroskopie (Hernie, Kardia, ektope Schleimhaut?)

z Therapie
55 medikamentöse Therapie des GÖR
55 Fundoplicatio
55 Gastropexie

9.1.4 Achalasie

55 Störung der Ösophagusmotilität mit unzureichender reflekto-


rischer Relaxation des unteren Ösophagussphinkters bei der
Boluspassage und Erhöhung des basalen Sphinkterdruckes
55 Degeneration der Nervenzellen des Plexus myentericus
55 primäre Ursache ungeklärt (Autoimmunerkrankung?)

z Klinik
55 Dysphagie
55 GÖR
55 retrosternaler Schmerz

z Diagnostik
55 Ösophagus-Manometrie (Druckerhöhung?)
55 Röntgenkontrast-Darstellung (Dilatation des Ösophagus?)
55 Ösophagogastroskopie mit Biopsien/Histologie
268 Kapitel 9 · Tag 4: Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes und der Leber

z Therapie
55 pharmakologische Therapie wenig effektiv
! Cave Rezidive. 55 endoskopische Bougierung
55 (laparoskopische) Myotomie nach Heller
55 endoskopische Botulinumtoxin-Injektion in den
Ösophagussphinkter

9.1.5 Ösophagitis

55 zahlreiche Ursachen: z. B. chemisch (saurer GÖR, Ingestion),


infektiös (Candida, Herpes simplex), thermisch (Ingestion),
eosinophil

z Klinik
55 bei Refluxösophagitis (7 Abschn. 9.1.2)
55 retrosternaler Schmerz
44Sodbrennen
44Dysphagie/Odynophagie
55 evtl. Regurgitation/Erbrechen
9 44evtl. Hämatemesis

z Diagnostik
55 Ösophagogastroskopie mit Biopsien/Histologie (Barrett?)
55 kombinierte 24-h-pH-Impedanzmessung (Reflux?)
55 ggf. mikrobiologische Untersuchungen (Candida, Herpesviren,
CMV?)
55 ggf. Allergiediagnostik (eosinophile Ösophagitis?)

z Therapie
55 bei Refluxösophagitis (7 Abschn. 9.1.2)
55 bei chemischer/thermischer Schädigung/Stenose: evtl. endosko-
pische Dilatation, Injektion von Mitomycin C
55 ggf. antimikrobielle Therapie
55 ggf. Allergenkarenz

9.2 Magenerkrankungen

9.2.1 Infantile hypertrophe Pylorusstenose

55 Hypertrophie der Pylorusmuskulatur mit Stenose


55 Häufigkeit 1:300–400, Knaben häufiger als Mädchen

z Klinik
55 Auftreten typischerweise in der 4.–7. Lebenswoche
55 nicht-galliges schwallartiges Erbrechen, meist kurz nach der
Mahlzeit
9.2 · Magenerkrankungen
269 9
44sichtbare peristaltische Wellen des Magens
44fehlende Gewichtszunahme
55 Elektrolytentgleisung (Hypokaliämie), hypochlorämische
Alkalose

z Diagnostik
55 Laborwerte: Elektrolytentgleisung, Hypoglykämie, Blutgas-
analyse (Alkalose)
55 Sonographie: Pylorusmuskulatur Länge >18 mm, Querschnitt
>13 mm, Wanddicke >4 mm; Beachtung der „passierenden“
Flüssigkeitsmenge
55 radiologische obere Magen-Darm-Passage meist nicht
notwendig

z Therapie
55 Nahrungskarenz
55 parenterale Ernährung mit Ausgleich der Elektrolyte
55 häufig chirurgisch: Pyloromyotomie nach Weber-Ramstedt:
Längsspaltung der Pylorusmuskulatur ohne Eröffnung der
Mukosa

9.2.2 Gastritis

55 zahlreiche Ursachen: z. B. infektiös (Helicobacter pylori [Hp]),


chemisch-toxisch (Rauchen, Alkohol, Medikamente), immuno-
logisch (eosinophile Gastritis), stressinduziert, Gastritis bei
M. Crohn, Zollinger-Ellison-Syndrom (gastrinproduzierender
Tumor)
55 akut oder chronisch
55 Erosionen und Ulzera durch Einwirkung von Magensäure
55 gelegentlich Schleimhautatrophie/intestinale Metaplasie

z Klinik
55 kann asymptomatisch sein > Memo die meisten Hp-
55 epigastrische Bauchschmerzen, Übelkeit infizierten Kinder sind
beschwerdefrei.
z Diagnostik
55 Laborwerte: Eisenmangelanämie? ! Cave signifikante Blutungen
55 Ösophagogastroduodenoskopie (Hp: „Gänsehautmagen“?) mit möglich.
Biopsien/Histologie (Entzündung?)
55 mikrobiologische Diagnostik, ggf. Hp-Resistenzbestimmung

z Therapie > Memo ggf.


55 abhängig von Ätiologie Stressulkusprophylaxe mit PPI.
55 auslösende Noxen meiden
55 medikamentöse Therapie: Protonenpumpeninhibitoren (PPI) 1. ! Cave Hp-(Doppel-)Resistenzen
Wahl beachten, ggf. Resistenztestung.
270 Kapitel 9 · Tag 4: Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes und der Leber

55 Hp-Infektion: Eradikation mittels Triple-Therapie (Amoxicillin,


Clarithromycin, Omeprazol) für 1 Woche
! Cave Serum-, Urin-, Speichel- 55 Ggf. Stuhl-Antigen bzw. 13C-Harnstoff-Atemtest zur
Tests auf Hp sind unzuverlässig. Hp-Eradikationskontrolle

9.3 Pankreaserkrankungen

9.3.1 Pankreatitis

55 Pathogenese: Ungleichgewicht von Proteasen und ihren Inhibi-


toren: Autodigestion
55 zahlreiche Ursachen: hereditär, systemische Erkrankungen (z. B.
zystische Fibrose, Sepsis), anatomische Anomalien/Gallensteine,
infektiös (z. B. EBV, Salmonellen), toxisch (Medikamente,
Alkohol), traumatisch, idiopathisch
55 akut oder chronisch
55 hereditär oder erworben

z Klinik
9 55 akuter Oberbauchschmerz mit Ausstrahlung in den Rücken
55 abdomineller Druckschmerz, akutes Abdomen
55 Übelkeit, Erbrechen
55 Kreislaufschock
55 bei hämorrhagischer Pankreatitis evtl. Hauteinblutungen
(Ekchymosen) um den Bauchnabel oder im Flankenbereich
55 bei chronischer Pankreatitis evtl. exokrine/endokrine
Insuffizienz

z Diagnostik
55 Laborwerte: u. a. Lipase, CRP (jeweils erhöht),
Elektrolytentgleisung
55 Zeichen der Maldigestion
55 Sonographie: vergrößertes, echoarmes Organ, evtl. mit
Fettgewebsnekrosen
55 ggf. Computertomographie (CT)/Magnetresonanztomographie
(MRT)
55 evtl. endoskopische retrograde Cholangio-Pankreatikographie
(ERCP)/MRCP (Magnetresonanz-CP) bei chronisch-rezidivie-
render Pankreatitis (Ganganomalien?)
55 genetische Untersuchung (PRSS1/SPINK1-Mutationen)

z Therapie
> Memo Nahrungskarenz nicht 55 bei akuter Pankreatitis: stationäre Aufnahme, Analgesie,
effektiv, „Pankreas-Diät“ obsolet. Volumen, Antibiotika
55 Noxen meiden (Alkohol)
55 Therapie der exokrinen/endokrinen Pankreasinsuffizienz
55 Therapie der Grundkrankheit
9.4 · Darmerkrankungen
271 9
9.3.2 Exokrine Pankreasinsuffizienz

55 zahlreiche Ursachen: Pankreatitis (7 Abschn. 9.3.1), zystische > Memo Symptome der
Fibrose, sekundär bei Dünndarmerkrankungen und Gallesekre- Maldigestion erst bei einer
tionsstörungen, angeborene Fehlbildungen, seltene Syndrome Minderung der Sekretionsleistung
(Shwachman-Diamond-Syndrom, Pearson-Syndrom, Johanson- <10 % der Norm.
Blizzard-Syndrom), seltene isolierte kongenitale Enzymdefekte,
Trauma, Tumoren

z Klinik
55 (Protein-)Maldigestion
55 Steatorrhö: voluminöse, fettglänzende, übelriechende Stühle
55 Ödeme
55 Gedeihstörung, Dystrophie, Pubertätsverzögerung, Leistungs-
minderung, Vitaminmangel-Symptome

z Diagnostik
55 Laborwerte: Blutbild, Albumin erniedrigt, Lipase erhöht, fettlös-
liche Vitamine erniedrigt
55 Schweißtest (Chlorid im Schweiß erhöht)
55 Sonographie (inhomogene Echostruktur, Organgröße?)
55 CT/MRT
55 ggf. ERCP (Ganganomalien?)
55 fäkale Elastase, fäkale Chymotrypsinaktivität (jeweils erniedrigt)

z Therapie
55 symptomatisch
55 Enzymsubstitution (Lipase)
55 Behandlung der Grundkrankheit

9.4 Darmerkrankungen

9.4.1 Kongenitale Anomalien

Duodenalatresie
55 Hemmungsfehlbildung proximal oder distal der Papilla Vateri
55 20 % mit Pancreas anulare
55 Diagnose wird meist bereits präpartal gestellt: Polyhydramnion,
weit gestellte, flüssigkeitsgefüllte Darmschlingen. Impliziert den
Ausschluss von Chromosomen-Anomalien, Herzfehlbildung und
Fehlbildung der Harnwege

z Klinik
55 meist galliges Erbrechen
55 Vorwölbung des Oberbauches und eingefallener Unterbauch
(Kahnbauch)
55 Mekoniumabgang meist zeitgerecht
272 Kapitel 9 · Tag 4: Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes und der Leber

. Tab. 9.2  Einteilung der Atresien von Jejunum und Ileum

Typ 1 Solitäre Atresie mit intraluminalem Diaphragma


Typ 2 Solitäre Atresie mit narbigem Strang
Typ 3 Solitäre Atresie mit Mesenteriallücke (Sonderform „Apple-peel“-
Syndrom)
Typ 4 Multiple Atresien

z Diagnostik
> Memo Differenzialdiagnose 55 Röntgenübersicht des Abdomens im Hängen
Volvulus/Malrotation. (Double-bubble-Phänomen?)
55 Sonographie (Ausschluss von Fehlbildungen)

! Cave membranöse Atresie z Therapie


mit Einschluss von Ductus 55 chirurgisch mit Duodenoduodenostomie
choledochus/pancreaticus.

Atresie von Jejunum und Ileum


9 . Tabelle 9.2
55 meist mit Polyhydramnion, Begleitfehlbildungen selten

z Klinik
> Memo je höher die Atresie, 55 galliges Erbrechen
desto eher galliges Erbrechen 55 distendiertes Abdomen
und desto geringer die 55 hochgestellte Darmgeräusche
Abdominaldistension. 55 verzögerter Mekoniumabgang

z Diagnostik
55 Röntgenübersicht des Abdomens im Hängen: mehrere Spiegel im
Oberbauch, gasleerer Unterbauch
55 Differenzialdiagnose Volvulus/Mekoniumileus/langstreckiger M.
Hirschsprung

z Therapie
55 Ausgleich des Flüssigkeit- und Elektrolythaushaltes
55 chirurgische Korrektur der Dünndarmatresie mit Primäranas-
tomose, evtl. passagere Enterostomie

Meckel-Divertikel
55 Rudiment des Ductus omphaloentericus
55 Inzidenz ca. 2 %, meist Zufallsbefund
55 meist 40–80 cm proximal der Bauhin-Klappe

z Klinik
55 meist asymptomatisch
9.4 · Darmerkrankungen
273 9
55 rezidivierende Bauchschmerzen
55 intestinale Blutung oder Obstruktion
44profuse Blutauflagerungen im Stuhl, meist durch peptische
Ulzerationen aufgrund dystoper Magenschleimhaut

z Diagnostik
55 szintigraphischer Nachweis dystoper Magenschleimhaut
55 Laparoskopie

z Therapie
55 chirurgische (laparoskopische) Resektion

9.4.2 Zöliakie

55 nichtinfektiöse, autoimmune Entzündung der Dünndarm-


schleimhaut, die durch alkohollösliche Proteinanteile
(Prolamine) von Weizen (Gliadin aus Gluten), Roggen, Gerste
und Hafer ausgelöst und unterhalten wird
55 komplexe, chronische, reversible Immunreaktion, solange die
immunogenen Bestandteile der Nahrung nicht entzogen werden
55 synonym: glutensensitive Enteropathie (ältere Bezeichnung:
heimische Sprue)
55 diätetisch zuverlässig und nebenwirkungsfrei behandelbare
Erkrankung
55 Prävalenz ca. 1:200, häufigste Malabsorptionserkrankung im
Kindesalter, hohe „Dunkelziffer“
55 genetische Disposition (HLA-DQ2 und HLA-DQ8)
55 assoziierte Erkrankungen: IgA-Mangel, Diabetes mellitus Typ
1, Turner-Syndrom, Down-Syndrom, Autoimmunthyreoiditis,
rheumatische Erkrankungen

z Klinik
55 Zeichen der Malabsorption: Gedeihstörung, Gewichtsabnahme,
Kleinwuchs
44sekundäre Laktosemalabsorption (7 Abschn. 9.4.3)
44sog. „Tabakbeutelgesäß“ durch vermindertes subkutanes
Fettgewebe
44Muskelhypotonie, Müdigkeit
44Eisenmangelanämie
44verzögerte Pubertät, Infertilität
44Zahnschmelzdefekte
55 Bauchschmerz, ausladendes Abdomen
55 chronische Diarrhö, Erbrechen, Appetitlosigkeit, Obstipation (bei
10 % der Patienten)
55 Verhaltensauffälligkeiten, Misslaunigkeit, neuropsychiatrische
Symptome, Konzentrationsschwäche, Müdigkeit
55 Hepatopathie
274 Kapitel 9 · Tag 4: Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes und der Leber

. Tab. 9.3  Histologische Einteilung nach Marsh

Typ 0 Präinfiltrativer Typ, Normalbefund


Typ 1 Infiltrativer Typ
Typ 2 Hyperplastischer Typ
Typ 3 Destruktiver Typ

55 extraintestinaler Organbefall
55 bei Kindern selten: Dermatitis herpetiformis Duhring
55 silenter, mono- oder oligosymptomatischer Verlauf möglich

z Diagnostik
55 Anamnese/klinische Untersuchung: Zeitpunkt der Einführung
prolaminhaltiger Nahrung, Gewichts-/Längenentwicklung,
„Abweichen“ von der Perzentile
55 Labor incl. Eisenstatus (Eisenmangel), Leberwerte (erhöht),
Gesamt-IgA
! Cave bei IgA-Mangel kann die 55 Zöliakie-Serologie: deamidierte Gliadinpeptid-Antikörper, Anti-
9 Serologie falsch-negativ sein. Gewebetransglutaminase-Antikörper, IgG und IgA; regelmäßig
durchzuführen (Screening) auch bei Diabetes mellitus Typ 1, M.
Down etc.
! Cave Biopsie/Histologie nur 55 Ösophagogastroduodenoskopie mit Biopsien/Lupenmikro-
unter Glutenbelastung, sonst skopie (Dünndarmzotten-Atrophie)/Histologie, Durchführung
uneindeutiger oder falsch- bei zöliakieverdächtigen Symptomen auch bei negativer
negativer Befund möglich. Serologie
55 Histologie: Einteilung nach Marsh incl. Quantifizierung der
intraepitheliealen Lymphozyten (IEL, Norm <20/100 Epithel-
zellen) (. Tabelle. 9.3)
> Memo keine Korrelation 55 bei „unspezifischer Duodenitis“ sollte eine Zöliakie hinterfragt
zwischen Symptomatik und werden
Schleimhautschaden. 55 Normalisierung von Serologie und Symptomatik unter
Therapie
! Cave eher keine Behandlung 55 Serologisches „Screening“ bei allen erstgradigen Verwandten
mit glutenfreier Diät ex 55 ev. HLA-Diagnostik (HLA-DQ2/DQ8)
juvantibus, d. h. ohne 55 Kontrollbiopsie/Glutenbelastung nur bei Zweifel an der
Durchführung von Serologie Diagnose
und Histologie.
z Therapie
55 lebenslange strikte glutenfreie Diät
> Memo nur bei gesicherter 44Ernährungsberatung
Diagnose! 44Kenntnis über (auch „versteckten) Glutengehalt aller Produkte
(z. B. auch Zahncreme, Pflegeprodukte)
55 regelmäßige klinische Kontrolle von Wachstum und
Entwicklung
55 Serologie als Compliance-Parameter jährlich im Verlauf
9.4 · Darmerkrankungen
275 9
9.4.3 Laktosemalabsorption

55 Laktase (Enzym des duodenalen Bürstensaums) spaltet Laktose in ! Cave nicht zu verwechseln mit
Glukose und Galaktose kongenitalem Laktasemangel
55 primär (adulte Hypolaktasie) oder sekundär (z. B. bei unbehan- (lebensbedrohliche Symptomatik
delter Zöliakie) nach Beginn des Stillens, schwere
Diarrhö, Dehydration, Azidose).
z Klinik
55 Bauchschmerzen
55 Meteorismus
55 Diarrhö

z Diagnostik
55 Ernährungsanamnese
55 H2-Atemtest (bei der bakteriellen Fermentation von Kohlen-
hydraten im Darm entstehendes H2 wird in der Ausatemluft
gemessen: erhöht?), sensitivster Parameter zur Erfassung einer
Laktosemalabsorption

z Therapie
55 laktosearme Diät: Reduktion der Laktosezufuhr bis zur
Symptomfreiheit
55 Ernährungsberatung
55 Kalziumsubstitution
55 evtl. Laktasepräparate

9.4.4 Chronisch entzündliche Darmerkrankungen

55 idiopathische entzündliche Erkrankungen des Gastrointestinal-


traktes, chronisch rezidivierender Verlauf

Morbus Crohn
55 kann den ganzen Gastrointestinaltrakt („mouth to anus“)
betreffen, überwiegend jedoch den distalen Dünndarm
(Ileitis terminalis) und proximalen Dickdarm
55 Inzidenz und Prävalenz zunehmend, ca. 2–5 pädiatrische
Patienten/100.000 Einwohner, ca. 130 Erwachsene/100.000
Einwohner
55 30 % klinische Manifestation vor dem 18. Lebensjahr
55 Ätiologie nicht vollständig geklärt, multifaktoriell: genetische
Komponente, Umweltfaktoren, Infektionen führen zu einer
inadäquaten und anhaltenden Aktivierung des intestinalen Immun-
systems und spezifischer und unspezifischer Entzündungskaskaden
55 Prognose abhängig von frühzeitiger Diagnosestellung, raschem
Erreichen der anhaltenden Remission und Komplikationen
276 Kapitel 9 · Tag 4: Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes und der Leber

z Klinik
55 intestinal:
44(chronische) Bauchschmerzen
44Gewichtsverlust, Wachstumsstillstand
44(chronische) Diarrhö, selten blutig
44aphthöse Ulzerationen, Stomatitis, Gingivitis
–– Cheilitis granulomatosa
44perianale Hautveränderungen: Abszesse, Fissuren, Fisteln
44Dysphagie/Odynophagie bei ösophagealer Beteiligung
44typischerweise diskontinuierliche Verteilung der entzünd-
lichen Veränderungen
55 extraintestinal:
44extraintestinale Symptome bei >40 % der Patienten, gehen der
intestinalen Symptomatik gelegentlich um Jahre voraus
44Fieber
44Arthritis/Arthralgien
44Erythema nodosum/Pyoderma gangraenosum, v. a. der
Unterschenkel
44Uveitis/Retinitis
44Wachstumsverzögerung, verzögerte Pubertät
9 44Osteoporose
44Cholezystolithiasis
44Pankreatitis
44selten primär sklerosierende Cholangitis

z Diagnostik
55 Laborwerte: Blutbild (Anämie, Leukozytose, Thrombozytose),
erhöhte Entzündungszeichen (CRP, BSG), Hypoalbuminämie,
Leber-/Nieren-/Pankreaswerte, Gerinnung
55 mikrobiologische Stuhldiagnostik (u.a. Clostridien, Yersinien,
Lamblien?)
55 fäkales Calprotectin/Lactoferrin (jeweils erhöht)
55 Sonographie (verdickte Darmwände, Lymphknoten, freie
Flüssigkeit)
! Cave Differenzialdiagnose: 55 Ileokoloskopie mit Stufenbiopsien/Histologie: tiefe Ulzerationen,
intestinale Tuberkulose, Pflastersteinrelief (Fissuren und Ulzerationen zwischen intakter
Yersiniose. Mukosa), Strikturen, Abszesse, Fissuren, Fisteln, ileale Betei-
ligung, transmurale Entzündung, epitheloidzellige Granulome (in
ca. 50 % nachweisbar);
55 Ösophagogastroduodenoskopie mit Stufenbiopsien/Histologie
55 Doppelkontrast-Hydro-MRT („MR-Enteroklysma“), ggf.
Abdomen-CT bei Abszessverdacht
55 Aktivitätsindizes zur Bestimmung der Krankheitsaktivität, auch
im Verlauf, insbesondere PCDAI („Pediatric Crohns Disease
Activity Index“), zusammengesetzt aus klinischer Symptomatik,
Laborbefunden, körperlichem Untersuchungsbefund und extra-
intestinalen Manifestationen
9.4 · Darmerkrankungen
277 9
55 Röntgen linke Hand: Knochenalter?
55 jährliche augenärztliche Untersuchung (Iritis/Uveitis?)

Colitis ulcerosa
55 meist kontinuierlicher Befall des unteren Gastrointestinaltraktes
von distal, variable Ausdehnung
55 Verhältnis M. Crohn zu Colitis ulcerosa ca: 2–3:1
55 Ätiologie nicht vollständig geklärt, multifaktoriell (s. oben)
55 Prognose abhängig von frühzeitiger Diagnosestellung, raschem
Erreichen der anhaltenden Remission und Komplikationen

z Klinik
55 körperlicher Untersuchungsbefund seltener auffällig als bei M.
Crohn, Symptomatik aber dann oft typischer, daher diagnostische
Latenz oft kürzer als bei M. Crohn
55 häufig (>90 %) chronische blutige Diarrhö
55 Leistungsknick
55 Gewichtsverlust
55 seltener Bauchschmerzen (Warnsignal: umschriebene
Lokalisation)/Tenesmen
55 ausnahmsweise Fieber und perianale Läsionen
55 selten extraintestinale Manifestationen (s. oben), z. B. Augen-
beteiligung bei <1 %, dennoch regelmäßige ophthalmologische
Kontrolle
55 primär sklerosierende Cholangitis (PSC) häufiger als bei M.
Crohn, gelegentlich als sog. Overlap-Syndrom mit Autoimmun-
hepatitis, PSC und Colitis ulcerosa
55 Pankreatitis
55 fast nie Manifestationen im orofazialen Bereich
55 langfristig erhöhtes Risiko für ein kolorektales Karzinom

z Diagnostik
55 Laborwerte: Blutbild (Anämie, Leukozytose, Thrombozytose),
erhöhte Entzündungszeichen (CRP, BSG), Hypoalbuminämie,
Leber-/Nieren-/Pankreaswerte, Gerinnung
55 mikrobiologische Stuhldiagnostik (Yersinien, Lamblien?)
55 fäkales Calprotectin/Lactoferrin (jeweils erhöht)
55 Sonographie (verdickte Darmwände, Lymphknoten, freie
Flüssigkeit)
55 Ileokoloskopie mit Stufenbiopsien/Histologie: kontinuierliches
Verteilungsmuster von distal, verletzliche Schleimhaut, häufig
entzündliche Pseudopolypen, Kryptenabszesse, auf Mukosa
beschränkte Entzündung (69 % Pankolitis, 7 % subtotale Kolitis,
24 % Linksseitenkolitis), evtl. „Backwash-Ileitis“ (3 %)
55 ggf. Ösophagogastroduodenoskopie mit Stufenbiopsien/
Histologie
278 Kapitel 9 · Tag 4: Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes und der Leber

55 evtl. Doppelkontrast-Hydro-MRT („MR-Enteroklysma“), ggf.


Abdomen-CT bei Abszessverdacht
55 Aktivitätsindizes zur Bestimmung der Krankheitsaktivität, auch
im Verlauf, insbesondere PUCAI („Pediatric Ulcerative Colitis
Activity Index“), zusammengesetzt aus klinischer Symptomatik,
Laborbefunden, körperlichem Untersuchungsbefund und extra-
intestinalen Manifestationen
55 Röntgen linke Hand: Knochenalter?

Therapie chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen


55 Therapieziele: Remissions-Induktion/Remissionserhalt/alters-
entsprechende somatische und psychosoziale Entwicklung/
ungestörte Schul- und Berufsausbildung
55 individuelle Therapie unter Berücksichtigung von Befallmuster,
Krankheitsaktivität und Alter
44Ausgleich der chronischen Malnutrition (M. Crohn)
44Minimierung von Nebenwirkungen, Lebensqualität
44begleitende psychosoziale Therapie sinnvoll
55 Stufen-/Kombinationstherapie
9 44Aminosalizylate (Sulfasalazin, Mesalazin)
–– topisch oder systemisch
44Glukokortikoide
–– Prednison/Prednisolon systemisch, nur zur Behandlung der
akuten Entzündung, nicht zum Remissionserhalt bzw. zur
Dauertherapie
–– oder Budenosid; bei distalem Befall auch topische Steroide
als Klysmen oder Rektalschaum (Colitis ulcerosa)
44Ernährungstherapie
–– ausschließliche enterale Ernährungstherapie mit bilan-
zierter Trinknahrung über 6–8 Wochen, gleiche Rate der
Remissionsinduktion wie Steroide bei deutlich weniger
Nebenwirkungen
–– primärer Einsatz bei Erstmanifestation mit mildem,
moderatem Befall v. a. der Ileozökalregion (M. Crohn)
–– Effekt bei Colitis ulcerosa nicht ausreichend belegt, als
Nahrungsergänzung im Einzelfall sinnvoll
44Immunsuppressiva
! Cave TPMT (Thiopurin- –– Azathioprin/6-Mercaptopurin (Purinanaloga), v. a. bei
Methyltransferase)-Aktivität, schwerem Verlauf, zunehmend auch früh im Erkrankungs-
falls erniedrigt, verminderter verlauf eingesetzt, Wirkungseintritt erst nach mehreren
Abbau von Purinanaloga Wochen bis Monaten, regelmäßige Verlaufskontrollen
und damit erhöhte aufgrund der Nebenwirkungen (toxische Knochenmark-
Nebenwirkungsrate. suppression, Hepatopathie, akute Pankreatitis)
–– Methotrexat (Folsäureantagonist), unter
Folsäuresubstitution
–– Cyclosporin A (Calcineurininhibitor), zur immunsuppres-
siven Therapieeskalation; bei schwerem therapierefrakrären
9.4 · Darmerkrankungen
279 9
Verlauf und zur Überbrückung des Zeitraums zwischen
Therapiebeginn mit Azathioprin und dem Einsetzen dessen
Wirksamkeit
–– Infliximab (chimärer Tumornekrosefaktor (TNF)-α-An-
tikörper), bei therapierefraktärem, steroiddependenten
oder steroidresistenten Verlauf, auch zum Remissionserhalt
geeignet, bei Komedikation mit Azathioprin wird ein
erhöhtes Lymphomrisiko vermutet; regelmäßige intravenöse
Applikation
–– Adalimumab (humaner TNF-α-Antikörper). Regelmäßige
subkutane Applikation.
–– zahlreiche neue sog. Biologicals (u. a. Golimumab, Vedoli-
zumab, Etrolizumab) in der klinischen Erprobung
44Antibiotika (Metronidazol, Ciprofloxazin)
–– je nach Symptomatik und entzündlicher Aktivität;
Wirksamkeit auf die primäre Krankheitsaktivität nicht
nachgewiesen
44chirurgische Therapie
–– erhebliches Rezidivrisiko auch nach primär erfolgreicher
chirurgischer Therapie bei M. Crohn
–– bei Komplikationen (Fisteln, Abszesse, Strikturen) im
Einzelfall indiziert
–– im Gegensatz zum M. Crohn ist eine Teil-, subtotale oder
totale Kolektomie bei Colitis ulcerosa gelegentlich sehr
erfolgreich und im Sinne der Krankheitsaktivität kurativ.
Auch bei erfolgloser, maximaler medikamentöser Therapie
oder unstillbarer Blutung (meist im Erwachsenenalter) in
Anbetracht des Karzinomrisikos zu erwägen
–– meist Proktomukosektomie und Anlage eines ileoanalen
Pouches mit Erhalt der Kontinuität des Gastrointestinal-
traktes und der Kontinenz ! Cave Pouchitis.

9.4.5 Invagination

55 „Einstülpung eines Darmabschnittes in sich selbst“, meist


ileozökal (90 %)
55 meist im Alter zwischen 4. Lebensmonat und 4. Lebensjahr, aber
in jedem Alter möglich
55 zahlreiche Ursachen: infektiöse Enteritis, mesenteriale Lymph-
knoten (als Führungspunkt), intestinale Polypen (häufige
Erstmanifestation) oder Duplikaturen, Meckel-Divertikel,
Tumoren

z Klinik
55 akut einsetzende kolikartige Schmerzen
55 Würgen, Erbrechen
55 Absetzen von blutigem Schleim
280 Kapitel 9 · Tag 4: Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes und der Leber

55 tastbare „Walze“ im rechten Unterbauch


55 akutes Abdomen, Ileussymptomatik
55 Kreislaufschock

z Diagnostik
55 Sonographie: Kokarde im Transversalschnitt, mesenteriale
Lymphknoten, Darmwandverdickung
55 ggf. Röntgen-Abdomenübersicht: Ileuszeichen ?

z Therapie
! Cave Perforationsgefahr. 55 hydrostatische Reposition mit wasserlöslichem Kontrastmittel
unter Durchleuchtung
55 ggf. chirurgische Therapie

9.4.6 Obstipation

55 Prävalenz bei Kindern bis zu 35 %


55 chronische Obstipation bei Symptomatik >3 Monate
55 bei 90 % der Kinder ohne organische Ursache (habituelle
9 Obstipation)

z Klinik
55 seltener Stuhlgang
44„Pressen“ bei der Defäkation
! Cave paradoxe Diarrhö. 44harter und/oder großvolumiger Stuhl
44Defäkationsschmerz, Analfissuren
44Stuhleinhaltemanöver
44Stuhlschmieren/sekundäre Enkopresis
55 abdominelle Distension, tastbare Skybala
55 chronisch rezidivierende Bauchschmerzen
55 gelegentlich bis zum Ileus/akuten Abdomen

z Diagnostik
55 Anamnese: Symptombeginn, Mekoniumabgang, Sauberkeits-
erziehung, Enkopresis, Enuresis
> Memo rektal-digitale und 55 klinische Untersuchung
neurologische Untersuchung 44Ernährungs-, Stuhl- und Beschwerdeprotokoll (Schmerzen,
obligat. Blut- und Schleimbeimengungen, Form/Farbe/Geruch des
Stuhls)
55 Laborwerte: incl. Schilddrüsenparameter (TSH erhöht?),
Zöliakie-Serologie mit Gesamt-IgA
55 Schweißtest
55 Sonographie des Abdomens
55 evtl. Röntgen Abdomen-Übersicht (Stuhl/Luft-Verteilung?)
55 evtl. Kolon-Kontrasteinlauf (Megakolon?)
55 bei Verdacht auf M. Hirschsprung: tiefe Rektumbiopsie
(Aganglionose?)
9.5 · Erkrankungen der Leber und Gallenwege
281 9
z Therapie
55 Aufklärung („Teufelskreis“), Erlernen eines normalen Defäka-
tionsrhythmus, Ausnutzung des gastrokolischen Reflexes
55 Ernährungsberatung (optimierte Mischkost, ausreichend
Flüssigkeit, Ballaststoffe)
55 initiale Desimpaktation, ggf. in Sedierung
55 Dauerbehandlung zur Vermeidung erneuter Stuhlakkumulation ! Cave Meteorismus als
(Polyethylenglykol), möglichst ohne regelmäßige anale Irritationen Nebenwirkung der osmotischen
55 Hautpflege bei Analfissuren, evtl. mit lokalanästhetischer Creme Laxanzien (Laktulose).
55 ggf. Behandlung der Grundkrankheit

9.5 Erkrankungen der Leber und Gallenwege

9.5.1 Hyperbilirubinämie

55 Erhöhung der Bilirubinkonzentration im Blut


55 nach Konjugation des indirekten Bilirubins im RES der Hepato-
zyten Bilirubinfreisetzung in konjugierter (direktes Bilirubin)
Form in die Galle
55 Ursachen der indirekten Hyperbilirubinämie: Neugeborenen-
Hyperbilirubinämie, Hämolyse, Rhabdomyolyse, Hepatitis
(7 Abschn. 9.5.3), Leberzirrhose (7 Abschn. 9.5.5), Cholangitis,
Salmonellose, Intoxikation, Gilbert-Syndrom, Crigler-Najjar-
Syndrom, Dubin-Johnson-Syndrom
55 Ursachen der direkten Hyperbilirubinämie: Cholestase, Choleli-
thiasis, Pankreatitis (7 Abschn. 9.3.1), Gallengangatresie

z Klinik
55 Ikterus
55 Pruritus
55 entfärbter Stuhl
55 dunkel gefärbter Urin

z Diagnostik
55 Bestimmung von Gesamtbilirubin, indirektem und direktem
Bilirubin

z Therapie
55 Behandlung der Grundkrankheit

9.5.2 Extrahepatische Gallengangatresie

55 konnataler Verschluss außerhalb der Leber gelegener Abschnitte


des Gallengangsystems
55 selten, Inzidenz ca. 1:18.000 Neugeborene
55 Ätiologie unbekannt
282 Kapitel 9 · Tag 4: Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes und der Leber

z Klinik
55 Ikterus (Icterus prolongatus?)
55 entfärbter (acholischer) Stuhl
> Memo Neugeborene. 55 dunkler, bzw. gefärbter Urin
55 Hepatomegalie
55 im Verlauf Splenomegalie und Aszites (portale Hypertension)
55 Juckreiz

> Memo Diagnose muss z Diagnostik


innerhalb der ersten 6 55 Laborwerte: Bilirubin (Gesamt-, direkt und indirekt, jeweils
Lebenswochen gestellt werden, erhöht, Anteil des direkten Bilirubins deutlich erhöht), Blutbild,
um eine irreversible Schädigung Leberwerte, Gallensäuren, alkalische Phosphatase
der Leber zu vermeiden. 55 Nüchtern-Sonographie der Leber- und Gallewege (Gallenblase
darstellbar? Echogenität erhöht?)
55 ggf. hepatobiliäre Sequenzszintigraphie (Exkretion von Galle in
den Darm?)
55 ggf. ERCP (endoskopische retrograde Cholangiopankreatiko-
graphie), MRCP (Darstellung der Gallewege)
55 Leberbiopsie mit Histologie

9 z Therapie
55 operativ: Hepatoporto-Enterostomie nach Kasai (Wieder-
herstellung des Galleflusses durch seitliche Verbindung einer
Darmschlinge mit der offenen Leberpforte)
55 evtl. Ursodesoxycholsäure (kann den Gallefluss verbessern)
55 Therapie des chologenen Pruritus
44evtl. Enzyminduktion (Phenobarbital, Rifampicin)
44evtl. intestinale Gallebinder (Colestyramin)
55 Lebertransplantation (bei verspäteter Diagnose, primärem
Versagen der Kasai-Operation oder bei zunehmender
Leberzirrhose)

9.5.3 Virushepatitis

Hepatitis A
55 RNA-Virus
55 endemisch in Ländern mit niedrigem sozioökonomischen Status,
Durchseuchung bei Erwachsenen hier bis zu 100 %
55 in westlichen Industrieländern eher Erkrankung des
Erwachsenenalters, typische Reisekrankheit, Prävalenz bei
Kindern <10 %
55 Übertragung in der Regel fäkal-oral durch kontaminiertes
Wasser, verunreinigte Lebensmittel oder direkten Kontakt mit
Infizierten
55 Inkubationszeit 2–7 Wochen
9.5 · Erkrankungen der Leber und Gallenwege
283 9
z Klinik
55 häufig asymptomatisch, keine Chronifizierung, keine dauerhaften
Leberschäden
55 uncharakteristisch: Übelkeit, Erbrechen, Durchfall,
Bauchschmerzen
55 Ikterus, Fieber, Müdigkeit
55 Dauer meist 2–4 Wochen, selbstlimitierend, protrahierter oder
fulminanter Verlauf selten

z Diagnostik
55 Laborwerte: Blutbild (Leukozytose?); Leberwerte, Bilirubin,
Gallensäuren (jeweils erhöht?)
55 serologischer Nachweis von Anti-HAV-Antikörpern
55 Sonographie Leber und Gallenwege (Echoinhomogenität,
Zirrhosezeichen?)

z Therapie
55 symptomatisch
55 Meldepflicht
55 Aufklärung/hygienische Maßnahmen
55 Prophylaxe durch aktive Immunisierung

Hepatitis B
55 DNA-Virus
55 weltweit ca. 250 Mio. chronische HBsAG-Träger als persistie-
rende Infektionsquelle
55 Übertragung bei Kindern überwiegend mittels vertikaler
Infektion, horizontale Infektion v. a. durch ungeschützten
Geschlechtsverkehr, parenterale Infektion durch Blutprodukte
inzwischen selten
55 Inkubationszeit 40–180 Tage

z Klinik
55 akute oder chronisch verlaufende Lebererkrankung
44akute Infektion oft asymptomatisch
44uncharakteristisch: Übelkeit, Erbrechen, Durchfall,
Bauchschmerzen
55 Ikterus, Fieber, Müdigkeit
55 selten extrahepatische Begleitsymptome: Arthralgien, Myalgien,
Exanthem
55 Dauer meist 3–6 Wochen
44fulminanter Verlauf einer akuten Hepatitis B bei 1 %
44Chronifizierung altersabhängig 10–90 %
55 Komplikationen der chronischen Hepatitis B: Leberzirrhose
(7 Abschn. 9.5.5), Leberkarzinom
284 Kapitel 9 · Tag 4: Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes und der Leber

> Memo regelmäßige z Diagnostik


Kontrollen: Serokonversion von 55 Laborwerte: Blutbild (Leukozytose?); Leberwerte, Bilirubin,
HBeAG zu Anti-HBe bzw. von Gallensäuren (jeweils erhöht?)
HBsAG zu Anti-HBs? 55 serologischer Nachweis von HBsAG, HBeAG, Anti-HBs-
Anti-HBe- und Anti-HBc-Antikörpern; HBV-DNA quantitativ
mittels PCR
55 Sonographie Leber und Gallenwege (Echoinhomogenität,
Zirrhosezeichen?)
55 ggf. Leberbiopsie mit Histologie (Zirrhose, Fibrose?)

z Therapie
55 akute Hepatitis B: symptomatisch
55 chronische Hepatitis B (HBs-AG-Persistenz >6 Monate):
pegyliertes Interferon-α oder Tenofovir (ab 12. Lebensjahr) oder
Entecavir (ab 6. Lebensjahr)
55 Meldepflicht
55 Aufklärung/hygienische Maßnahmen
55 Prophylaxe durch aktive (STIKO-Empfehlung) und ggf. passive
Immunisierung

9
Hepatitis C
55 RNA-Virus
55 Prävalenz in Deutschland 0,4 % chronische HCV-
Infektion
55 Chronifizierung 60–80 %
55 Übertragung durch Blutprodukte (selten) oder vertikal
55 Inkubationszeit variabel, im Mittel 8 Wochen

z Klinik
55 häufig asymptomatisch
55 uncharakteristisch: Übelkeit, Erbrechen, Durchfall,
Bauchschmerzen
55 Ikterus, Fieber, Müdigkeit
55 extrahepatische Begleitsymptome möglich
55 akuter Verlauf selten
55 Komplikationen der chronischen Hepatitis C: Leberzirrhose,
Leberkarzinom

z Diagnostik
55 Laborwerte: Blutbild (Leukozytose?); Leberwerte, Bilirubin,
Gallensäuren (jeweils erhöht?)
55 serologischer Nachweis von Anti-HCV-Antikörpern; HCV-RNA
> Memo regelmäßige quantitativ mittels PCR; Genotypisierung
Kontrollen: 55 Sonographie Leber und Gallenwege (Echoinhomogenität,
HCV-RNA-Persistenz? Zirrhosezeichen?)
55 ggf. Leberbiopsie mit Histologie (Zirrhose, Fibrose?)
9.5 · Erkrankungen der Leber und Gallenwege
285 9
z Therapie
55 unbehandelt >60 % chronischer Verlauf
55 Meldepflicht
55 bei nachgewiesener akuter Hepatitis C: pegyliertes Interferon-α
über 3–6 Monate
55 chronische Hepatitis C (HCV-RNA-Nachweis >6 Monate):
pegyliertes Interferon-α und Ribavirin
55 Zulassungsstudien mit Sofosbuvir (sowie zahlreichen anderen
neuen Präparaten) und Ribavirin laufen, Ziel: Interferon-freie
Behandlung
55 bisher keine aktive Immunisierung

Hepatitis D
55 defektes RNA-Virus
55 Ko-Infektion chronischer HBs-AG-Träger
55 verschlechtert die Prognose einer Hepatitis B
55 Inkubationszeit 2–8 Wochen

z Klinik
55 meist asymptomatisch
55 akuter Verlauf sehr selten
55 Dauer meist 2–4 Wochen

z Diagnostik
55 Laborwerte: Blutbild (Leukozytose?); Leberwerte, Bilirubin,
Gallensäuren (jeweils erhöht?)
55 serologischer Nachweis von Anti-HDV-Antikörpern; HDV-RNA
mittels PCR
55 Sonographie Leber und Gallenwege (Echoinhomogenität,
Zirrhosezeichen?)
55 ggf. Leberbiopsie mit Histologie (Zirrhose, Fibrose?)

z Therapie
55 symptomatisch im Rahmen der Hepatitis B
55 Meldepflicht
55 bisher keine aktive Immunisierung, Prophylaxe durch
Hepatitis-B-Impfung

Hepatitis E
55 RNA-Virus
55 in westlichen Industrieländern selten, Reisekrankheit
55 Übertragung in der Regel fäkal-oral durch kontaminiertes
Wasser, verunreinigte Lebensmittel oder direkten Kontakt mit
Infizierten
55 Inkubationszeit 20–75 Tage
286 Kapitel 9 · Tag 4: Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes und der Leber

z Klinik
55 häufig asymptomatisch, keine Chronifizierung, keine dauerhaften
Leberschäden
55 uncharakteristisch: Übelkeit, Erbrechen, Durchfall,
Bauchschmerzen
55 Ikterus, Fieber, Müdigkeit
55 Dauer meist 2–3 Wochen

z Diagnostik
55 Laborwerte: Blutbild (Leukozytose?); Leberwerte, Bilirubin,
Gallensäuren (jeweils erhöht?)
55 serologischer Nachweis von Anti-HEV-Antikörpern; HEV-RNA
mittels PCR
55 Sonographie Leber und Gallenwege (Echoinhomogenität,
Zirrhosezeichen?)

z Therapie
55 symptomatisch
55 Meldepflicht
55 bisher keine aktive Immunisierung
9
9.5.4 Autoimmunhepatitis

55 selten, Prävalenz 1:1 Mio


55 chronisch aktive Hepatitis unklarer Genese mit fortschreitender
Zerstörung des Leberparenchyms
55 serologische und histologische Überlappung mit primär sklero-
sierender Cholangitis (Overlap-Syndrom) möglich

z Klinik
55 kann lange Zeit silent verlaufen, daher bei der Diagnose-
stellung häufig schon erhebliche Leberzellschädigung/
Leberzirrhose
55 uncharakteristisch: Übelkeit, Erbrechen, Durchfall,
Bauchschmerzen
55 Ikterus, Hepatosplenomegalie, Fieber, Müdigkeit
55 extrahepatische Begleiterkrankungen möglich
55 bei längerem Verlauf „lebertypische“ Hautveränderungen
55 fulminanter Verlauf selten
55 hohe Rezidivrate

z Diagnostik
> Memo Leberbiopsie mit Histologie 55 Laborwerte: Blutbild (Leukozytose?); Leberwerte, Bilirubin,
obligat (lymphoplasmazytäre Gallensäuren (jeweils erhöht?)
Infiltration, Zirrhose?). 55 Gesamt-IgG (deutlich erhöht)
55 Auto-Antikörper: ANA (Typ 1), LKM1 (Typ 2), SMA, SLA/LP,
LC1 (jeweils erhöht)
9.5 · Erkrankungen der Leber und Gallenwege
287 9
55 Sonographie Leber und Gallenwege (Echoinhomogenität,
Zirrhosezeichen?)

z Therapie
55 Immunsuppression: Steroide und Azathioprin, auch bei Rezidiv-
freiheit über längeren Zeitraum (5 Jahre); ggf. Cyclosporin
55 ggf. Lebertransplantation

9.5.5 Leberzirrhose

55 WHO: diffuser Umbauprozess mit Ersatz der ursprünglichen


Leberarchitektur durch Fibrose, Nekrose und Bildung nodulärer
Strukturen
55 Endstadium praktisch aller schweren progressiven
Lebererkrankungen
55 zahlreiche Ursachen: u. a. Gallengangmalformationen (z. B.
Gallengangatresie), Infektionen (z. B. Hepatitis B), Autoimmun-
erkrankungen (z. B. Autoimmunhepatitis), vaskuläre Erkran-
kungen (z. B. angeborene Herzfehler), Stoffwechselerkrankungen
(z. B. M. Wilson), toxisch

z Klinik
55 Zeichen der zunehmenden Leberzellschädigung und
-funktionsstörung:
44Blutungen, Koagulopathie
44Aszites
44Cholestase
55 Hepatosplenomegalie
55 portale Hypertension durch Anstieg des Widerstands
in den intrahepatischen Blutgefäßen mit Bildung von
Kollateralkreisläufen
44Ösophagus-/Fundusvarizen
44Caput medusae: kutane, periumbilikale Kollateralenbildung
55 hepatopulmonales Syndrom mit Belastungsdyspnoe und Zyanose
55 hepatorenales Syndrom mit progressiver renaler Insuffizienz
55 endokrine Veränderungen
55 hepatische Enzephalopathie

z Diagnostik
55 entsprechend der Grundkrankheit, globale Leberleistung
reduziert ! Cave erhöhtes Komplikations-
55 Leberbiopsie mit Histologie und Blutungsrisiko.

z Therapie
55 entsprechend der Grundkrankheit
55 supportive Maßnahmen/Substitution
55 ggf. Lebertransplantation
288 Kapitel 9 · Tag 4: Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes und der Leber

9.5.6 Morbus Wilson

55 Synonym: hepatolentikuläre Degeneration


55 autosomal-rezessive Stoffwechselerkrankung (Mutation auf
Chromosom 13)
55 Störung der biliären Kupfersekretion und der Sekretion in das
Plasma (Coeruloplasmin-gebunden)
55 erhöhte (toxische) Kupferbeladung der Hepatozyten
55 Syntheseverminderung des Kupfertransportproteins Coerulo-
plasmin, damit vermehrte Bindung an Albumin, Einlagerung in
Organe und vermehrte Ausscheidung im Urin
55 pathologische Speicherung von Kupfer in Leber, ZNS (incl.
Augen), Nieren, Blut und anderen Organen

z Klinik
55 Folgen der Kupfertoxizität, gelegentlich sehr uncharakteristisch
55 Hepatopathie, Leberzirrhose
55 Ikterus, Pruritus, Blutungsneigung, Hämolyse, Aszites, portale
Hypertension, hepatische Enzephalopathie, Leberversagen
55 Kaiser-Fleischer-Kornealring (Kupferablagerung in der Kornea)
9 55 evtl. neuropsychiatrische Symptome
55 Nierenbeteiligung
55 Skelettbeteiligung mit Knochendemineralisation
55 Herzrhythmusstörungen, Kardiomyopathie

z Diagnostik
55 Laborwerte: Blutbild, Leberwerte, Bilirubin, Gerinnung und nach
klinischer Symptomatik
55 Coeruloplasmin im Serum (erniedrigt)
55 Kupfer im Serum (oft erhöht)
55 Kupferausscheidung im 24-h-Sammelurin (deutlich erhöht)
55 Penicillamin-Belastungstest (bei uneindeutigen Befunden:
Kupfer im Urin deutlich erhöht)
55 Leberbiopsie mit Histologie UND Bestimmung des Kupferge-
haltes im Trockengewicht (deutlich erhöht)
55 ggf. Mutationsanalyse (ATP7B bzw. „Wilson-Gen“ auf
Chromosom 13)

z Therapie
55 Chelatbildner: D-Penicillamin, Triethylentetramin zur
Kupferelimination
> Memo Therapie des Pruritus 55 ev. Zink zur Reduktion der Kupferaufnahme im Darm
kann sehr unbefriedigend sein. 55 Therapie der Begleiterkrankungen
55 evtl. im fortgeschrittenen Stadium: Lebertransplantation
9.5 · Erkrankungen der Leber und Gallenwege
289 9
9.5.7 Akutes Leberversagen

55 Definition im Kindesalter: schwere Beeinträchtigung der


Leberfunktion mit Hyperbilirubinämie (7 Abschn. 9.5.1), Leber-
synthesestörung und Transaminasenerhöhung innerhalb von 8
Wochen bei Patienten ohne vorher bekannte Lebererkrankung,
unabhängig vom Vorliegen einer Enzephalopathie
55 selten, schlechte Prognose (Letalität 70–95 %)
55 zahlreiche Ursachen: infektiös (z. B. Hepatitis B, 7 Abschn. 9.5.3),
Stoffwechselerkrankungen (z. B. M. Wilson, 7 Abschn. 9.5.6),
(Arzneimittel-)toxisch (z. B. Paracetamol, Valproat, Methotrexat),
Autoimmunerkrankungen (z. B. Autoimmunhepatitis, 7 Abschn.
9.5.4), ischämische Ursachen (z. B. akuter Kreislaufschock),
infiltrativ (z. B. Leukämie), traumatisch, Reye-Syndrom (akutes
Leberversagen letztlich unklarer Ursache, möglicherweise
durch Einnahme von Azetylsalizylsäure nach vorangegangenem
akuten Virusinfekt, mit Enzephalopathie und mikrovesikuläre
Lebersteatose)

z Klinik
55 Zeichen der akuten Leberinsuffizienz (s. o.)

z Diagnostik
55 Laborwerte (7 Abschn. 9.5.5): Blutbild, Leberwerte, Bilirubin,
Gerinnung, Elektrolyte, Retentionswerte, Ammoniak, Laktat,
Lipase
55 Virus-Serologie (virale Hepatitis?)
55 ggf. Lumbalpunktion (Differenzialdiagnose: nicht-hepatische
Enzephalitis)
55 Sonographie von Abdomen und ggf. Schädel
55 Echokardiographie (Pumpfunktion?)
55 Röntgen-Thorax (Kardiomegalie, pulmonale Stauung?) ! Cave Leberbiopsie mit deutlich
55 EEG (bei Enzephalopathie) erhöhtem Blutungsrisiko
55 kraniale CT/MRT (bei Enzephalopathie) verbunden.

z Therapie
55 frühzeitige, rasche und „aggressive“ supportive intensivmedizi-
nische Behandlung
55 evtl. „systemische Detoxifikation“ durch
„Leber-Dialyse“-Verfahren
55 spezifische Therapie der Grundkrankheit
55 „High-urgency“-Lebertransplantation
291 10

Tag 4: Nephrologie und


Urogenitalerkrankungen
C. Stollbrink-Peschgens

10.1 Fehlbildungen der Niere und ableitenden Harnwege – 292


10.1.1 Entwicklungsstörungen – 292

10.2 Harnwegsinfektionen, Pyelonephritis, Hydronephrose – 298

10.3 Glomeruläre Erkrankungen – 300


10.3.1 IgA-Nephritis – 300
10.3.2 Akute postinfektiöse Glomerulonephritis – 301
10.3.3 Andere Glomerulonephritiden – 302
10.3.4 Rezidivierende Hämaturie – 303
10.3.5 Nephrotisches Syndrom – 304

10.4 Tubulointerstitielle Erkrankungen – 306


10.4.1 Tubulopathien – 306
10.4.2 Tubulointerstitielle Nephritis – 308

10.5 Niereninsuffizienz – 308


10.5.1 Akutes Nierenversagen – 308
10.5.2 Chronisches Nierenversagen – 309

10.6 Arterielle Hypertonie – 310

10.7 Fehlbildungen und Erkrankungen des äußeren


Genitale – 311
10.7.1 Krankheiten des männlichen Genitale – 311
10.7.2 Krankheiten des weiblichen Genitale – 316

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2017


B. Karges, N. Wagner (Hrsg.), Pädiatrie in 5 Tagen, Springer-Lehrbuch,
DOI 10.1007/978-3-662-52813-6_10
292 Kapitel 10 · Tag 4: Nephrologie und Urogenitalerkrankungen

10.1 Fehlbildungen der Niere und ableitenden


Harnwege

10.1.1 Entwicklungsstörungen

Ureteropelvine Stenose („Ureterabgangsstenose“)


55 Einengung des ureteropelvinen Übergangs durch kongenitale
Texturstörung des Harnleiters (intrinsische Stenose) oder
Einengung des Ureters von außen durch aberrierendes Polgefäß
(extrinsische Stenose)

z Klinik
55 häufig (solange kompensiert) stumm
55 sonst tastbare Raumforderung, Harnwegsinfekte, Oberbauch-
oder Flankenschmerzen, Nierensteine

z Diagnostik
55 Sonographie, oft bereits pränatal
> Memo Die i.v. Urographie 55 Isotopennephrographie (ING) zur Beurteilung der
ist in der Diagnostik der ­Nierenfunktion in der seitengetrennten Clearance und des
ureteropelvinen Stenose Abflusses aus der betroffenen Niere mit Furosemidtest
obsolet, da bessere (relevante Abflussstörung im Sinne einer operationsbedürftigen
10 („strahlensparende«) Stenose?)
Diagnosemethoden (ING, MRT) 55 Magnetresonanz-Uro-Angiogramm (MRT) zur Beurteilung des
zur Verfügung stehen. pyeloureteralen Überganges (v. a. Darstellung des aberrierenden
Gefäßes bei Verdacht auf extrinsische Stenose)

z Therapie
! Cave Bei Pyonephrose ist zur 55 bei konnataler Ureterabgangsstenose häufig keine Therapie,
kurzfristigen Entlastung des sondern „kontrolliertes Zuwarten“ unter sonographischer
Nierenbeckenkelchsystems Kontrolle möglich, da ein großer Teil der angeborenen Ureter-
die perkutane Nephrostomie abgangsstenosen im Verlauf spontan „maturiert“
dringend indiziert. 55 Operation nur im Fall der nachgewiesenen Obstruktion
(= relevante, die Nierenfunktion auf Dauer schädigende
Abflussbehinderung)
55 falls operative Therapie: Pyeloplastik, in der Regel nach
Anderson-Hynes

Megaureter
55 Dilatation des Harnleiters
55 primärer Megaureter durch Störungen in der Muskelfaseran-
ordnung und im Kollagengehalt des vesikoureteralen
Übergangs mit prävesikal engem Segment (obstruktiver
Megaureter)
55 sekundärer Megaureter durch Störungen der Blase oder
Harnröhre (neurogene Blase, Harnröhrenklappe) oder durch
vesikoureteralen Reflux
10.1 · Fehlbildungen der Niere und ableitenden Harnwege
293 10
55 nicht-obstruktiver, nicht-refluxiver Megaureter ohne fassbare
Anomalie im pyeloureteralen Übergang (spontane „Maturation“)
in hohem Prozentsatz

z Klinik
55 Harnwegsinfekte
55 Bauch-und Flankenschmerzen
55 Nierensteine

z Diagnostik > Memo Bei Doppelnieren


55 Sonographie (häufig schon pränatal diagnostiziert) mit Megaureter gehört dieser
55 Isotopennephrographie (Nierenfunktionsbestimmung, zum oberen Nierenanteil und
Abflusskinetik) mündet häufig dystop, evtl.
55 MR-Urographie (Klärung der Anatomie des vesikoureteralen auch außerhalb der Harnblase
Überganges, ektope Mündung?) (Meyer-Weigert-Regel).

z Therapie
55 beim primär-obstruktiven Megaureter: operative
Harnleiter-Neueinpflanzung
55 beim sekundären Megaureter: Beseitigung der zugrunde
liegenden Pathologie (Inzision einer Harnröhrenklappe, Norma-
lisierung der Blasenfunktion)
55 beim nicht-obstruktiven, nicht-refluxiven Megaureter: Zuwarten
unter sonographischer Verlaufskontrolle und antibiotischer
(Langzeit-)Prophylaxe

Ureterozele
55 zystische Aufweitung des distalen intravesikalen
Uretersegmentes
55 intravesikale Ureterozelen: Ostium der Ureterozele in der
Blase
55 extravesikale Ureterozelen: Ostium im Bereich des Blasenhalses
oder der Urethra

z Klinik
55 Harnwegsinfekte ! Cave Ureterozelenprolaps in
55 Konkrementbildungen die Urethra (bei ektoper Form)
55 Bauchschmerzen kann zum Harnverhalt führen
55 tastbare Raumforderung (Neonaten, kleine Säuglinge).

z Diagnostik
55 Sonographie
55 Miktionszysturethrogramm
55 Isotopennephrogramm oder DMSA (Dimercaptosucci-
nat)-Szintigraphie (bei Doppelnieren) zur Bestimmung des
Funktionsanteils des Nierenoberpols zur Therapieplanung (Erhalt
oder Resektion)
294 Kapitel 10 · Tag 4: Nephrologie und Urogenitalerkrankungen

z Therapie
55 minimalinvasiver Eingriff beim Neonaten: Ureterozelenpunktion
zur Schaffung eines sofortigen Abflusses
55 später in der Regel Ureterozelenexzision und Harnleiterneuein-
pflanzung, bei Doppelsystemen abhängig von der Funktion des
zugehörigen Oberpols auch Heminephroureterektomie

Vesikoureteraler Reflux
55 intermittierender Rückfluss von Blasenurin in die Harnleiter/
Nierenbecken
55 primärer vesikoureteraler Reflux: angeboren in Folge einer
Ostieninkompetenz (bedingt u. a. durch z. B. unzureichende
Länge des intramuralen, submukösen Ureteranteils)
55 sekundärer vesikoureteraler Reflux: Folge einer pathologischen
Druckerhöhung in der Harnblase (z. B. bei Harnröhrenklappe,
Meatusstenose, Detrusor-Sphinkter-Dyskoordination, neurogene
Blase bei Myelozele u. Ä.)
55 pränatale Beeinträchtigung der Nierendifferenzierung möglich
→ konnatale Nierendysplasie
55 bei zusätzlich vorliegender infravesikaler Abflussstörung
(Harnröhrenklappen) Druckschädigung des Nierenparenchyms
10 durch „Wasserhammereffekt“ möglich
> Memo Das Vollbild des 55 Reflux in Kombination mit Harnwegsinfekten → Pyelonephritis
Refluxschadens ist die → pyelonephritische Nierennarben → Niereninsuffizienz
Refluxnephropathie, die zur 55 Refluxinzidenz bei gesunden Kindern unklar, bei Patienten
Dialysepflichtigkeit führen mit Pyelonephritiden bis zu 50 %. Je jünger ein Patient mit
kann. Pyelonephritis, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein
vesikoureteraler Reflux vorliegt!

z Klinik
55 keine charakteristischen Symptome, aber häufiger febrile
Harnwegsinfekte

z Diagnostik
> Memo Immer 55 „Goldstandard“ → Miktionszysturethrogramm („MCU“) über
refluxbegünstigende Faktoren transurethralen oder suprapubischen Zugang, dabei Graduierung
wie z. B. pathologisches des Refluxes nach Pakkulainen in 5 Grade und Darstellung der
Wasserlassverhalten Harnröhre
(Miktionsaufschub, verspannte 55 alternativ („strahlenfrei“) sonographische Refluxprüfung mittels
Miktion, chronische spezieller Kontrastmittel, die Gasbläschen enthalten (allerdings
Obstipation) aktiv erfragen! keine Refluxgraduierung möglich, Nachweis niedriggradiger
Refluxe unsicher, keine Harnröhrendarstellung)
55 Isotopenzystographie mit z. B. Technetium-MAG3 mit
Gamma-Kamera über dem Nierenbecken nach transurethraler
Blasenfüllung
55 indirekte Isotopenzystographie nach Injektion des Nuklides
intravenös, Abwarten einer Blasenfüllung und möglichst Miktion
10.1 · Fehlbildungen der Niere und ableitenden Harnwege
295 10
des Kindes mit Registrierung eines (erneuten) Aktivitätsanstiegs
über dem Nierenbecken
55 Nachweis von Nierennarben: DMSA-Szintigraphie gut geeignet,
Narben erscheinen als Speicherdefekte
55 i.v. Pyelographie zur Beurteilung von Nierennarben ist bei
Anwendung der o. g. Untersuchungsmethoden obsolet
(hohe Strahlenbelastung, Nierennarben erst spät erkennbar,
Kontrastmittelzwischenfälle)

z Therapie
55 da „Refluxmaturation“ (spontanes Ausheilen des Refluxes)
in vielen Fällen konservatives wie auch operatives Procedere
denkbar
55 nicht-operatives Refluxmanagement
44längerfristige Antibiotikaprophylaxe mit z. B. Trimethoprim
oder Nitrofurantoin bis zur Ausheilung
44alternativ konsequente sofortige Diagnostik/Behandlung von
Harnwegsinfekten
44falls erforderlich: Normalisierung eines pathologischen
Miktionsverhaltens (z. B. bei Miktionsaufschub)
44Normalisierung pathologischer Detrusordrücke: Resektion > Memo Regelmäßige
einer Harnröhrenklappe, Biofeedbackbehandlung einer Urinkontrollen, sonographische
Detrusor-Sphinkter-Dyskoordination Kontrollen des Nierenwachstums
55 operative Refluxbehandlung (Antirefluxplastik) indiziert u. a. bei sowie bei Bedarf DMSA-
Compliance-Problemen, nicht maturierenden Refluxen, wieder- Szintigraphiekontrollen und
holten Durchbruchsinfekten u. ä. erneute Refluxprüfungen
55 verschiedene operative Verfahren je nach Refluxgrad, Vorliegen gehören zur Nachsorge bei
zusätzlicher Fehlbildungen etc. möglich versikoureteralem Reflux und
55 häufigste gebräuchliche Verfahren Antirefluxplastik nach Lich- konservativem Procedere.
Gregoir, Cohen, Politano-Leadbetter, Psoas-Hitch
55 alternativ „Refluxunterspritzung“ durch Applikation eines ! Cave Konservatives Procedere
Polsters von z. B. Hyaluronsäure unter das betroffene Ostium, setzt elterliche Compliance
bei hochgradigen Refluxen aber häufig Zweit-/Mehrfachunter- voraus! Ist diese nicht gegeben,
spritzung erforderlich, auch hier Vollnarkose für Endoskopie der operative Behandlung anstreben!
Blase erforderlich.

Harnröhrenklappen
55 das Harnröhrenlumen verlegende Schleimhautsegel (embryonale
Entwicklungsstörung) mit konsekutiver Harnabflusstörung unter-
schiedlichen Ausmaßes (konnatale Niereninsuffizienz möglich)
55 Klassifikation der (häufigeren) hinteren Klappen in 3 Typen nach
Young

z Klinik
55 pränatal beidseits Hydronephrose, ggf. mit Oligohydramnion
55 bei Geburt tastbare Harnblase, Harnverhalt, Harnstauungsnieren,
Niereninsuffizienz, Harnwegsinfektion
296 Kapitel 10 · Tag 4: Nephrologie und Urogenitalerkrankungen

! Cave pränatale Behandlung z Diagnostik


(vesikoamnialer Shunt) keine 55 Sonographie
Routinemaßnahme, Erfahrung 55 Miktionszysturethrographie (über suprapubischen Zugang)
auf einzelne Zentren begrenzt, 55 Isotopennephrogramm (Nierenfunktion, Abflussverhältnisse)
hohes Operationsrisiko!
z Therapie
> Memo Prognostisch wichtig 55 neonatale Therapie: als minimal-invasiver Eingriff suprapubische
ist der Kreatininwert am Ende Harnableitung (Cystofix)
des ersten Lebensjahres, der 55 endoskopische Klappeninzision
idealerweise <1 mg/dl sein 55 bei Fortbestehen der Harnstauung ggf. auch passagere
sollte! Nephrostomieanlage

Zystische Nierenerkrankungen
55 polyzystische Nieren vom autosomal dominanten Typ (ADPKD)
55 Inzidenz 1:1.000, Vererbung autosomal-dominant
55 Nieren haben Zysten verschiedenen Durchmessers, pathoana-
tomisch können alle Nierenstrukturen betroffen sein (Glomeruli,
Tubuli, Sammelrohre)
55 Nieren mit unregelmäßiger, höckeriger Oberfläche
55 Zystenbildungen auch in anderen Organen möglich (Leber, Pankreas,
Milz), ggf. Kombination mit Aneurysmen von Hirnarterien
10
z Klinik
55 Manifestation meist bei Erwachsenen zwischen 30 und 50 Jahren
mit Flankenschmerzen, Hämaturie, Nierensteinen, Harnwegs-
infekten, Hypertonie oft schon früher, aber auch Manifestationen
im Kindesalter möglich (selten)

! Cave Diagnose bei jüngeren z Diagnostik


Patienten in der Regel 55 in der Regel mittels Sonographie (falls möglich, auch Eltern
sonographisch nicht zu stellen, untersuchen!)
da Manifestation typischerweise 55 in Zweifelsfällen Nierenbiopsie/Histologie
im 3.–4. Dezennium, d. h. 55 u. U. humangenetische Diagnostik (keine Routine!) >PKD1/
Betroffene haben häufig PKD2-Gen
schon eigene Kinder mit 50 %
Wiederholungsrisiko. z Therapie
55 Hypertoniebehandlung
55 Dialyse
55 Nierentransplantation
> Memo Eine Leberfibrose mit
portaler Betonung gehört immer
mit zum Krankheitsbild! Da die Polyzystische Nieren vom autosomal-rezessiven
Hepatozyten nicht betroffen Typ (ARPKD)
sind, kann die Leberfunktion 55 Inzidenz mindestens 1:20.000, wahrscheinlich häufiger,
lange ungestört erscheinen. Es Vererbung autosomal-rezessiv
entsteht auf die Dauer aber eine 55 zystische Veränderungen auf der Ebene der Sammelrohre,
portale Hypertension. Glomeruli normal, deshalb Niereninsuffizienz nicht obligat
10.1 · Fehlbildungen der Niere und ableitenden Harnwege
297 10
z Klinik
55 bei Geburt massiv vergrößerte, das Abdomen auftreibende Nieren
55 bei einem Teil der Kinder Lungenhypoplasie, die in der Regel
unter dem Bild des respiratorischen Versagens rasch zum Tod
führt
55 renale Hypertonie (oft massiv und schwer einstellbar)
55 Leberbeteiligung im Sinne einer portalen Hypertension mit
Ösöphagusvarizen etc. typischerweise erst im 2. Dezennium
bemerkbar
55 Niereninsuffizienz

z Diagnostik
55 in der Regel sonographisch (auch Eltern untersuchen, die ohne
pathologischen Befund sein sollten)
55 in Zweifelsfällen Biopsie von Niere und Leber (!)
55 Pränataldiagnostik
44Nierenauffälligkeiten bei der ARPKD sonographisch erst spät
(ca. ab der 24. SSW) zu diagnostizieren
44molekulargenetische Diagnostik bei nachfolgenden
Geschwistern von betroffenen Kindern möglich

z Therapie
55 medikamentöse Einstellung der Hypertonie oft schwierig,
manchmal bei massivem, therapierefraktären Verlauf Nephrek-
tomie beidseits notwendig
55 Dialyse, Nierentransplantation

Multizystisch-dysplastische Niere
55 einseitig, da bilaterales Auftreten nicht mit dem Leben vereinbar
55 Ursache fehlerhafte Differenzierung, (meist) kein Gendefekt
55 gruppierte, unterschiedlich große Zysten ohne nennenswertes
Parenchym, zugehöriger Harnleiter atretisch, szintigraphisch
stumme Niere
55 kontralaterale Niere häufiger von Reflux oder Ureterabgangs-
stenose betroffen

z Klinik
55 häufig klinisch stumm
55 Zufallsbefund im Sonoscreening
55 seltener tastbare Raumforderung

z Diagnostik
55 in der Regel sonographisch
55 ggf. zusätzlich Nierenszintigraphie zum Nachweis der
Funktionslosigkeit
55 sehr selten Abgrenzung zu malignen Tumoren mittels
Entfernung/Histologie erforderlich
298 Kapitel 10 · Tag 4: Nephrologie und Urogenitalerkrankungen

. Tab. 10.1  Verschiedene Formen der Harnwegsinfektionen (HWI)

Afebriler HWI Zystitis


Febriler HWI Pyelonephritis
Unkomplizierter HWI Ohne Vorliegen von Fehlbildungen
Komplizierter HWI Mit Vorliegen von Fehlbildungen
Asymptomatisch Ohne klinische Symptome
Symptomatisch Mit klinischen Symptomen

> Memo Oft „involutiert“ die z Therapie


multizystisch-dysplastische 55 meist nicht erforderlich, aber Überwachung einer regelrechten
Niere derart, dass sie später Entwicklung der kontralateralen Niere
nicht mehr darstellbar ist. 55 falls (sehr selten) Hypertonieentwicklung: Nephrektomie
Lediglich die Anamnese
erlaubt dann klinisch noch die
Abgrenzung von der primären 10.2 Harnwegsinfektionen, Pyelonephritis,
Nierenagenesie. Hydronephrose

55 Vorkommen von Mikroorganismen im Harntrakt (Bakterien,


Viren, Pilze)
10 55 verschiedene Einteilungen gebräuchlich (. Tab. 10.1)
55 asymptomatische Bakteriurie: Keime im Urin nachweisbar,
aber keine begleitende Entzündungsreaktion im Sinne einer
Leukozyturie.
55 Durchbruchsinfekt: HWI unter einer antibiotischen Prophylaxe
55 Infektionsweg meist aszendierend (Darmkeime), bei jüngeren
Kindern auch hämatogen
55 Erreger: in ca. 80 % E. coli
55 Risikofaktoren für HWI-Entwicklung:
44Obstipation
44Harntraktfehlbildungen (obstruktiver Megaureter)
44Blasenentleerungsstörungen (neurogene Blase/
Detrusor-Sphinkter-Dyskoordination)
44Miktionsfehlverhalten (Aufschub der Miktion)
44vesikoureteraler Reflux
44verminderte uroepitheliale Abwehr

z Klinik
! Cave Entwicklung einer 55 Zystitis: Pollakisurie, Dysurie, sekundäre Enuresis nocturna/
Urosepsis. diurna, erhöhte Temperatur, übelriechender Urin, Hämaturie
55 Pyelonephritis: Bauchschmerzen, hohes Fieber, Übelkeit,
Erbrechen; bei kleinen Säuglingen aber oft „nur“ blass-graues
Hautkolorit, Nahrungsverweigerung, kein Fieber trotz schwerer
Infektion!
55 Komplikationen/Spätfolgen: akute Niereninsuffizienz (z. B. Pyelo-
nephritis in Einzelniere), Nierennarben bei vesikoureteralem
10.2 · Harnwegsinfektionen, Pyelonephritis, Hydronephrose
299 10
Reflux mit Niereninsuffizienz und/oder arterieller Hypertonie, > Memo Je jünger der Patient,
später Schwangerschaftskomplikationen (Pyelonephritiden, desto unspezifischer die Klinik!
EPH-Gestose, Frühgeburten) Jedes Kind, insbesondere jeder
Säugling, der fiebert, ist bis zum
z Diagnostik Beweis des Gegenteils verdächtig
55 Uringewinnung: bei Patienten mit Miktionskontrolle: Mittel- auf eine Pyelonephritis.
strahlurin nach Säubern des Genitale mit warmem Wasser
oder geeignetem Desinfektionsmittel, ansonsten Urinbeutel, in
bestimmten Fällen Katheterurin oder Blasenpunktionsurin
55 sichere Zeichen eines HWI
44Keimnachweis im Punktions- oder Katheterurin
44>105 Keime/ml (Monokultur) im Spontanurin (Mittel-
strahlurin oder Beutelurin nach Säuberung des Genitale
mit warmem Wasser oder geeignetem Desinfektionsmittel)
oder mehr als 50 Leukozyten/ml im unzentrifugierten Harn
(Zählkammer oder Durchflusszytometrie)
55 fraglicher HWI
44Mischkulturen im Spontanurin
44<50 Leukozyten/ml Urin
55 kein HWI
44Punktions- oder Katheterurin steril > Memo Bei jungen Kindern mit
44<103 Keime im Spontanurin häufigen Miktionen manchmal
44<20 Leukozyten/ml Urin keine hohen Keimzahlen. Obwohl
55 Akutdiagnostik: Sonographie, bei schwerkranken Kindern keine „signifikante Keimzahl“
sofort, bei allen anderen möglichst in den ersten 24 h zum erreicht wird, kann dann trotzdem
Ausschluss von Komplikationen/Fehlbildungen (Abszedierung, ein HWI vorliegen!
Harnstauungsniere)
55 Blutkultur vor Behandlungsbeginn bei jedem fiebernden oder > Memo Die Untersuchung
„klinisch kranken“ Kind anlegen! mittels Teststreifen (Urinstix)
55 unauffälliger Urinstix macht den HWI weniger wahrscheinlich, kann aufgrund möglicher falsch-
schließt ihn aber nicht aus! Nicht alle uropathogenen Keime positiver/-negativer Befunde nur
bilden Nitrit! zur Orientierung dienen!
55 Urinuntersuchung mittels Durchflusszytometrie oder
Zählkammer sollte Standard sein!

z Therapie
55 Behandlung mittels Antibiotika
55 begleitende Maßnahmen wie ausreichende Flüssigkeitszufuhr, ! Cave Bei bestimmten
Beseitigung einer Koprostase sowie Antipyrese Harnabflussstörungen muss eine
55 Indikationen zur stationären intravenösen Antibiotikatherapie: urologisch-invasive Intervention
44grundsätzlich alle Säuglinge unter 6 Monaten (Sepsis!) erfolgen (perkutane Ableitung
44jedes Kind unabhängig vom Alter: einer vereiterten Hydronephrose).
–– bei Verdacht auf Urosepsis Bei dilatierendem
–– bei schlechtem Allgemeinzustand vesikoureteralen Reflux sollte
–– bei Nahrungs-und Flüssigkeitsverweigerung ggf. in den ersten 24–48 h eine
–– bei Zweifeln an elterlicher Compliance transurethrale Harnableitung
–– bei kompliziertem HWI erfolgen.
55 Auswahl der Antibiotika (Vorschlag):
300 Kapitel 10 · Tag 4: Nephrologie und Urogenitalerkrankungen

44Pyelonephritis: Ampicillin plus Tobramycin


44komplizierte Pyelonephritis/Sepsis: Ceftazidim plus
Ampicillin
44unkomplizierte Pyelonephritis: ambulant oral Cefuroxim
44Zystitis: Trimethoprim oder Cotrimoxazol oder Cefuroxim
44asymptomatische Bakteriurie: keine antibiotische Therapie
! Cave In der Therapie 55 Therapiedauer:
der Pyelonephritis haben 44Pyelonephritis (Neugeborenes): 14 Tage i.v.
Trimethoprim-Monopräparate 44Pyelonephritis (1. Lebenshalbjahr): 10 Tage, mindestens 7 Tage i.v.
oder Cotrimoxazol keinen Platz! 44Pyelonephritis (älter 6 Monate): 7–10 Tage
55 Nachsorgeuntersuchungen:
44Sonographie der Nieren/Harnwege für jedes Kind
> Memo Kein Routine-MCU nach 44Miktionszysturethrogramm zum Ausschluss eines vesikoure-
Zystitis (afebriler HWI), wohl aber teralen Refluxes nach der ersten Pyelonephritis (febriler HWI)
Suche nach prädisponierenden bei jedem Säugling/Kleinkind unabhängig vom Geschlecht
Faktoren (Miktionsaufschub, nach Ausheilen der Infektion (nach Abschluss der antibioti-
Obstipation etc.). schen Therapie)
55 in bestimmten Fällen spezielle Diagnostik erforderlich:
44DMSA-Szintigraphie zum Nachweis von Nierennarben
44Isotopennephrographie zum Ausschluss einer
Harntransportstörung
55 Indikationen zur antibiotischen Infektionsprophylaxe:
10 44nach dem ersten febrilen HWI bis 3 Tage nach
Miktionszysturethrogramm
44Vorliegen eines vesiko-ureteralen Refluxes
44Megaureter (nicht subpelvine Stenose!)
44rezidivierende HWI bei funktionellen Blasenstörungen
> Memo Bei 44Nierensteine, insbesondere Infektsteine bis nach der Sanierung
Durchbruchsinfekten Therapie 55 Substanzen für die antibiotische Infektionsprophylaxe:
an der „Therapielücke“ 44Säuglinge kleiner 3 Monat: Cefuroximaxetil
des bisher gegebenen 44Kinder ab 4. Lebensmonat: Trimethoprim oder Cotrimoxazol
Antibiotikums orientieren! oder Nitrofurantoin
. Tabelle 10.2

10.3 Glomeruläre Erkrankungen

10.3.1 IgA-Nephritis

55 kennzeichnend ist die Ablagerung von IgA im Mesangium der


Glomeruli
55 Pathogenese unklar, Überproduktion von IgA im Knochenmark,
möglicherweise induziert durch exogene Antigene
55 Differenzialdiagnose autonome IgA-Überproduktion als
Ausdruck einer gestörten Immunmodulation
55 Ausheilung möglich, aber auch Entwicklung einer dialysepflich-
tigen Niereninsuffizienz
55 Jungen deutlich häufiger betroffen als Mädchen
10.3 · Glomeruläre Erkrankungen
301 10

. Tab. 10.2  Initialtherapie bei Durchbruchsinfekten

Initialtherapie Wahrscheinlicher Keim Empfohlene Substanz


Trimethoprim E. coli Cephalosporin
Nitrofurantoin Pseudomonas Ceftazidim, Tobramycin,
ggf. Ciprofloxacin
Cephalosporin Enterokokken Amoxicillin

z Klinik ! Cave Die IgA-Nephritis


55 braun-roter Urin als Ausdruck der Makrohämaturie meist im kann sich zunächst auch als
Anschluss an banalen Luftwegsinfekt „banale“ Mikrohämaturie oder
55 Flankenschmerzen als nephrotisches Syndrom
manifestieren!
z Diagnostik
55 erhöhtes Serum-IgA möglich, aber nicht beweisend
55 Nierenbiopsie mit Nachweis von IgA-Ablagerungen in
Glomeruli/Mesangium entscheidend

z Therapie
55 Verläufe mit rezidivierenden Makrohämaturieschüben/­
Mikrohämaturie ohne Zeichen der Proteinurie/Hypertonie/
Nierenfunktionseinschränkung: regelmäßiges Monitoring
ausreichend
55 bei Entwicklung einer Hypertonie/Nierenfunktionsein-
schränkung: immunsuppressive Therapie mit z. B. hochdosierten
Prednisolongaben, Mycophenolat etc.
55 zur „Nephroprotektion“ bei Proteinurie (die eo ipso durch
vermehrte Stimulation der mesangialen Proliferation schädlich
ist): frühzeitiger Einsatz von ACE-Hemmern

10.3.2 Akute postinfektiöse Glomerulonephritis

55 Immunkomplexnephritis
55 Streptokokken der Gruppe A, aber auch andere Erreger (Staphy-
lokokken, Pneumokokken, Klebsiellen, Yersinien, Salmonellen,
Mykoplasmen, Viren)
55 Auftreten ca. 1–2 Wochen nach Angina tonsillaris oder eitriger
Hautinfektion (Impetigo)
55 eine der häufigsten Glomerulonephritiden im Kindesalter
55 Jungen häufiger betroffen als Mädchen
! Cave Die Hypertonie kann
z Klinik so gravierend sein, dass eine
55 oft stummer Verlauf, Zufallsbefund hypertensive Enzephalopathie
55 nephritisches Syndrom = Makrohämaturie, Hypertonie, mit Hirndruckzeichen und
Niereninsuffizienz/Oligurie Krampfanfällen auftreten kann!
302 Kapitel 10 · Tag 4: Nephrologie und Urogenitalerkrankungen

z Diagnostik
55 Erythrozytenzylinder im Urinsediment, dysmorphe Erythrozyten
im Phasenkontrast
55 Streptokokken-Antikörper (möglichst im Verlauf)
55 erniedrigter Komplement (C3)-Spiegel
55 Leukozytose, BSG-Beschleunigung, Anämie
55 Harnstoff/Kreatinin erhöht im Serum
55 mikrobiologische Erregersuche (Serologie, PCR)
55 sonographisch ggf. diffus vergrößerte Nieren
55 in unklaren Fällen Nierenbiopsie mit Nachweis diffuser mesangi-
al-proliferativer Glomerulonephritis, immunhistochemisch mit
Ablagerung von IgG und C3-Komplement

> Memo Die meisten Fälle von z Therapie


postinfektiöser (Streptokokken-) 55 großzügig indizierte Penicillintherapie (auch bei Verdacht)
Glomerulonephritis heilen 55 Bilanzierung, Flüssigkeitsrestriktion, Diuretika, Antihyper-
aus, Formen mit rascher tensiva, ggf. vorübergehende Dialyse
Entwicklung einer terminalen
Niereninsuffizienz sind aber
möglich. 10.3.3 Andere Glomerulonephritiden

Hämolytisch-urämisches Syndrom
10 55 lebensbedrohliches Krankheitsbild mit Kombination aus
hämolytischer Anämie mit Thrombozytopenie und akuter
Niereninsuffizienz
55 meist bei Säuglingen und Vorschulkindern
55 klassischerweise im Anschluss an eine (hämorrhagische)
Gastroenteritis
55 histologisch thrombotische Mikroangiopathie bis zur
Nierenrindennekrose
55 sowohl völlige Wiederherstellung als auch Entwicklung einer
chronischen Niereninsuffizienz möglich
55 in der Akutphase bis zu 70 % der Patienten dialysepflichtig
55 Auslöser: bakterielle Toxine von verotoxinbildenden E. coli
(EHEC), aber auch von Salmonellen, Shigellen, Yersinien,
Campylobacter

z Klinik
55 Fieber
55 (blutige) Diarrhö
55 Bauchschmerzen
55 zunehmende Blässe
55 Makrohämaturie, Oligurie
55 Hypertonie

z Diagnostik
55 erhöht: LDH, Bilirubin, Retikulozyten, Kreatinin,
Harnstoff
10.3 · Glomeruläre Erkrankungen
303 10
55 erniedrigt: Haptoglobin, Hämoglobin, Thrombozyten
55 zusätzlich: Fragmentozyten im Blutausstrich

z Therapie
55 gesichert effektiv: frühzeitige Dialyse
55 andere Ansätze (Effekt nicht gesichert): Austauschtransfusionen,
Urokinase, Prostazyklin, Steroide, Dipyridamol

Alport-Syndrom
55 Erkrankung der glomerulären Basalmembran mit (Mikro-)
Hämaturie, Proteinurie, zunehmender Niereninsuffizienz und
Hochtonschwerhörigkeit und Augenveränderungen
55 verschiedene Erbgänge möglich, klassischerweise
X-chromosomal-dominant
55 häufigste hereditäre progrediente Nierenerkrankung, Inzidenz ca.
1:7.000
55 überwiegend männliche Patienten betroffen
55 elektronenmikroskopisch Verdünnung und Aufsplitterung der
glomerulären Basalmembran infolge struktureller Verände-
rungen im COL4A5-Gen

z Klinik
55 Hämaturie
55 zunehmende Niereninsuffizienz
55 Schwerhörigkeit
55 Myopie durch Lentikonus

z Diagnostik
55 Urindiagnostik (Hämaturie, Proteinurie)
55 Audiometrie ((Hochton-)Schwerhörigkeit)
55 augenärztliche Untersuchung (Lentikonus/Myopie)
55 Nierenbiopsie
55 ggf. Genetik

z Therapie
55 symptomatisch (Behandlung der Niereninsuffizienz)
55 Nierentransplantation

10.3.4 Rezidivierende Hämaturie

55 Definition: Ausscheidung von mehr als 10 Erythrozyten/µl


55 Makrohämaturie: mit bloßem Auge sichtbar
55 Mikrohämaturie: nur mikroskopisch nachweisbar
55 isolierte Mikrohämaturie: nur Erythrozyten nachweisbar, keine
Begleitproteinurie
55 breite Differenzialdiagnose:
304 Kapitel 10 · Tag 4: Nephrologie und Urogenitalerkrankungen

44mehrere Familienmitglieder betroffen: familiäre Mikrohämaturie


44rezidivierende Schübe von Makro-/Mikrohämaturie:
IgA-Nephritis
44Zustand nach Tonsillitis/Impetigo:
Poststreptokokken-Glomerulonephritis
44schmerzhafte Makro-/Mikrohämaturie: Nierensteine
44Dysurie, Pollakisurie: hämorrhagische Zystitis
44Hörstörung, positive Familienanamnese: Alport-Syndrom
44Hautveränderungen: Purpura-Schoenlein-Henoch
44Blutungsanamnese (Epistaxis): Gerinnungsstörungen
44abdominelle Raumforderung: Wilms-Tumor

> Memo Die Diagnose z Klinik


einer Hämaturie bedarf des 55 meist Zufallsbefund, z. B. im Rahmen von
mikroskopischen Nachweises Vorsorgeuntersuchungen
von Erythrozyten im Urin. 55 Braun-oder Rotfärbung des Urins muss nicht durch Erythrozyten
Die Differenzialdiagnose bedingt sein! Es kann sich auch um Myoglobin, Färbung durch
der Hämaturie ist breit, die Nahrungsmittel oder Medikamente handeln.
Anamnese ist deshalb von
besonderer Bedeutung. z Diagnostik
Begleitende Befunde müssen 55 Sonographie
sorgfältig gesucht werden. 55 Urinmikroskopie/Durchflusszytometrie
10 55 Phasenkontrastmikroskopie (glomeruläre/nicht glomeruläre
! Cave Hämaturie kann – Hämaturie)
insbesondere bei Kleinkindern 55 Urinkultur
– ein Tumorsymptom (Wilms- 55 Bestimmung lithogener Substanzen im Urin (Nephrokalzinose!)
Tumor, Rhabdomyosarkom) 55 sorgfältige Familienanamnese (familiäre „benigne“ Hämaturie,
sein. Umgehende Sonographie Alport-Syndrom)
ist unerlässlich! 55 evtl. Ausschluss Hochtonschwerhörigkeit/Augenveränderungen
(Alport-Syndrom)
55 Suchen nach (Begleit-)Proteinurie
55 Labordiagnostik (C3, IgA, Kreatinin, Harnstoff, Gerinnung,
ASL-Titer etc.)
55 ggf. erweiterte Bildgebung (MCU, IVP, CT, MRT)
55 ggf. Nierenbiopsie
> Memo Bei isolierter
Mikrohämaturie kann unter z Therapie
regelmäßigem Monitoring 55 je nach Grunderkrankung, falls möglich
der Nierenfunktion auf
eine Nierenbiopsie in aller
Regel verzichtet werden. Bei 10.3.5 Nephrotisches Syndrom
Zeichen einer signifikante
Proteinurie, einer Hypertonie 55 „Große“ Proteinurie von mindestens 40 mg/m²/h (1 g/m²/24 h)
oder laborchemischer Zeichen plus Hypalbuminämie von <25 g/l
einer sich verschlechternden 55 in der Regel Ödeme und Hypercholesterinämie (letztere zur
Nierenfunktion, umgehende Diagnosestellung nicht obligat)
Nierenbiopsie/Histologie! 55 90 % „idiopathisch“, Rest im Rahmen anderer Erkrankungen
10.3 · Glomeruläre Erkrankungen
305 10
55 „Minimal-change“-Nephritis in 85 % der Fälle zugrunde liegende
Histologie
55 initial Natriumretention mit Hypervolämie, dann Albuminleck
über Kapillarendothel → Hypalbuminämie → sinkender onkoti-
scher Druck → intravasale Hypovolämie → Stimulation Renin-
Angiotensin-Aldosteron → Ödeme

z Klinik
55 Ödeme (Lider, prätibial) ! Cave Schwere Infektionen
55 Gewichtszunahme wie Sepsis und Peritonitis
55 Aszites (Pneumokokken!) können ebenso
55 Pleuraergüsse lebensbedrohlich sein wie
55 Bauchschmerzen Thromboembolien (Sinusvenen,
55 Erbrechen Beinvenen, Lungenvenen etc.).
55 Inappetenz
55 Infektionen
55 hypovolämischer Schock möglich

z Diagnostik
55 Nachweis von Albumin im Urin per Streifentest
55 Quantifizierung der Proteinurie mittels
Sammelurinuntersuchung
55 Nachweis der Hypalbuminämie und Hyperlipidämie (insbe-
sondere Cholesterin) im Serum
55 im Serum erhöht: Kreatinin, Harnstoff, Cholesterin
55 im Serum erniedrigt: Albumin, ATIII, ggf. C3, C4
55 ggf. Hypertonie
55 Sonographie Abdomen und Pleura (Ergüsse)

z Therapie
55 proteinreiche Ernährung sinnlos, aber altersbezogen ausrei-
chende Kalorienzufuhr
55 Flüssigkeitsbilanzierung
55 Reduktion der Natriumzufuhr (natriumarme Ernährung)
55 nur bei Hypovolämiezeichen Albumininfusionen in Kombination
mit Diuretika
55 bei ausgeprägten Ödemen/Aszites Infektionsprophylaxe mit z. B.
Cefuroxim
55 zur Prophylaxe von Thromboembolien möglichst frühe Mobili-
sierung, ggf. niedrig dosiert Aspirin oder Heparin s.c.
55 bei Thromboembolie hochdosiert Heparin, ggf. Lysetherapie mit
Urokinase erwägen
55 falls erforderlich, Hypertoniebehandlung (vorzugsweise
ACE-Hemmer)
55 hochdosiert Steroide
44Standardschema bei Erstmanifestation: 60 mg Prednison/m2/
KOF (max. 80 mg) in 3 Dosen für 6 Wochen oral, anschließend
306 Kapitel 10 · Tag 4: Nephrologie und Urogenitalerkrankungen

40 mg/m2/KOF in einer Dosis morgens alternierend = jeden 2.


Tag für weitere 6 Wochen, Absetzen ohne Ausschleichen!
44Rezidivbehandlung mit hoher Dosis (s. o.) bis Urin 3 Tage
eiweißfrei, dann reduzierte Dosis (s. o.) alternierend für 4
Wochen
! Cave Der unkritische Gebrauch 55 nur eine Minderheit der Patienten hat eine Hypovolämie und
von Diuretika kann zu schweren profitiert von Humanalbumininfusionen!
thromboembolischen 55 Ansprechen/Nichtansprechen auf die Steroidtherapie wichtiger
Komplikationen führen prognostischer Parameter
(Sinusvenenthrombose)! 44steroidsensibel: Patient ist nach längstens 4-wöchiger Steroid-
therapie in Remission
> Memo Das nephrotische 44steroidresistent: Patient zeigt auch nach 4-wöchiger Steroid-
Syndrom ist eine therapie keine Remission (= Eiweißfreiheit des Urins)
Symptomenkonstellation, der 55 „Minimal-change-Nephritis“
sehr verschiedene Histologien 44die dem idiopathischen nephrotischen Syndrom mit
mit unterschiedlicher Ansprechen auf Steroide am häufigsten zugrunde liegende
Prognose zugrunde liegen Histologie
können, z. B. fokal-segmentale 44Bezeichnung „minimal change“, weil lichtmikroskopisch
Glomerulosklerose oder praktisch keine Auffälligkeiten sichtbar, in der Elektronen-
membranoproliferative mikroskopie aber ein Verlust von Podozytenfortsätzen
Glomerulonephritis erkennbar
mit Entwicklung einer 55 in „Standardsituation“ (Vorschulalter, gutes Ansprechen auf
10 Niereninsuffizienz. Steroide, normale Nierenfunktion, keine Hypertonie) keine
bioptische Klärung des Krankheitsbildes erforderlich
55 Nierenbiopsie aber immer indiziert bei
44Verdacht auf sekundäres NS
44beginnender Niereninsuffizienz
44Hypertonie
44Makrohämaturie
44primärer oder sekundärer Steroidresistenz
44häufig rezidivierenden NS vor Beginn einer Therapie mit z. B.
Ciclosporin

10.4 Tubulointerstitielle Erkrankungen

10.4.1 Tubulopathien

55 Störungen einzelner oder mehrerer Tubulusfunktionen, in der


Regel angeboren
55 erworbene Tubulopathien in erster Linie medikamentös-
toxisch bedingt (Schmerzmittelabusus, nichtsteroidale
Antirheumatika)
55 hereditäre Tubulopathien meist primär in der Regel eine einzelne
Tubulusfunktion, die im Rahmen eines genetischen Defektes
gestört ist, betreffend
55 sekundäre Tubulopathien meist durch Störung mehrerer
Partialfunktionen gekennzeichnet, in der Regel auf der Basis
10.4 · Tubulointerstitielle Erkrankungen
307 10

. Tab. 10.3  Ursachen von Tubulopathien (exemplarisch) und deren klinische Symptome

Funktionsstörung Erkrankung Symptome

Phosphatresorption Phosphatdiabetes Rachitis


Glukoseresorption Renale Glukosurie Keine
Zystinresorption Zystinurie Blasen-, Nierensteine
Bikarbonat/H-Ionen Sekretion Tubuläre Azidose Gedeihstörung, Rachitis, Nierensteine
Kombinierte proximale De-Toni-Debre-Fanconi-Syndrom Gedeihstörung, Dehydratation,
Tubulusdefekte mit Verlust von Rachitis, Niereninsuffizienz
Wasser, Aminosäuren, Elekrolyten
Wasserresorption Diabetes insipidus renalis Dehydratation, Hypernatriämie
Kalium-/Chloridverlust Bartter-Syndrom Alkalose, Dehydratation,
Gedeihstörung
Natrium-/Chloridverlust Gitelman-Syndrom Alkalose, Hypomagnesiämie,
Hypokalzämie, Hypokaliämie

angeborener, übergeordneter Stoffwechseldefekte, bei denen die


Niere nur eines von mehreren betroffenen Organen darstellt

z Klinik
55 je nach Funktionsstörung (. Tab. 10.3)

z Diagnostik
55 entsprechend der vielfältigen Störungsmuster:
44Elektrolyte im Serum/Urin
44Aminosäuren im Serum/Urin
44Bikarbonat und H-Ionen im Urin/Blutgasanalyse
44Serumosmolalität
44Blutzucker
44Prostaglandine im Urin
44Renin, Aldosteron, Vasopressin im Serum
4424-h-Sammelurin (Bilanzierung)
44Dursttest mit ADH-Gabe
4424-h-Blutdruckprofil
44Sonographie der Nieren (Nephrokalzinose?)

z Therapie
55 meist symptomatisch, je nach Krankheitsbild u. a.:
44Elektrolytsubstitution
44Wassersubstitution
44Vitamin D-Gabe
44Azidoseausgleich
44Harndilution
44Indomethacin
44Diuretika
308 Kapitel 10 · Tag 4: Nephrologie und Urogenitalerkrankungen

10.4.2 Tubulointerstitielle Nephritis

55 Entzündliche oder toxische Schädigung des tubulo-interstitiellen


Apparates ohne nennenswerte Beteiligung der Glomeruli
55 „idiopathisch“ z. T. mit Uveitis
55 Intoxikation durch Schmerzmittel, Antibiotika, nichtsteroidale
Antirheumatika oder Schwermetalle
55 Infektionen (z. B. viral durch Hantaviren/HepatitisB/EBV/HIV)
55 Autoimmunreaktion (Lupusnephritis, IgA-Nephritis, M.
Wegener)
55 „urologisch“ durch Harnwegsobstruktion (Harnröhrenklappen,
Refluxnephropathie)

z Klinik
55 anfangs unspezifische Symptome wie Müdigkeit, Gewichtsab-
nahme, Bauchschmerzen, Erbrechen, Fieber, Arthralgien
55 Uveitis in ca. 30 %
55 Polyurie, Polydipsie

z Diagnostik
55 Kreatinin und Harnstoff im Serum erhöht
55 tubuläre Proteinurie (α-1-Mikroglobulin erhöht)
10 55 pathologisches Urinsediment (Leukozyturie, Erythrozyturie)
55 Sonographie (vergrößerte Nieren)
55 Nierenbiopsie

z Therapie
55 falls möglich Behandlung der Grundkrankheit
55 sonst symptomatisch

10.5 Niereninsuffizienz

10.5.1 Akutes Nierenversagen

55 akute Reduktion der Nierenfunktion um mindestens 50 %


44Ursachen des akuten Nierenversagen (NV)
44prärenal: nicht in der Niere selbst begründete Minderper-
fusion führt zum Nierenschaden (z. B. hypovolämischer
Schock durch Blutung, Dehydratation, Herzinsuffizienz)
44renal: Nierenparenchymschaden z. B. Nierenvenenthrombose/
Glomerulonephritis/Toxizität durch Medikamente/Crush-
niere durch akute Hämolyse)
44postrenal: akute Harnwegsobstruktion (z. B. Steinobstruktion/
Harnverhalt oder Tumor im kleinen Becken)

z Klinik
55 Oligurie/Anurie später auch Polyurie
55 Überwässerung (Hirnödem, Lungenödem, periphere Ödeme)
10.5 · Niereninsuffizienz
309 10
55 arterielle Hypertonie
55 Hyperkaliämie mit konsekutiven Herzrhythmusstörungen

z Diagnostik
55 Labor: Kreatininanstieg, Harnstofferhöhung, Elektrolytimbalance > Memo Eine fraktionelle
(Hyperkaliämie), Blutgasanalyse (Azidose), Proteinurie Natriumexkretion von <1 %
55 Urinsediment, 24-h-Sammelurin (Zylinder? Proteinurie?) spricht für ein prärenales, eine
55 EKG (überhöhte T-Welle? PQ-Verlängerung? Schenkelblock?) Natriumexkretion von >2 % für
55 Sonographie Abdomen (Nierenvergrößerung? Nierenstau? ein renales Nierenversagen! (bei
Aszites?) prärenalem NV Tubulusfunktionen
55 Nierendoppler (Thrombose?) weniger geschädigt als bei
55 Nierenbiopsie renalem NV).

z Therapie
55 Behandlung des Grundleidens (falls möglich)
55 Bilanzierung von Flüssigkeit und Elektrolyten
55 Azidoseausgleich (Bikarbonat)
55 Kaliumsenkung (Insulin/Glukoseinfusionen, Ionenaustauscher
[Resonium®])
55 Diuretika
55 (passagere) Dialyse

10.5.2 Chronisches Nierenversagen

55 irreversible Nierenfunktionseinschränkung mit Verminderung


der GFR unter 60 ml/min/1,73 m2
55 Inzidenz ca. 5:1 Mio. Kinder (<16 Jahre)
55 Ursachen:
44„urologisch“: Refluxnephropathie, obstruktive Uropathie
(Harnröhrenklappen), neurogene Blase
44„nephrologisch“: zystische Nierenerkrankungen (ADPKD,
ARPKD), Glomerulonephritiden (IgA-Nephritis), hämoly-
tisch-urämisches Syndrom

z Klinik
55 Polyurie/Polydipsie, (sekundäre) Enuresis
55 Gedeihstörung, Minderwuchs, Pubertätsverzögerung
55 renale Osteopathie (Knochenschmerzen, X-Beine)
55 Anämie (mangelhafte Belastbarkeit, Hypotonie, Kopfschmerzen)
55 Hypertonie (Gefäßkomplikationen)

z Diagnostik
55 wie akute Niereninsuffizienz

z Therapie
55 frühe Kontaktherstellung zu kindernephrologischem Zentrum!
55 Behandlung urologischer Erkrankungen (z. B.
Harnröhrenklappenresektion)
310 Kapitel 10 · Tag 4: Nephrologie und Urogenitalerkrankungen

> Memo Die früher favorisierte 55 Azidoseausgleich (Natriumbikarbonat)


eiweißarme Ernährung ist 55 ggf. Phosphatbinder (Kalziumkarbonat- oder Azetat)
obsolet, da der Progress des 55 Natriumsubstitution bei Salzverlust
Nierenversagens nur geringfügig 55 Anämiebehandlung mit Erythropoetin und Eisengabe
verzögert wird, die negativen 55 Rachitisprävention/-therapie mit 1,25(OH)2D3
Effekte auf Wachstum und 55 ggf. Wachstumshormonbehandlung
Gedeihen jedoch erheblich sind. 55 ggf. Hypertoniebehandlung
55 ggf. PEG-Sondenanlage bei Malnutrition
! Cave beim niereninsuffizienten 55 psychosoziale Betreuung
Kind auf die Durchführung 55 Dialyse/Nierentransplantation
von Impfungen achten (u. a.
Hepatitis B)!
10.6 Arterielle Hypertonie

! Cave Blutdruckwerte 55 Definition: eine arterielle Hypertonie liegt vor, wenn in 3


sind geschlechts- und unabhängigen Messungen Blutdruckwerte oberhalb der alters-
körpergrößenabhängig! bezogenen 95. Perzentile gemessen werden
55 Ursachen akuter/chronischer Hypertonie (Beispiele):
44vaskulär: Herzfehler, Aortenisthmusstenose
44renal: Nierenarterienstenose, Glomerulonephritis, Reflux-
nephropathie, Hydronephrose
44endokrin: Phäochromozytom, M. Cushing
10 44zentral: Hirndrucksteigerung, Hirntumor
44Adipositas
44medikamenteninduziert: Ovulationshemmer

z Klinik
55 oft unspezifisch oder keine Symptome oder
55 Kopfschmerzen, Palpitationen, Sehstörungen, Nasenbluten,
Schlafstörungen, unklare Unruhezustände bei Säuglingen,
hypertone Enzephalopathie mit Krampfanfällen und
Bewusstseinsstörung

z Diagnostik
> Memo Je jünger ein Patient 55 Blutdruckmessungen (an allen Extremitäten!)
bei der Erstdiagnose ist, desto 55 24-h-Langzeit-Blutdruckmessung
eher liegt eine sekundäre 55 Echokardiographie, EKG
arterielle Hypertonie vor. 55 Augenfundus (Fundus hypertonicus?)
Diagnose einer primären/ 55 endokrinologische Diagnostik (Schilddrüsenparameter,
essenziellen Hypertonie ist im Katecholaminausscheidung)
Kindesalter eine Ausnahme. 55 Schädelsonographie, kraniale Bildgebung (bei Tumorverdacht)
55 Laborwerte (Kreatinin, Harnstoff, Renin, Aldosteron, Kortisol,
ACTH etc.)
55 Nieren(doppler)sonographie

z Therapie
55 falls möglich, Behandlung der Grundkrankheit
55 Antihypertensiva (nach Stufenschemata)
10.7 · Fehlbildungen und Erkrankungen des äußeren Genitale
311 10
55 grundsätzlich z. B. ACE-Hemmer, Diuretika (Thiazide)
Kalziumantagonisten (Nifedipin, Amlodipin),
β-Blocker (Atenolol), in der Regel im Rahmen von
Stufenschemata
55 bei renaler Hypertonie, insbesondere bei Proteinurie
ACE-Hemmer bevorzugen („nephroprotektiver
Effekt“)

10.7 Fehlbildungen und Erkrankungen


des äußeren Genitale

10.7.1 Krankheiten des männlichen Genitale

Hypospadie
55 embryonale Fusionsstörung der Urethralrinne
55 Harnröhrenmündung dystop, glandulär/koronar, aber auch
penile, penoskrotale und perineale Form
55 bindegewebige Chordastränge führen zu unterschiedlich
ausgeprägter Schaftverkrümmung
55 volles Ausmaß oft erst bei Erektion sichtbar

z Klinik
55 Harnstrahlabweichung, selten Abschwächung
55 veränderter Aspekt, ggf. mit Peniskrümmung →
psychische Beeinträchtigung, spätere Behinderung bei
Kohabitation

z Diagnostik ! Cave Da für die Rekonstruktion


55 Blickdiagnose der Urethra insbesondere bei
55 Therapie: operativ, bestes Zeitfenster, 6.–18. Lebensmonat ausgeprägter Hypospadie u.
(psychologische Gründe), sonst wieder ab dem 5. Lebensjahr, U. Vorhaut gebraucht wird,
idealerweise vor dem Schuleintritt muss eine Zirkumzision (z. B.
aus religiösen Gründen) vor
der Hypospadiekorrektur
Hydrocele testis/funiculi spermatici unterbleiben!
55 fehlender oder unvollständiger Verschluss des Processus
vaginalis mit prallelastischer Schwellung des Skrotums oder > Memo Bei proximaler
Abschnitten des Samenstranges Hypospadie, insbesondere
55 Schwellungszustand kann wechseln, differenzialdiagnostisch in Kombination mit uni-oder
Leistenbruch ausschließen bilateralem Kryptorchismus,
entsteht ein uneindeutiger
z Klinik Genitalaspekt. Schnelle
55 prall-elastische, schmerzlose Schwellung des Skrotums Klärung des Geschlechtes
bzw. der zugrunde liegenden
z Diagnostik Erkrankungen (z. B.
55 Diaphanoskopie positiv adrenogenitales Syndrom!) ist
55 im Zweifel Sonographie essenziell.
312 Kapitel 10 · Tag 4: Nephrologie und Urogenitalerkrankungen

z Therapie
55 operativ, aber nicht vor Ende des zweiten Lebensjahres, da häufige
Spontanremissionen

Phimose
> Memo Bei Säuglingen 55 Verengung der Vorhaut, so dass die Glans penis nicht freigelegt
und Kleinkindern werden kann. Spontane Lösung des Präputiums in der Mehrzahl
Phimose „physiologisch“. der Fälle erst im 1.–2. Lebensjahr
Retraktionsversuche 55 Therapieindikation:
kontraindiziert → narbige 44eitrige Sekretion aus dem Präputium
Einrisse des Präputiums → 44Behinderung der Miktion (Ballonierung der Vorhaut bei der
narbige Phimose. Miktion)

z Klinik
55 bei entzündlichen Veränderungen Schmerzen, insbesondere bei
der Miktion oder Erektion

z Diagnostik
55 klinische Diagnose

z Therapie
10 ! Cave zu frühe Indikationsstel- 55 konservativ mittels 0,5 %-iger Hydrokortisoncreme oder operativ
lung bis zum 5.–6. Lebensjahr. (Zirkumzision in Narkose) (Zirkumzision aus „hygienischen“
oder religiös-traditionellen Gründen umstritten!)

Balanitis
55 Entzündung der Vorhaut, meist bei Phimose, oft nach Manipu-
lation i. S. von Dehnungsversuchen

z Klinik
55 Rötung, Schwellung, eitrige Sekretion, Schmerzen

z Diagnostik
55 Blickdiagnose

z Therapie
55 Behandlung in aller Regel lokal (desinfizierende Bäder mit z. B.
Jod-Polyvidon-Lösung, Kamillenextrakt, Salbenbehandlung, nur
in Ausnahmefällen antibiotische Therapie)
55 später dann Zirkumzision indiziert (nicht bei akuter Infektion)
! Cave urologischer Notfall, der
umgehend operativ therapiert
werden muss, da sonst durch Hodentorsion
Strangulation der Hodengefäße 55 akute Torquierung des Samenstranges mit konsekutiver Durch-
hämorrhagische Infarzierung blutungsstörung des Hodens
des Hodens! 55 Prädilektionsalter 1. Lebensjahr und Pubertät
10.7 · Fehlbildungen und Erkrankungen des äußeren Genitale
313 10
z Klinik
55 akute Schmerzen, die in das Abdomen ausstrahlen, Übelkeit,
Erbrechen, Schwellung, gelegentlich auch Rötung des
Hemiskrotums

z Diagnostik
55 Anheben des Hodens vermindert die Schmerzen (im Gegensatz
zur Epididymitis) nicht (negatives Prehnsches Zeichen)
55 Nachweis der gestörten Durchblutung in der Doppler-Sono-
graphie (unauffällige Untersuchung schließt Torsion nicht sicher
aus!)

z Therapie
55 operative Hodenfreilegung, Detorquierung, skrotale Fixation zur > Memo Je länger die Torsion
Verhinderung eines Rezidivs (auch beim primär nicht betroffenen besteht, desto schlechter ist die
Hoden) Prognose bezüglich der Erholung
55 bei Verdacht auf Torsion keine langwierige Diagnostik, sondern des betroffenen Hodens (kritische
(Kinder-)Urologen sofort hinzuziehen! Zeitgrenze bei nur 6 h!).

Epididymitis
55 bakterielle Infektion des Nebenhodens mit schmerzhafter
Schwellung

z Klinik
55 ähnlich wie bei Torsion
55 Schmerzen, Schwellung, Rötung des Skrotums
55 Anamnese meist etwas länger als bei Torsion

z Diagnostik
55 Prehn-Zeichen positiv (Anheben des
Hodens = Schmerzlinderung)
55 Sonographie der Hoden
55 Tastbefund!
55 ggf. pathologischer Urinbefund

z Therapie ! Cave bei geringsten Zweifeln


55 Antibiose (Medikamente wie bei Harnwegsinfekt) in der Hodenfreilegung zum Ausschluss
Regel zunächst intravenös, Hodenhochlagerung, vorsichtige einer Hodentorsion!
Kühlung
55 nach Beendigung der Therapie immer Untersuchung, ob > Memo Anlegen einer Urinkultur
prädisponierende Faktoren vorliegen (vesikoureteraler Reflux? nicht vergessen!
Harnröhrenklappe?)

Hydatidentorsion
55 Reste des Müller-Ganges verbleiben am oberen Pol des Hodens
als sog. Hydatide, die torquieren kann
314 Kapitel 10 · Tag 4: Nephrologie und Urogenitalerkrankungen

z Klinik
55 ähnlich wie bei Hodentorsion oder Epididymitis, meist weniger
akut
55 oft Hydatide als kleiner Tumor am Hodenoberpol abgrenzbar.

z Diagnostik
55 (Doppler-)Sonographie der Hoden
55 Tastbefund

z Therapie
55 im Akutstadium bei Unklarheit Hodenfreilegung und Hydatidenab-
tragung, bei bereits länger bestehender Symptomatik oder aber bei
sicherem Ausschluss einer Hodentorsion abwartendes Verhalten.

Orchitis
55 Definition: bakterielle oder virale infektion des Hodengewebes,
fortgeleitet oder durch hämatogene Streuung

z Klinik
55 wie bei Torsion oder Epididymitis
55 Ätiologie: aszendierend über den Nebenhoden („Orchidoepi-
10 didymitis“), hämatogen oder (meist) einseitig bei Mumps oder
Vaskulitiden (Schoenlein-Henoch-Purpura)

z Diagnostik
55 (Doppler-)Sonographie der Hoden
55 Tastbefund

z Therapie
! Cave Bei geringsten 55 Antibiose, bei Mumps oder Vaskulitis nur symptomatisch
Zweifeln an der Genese der (Hodenhochlagerung, Schmerzmittel!)
Hodenschwellung operative 55 Mumpsorchitis Risiko für eine spätere Infertilität (durch Impfung
Freilegung immer indiziert! vermeidbar)

Varikozele
55 Varizenbildung des Plexus pampiniformis des Samenstranges

z Klinik
55 oft keine Beschwerden
55 Schmerzen, Zug- oder Druckgefühl möglich, insbesondere
beim Pressen vermehrte Venenfüllung mit krampfaderartiger
Schwellung der Gefäße

z Diagnostik
55 klinische Tastuntersuchung (stehender Patient,
Valsalva-Manöver!)
10.7 · Fehlbildungen und Erkrankungen des äußeren Genitale
315 10
55 Sonographie der Hoden und des Abdomens (Tumorausschluss) > Memo Aufgrund der
55 sekundär Entstehung durch z. B. Raumforderungen retro- anatomischen Verhältnisse findet
peritoneal oder im kleinen Becken möglich (Sonographie des sich die Varikozele fast immer auf
Abdomens zwingend!) der linken Seite.

z Therapie
55 Indikation zur Therapie nicht zwangsläufig
55 Therapie (operative Korrektur) aber indiziert:
44wenn der Hoden der betroffenen Seite im Wachstum
zurückbleibt
44wenn Schmerzen bestehen
44bei der sekundären Varikozele
44bei pathologischem Spermiogramm (Jugendliche)

Hodenhochstand
55 zum Geburtszeitpunkt sind die Hoden in der Regel bis ins ! Cave Ein Hodenhochstand
Skrotum deszendiert; etwa 5 % aller reif geborenen Jungen haben muss zwingend spätestens zum
einen Hodenhochstand, also eine Fehllage eines/beider Hoden; Ende des ersten Lebensjahres
bei Frühgeborenen Rate entsprechend höher behandelt werden, da
55 je nach Lage unterscheidet man: sonst spätere Infertilität
44Gleithoden: Hoden sind oberhalb des Skrotums tastbar und ein erhöhtes Risiko der
und lassen sich nur unter Spannung ins Skrotum verlagern, Malignomentwicklung zu
sie nehmen spontan ihre regelwidrige Lage wieder ein, der verzeichnen ist!
Processus vaginalis ist offen.
44Bauchhoden: Hoden sind nicht tastbar und lassen sich
sonographisch praktisch nie, kernspintomographisch auch
nicht regelhaft nachweisen, wohl aber laparoskopisch.
44Pendelhoden: Hoden liegen oft außerhalb des Skrotums, lassen
sich aber spannungsfrei nach distal mobilisieren und bleiben
auch ohne Spannung im Skrotum liegen.

z Klinik
55 Hoden ein- oder beidseitig nicht vollständig im Skrotum
deszendiert
55 subjektiv in der Regel keine Beschwerden

z Diagnostik
55 klinisch durch Palpation
55 bei Bedarf Sonographie, Kernspintomographie, > Memo Der Hodenhochstand
Laparaskopie kann Ausdruck eines zugrunde
liegenden Gendefektes
z Therapie oder einer hormonellen
55 je nach klinischem Befund (Lage des Hodens abdominell/ Störung sein, deshalb
inguinal/ektop) weiterführende Untersuchungen
55 primär chirurgisch (Orchidolyse) oder in geeigneten Fällen (Chromosomenanalyse,
konservativ mittels intranasaler Verabreichung von LHRH oder Hormonanalysen) im
intramuskulärer Gabe von HCG Verdachtsfall!
316 Kapitel 10 · Tag 4: Nephrologie und Urogenitalerkrankungen

10.7.2 Krankheiten des weiblichen Genitale

Hymenalatresie
55 ausbleibende Perforation des Uterovaginalkanals

z Klinik
55 beim Neonaten ggf. mittelständige, tastbare abdominale
Raumforderung (Hydrometrokolpos) sowie Ausbleiben des
physiologischen Fluor albus
55 ggf. prall-elastische Vorwölbung interlabial sichtbar

! Cave im Extremfall Harnstau- z Diagnostik


ungsniere sowie Infektion des 55 klinische Untersuchung
unter mütterlichem Hormon- 55 Abdomensonographie
einfluss gebildeten Gebär-
mutterschleimhautsekretes z Therapie
mit Entwicklung eines Hydro-/ 55 operative Therapie
Pyometrokolpos möglich.

> Memo In ausgeprägten Labiensynechie


Fällen Urinentleerung nur 55 meist infolge hormoneller kindlicher Ruhephase vermehrte
noch möglich über eine Vulnerabilität der kleinen Labien durch z. B. scheuernde
10 punktförmige Öffnung Windeln, Puderanwendung, Windeldermatitis mit sekundärer
der kleinen Labien, meist (entzündlicher) Fusion der kleinen Labien (primäre nichtent-
unmittelbar subklitoridal, zündliche Form möglich)
Begünstigung von
Harnwegsinfekten! z Klinik
55 häufig Zufallsbefund bei Vorsorge oder bei Abklärung von
Harnwegsinfekten

z Diagnostik
55 klinische Untersuchung

> Memo Anschließendes z Therapie


„Offenhalten“ der Labien 55 nach Vorbehandlung mittels Östrogensalbe über eine Woche
zur Vermeidung einer Auflockerung der Verklebungslinie, anschließend vorsichtige
neuerlichen Adhäsion stumpfe Lösung mittels sterilen Wattetupfers nach ausreichend
essenziell! (Demonstration einer langer Einwirkung eines als Creme aufzubringenden Lokalanäs-
angemessenen Genitalpflege thetikums (bei sehr hartnäckiger Verklebung operative Trennung
nicht vergessen!). der Labien in Narkose)

Vulvovaginitis
55 bei Neonaten und kleinen Säuglingen in der Regel als Windel-
dermatitis (Candida!) auf Vulva und Vagina beschränkt
55 bei älteren (präpubertären) Kindern aufgrund hormoneller
Ruhephase des vulvovaginalen Epithels unspezifische bakte-
rielle Vulvovaginitis möglich, meist begünstigt durch falsche
10.7 · Fehlbildungen und Erkrankungen des äußeren Genitale
317 10
Genitalhygiene, Einbringen von Fremdkörpern (Spielperlen,
kleine Baukastenteile), allergische Lokalreaktionen auf Pflege-
mittel etc.

z Klinik
55 vaginaler Ausfluss, z. T. eitrig, fötider Geruch, Brennen beim > Memo Auch ein Zuviel an
Wasserlassen, Juckreiz, Schmerzen Genitalhygiene (nicht indizierte
55 im Rahmen von eitrigen Infekten der Halsregion (eitrige Angina) Sitzbäder, Intimsprays, dauerndes
eitrige Mitinfektion des äußeren Genitales möglich Tragen von Slipeinlagen) kann
ursächlich sein!
z Diagnostik
55 Inspektion ! Cave Spezifische Infektionen
55 Vaginoskopie (Narkose) (Neisserien, Chlamydien,
55 Abstriche für Mikrobiologie Trichomonaden, Herpes simplex
oder humanes Papillomavirus)
z Therapie müssen ggf. an sexuellen
55 ggf. Fremdkörperentfernung Missbrauch denken lassen!
55 lokalantibiotische Therapie, in bestimmten Fällen auch syste-
mische Antibiotikagabe
55 Sitzbäder mit desinfizierenden Lösungen
55 Regeneration des Epithels mittels Östrogensalben
319 11

Tag 4: Endokrinologie
B. Karges

11.1 Wachstumsstörungen – 321


11.1.1 Kleinwuchs – 321
11.1.2 Hochwuchs – 322

11.2 Störungen der Sexualentwicklung – 324


11.2.1 Varianten/Störungen der Geschlechtsentwicklung (DSD) – 324
11.2.2 Störungen der Pubertätsentwicklung – 325

11.3 Erkrankungen von Hypophyse und Hypothalamus – 329


11.3.1 Hypophyseninsuffizienz – 329
11.3.2 Diabetes insipidus – 330
11.3.3 Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion – 331

11.4 Schilddrüsenerkrankungen – 332


11.4.1 Angeborene Hypothyreose – 332
11.4.2 Autoimmunthyreoiditis Hashimoto – 333
11.4.3 M. Basedow – 334
11.4.4 Schilddrüsentumoren – 335

11.5 Erkrankungen des Kalzium-Phosphat-Stoffwechsels – 337


11.5.1 Hypoparathyreoidismus – 337
11.5.2 Hyperparathyreoidismus – 338
11.5.3 Rachitis – 339

11.6 Erkrankungen der Nebenniere – 341


11.6.1 Adrenogenitales Syndrom – 341
11.6.2 Nebennierenrindeninsuffizienz – 342
11.6.3 Hyperkortisolismus (Cushing-Syndrom) – 344
11.6.4 Aldosteronsynthesestörungen – 345
11.6.5 Phäochromozytom und Paragangliom – 346

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2017


B. Karges, N. Wagner (Hrsg.), Pädiatrie in 5 Tagen, Springer-Lehrbuch,
DOI 10.1007/978-3-662-52813-6_11
11.7 Diabetes mellitus – 347
11.7.1 Typ 1 Diabetes – 348
11.7.2 Typ 2 Diabetes – 350
11.7.3 MODY – 352

11.8 Adipositas – 353


11.1 · Wachstumsstörungen
321 11
11.1 Wachstumsstörungen

11.1.1 Kleinwuchs

55 Körperhöhe <3. Perzentile, (d. h. <2 SD unterhalb des Bevöl-


kerungsmittels), Referenz: Standardwachstumskurve (z. B. von
Brandt-Reinken oder Prader, für Jungen oder Mädchen)
55 Ursachen:
44häufig Normvarianten z. B. familiärer Kleinwuchs, konstitutio-
nelle Verzögerung von Wachstum und Pubertät
44andere primäre Wachstumsstörungen z. B. Turner-Syndrom,
Skelettdysplasien, Fetopathien (z. B. intrauterine Infektion,
Alkohol), Noonan-, Silver-Russell-Syndrom
44sekundäre Wachstumsstörung z. B. bei Wachstumshormon
(GH)-Mangel, Hypothyreose, Glukokortikoidexzess, Zöliakie,
Mukoviszidose, Niereninsuffizienz, Rachitis, psychosoziale
Vernachlässigung

z Klinik
55 Wachstum <3. Perzentile verglichen mit alters- und geschlechts-
spezifischem Kollektiv
55 Schneiden der Wachstumskurve nach unten (nachlassende
Wachstumsgeschwindigkeit)
55 evtl. verzögerte Pubertät (bei konstitutioneller Entwicklungsver-
zögerung, KEV)
55 ggf. typische syndromale Stigmata z. B. Turner-Syndrom
(Mädchen), Skelettdysplasie

z Diagnostik
55 Basisdiagnostik bei Wachstumsstörungen:
44standardisierte Längenmessung (Kinder <2 Jahre: Liegeschale,
≥2 Jahre: im Stehen mit Harpenden-Stadiometer)
44Anlage einer Wachstumskurve, Berechnung der Wachstums-
geschwindigkeit → Messung im Zeitabstand von mindestens 6
Monaten
44Berechnung der familiären (d. h. genetischen)
Zielgröße = (Größe der Mutter + Größe des Vaters in cm)/2,
plus 6,5 cm (Jungen) bzw. minus 6,5 cm (Mädchen)
44Bestimmung des Knochenalters (nach Greulich und Pyle)
durch Röntgen der linken Hand
44Bestimmung der prospektive Endgröße (nach Bayley und
Pinneau) mittels Knochenalter und Ist-Größe → individuelle
Wachstumsprognose
44Körperproportionen: Sitzhöhe, Oberlänge/Unterlänge,
Armspannweite, Kopfumfang
44Pubertätsstadium nach Tanner
322 Kapitel 11 · Tag 4: Endokrinologie

> Memo GH-Einzelmessung 55 weitere Diagnostik:


diagnostisch ohne Bedeutung 44Insulin-like growth factor (IGF)-1, IGF Bindungsprotein
wegen pulsatiler Sekretion! (BP)-3 im Serum als Screening für Wachstumshormon
(growth hormone, GH) Mangel
44bei Verdacht auf GH-Mangel: GH-Stimulationstests (z. B. mit
Arginin oder Insulin) → unzureichender GH-Anstieg in zwei
Tests zur definitiven Diagnose des GH-Mangels
44MRT-Hypophyse bei GH-Mangel (zum Ausschluss eines
Hirntumors)
44fT3, fT4, TSH (zum Ausschluss einer Hypothyreose)
44Schweißtest (zum Ausschluss einer Mukoviszidose)
44Transglutaminase-IgA, deamidierte Gliadin-Peptide IgA und
Gesamt IgA (zum Ausschluss einer Zöliakie)
44Chromosomenanalyse bei Verdacht auf Turner-Syndrom (45,X0)
44Ausschluss anderer Erkrankungen z. B. Anämie, M. Crohn/
Kolitis, Knochenstoffwechsel

z Therapie
> Memo Aufholwachstum mit 55 Beeinflussung des Längenwachstums grundsätzlich nur möglich
Therapie (bzw. bei KEV spontan) bei noch offenen Epiphysenfugen (Röntgen der linken Hand)
bestätigt Diagnose! 55 bei konstitutioneller Entwicklungsverzögerung (KEV) wird
Zielgröße spontan erreicht (keine Therapie notwendig), Beratung
und Wachstumsprognose sind wichtige Behandlungsziele!
55 Behandlung der Grunderkankung bei sekundärem Kleinwuchs
11 (z. B. Hormonsubstitution bei Hypothyreose, Wachstumshor-
monmangel oder glutenfreie Diät bei Zöliakie)
55 Milieuwechsel (z. B. Pflegefamilie) bei psychosozialer Depri-
vation verbessert Wachstum

11.1.2 Hochwuchs

55 Körpergröße >97. Perzentile


55 Ursachen
44meist Normvarianten: familiär, konstitutionelle Beschleu-
nigung von Wachstum und Pubertät
44chromosomale Anomalien z. B. Klinefelter-Syndrom
44seltener hormonelle Ursachen z. B. GH-Exzess, Hyperthy-
reose, vermehrte Östrogen- oder Androgenproduktion (u. a.
Pubertas praecox, adrenogenitales Syndrom (AGS))
44andere: Homozystinurie, syndromal: Marfan-, Sotos-,
Wiedemann-Beckwith-Syndrom

z Klinik
55 vorzeitige Pubertät (Tanner-Pubertätsstadium!) oder Hypogona-
dismus (→Klinefelter-Syndrom)
55 Dysproportionierung, Skelettveränderungen z. B. Skoliose,
Trichterbrust bei Marfan-Syndrom
11.1 · Wachstumsstörungen
323 11
55 Makrozephalie bei Sotos-Syndrom
55 Makroglossie, Bauchwanddefekte, Hypoglykämie bei
Wiedemann-Beckwith-Syndrom

z Diagnostik
55 s. Basisdiagnostik bei Wachstumsstörungen
44Schneiden der Perzentilen nach oben → Verdacht auf GH-
oder Sexualhormonexzess
44Wachstumsprognose < Zielgröße bei Pubertas praecox oder
adrenogenitalem Syndrom
55 IGF-1 ↑ bei GH-Exzess → oraler Glukosetoleranztest (OGT):
fehlende GH-Suppression
55 ft4, TSH, Prolaktin
55 Testosteron, Östradiol, LH, FSH, ggf. GnRH-Test bei Verdacht auf
Pubertas präcox
55 17-OH Progesteron (↑ bei AGS)
55 Echokardiographie bei Verdacht auf Marfan-Syndrom (zum
Ausschluss einer Aorteninsuffzienz)
55 Chromosomenanalyse bei Verdacht auf Klinefelter-Syndrom
(47,XXY)

z Therapie
55 je nach Grunderkrankung
44GH-Exzess
–– operativ: transsphenoidale Resektion eines
Hypophysenadenoms
–– Definition „Heilung“: GH ≤1 µg/l im OGT und IGF-1
alterentsprechend normal
–– bei persistierendem GH-Exzess: Somatostatinanaloga oder
Pegvisomant (GH-Rezeptor Antagonist)
–– Folgeerkrankungen nach Therapie beachten (z. B.
Hypophyseninsuffizienz)
–– Therapie von metabolischen (→ Diabetes) und kardiovasku-
lären (→ arterielle Hypertonie) Komplikationen
44Hyperthyreose: Thyreostatika
44Pubertas praecox centralis: GnRH-Agonist alle 28 Tage s.c.
44adrenogenitales Syndrom (AGS): Substitution von Hydrokor-
tison und Mineralkortikoid
44Hoden-/Ovartumor: chirurgische Therapie
55 medikamentöse Wachstumsbremsung zur Endgrößenreduktion
möglich
44Prinzip: hochdosierte Sexualhormongabe (Östrogen/Gestagen > Memo Thrombophiliediagnostik
Therapie bei Mädchen, Testosteron bei Jungen) → vorzeitiger bei Mädchen vor hochdosierter
Epiphysenschluss Östrogentherapie.
44Indikationen: Dysproportionierung, Skoliose, familiärer
Hochwuchs (psychische Belastung) falls Wachstumspro-
gnose >202–205 cm (Jungen) oder >185–187 cm
(Mädchen)
324 Kapitel 11 · Tag 4: Endokrinologie

. Tab. 11.1  Nomenklatur und Klassifikation von Störungen der Geschlechtsentwicklung (DSD)*

Geschlechtschromosomale DSD 46,XY-DSD 46,XX-DSD

47,XXY (Klinefelter-Syndrom) Störung der Hodenentwicklung Störung der Ovarentwicklung


45,X (Turner-Syndrom) Störung der Androgensynthese oder Fetaler Androgenexzess
45,X/46,XY (gemischte - wirkung Maternaler Androgenexzess
Gonadendysgenesie) Störung des Anti-Müller-Hormons Andere z.B. Störung der Müllerschen
46,XX/46,XY (Chimärismus) oder dessen Rezeptor Gänge
Andere z. B. schwere Hypospadie

*Stellungnahme Bundesärztekammer 2015

11.2 Störungen der Sexualentwicklung

11.2.1 Varianten/Störungen der


Geschlechtsentwicklung (DSD)

> Memo Begriffe wie 55 heterogene Gruppe angeborener Entwicklungsstörungen des


„Intersexualität“, chromosomalen, gonadalen oder anatomischen Geschlechts,
„Hermaphroditismus“ sollten („disorder of sex development“, DSD)
nicht mehr verwendet werden. 55 Häufigkeit ca. 1:8.000
55 Formen und Ursachen:
44virilisiertes Mädchen durch fetale/maternale Androgene (z. B.

11 adrenogenitales Syndrom (AGS) durch 21-Hydroxylase-


mangel, Nebennierenrindentumor, Aromatasedefekt)
44unzureichende Maskulinisierung beim Jungen infolge
Gonadendysgenesie (z. B.X0/XY, SRY-Mutation),
Androgenbiosynthesedefekt (z. B. inaktiver LH/
CG-Rezeptor, 5α-Reduktasemangel), Androgenresistenz
(Androgenrezeptordefekt)
44Präsenz von Hoden- und Ovargewebe (Karyotyp XX häufig,
XY selten, XX/XY Mosaike oder Chimären möglich)
44syndromal (z. B. Denys Drash-, Frasier-)
. Tabelle 11.1

z Klinik
55 uneindeutiges äußeres Genitale
55 weiblicher Phänotyp mit Klitorishypertrophie, Labienfusion oder
labiale/inguinale Resistenz
55 männlicher Phänotyp mit Hodenhochstand, Mikropenis oder
Hypospadie
55 Diskordanz zwischen äußerem Genitale und Karyotyp
55 Kleinwuchs (z. B. Turner-Syndrom) oder Hochwuchs (z. B.
Klinefelter-Syndrom)
55 fehlende/unvollständige Pubertät, primäre Amenorrhö und
Virilisierung (weibliche Individuen), Gynäkomastie (männliche
Individuen)
11.2 · Störungen der Sexualentwicklung
325 11
55 evtl. Nebennierenrindeninsuffizienz (bei Synthesedefekt
adrenaler Steroidhormone)
55 Nephropathie, Wilms-Tumor (Denys-Drash-, Frasier-Syndrom)

z Diagnostik
55 genaue Untersuchung des äußeren Genitale: Phallusgröße,
Urethralöffnung, Labioskrotalfalten, Gonaden tastbar, Virilisie-
rungsgrad (Prader 1–5), Photodokumentation
55 Chromosomenanalyse (Karyotyp)
55 ggf. Nachweis von Y–spezifischem Genmaterial durch
Bestimmung von SRY mittels FISH
55 17α-OH Progesteron, Elektrolyte, Blutzucker, Renin, Kortisol, ACTH
(bei Verdacht auf AGS), Testosteron, Östradiol, LH, FSH, Inhibin B
55 hCG Test: Testosteron, Androstendion, Dihydrotestosteron basal
und stimuliert (überprüft Androgensynthese)
55 Steroidanalyse im Urin → identifiziert Enzymdefekt, Tumor
55 Ultraschall inneres Genitale, Gonaden, Niere, Nebenniere, evtl.
MRT Gonaden
55 bei unklaren Fällen: Zystourethroskopie, Genitographie, evtl.
Laparoskopie mit Gonadenbiopsie
55 Molekulargenetik bei Verdacht auf 21-Hydroxylasemangel
(AGS), 5α-Reduktasemangel (Androgensynthesestörung),
Androgenrezeptor-Defekt (Androgenresistenz)

z Therapie
55 Geschlechtszuordnung individuell unter Berücksichtigung
44anatomischer Verhältnisse und funktioneller Ursache der DSD > Memo: Geschlechtszuordnung
44kulturellen/familiären Besonderheiten kann freigelassen werden
44generell abhängig vom Ausmaß der Genitalfehlbildung (Personenstandsgesetz wurde
44Konsens zwischen Pädiater, Operateur, Familie, ggf. geändert).
Psychologe
55 Langzeitbetreuung durch interdisziplinäres, erfahrenes Team (s. o.)
55 Indikation zur operativen Korrektur des äußeren Genitales im 1. ! Cave bei XY-Gonadendysgenesie:
Lebensjahr restriktiv stellen, evtl. in Pubertät (zweite) Korrektur- Risiko für Keimzelltumor (12–
operation (Ziele: Kontinenzerhalt, normale Sexualfunktion und 35 %) → regelmäßige Bildgebung,
Fertilität) Biopsie, ggf. Gonadektomie.
55 bei NNR-Insuffizienz Substitution von Hydrokortison,
Mineralkortikoid
55 ggf. hormonelle Induktion der Pubertät (Östrogen/Gestagen oder
Testosteron)

11.2.2 Störungen der Pubertätsentwicklung

Normale Pubertätsentwicklung
55 physiologischer „Motor“ der Pubertätsentwicklung: Aktivierung
des GnRH-Pulsgenerators im Hypothalamus stimuliert LH/FSH
Sekretion → Sexualhormonsynthese in Ovar/Hoden
326 Kapitel 11 · Tag 4: Endokrinologie

55 zeitlicher Ablauf der Pubertät (Mittelwert ± 2SD)


44Mädchen:
–– beginnende Pubesbehaarung (Pubarche) mit 10,4 Jahren
(8,0–12,8 Jahre)
–– beginnende Brustentwicklung (Thelarche) mit 10,9 Jahren
(8,5–13,3 Jahre)
–– Gipfel des pubertären Wachstumsschubes mit 12,2 Jahren
(10,1–14,1 Jahre)
–– erste Regelblutung (Menarche) mit 13,4 Jahren (11,2–15,6
Jahre)
–– Dauer zwischen Beginn der Brustentwicklung (B2) und
Menarche 2,2 Jahre (0–4,4 Jahre)
44Jungen:
–– Vergrößerung des Hodenvolumens ≥3 ml mit 11,8
(10,0–13,6) Jahren
–– Pubarche im Durchschnitt mit 12,2 Jahren (9,2–15,2 Jahre)
–– Gipfel des pubertären Wachstumsschubes mit 13,9 Jahren
(12,8–15,8 Jahre)
–– Stimmbruch mit 14,6 Jahren (12–17 Jahre)
–– Dauer zwischen G2 und G5 3,5 Jahre (1,3–5,7 Jahre)
–– Pubertätsgynäkomastie tritt bei ca. 70 % als Normvariante
auf, meist spontan rückläufig
. Tabelle 11.2

11 Pubertas tarda
55 fehlender Pubertätsbeginn (Tanner 1) bei Mädchen >13 Jahre, bei
Jungen >14 Jahre
55 Ursachen
44häufig konstitutionelle Entwicklungsverzögerung
(Ausschlussdiagnose!)
44seltener hypothalamisch/hypophysäre Störung z. B. GnRH-,
LH/FSH-Mangel, ZNS-Tumor
44Gonadeninsuffizienz (z. B. Turner-, Klinefelter-Syndrom)
44schwere Allgemeinerkrankung (z. B. Zöliakie, Mukoviszidose,
Anämie, Anorexie) oder Leistungssport

z Klinik
55 fehlende Brustentwicklung (Stadium B1) bei Mädchen >13
Jahre bzw. Hodenvolumen <3 ml (G1) bei Jungen >14 Jahre, ggf.
Hodenhochstand
55 fehlender pubertärer Wachstumsschub
55 evtl. Dymorphiestigmata z. B. Pterygium colli und Kleinwuchs
bei Turner-Syndrom, Adipositas bei Prader-Willi-Syndrom,
Dysproportionierung und Hochwuchs bei Klinefelter-Syndrom
55 Anosmie (Aplasie von Bulbus olfaktorius und GnRH-Neuronen)
bei Kallmann-Syndrom
11.2 · Störungen der Sexualentwicklung
327 11

. Tab. 11.2  Definition der Pubertätsstadien nach Tanner

Stadien Brustentwicklung Pubesbehaarung (beide Genitalentwicklung (Jungen)


­(Mädchen) ­Geschlechter)a

1 Keine Keine Infantil, Hoden ≤2 ml


2 Leichte Erhebung der Spärliches Wachstum langer Hoden und Skrotum vergrößert,
Brust und Brustwarze pigmentierter Haare Penis nicht/gering vergrößert
3 Brustdrüse ist stärker Wesentlich dunklere, dichtere weitere Vergrößerung von Hoden,
vergrößert als Warzenhof und gekräuselte Haare über Skrotum und Penis (vor allem in der
Symphyse Länge)
4 Gesonderte Vorwölbung Wie beim Erwachsenen jedoch Penis: Wachstum in Länge und Breite,
des Warzenhofes mit geringerer Ausdehnung Entwicklung der Glans; weitere
ohne Übergang auf Vergrößerung von Hoden und
Oberschenkel Skrotum, Skrotalhaut dunkler
5 Adult Horizontale obere Begrenzung, Adult
Ausbreitung auf Oberschenkel

aP6 = weitere Ausdehnung dreieckförmig auf Linea alba gegen den Nabel, bei 80 % der Männer, 10 % der Frauen

z Diagnostik
55 genaue Dokumentation des klinischen Pubertätsstadiums
(Tanner-Stadium 1–5)
55 Bestimmung des Hodenvolumens mittels Orchidometer
55 Röntgen der linken Hand (Knochenalter reflektiert biologisches
Alter)
55 LH, FSH (↑ bei Gonadeninsuffizienz, ↓ bei hypothalamisch-hypo-
physärer Störung)
55 GnRH-Test (kein Anstieg von LH/FSH bei hypophysärer
Störung)
55 Riechtest bei zentralem Hypogonadismus (Kallmann-Syndrom)
55 Chromosomenanalyse (bei Verdacht auf auf Turner-/
Klinefelter-Syndrom)
55 Sonographie inneres Genitale (zum Ausschluss Anlagestörung)
55 bei DSD: hCG-Test, Steroidanalyse (Urin), ggf.
Androgenrezeptoranalyse
55 bei Verdacht auf Hypophyseninsuffizienz ggf. Hypophysenfunk-
tionstest und MRT
55 Ausschluss anderer chronischer Erkrankungen, z. B. Anämie,
Hypothyreose, Zöliakie

z Therapie
55 bei Verdacht auf konstitutionelle Entwicklungsverzögerung
zunächst nur Verlaufskontrolle
55 Therapieziel: Pubertätsinduktion, vollständige Ausbildung
sekundärer Geschlechtsmerkmale
328 Kapitel 11 · Tag 4: Endokrinologie

44bei Mädchen: Östradiolvalerat (oder konjugierte Östrogene)


z. B. Beginn mit 0,2 mg/d, stufenweise Dosissteigerung bis
2,0 mg/d im 3. Jahr, nach 12 Monaten zusätzliche Gestagengabe
44bei Jungen Testosteronenanthat 50–250 mg i.m./Monat (Dosis
alle 6 Monate steigern)

Pubertas praecox
55 vorzeitiger Beginn der Pubertätsentwicklung, Mädchen <8 Jahre,
Jungen <9 Jahre
55 betrifft Mädchen 5-mal häufiger als Jungen
55 Ursachen:
44meist hypothalamisch-hypophysär ausgelöste zentrale
Pubertätsentwicklung mit vorzeitiger Aktivierung der GnRH
Neurone (in 80 % idiopathisch, selten Hirntumor, z. B.
hypothalamisches Hamartom)
44selten Pseudopubertas praecox ohne Aktivierung des GnRH
Pulsgenerators, durch autonome Östrogen- oder Andro-
genbildung in Ovar, Hoden, Nebenniere, (intrakraniellen)
Keimzelltumor oder exogene Hormonzufuhr

z Klinik
55 Wachstumsbeschleunigung (Schneiden der Perzentilen nach oben)
55 Brustentwicklung bei Mädchen <8 Jahre, beginnende Pubesbe-
11 haarung oder Hodenvergrößerung (≥3 ml) bei Jungen <9 Jahre
55 bei Pseudopubertas praecox disharmonischer Pubertätsverlauf
z. B. bei adrenogenitalem Syndrom (AGS) keine Hodenvergrö-
ßerung (→ Androgenbildung in Nebenniere!)
55 vorzeitiger Epiphysenfugenschluss (Knochenalterakzeleration)
→ Kleinwuchs als Erwachsener

z Diagnostik
55 Röntgen linke Hand: akzeleriertes Knochenalter, Wachstums-
prognose < elterliche Zielgröße
55 TSH, fT4, Prolaktin, Testosteron, Östradiol, LH, FSH
55 GnRH-Test (LH/FSH stimuliert >1 bei zentraler Pubertät und <1
bei Pseudopubertas praecox)
55 bei Verdacht auf Pseudopubertas praecox
4417-OH-Progesteron (Serum) (↑ bei AGS), β-HCG (Serum) (↑
bei Keimzelltumor)
44Steroidanalyse (Urin) (pathologisch bei AGS und
Nebennierenrindentumor)
44ggf. Lokalisationsdiagnostik (Hoden, Ovar, Nebenniere,
Hypophyse) mit Sonographie, MRT
> Memo Wichtig ist Unterschied
zwischen Normvariante z Differenzialdiagnose
und pathologischer 55 isolierte prämature Pubarche oder Thelarche ohne weitere Puber-
Pubertätsentwicklung. tätszeichen und ohne Progredienz (kein Behandlungsbedarf!)
11.3 · Erkrankungen von Hypophyse und Hypothalamus
329 11
z Therapie
55 Ziele:
44Unterbrechung des Pubertätsverlaufs, Regression sekundärer
Geschlechtsmerkmale
44Verbesserung der Endgröße
44Synchronisierung von körperlicher und seelischer/geistiger
Entwicklung
55 Behandlung der zentralen Pubertas praecox mit GnRH-
Agonist 1× monatlich s.c. (verstärkte und verlängerte
Wirkung → Down-Regulation und Desensitivierung der
GnRH-Rezeptoren)
55 Beseitigung der auslösenden Ursache, z. B. Tumorentfernung,
Hydrocortison bei AGS

11.3 Erkrankungen von Hypophyse


und Hypothalamus

11.3.1 Hypophyseninsuffizienz

55 totaler oder partieller Ausfall der Hypophysenvorderlappen


(HVL) Hormone: Wachstumshormon (GH), TSH, LH, FSH,
ACTH, Prolaktin
55 bei Ausfall des Hinterlappens (selten): Diabetes insipidus durch
ADH-Mangel
55 Prävalenz des GH-Mangels 1:4.000 bis 1:30.000
55 Ursachen im Kindesalter: häufig idiopathisch, seltener andere
u. a.
44kongenital: z. B. Anlagestörung (durch Defekte hypophysärer
Transkriptionsfaktoren z. B. PIT1, PROP1) oder isolierter
GH-Mangel (z. B. GH-, oder GHRHR-Genmutation)
44Hypophysenadenome oder andere Tumoren (z. B.
Kraniopharyngeom)
44iatrogen (Radiatio, postoperativ) oder posttraumatisch (z. B.
Hypophysenstielabriss)
44sehr selten: Meningitis, Granulome, Ischämie

z Klinik
55 Symptome abhängig vom Zeitpunkt des Erkrankungsbeginns
44Säuglinge: Hypoglykämien (GH-, ACTH-Mangel), Ikterus
prolongatus (TSH-Mangel), Mikropenis, Hodenhochstand
(LH/FSH-Mangel)
44Kinder: Kleinwuchs (GH-, TSH-Mangel)
44Jugendliche: fehlende Pubertät, Amenorrhö (LH/
FSH-Mangel), Adynamie (ACTH-, TSH-Mangel)
55 Polyurie, Polydipsie bei Diabetes insipidus
55 Symptome der auslösenden Erkrankung (z. B. Kopfschmerzen,
Sehstörung)
330 Kapitel 11 · Tag 4: Endokrinologie

z Diagnostik
55 erniedrigte basale Hormonwerte (fT4, TSH, IgF-1, Kortisol,
ACTH, LH, FSH, Östradiol, Testosteron, Prolaktin)
55 Diagnosesicherung durch Hypophysenkombinationstest
(Insulinhypoglykämie-Test oder Releasing-Hormon Test)
55 augenärztliche Untersuchung, evtl. Perimetrie
55 Ursachenklärung: MRT der Hypophyse, ggf. Gendiagnostik

z Therapie
! Cave Dosiserhöhung von 55 ggf. neurochirurgische Entfernung eines intrakraniellen
Hydrokortison (3- bis 8-fach) Tumors
bei akuter Krankheit oder 55 Substitution von Wachstumshormon, Thyroxin, Hydrocortison,
Operation lebenswichtig! Testosteron bzw. Östrogen/Gestagen
55 Überwachung der Therapie (Wachstumskurve, Entwicklung,
Knochendichte etc.) und möglicher Nebenwirkungen (z. B.
iatrogener Cushing), regelmäßiges Follow-up
55 Notfallausweis und genaue Patienteninformation erforderlich

11.3.2 Diabetes insipidus

55 fehlende Urinkonzentration, Polyurie durch verminderte


Sekretion (zentral) oder renale Wirkung (renal) von antidiureti-
schem Hormon (ADH, Synonym: Vasopressin)
55 Synthese von ADH (Peptid, 9 Aminosäuren) im Hypothalamus,
11 Sekretion durch Neurohypophyse, hemmt Wasserdiurese im
Sammelrohr der Niere
55 Ursachen des zentralen Diabetes insipidus:
44Tumore in Hypothalamus/Hypophyse: Kraniopharyngeom,
Germinom (35 %)
44Langerhanszell-Histiozytose (15 %)
44anatomische Fehlbildung (z. B. septo-optische Dysplasie)
44postoperativ oder posttraumatisch
44familiäre Form (Mutationen im Neurophysin-,
Vasopressin-Gen)
55 renaler (nephrogener) Diabetes insipidus sehr selten, entweder
familiär (z. B. Mutationen von Vasopressin-V2-Rezeptor oder
Aquaporin 2) oder erworben (z. B. Medikamente)

z Klinik
55 Polyurie (>2 l/m2 Körperoberfläche täglich), verdünnter Urin
„hell wie Wasser“
55 starker Durst, hohe Trinkmenge (Polydipsie), auch nachts
55 ggf. Symptome von Grund- oder Begleiterkrankungen (z. B.
HVL-Insuffizienz, Sehstörung)

z Diagnostik
55 Ausschluss anderer Polyurieursachen: Diabetes mellitus,
Hyperkalzämie, Diuretika
11.3 · Erkrankungen von Hypophyse und Hypothalamus
331 11
55 bei begründetem klinischen Verdacht: kontrollierter Durst-
versuch (stationäre Durchführung)
44mit Analyse von Urinvolumen, Urin-/Serumosmolarität,
Körpergewicht, Blutdruck, ggf. ADH
55 bei Diabetes insipidus fehlende Urinkonzentration
>300 mosmol/l, anhaltend hohe Urinvolumina trotz Exsikkose
(Serum Natrium ↑, Chlorid ↑, Serumosmolarität ↑)
44anschließend Gabe von DDAVP (Desmopressin, Vasopressin-
Analogon), „DDAVP-Test“: bei Diabetes insipidus centralis
Urinosmolarität ansteigend, Urinvolumen sinkt ab
55 wenn zentraler Diabetes insipidus bestätigt: MRT Hypophyse/
Hypothalamus
55 zusätzlich Diagnostik von Grund- oder Begleiterkrankungen

z Therapie
55 bei zentralem Diabetes insipidus: DDAVP (Desamin-D-Arg-
Vasopressin) intranasal 1–2× täglich 10–20 µg, Behandlungsziel:
normale Urinmenge, alternativ DDAVP parenteral (s.c.)
55 bei renalem Diabetes insipidus (selten): natriumarme Diät,
Thiaziddiuretikum
55 Therapie der Grund- und Begleiterkrankungen

11.3.3 Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion

55 überschießende Sekretion von antidiuretischem Hormon (ADH)


führt zu Wasserretention mit Verdünnungshyponatriämie
(euvolämische Hyponatriämie)
55 Synonym: SIADH, Schwartz-Bartter Syndrom
55 Ursachen:
44ZNS-Erkrankungen (z. B. Meningoenzephalitis, Trauma)
44Lungenerkrankungen (z. B. Infektionen, Beatmung)
44Medikamente (u. a. Carbamazepin, Vincristin,
Cyclophosphamid)
44paraneoplastische ADH-Produktion (maligne Tumoren z. B.
Lymphom)
44andere, z. B. stressinduziert

z Klinik
55 Schwindel, Übelkeit, Kopfschmerzen, Somnolenz, zerebraler
Krampfanfall, Koma

z Diagnostik
55 Hyponatriämie (<135 mmol/l), Hypoosmolalität im Serum
(<275 mosm/kg)
55 Urinnatrium >20 mmol/l
55 Urinosmolalität >100 mosm/kg
55 Kreatinin im Serum ↓, Harnstoff ↓, Harnsäure ↓, Cystatin C (normal)
55 Euvolämie, d. h. keine Dehydratation, keine Ödeme
332 Kapitel 11 · Tag 4: Endokrinologie

z Differenzialdiagnose
55 hypovolämische Hyponatriämie (Renin ↑), z. B.
Gastroenteritis, Diuretika, Mineralkortikoidmangel
(Nebennierenrindeninsuffizienz)
55 hypervolämische Hyponatriämie (z. B. Herzinsuffizienz, nephro-
tisches Syndrom)
55 Behandlung mit ADH-Analogon Desmopressin (Überdosierung)

z Therapie
55 Ziele: Symptomfreiheit/Normalisierung der Serumosmolarität,
Behandlung der Grundkrankheit
55 Flüssigkeitsrestriktion (60 % des Bedarfs)
55 langsame Normalisierung des Serumnatriums (Anstieg von
Natrium um maximal 0,5 mmol/l/h oder 8–12 mmol/l/24 h):
Gefahr der osmotischen Demyelinisierung!
55 Vermeidung nichtosmotischer Stimuli der ADH Sekretion
(Erbrechen, Schwindel, Schmerz)
55 falls Flüssigkeitsrestriktion erfolglos/nicht möglich: Therapie mit
V2 Rezeptor Antagonist Tolvaptan

11.4 Schilddrüsenerkrankungen

11.4.1 Angeborene Hypothyreose

11 55 meist primäre Hypothyreose, Häufigkeit 1:3.500


44durch Aplasie/Hypoplasie der Schilddrüse in 80 % (z. B. Defekt
thyreoidaler Transkriptionsfaktoren)
44seltener Störungen der Schilddrüsenhormonsynthese in
15–20 %, (z. B. Defekt der Thyreoperoxidase)
44wird im Neugeborenen TSH-Screening am 3. Lebenstag
erfasst
! Cave Neugeborenen TSH- 55 zentrale Hypothyreose durch TSH-Mangel, 1:20.000
Screening erkennt zentrale 44isoliert (z. B. TSHβ-Gendefekt) oder Hypophyseninsuffizienz
Hypothyreose nicht! Bei 55 transiente Hypothyreose durch Jodkontamination, mütterliche
Verdacht zusätzlich fT4 Thyreostatika, Jodmangel oder blockierende TSH-Rezeptor
bestimmen! Antikörper (TRAK)

z Klinik
! Cave Entwicklungsverzögerung 55 Makroglossie, heiseres Schreien, Ikterus, Nabelbruch, Muskel-
bis schwere irreversible hypotonie, Müdigkeit, offene kleine Fontanelle
psychomotorische Retardierung. 55 Kleinwuchs mit erniedrigter Wachstumsgeschwindigkeit
55 ggf. Struma (u. a. bei Thyreoperoxidasedefekt)
55 Myxödem, (Kardio-)Myopathie, Bradykardie

z Diagnostik
55 fT4 ↓, fT3 ↓, TSH ↑ (bei intakter Hypophysenfunktion)
55 Thyreoglobulin (Maß für aktives Schilddrüsengewebe)
11.4 · Schilddrüsenerkrankungen
333 11
55 bei Verdacht auf zentrale Hypothyreose: thyroxinbindendes
Globulin (TBG), Hypophysenfunktionstest
55 Schilddrüsensonographie (Anlagestörung, Struma)
55 Schilddrüsenszintigraphie (nur bei Verdacht auf Schilddrüsen
Ektopie)
55 evtl. Schilddrüsenantikörper TRAK, TPO (mütterliche Autoim-
munthyreoiditis mit transplazentarem Antikörpertransfer)
55 Knochenalter retardiert (fehlende Ossifikationskerne in Knie und
Sprunggelenk)
55 bei Verdacht auf hereditäre Ursache ggf. Gendiagnostik und fT4/
TSH bei Geburt weiterer Kinder

z Therapie
55 L-Thyroxin initial 10–15 µg/kg/d p.o., Therapiebeginn möglichst
früh nach Geburt
55 Dosisanpassung nach TSH (Ziel: niedrig normal 0,2–2,5 mU/ml)
und fT4 (Ziel: hoch normal)
55 Kontrolle von Wachstum und Entwicklung, insbesondere Sprach-
entwicklung, Hörvermögen
55 bei großer Struma ggf. operative Intervention (Resektion)
55 Voraussetzungen für normale Entwicklung bei angeborener
Hypothyreose:
44Behandlungsbeginn vor 13. Lebenstag
44LT4-Dosis 10–15 µg/kg/d
44fT4 und TSH in 2 bzw. 4 Wochen normal
44fT4-Werte hochnormal im 1.–3. Lebensjahr

11.4.2 Autoimmunthyreoiditis Hashimoto

55 chronisch lymphozytäre Autoimmunthyreoiditis (AT) mit


langsam progredientem (Monate bis Jahre) Funktionsverlust der
Schilddrüse
55 genetische Prädisposition, Manifestationsfaktor hohe
Jodidzufuhr
55 häufigste Ursache der erworbenen Hypothyreose in Europa
55 positiver Antikörpernachweis gegen Thyreoperoxidase (TPO)
und Thyreoglobulin (TAK) bei ca. 3–4 % der Schulkinder, 7 % der
Erwachsenen
55 Mädchen 3- bis 4mal häufiger betroffen als Jungen
55 mit vergrößerter (hypertrophe AT, Struma) oder verkleinerter
Schilddrüse (atrophe AT)

z Klinik
55 Beschwerden korrelieren direkt mit Schilddrüsenfunktion: initial
meist symptomlos, mit zunehmender Hypothyreose: Müdigkeit,
Gewichtszunahme, Leistungsminderung, Kälteintoleranz,
Wachstumsstörung, fehlende Pubertät
334 Kapitel 11 · Tag 4: Endokrinologie

55 bei großer Struma ggf. Globusgefühl, Stridor,


Schluckbeschwerden
55 selten initial (transiente) Hyperthyreose (<10 % der Patienten)
55 ggf. Symptome anderer Autoimmunendokrinopathien (z. B.
Kortisolmangel, Diabetes)

z Diagnostik
55 Auto-Antikörper gegen Thyreoperoxidase (TPO) und Thyreoglo-
bulin (TAK) im Serum positiv
55 Schilddrüsensonographie:
44typisches echoarmes inhomogenes Parenchym
44Volumenmessung (alters- und geschlechtsabhängige Referenz-
werte beachten)
55 fT3, fT4, TSH
55 Abgrenzung zum M. Basedow (Autoimmunhyperthyreose) durch
TSH-Rezeptor-Antikörper Status (TRAK-positiv bei M. Basedow,
negativ bei Autoimmunthyreoiditis, selten: blockierende TRAK
mit Hypothyreose)
55 Assoziation mit anderen endokrinen Autoimmunerkrankungen
häufig, daher regelmäßiges Screening (Klinik/Labor) auf u. a. M.
Addison, Typ 1 Diabetes, atrophische Gastritis

z Differenzialdiagnose
55 Jodmangel(-struma)
11 z Therapie
! Cave vor LT4-Substitution 55 L-Thyroxin (LT4) bei Hypothyreose
bei schwerer Hypothyreose 44ca. 50–150 µg/d LT4, Ziel: TSH im unteren Normbereich, fT4
Ausschluss eines hochnormal
Kortisolmangels (Gefahr der 55 bei normaler Schilddrüsenfunktion und Größe generell
Addison-Krise). keine LT4-Therapie, Antikörpernachweis per se keine
Behandlungsindikation
55 bei Hyperthyreose (selten) thyreostatische Therapie

11.4.3 M. Basedow

55 chronische T- und B-Zell-abhängige Autoimmunerkrankung der


Schilddrüse
55 häufigste Ursache der Hyperthyreose im Kindes-, und
Jugendalter
55 oft chronisch-rezidivierender Verlauf
55 Mädchen 3- bis 4-mal häufiger betroffen als Jungen
55 typischer Nachweis von TSH-Rezeptor-Antikörpern (TRAK) →
stimulierende Wirkung
55 selten Auftreten einer endokrinen Orbitopathie, wahrscheinlich
durch T-Zell-Reaktivität gegen gemeinsame Antigene in Schild-
drüse und Augenmuskulatur/Orbitagewebe (u. a. TSH-Rezeptor)
11.4 · Schilddrüsenerkrankungen
335 11
z Klinik
55 Tachykardie, innere Unruhe, Wärmeintoleranz, Gewichtsverlust,
Gedeihstörung, Herzrhythmusstörungen, seltener Diarrhö,
Nykturie, psychische Symptome
55 bei großer Struma ggf. Globusgefühl, Schluckbeschwerden
55 ggf. Symptome der endokrinen Orbitopathie: „trockenes Auge“,
Exophthalmus (häufig symmetrisch), Doppelbilder, Visusmin-
derung (Notfall!)
55 selten infiltrative Dermopathie (v. a. prätibial)

z Diagnostik
55 TSH basal ↓ ist sensitiver Parameter zum Nachweis der
Hyperthyreose
55 fT4 und fT3 ↑, TRAK im Serum positiv
55 Schilddrüsensonographie: echoarmes, inhomogenes Parenchym;
Volumen oft vergrößert; Perfusion im Doppler verstärkt
55 ophthalmologische Untersuchung, bei endokriner Orbitopathie
evtl. Orbita-MRT

z Therapie
55 Thyreostatika: z. B. Carbimazol, initial 0,5 mg/kg/d in 2–3 Dosen, ! Cave möglichst niedrige
dann 0,25 mg/kg/d über 24 Monate, Dosisreduktion je nach fT4 Erhaltungsdosis, da
und fT3 Nebenwirkungen dosisabhängig.
44TSH auch unter thyreostatischer Therapie supprimiert → nicht
geeignet zur Dosisanpassung
44mögliche Nebenwirkungen beachten (v. a. Blutbild, Leber-
werte, Hautveränderungen)
55 nach Erreichen der Euthyreose zusätzlich niedrig dosiert
L-Thyroxin (Ausschalten der strumigenen Wirkung bei TSH-An-
stieg trotz Reduktion der thyreostatischen Dosis)
55 symptomatisch ggf. β-Blocker (z. B. Propranolol)
55 Nikotinkarenz! (signifikanter Risikofaktor für Manifestation
einer Endokrinen Orbitopathie)
55 Operationsindikation: Thyreoidektomie bei wiederholten
Rezidiven, großer Struma/Progression, Tumorverdacht,
Thyreostatikaintoleranz
55 alternativ zur langfristigen thyreostatischen Therapie: ablative
Radiojodtherapie bei Jugendlichen ≥14–16 Jahren
55 Behandlung der endokrinen Orbitopathie interdisziplinär in
spezialisierten Zentren

11.4.4 Schilddrüsentumoren

55 Schilddrüsenknoten durch regressive Veränderungen (z. B. von ! Cave isolierter


Zysten) oder Neoplasien Schilddrüsenknoten → potenziell
55 Schilddrüsenkarzinom: papillär (85 %), follikulär (10 %), maligne → sorgfältig abklären.
medullär (C-Zell-Karzinom, familiär, 5 %)
336 Kapitel 11 · Tag 4: Endokrinologie

55 Risikofaktoren: ionisierende Strahlung, Radioaktivität, genetische


Faktoren (C-Zell-Karzinom)

z Klinik
55 asymmetrische symptomlose Schilddrüsenvergrößerung
55 Knoten von harter/derber Konsistenz, schmerzlos, nicht
verschieblich, rasches Wachstum → malignitätsverdächtig
55 bei Schilddrüsenkarzinom in 50 % bei Erstvorstellung Metastasen
(regionale Lymphknotenvergrößerung, Lunge)

z Diagnostik
55 fT4, fT3, TSH (normal)
55 Kalzitonin ↑ bei medullärem Karzinom
55 Schilddrüsensonographie: meist echoarme, unregelmäßig
begrenzte Areale mit verstärkter Perfusion
55 Schilddrüsenszintigraphie mit 99m Tc-Pertechnetat: Nachweis
hypofunktioneller „kalter“ Knoten
55 Feinnadelbiopsie bei sonographisch echoarmen und szintigra-
phisch kalten Knoten
55 bei familiärem C-Zell-Karzinom: molekulargenetische
Analyse des RET-Protoonkogens, bei positivem Mutations-
nachweis ist genetisches Screening von erstgradig Verwandten
obligat
55 Thyreoglobulin (dient als Tumormarker nach Therapie von
11 papillären/follikulären Karzinomen)
55 im Rahmen von Staging und Nachsorge MRT Halsregion,
CT-Thorax
55 Skelettszintigraphie, evtl. 18F-FDG-PET/CT oder -/MRT (bei
Verdacht auf ossäre Metastasierung)
55 Ganzkörperszintigraphie mit 131J zum Staging nach Thyreoid-
ektomie eines papillären/follikulären Karzinoms sowie nach
Radiojodtherapie (lymphogene und pulmonale Metastasensuche)

z Therapie
55 Schilddrüsenknoten: Indikation zur Operation ist
Malignitätsverdacht
55 bei Karzinom: totale Thyreoidektomie mit zervikaler Lymph-
knotendissektion, anschließende (2–3 Wochen postoperativ)
­Radiojodtherapie mit 131J (bei papillären/follikulären
Karzinomen)
55 L-Thyroxin-Substitution, Ziel: TSH-Suppression
(≤0,1 mU/l)
55 Lebenserwartung von Kindern mit komplett entferntem papil-
lärem Karzinom nicht reduziert
55 bei multipler endokriner Neoplasie (MEN-2-Syndrom) bzw.
nachgewiesener RET-Mutation: prophylaktische Thyreoid-
ektomie, regelmäßige Untersuchung auf Phäochromozytom und
primären Hyperparathyreoidismus
11.5 · Erkrankungen des Kalzium-Phosphat-Stoffwechsels
337 11
11.5 Erkrankungen des Kalzium-Phosphat-
Stoffwechsels

11.5.1 Hypoparathyreoidismus

55 Unterfunktion der Nebenschilddrüse mit verminderter Parat-


hormon (PTH)-Sekretion
55 Ursachen:
44selten primär (Nebenschilddrüsenaplasie, Mutation im
PTH-Gen, autosomal-dominant erbliche hyperkalziu-
rische Hypokalzämie infolge aktivierender Mutation im
Kalziumrezeptor-Gen)
44häufiger durch Hypomagnesiämie (funktioneller
Hypoparathyreoidismus)
44transitorisch bei Früh- und Neugeborenen
44postoperativ nach Schilddrüsenoperation
44syndromatisch kombiniert mit z. B. DiGeor-
ge-Syndrom ­(Mikrodeletionssyndrom 22q11.2),
Autoimmunpolyendokrinopathie

z Klinik
55 Hypokalzämie mit Pfötchenstellung, Tetanie, Parästhesien,
Krampfanfällen
55 paradoxe Verkalkungen in Augenlinse, Stammganglien,
psychomotorische Retardierung (chronische Verläufe)
55 Reizbarkeit, psychische Auffälligkeiten

z Diagnostik
55 Hypokalzämie: Gesamtkalzium (Serum) <2,1 mmol/l und Parat-
hormon (Serum) ↓
55 Hyperphosphatämie (Serumphosphat bei Säuglingen
>2,6 mmol/l, ältere Kinder >1,9 mmol/l)
55 Magnesium (Serum) (Ausschluss Hypomagnesiämie)
55 Kalzium und Phosphat (Urin)
55 Nierensonographie, kraniales CT
55 Differenzierung isolierter von syndromatischen Formen: u. a.
Echokardiographie, ACTH-Test

z Differenzialdiagnose
55 Pseudohypoparathyreoidismus: fehlende Wirkung von erhöhtem
Parathormon
55 hereditäre Albright-Osteodystrophie (sehr selten) mit Klein-
wuchs, Adipositas, geistiger Retardierung, Brachydaktylie (→
Röntgen Hand/Fuss) und Pseudohypoparathyreoidismus

z Therapie
55 akut bei Tetanie, Krampfanfall: 10 %-ige Kalziumglukonatlösung
1–2 ml/kg langsam i.v.
338 Kapitel 11 · Tag 4: Endokrinologie

55 Dauertherapie :
44Kalzium 0,5–1 g p.o.
44Vitamin D3 50 µg/kg/d oder Kalzitriol 15–30 ng/kg/d
! Cave Hyperkalzämie,-kalziurie. (Rocaltrol®, besser steuerbar)
–– Therapieziel: Serumkalzium unterster Normbereich
! Cave bei Immobilisierung –– Kalzium im Urin soll <0,1 mmol/kg/d bzw. <0,7 mmol
Vitamin D3/Kalzitriol reduzieren Kalzium/mmol Kreatinin sein
→ Gefahr der Hyperkalzämie, –– bei Hyperkalziurie: Hydrochlorothiazid 1–2 mg/kg/d,
-kalziurie! natriumarme/kaliumreiche Kost

11.5.2 Hyperparathyreoidismus

55 primärer Hyperparathyreoidismus (pHPT): Adenom, Hyper-


plasie oder bei multipler endokriner Neoplasie (MEN)
44im Kindesalter sehr selten
44in ca. 50 % der Fälle familiäre Ursache mit autosomal-domi-
nanter Vererbung: bei Neugeborenen inaktivierende Mutation
im Kalziumrezeptor Gen (CaSR) mit hypokalziurischer
Hyperkalzämie, bei älteren Kindern MEN (MEN1→MENIN
Gen, MEN2A→RET Gen) oder andere
55 sekundärer HPT (sHPT): bei kalzipenischer Rachitis, Nieren-
insuffizienz, Pseudohypoparathyreoidismus

z Klinik
11 55 Neugeborene: Muskelhypotonie, Erbrechen, Lethargie, Irritabi-
lität, Gedeihstörung
55 ältere Kinder: unspezifische gastrointestinale, renale, muskulo-
skelettale, neurologische Symptome, bei Diagnose in 80 %
Endorganschäden
55 bei pHPT:
44Hyperkalzämie mit Übelkeit, Erbrechen, Anorexie, Blutdruck
↑, Müdigkeit, psychische Veränderung
44Hyperkalziurie: Polyurie, Polydipsie, Nephrolithiasis,
Nephrokalzinose
44Knochenschmerzen, subperiostale Defekte (PTH-Wirkung
am Skelett)
44MEN1: kombiniert mit Hypophysenadenom, neuroendo-
kriner Pankreastumor, Angiofibrom, Nebennierenadenom
44MEN2A: kombiniert mit medullärem Schilddrüsenkarzinom,
Phäochromozytom
55 bei sHPT: Zeichen der Grunderkrankung, ggf. milde
Hypokalzämie

z Diagnostik
55 Gesamtkalzium (Serum) ↑ >2,6 mmol/l, Hyperkalziurie
55 Phosphat (Serum) ↓
55 Parathormon (Serum) ↑ (>6 pmol/l)
11.5 · Erkrankungen des Kalzium-Phosphat-Stoffwechsels
339 11
55 25-Hydroxyvitamin D (Serum)
55 Kreatinin (Serum und Urin)
55 Nierensonographie (Nephrokalzinose)
55 Nebenschilddrüsensonographie, ggf. (99mTc-Sestamibi-)
Szintigraphie
55 ggf. molekulargenetische Diagnostik (z. B. CaSR- oder
MENIN-Gen)

z Therapie
55 bei pHPT:
44chirurgische Exploration: Entfernung eines Adenoms, bei
Hyperplasie aller 4 Nebenschilddrüsen → totale Parathyreoid-
ektomie mit Autotransplantation von Nebenschilddrüsen-
gewebe in Muskulatur z. B. in M. sternocleidomastoideus oder
M. brachioradialis
55 bei asymptomatischem pHPT (Serumkalzium <2,95 mmol/l,
normale Kreatininclearance)
44ggf. konservatives Vorgehen möglich, d. h. ausreichende
Flüssigkeitszufuhr und regelmäßige Kontrollen
44medikamentöse Therapie der Hyperkalzämie mit Bisphos-
phonaten (z. B. Pamidronat 0,5–3 mg/kg) oder Kalzimimetika
(z. B. Cinacalcet, hemmt Parathormon-Sekretion durch
CaSR-Stimulation) möglich
55 bei sHPT: Therapie der Grunderkrankung

11.5.3 Rachitis

55 gestörte Mineralisierung und Struktur der Wachstumsfuge


infolge vermindertem Kalzium- oder Phosphatangebot; dank
Vitamin D-Prophylaxe heute seltener
44Kalziummangel durch verminderte Vitamin D-Synthese/-
Wirkung, geringe Kalziumzufuhr
44Phosphatmangel durch gestörte tubuläre Rückresorption, zu
geringe Phosphatzufuhr
55 Ursachen des Vitamin D-Mangels
44eingeschränkte Vitamin D-Synthese in der Haut (niedrige
Sonneneinstrahlung)
44unzureichende Zufuhr (Nahrung) oder Malabsorption
44Antikonvulsiva
44chronische Niereninsuffizienz, Leber- und
Gallenwegserkrankungen
44hereditäre autosomal-rezessive Vitamin D-Synthesestörung > Memo Risikogruppen sind
(VDAR I) oder Endorganresistenz (VDARII) Säuglinge und Adoleszenten
55 Phosphatdiabetes (familiäre hypophosphatämische Rachitis): ohne Vitamin D-Prophylaxe,
X-chromosomal erbliche Störung der tubulären Phosphatrück- Vegetarier, Migranten aus Asien/
resorption und der Vitamin D-Stoffwechselregulation (Mutation Afrika (Ernährungsgewohnheiten,
im PHEX-Gen) dunkles Hautpiment, Bekleidung).
340 Kapitel 11 · Tag 4: Endokrinologie

z Klinik
55 typisches Manifestationsalter: 1. und 2. Lebensjahr, Pubertät
(hohe Wachstumsrate)
55 Tetanie, Krampfanfall infolge Hypokalzämie
55 Skelettveränderungen: Verdickung von Hand- und Fußgelenken
(Verdoppelung der Malleoli), Kraniotabes, rachitischer Rosen-
kranz (Auftreibung der Knorpel-Knochen-Grenze an vorderen
Rippenenden), Genua valga oder vara
55 Myopathie (Bewegungsarmut, Muskelhypotonie), motorische
Entwicklungsverzögerung
55 Wachstumsverzögerung
55 Infektneigung
55 Zahnschmelzdefekte, Zahnabszesse

z Diagnostik
55 Anamnese: Sonnenlichtexposition, Ernährung, Vitamin D-Pro-
phylaxe, familiäre Formen
55 Kalzium (Serum) (niedrig normal)
55 Phosphat (Serum) ↓ (erniedrigte tubuläre
Phosphatrückresorption)
55 Kalzium und Phosphat im Urin
55 Parathormon (Serum) ↑ (sekundärer Hyperparathyreoidismus)
55 Alkalische Phosphatase (Serum) ↑ (gesteigerter
Knochenumsatz)
55 25-OH Vitamin D und 1,25(OH)2 Vitamin D (Serum) ↓
11 55 Kreatinin (Serum und Urin)
55 Röntgen linke Hand: Auftreibung und Becherung der metaphy-
sären Wachstumsfugen, weitere radiolog. Veränderungen:
Grünholzfrakturen, Auftreibungen der vorderen Rippenenden

z Therapie
55 Vitamin D-Mangel-Rachitis : Vitamin D3 per os, Säuglinge
<12 Monate 2.000 IE/d, Kleinkinder und Jugendliche 3.000–
6.000 IE/d, zusätzlich Kalzium 0,5 g/d per os, Behandlung über
mindestens 3 Monate, anschließend Substitution von Vitamin D3
mit 400–600 IE/d
44Normalisierung der Serumspiegel von Kalzium, Phosphat,
Parathormon in 1–2 Wochen
44alkalische Phosphatase im Serum kann unter Therapie noch
ansteigen, normalisiert sich nach Wochen/Monaten
44Rückbildung der (radiologischen) Skelettveränderungen
innerhalb von Wochen/Monaten
55 Phosphatdiabetes:
44Phosphat 10–40 mg/kg/d in 4–6 Dosen oral und
44Kalzitriol (1,25(OH)2D3) initial 15–20 ng/kg/d p.o. in 2 Dosen,
bei Hyperkalziurie Dosis ↓
44Mitbetreuung durch Kinderorthopäden, da häufig progre-
diente Knochendeformierungen
11.6 · Erkrankungen der Nebenniere
341 11
11.6 Erkrankungen der Nebenniere

11.6.1 Adrenogenitales Syndrom

55 kongenitaler autosomal-rezessiv erblicher Defekt der


Nebennieren-Steroidbiosynthese
55 Ursachen: in >90 % inaktivierende Mutation des 21-Hydroxyla-
se-Gens, seltener andere Defekte z. B. der 11-Hydroxylase oder
3-β-Hydroxysteroiddehydrogenase
55 21-Hydroxylasedefekt verursacht Glukokortikoid- und
Mineralkortikoid-Mangel → ACTH Anstieg stimuliert intakte
Androgensynthese aus akkumuliertem 17-OH-Progesteron vor
Enzymblock
55 Formen (infolge unterschiedlich ausgeprägtem
21-Hydroxylasemangel):
44klassisches AGS mit Salzverlust (häufigste Form, kompletter
21-Hydroxylasedefekt)
44einfach virilisierendes AGS, klassisches AGS ohne Salzverlust
(partieller Enzymdefekt) > Memo kompletter
44nicht-klassisches AGS (sehr milder 21-Hydroxylasemangel) 21-Hydroxylasedefekt →
55 Prävalenz klassisches AGS 1:12.000, wird im Neugeborenen- Kortisol-, Aldosteronmangel und
Screening am 3. Lebenstag untersucht Androgenexzess!

z Klinik
55 klinische Ausprägung stark abhängig vom Genotyp (korreliert
mit residueller Enzymaktivität)
55 Trinkschwäche, Erbrechen, Gedeihstörung, Salzverlustkrise
und Hypoglykämie in 2.–4. Lebenswoche
(lebensbedrohlich!)
55 Virilisierung weiblicher Patienten: Klitorishypertrophie, Fusion
der Labien, gemeinsame Öffnung von Vagina und Urethra
(Uterus, Vagina, Tuben, Ovarien normal angelegt)
55 Pseudopubertas praecox mit Großwuchs als Kind
55 Kleinwuchs als Erwachsener (durch frühen Epiphysenschluss)
55 nicht-klassische Form: prämature Adrenarche, Zyklusstörung,
Hirsutismus, Akne, Infertilität

z Diagnostik
55 17 OH-Progesteron (↑ bei 21-Hydroxylasemangel) → Neugeborenen­
Screening 3. Lebenstag
55 Testosteron ↑, Androstendion ↑, DHEA-S ↑ (Androgenexzess)
55 Kortisol ↓, Blutzucker ↓, ACTH ↑ (Kortisolmangel)
55 Natrium ↓, Kalium ↑, Renin ↑ (Mineralkortikoidmangel)
55 Röntgen linke Hand: Knochenalter akzeleriert
55 Steroidanalyse im Urin (Standard zum Nachweis des spezifischen
Steroidsynthesedefektes)
55 Molekulargenetik (21-Hydroxylase-Gen) zur Diagnosesicherung
und Pränataldiagnostik
342 Kapitel 11 · Tag 4: Endokrinologie

z Therapie
55 Ziele: Verhinderung adrenaler Krisen, normales Wachstum und
Gewichtsentwicklung, Vermeidung einer Virilisierung, normale
Pubertät, Sexualfunktion, Fertilität
! Cave Hydrocortison-Therapie 55 Dauertherapie: Hydrokortison 10–15 mg/m2/d p.o., 50 %
niemals unterbrechen! morgens, je 25 % mittags und abends
44bei Salzverlust: Fludrocortison 25–300 µg/d p.o., NaCl
! Cave in Krisensituation (Fieber, 0,5–1 g/d p.o. bei Säuglingen
Operation, schwere Erkrankung) 44Notfallausweis und wiederholte genaue
3- bis 8-fache Dosis, ggf. Patienteninformation
parenteral. 55 operative Korrektur des virilisierten weiblichen Genitales
(restriktive Indikation, interdisziplinäre Beratung Betroffener)
55 Risiko von adrenalen und gonadalen Tumoren erhöht (v. a. bei
unzureichender Substitution) → regelmäßige sonographische
Kontrolle
55 bei AGS Wiederholungsrisiko: in erneuter Schwangerschaft
(experimentelle) Therapie mit Dexamethason (20 µg/kg/d) in
5. SSW beginnen, Koordination und Dokumentation durch
Studienzentrum, nur bei pränatalem Nachweis von AGS bei
weiblichem Fetus Fortsetzung der Therapie bis zur Geburt
(verhindert Virilisierung)

11.6.2 Nebennierenrindeninsuffizienz

11 55 Glukokortikoid (Kortisol)- und Mineralokortikoid


(Aldosteron)-Mangel durch Ausfall der Nebennierenrinden
(NNR)-Funktion
55 primäre NNR-Insuffizienz (Morbus Addison): ACTH ↑
44meist kongenitale Störung der Steroidhormonbio-
synthese (Enzymdefekt bei AGS), NNR-Hypoplasie
(X-chromosomal erbliche DAX-1 Gen Mutation), seltener
Adrenoleukodystrophie, ACTH-Resistenz (familiärer
Glukokortikoidmangel)
44Autoimmunadrenalitis, isoliert oder im Rahmen eines
autoimmunen polyendokrinen Syndroms (APS):
–– APS Typ 1: M. Addison und Hypoparathyreoidismus,
mukokutane Candidiasis, andere
–– APS Typ 2: M. Addison und (fakultativ) Hashimoto-Thy-
reoiditis, Typ 1 Diabetes, Ovarialinsuffizienz, Vitiligo oder
andere
44NNR-Infektionen (Tbc, CMV)
44NNR-Einblutung (perinatal, Waterhouse-Friedrichsen-
Syndrom bei Sepsis)
55 sekundäre/tertiäre NNR-Insuffizienz infolge fehlender Stimu-
lation durch Hypophyse/Hypothalamus: ACTH ↓
44bei Hypophysenvorderlappeninsuffizienz
11.6 · Erkrankungen der Nebenniere
343 11
44häufig iatrogen nach abruptem Ende einer langdauernden
Steroidtherapie

z Klinik
55 Neugeborene und Säuglinge akut: Hypoglykämie, Dehydratation,
Erbrechen, Gedeihstörung, Cholestase, lebensbedrohliche
Salzverlustkrise
55 Symptome bei langsam progressivem Verlauf: Schwäche,
Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Gewichtsabnahme, Leistungsabfall
55 Hyperpigmentierung (auch an „sonnenfernen“ Stellen)
55 arterielle Hypotension
55 Übelkeit, Erbrechen, Durchfall
55 akute NNR-Insuffizienz bei Manifestation oder als Komplikation
(„Addison-Krise“): Kreislaufinsuffizienz, Vigilanzstörung bis
zum Koma, Erbrechen, schwere Elektrolytstörungen (Na ↓, K ↑),
Hypoglykämie
55 evtl. Symptome von assoziierten Erkrankungen (z. B. bei
Autoimmunpolyendokrinopathie)

z Diagnostik
55 Kalium ↑, Natrium ↓ ! Cave Akutbehandlung darf
55 ACTH ↑, Kortisol (Serum/24-h-Urin) ↓ nicht durch Diagnostik verzögert
55 Aldosteron im Serum ↓, Plasma Renin ↑ werden!
55 ggf. ACTH Kurztest (weist unzureichenden Kortisolanstieg nach)
55 ggf. NNR-Autoantikörper
55 bei Autoimmun-Addison: andere endokrine Störungen
ausschließen
55 Ursachendiagnostik je nach klinischem Verdacht

z Therapie
55 Akuttherapie (bei Manifestation oder „Addison-Krise“): ! Cave bei schwerer
44initial Hydrokortison 100–200 mg/m2 i.v. (alternativ: Predni- Allgemeinerkrankung, Infektion,
solon 25–50 mg/m2 i.v.) Operationen etc.: gesteigerter
44dann Hydrokortison 100–200 mg/m2/24 h i.v. bis zur Kortisolbedarf → 3- bis 8-fache
Überwindung der Krise Hydrocortisondosis erforderlich,
44Volumensubstitution mit NaCl 0,9 % oder NaCl 0,9 % und ggf. i.v. Gabe (bei Erbrechen,
10 %-ige Glukose 1:1 Diarrhö).
44Intensivtherapie und Monitoring (nach Klinik)
55 chronische NNR-Insuffizienz → lebensbegleitende
Substitutionstherapie:
44Hydrocortison 10 mg/m2/d p.o., 50 % morgens, je 25 % mittags
und abends
44Fludrocortison 25–300 µg/Tag p.o. (Dosisanpassung nach
Blutdruck, Natrium, Renin)
55 Notfallausweis, ausführliche Patienteninformation (Verhalten
in Krisensituationen, Reisen, Notfallmedikation für i.m. Gluko-
kortikoid oder Suppositorien)
344 Kapitel 11 · Tag 4: Endokrinologie

11.6.3 Hyperkortisolismus (Cushing-Syndrom)

55 im Kindesalter häufig iatrogen bei Langzeittherapie mit hochdo-


sierter Glukokortikoid- oder ACTH Therapie
55 häufigste endogene Ursache ist übermäßige Produktion von
Kortisol durch Nebennierenadenome/-karzinome oder seltener
ACTH-produzierendes Hypophysenadenom (M. Cushing), sehr
selten hypothalamische Störung oder ektope, paraneoplastische
ACTH-Produktion

z Klinik
> Memo Wachstumshemmung 55 zentrale Adipositas mit rundem Gesicht („Vollmond“) und
und starke Gewichtszunahme Nackenpolster
→ Verdacht auf 55 Wachstumshemmung!
Hyperkortisolismus. 55 Akne und Follikulitis, rötliche Striae, in ausgeprägten Fällen
dünne, leicht verletzliche Haut mit Neigung zu Hämatomen, bei
Mädchen: Hirsutismus, Zyklusstörungen
55 arterielle Hypertonie (durch Natrium- und Flüssigkeitsretention)
55 gestörte Glukosetoleranz (sekundärer Diabetes mellitus)
55 Muskelschwäche, psychische Veränderungen (u. a. Euphorie,
Depression, Psychose)

z Diagnostik
> Memo: endokrinologische 55 bei klinischem Verdacht:
11 Funktionsdiagnostik vor
Bildgebung!
44Screening mit Dexamethason-Suppressionstest (Kurztest:
1 × 1,5 mg/m2 p.o. um 23.00 Uhr) → normal: Kortisol <3 µg/dl
am nächsten Morgen um 8.00 Uhr
! Cave: bei M. Cushing oft 44alternativ: freies Kortisol im 24-h-Sammelurin
NNR Hyperplasie, keine 55 Einzelmessung von Serumkortisol diagnostisch unzureichend
NNR Operation aufgrund (Ausnahme: Messung um 24 Uhr, Spiegel physiologisch <3 µg/dl),
des CT-morphologischen Kortisoltagesprofil (aufgehobene Nachtsenke)
Befundes ohne vorherige 55 ACTH im Serum:
Funktionsdiagnostik. 44falls ACTH ↑: MRT Hypophyse und andere
Hypophysenfunktionstests
44wenn ACTH normal/niedrig: Nebennieren/Abdomen MRT
oder CT
44selektive Venenblutentnahme („Stufenkatheter“) mit ACTH
Bestimmung zur Tumorlokalisation selten indiziert (z. B.
Sinus-petrosus-Katheter)

z Therapie
55 chirurgische Entfernung eines adrenalen Tumors
55 bei unvollständiger Entfernung eines NNR-Karzinoms Chemo-
therapie gemäß GPOH-MET Protokoll
55 neurochirurgische Resektion des Hypophysenadenoms
(Standardzugang: transnasal-transsphenoidal), selten Radiatio
55 postoperativ Hydrocortison Substitution
(Steroidentzugssyndrom)
11.6 · Erkrankungen der Nebenniere
345 11
55 Diagnostik und ggf. Therapie einer Hypophyseninsuffizienz
55 regelmäßiges neurochirurgisches/endokrinologisches
Follow-up
55 ggf. Behandlung der Folgeerkrankungen (arterielle Hypertonie,
Diabetes)

11.6.4 Aldosteronsynthesestörungen

Isolierter Hypoaldosteronismus
55 Seltener, autosomal-rezessiv erblicher Defekt der Aldosteronsyn-
thetase → Mineralkortikoidmangel

z Klinik
55 je nach Ausmaß des Enzymdefektes: schwere
Salzverlustkrise bei Neugeborenen oder Gedeihstörung im
Kleinkindalter

z Diagnostik
55 Natrium ↓, Kalium ↑, metabolische Azidose (Salzverlust)
55 Renin (Plasma) ↑
55 Aldosteron (Serum) ↓
55 18-Hydroxykortikosteron (Serum) ↑

z Therapie
55 Fludrocortison (Astonin H® oder Florinef ®) 50–300 µg/m2/d p.o.
und NaCl-Substitution 0,5–1 g/d p.o.
55 mit zunehmendem Alter spontane Besserung der
Salzverlustsymptomatik

Primärer Hyperaldosteronismus
55 erhöhte Aldosteronproduktion, im Kindesalter sehr selten
55 Ursachen: Nebennierenrindenadenom, bilaterale adrenokortikale
Hyperplasie oder Glukokortioid-supprimierbarer Hyperaldoste-
ronismus (ACTH-abhängig), sehr selten autonome Aldosteron-
produktion (Conn-Syndrom)

z Klinik
55 arterieller Hypertonus
55 Polyurie/Polydipsie
55 Myopathie

z Diagnostik
55 Natrium ↑, Kalium ↓, metabolische Alkalose
55 Renin (Plasma) ↓
55 Aldosteron (Serum) ↑
346 Kapitel 11 · Tag 4: Endokrinologie

z Differenzialdiagnose
55 sekundärer Hyperaldosteronismus, „high-renin hypertension“,
z. B. renovaskuläre Fehlbildung
55 renaltubuläre Ionenkanal-/Transporter-Erkrankung (z. B.
Bartter-Syndrom)
55 AGS mit 11β-Hydroxylasedefekt und konsekutiv vermehrter
Desoxykortikosteronbildung
55 Cushing-Syndrom
55 Pseudohyperaldosteronismus: Klinik wie bei Mineralkorti-
koidexzess, aber Aldosteron ↓ und Renin ↓, bei Defekt der
11β-Hydroxysteroiddehydrogenase oder Lakritzabusus

z Therapie
55 chirurgisch: Entfernung aldosteronproduzierender Adenome der
Nebennierenrinde
55 bei Glukokortikoid-supprimierbarem Hyperaldosteronismus:
ACTH-suppressive Gabe von Glukokortikoiden

11.6.5 Phäochromozytom und Paragangliom

55 Tumore neuroektodermalen Ursprungs, meist hormonell aktiv


mit Katecholamin Produktion, in ca. 10 % maligne
55 Lokalisation Nebennierenmark (Phäochromozytom, ca. 70 %)
11 oder extraadrenal (sympathische Ganglien, Paragangliom,
ca. 30 %), in 20–40 % bilaterale adrenale Tumore, multifokale
Tumore bei hereditären Formen
55 Sekretion von Adrenalin, Noradrenalin, Dopamin führen zu
typischen Symptomen und arterieller Hypertonie
55 ca. 50 % der Phäochromozytome/Paragangliome entstehen im
Rahmen eines autosomal-dominanten genetischen Tumorsyn-
droms (multiple endokrine Neoplasie (MEN) 2, von-Hippel-Lindau
(vHL)-Syndrom, Neurofibromatose, familiäre Paragangliome)

z Klinik
55 arterielle Hypertonie (dauerhaft oder anfallsweise („Krise“))
55 anfallsweise Kopfschmerzen, Schwitzen, Tachykardie, Herzklopfen,
Nervosität, Übelkeit, Schwäche, Blässe, Zittern, Angst
55 bei konstanter Katecholaminausschüttung oft keine typischen
krisenartigen Symptome
55 lokale Beschwerden durch Tumormasse

z Diagnostik
! Cave diagnostische Punktion 55 Metanephrine (direkte Katecholaminmetabolite) im angesäu-
von Nebennierentumoren erten 24 h Urin und Plasma ↑ (wiederholte Untersuchung,
erst nach Ausschluss eines altersabhängige Normwerte beachten)
Phäochromozytoms (Gefahr der 55 Chromogranin A im Plasma (Tumormarker, auch bei hormonell
hypertensiven Krise!) inaktiven Tumoren)
11.7 · Diabetes mellitus
347 11
55 Lokalisationsdiagnostik durch Sonographie, CT oder MRT, ggf.
Szintigraphie/SPECT mit 123J-MIBG (Metajodbenzylguanidin)
oder 18F DOPA-PET/CT
55 Molekulargenetische Untersuchung nach klinischer Priori-
sierung (z. B. VHL-Gen bei Phäochromozytom, SDHD-Gen bei
Paragangliom)

z Therapie
55 medikamentöse präoperative Blutdruckeinstellung mit α-Rezept-
or-Blocker (Phenoxybenzamin)
55 dann chirurgische Resektion des Tumors (laparaskopisch) en
bloc, besonderes intraoperatives Management erforderlich
55 postoperativ nach Adrenalektomie: Hydrocortison Substitution
bzw. Diagnostik der Nebennierenrindeninsuffizienz ! Cave: Hypotension und
Hypoglykämie infolge
Glukokortikoidmangel.
11.7 Diabetes mellitus

55 Gruppe chronischer Störungen des Glukosemetabolismus mit:


44Hyperglykämie
44erhöhtem Risiko für Akutkomplikationen (Ketoazidose,
Hypoglykämie als Therapiefolge)
44erhöhtem Risiko für mikro- und makrovaskuläre
Spätkomplikationen
55 zur Diagnosesicherung Glukosebestimmung im Plasma mit
Referenzmethode notwendig (nicht mit Blutzuckerteststreifen)
. Tabelle 11.3
55 weitere Diagnosekriterien des Diabetes mellitus:
44klassische Symptome (Polyurie, Polydipsie,
Gewichtsabnahme) und ein Gelegenheitsblutzucker
≥200 mg/dl oder

. Tab. 11.3  Diagnostische Kriterien des Diabetes und Prädiabetes

Nüchternglukose 2-h-Glukosewert
(mg/dlc) (mg/dlc) im OGTT*

Normal <100 <140


Prädiabetes (IFGa) 100–125 –
Prädiabetes (IGTb) – 140–199
Diabetes >125 ≥200

*oraler Glukose Toleranztest


aIFG: impaired fasting glucose
bIGT: impaired glucose tolerance
cUmrechnungsfaktor von mg/dl in mmol/l: 0,055
348 Kapitel 11 · Tag 4: Endokrinologie

. Tab. 11.4  Korrelation zwischen HbA1c und geschätztem mittleren Blutzucker (ADAG-Formel)

HbA1c (%) 5,0 6,0 7,0 8,0 9,0 10,0


BZ (mg/dl) 97 126 154 183 212 240

Berechnung des mittleren Blutzucker (BZ) Wertes aus dem HbA1c: BZ (mg/dl) = 28.7 × HbA1c – 46.7

44wiederholte Bestätigung eines Gelegenheitsblutzuckers


≥200 mg/dl oder
44HbA1c ≥6,5 %
. Tabelle 11.4
55 Klassifikation des Diabetes mellitus nach American Diabetes
Association/Deutsche Diabetes Gesellschaft (ADA/DDG):
44Typ 1 Diabetes mit absolutem Insulinmangel (immunologisch
bedingt oder idiopathisch)
44Typ 2 Diabetes mit relativem Insulinmangel infolge Insulin-
resistenz und gestörter -sekretion
44andere Diabetesformen:
–– genetische Defekte der Betazell-Funktion : z. B. MODY
„maturity onset diabetes of the young“
–– genetischer Defekt der Insulinwirkung
–– Krankheiten des exokrinen Pankreas z. B. Mukoviszidose
–– Endokrinopathien z. B. Hyperkortisolismus, Akromegalie,
11 Hyperthyreose
–– Medikamentös z. B. Glukokortikoide
–– Infektionen z. B. Zytomegalievirus, kongenitale
Rötelninfektion
–– seltene immunvermittelte Formen
–– genetische Syndrome mit Diabetes z. B. M. Down-, Turner-,
Klinefelter-Syndrom
44Gestationsdiabetes (ca. 3 % aller Schwangeren)

11.7.1 Typ 1 Diabetes

55 häufigste Stoffwechselerkrankung im Kindes- und Jugendalter


55 betrifft ca.30.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland, ca.
3.000 Neuerkrankungen/Jahr
55 in >90 % Ursache des Diabetes mellitus im Kindes- und Jugendalter
55 Inzidenzanstieg um 3–5 % pro Jahr betrifft insbesondere jüngere
Altersgruppen
55 T-Zell-abhängige Autoimmunerkrankung mit genetischer
Prädisposition (HLA-DR3, HLA-DR4) führt zu chronischer
Zerstörung der pankreatischen β-Zellen mit:
44absolutem Insulinmangel → gesteigerte Lipolyse, Ketogenese
und metabolische Azidose
11.7 · Diabetes mellitus
349 11
44Ketoazidose ist vital bedrohliche Akutkomplikation, ausgelöst
durch schweren Insulinmangel (bei Manifestation, fehlender
Insulinzufuhr z. B. Therapiefehler, Infekt, Trauma/Stress mit
Insulinresistenz, erhöhtem Insulinbedarf)
44gemeinsames Vorkommen mit anderen Autoimmunerkran-
kungen (Thyreoiditis, Zöliakie)
55 sehr selten nicht-immunologisch bedingter Typ 1 Diabetes (z. B.
durch Insulin Genmutation)

z Klinik
55 Polyurie und Polydipsie, Exsikkose ! Cave Eine diabetische
55 akutes, schweres Krankheitsgefühl mit Schwäche, Müdigkeit, Ketoazidose kann sich bei Kindern
Apathie, Gewichtsabnahme innerhalb kurzer Zeit entwickeln!
55 zunehmende Bewusstseinsstörung bis zum Koma
55 Erbrechen, abdominelle Schmerzen (Pseudoperitonitis bei
Ketoazidose)
55 vertiefte (Kussmaul-) Atmung, Azetonfötor

z Diagnostik
55 bei Manifestation:
44Hyperglykämie (Blutzucker meist zwischen 250 und >500 mg/
dl), HbA1c ↑↑
44Ketoazidose pH <7,3, Bikarbonat <15 mmol/l
44Keton im Urin +++, β-Hydroxybutyrat >3 mmol/l im Plasma
44positive Insel-Autoantikörper (GADA, IA2A, ICA, IAA)
44C-Peptid niedrig
55 regelmäßige Kontrolluntersuchungen im Behandlungsverlauf:
44HbA1c vierteljährlich kontrollieren (zur Beurteilung der
Stoffwechseleinstellung)
44Urin: quantitative Albuminausscheidung mindestens 1-mal
jährlich, Serumkreatinin
44augenärztliche Untersuchung (Funduskopie in Mydriasis)
bezüglich Retinopathie 1-mal jährlich
44Pulsstatus, neurologischer Status, Fußinspektion mindestens
1-mal jährlich
44Blutdruck vierteljährlich kontrollieren, ggf. ambulante
24-h-Blutdruckmessung
44HDL- und LDL-Cholesterin, Triglyzeride jährlich
kontrollieren
44fT4, TSH, Autoantikörper TRAK, TPO (assoziierte Autoim-
munthyreopathie) alle 1–2 Jahre
44Anti-Transglutaminase-IgA-Antikörper (assoziierte Zöliakie)
alle 1–2 Jahre, ggf. Dünndarmbiopsie

z Therapie
55 Therapie der Ketoazidose:
44Flüssigkeitssubstitution mit NaCl 0,9 % über 48 h. i.v., und
Kaliumsubstitution
350 Kapitel 11 · Tag 4: Endokrinologie

! Cave vorsichtige 44Insulintherapie: initial i.v. 0,05–0,1 IE/kg/h oder s.c. 1 IE/kg/d


Blutzuckersenkung und 44Ziel: Blutzuckersenkung um 40–90 mg/dl/h, dann Blutzucker
kontrollierte Rehydratation bei 200–250 mg/dl halten, wenn Blutzucker <250 mg/dl:
(<3.000 ml/m2/d) über 48 h Glukoseinfusion, engmaschige Blutzuckerkontrolle und
senkt Gefahr des Hirnödems. Insulin-Dosiskorrektur
55 Dauertherapie mit Insulin nach individuellen Gesichtspunkten:
44intensivierte Insulintherapie (Basis-/Boluskonzept): an die
Nahrungsaufnahme angepasste bedarfsgerechte Insulinzufuhr,
Standardtherapie des Typ 1 Diabetes
–– mehrfach täglich s.c. Injektionen von Normalinsulin oder
kurzwirksamen Insulinanaloga (Lispro, Aspart, Glulisin)
zu den Mahlzeiten sowie Basalinsulin (NPH, Detemir oder
Glargin 1- bis 2-mal täglich)
–– Insulinpumpentherapie mit kontinuierlicher subkutaner
Insulininfusion (CSII) von kurzwirksamem Insulin,
Einteilung in Basalrate (pro Stunde) und Bolusinsulin (zur
Mahlzeit und Korrektur hoher Blutzuckerwerte)
44konventionelle Insulintherapie: Anpassung der Mahlzeiten an
vorgegebenes Insulinschema z. B. Verwendung eines Misch-
insulins (30 % schnell wirksam, 70 % langwirksam); wird
nur noch in Ausnahmefällen angewandt, wenn intensivierte
Insulintherapie nicht möglich
55 altersadaptierte strukturierte Schulung der Familie über:
44Blutzuckerselbstmessung, Insulindosisberechnung und

11 -injektion, Ketonmessung in Urin oder Blut


44gesunde Ernährung, Berechnung der Kohlenhydrate
44Förderung regelmäßiger körperlicher Aktivität
44Anpassung der Diabetestherapie bei Sport, Krankheit, Reisen
55 psychosoziale Unterstützung der Familie und ggf. Intervention
55 ggf. Therapie von Begleiterkrankungen und Komplikationen,
Nikotinverzicht
> Memo Ziele der 55 Ziele der Diabetestherapie
Diabetestherapie nur durch 44„norm-nahe“ Blutzuckereinstellung, HbA1c <7,5 %
regelmäßige diabetologische 44Vermeidung akuter Stoffwechselentgleisungen (schwere
Betreuung und Monitoring Hypoglykämie, Ketoazidose)
erreichbar! 44Prävention diabetesbedingter mikro- und makrovaskulärer
Komplikationen
44altersentsprechend normale Entwicklung und
Leistungsfähigkeit

11.7.2 Typ 2 Diabetes

55 polygen vererbt, begünstigt durch geringe körperliche Aktivität,


hyperkalorische Ernährung
55 Insulinresistenz und verminderte Insulinsekretion führen zu
relativem Insulinmangel
55 Risikofaktoren:
11.7 · Diabetes mellitus
351 11
44positive Familienanamnese für Diabetes mellitus Typ 2 bei
Verwandten 1. oder 2. Grades
44Adipositas (BMI >97. Perzentile)
44Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe mit erhöhtem
Typ 2 Diabetesrisiko (u. a. indianische, hispanische, asiatische,
afrikanische Herkunft)
44klinische Zeichen der Insulinresistenz: Acanthosis nigricans,
polyzystisches Ovarsyndrom
55 Prävalenz bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland
2,3/100.000, in Japan 14/100.000

z Klinik
55 bei Diagnosestellung meist asymptomatisch, oft Adipositas
55 „klassische“ Symptome wie Polyurie und Polydipsie eher selten
55 sehr selten diabetische Ketoazidose oder hyperglykämischer
hyperosmolarer Status
55 Acanthosis nigricans (schmutzig braun-graue Hautverände-
rungen in Achselhöhlen, Nacken, Gelenkbeugen, Genitale) bei
56–92 % der Patienten → Hinweis auf Insulinresistenz
55 polyzystisches Ovarsyndrom: Hirsutismus, Zeichen der Hyperan-
drogenämie, Oligomenorrhö

z Diagnostik
55 Diagnosesicherung und -klassifikation:
44Hyperglykämie (nüchtern, im OGTT . Tab. 11.3 oder
Gelegenheitsblutzucker ≥200 mg/dl), HbA1c ↑
44C-Peptid (normal), Insel-Autoantikörper (negativ) (zur
Abgrenzung vom Typ 1 Diabetes)
55 Begleiterkrankungen:
44Steatosis hepatis, Gallensteine, Transaminasen (oft ↑),
Sonographie des Abdomens
44arterielle Hypertonie: Blutdruckmessung mindestens 1-mal
jährlich, ggf. 24-h-Blutdruckmessung
44Hyperlipoproteinämie: Gesamt-, HDL-, LDL-Cholesterin,
Triglyzeride jährlich bestimmen
55 regelmäßige Kontrolluntersuchungen:
44HbA1c vierteljährlich kontrollieren (zur Beurteilung der
Stoffwechseleinstellung)
44Urin: quantitative Albuminausscheidung mindestens 1-mal
jährlich, Serumkreatinin
44augenärztliche Untersuchung (Funduskopie in Mydriasis)
bezüglich Retinopathie 1-mal jährlich

z Therapie
55 nachhaltige Verhaltensänderung bezüglich Ernährung und
Bewegung → Gewichtsreduktion
55 Basismaßnahmen: Ernährungsschulung, Blutzuckerselbst-
messung, regelmäßig Sport
352 Kapitel 11 · Tag 4: Endokrinologie

55 Metformin 1 × 500 mg bis 2 × 1.000 mg/d


55 Insulin, falls Diät und Metformin nicht ausreichend und initial
bei Ketoazidose → intensivierte Insulintherapie s. o.
55 Ziel: „normnahe“ Blutzuckereinstellung, HbA1c <7,0 %,
Nüchternglukose <126 mg/dl
55 ggf. Therapie von Begleiterkrankungen und Komplikationen,
Nikotinverzicht

11.7.3 MODY

55 „Maturity onset diabetes of the young“, Prävalenz 2,4/100.000


55 Gruppe von Diabetesformen durch monogenetische Defekte der
Betazell-Funktion
55 autosomal-dominante Vererbung, typischerweise mehrere
Generationen betroffen
55 Ursachen: Mutation von Transkriptionsfaktoren (MODY 1, 3, 4,
5), Glukokinase (MODY 2) oder andere Störung (13 bekannte
MODY-Formen) → gestörte Insulinsekretion der Betazelle:
44häufigste Formen sind Glukokinase-MODY (MODY 2) und
HNF1A-MODY (MODY 3) (in jeweils 20–50 %)
55 Alter bei Manifestation <25 Jahre, oft in früher Kindheit
55 primär meist nicht insulinpflichtig, keine Ketoazidose, Verlauf
variabel
11 z Klinik
55 häufig asymptomatisch: erhöhte Blutglukose als Zufallsbefund
55 langsamer Beginn von klinischen Symptomen, z. B. Polyurie,
Polydipsie, Gewichtsabnahme
55 MODY 3: deutliche Hyperglykämie, Glukosurie bei Blutzucker
<180 mg/dl, häufig vaskuläre Spätkomplikationen
55 MODY 2: oft milde Hyperglykämie, selten Organkomplikationen

z Diagnostik
55 Hyperglykämie (nüchtern, im OGTT . Tab. 11.3 oder Gelegen-
heitsblutzucker ≥200 mg/dl), HbA1c ↑
55 positive Familienanamnese für Diabetes
55 Body-Mass-Index (BMI, kg/m2) meist normal d. h. keine
Adipositas
55 Urinketone und Blut pH normal, Insel-Autoantikörper (negativ),
C-Peptid (normal)
55 molekulargenetische Untersuchung (Mutationsscreening) möglich

z Therapie
55 Ziel: „norm-nahe“ Blutzuckereinstellung, HbA1c <7,0 %,
Nüchternglukose <126 mg/dl
55 Basismaßnahmen: Ernährungsschulung, Blutzuckerselbst-
messung, regelmäßig Sport
11.8 · Adipositas
353 11
55 Sulfonylharnstoffe (Glibenclamid, Glimipirid), hohe Sensitivität > Memo Therapie mit
bei MODY 3! (→niedrige Dosis) Sulfonylharnstoffen verbessert
55 Insulin, falls Diät und orale Antidiabetika nicht ausreichend → Insulinsekretion bei Patienten mit
intensivierte Insulintherapie MODY 3!
55 regelmäßige diabetologische Betreuung und Monitoring u. a.
Augen, Niere, Blutdruck, Lipide
55 ggf. Therapie von Begleiterkrankungen und Komplikationen,
Nikotinverzicht

11.8 Adipositas

55 Definition: Body-Mass-Index (BMI, kg/m2) >97. Perzentile;


Übergewicht: BMI zwischen 90. und 97. Perzentile
55 Prävalenz bei Schulkindern: Adipositas in 4–8 %, Übergewicht in
10–18 %
55 häufig Persistenz von Übergewicht/Adipositas bei Kindern bis ins
Erwachsenenalter, bedeutsam sind Folgeerkrankungen z. B. Typ 2
Diabetes, funktionelle Einschränkungen
55 Ursachen: meist polygenetisch, begünstigt durch Übernährung,
Bewegungsmangel:
44selten monogene Formen z. B. Melanokortin-4-Rezeptor,
Leptin-, Leptinrezeptor-Mutation
44syndromal z. B. Prader-Willi-Syndrom,
Pseudohypoparathyreoidismus
44sekundär bei Endokrinopathien (z. B. Hypothyreose,
M. Cushing), Steroidhormontherapie

z Klinik
55 generalisierte Adipositas, oft Striae distensae
55 Acanthosis nigricans (Zeichen der Insulinresistenz)
55 reduziertes Selbstwertgefühl, evtl. reaktive Depression
55 Beschleunigung von Längenwachstum und Skelettreife
55 Pseudogynäkomastie und -hypogenitalismus bei Jungen
55 evtl. Hirsutismus, frühe Pubertät, Oligomenorrhö, polyzystisches
Ovarsyndrom (Mädchen)
55 evtl. Hypogonadismus (bei Prader-Willi-Syndrom)

z Diagnostik
55 Ausschluss endokriner Ursachen: fT4, TSH, Kortisol, ACTH,
IgF-1, Kalzium, Phosphat
55 Triglyzeride, Cholesterin nüchtern, falls pathologisch kompletter
Lipidstatus
55 Transaminasen, Sonographie Abdomen (Fettleber,
Gallensteine)
55 Blutdruckmessung (ambulant Langzeitblutdruck über 24 h)
55 Blutzucker nüchtern, oraler Glukosetoleranztest (gestörte
Glukosetoleranz in 10 %):
354 Kapitel 11 · Tag 4: Endokrinologie

44Indikation zur Durchführung eines oralen Glukosetole-


ranztestes: BMI >90. Perzentile ab 10. Lebensjahr plus 2 der
folgenden Risikofaktoren:
–– Typ 2 Diabetes bei Verwandten 1. oder 2. Grades
–– extreme Adipositas mit BMI >99,5. Perzentile
–– Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe mit erhöhtem
Typ 2 Diabetesrisiko (z. B. Ostasiaten, Afroamerikaner,
Hispanier)
–– Zeichen der Insulinresistenz oder mit ihr assoziierter
Veränderungen (Acanthosis nigricans, polyzystisches
Ovarsyndrom, RR ↑, Lipide ↑, Transaminasen ↑)

z Therapie
> Memo Therapie von 55 Schulung von Patient, Familie und Bezugspersonen über gesunde
Übergewicht/Adipositas hat Ernährung, Steigerung der körperlichen Aktivität, Essverhaltens-
große präventive Bedeutung! training, ggf. Teilnahme an strukturiertem, multidisziplinärem
Therapieprogramm über ein Jahr
44Ziel: Energiezufuhr um 200–500 kcal/d reduzieren, Gewichts-
reduktion um 450 g/Monat
55 leitliniengerechte Behandlung von Komorbiditäten z. B. gestörte
Glukosetoleranz, Diabetes, arterielle Hypertonie, Fettstoffwech-
selstörung, Depression

11
355 12

Tag 5: Neurologische
Erkrankungen
M. Häusler

12.1 Störungen der kindlichen Entwicklung – 357

12.2 Fehlbildungen des Nervensystems – 358


12.2.1 Neuralrohrerkrankungen – 358
12.2.2 Migrationsstörungen – 359
12.2.3 Syringomyelie – 359
12.2.4 Kraniosynostosen – 360

12.3 Zerebralparese – Folgen neonataler Hirnschädigung – 360

12.4 Hydrozephalus – 361


12.4.1 Pseudotumor cerebri – 362
12.4.2 Hydrocephalus e vacuo – 362

12.5 Neurokutane Syndrome – 363


12.5.1 Neurofibromatose Typ 1 – 363
12.5.2 Neurofibromatose Typ 2 – 364
12.5.3 Sturge-Weber Syndrom – 364
12.5.4 Tuberöse Sklerose – 365

12.6 Zerebrale Anfälle und Epilepsien – 365


12.6.1 Übersicht – 365
12.6.2 Elektroenzephalographie – 366
12.6.3 Exemplarische wichtige Anfallsleiden – 368
12.6.4 Langzeittherapie der Epilepsie – 371

12.7 Neuromuskuläre Erkrankungen – 372


12.7.1 Muskeldystrophie Duchenne/Becker – 374
12.7.2 Mitochondriale Myopathien – 375
12.7.3 Myotone Dystrophie Curschmann-Steinert – 376

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2017


B. Karges, N. Wagner (Hrsg.), Pädiatrie in 5 Tagen, Springer-Lehrbuch,
DOI 10.1007/978-3-662-52813-6_12
12.7.4 Spinale Muskelatrophien – 377
12.7.5 Hereditäre motorisch-sensorische Neuropathien (HMSN) – 378
12.7.6 Guillain-Barré-Syndrom – 378
12.7.7 Spinozerebelläre Ataxie – Beispiel Friedreich-Ataxie – 379
12.7.8 Myasthenia gravis – 379

12.8 Vaskuläre ZNS-Erkrankungen – 380

12.9 Bewegungsstörungen – 381


12.9.1 M. Wilson – 381
12.9.2 Tic-Erkrankungen – 382
12.9.3 Spinozerebelläre Ataxie – 382

12.10 Spezielle Erkrankungen des Kleinhirns – 382


12.10.1 Ataxia telangiectasia – 382
12.10.2 Dandy-Walker-Malformation – 383
12.10.3 Zerebellitis – 383
12.10.4 Pontozerebelläre Hypoplasie – 384

12.11 Spezielle syndromale Erkrankungen – 384


12.11.1 Rett-Syndrom – 384
12.11.2 Kaudales Regressionssyndrom – 385
12.11.3 CDG-Syndrom – 385

12.12 Autoimmunerkrankungen des ZNS – 386


12.12.1 Multiple Sklerose – 386
12.12.2 Akute transverse Myelitis (ATM) – 387
12.12.3 Akut disseminierte Enzephalomyelitis (ADEM) – 387
12.12.4 Opsoklonus-Myoklonus-Syndrom – 388

12.13 Besonderheiten kindlicher ZNS-Infektionen – 388

12.14 Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörung – 389

12.15 Kopfschmerzen im Kindes- und Jugendalter – 390


12.1 · Störungen der kindlichen Entwicklung
357 12
55 Erfassung kindlicher Entwicklung in verschiedenen Domänen
(z. B. Motorik, Sprache, soziale Kompetenz)
55 Feststellung von Entwicklungsstörungen oder neurologischen
Erkrankungen sowie deren ätiologische Klärung
55 Erstellung von Therapieplänen zur Korrektur der Störung
(Entwicklungsverzögerung = transiente Problematik) oder
Milderung der Folgen dauerhafter Behinderung

12.1 Störungen der kindlichen Entwicklung

55 genetische Störungen (z. B. syndromal mit ZNS-Fehlbildungen)


55 exogene Störungen (Kindesmisshandlung)
55 perinatale Schädigung: Frühgeburtlichkeit (Hirnblutung,
periventrikuläre Leukomalazie), Asphyxie
55 entzündliche Erkrankungen (z. B. Infektionen,
Autoimmunerkrankungen)
55 Stoffwechselerkrankungen
55 bei Lernbehinderung oder geistiger Behinderung ohne zusätz-
liche neurologische Defizite oft keine Ursache fassbar

z Klinik > Memo Unterschiedliche


55 von der Norm abweichender, verlangsamter oder ausbleibender Lerngeschwindigkeiten in
Erwerb von Fähigkeiten in Entwicklungsbereichen (z. B. Sprache, verschiedenen Bereichen nicht
Feinmotorik, Grobmotorik, soziales Verhalten, Lesen, Schreiben) per se pathologisch.
oder global
55 Teilleistungsstörung: Signifikantes isoliertes Defizit in einem ! Cave Vorschnelle
Bereich bei normalen globalen Fähigkeiten (z. B. Lesen, Recht- Diagnosestellung vermeiden!
schreibung, Rechnen, Sprache) Große physiologische Bandbreite
normaler Entwicklung!
z Diagnostik
55 klinisch-neurologische Untersuchung > Memo Genaue Beurteilung
55 Testung: der kindlichen Entwicklung
44standardisierte Entwicklungsdiagnostik, z. B. differenziert oft nur durch wiederholte
nach Entwicklungsdomänen (z. B. Münchner funktionelle Untersuchungen, auch durch
Entwicklungsdiagnostik, Bailey Scales) verschiedene Fachdisziplinen
44weitere Testsysteme zur Erfassung von Intelligenz (z. B. (Ärzte, Psychologen,
Kaufmann-Test, HAWIK), Konzentration, Lebensqualität, Physiotherapie, Ergotherapie)
Lesefähigkeit, Rechenfähigkeit etc möglich.
55 Genetik bei spezifischem Verdacht (z. B. Fragiles-X-Syndrom,
Mikrodeletionssyndrome)
55 Bildgebung bei Verdacht auf Neurodegeneration, Fehlbildung,
sekundärem Schaden, Infektion, Tumor
55 Stoffwechseluntersuchungen insbesondere bei Organdys-
funktion, Degeneration, krisenhaften Episoden

z Therapie
55 Grunderkrankung, sofern therapierbar
358 Kapitel 12 · Tag 5: Neurologische Erkrankungen

55 Physiotherapie, orthopädische Therapie bei Schäden am Muskel-


und Skelettsystem
55 Förderung der kognitiven Entwicklung mittels Ergotherapie,
Heilpädagogik, Logopädie
55 Maßnahmen zur Stützung der Familie (Sozialarbeit, staatliche Hilfen)

12.2 Fehlbildungen des Nervensystems

55 heterogene genetische Störungen


55 exogene Noxen (Infektionen, Medikamente, Folsäuremangel,
intrauterine Hyperglykämie bei mütterlichem Diabetes)
besonders bei Einwirkung in Frühschwangerschaft
55 Stoffwechselstörungen (z. B. CDG-Syndrom (7 Abschn. 12.11),
peroxisomale Erkrankungen)
55 Auftreten isoliert oder assoziiert mit weiteren Fehlbildungen

12.2.1 Neuralrohrerkrankungen

55 fehlerhafter embryonaler Neuralrohrverschluss

z Klinik
55 Spina bifida
44occulta: äußerlich nicht sichtbar, radiologisch Bogenschluss-
störung der Wirbelsäule, eventuell assoziierte Rückenmarks-
fehlbildung wie „tethered cord“ (7 Abschn. 12.2.3)
12 44aperta: äußerlich sichtbar, variabler Inhalt (Meningozele, nur
Meningen; Meningomyelozele: auch Rücken­marksanteile)
55 korreliert mit Rückenmarkssegment (gravierender bei hohem
Befall) und Ausmaß der Fehlbildung
55 Hauptfolgen Rückenmarksläsion: Schlaffe oder spastische Parese,
neurogene Blase (Gefahr Nierenschädigung), Darmfunktions-
störung, trophische Störungen
55 Assoziation mit Arnold-Chiari-Malformation (Tiefertreten der
Kleinhirntonsillen in Foramen magnum → Hirnstammkom-
pression) → Hydrozephalus → weitere ZNS-Fehlbildungen (z. B.
Migrationsstörung) → mentale Retardierung und Epilepsie

z Diagnostik
55 initial: neurologische Untersuchung, Bildgebung (MRT kranial
und spinal), Elektrophysiologie
55 regelmäßige Kontrolle klinisch-neurologischer und ortho-
pädischer Befunde, Nieren- und Harnwege, Blasen-Mastdarm-
funktion zur Erfassung von Komplikationen

z Therapie
55 problemorientiert bei erheblicher Langzeitmorbidität: Spastik
(7 Abschn. 12.3), Anfallsleiden (7 Abschn. 12.6), urogenitale
12.2 · Fehlbildungen des Nervensystems
359 12
Probleme (Blasenentleerungsstörung, Dauerkatheterisierung, > Memo Patienten mit Spina
Risiko Niereninsuffizienz), Hydrozephalus (siehe dort), bifida sind oft multimorbide,
Darmentleerungsstörung, Immobilitätsosteoporose (Frakturen), sie sollten interdisziplinär und
Kniegelenksfehlstellung, sekundäre Rückenmarksprobleme von Spezialisten mit Erfahrung
(Syringomyelie, Arnold-Chiari-Syndrom mit Hirnstammkom- mit dem Krankheitsbild
pression, spinales „re-teathering“) behandelt werden.
55 hohes Risiko einer Latexallergie bei Dauerkatheterisierung;
prophylaktisch latexfreie Therapie

12.2.2 Migrationsstörungen

55 fehlende Differenzierung des Hirngewebes, isoliert oder in


Assoziation mit weiteren Fehlbildungen (z. B. bei Spina bifida),
z. B. beeinträchtigte Migration periventrikulärer Stammzellen in
Richtung Kortex und fehlerhafte Vernetzung
55 wichtige Formen: Lissenzephalie (global kaum Mark-Rinden-
differenzierung oder Gyrierung), periventrikuläre noduläre
Heterotopie (periventrikuläre Zellaggregate), fokale Pachy- oder
Mikrogyrien → multiple genetische Störungen

z Klinik
55 mentale Retardierung
55 Anfallsleiden
55 motorische Schwäche bis Zerebralparese

z Diagnostik
55 kraniale Bildgebung, MRT
55 klinische Untersuchung

z Therapie
55 keine spezifische Therapie
55 oft schwere Epilepsie; bei fokalen Veränderungen
Epilepsiechirurgie

12.2.3 Syringomyelie

55 pathologische Zentralkanalerweiterung bedingt motorische, ! Cave An Rückenmarkstumor


sensorische, autonome Störungen mit sekundärer Syringomyelie
55 primäre Formen denken!
55 sekundäre Formen z. B. Arnold-Chiari-Malformation bei
Meningomyelozele (zervikale Syringomyelie) und „tethered
cord“ (Verklebung Rückenmark mit Spinalkanal → Rückenmarks-
dehnung während Wachstum)

z Klinik
55 klinische Zeichen der Rückenmarksfehlfunktion
(7 Abschn. 12.2.1)
360 Kapitel 12 · Tag 5: Neurologische Erkrankungen

z Diagnostik
55 klinische Untersuchung
55 Bildgebung (Kernspintomographie)
55 (Elektrophysiologie)

z Therapie
55 chirurgisch bei progredienter Klinik, zunehmend bereits mittels
intrauteriner Chirurgie
55 schwierig zu korrigieren

12.2.4 Kraniosynostosen

> Memo Eine Mikrozephalie 55 vorzeitige Verknöcherung verschiedener Schädelsuturen


beruht meist nicht auf einer 55 primär oder syndromal mit weiteren Fehlbildungen (z. B. M. Crouzon)
Nahtsynostose.
z Klinik
55 meist Schädelfehlform:
44Kahnschädel/Skaphozephalus (Sagittalnaht)
44Turmschädel/Turrizephalus oder Brachyzephalus (Koronarnaht)
44Trigonozephalus (Sutura metopica)
44hinterer Plagiozephalus (Lambdanaht) Schiefschädel/Plagio-
zephalus (Verknöcherung eines Teils einer Naht)
55 nur sehr selten Hirndruckzeichen durch Platzmangel

z Diagnostik
55 Klinik meist richtungsweisend
12 55 kraniale Bildgebung
55 Abklärung syndromale Erkrankung

z Therapie
55 frühzeitige chirurgische Korrektur

12.3 Zerebralparese – Folgen neonataler


Hirnschädigung

55 Lähmung nach Schädigung des ersten Motoneurons, Wegfall


inhibierender spinaler Nervenaktion, übersteigerte Wirkung
spinaler Reflexe (ca. 1–2/1.000 Geburten)
44meist perinatal (Hirnblutung, periventrikuläre Leukomalazie,
hypoxisch-ischämische Enzephalopathie des Reifgeborenen)
44postpartale Formen: Infarkt, Trauma, Tumor
44selten neurodegenerative Erkrankungen (Speicherkrank-
heiten, Mitochondriopathien, lysosomale Enzephalopathien,
Zeroidlipofuszinosen, peroxisomale Erkrankungen)
44Differenzialdiagnosen: Dystonien, Läsionen peripherer
Nerven, spinale Erkrankungen
12.4 · Hydrozephalus
361 12
z Klinik
55 spastische, ataktische und dyskinetische Formen (7 Abschn. 12.9),
meist Mischformen bei Dominanz der Spastik
44Paraparese: beide Beine betroffen
44Tetraparese: Arme und Beine betroffen
44Hemiparese: eine Körperseite betroffen
55 bei dyskinetischer Form: dystone Unterform (muskuläre > Memo Die Zerebralparese führt
­Hypertonie) und choreoathetoide Unterform (muskuläre zu sehr heterogenen klinischen
Hypotonie) Phänotypen.
55 gesteigerte und pathologische Reflexe, Reflexzonenverbreiterung,
trophische Störungen
55 dauerhafte Innervations-Imbalance verursacht Spitzfüße,
Hüftluxation, Hüftadduktion, Kniegelenks- und Ellbogen-­
Beugekontrakturen, Handkontrakturen, Skoliose
55 Deformierungen zunächst tonisch und reversibel, im Verlauf
bindegewebig fixiert und irreversibel
55 Komorbiditäten: Bettlägrigkeit, Rollstuhlpflicht, Retardierung,
psychische Probleme, Epilepsie

z Diagnostik
55 neurologische Untersuchung
55 Bildgebung (MRT)

z Therapie
55 Physiotherapie (dauerhaft), operative Korrekturen an den Sehnen > Memo Schmerztherapie wichtig
(Verlängerung, Durchtrennung; irreversibles Stadium), Botulin- → gefährliche Infektionen, z. B.
umtoxin A (reversible Fehlstellung) Pneumonie bei Skoliose.
55 Medikamente (Baclofen, Tetrazepam, selten Tizanidin,
Memantine) hemmen spinal gesteigerte Reflexantwort (Baclofen
auch intrathekal via Pumpe). Dennoch oft zunehmende
Verformung des Muskel- und Skelettsystems → Immobilität
(Rollstuhlpflicht) → Schmerzen

12.4 Hydrozephalus

55 Liquorabflusstörung verursacht Erweiterung innerer (Hydro-


cephalus internus) oder äußerer (Hydrocephalus externus)
Liquorräume
55 alle oder einzelne Ventrikelkompartimente betroffen
44posthämorrhagisch: z. B. neonatale Ventrikelblutung und
Verklebung von Foraminae monroei, luschkae, magendi oder
Aquädukt
44bei komplexer ZNS-Fehlbildung (eventuell zusätzlich
intrazerebrale Zysten)
44isoliert angeborene Aquäduktstenose
44tumorbedingt (Kleinhirn: oft Medulloblastom; supratentoriell
z. B. Riesenzellastrozytom bei tuberöser Sklerose)
362 Kapitel 12 · Tag 5: Neurologische Erkrankungen

z Klinik
! Cave Vor Fontanellenschluss 55 vor Fontanellenschluss: rasch progredientes Kopfwachstum
fehlen oft klassische (Perzentilensprung), Sonnenuntergangsphänomen Augen,
Hirndruckzeichen! kognitive und motorische Entwicklungsstörung
55 nach Fontanellenschluss: (Nüchtern-)Erbrechen, Kopfschmerzen,
zunehmende kognitive Schwäche bis progrediente Bewusstseins-
störung, Hirnnervenparesen (N. abducens)

z Diagnostik
! Cave Liquordruckmessung 55 Kopfumfangskurve
bei Hydrocephalus occlusus, 55 Sonographie Kopf bzw. CCT oder MRT
Einklemmungsgefahr. 55 Augenhintergrund (Stauungspapille)

z Therapie
55 Drainage durch ventrikuloperitonealen (selten: ventrikulo-lum-
baren/-atrialen) Shunt
55 Shuntsysteme mit einstellbarem Druckventil (Liquorabfluss über
definierter Druckstufe)
55 endoskopische Fensterung zystisch-abflussgestörter
Kompartimente
55 Ventrikulozisternostomie (z. B. Boden dritter Ventrikel bei
Aquäduktstenose)
55 akuter Hydrozephalus (z. B. tumorbedingt): notfallmäßig externe
Ventrikeldrainage

12.4.1 Pseudotumor cerebri


12
55 Druckerhöhung durch Liquorresorptionsstörung
55 Differenzialdiagnose: Infektion, Sinusvenenthrombose, medika-
mentös (z. B. Tetrazykline), Hyperaldosteronismus, M. Addison,
Schilddrüsenerkrankungen, Vitamin D-Mangel, Schlafapnoe-
Syndrom, Vitamin A, Steroide
55 Morphologie von Ventrikel und ZNS meist normal, eventuell
Strikturen kranialer Sinus
55 oft transient
55 Therapie durch serielle Liquorpunktionen; selten Anlage eines
Shunts nötig; Effizienz medikamentöser Therapien (Acetazo-
lamid, Topiramat) unklar

12.4.2 Hydrocephalus e vacuo

55 Erweiterung der Liquorräume ohne Druckerhöhung


55 z. B. bei Steroidtherapie, kongenital vermindertem Gehirn-
gewebe, Stoffwechselstörung mit progredientem Gewebsabbau
(z. B. Mitochondriopathie)
55 keine Drainage indiziert
12.5 · Neurokutane Syndrome
363 12
12.5 Neurokutane Syndrome

55 autosomal-dominante Erkrankungen mit Manifestation an Haut


und Nervensystem (gemeinsame Abstammung von Ektoderm)
55 häufig: Neurofibromatose Typ 1 und Typ 2, Sturge-Weber-
Syndrom, tuberöse Sklerose
55 selten: von-Hippel-Lindau-Erkrankung, Hypomelanosis Ito,
lineares Nävus-Syndrom, PHACE-Syndrom, Ataxia telangiectasia

12.5.1 Neurofibromatose Typ 1

55 Mutationen im NF-1-Gen (Neurofibromin,


Tumorsuppressorprotein)

z Klinik
55 deformierende, entstellende Neurofibromwucherungen im
Bereich peripherer Nerven
55 schwere muskuloskelettale Beeinträchtigungen, Optikusgliome
(Folge: Erblindung), ZNS-Tumoren meist niedrigen Grades,
Phäochromozytom, zerebrale Perfusionsstörungen, Nierenarte-
rienstenosen, arterielle Hypertension
55 assoziiert mit Konzentrationsstörungen (ADS, ADHD), Sprach-
entwicklungsverzögerung, Intelligenzminderung, Epilepsie,
psychologischen Problemen

z Diagnostik
55 zentriert auf klinische Symptome
55 Diagnosekriterien: Zur Diagnoseststellung müssen ≥2 der
folgenden Kriterien erfüllt werden
44≥6 Café-au-lait-Flecken von:
–– > 5 mm Durchmesser präpubertär
–– >15 mm Durchmesser postpubertär
44axilläres oder inguinales Freckling
44≥2 Lisch-Knötchen der Iris
44≥2 Neurofibrome oder ≥1 plexiformes Neurofibrom
44charakteristische ossäre Läsionen (z. B. sphenoidale Dysplasie)
44Optikusgliome
44Verwandter 1. Grades mit NF-1
55 MRT: multiple intrakranielle signalintense Veränderungen
55 Genetik nur bei spezieller Indikation

z Therapie
55 keine kausale Therapie
55 Resektion beeinträchtigender peripherer Fibrome
55 orthopädische Versorgung
55 Fördermaßnahmen bezüglich kognitiver Entwicklung
55 Chemotherapie bei Optikusgliom
364 Kapitel 12 · Tag 5: Neurologische Erkrankungen

12.5.2 Neurofibromatose Typ 2

55 Mutationen im NF-2-Gen (Merlin)

z Klinik
55 Kriterien: A oder B oder C müssen erfüllt sein:
44A: bilaterales Akustikusneurinom
44B: Elternteil, Geschwister oder Kind mit NF-2 + unilaterales
Akustikusneurinom
44C: Elternteil, Geschwister oder Kind mit NF-2 + zwei der
folgenden Kriterien:
–– Meningeom
–– Gliom
–– Schwannom
–– juvenile subkapsuläre dorsale Linsentrübung
–– juveniler kortikaler Katarakt

z Diagnostik
55 klinische Kriterien
55 Genetik

z Therapie
55 keine kausale Therapie verfügbar
55 Hauptproblem: Hörverlust durch bilaterale Akustikusneurinome,
nach Diagnose Gebärdensprache lernen
55 onkologische Überwachung

12
12.5.3 Sturge-Weber Syndrom

z Klinik
55 meist unilateraler Naevus flammeus im Gesicht, intrakraniale
verkalkende Hämangiomatose (MRT)
55 Glaukom, Buphthalmus, Aderhautangiom
55 mentale Retardierung
55 Probleme durch assoziierte Epilepsie und Progredienz der
intrazerebralen Verkalkung/Läsion

z Diagnostik
55 klinische Kriterien
55 kraniale Bildgebung
55 ophthalmologische Untersuchung

z Therapie
55 symptomatisch (Antiepileptika)
55 chirurgische Resektion des intrazerebralen Befundes
(schwierig)
55 Glaukomtherapie
12.6 · Zerebrale Anfälle und Epilepsien
365 12
12.5.4 Tuberöse Sklerose

55 Mutationen im TSC-1-Gen (Hamartin, Chromosom 9) oder


TSC-2-Gen (Tuberin, Chromosom 16)
55 beide Mutationen mit gleichem Phänotyp
55 ca. 50 % Spontanmutationen

z Klinik und Diagnostik


55 sehr heterogen: kortikale Tubera +intrazerebrale subependymale
Tubera (gestörte ZNS-Architektur) → schwere, therapieresistente
Epilepsie
55 Haut: hypopigmentierte Areale, Adenoma sebaceum, „Shagreen
patch“
55 sonst: subunguale/periunguale Fibrome, retinale Maulbeertu-
moren oder Phakome, kardiale Rhabdomyome, renal Hamartome
oder polyzystische Nieren, pulmonale Angiomylipome, mentale
Retardierung, retinale Astrozytome

z Therapie
55 symptomatisch
55 Antiepileptika
55 chirurgisch

12.6 Zerebrale Anfälle und Epilepsien

12.6.1 Übersicht

55 Nervenzellen depolarisieren ohne adäquaten Stimulus (exzitato- > Memo Die meisten Anfallsleiden
rische Neurotransmitter) durch andere Nervenzellen und erregen manifestieren sich in der
weitere gesunde Neurone Pädiatrie nicht durch klassische
55 hypersynchrone elektrische neuronale Aktivität, das Gehirn Grand-mal-Anfälle.
teilweise oder ganz erfassend, verursacht „Anfälle“
44partiell = fokal: ohne Bewusstseinsverlust, fokale Symptome
44generalisiert: mit Bewusstseinsverlust, generalisiert patho-
logische Muskelaktivität
44komplex-partiell = komplex-fokal: sekundär
Bewusstseinsverlust
55 betreffen mehr als 50 % neuropädiatrischer Patienten
55 Auftreten als Primärerkrankung oder als Folge weiterer, das ZNS
schädigender Faktoren

z Klinik
55 typische Grand-mal-Anfallssequenz:
44plötzlicher Bewusstseinsverlust (Hirnstamm involviert)
44dann tonische Verkrampfung durch hochfrequente
neuronale Entladungen (Initialschrei durch tonische
Zwerchfellkontraktionen)
366 Kapitel 12 · Tag 5: Neurologische Erkrankungen

44dann niederfrequente Myoklonien (neuronale Entladungs-


frequenz sinkt)
44Muskelentspannung und „Terminalschlaf “
44dann Aufwachen
55 neurologische Topographie des ZNS bestimmt Symptomatik
fokaler Anfälle mit
44motorischer Kortex (Myoklonien)
44Frontalhirn (komplexe motorische Phänomene)
44Temporallappen (akustische, gustatorische, visuelle, epigast-
rische, emotionale Phänomene)
44sensorischer Kortex (sensorische Phänomene)
44Sehrinde (visuelle Phänomene)
55 Aura: wiederkehrende Wahrnehmung vergleichbarer Empfin-
dungen zu Beginn eines Anfalls

z Diagnostik
> Memo Eine Epilepsie wird 55 genaue klinische Beschreibung
klinisch diagnostiziert! 55 Ursachenabklärung
55 transiente neuronale Funktionsstörungen (Hypoglykämie,
Hypoxie, Azidose, Elektrolytstörungen [Mg++, Ca++, Na+])
55 Ionenkanalerkrankungen (genetisch, nur eingeschränkt
möglich)
55 ZNS-Fehlbildungen und Migrationsstörungen, Diagnose via
MRT (Folge: fokal oder generalisiert pathologische neuronale
Funktion und Vernetzung)
44Stoffwechselerkrankungen (Beeinträchtigung der neuro-
nalen Energieversorgung, des Auf- oder Abbaus zellulärer
12 Strukturkomponenten)
44entzündliche Erkrankungen (Infektionen,
Autoimmunprozesse)
44ZNS-Trauma (Blutung, Hypoxie, Scherverletzung, Ödem,
Dissekat)
> Memo bei erstmaligem 44Gefäßerkrankungen (Ischämie, Angiome)
akutem Anfall immer 55 Elektroenzephalographie (EEG, 7 Abschn. 12.6.2)
Elektrolyte, Blutzucker, Säure- 55 Einordnung in Klassifikationsschema: zwei komplementäre Klassi-
Base-Haushalt kontrollieren, fikationen (internationale Liga gegen Epilepsie, ILAE) differen-
bei fokalen Anfällen großzügig zierend nach Semiologie bzw. Epilepsiesyndromen (Konstellation
Bildgebung. typischer klinischer Phänomene) (. Tab. 12.1). Klassifikation
unterliegt kontinuierlicher Veränderung (. Tab. 12.2)

12.6.2 Elektroenzephalographie

> Memo EEG ist nur Hilfsmittel. 55 EEG-Technik:erfasst elektrische Aktivität oberflächlicher
Kortexschichten
44erfasst postsynaptische Potenziale (PSP), induziert durch
exzitatorische (EPSP) oder inhibierende (IPSP) Neurotrans-
mitter an Dendriten im Synapsenbereich
12.6 · Zerebrale Anfälle und Epilepsien
367 12

. Tab. 12.1  Anfallsklassifikation nach Semiologie (Auswahl, Details s. www.ilae.org)

Fokale Anfälle Ursprung in Netzwerken einer Charakterisiert durch spezielle subjektive


Hemisphäre (Aura), motorische, autonome oder dyskognitive
Symptome
Generalisierte Anfälle Absencen – Typisch
– Atypisch
Tonisch-klonisch
Tonisch
Klonisch
Myoklonisch
Aton
Infantile Spasmen
Unklassifiziert

. Tab. 12.2  Genetische und entwicklungsbezogene Epilepsiesyndrome nach Alter bei Manifestation (Auswahl,
Details s. www.ilae.org)

Neonatalperiode – Benigne familiäre Neugeborenenanfälle


– Benigne neonatale Anfälle
– Frühe Myoklonus-Enzephalopathie
Säuglingsalter/frühe Kindheit – West-Syndrom (BNS-Epilepsie)
Kindheit – Myoklonisch-atone Anfälle
– Gutartige Epilepsie mit zentrotemporalen Spitzen
– Lennox-Gastaut-Syndrom
– CSWS, Epilepsie mit kontinuierlichen „spikes“ und „slow waves“ im Schlaf
(einschließlich Landau-Kleffner-Syndrom)
– Absence-Epilepsie der Kindheit
– Fieberkrämpfe
Adoleszenz – Juvenile Absence-Epilepsie
– Juvenile Myoklonus-Epilepsie
– Epilepsie mit generalisierten tonisch-klonischen Anfällen
Weniger altersgebunden – Familiäre Temporallappenepilepsien

44misst das Summenpotenzial unter den Elektroden


44stellt berechnete Differenz der durch zwei Elektroden gemes-
senen Summenpotenziale dar
55 ausgewertet werden:
44Grundaktivität: alpha (8–13 Hz; typisch für wach, Ruhe,
Augen zu), beta (>13 Hz; typisch für wach, Augen geöffnet),
Theta (4–7 Hz, typisch für Müdigkeit), Delta (1–3 Hz; typisch
für Tiefschlaf, schwere Intoxikation). Grundaktivität auch
altersabhängig (Kleinkind Theta, Schulkind Alpha)
44seitendifferente oder abnorme Grundaktivität
368 Kapitel 12 · Tag 5: Neurologische Erkrankungen

44fokal oder generalisiert pathologische Graphoelemente (Spike,


Sharp wave)
44Reaktion auf Provokation (Augen öffnen, Photostimulation,
Hyperventilation)
55 pathologische Erregung: „spikes“ (Dauer ≤70 ms) und „sharp
waves“ (Dauer 70–200 ms)

12.6.3 Exemplarische wichtige Anfallsleiden

Neugeborenenanfall
z Klinik
55 oft symptomatisch: Elektrolyte, Azidose, Hypoxie, Hypoglykämie,
Blutung, Infektion
55 oft fokaler Charakter (schlechte Generalisierung wegen geringer
neuronaler Vernetzung)
55 atypische Symptome: Apnoen, Schmatzen, Blutdruck-
schwankungen, Augenbewegungsstörung

> Memo Entscheidend ist die z Diagnostik


Klinik. Myoklonien, die nur 55 Klinik und EEG (heterogene Veränderungen)
im Schlaf bzw. Einschlafen
auftreten, sind meist nicht z Differenzialdiagnose
epileptogen. 55 Sonderform benigne familiäre Neugeborenenanfälle. Beginn
nach einigen Lebenstagen, genetisch bedingt
55 benigne Schlafmyoklonien

12 z Therapie
55 Ursache behandeln (im Zweifel antibiotische und antivirale
Therapie)
55 Phenobarbital

West-Syndrom (vormals BNS-Epilepsie)

z Klinik
55 typische Säuglingsepilepsie mit einschießenden Spasmen (Arme
ausgebreitet dann verschränkt, Kopf beugen)
55 oft ZNS-Vorschädigung (neonatale Hypoxie, periventrikuläre
Leukomalazie, Stoffwechseldefekt)

z Diagnostik
55 EEG: Hypsarrhythmie

z Therapie
55 schwer therapierbar mit Antiepileptika, eventuell hochdosiert
Steroide/ACTH
55 Vigabatrin bei tuberöser Sklerose
12.6 · Zerebrale Anfälle und Epilepsien
369 12
Absence-Epilepsie
z Klinik
55 typische Epilepsie des bis dato gesunden Schulkindes
55 plötzliches Innehalten/Filmriss für wenige Sekunden, eventuell
mit diskreten Myoklonien von Augen und Mund; Nesteln der
Hände; selten auch Grand-mal-Anfälle

z Diagnostik
55 EEG: 3/s Spike-slow-wave-Komplexe

z Therapie
55 meist gut therapierbar (Valproinsäure, Ethosuximid, Lamotrigin)

Läsioneller Anfall
55 ausgehend von ZNS-Läsion heterogener Ätiologie (Infarkt,
Tumor, Trauma, entzündlich)
55 Symptomatik abhängig von Geschwindigkeit der
Erregungsausbreitung
44ohne Bewusstseinsstörung (früher: einfacher Partialanfall)
44mit Bewusstseinsstörung (vormals: komplex-partieller Anfall)
55 EEG: fokale Spitzen/Verlangsamung

z Therapie
55 läsionell bedingte Anfälle oft schwer therapierbar

Temporallappenepilepsie
55 Ätiologe multifaktoriell: fokale neuronale Migrationsstörung,
sekundäre Gewebsschädigung bei chronischen Anfällen
(entzündlich, metabolisch, infektiös, autoimmun)

z Klinik
55 Symptomatik heterogen: Absencen, Automatismen, variabel
Bewusstseinsstörung, tonische Anfälle, atone Anfälle,
dysmnestische Symptome, kognitive Beeinträchtigung, affektive
Störungen
55 Auren: epigastrisch, olfaktorisch, gustatorisch, déjà vu, Dereali-
sation, optisch, vestibulär

z Diagnostik
55 EEG: temporal Spitzen bzw Verlangsamung; eventuell nur durch
Tiefenelektroden fassbar

z Therapie
55 medikamentös oft schwierig
55 Epilepsiechirurgie erwägen
370 Kapitel 12 · Tag 5: Neurologische Erkrankungen

Gelegenheitsanfall (mit Auslöser)


55 Auslöser z. B. Fieber, Alkohol, Schlafentzug, Stress?,
­Hyperventilation, Elektrolytentgleisung, Hypoglykämie,
Hyperglykämie

z Klinik
55 heterogen

z Diagnostik
55 Je nach Auslöser

z Therapie
55 Ursache behandeln
55 akut Antiepileptika

Status epilepticus
z Klinik
55 protrahierte Anfallstätigkeit bzw. in kurzen Abständen wieder-
holte Anfallstätigkeit die nicht spontan sistiert.
44Formen: Jackson-Anfall, Epilepsia partialis continua, senso-
rischer Status, aphasischer Status, visueller Status (z. B. iktal
blind), autonomer Status, unilateraler Status, Absencen-Status,
Grand-Mal-Status.
44Tonisch-klonischer SE: Nach 5 Minuten Anfalltätigkeit
(ZNS-Schädigung nach 30 Minuten zu erwarten)
44Fokaler SE mit Bewusstseinsstörung: Nach 10 Minuten
­Anfallstätigkeit (ZNS-Schädigung nach > 60 Minuten zu
12 erwarten)
44Absencen-Status: nach 10–15 Minuten Anfallstätigkeit

z Diagnostik
55 EEG: Durchgehend oder repetitiv fokal bis generalisierend
Spitzen, Verlangsamung, oder rhythmische Graphoelemente

> Memo Ein Status epilepticus z Therapie


ist ein Notfall, der bei 55 Therapie medikamentös
protrahierter Dauer zum ZNS- 55 falls erforderlich Narkose unter Intensivtherapie
Schaden führen kann!
Fieberkrämpfe
z Klinik
55 epileptischer Anfall beim fiebernden Kleinkind (3 Monate
bis 5 Jahre). Auch vor dem Fieber, vermutlich getriggert
durch Zytokine + genetische Prädisposition + unreifes
ZNS
44unkompliziert: generalisiert, kurz, einmalig
44kompliziert: >15 min, fokal, hemiplegisch, wiederholt
12.6 · Zerebrale Anfälle und Epilepsien
371 12
z Diagnostik
55 ZNS-Infektion ausschließen (großzügig Lumbalpunktion im
ersten Lebensjahr)
55 EEG: in der Regel unauffällig

z Therapie
55 medikamentöse Anfallsunterbrechung im akuten Anfall
(z. B. Diazepam)
55 Prophyaxe:
44wiederholt Diazepam Suppositorien bei fieberhaften Infekten
(Effektivität umstritten)
44antiepileptische Dauertherapie bei wiederholten Fieber-
krämpfen (Notwendigkeit umstritten)
55 Prognose: allgemein gut, leicht erhöhtes Epilepsierisiko im Verlauf

Jackson-Anfall
55 Beginn korrelierend zum betroffenen ZNS-Areal mit einsei-
tigen Gesichtsmyoklonien, dann Ausbreitung auf gesamte
Körperhälfte

12.6.4 Langzeittherapie der Epilepsie

55 Medikamente wirken meist an Ionenkanälen (. Tab. 12.3) bzw.


über Neurotansmitter-Metabolismus, stabilisieren Membran-
potenzial, erschweren spontane Depolarisation
55 erst ein Medikament, nach Aufdosierung und Beobachtung
Erweiterung um bzw. Umstellung auf ein weiteres
55 in der Regel keine Spiegelkontrolle zur Dosisfindung (Ausnahme
Phenytoin)
55 Spiegelkontrolle zur Kontrolle von Compliance, Resorptions-
problemen bei Nichtansprechen
55 in der Regel Auslassversuch (ausschleichen!) nach 2–3 Jahren
Anfallsfreiheit (geringer Evidenzgrad)
55 Kontrolle Therapieerfolg über Anfallskalender, durch Patienten
bzw. Eltern zu führen
55 prognostisch günstig: normale ZNS-Morphologie in Bildgebung,
rasches Ansprechen auf Medikamente, normale Entwicklung des
Patienten bis zur Diagnose der Epilepsie
55 bei symptomatischer Epilepsie und fehlendem Ansprechen auf 2
Medikamente Erwägung von Epilepsiechirurgie
55 Nebenwirkungen Medikamente: Müdigkeit + gastro-
intestinal + Gingivahyperplasie (Phenytoin), ! Cave Interaktion mit
Haarausfall + Tremor + Hepatopathie (Valproat), Knochen- Antikontrazeptiva sowie anderen
markssuppression (Phenytoin, Phenobarbital)! Antiepileptika.
372 Kapitel 12 · Tag 5: Neurologische Erkrankungen

. Tab. 12.3  Ansatzpunkte wichtiger Antiepileptika (Auswahl)

Na-Kanal GABA-erg Anti-glutamaterg Carboanhydrase- Ca-Kanal


Hemmung

Benzodiazepine + +
Carbamazepin +
Lamotrigin + + (L-Typ)
Gabapentin + (L-Typ)
Ocarbamazepin + + (L-Typ)
Phenobarbital + +
Phenytoin +
Topiramat + + + + + (L-Typ)
Valproat + +
Vigabatrin +
Zonisamid + + + (L-Typ)
Sultiam +
Ethosuximid + (L-Typ)

55 verschiedene Medikamente können Anfälle verschlimmern


44Absencen durch Carbamazepin, Phenytoin
44myoklonische Anfälle durch Lamotrigin, Vigabatrin,
Gabapentin (. Tab. 12.3)
12
12.7 Neuromuskuläre Erkrankungen

55 Erkrankungen des Muskels, des Nervens und der synaptischen


Übertragung

z Klinik
> Memo Die klinische 55 allgemeine Charakteristika neuromuskulärer Erkrankungen
Symptomatik ist im Kindes- (. Tab. 12.4)
und Jugendalter nicht selten 55 Kennmuskeln für einzelne Rückenmarkssegmente . Tab. 12.5
uncharakteristisch, Vollbild 55 kongenitale oder im Verlauf auftretende zunehmende Muskel-
entwickelt sich oft erst im schwäche generalisiert oder mit Schwerpunkt auf bestimmte
Verlauf. Muskelgruppen

z Diagnostik
55 Schritt 1: Erhebung klinischer Basisparameter
> Memo Familienanamnese 44typische Symptome (. Tab. 12.4)
ist oft wegweisend für die 44Elektrophysiologie (Elektromyographie – EMG; Elektro-
Diagnosestellung. neurographie – ENG; akustisch evozierte Potenziale – AEP;
12.7 · Neuromuskuläre Erkrankungen
373 12

. Tab. 12.4  Wichtige Symptome von Muskel- und Nervenerkrankungen

Nervenerkrankung Muskelerkrankung

Generalisierte Schwäche Ja; z. B. spinale Muskelatrophie Ja


Regionale Schwäche Ja; z. B. N.-peronaeus-Läsion Ja; z. B. Gliedergürtel-Muskeldystrophien
Faszikulationen Ja; z. B. Degeneration 2. Motoneuron Untypisch
Distale Muskelatrophie Ja; typisch für HMSN Möglich
Parästhesien, Ja Untypisch
Dysästhesien
Verminderte Sensibilität Ja Untypisch
Reflexabschwächung Ja Spätstadium
Reflexverstärkung Degeneration 1. Motoneuron (Spastik) Nein
Warm-up-Phänomen Nein Kanalerkrankungen
Hohlfuß Ja; z. B. HSMN Ja; z. B. Muskeldystrophie Duchenne
Ataxie Ja; z. B. spinozerebelläre Ataxien Ja; möglich als Folge der Muskelschwäche
Herzerkrankung Ja; insbesondere Rhythmusstörungen Ja; Rhythmusstörung und Kardiomyopathie
Hörverlust Möglich Selten (z. B. myotone Dystrophie)
Endokrinopathie Untypisch Selten (z. B. myotone Dystrophie)
Hepatopathie Möglich (z. B. Mitochondropathie) Möglich (z. B. Mitochondropathie)
Mentale Retardierung Möglich Möglich
Ophthalmoplegie Möglich Möglich
Gower-Zeichen Möglich Ja; Typisch für MD Duchenne

visuell evozierte Potenziale – VEP; somatosensorisch evozierte > Memo Kooperationsbedingt


Potenziale – SEP) eingeschränkte Aussagekraft
44Bildgebung: von EMG und ENG bei
–– Muskel: Verteilungsmuster betroffener Muskelgruppen Kleinkindern, klinischer Befund ist
–– kranial: begleitende Fehlbildung/Myelinisierungsstörung entscheidend.
–– thorakal: Zwerchfellmotilität
44Labordiagnostik (Stoffwechsel, Organfunktion) bezüglich
systemischer Erkrankung
44kardiologische Untersuchung: Kardiomyopathie?,
Rhythmusstörung?
55 Schritt 2: vorläufige klinische Einordnung in Klassifikations-
system (. Tab. 12.5)
55 Schritt 3: nach klinischem Verdacht gezielte genetische Unter- ! Cave Biopsie bei jungen
suchung gefolgt von Muskel- und/oder Nervenbiospie, falls ohne Säuglingen aufgrund von
Befund (z. B. Muskeldystrophie Duchenne) oder Muskel- und/ Reifungsprozessen oft
oder Nervenbiopsie eventuell gefolgt von gezielter genetischer eingeschränkt aussagekräftig.
Untersuchung
55 Schritt 4: erneute Einordnung in Klassifikationssystem (. Tab. 12.6);
oft keine definitve Diagnose möglich
374 Kapitel 12 · Tag 5: Neurologische Erkrankungen

. Tab. 12.5  Rückenmarkssegmente und ihre Kennmuskeln bzw


Reflexe

C5 M. biceps brachii (Bizepsreflex)


C6 M. extensor carpi radialis, M. brachioradialis
(Radius-Periostreflex)
C7 M. triceps brachii
C8 Kleine Handmuskeln
Th 6–12 Bauchhautreflexe
L1–2 M. cremaster
L3 M. quadriceps femoris (Patellarsehnenreflex)
L4 M. tibialis anterior
L5 M. extensor hallucis longus
S1 Mm. peronaeus longus et brevis, M. triceps surae
(Achillessehnenreflex)
S3–5 Analreflex

12.7.1 Muskeldystrophie Duchenne/Becker

! Cave Risiko der malignen 55 X-linked vererbte Mutationen des Dystrophin-Gens


Hyperthermie: Narkose 55 schwere Dystrophin-Defizienz Typ Duchenne
mit Inhalationsnarkotika, 55 leichte Dystrophin-Defizienz Typ Becker
Muskelrelaxanzien, 55 Folge: progrediente Verfettung/Fibrose der
12 Neuroleptika verursacht Muskeln
Myolyse, Hyperthermie,
Herzrhythmusstörung (sonst bei z Klinik
familiären Ryanodin-Rezeptor- 55 Muskeldystrophie Duchenne:
Mutationen). 44progrediente generalisierte Muskelschwäche
44Gower-Zeichen positiv
44Wadenpseudohypertrophie, Spitzfußentwicklung,
Lordose
44Kardiomyopathie
44rezidivierende Lungeninfekte
44Kontrakturen
44nächtliche Hypoventilation
44oft Intelligenz beeinträchtigt
44Verlust der Gehfähigkeit Anfang 2. Dekade, Tod vor Ende 2.
Dekade
55 Muskeldystrophie Becker:
44langsamer progredient
44Kardiomyopathie mit Herzrhythmusstörungen evtl. prognos-
tisch limitierend
44Wadenpseudohypertrophie
44Kontrakturen
44Hohlfüße
12.7 · Neuromuskuläre Erkrankungen
375 12

. Tab. 12.6  Klassifikation neuromuskulärer Erkrankungen

Muskelerkrankungen Muskeldystrophien, i. d. R. progredient; z. B. Duchenne-, Becker-, Emery-Dreifuss-,


Fazioskapulohumerale-, Gliedergürtel-, kongenitale Muskeldystrophie; oft defektes Protein im
molekularen Kontraktionsapparat
Kongenitale Myopathien, teilweise progredient. z. B. myotubulär, kongenitale
Muskelfaserdysproportion, Nemaline, Central-Core, Minicore, Desminopathie

Entzündlich (7 Kap. 8)
Ionenkanalerkrankungen (z. B. periodische Paralysen)
Metabolisch (z. B. Mitochondriopathie, Glykogenosen, Vitamin E-Mangel)
Myotonien (z. B. myotone Dystrophie Curschmann-Steinert)
Toxisch (Alkohol)
Nervenerkrankungen Traumatisch
– Neurapraxie = funktionelle Störung
– Axonotmesis = Ausfall Axon bei Erhalt Myelinscheide
– Neurotmesis = völlige Durchtrennung (Kennmuskeln . Tab. 12.5)
Erkrankungen des 2. Motoneurons (z. B. spinale Muskelatrophien, progressive Bulbärparalyse)
Erkrankungen des peripheren Nervensystems
– hereditäre motorisch-sensorische Neuropathien (HMSN), z. B. CMT, peroneale
Muskelatrophie, Dejerine-Sottas, HNPP, HSAN, Riesenaxonneuropathie
– entzündliche Erkrankungen (Guillain-Barré-Syndrom, infektiöse Neuritiden wie
Fazialisparese, chronisch-inflammatorische demyelinisierende Neuropathien)
Spinozerebelläre Ataxien
Bei Stoffwechselerkrankungen: z. B. M. Refsum, M. Fabry, Leukodystrophien, mitochondrial
Erkrankungen der Autoimmun (Myasthenia gravis)
Synapse
Kongenitale myasthene Syndrome (Störungen der synaptischen Signaltransduktion), z. B.
Azetylcholin-Rezeptormutationen, Störungen Azetylcholinmetabolismus

z Diagnostik
55 Kreatininkinase deutlich erhöht
55 Multiplex-PCR (erfasst nicht alle Mutationen) bzw. Dystrophin-
Mangel im Biopsat

z Therapie
55 symptomatisch: Physiotherapie, Orthopädie, psychologische
Begleitung
55 Steroide, eventuell nächtliche Masken-Heimbeatmung
55 Verschiedene auf genetischer Ebene wirksame Medikamente in
Erprobung
55 ggf. kardiologische Therapie

12.7.2 Mitochondriale Myopathien

55 gestörte zelluläre Energieversorgung bei Defizienz Atmungskette,


Zitratzyklus bzw. Substrateinschleusung in Mitochondrien
55 Mutationen am mitochondrial oder nukleär kodierten Genom
376 Kapitel 12 · Tag 5: Neurologische Erkrankungen

z Klinik
55 falls mitochondrial vererbt (Mitochondrien von Mutter):
Organbeteiligung abhängig vom Verteilungsmuster gesunder und
kranker Mitochondrien (Heteroplasmie)
55 typische Symptome:
44Myopathie als Haupt- oder Zusatzsymptom, (hypertrophe)
Kardiomyopathie, Muskelschmerzen, Belastungsintoleranz
44Ophthalmoplegie, Retinopathie
44Epilepsie, fokal-neurologische Ausfälle, „stroke-like
episodes“
44Hörverlust, Neuropathie
44Enzephalopathie, kognitive Störungen
44Nierenfunktionsstörung, Hepatopathie, endokrine Störungen
55 spezielle Formen/Symptomkonstellationen:
44MELAS: „mitochondrial encephalomyopathy with lactic
acidosis and stroke“
44MERRF: „myoclonus epilepsy with ragged red fibers“
44Leigh-Syndrom: „necrotizing encephalomyelopathy and lactic
acidosis“
44Lebersche hereditäre Optikusatrophie
44Kearns-Sayre-Syndrom

! Cave wegen Heteroplasmie z Diagnostik


Veränderungen nicht in allen 55 Histologie/Elektronenmikroskopie (Mitochondrienmorphologie)
Geweben nachweisbar. 55 Enzymanalyse am Muskel (Leber)
55 Genetik
> Memo Diagnose oft nur 55 Hinweis: Laktat im Blut erhöht; pathologisches Muster der
12 funktionell am Gewebe organischen Säuren im Urin bzw. der Acylcarnitine im Serum
möglich.
z Therapie
55 Myopathie: Orthopädie, Physiotherapie
55 Metabolik: Coenzym Q10, Antioxidantien (kasuistisch belegt),
Carnitin
55 Antiepileptika
55 viele kleine kohlenhydratreiche Mahlzeiten

12.7.3 Myotone Dystrophie Curschmann-Steinert

55 CTG-Expansion DMPK-Gen
55 autosomal-dominant
55 Multisystemerkrankung

z Klinik
55 distal betonte Muskelschwäche, Facies myopathica, Myotonie,
Ptosis, Atrophie Kau- und Gesichtsmuskulatur, hängende Kiefer,
geöffneter Mund, Schluckstörung, Kardiomyopathie
55 Katarakt, Schwerhörigkeit
12.7 · Neuromuskuläre Erkrankungen
377 12

. Tab. 12.7  Hauptformen spinaler Muskelatrophien

Typ Details

Typ 1, Werdning-Hoffmann Autosomal-rezessive SMN-1-Gen-Mutation; infantil, bereits präpartal verminderte


Bewegungen, Saug-Schluck-Atemstörung, kaum Kopfkontrolle, schwache
Muskeleigenreflexe, meist Tod im ersten Lebensjahr an Ateminsuffizienz
Typ 2 Intermediäre Form. autosomal-rezessive Mutation SMN-1-Gen; chronisch
proximale Erkrankung; nach Erreichen des freien Sitzens zunehmend beinbetonte
Muskelhypotonie, Tremor Hände
Typ 3, Kugelberg-Welander Juvenil-adulte Form; autosomal-rezessiv; besonders Becken- und Schultergürtel; oft
lange gehfähig; Handtremor; CK erhöht; Herzbeteiligung
Sonstige Variabel: z. B. X-linked bulbospinal, hereditäre progressive Bulbärparalyse etc.

55 endokrine Störungen, Gonadeninsuffizienz


55 mentale Retardierung, kognitiver Abbau
55 periphere Neuropathie

z Diagnostik
55 klinische Symptome, insbesondere Myotonie bei repetitiven
Kontraktionen, z. B. Hände oder Gesichtsmuskeln
55 EMG: typische myotone Entladungen > Memo eventuell EMG bei Mutter
55 Genetik richtungsweisend.

z Therapie
55 Membranstabilisatoren (Phenytoin, Procainamid)
55 Physiotherapie, Orthopädie
55 Hormontherapie, Kardiaka, Herzschrittmacher
55 schlechte Prognose

12.7.4 Spinale Muskelatrophien

55 verschiedene Krankheitsbilder mit generalisierter proximal


betonter Muskelhypotonie, Atrophien, Zungenfaszikulationen,
Tremor der Hände
55 Degeneration α-Motoneurone, selten auch bulbäre Kerne
Hirnstamm

z Klinik
. Tabelle 12.7

z Diagnostik
55 Klinik (Symptome s. oben)
55 Elektrophysiologie (schwere Beeinträchtigung motorische
Nervenleitung)
55 Genetik
378 Kapitel 12 · Tag 5: Neurologische Erkrankungen

z Therapie
55 nicht kausal möglich, symptomatisch
55 Herzerkrankung eventuell limitierend

12.7.5 Hereditäre motorisch-sensorische


Neuropathien (HMSN)

55 heterogene Gruppe mit Erkrankung motorischer und sensorischer


Nerven (Synonym: CMT – Charcot-Marie-Tooth-Erkrankungen)
55 genetisch z. B. Duplikation peripheres Myelin-Protein 22,
Mutation MPZ, Mutation Cx32

z Klinik
55 insbesondere distal betonte Muskelschwäche + Atrophie, Verlust
Muskeleigenreflexe; Sensibilitätsstörung, autonome Störung,
Fußheberschwäche
55 eventuell Schluckstörung, Atemstörung, Hörstörung,
Optikusatrophie

z Diagnostik
55 klinische Untersuchung
55 Elektrophysiologie zum Nachweis einer motorischen und/oder
sensiblen Neuropathie
55 Genetik (erfasst nur Teil der Erkrankungen), bei negativer
Genetik evtl. Nervenbiopsie (N. suralis)

12 z Therapie
55 symptomatisch
55 bei spastischem Bild vergleiche Zerebralparese

12.7.6 Guillain-Barré-Syndrom

55 immunvermittelte demyelinisierende Polyradikuloneuritis


55 Erwachsene: z. B. Antigangliosid-Antikörper (GM-1, GD1b)
nach Campylobacter-Infektion

z Klinik
55 akut aufsteigende Muskelschwäche, erloschene Reflexe, Atemin-
suffizienz, Dysästhesien bis Schmerzen, autonome Störungen
55 Sonderform: Miller-Fisher-Syndrom mit absteigender Paralyse

z Diagnostik
55 typische Klinik
55 Elektrophysiologie: schwere Reizleitungsstörung mehrerer
peripherer Nerven (sensibel und motorisch)
55 Liquor: Eiweißerhöhung ohne Zellzahlerhöhung
12.7 · Neuromuskuläre Erkrankungen
379 12
z Therapie
55 hochdosiert Immunglobuline i.v. bei drohender Ateminsuffizienz
55 Plasmapherese

12.7.7 Spinozerebelläre Ataxie – Beispiel ­


Friedreich-Ataxie

55 Repeat-Gen-Erkrankung am Frataxin-Gen. Folge: Eisenüber-


ladung und Mitochondriendysfunktion durch oxidativen Stress

z Klinik
55 progrediente Ataxie mit komplexer Degeneration von Hinterst-
rängen, spinozerebellären und kortikospinalen Bahnen
55 Erlöschen der Muskeleigenreflexe, schwere Störung sensorischer
Afferenzen (somatosensorisch evozierte Potenziale – SEP,
Hinterstrangaffektion), Sensibilitätsstörung, axonale Neuro-
pathie, Nystagmus, Hörverlust, Optikusatrophie, Skoliose,
Dysarthrie, Pes cavus, Muskelschwäche
55 zusätzlich Kardiomyopathie (schwere Herzrhythmusstörungen),
Endokrinopathie, Diabetes mellitus

z Diagnostik
55 richtungsweisend oft „Ataxie + Kardiomyopathie + pathologische
SEP“
55 dann Genetik

z Therapie
55 keine kausale Therapie bekannt
55 Therapie Herzrhythmusstörungen
55 schlechte Prognose

12.7.8 Myasthenia gravis

55 Autoimmunerkrankung durch Antikörper gegen Azetylcholin-


Rezeptoren (neuromuskuläre Endplatte)
55 Antikörper im Kindesalter nicht immer nachweisbar

z Klinik
55 generalisierte Muskelschwäche (Ptosis!), Verschlechterung im
Tagesverlauf
55 im Kindesalter auch transiente Formen

z Diagnostik
55 Simpson-Test, repetitive Bewegungen, Halteversuch, Azetylcho-
lin-Rezeptor-Antikörper, Probatorische Mestinongabe
55 EMG-Ermüdung unter repetitiver Stimulation
380 Kapitel 12 · Tag 5: Neurologische Erkrankungen

z Therapie
! Cave Myasthene und 55 Cholinergika als Dauertherapie, Immunglobuline und Plasma-
cholinerge Krise. Gemeinsam: pherese im schweren Schub. Thymektomie bei Chronizität
Schwäche, Atemstörung, 55 myasthene Krise: Blässe, Tachykardie, weite Pupillen, Hypotonie,
Schluck-, Kau- und Hyporeflexie
Sprechstörung, Schwitzen, 55 cholinerge Krise bei Cholinergikatherapie: enge Pupillen, gerötete
Unruhe. Haut, Bradykardie Speichelfluss, Verschleimung, Bewusstseins-
störung, Durchfall, Erbrechen, Bronchialsekretion

12.8 Vaskuläre ZNS-Erkrankungen

55 arteriell (bei Kindern meist Media-Stromgebiet betroffen):


44primär (z. B. Hämangiom, Moya-Moya)
44bei Grunderkrankung (z. B. Phakomatosen, Vaskulitis bei
rheumatoider Erkrankung)
44Apoplex bei Thrombophilie (Protein C, S; APC-Re-
sistenz; Lipoprotein-a-Erhöhung, Antithrombin-
III-Mangel, MTHFR-Mutation, Homozystinämie,
Anti-Phospholipid-Autoantikörper)
44posttraumatisch (Dissekat)
44postinfektiös (Post-Varizellen-Schlaganfall mit chroni-
scher vaskulärer Virusinfektion, basale Meningitis bei
Tuberkulose)
44paradoxe Embolie, offenes foramen Ovale
55 venös:
44Sinusvenenthrombose
12 44venöses Hämaniom
55 Kavernome

z Klinik
55 TIA bzw. fokal-neurologische Ausfälle, Bewusstseinsstörung
bis Koma (Angiomblutung; Basilaristhrombose), (fokale)
Krampfanfälle
55 Herzinsuffizienz bei Angiom mit großem Shuntvolumen

z Diagnostik
55 zerebrale Bildgebung (MRT), eventuell mit MRT-Angiographie
oder konventioneller Angiographie; transkranielle Dopplersono-
graphie bei arteriellen Erkrankungen

z Therapie
55 niedriges Evidenzniveau
55 symptomatisch: Intensivtherapie, Antiepileptika
55 bei Gefäßverschluss primär Antikoagulierung mit Heparin
(fraktioniert/unfraktioniert), Azetylsalizylsäure
55 Vaskulitis: Immunsuppression (primär Steroide) im Verlauf
Grunderkrankung behandeln (siehe auch Rheumatologie)
12.9 · Bewegungsstörungen
381 12

. Tab. 12.8  Hauptsymptome bei Bewegungsstörungen

Symptom Beschreibung

Ataxie Unkoordinierte Bewegung (trunkal, Extremitäten), Stand/Gangataxie, Dysmetrie, Intentionstremor


– Vermisläsion: Rumpf-, Gang- und Standataxie
– Hemisphärenläsion: Dysmetrie, Dyssynergie, Intentionsstremor
Athetose Langsam-wurmartige Bewegung insbesondere distaler Muskeln
Chorea Rasche zufällige unkoordinierte generalisierte Muskelkontraktionen bei muskulärer Hypotonie
Ballismus Massive schleudernde Extremitätenbewegungen, Kontraktionen proximaler Muskeln
Dystonie irreguläre, langsame Kontraktion von Extremitäten und trunkalen Muskeln, fokal oder generalisiert.

55 Langzeittherapie arterieller Verschluss: Azetylsalizylsäure (Dauer


unklar)
55 Langzeittherapie venöser Verschluss: Marcumar (Dauer unklar)
55 evtl. interventionell Lysetherapie: Gefäßverschluss, Embolisation
von Angiomen im Verlauf (experimenteller Ansatz)

12.9 Bewegungsstörungen

55 Störungen von Systemen, die einen physiologischen Bewegungs-


ablauf ermöglichen
44motorische Bahnen: Spastik (Läsion 1. Motoneuron,
7 Abschn. 12.3), schlaffe Lähmung (Läsion 2. Motoneuron)
44extrapyramidales System: Basalganglienerkrankung, z. B.
M. Wilson, M. Parkinson, Tic-Erkrankungen/rheumati-
sches Fieber. Heterogene zum Teil genetisch nicht geklärte
hereditäre Erkrankungen (Stoffwechseldefekte, L-DOPA-
responsive Dystonie)
44spinozerebelläres System: z. B. Ataxia telangiectasia,
7 Abschn. 12.7.7 und Kleinhirnerkrankungen
55 Hauptsymptome . Tab. 12.8

12.9.1 M. Wilson

55 autosomal-rezessive Mutation im ATP7B-Gen

z Klinik
55 Kupferakkumulierung inbesondere in Leber (Hepatopathie),
Auge (Kayser-Fleischer-Ringe) und Basalganglien (Striatum/
Choreoatethose), seltener Hermuskel, Nieren, Erythrozyten

z Diagnostik
55 Leberbiopsie und Genetik bei positivem D-Penicillamin-Test
382 Kapitel 12 · Tag 5: Neurologische Erkrankungen

z Therapie
55 Chelatbildner (z. B. D-Penicillamin oder Trientin)

12.9.2 Tic-Erkrankungen

z Klinik
55 unwillkürliche Myoklonien, diskret Mundwinkel und Auge bis
ausgeprägte Schleuderbewegungen der Extremitäten
44bei Tourette-Erkrankung: zusätzlich komplexe verbale
Tics
44als Post-Streptokokken-Erkrankung isoliert, in Kombination
mit obsessiv-kompulsiven Symptomen oder als Teil des
rheumatischen Fiebers
44stressinduziert, in Verbindung mit ADHD, hier oft spontan
sistierend

z Diagose
55 Klinik, Abklärung Streptokokkeninfektion

z Therapie
55 bei Streptokokkeninfektion Therapieversuch mit Penicillin
(niedrige Evidenz)
55 bei rheumatischem Fieber Penicillin-Langzeitprophylaxe
55 symptomatisch z. B. Neuroleptika wie Tiapridex

12 12.9.3 Spinozerebelläre Ataxie

7 Abschn. 12.7.7

12.10 Spezielle Erkrankungen des Kleinhirns

55 statische Formen: z. B. kongenitale Fehlbildung,


Dandy-Walker-Syndrom
55 progressive Formen: insbesondere metabolisch: mitochondrial
(7 Abschn. 12.7.2), im Rahmen spinozerebellärer Ataxien
(7 Abschn. 12.7.7), Ataxia telangiectasia
55 erworbene Formen: Tumoren (7 Kap. 7), infektiös-parainfektiös,
Intoxikationen, Trauma, vaskulär

12.10.1 Ataxia telangiectasia

55 autosomal-rezessiv-vererbte DNS-Repair-Erkrankung
durch Mutation am ATM-Gen (Reparatur von
Doppelstrangbrüchen)
12.10 · Spezielle Erkrankungen des Kleinhirns
383 12
z Klinik
55 progrediente zerebelläre Ataxie bis zur Rollstuhlpflichtigkeit,
Sprechstörung, Tremor, Chorea, Dysarthrie, kognitiver Abbau,
okuläre Apraxie
55 Immundefekt bei Thymushypoplasie (Infektneigung und
Malignomneigung)
55 typische okulokutane Telangiektasien

z Diagnostik
55 α-Fetoprotein erhöht
55 (Genetik)

z Therapie
55 nicht kausal möglich
55 Immunglobulinsubstitution
55 orthopädische Behandlung

12.10.2 Dandy-Walker-Malformation

55 Vermishypoplasie mit breiter Kommunikation zwischen 4.


Ventrikel und retrozerebellärem Liquorraum; oft Verschluss der
Foraminae Luschkae/Magendi
55 meist bei übergeordnetem ZNS-Fehlbildungssyndrom oder
allgemein syndromaler Erkrankung
55 heterogene Klinik, eventuell ataktische Symptomatik, Hydro-
zephalus, Nystagmus

12.10.3 Zerebellitis

55 im Rahmen verschiedener Infektionen durch direkten Befall,


postinfektiös oder autoimmun möglich

z Klinik
55 Leitsymptom: akute Ataxie Tage bis wenige Wochen nach Infekt
(typisch: post-Varizellen-Zerebellitis)

z Diagnostik
55 Klinik
55 zerebrale Bildgebung zum Nachweis der Entzündung des
Zerebellum, sowie zum Ausschluss Infarkt, Tumor, Enzephalitis,
Intoxikation (Alkohol, Ingestionsunfälle bei Kindern)
55 bei postinfektiösem Geschehen i. d. R. unauffällige Bildgebung

z Therapie
55 eventuell gezielt antibiotisch-antivirale Therapie
55 Behandlung Grunderkrankung
384 Kapitel 12 · Tag 5: Neurologische Erkrankungen

12.10.4 Pontozerebelläre Hypoplasie

55 kombinierte, meist progressive Hypoplasie von Pons und


Cerebellum
55 oft mit weiteren ZNS-Fehlbildungen
55 oft autosomal-rezessiv

z Klinik
55 evtl. früh klinisch-motorische, später kognitive Entwicklungspro-
blematik bzw. Verlust von Fähigkeiten (Sprache, Sehvermögen,
Motorik). Eventuell Chorea, Dystonien, Krampfanfälle

z Diagnostik
55 Klinik und Bildgebung
55 (Genetik)

z Therapie
55 symptomatisch

12.11 Spezielle syndromale Erkrankungen

7 Kapitel 3.

12.11.1 Rett-Syndrom

12 55 nur Mädchen betroffen


55 meist Mutation im MECP-2-Gen (Regulation von Methylierungs-
prozessen der DNS)
55 genauer Pathomechanismus unklar

z Klinik
55 nach unaufälliger früher Säuglingsperiode progrediente Mikro-
zephalie, Verlust rudimentärer Sprachfunktionen, zunehmend
spontane Hyperventilation, Waschbewegungen der Hände,
Krampfanfälle
55 autistische Verhaltenszüge, schwere geistige Behinderung
55 Verlust der Gehfunktion bis Tetraspastik und Skoliose

z Diagnostik
55 Klinik
55 MECP-2-Genetik (nicht immer positiv)

z Therapie
55 nicht kausal möglich
55 symptomatisch Antiepileptika und orthopädische
Versorgung
12.11 · Spezielle syndromale Erkrankungen
385 12
12.11.2 Kaudales Regressionssyndrom

z Klinik
55 komplexe Fehlbildung bzw. Hypoplasie von distaler Wirbelsäule,
distalem Rückenmark, Becken, Hüften, unteren Extremitäten,
Fehlen des Os sacrum
55 primär oder sekundär (z. B. bei schlecht therapiertem mütter-
lichem Diabetes mellitus)
55 evtl. zusätzlich weitere Fehlbildungen
55 Folgeschäden an Blase und Niere bzw. Darmentleerungsstörung
ähnlich Myelomeningozele. Selten Gehfähigkeit

z Diagnostik
55 Klinik
55 Bildgebung (Rückenmark, Becken, untere Extremitäten, intra-
abdominelle Organe)

z Therapie
55 symptomatisch
55 Vorbeugung renaler, intestinaler, muskuloskelettaler und neuro-
logischer Komplikationen

12.11.3 CDG-Syndrom

55 defekte Glykosylierungsprozesse führen zu Funktionsstörung


glykosylierter Moleküle (z. B. Glykoproteine)
55 mehr als 20 Formen bekannt

z Klinik
55 Multisystemerkrankung mit z. B. Hepatopathie, Myopathie,
Herzfehlbildung bzw. Herzinsuffizienz, Gerinnungsstörung, Infekt-
anfälligkeit, Retinopathie, auffällige Fettverteilung (Polster am
Gesäß), invertierte Brustwarzen, Skoliose, Osteoporose, ZNS-Fehl-
bildung, kognitive Störung, Gedeihstörung, Hypotonie, Ataxie
44Walker-Warburg-Syndrom: (O-Mannosyl-Transferase-Defekt)
Lissenzephalie, muskuläre Hypotonie, Augenfehlbildung,
Kleinhirnhypoplasie, Hydrozephalus, schwere mentale Retar-
dierung, Epilepsie, Gedeihstörung, CK-Erhöhung/Myopathie
44„muscle-eye-brain-disease“ (PomGnT1-Defekt): Lissenze-
phalie, muskuläre Hypotonie, Augenfehlbildungen, Klein-
hirndysplasie, psychomotorische Retardierung, Dysmorphie,
Epilepsie, CK-Erhöhung

z Diagnostik
55 Screening mittels isoelektrischer Fokussierung von Transferrin
(erfasst nicht alle Typen)
55 sonst Messung der Enzymaktivität oder Molekulargenetik
386 Kapitel 12 · Tag 5: Neurologische Erkrankungen

z Therapie
55 meist nur symptomatisch möglich
55 Mannose bei CDGIb (Phosphomannose-Isomerase-Mangel)
55 L-Fucose bei CDGIIc (Golgi-GDP-Fucose-Transporter)

12.12 Autoimmunerkrankungen des ZNS

12.12.1 Multiple Sklerose

55 häufigste chronisch-entzündliche ZNS-Erkrankung des (Kindes-)


und Jugendalters

z Klinik
55 Hauptsymptome: Optikus-Affektion, Retrobulbärneuritis,
Sensibilitätsstörungen, Doppelbilder, internukleäre Ophthalmo-
plegie, dissoziierter Nystagmus, Trigeminusneuralgie, Dysarthrie,
Ataxie, Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie, Müdigkeit:
44tonische Hirnstammanfälle: schmerzhafte, Minuten dauernde
tonische unilaterale Extremitätenverkrampfung
44Uthoff-Phänomen: Verschlechterung bei Wärme
44Lhermitte-Zeichen: Wirbelsäulen-Parästhesie bei Kopf
beugen
44Charcot-Trias: Intentionstremor, Nystagmus, skandierende
Sprache (Kleinhirnzeichen)
55 klinische Verlaufsformen:
44primär schubförmig (RRMS)
12 44primär chronisch-progredient (PPMS)
44sekundär chronisch (SPMS)
44Sonderformen: Schilder-Sklerose, konzentrische Sklerose,
maligne monophasische MS

z Diagnostik
55 Diagnose anhand modifizierter McDonald-Kriterien
55 Nachweis mehrerer Schübe mit räumlicher und zeitlicher
Dissemination
55 Diagnose zweiter Schub auch über MRT (nach ≥3 Monaten)
55 initial wichtigste Differenzialdiagnose: ADEM (akut dissemi-
nierte Enzephalomyelitis)
55 MRT: insbesondere Sehnerv, Pons, Kleinhirn, Pyramidenbahn,
Rückenmark-Hinterstränge

z Therapie
55 kaum pädiatrische Therapiestudien
55 Methylprednisolon akuter Schub, insbesondere bei
Optikusneuritis
55 Dauertherapie: Glatiramerazetat oder β-Interferone, zunehmend
im Kindes- und Jugendalter Anti-Integrin-Antikörper (Tysabri®);
12.12 · Autoimmunerkrankungen des ZNS
387 12
bisher wenig Erfahrung mit neuen Medikamenten wie Fumar-
säure, Teriflunomid oder Alemtuzumab

12.12.2 Akute transverse Myelitis (ATM)

55 heterogene Ätiologie, infektiöse (bakteriell, viral; häufiger als im


Erwachsenenalter), parainfektiöse (Antigene bisher unbekannt)
und autoimmune (+ Optikusneuritis = Neuromyelitis optica)
Prozesse

z Klinik
55 akute motorische oder sensorische Ausfälle bzw. vegetative
Störungen, nicht immer sicher Rückenmarkssegment
zuzuordnen
55 typisch: Gefühlsstörung kaudal Nabel, Beinschwäche,
Blasen-Mastdarm-Störung
55 Sonderform Neuromyelitis optica (NMO): Neuritis nervi
optici + langstreckige ATM + Anti-Aquaporin-Kanal-Antikörper

z Diagnostik
55 Klinik
55 Bildgebung (MRT) zum Nachweis Myelon-Entzündung
55 Elektrophysiologie (Latenzverzögerung SEP)

z Therapie
55 hochdosiert Steroide (Methylprednisolon), Evidenz niedrig
55 bei Unklarheit antivirale und antibakterielle Therapie
55 bei NMO hochdosiert Steroide, evtl. gefolgt von
Azathioprin-Langzeittherapie

Akut disseminierte Enzephalomyelitis


12.12.3 
(ADEM)

55 akute Autoimmunerkrankung (vermutlich humoral) mit


fleckigen Demyelinisierungen insbesondere supra- (+ infra-)
tentorielles Marklager, selten auch Kortex
55 Auslöser z. B. parainfektiös verschiedene Erreger

z Klinik
55 akute Enzephalopathie mit Bewusstseinsstörung, oft Krampf-
anfälle, fokal-neurologische Ausfälle (bei MS meist keine
Enzephalopathie)

z Diagnostik ! Cave multiple Sklerose als


55 Klinik + Kernspintomographie wichtige Differenzialdiagnose erst
55 Liquor: kein charakteristischer Befund im Verlauf diagnostizierbar!
388 Kapitel 12 · Tag 5: Neurologische Erkrankungen

z Therapie
55 hochdosiert Methylprednisolon für 3–5 Tage
55 bei schweren Verläufen Immunglobuline, Plasmapherese

12.12.4 Opsoklonus-Myoklonus-Syndrom

55 vermutlich Autoantikörper gegen Purkinjezellen. Isoliert oder


paraneoplastisch bei Neuroblastom im Kindesalter (siehe dort)

z Klinik und Diagnostik


55 Myoklonien, spontan-ruckartig-unwillkürliche Pupillenbewe-
gungen, motorischer Abbau, Ataxie
55 Stimmungslabilität

z Therapie
55 hochdosiert Steroide/ACTH, oft über langen Zeitraum
erforderlich
55 ggf. Tumortherapie

12.13 Besonderheiten kindlicher ZNS-Infektionen

55 Schädigung des ZNS im Rahmen verschiedener Infektionskrank-


heiten möglich(7 Kap. 4)
55 Prädisposition durch anatomische Besonderheiten (z. B.
Liquorfistel), unreifes Immunsystem (z. B. intrauterin CMV,
12 Toxoplasmose, Röteln), besondere Virulenz (z. B. HSV, Tuber-
kulose), Immunschwäche (HIV, iatrogene Immunsuppression,
angeborener Immundefekt), spezieller Neurotropismus (z. B. HSV,
VZV, EBV, CMV)
55 Schädigungsmechanismen:
44direkter Erregerbefall (Abszesshöhle, Lyse infizierter Zellen)
44Toxine der Erreger
44systemische Entzündungsreaktion im Rahmen der Infektion
44erregerinduzierte Autoimmunreaktion
44persistierende ZNS-Infektion unterhält dauerhaft Erreger-be-
dingte (z. B. SSPE) oder entzündungsvermittelte Schädigung
44direkt erregervermittelte (VZV) oder inflammatorisch
bedingte Vaskulopathie

z Klinik
55 fokale Ausfälle, Meningismus, Hirndruck, Krampfanfälle,
Bewusstseinsstörung

z Diagnostik
55 Goldstandard Erregernachweis im Liquor (Kultur, PCR); nicht
immer möglich
12.14 · Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörung
389 12
55 daher erregerspezifisch Verfahren auswählen (z. B. Immunoblot
für Mykoplasmen, Borrelien)
55 bei Parenchymläsion eventuell nur bioptisch Diagnose möglich
(Koinfektion bei HIV; Pilzinfektionen)
55 Bildgebung zur Erfassung von Komplikationen (Abszess, Infarkt,
Hydrozephalus)

z Therapie
55 Ziele: > Memo oft hohe
44Eliminierung Erreger: nur bei klassischen bakteriellen Medikamentendosen erforderlich
Infektionen möglich (z. B. neonatal B-Streptokokken, E. coli, (Penetranz in das ZNS).
Listerien; Kleinkind Haemophilus; Schulkind Meningo-
kokken, Borrelien); Therapiedauer meist einige Wochen
44Latenzbildung Erreger: viele Erreger persistieren lebenslang
im ZNS; mehrwöchige bis mehrmonatige Therapie soll
virulente Infektion in latente Infektion umwandeln
(z. B. neonatale CMV, Toxoplasmose. HSV-Infekt des
Schulkindes)
44Suppression Erreger: insbesondere bei Immundefizienz (z. B.
HIV) sowie bei einigen Mykosen keine Eliminierung bzw.
Latenzbildung möglich; hier evtl. Dauertherapie bzw. Therapie
bis zur Immunrekonstitution
44Vermeidung immunvermittelten Schadens: genaue Bedeutung
bzw. Pathomechanismen unklar; effektive Steroidtherapie
gesichert bei Toxoplasmose-Retinitis, ZNS-Tuberkulose,
HiB-Meningitis; bei einigen Erregern dominiert vermutlich
parainfektiöser Schaden (Influenza A, Mykoplasmen);
Mechansimen oft unklar
44Imunmodulation: gezielte Chemotherapie nicht immer
möglich; evtl. immunmodulierende Interferontherapie effektiv
(z. B. α-Interferon bei SSPE)
44Therapiekontrolle: zur Erfolgskontrolle evtl. wiederholt
Liquoruntersuchung bzw. Erregerlastbestimmung

12.14 Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörung

55 „attention deficiency hyperactivity syndrome“ (ADHS)


55 Veränderung zerebraler Dopamin-, evtl. auch Noradrenalin- und
Serotoninstoffwechsel
55 Risikofaktoren: Nikotin und Alkohol in Schwangerschaft, familiär
(genetisch, psychosozial)

z Klinik
55 Hauptsymptome (situationsübergreifend, ≥6 Monate), in der
Regel bereits ab Kleinkindesalter
44Aufmerksamkeitsstörung (Ablenkbarkeit, kurze
Konzentrationsspanne)
390 Kapitel 12 · Tag 5: Neurologische Erkrankungen

. Tab. 12.9  IHS-Klassifikation primärer Kopfschmerzerkrankungen (Auswahl, Details www.ihs-classification.org)

Migräne – Migräne ohne Aura


– Migräne mit Aura
– Periodische Syndrome in der Kindheit, die meist Vorläufer einer
Migräne sind
Wahrscheinliche Migräne – Ohne Aura
– Mit Aura
– Wahrscheinliche chronische Migräne
Kopfschmerz von Spannungstyp – Sporadisch auftretender episodischer Kopfschmerz vom
Spannungstyp
– Häufig auftretender episodischer Kopfschmerz vom Spannungstyp
– Chronischer Kopfschmerz vom Spannungstyp
– Wahrscheinlicher Kopfschmerz vom Spannungstyp
Clusterkopfschmerz und andere trigemino- – Im Kindesalter selten
autonome Kopfschmerzerkrankungen
Andere primäre Kopfschmerzen – Im Kindesalter selten

44Impulsivität (kognitiv, motivatorisch, emotional)


44Hyperaktivität
55 Komorbiditäten: Aggressionen, dissoziales Verhalten, Angst,
Depression, Tics, Teilleistungsstörungen, Legasthenie, Einschlaf-
störung, Somatisierungsstörung

z Diagnostik
12 55 störungsspezifische Diagnostik, allgemeine Entwicklungsdiag-
nostik, störungsrelevante Rahmenbedingungen (Familie, Schule
usw.), Komorbiditäten

z Therapie
55 pädagogischer Ansatz: Familie einbeziehen, strukturierter Tages-
ablauf, Grenzen setzen
55 Medikamentös: Amphetaminpräparate, z. B. Methylphenidat

12.15 Kopfschmerzen im Kindes- und Jugendalter

55 häufig bei Kindern und Jugendlichen; die meisten von Erwach-


senen bekannten Formen auch hier nachweisbar (. Tab. 12.9)

z Klinik
55 Hauptformen: Spannungskopfschmerz und kindliche Migräne;
klinisch nicht immer scharfe Trennung möglich
44kindliche Migräne
–– Diagnosekriterien (. Tab. 12.10) bei kindlicher Migräne
nicht immer erfüllt
12.15 · Kopfschmerzen im Kindes- und Jugendalter
391 12

. Tab. 12.10  Diagnosekriterien der einfachen Migräne nach der IHS (Details siehe www.ihs-classification.org)

A Mindestens 5 Attacken, die die Kriterien B–D erfüllen


B Kopfschmerzattacken, die unbehandelt oder erfolglos behandelt 4–72 h anhalten
C Kopfschmerz zeigt wenigstens 2 der folgenden Charakteristika
– Einseitige Lokalisation
– Pulsierender Charakter
– Mittlere oder starke Schmerzintensität
– Verstärkung durch körperliche Routineaktivitäten oder führt zu deren Vermeidung
D Während des Kopfschmerzes besteht mindestens eines der folgenden Symptome
– Übelkeit und/oder Erbrechen
– Photophobie und Phonophobie
E Nicht auf andere Erkrankung zurückzuführen

–– typisch wiederkehrend, unilateral, auch mit Plus-


Symptomen (Hemiplegie, Parästhesie, Erbrechen),
eventuell Triggerfaktoren (Wetterumschwung, spezielle
Nahrungsmittel)
–– im Intervall vollständige Symptomrückbildung und
Beschwerdefreiheit
–– positive Familienanamnese
44klassischer Spannungskopfschmerz
–– Auftreten im Rahmen von Belastungssituationen (familiär,
sozial, Schule)
–– Auftreten eher nach der Schule
–– Lokalisation bilateral
–– auch als Hinweis auf Konzentrationsstörung oder schulische
Überforderung

z Diagnostik
55 neurologische Untersuchung, Anamnese (Belastungsfaktoren, > Memo wichtigstes
Familienanamnese), Blutdruck, Kopfschmerzprotokoll diagnostisches Mittel ist das
55 Bildgebung nicht in jedem Fall nötig, jedoch oft zur Beruhigung Kopfschmerzprotokoll!
wichtig
55 kognitive Testung bei Verdacht auf Überlastungssituation

z Therapie
55 Stufentherapie der Migräne:
44Stufe 1: Paracetamol, Ibuprofen, Azetylsalizylsäure, Reduktion
von Stressfaktoren
44Stufe 2: + Antiemetikum
44Stufe 3a: Triptanpräparat bei seltenen sonst therapieresistenten
Anfällen
44Stufe 3b: Langzeitprophylaxe mit β-Blocker, Kalziumant-
agonisten, eventuell Antiepileptika (Lamotrigin, Valproat,
Carbamazepin) bei sehr häufigen Attacken
55 Begleittherapie: Entspannungstechniken, Biofeedback
393 13

Tag 5: Dermatologische
Erkrankungen
H. Ott, A. Reimer

13.1 Transiente Hautveränderungen im Neugeborenenalter – 394


13.1.1 Postnatale Desquamation – 394
13.1.2 Erythema toxicum neonatorum – 394
13.1.3 Miliaria – 394
13.1.4 Cutis marmorata – 395
13.1.5 Milien – 395

13.2 Infektiöse Hauterkrankungen – 396


13.2.1 Bakterielle Hautinfektionen – 396
13.2.2 Virale Infektionen der Haut – 397
13.2.3 Mollusca contagiosa – 399
13.2.4 Coxsackievirus-Infektionen – 399
13.2.5 Fungale Infektionen der Haut – 400
13.2.6 Parasitäre Infektionen der Haut – 400

13.3 Erythematosquamöse Erkrankungen – 400


13.3.1 Ekzeme – 400
13.3.2 Psoriasis – 405

13.4 Akne – 407


13.4.1 Acne vulgaris – 407

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2017


B. Karges, N. Wagner (Hrsg.), Pädiatrie in 5 Tagen, Springer-Lehrbuch,
DOI 10.1007/978-3-662-52813-6_13
394 Kapitel 13 · Tag 5: Dermatologische Erkrankungen

13.1 Transiente Hautveränderungen


im Neugeborenenalter

! Cave differenzialdiagnostische 55 in den ersten 28 Lebenstagen auftretende, spontan rückläufige


Abgrenzung schwerer Haut- Effloreszenzen
und Systemerkrankungen
bei zusätzlichen Symptomen
(Trinkschwäche, Hypothermie, 13.1.1 Postnatale Desquamation
Irritabilität etc.) stets
erforderlich! 55 innerhalb der ersten Lebenstage auftretende, physiologische
Adaptation an extrauterines Milieu → transepidermaler Wasser-
verlust → trockene Haut, Abschuppung (Desquamation)
55 gehäuftes Auftreten bei Gestationsalter >40. SSW

z Klinik
55 fein- bis mittellamelläre Schuppung im Bereich des gesamten
Integuments

z Diagnostik
> Memo bei persistierender 55 klinische Diagnose
Desquamation wichtigste
Differenzialdiagnose: z Therapie
kongenitale Ichthyose → 55 nicht erforderlich
dermatologisches Konsil.

13.1.2 Erythema toxicum neonatorum

55 bei bis zu 70 % reifer Neugeborener, seltener bei Frühgeborenen


55 Ätiologie unbekannt
13
z Klinik
55 stammbetonte, erythematöse Papulovesikel unter Aussparung der
Palmoplantarregion
55 guter Allgemeinzustand, keine Schleimhautbeteiligung
55 Beginn in der ersten Lebenswoche, spontanes Abklingen (Tage bis
wenige Wochen)

z Diagnostik
55 klinische Diagnose

z Therapie
55 Beruhigung der Eltern, keine spezifische Therapie

13.1.3 Miliaria

55 Synonym: „Schweißbläschen“, bei ca. 15 % aller Neugeborenen


13.1 · Transiente Hautveränderungen im Neugeborenenalter
395 13
55 übermäßiges Schwitzen → Obstruktion, Ruptur der
Ausführungsgänge ekkriner Schweißdrüsen im Stratum
corneum (Miliaria cristallina) oder intraepidermal
(Miliaria rubra)

z Klinik
55 Miliaria cristallina: „wasserklare“, stecknadelkopfgroße Papulove-
sikel auf ansonsten gesunder Haut
55 Miliaria rubra: wenige Millimeter große, erythematöse Papulove-
sikel, begleitende Entzündungsreaktion

z Diagnostik
55 klinische Diagnose

z Therapie
55 Eine Therapie ist bei selbstlimitierendem Verlauf häufig nicht
erforderlich
55 Vermeidung übermäßigen Schwitzens
55 Trockenpinselung mit Zinkschüttelmixturen

13.1.4 Cutis marmorata

55 vasomotorische Reaktion Neugeborener auf Kältereize

z Klinik
55 retikuläre, teils livide Gefäßzeichnung der Haut
55 rasches Abklingen nach Erwärmung

z Diagnostik
55 klinische Diagnose bei assoziierten Auffälligkeiten
(Körperasymmetrie,
z Therapie Makrozephalus) an Cutis
55 kalte Umgebungstemperatur vermeiden, ausreichender textiler marmorata teleangiectatica
Kälteschutz congenita denken → Konsil
Dermatologie, Neuropädiatrie.

13.1.5 Milien

55 epidermale Retentionszysten ohne Krankheitswert bei bis zu 40 %


der Neugeborenen

z Klinik
55 bis 2 mm große, weißliche Papeln („milk spots“)
55 Prädilektionsstellen: Nasenrücken, Wangen, Stirn
55 als „Epstein-Perlen“ im Bereich des harten Gaumens, als „Bohn-
Noduli“ an der Zahnleiste
396 Kapitel 13 · Tag 5: Dermatologische Erkrankungen

z Diagnostik
55 klinische Diagnose

z Therapie
55 Spontanregredienz, spezifische Therapie nicht erforderlich

13.2 Infektiöse Hauterkrankungen

13.2.1 Bakterielle Hautinfektionen

Impetigo contagiosa
! Cave sehr hohe 55 häufigste bakterielle Hauterkrankung im Kindesalter, Altersgipfel
Kontagiosität, Ausbreitung in 3.–8. Lebensjahr
Kindergartengruppen etc.! 55 Erreger: Staphylococcus aureus (2/3) und Streptococcus pyogenes
(1/3)

z Klinik
! Cave Ausbildung großer 55 rasch erodierende Vesikel, „honiggelbe“ Krusten auf erythema-
Blasen: Hinweis auf tösem Grund
hämatogene Toxinwirkung 55 Prädilektionsstellen: Zentrofazialregion, Hände
→ Übergang in großflächige 55 Sonderform „Impetigo bullosa“: schlaffe, rasch erodierende
„Hautablösung“ (Dermatitis Blasen mit narbenloser Abheilung
exfoliativa, Synonym: 55 bei Persistenz frühzeitig an Differenzialdiagnosen der blasen-
„staphylococcal scalded skin bildender Dermatosen im Neugeborenen- und Säuglingsalter
syndrome“, SSSS, M. Ritter) denken
möglich. 44angeboren
–– Epidermolysis bullosa simplex, Epidermolysis
bullosa junctionalis, Epidermolysis bullosa
13 dystrophicans
–– Ichthyosis bullosa Siemens
–– epidermolytische Hyperkeratose
–– Incontinentia pigmenti
44erworben:
–– neonataler Pemphigus vulgaris
–– diffuse kutane Mastozytose
–– kongenitale Syphilisinfektion
–– Stevens-Johnson-Syndrom
–– toxisch-epidermale Nekrolyse

z Diagnostik
55 klinische Diagnose
55 mikrobiologischer Hautabstrich inkl. Resistogramm
! Cave Primärresistenz von
Staphylococcus aureus: z Therapie
Penicillin V/G bis 90 %, 55 in der Regel (wenn ≥3–5 % KOF betroffen) systemische
Erythromycin bis 30 %. Antibiotika in Kombination mit topischen Antiseptika
13.2 · Infektiöse Hauterkrankungen
397 13
55 Mittel der Wahl: Cephalosporine 1. Generation (z. B. Cefadroxil),
Amoxicillin + Clavulansäure
55 intensive Aufkärung über hochgradige Kontagiosität, initial kein
Kindergarten-/Schulbesuch!

Perianale Streptokokken-Dermatitis
55 durch β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A
hervorgerufene, typischerweise im Kleinkindesalter unmittelbar
perianal auftretende Infektionserkrankung (= Sonderform des
Erysipels)

z Klinik
55 perianal lokalisiertes, scharf begrenztes Erythem mit vereinzelten
Rhagaden
55 starker Berührungs- und Defäkationsschmerz → Komplikation:
Obstipation, Stuhlverhalt

z Diagnostik
55 klinische Diagnose
55 mikrobiologischer Hautabstrich inkl. Resistogramm

z Therapie
55 systemische Therapie mit z. B. Penicillin V oder Cefuroxim

13.2.2 Virale Infektionen der Haut

Gingivostomatitis herpetica
55 Syn. Stomatitis aphtosa, „Mundfäule“

z Klinik
55 Klinisches Korrelat der Primärinfektion, im Kindesalter zumeist ! Cave Dehydratation
durch HSV1 bei Trinkschwäche und
55 unspezifisches Prodromalstadium (Fieber, Trinkschwäche) Nahrungsverweigerung!
55 im Verlauf Hypersalivation, Enanthem, Foetor ex ore
55 stark schmerzhafte Vesikel und Aphthen im Bereich der oralen
Mucosa

z Diagnostik
55 klinische Diagnose, virologische Abstriche zur HSV-PCR nur in
Ausnahmefällen erforderlich

z Therapie
55 supportive Therapie (Analgesie, Lokalanästhetika-Mundgel,
Speiseeis anbieten; falls nicht erfolgreich intravenöse Rehydra-
tation); Aciclovir i.v. (s. u.) nur bei schweren Verläufen
398 Kapitel 13 · Tag 5: Dermatologische Erkrankungen

Kutane Herpes-simplex-Infektion
55 Hautinfektion durch HSV 1 („Extragenitaltyp“) oder HSV 2
(„Genitaltyp“)

z Klinik
55 perioral, nasal oder an Fingern gruppierte, schmerzhafte
Papulovesikel auf erythematösem Grund
55 wiederholtes Auftreten in gleicher Lokalisation = Herpes simplex
recidivans in loco

z Diagnostik
55 klinische Diagnose, virologische Abstriche zur HSV-PCR nur in
Ausnahmefällen erforderlich

z Therapie
55 Aciclovir Creme 5-mal täglich im Frühstadium der
Erkrankung

> Memo bei Komplikationen Eczema herpeticatum


Aciclovir i.v., bei 55 bei Kindern mit atopischem Ekzem und Immunsupprimierten
Niereninsuffizienz → 55 disseminierte Papulovesikel, „ausgestanzte“ Hauterosionen und
Dosisanpassung! Ulcera, Fieber
55 Gefahr der Abszessbildung und Lymphadenopathie, bakte-
! Cave schwer kranke Kinder, rielle Superinfektion (Erreger meist Staphylococcus aureus
stationäre Aufnahme! 7 Abschn. 13.2.1)

Erythema exsudativum multiforme


13 55 parainfektiös vor allem bei Herpesinfektion und
Mykoplasmen-Infektion auftretende, „infektallergische“
Hauterkrankung
55 Kokarden-artige Plaques, Ausbreitung auf gesamtes Integument
möglich
55 Schleimhautbeteiligung: apthoide Läsionen an Mund-, Konjunk-
tival- und Genitalschleimhaut

Keratoconjunctivitis herpetica
! Cave Hornhautnarben, 55 Photophobie, starke konjunktivale Injektion → ophthalmologi-
Uvea- und Retinabeteiligung. sches Konsil!

Meningoencephalitis herpetica, perinatale


HSV-Infektion
7 Kapitel 4
13.2 · Infektiöse Hauterkrankungen
399 13
13.2.3 Mollusca contagiosa

55 Synonym: Dellwarzen
55 vorwiegend im Kindesalter auftretende Hautinfektion mit
Mollusca contagiosa-Virus

z Klinik
55 meist isoliert stehende, zentral genabelte, hautfarbene Papeln,
Durchmesser bis 10 mm
55 Spontanheilung bei ansonsten gesunden Patienten
55 bei Atopischem Ekzem häufig multiple, disseminierte Mollusca
contagiosa („Eczema molluscatum“)
55 bei Immunsuppression Auftreten sog. „Riesen-Mollusken“
(Molluscum contagiosum giganteum)
55 Inhalt der Dellwarzen ist kontagiös → Aufkratzen/Manipulation
führt zu Autoinokulation

z Diagnostik
55 klinische Diagnose
55 nur bei unklaren klinischen Befunden Exzisionsbiopsie und
histologische Diagnostik

z Therapie
55 bei immunkompetenten Patienten kann Spontanheilung
abgewartet werden
55 bei Immunsuppression, atopischem Ekzem, kosmetischer
Beeinträchtigung
44Therapie erster Wahl: konservative Therapie (Stimulation
des wirtseigenen Immunsystems): Tretinoin-Gel, 10 %-ige
KOH-Lösung, Imiquimod-Creme (off-label/individueller
Heilversuch)
44alternativ: Kürettage in Lokalanästhesie, ggf. in Vollnarkose
bei disseminiertem Befall

13.2.4 Coxsackievirus-Infektionen

Hand-Fuß-Mund-Krankheit
55 Papulovesikel an Händen, Füßen sowie peri- und enoral
55 häufig verursacht durch Coxsackievirus A16, A6 und
Enterovirus 71
55 meist geringes Krankheitsgefühl
55 häufig endemische Ausbrüche in Kindergärten, Krippen
55 Wochen bis Monate nach der Infektion kann es zu
Onychomadese kommen (v.a. bei Subtyp Coxsackie A6), die
Nägel wachsen nach
400 Kapitel 13 · Tag 5: Dermatologische Erkrankungen

Gloves-and-Socks-Erkrankung
55 Erscheinungsbild einer Coxsackie-Infektion bei älteren Kindern
55 socken- und handschuhförmiges, papulomakuläres Exanthem im
Bereich von Armen und Beinen

z Diagnostik
55 Klinische und anamnestische Diagnosestellung

z Therapie
55 meist nicht erforderlich, ggf. symptomatisch (7 Abschn. 13.2.2
Gingivostomatitis herpetica)

13.2.5 Fungale Infektionen der Haut

7 Abschn. 4.5.1

13.2.6 Parasitäre Infektionen der Haut

7 Abschn. 4.8

13.3 Erythematosquamöse Erkrankungen

55 heterogene Gruppe entzündlicher Hauterkrankungen, die mit


Hautrötung und Schuppung einhergehen:
44Ekzeme
44Psoriasis vulgaris
13 44Pityriasis rubra pilaris (im Kindesalter selten)
44Parapsoriasis (im Kindesalter sehr selten)

13.3.1 Ekzeme

Atopisches Ekzem (AE)


> Memo chronische, nicht- 55 Synonyme: Neurodermitis, atopische Dermatitis, endogenes
kontagiöse Hauterkrankung Ekzem
bei gestörter epidermaler 55 Prävalenz im Kindesalter bis zu 20 % („Zivilisationskrankheit“),
Barrierefunktion mit kutaner >85 % aller Erkrankungsfälle vor dem 5. Lebensjahr, >50 % vor
Entzündungsreaktion in dem 1. Lebensjahr
charakteristischer Lokalisation. 55 multifaktorielle Ätiologie/Pathogenese:
44genetische Prädisposition (75 % Konkordanzrate bei homozy-
goten Zwillingen)
44Mutationen im epidermalen Differenzierungskomplex
(Chromosom 1q21), insbesondere Filaggrin → erhöhte
transkutane Allergen-Penetration, transepidermaler
Wasserverlust
13.3 · Erythematosquamöse Erkrankungen
401 13
44immunologische Dysbalance, Überwiegen des Th2-Lympho-
zytensubtyps → typisches Zytokinprofil (IL-4, IL-5, IL-13),
erhöhtes Gesamt-IgE, Eosinophilie
44gestörte Synthese epidermaler Lipide (Ceramide,
Glycosphingolipide)
44verminderte kutane Produktion antimikrobieller Peptide
(beta-Defensine, Cathelicidine)
55 unterschiedliche Triggerfaktoren: Inhalations-/Kontaktallergene,
Stress, Irritanzien (Wolle, Reinigungsmittel), mikrobielle
Kolonisation (Staph. aureus, Malassezia furfur), Klima, im
Säuglings- und Kleinkindalter auch Nahrungsmittelallergene (am
häufigsten Kuhmilchprotein, Hühnereiweiß, Erdnuss) etc.

z Klinik
55 altersabhängig unterschiedlicher klinischer Phänotyp!
44Säuglings- und Kleinkindesalter: stark juckende, häufig
exkoriierte, exsudativ-nässende Erytheme im Wangenbereich
und an den Streckseiten der Extremitäten
44Schulkind- und Adoleszentenalter: ausgeprägte Hauttro-
ckenheit, starker Juckreiz und Beugen-betonte, lichenifizierte
Erytheme; Hand- und Fußekzeme
55 häufige Assoziation mit weiteren atopischen Erkrankungen (ca.
30 % Nahrungsmittelallergie)
55 nicht selten Superinfektion mit Staphylococcus aureus: Impetigo ! Cave schwerer Verlauf kutanter
contagiosa (7 Abschn. 13.2.1), Coxsackieviren (Eczema coxsa- Herpes-simplex-Infektionen:
ckium 7 Abschn. 13.2.2) und Dellwarzen (Eczema molluscatum Eczema herpeticatum.
7 Abschn. 13.2.2)
55 klinische Diagnosekriterien nach Hanifin und Rajka:
444 Majorkriterien:
–– Juckreiz
–– typische Morphologie und Lokalisation
–– chronischer oder chronisch-rezidivierender Verlauf
–– Atopie-Familienanamnese (Asthma bronchiale, allergische > Memo 3 Majorkriterien + 3
Rhinitis, atopisches Ekzem) Minorkriterien = Diagnose
55 23 Minorkriterien . Tab. 13.1 „atopisches Ekzem“.

z Diagnostik
55 Anamnese:
44atopische Erkrankungen bei Verwandten ersten Grades
44bisheriger Krankheitsverlauf (Triggerfaktoren,
Komplikationen)
44Begleiterkrankungen (Asthma bronchiale, Nahrungsmittel-
allergie, Heuschnupfen)
44Einschränkung Lebensqualität (Schlafstörungen, Schulfehl-
zeiten etc.)
44bisherige Lokal- (Kortikosteroide, Immunmodulatoren)
und Systemtherapie (Kortikosteroide, Antibiotika,
Immunsuppressiva)
402 Kapitel 13 · Tag 5: Dermatologische Erkrankungen

. Tab. 13.1  Diagnostische Minorkriterien nach Hanifin und Rajka 1980


(Auswahl)

Minorkriterium Erläuterung

Xerosis cutis Ausgeprägte Hauttrockenheit


Cheilitis Abakterielle Entzündung der Lippen
Dennie-Morgan-Falte Doppelte Unterlid-/Infraorbitalfalte
Pityriasis alba Feinlamelläre Schuppung
Neigung zu kutanen Herpes simplex, Staphylococcus aureus
Infektionen
Nahrungsmittelallerige Häufig: Hühnerei, Kuhmilch, Soja, Erdnuss
Weißer Dermographismus Weiße Hautstreifen nach tangentialem Druck
Keratosis pilaris Perifollikuläre Hyperkeratose („Reibeisenhaut“)
Pulpitis sicca Entzündung der Finger- und Zehenkuppen
Keratokonus Kegelförmige Verformung der Kornea

55 körperliche Untersuchung gemäß klinischer Diagnosekriterien


nach Hanifin & Rajka (s. o.), Schweregradeinteilung mittels
SCORAD-Score (SCORing Atopic Dermatitis, bezieht neben
objektiven Kriterien auch subjektive Beeinträchtigungen wie
Juckreiz und Schlaflosigkeit ein)
55 Labor: Gesamt-IgE, allergenspezifische IgE-Antikörper, Differen-
zialblutbild (Eosinophilie)
55 bei V.a. Superinfektion Mikrobiologie, Virologie: Hautabstrich
(bakteriologische Kultur, ggf. HSV-PCR)

13 z Therapie
55 Triggerfaktoren meiden
55 Lokaltherapie:
44rehydrierende Basistherapie: stadien-, alters- und
lokalisationsabhängige Behandlung mit Externa unter-
schiedlichen Wasser- und Lipidgehalts (Lotio, Creme, Salbe,
Fettsalbe)
44Antiseptika: Farbstoffe (z. B. wässriges Eosin 1 %, Methylros-
! Cave Nebenwirkungen: anilin 0,5 %), Polihexanid-Gel 0,04 % u. a.
Hautatrophie, Teleangiektasien, 44topische Glukokortikoide:
Hypertrichose, Striae rubrae, –– einmal tägliche Anwendung ausreichend, Therapiedauer
systemische Resorption → bis zum Abklingen akuter Beschwerden, in der Regel <10
Nebennierenrindeninsuffizienz. Tage, ggf. anschließend proaktive Therapie 2x/Woche über
mehrere Monate
! Cave Lichtschutz gemäß 44topische Immunmodulatoren (Pimecrolimus, Tacrolimus),
Fachinformation empfehlenswert, zugelassen ab dem 2. Lebensjahr
keine Anwendung bei viraler –– Indikation: topische Glukokortikoide nicht ausreichend
Hautinfektion! wirksam oder dauerhaft erforderlich
13.3 · Erythematosquamöse Erkrankungen
403 13
–– langfristige Anwendung ohne Risiko glukokortikoid-typischer
Nebenwirkungen möglich, ggf. proaktive Therapie 2x/Woche
55 systemische Therapie bei schwerem AE
44starker Juckreiz und Einschlafstörungen: kurzfristig sedie-
rende Antihistaminika der 1. Generation (z. B. Dimetinden-
maleat, Clemastinhydrogenfumarat)
44bakterielle Superinfektion: Staphylokokken-wirksames ! Cave zahlreiche mögliche
Betalaktam-Antibiotikum (z. B. Cefadroxil) Nebenwirkungen →
44Eczema herpeticatum: Aciclovir i.v. über mindestens 7 Tage schriftliche Aufklärung,
44schweres, therapieresistentes AE: Ciclosporin p. o. (off-label) regelmäßige Laborkontrollen,
44Therapiedauer i. d. R. <12 Monate Blutdruckmessungen;

Allergisches Kontaktekzem
55 T-Zell-vermittelte allergische Spättypreaktion auf kleinmole-
kulare Substanzen > Memo wichtige
55 Epidemiologie alters- und geschlechtsabhängig: im Säuglings- Kontaktallergene im Kindes-
und Kleinkindalter selten, Punktprävalenz im Jugendalter 10 % und Jugendalter: Nickelsulfat,
(Jungen) bis 20 % (Mädchen) Duftstoffe, Bufexamac.

z Klinik
55 Akutphase (Stunden bis Tage nach Allergenkontakt):
44juckendes, scharf begrenztes, z. T. bizarr konfiguriertes
Erythem
44Vesikel- und Blasenbildung, Erosionen, Exsudation,
Krustenbildung
44ektope Reaktionen mit ekzematösen Streuherden und Angio-
ödemen möglich
55 chronisches Kontaktekzem (über Monate oder Jahre):
44Xerosis cutis, Hyperkeratosen, groblamelläre Schuppung,
Rhaghadenbildung
44unscharfe Begrenzung, häufig palmoplantare Lokalisation

z Diagnostik
55 ausführliche allergologische Anamnese
44Hobby- und Freizeit (Feuchtarbeiten, Tierkontakt, > Memo Durchführung
Werkstoffe) nur im erscheinungsfreien
44Kosmetika (Haarfärbemittel, Duftstoffe, Intervall und nach Absetzen
Konservierungsmittel) immunsuppressiver
44Ausbildung, Praktika (Gesundheitsberufe, Friseurberuf etc.) Medikamente (v. a. systemischer
55 Epikutantest Kortikosteroide)!
44Auswahl der Testsubstanzen gemäß Anamnese, routinemäßig
Testung mit „Kinder-Standardreihe“ der Deutschen Kontakt- ! Cave akute Ekzemreaktion
allergie Gruppe (DKG) im gesamten Rückenbereich
44epikutane Pflasterfixierung der Testsubstanzen auf dem („angry back“) bei hochgradig
Rücken, Entfernung nach 24 h sensibilisierten Patienten möglich
44Testablesung 30 min und 48 h nach Entfernung der Testpflaster → Testung nicht auswertbar.
404 Kapitel 13 · Tag 5: Dermatologische Erkrankungen

z Therapie
> Memo strikte Allergenkarenz! 55 topische Glukokortikoide der Wirkstärke II an Stamm und
Extremitäten, im Gesichtsbereich sowie bei Säuglingen maximal
Wirkstärke I, ggf. Pimecrolimus
55 in der Akutphase bei starker Ekzemreaktion ± Angioödem, ggf.
kurzzeitig orales Kortikosteroid (z. B. Methylprednisolon 1 mg/kg
KG über 3–5 Tage)
55 Hautschutz (rehydrierende Basistherapie, Meidung von
Irritanzien, Handschuhe etc.)

Windeldermatitis
55 nicht-allergische Entzündung der Genitoanalregion bei bis zu 1/3
aller Säuglinge
55 multifaktorielle Ätiologie:
44Windelokklusion („feuchte Kammer“), Hautkontakt mit
Urin/Stuhl → Störung der epidermalen Hautbarriere durch
pH-Erhöhung und Stuhl-Proteasen → Mazeration und
Irritation
44sekundäre Kolonisation mit Candida albicans v. a. nach
systemischer Antibiotikatherapie

z Klinik
> Memo bei Windelsoor auch 55 genitoanale Papulovesikel auf erythematösem Grund, Erosionen/
die Mundschleimhaut auf Ulzerationen möglich
Mundsoor prüfen. 55 bei Candida-Superinfektion typischerweise randständiger
Schuppensaum („Collerette“), weiße Beläge und bis münzgroße
> Memo bei Satellitenherde
„therapieresistenter“
13 Windeldermatitis an z Diagnostik
Differenzialdiagnosen denken: 55 klinische Untersuchung
Psoriasis vulgaris, allergisches 55 Abklatschpräparat (Mykologie: Nativmikroskopie, Kultur),
Kontaktekzem, perianale 55 Hautabstrich: Streptococcus pyogenes?
Streptokokkendermatitis, 55 nur in Ausnahmefällen: Hautbiopsie (Granulome? Psoriasis?),
Granuloma glutaeale infantum. Epikutantestung (Kontaktallergie?)

z Therapie
55 ABCD-Regel:
44„Air“: nach Möglichkeit längere „Windelpausen“ → keine
Okklusion, Mazeration
44„Barrier“: Hautbarriere durch topische Behandlung stärken
(z. B. Zinkpaste)
44„Cleansing“: häufiges Windelwechseln → kürzerer Hautkontakt
mit Urin, Fäzes
44„Diapers“: Flüssigkeit-absorbierende Windeln bevorzugen
55 gerbend z. B. Schwarztee-Umschläge
55 bei Candida-Infektion Nystatin- oder Azol-haltige Pasten, ggf.
orale Therapie mit z. B. Nystatin
13.3 · Erythematosquamöse Erkrankungen
405 13
13.3.2 Psoriasis

Psoriasis vulgaris
55 genetisch determinierte, chronische oder chronisch-rezidivie- > Memo 2–3 % Prävalenz in der
rende, entzündliche Hauterkrankung Gesamtbevölkerung, hiervon ca.
55 wichtige Triggerfaktoren im Kindesalter: 1/3 vor dem 20. Lebensjahr.
44Streptokokkeninfektionen (v. a. Angina tonsillaris, perianale
Dermatitis)
44physikalische Reize (Kratzen, Hitze etc.) → isomorpher
Reizeffekt (Köbner-Phänomen) = neue Psoriasis-Herde im
„gereizten“ Hautareal

z Klinik
55 Plaquetyp-Psoriasis:
44häufigste klinische Verlaufsform (60 %)
44scharf begrenzte, erythematöse Plaques mit silbriger, grobla-
mellärer Schuppung
44Prädilektionsstellen: Capillitium, Streckseiten der
Extremitäten ! Cave im Säuglings- und
55 Psoriasis guttata: Kleinkindesalter häufig
44zweithäufigster klinischer Subtyp (bis zu 40 %) Erstmanifestation im
44bis 1 cm große, fein- bis mittellamellär schuppende, Umbilikal-/Windelbereich
erythematöse Papeln betont an Rumpf und proximalen (Differenzialdiagnosen
Extremitäten Windeldermatitis, Candidiasis).
44häufig Erstmanifestation bei Streptokokkeninfektion (Angina
tonsillaris)
55 typische Psoriasisphänomene bei beiden Subtypen
44Schaben an Psoriasis-Plaque → „Kerzenwachsphänomen“
(groblamelläre Schuppung), weiteres Kratzen → „Phänomen
des letzten Häutchens“ (Basalmembran sichtbar), weiteres
Kratzen → „Auspitzphänomen“ (punktförmige Blutung des
dermalen Papillarkörpers)
55 15–30 % typische Nagelbeteiligung mit bräunlicher Dyschromie
(„Ölflecke“), veränderter Nagelstruktur („Tüpfelnägel“), Parake-
ratose („Krümelnägel“)
55 extrakutane Komplikationen und Sonderformen mit schwerem
Krankheitsverlauf
44Psoriasis-Arthropathie
–– im Kindesalter sehr selten (ca. 1 % aller Patienten), Auftreten
vor Beginn der Hautsymptomatik möglich
–– meist asymmetrisch, mono-/oligoartikulär, häufig Befall der
Interphalangealgelenke ! Cave Hypothermie- und
44Erythrodermie Dehydratationsgefahr, stationäre
–– Erythem mit Beteiligung >90 % Körperoberfläche Aufnahme obligat!

z Diagnostik
55 Anamnese (betroffene Verwandte ersten Grades?
Triggerfaktoren?)
406 Kapitel 13 · Tag 5: Dermatologische Erkrankungen

55 klinische Untersuchung inkl. Racheninspektion (Angina


tonsillaris?), Messung der Körpertemperatur
55 bei schweren Verlaufsformen Routinelabor (Blutbild, Elektrolyte,
Blutgasanalyse etc.)
55 zum Ausschluss möglicher Differenzialdiagnosen:
44mykologische Kultur (v. a. bei Nagel- und
Kopfhautbeteiligung)
44Hautabstrich (v. a. bei pustulösen Verlaufsformen)
44Hautbiopsie nur bei atypischem klinischen Verlauf
erforderlich

z Therapie
55 sehr komplexe Lokal- und Systemtherapie unter Berücksich-
tigung von Schweregrad, Patientenalter und Chronizität mit u. U.
über Jahrzehnte erforderlicher Behandlung
55 Lokaltherapie (bei leichter und mittelschwerer Psoriasis)
44Schuppenlösung z. B. mit 2–5 % Salicylsäure (cave: wg.
Resorptionsgefahr keine großflächige Anwendung, Kontra-
indikation bei Säuglingen und Kleinkindern) oder Dicaprylyl
Carbonat-/Dimeticon-Mischung
44topische Vitamin D3-Analoga (z. B. Calcipotriol, Tacalcitol),
<30 % Körperoberfläche (KOF) zur Vermeidung einer
systemischen Resorption und konsekutiver Hyperkalzämie
44kurzfristig und ausschleichend topische Gluko-
kortikoide alleine oder in Kombination mit topischen
! Cave Langzeittherapie mit Vitamin D3-Analoga
topischen Glukokortikoiden 44Cignolin (Dithranol) in vorsichtig aufsteigender Konzent-
ist obsolet (hohes ration zur Vermeidung von Hautirritationen, Behandlung
Nebenwirkungsrisiko, initial unter medizinischer Aufsicht
13 Rebound-Gefahr). 55 systemische Therapie (bei schwerer, therapieresistenter Psoriasis)
44nur unter regelmäßiger ärztlicher Aufsicht und ggf. laborche-
> Memo vor Therapiebeginn mischer Verlaufskontrolle!
und im Verlauf 44Methotrexat p. o. oder s. c.
Lebersonographie und bei –– Nebenwirkungen: u. a. Übelkeit, Hepatopathie, Nephro-
Auffälligkeiten Bestimmung pathie, Knochenmarkdepression
von Prokollagen-III-Peptid im 44Ciclosporin p. o. 7 Abschn. 13.3.1
Serum (= Fibrosemarker) zum 44orale Retinoide (z. B. Acitretin)
Ausschluss einer Hepatopathie. –– häufige Nebenwirkungen: Xerosis cutis, Hypercholeste-
rinämie, Transaminasen-Erhöhung, seltener Hyperostosen
! Cave bei Adoleszentinnen und Wachstumsretardierung → keine Langzeittherapie <7.
aufgrund hohen teratogenen Lebensjahr!
Potenzials kontraindiziert! 44Biologika:
–– Etanercept (TNFα-Antagonist) 1-mal wöchentlich s.c.,
! Cave vor Therapiebeginn zugelassen ab 8. Lebensjahr bei Versagen der konventio-
Ausschluss einer Tuberkulose nellen Therapie
und anderer schwerwiegender –– Adalimumab (TNFα-Blocker) 2x 1-wöchentlich, dann
Infektionserkrankungen 2 wöchentlich s.c., zugelassen ab 4. Lebensjahr bei schwerer,
erforderlich. anders nicht beherrschbarer Plaque-Psoriasis
13.4 · Akne
407 13
–– Nebenwirkungen: Immunsuppression, Reaktivierung
systemischer Infektionen (v. a. Tuberkulose, Hepatitis B/C),
Anaphylaxie, Autoantikörperbildung etc.

13.4 Akne

13.4.1 Acne vulgaris

55 bei >90 % der Adoleszenten in unterschiedlicher Ausprägung


auftretende, in ca. 30 % therapiebedürftige Hauterkrankung des
Haarfollikel-Talgdrüsen-Komplexes
55 höchste Inzidenz 15.–18. Lebensjahr, Persistenz >20. Lebensjahr
möglich (Acne tarda)
55 neben genetischer Prädisposition 4 pathogenetische
Hauptfaktoren:
44follikuläre Hyperkeratose (verstärkte Verhornung des
Haarfollikelepithels)
44androgenbedingte Talgdrüsenhyperplasie → verstärkte Lipid-
produktion („Seborrhö“)
44mikrobielle Kolonisation insbesondere mit Propionibacterium
acnes
44kutane Entzündungsreaktion

z Klinik
55 Prädilektionsstellen: Gesichtsbereich, Schultern, Brust- und
proximale Rückenregion
55 klinische Klassifikation (fließende Übergänge möglich):
44Acne comedonica
–– Seborrhö, multiple offene (schwarz hyperpigmentierte)
und geschlossene (hautfarbene) Papeln (= Komedonen,
„Mitesser“) an o. g. Prädilektionsstellen
44Acne papulopustulosa
–– durch Entzündungsreaktion und bakterielle Kolonisation
bedingter Übergang der Komedonen in Papulopusteln auf
erythematösem Grund
44Acne conglobata
–– männliche Patienten deutlich häufiger betroffen
–– starke Seborrhö, Ausbildung entzündlicher, konfluierender
Knoten mit Gefahr der Abszedierung und subkutanen
Fistelbildung
55 Sonderformen:
44Acne neonatorum/Acne infantum
–– durch maternale Androgene induzierte, innerhalb
der ersten 2–3 Lebensmonate spontan abklingende
„Neugeborenen-Akne“
–– bei Persistenz (Acne infantum) ist ein adrenogenitales
Syndrom auszuschließen!
408 Kapitel 13 · Tag 5: Dermatologische Erkrankungen

44Acne medicamentosa
–– medikamentös induzierte, akneiforme Effloreszenzen
–– mögliche Auslöser im Kindesalter: Glukokortikoide,
Antikonvulsiva, Isoniazid u.v.a.
! Cave narbige Abheilung 44Acne fulminans
bei schweren Akne-Formen –– fast ausschließlich bei männlichen Adoleszenten
wahrscheinlich → frühzeitige, –– foudroyant verlaufende Akne mit starken lokalen
stringente Therapie und (hämorrhagische Nekrosen, konfluierende Knoten) und
maximale Aufklärung des systemischen (Fieber, Myalgien, Arthralgien, Hepatospleno-
Patienten sowie seiner Eltern! megalie) Symptomen

z Diagnostik
55 zumeist klinische Diagnose
55 ausführliche Anamnese: Grad der psychischen Belastung,
Kosmetika, Begleitmedikation etc.
55 Ganzköperuntersuchung: Virilisierung? Inguinale, axilläre,
glutaeale Beteiligung?
55 bei Verdacht auf Sonderformen weiterführende Diagnostik
erwägen (Nebennierensonographie, Hormonstatus, laborche-
mische Entzündungsparameter etc.)
55 Abstriche aus Papulopusteln: Resistenzbestimmung Propioni-
bacterium acnes, Ausschluss Superinfektion mit gramnegativen
Erregern oder Staphylococcus aureus

z Therapie
55 stadien- und altersadaptierte Auswahl topischer und/oder
systemischer Aknetherapeutika
55 Acne comedonica/papulopustulosa
44Lokaltherapie mit Benzoylperoxid, Azelainsäure,
13 Vitamin A-Säure (Isotretinoin, Adapalen)
44bei Persistenz Kombination mit topischem Antibiotikum
(Erythromycin, Clindamycin)
! Cave 44bei ausbleibender Besserung systemisches Antibiotikum
Doxycyclin-Nebenwirkungen! (Erythromycin, ab 9. Lebensjahr Doxycylin) über mindestens
3 Monate
44Nebenwirkungen:
–– reversible Knochenwachstumsverzögerung und irreversible
Zahnschmelschädigung und Zahnverfärbung → keine
Anwendung vor 8. Lebensjahr!
–– erhöhte Photosensibilität → Sonnenschutz empfehlen!
–– intrakranielle Druckerhöhung („Pseudotumor cerebri“) bei
gleichzeitiger Anwendung mit Isotretinoin → mindestens 14
Tage Pause zwischen beiden Präparaten!
55 Acne conglobata
44männliche Patienten: Isotretinoin 0,1 bis maximal 0,5 mg/
kg KG täglich über 4–6 Monate. Nebenwirkungen wie
bei Acitretin (7 Abschn. 13.3.2), keine Kombination mit
Doxycyclin (s. o.)!
13.4 · Akne
409 13
44Adoleszentinnen: intensivierte Lokaltherapie + systemisches
Antibiotikum + ggf. antiandrogenes Kontrazeptivum
55 Acne fulminans
44hochdosiert systemische Antibiotika (Clindamycin, Erythro-
mycin, Doxycyclin)
44kurzzeitig und ausschleichend systemische Kortikosteroide
(z. B. Prednison 1 mg/kg KG)
44nach 7–14 Tagen Beginn Isotretinoin-Therapie
411 14

Tag 5: Notfälle
K. Heimann

14.1 Verbrennungen – 412

14.2 Ertrinkungsunfall – 412

14.3 Vergiftungen und Verätzungen – 414


14.3.1 Vergiftungen – 414
14.3.2 Verätzungen – 416

14.4 Schädel-Hirn-Trauma – 417

14.5 Kindesmisshandlung und Vernachlässigung – 418

14.6 Plötzlicher Kindstod und ALTE – 420


14.6.1 Plötzlicher Kindstod – 420
14.6.2 ALTE („apparent life threatening event“) – 422

14.7 Reanimation – 423

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2017


B. Karges, N. Wagner (Hrsg.), Pädiatrie in 5 Tagen, Springer-Lehrbuch,
DOI 10.1007/978-3-662-52813-6_14
412 Kapitel 14 · Tag 5: Notfälle

14.1 Verbrennungen

55 in ca. 90 % der Fälle Verbrühungen mit heißen Flüssigkeiten


(z. B. Wasser, Tee), restliche 10 % Verbrennungen (z. B. Grill),
Stromunfälle (z. B. Steckdose) und Verätzungen (z. B. Säuren,
Chemikalien)
55 bei Verbrühungen 75 % der Patienten Kinder 1–3 Jahre
55 Verbrennungen häufig Kinder ab 10 Jahren durch Brandbeschleu-
niger (z. B. Spiritus) mit Verpuffungen v. a. im Gesichtsbereich

z Klinik
55 Hautrötung, Blasenbildung, weiß oder braun-schwarze
Verfärbung der Haut je nach Verbrennungstiefe
55 bei Verbrühungen von Kleinkindern typisches Verletzungs-
muster: sog. „Latzverbrühung“ → Gesicht, Rumpf und
Oberschenkel betroffen, bedingt durch Ziehen am Stromkabel
von Wasserkochern/Tassen heißen Kaffees oder Tees vom Tisch

z Diagnostik
55 entscheidend ist Erfassung des Ausmaßes (betroffene Körper-
oberfläche (KÖF) und Verbrennungstiefe)
55 immer Tetanusschutz prüfen
55 prozentuale Berechnung geschädigter Haut bezogen auf gesamte
KÖF → „Neuner-Regel“ (. Tab. 14.1)
55 Einschätzung der Verbrennungstiefe (. Tab. 14.2)

z Therapie
! Cave Kühlung maximal 10 55 Kühlung
innerhalb der ersten 30 Minuten 55 Wunden keimarm und trocken abdecken (z. B. Metalline-Folien)
nach dem Ereignis nur auf 55 Analgesie und Sedierung z. B. mit Ketamin (Phencyclidinderivat)
betroffene Areale → Gefahr und/oder Midazolam (Benzodiazepin) in Kombination mit
der Hypothermie mit erhöhter Fentanyl (Opiat); Opiat niedrig dosieren wegen potenzieller
14 Letalität v.a. bei Patienten mit Atemdepression
großflächigen Verletzungen 55 Infusion entsprechend der Parkland-Formel:
>15 % KÖF. 446 ml Ringer-Acetat-Lösung × % verbrannte KÖF × kg KG über
24 h → 1. Hälfte innerhalb 8 h, 2. Hälfte innerhalb 16 h
44Beispiel: 20 kg schweres Kind mit 25 % KÖF Verbrennung:
6 ml × 25 × 20 = 3.000 ml; 1.500 ml innerhalb 8 h, 1.500 ml
innerhalb 16 h
55 Antibiotika nur bei Infektionszeichen, kolloidale Lösungen nur in
Ausnahmefällen

14.2 Ertrinkungsunfall

55 betrifft am häufigsten Kleinkinder, die noch nicht schwimmen


können
14.2 · Ertrinkungsunfall
413 14

. Tab. 14.1  Abschätzung der betroffenen Körperoberfläche (KÖF) nach


der Neuner-Regel

Körperteil KÖF ( %)

Arm  9
Kopf und Hals 18
Bein 14
Vorderer Rumpf 18
Hinterer Rumpf 18

. Tab. 14.2  Tiefengrade des thermischen Traumas

Tiefengrad Klinik

Grad I Schmerzhaftes Erythem durch Ödem Epidermis, Hyperämie Korium → narbenlose Ausheilung
Grad IIa Blasenbildung durch unvollständige Nekrose Epidermis, Exsudat zw. Korium/Epidermis → narbenlose
Ausheilung
Grad IIb Tiefe dermale Verbrennung mit Schädigung Korium, Sensibilitätsstörung → Ausheilung mit
Narbenbildung je nach Tiefenausdehnung
Grad III Subdermale Verbrennung aller Hautschichten/Hautanhangsgebilde, weiß-braunschwarze Verfärbung,
Analgesie der Haut → hypertrophe Narbenbildung, ganz selten Spontanheilung
Grad IV Subkutane Verbrennung, verkohlte Oberfläche

55 Ertrinken schon in Pfützen oder im flachen Wasser (z. B. Garten- > Memo Nichtschwimmer
teich) möglich (Säuglinge, Kleinkinder,
55 bei Unfall in der Badewanne immer an Vernachlässigung oder ggf. ältere Kinder) müssen
Kindesmisshandlung denken in Nähe von Wasser und
55 entscheidender prognostischer Faktor ist Länge der zerebralen Schwimmbädern unter Aufsicht
Hypoxie → Einfluss der Wassertemperatur ist nicht sicher geklärt, sein → Arzt kann wertvolle
wobei Normo- und leichte Hypothermie des Patienten sich als Aufklärungsarbeit leisten!
prognostisch günstig auf das Outcome auswirken

z Klinik
55 hypoxiebedingter Kreislaufstillstand
55 Hypothermie
55 Hypervolämie durch Verschlucken von Wasser
55 Aspiration von Wasser (zerstört Pneumozyten und
Surfactant)

z Diagnostik und Therapie


55 nach Bergung muss unmittelbar kardiopulmonale Reanimation
einsetzten (7 Abschn. 14.8) → Laien-Reanimation vor Ort beein-
flusst entscheidend Prognose
414 Kapitel 14 · Tag 5: Notfälle

55 neben Fortführung der Reanimation zunächst Korrektur


Blutgas- und Elektrolytimbalance, dann Anheben der
Körpertemperatur:
44<28°C schwerste Herzrhythmusstörungen möglich
44Temperatur <32°C interne und externe Erwärmung
44>32°C nur externe Erwärmung bis >35°C
55 Reanimation auch bei fehlender Herzaktion, bis Körpertempe-
ratur mindestens >28°C liegt
55 Beurteilung einer ZNS-Beteiligung (z. B. Hirnödem) oder der
zerebralen Funktion (z. B. Pupillen- oder Hirnstammreflexe) nur
bei Temperatur >35°C möglich
55 Resorption von Süßwasser mit konsekutiver Hypoosmolarität
und Gefahr des Hirnödems → Förderung der Diurese (z. B.
Furosemid) und gleichzeitige Salzzufuhr
55 Resorption von Salzwasser bedingt umgekehrten Vorgang
55 Gefahr der sekundären Pneumonie durch Bakterien (Garten-
teich, Regentonne), Algen → Zusatz eines Anaerobier-wirksamen
Antibiotikums (z. B. Metronidazol) erwägen
55 Verstärkung der pulmonalen Komplikationen durch
Surfactant-Mangel
55 nicht-komatöse Kinder haben gute Prognose
55 prognostische Indizes für komatöse Kinder (je mehr, desto
ungünstiger):
44Koma plus
44initiale Hyperglykämie plus
44nicht lichtreagible Pupillen plus
44männliches Geschlecht

14.3 Vergiftungen und Verätzungen

14.3.1 Vergiftungen
14
55 in der BRD ca. 100.000 Ingestionsfälle/Jahr, davon jeweils
ca. 10.000 mit Vergiftungserscheinungen, ca. 500 gefährliche
Intoxikationen und ca. 20–40 Todesfälle

z Klinik
55 Bewusstseinsänderung (Somnolenz, Verwirrung, Koma etc.)
55 Puls: Brady-, Tachykardie
55 Blutdruck: Hypo-, Hypertonie
55 Atmung: Brady-, Tachypnoe
55 Körpertemperatur: Hypo-, Hyperthermie
55 Augenveränderungen: Nystagmus, Visusverlust, Miosis,
Mydriasis
55 Nervensystem: Faszikulationen, Rigor, Tremor, Sprachverände-
rungen (z. B. kloßig), Krampfanfälle
14.3 · Vergiftungen und Verätzungen
415 14
55 Haut: Schwitzen, Blasen, Akne, Flush, Zyanose
55 Symptomenkomplexe auch in Toxidrome einteilbar
55 Toxidrome:
44narkotisches Syndrom: Koma, Hypoventilation,
Hypotonie z. B. bei Ethanol-, Sedativa-, oder
Opioidintoxikation
44anticholinerges Syndrom: trockene Haut, Fieber, Mydriasis,
Tachykardie, Krämpfe, Rhythmusstörungen z. B. bei Atropin,-
Antidepressiva-, oder Pflanzenvergiftung
44cholinerges Syndrom: Miosis, Erbrechen, Tränenfluss, Rhyth-
musstörungen z. B. Alkylphosphat-, Physiostigmin- oder
Neostigminvergiftung (Pilze)
44sympathomimetisches Syndrom: Tachykardie, Hypertonie,
Erregungszustände, Hyperthermie z. B. bei Amphetamin-
oder Koffeinvergiftung
44extrapyramidales Syndrom: Veitstanz, Verkrampfungen,
Schmatzen, Sprachstörungen z. B. bei Neuroleptika- oder
Metoclopramidvergiftungen
55 Ablauf nach Intoxikation: > Memo Medikamente,
44monophasischer Ablauf (häufig): Symptome stellen sich ein, Haushaltsreiniger, Säuren/Laugen
nehmen zu, später kontinuierliche Besserung etc. für Kinder unzugänglich
44biphasischer Ablauf (selten, z. B. durch Paracetamol): nach aufbewahren → Arzt kann
symptomarmer oder -freier Latenz kommt es zu mehr/weniger wertvolle Aufklärungsarbeit
schweren Organschäden und ggf. Tod leisten!

z Diagnostik
55 möglichst genaue Information über Menge der
eingenommenen Substanz, Zeitpunkt der Einnahme,
auslösendes Agens verifizieren (Originalpackung, Pflanze oder
Beere etc.)
55 Medikamentenspiegelbestimmung im Serum
55 bei unklarer Intoxikation: Drogenscreening (Urin)

z Therapie
55 bewusstlose Kinder: stabile Seitenlage, Sicherung der Vital- ! Cave kein Erbrechen auslösen
funktionen, Maßnahmen gegen Aspiration, bei Ateminsuffizienz oder Salzwasser trinken lassen!
Intubation und Beatmung, antikonvulsive Therapie bei
Krampfanfällen
55 Kinder bei Bewusstsein: stilles Wasser, Saft oder Tee (keine
Milch), v. a. bei Verätzungen, trinken lassen
55 Kontaktaufnahme mit Giftnotrufzentrale
55 primäre Giftentfernung mit Aktivkohle (1 g/kg KG) in Abhän-
gigkeit von der Magenfüllung → je leerer, desto weniger Kohle
wird benötigt > Memo Gabe von Aktivkohle ist
55 Magenentleerung: bis auf wenige Ausnahmen der
44Erbrechen mit Ipecac, Apomorphin; Magenspülung) nur Induktion von Erbrechen oder
innerhalb der ersten 60 min nach Ingestion einer Magenspülung vorzuziehen.
416 Kapitel 14 · Tag 5: Notfälle

44Magenspülung bei Retardpräparaten, Carbama-


zepin (verklumpt im Magen) oder schockbedingter
Magen-Darm-Atonie
44Kontraindikationen: Bewusstlosigkeit, Einnahme ätzender
Substanzen, organischer Lösungsmittel
55 sekundäre Giftentfernung mittels Hämodialyse, -perfusion,
Plasmapherese in Kenntnis der Eigenschaften der Substanz bei
kritischen Serumspiegeln, rapider Verschlechterung des Allge-
meinzustandes etc. möglich
55 Antidotbehandlung nach strenger Indikation (z. B. ACC bei
Paracetamolintoxikation)

14.3.2 Verätzungen

> Memo häufige Substanzen/ 55 Ingestion von Haushaltsmitteln oder Chemikalien sehr häufig bei
Mittel: Haushaltsreiniger Kleinkindern (1–4 Jahre)
(Geschirrspülmaschine, 55 schwerwiegende Komplikation ausgeprägte Strikturen v. a. im
WC, Abfluss, Backofen, Ösophagus mit Gefahr der Karzinombildung im Narbenbereich
Bleichlaugen), Chemikalien 55 Entstehung durch Einwirkung von Säuren, Laugen, kolliquativ
(Abbeizmittel, Laugen, wirkenden Chemikalien
flüssiger Grillanzünder, 55 besonders gefährdet sind Schleimhäute des oberen Gastrointesti-
Unkrautvernichtungsmittel, naltraktes, Augen
Kalk).
z Klinik
55 Läsionen an Mundschleimhaut, Zunge, Lippe, Gaumen
55 evtl. Kornealläsion
55 Schmerzen beim Schlucken

z Diagnostik
55 Ösophagogastroskopie (Schleimhautläsionen, Strikturen)
55 ggf. augenärztliche Untersuchung
14
z Therapie
55 Hautkontakt: Entfernung der Kleidung, benetzte Stellen mit
Wasser (ggf. Schutzhandschuhe) abspülen
55 Augenbeteiligung: 10-minütige Spülung des offenen Auges
(Ektropium) mit Wasser → Vorstellung beim Augenarzt
! Cave Induktion von Erbrechen 55 orale Aufnahme: rasches Trinken von Wasser oder von Alkohol
und Magenspülung sind und Kohlensäure-freier Flüssigkeit
kontraindiziert! 55 Maßnahmen bei gesicherter oder fraglicher Ingestion mit
klinischen Hinweisen (Ätzspuren, Erbrechen etc.):
44Schmerzbekämpfung, Kreislaufunterstützung
44Sicherung der Vitalparameter (ggf. Intubation, Tracheotomie)
44Vorbeugung Luftwegsstenose, Fortschreiten der lokalen
Entzündungsreaktion mit Steroid i.v. (z. B. Prednison)
44Ösophago-/Gastroskopie auch bei fehlenden Ätzspuren im
Mundbereich (Diagnostik!)
14.4 · Schädel-Hirn-Trauma
417 14
44parenterale, später flüssige/breiige Nahrung
44Antibiotika bei Mediastinitis, sekundär infizierten Ulzera
55 Verätzungen in suizidaler Absicht können zusätzlich:
44systemische Wirkung haben (Azidose, Hämolyse,
Hypokalziämie)
44durch Verdünnung nicht ausreichend neutralisiert werden
44schwere Magen- und Duadenalschädigungen hervorrufen →
Perforationen, narbige Deformationen/Stenosen

14.4 Schädel-Hirn-Trauma

55 Trauma allgemein weltweit häufigste Ursache für die Aufnahme > Memo Bei Säuglingen/
eines Kindes in Krankenhaus Kleinkindern mit Schädel-
55 75 % dieser Kinder haben assoziiertes Schädel-Hirn-Trauma Hirn-Trauma immer auch an
55 häufigste Ursache für Morbidität und Mortalität bei Kindern >1 Kindesmisshandlung denken!
Jahr
55 Sonderform bei Säuglingen/Kleinkindern Kindesmisshandlung
(nicht-akzidentelle Verletzungen, „battered child“)

z Klinik
55 Bewusstseinsstörung
55 Kopfschmerzen
55 Übelkeit/Erbrechen
55 Amnesie
55 Prellmarke/Schwellung/Frakturspalt tastbar
55 Erfassung des Ausmaßes mittels Glasgow Coma Scale

z Diagnostik
55 Überwachung mittels altersadaptierter Glasgow Coma Scale,
Summe 3–15, bei <8 meist Intubationsindikation wegen fehlender
Schutzreflexe → beinhaltet Pupillomotorik als wichtigen Kontroll-
mechanismus (. Tab. 14.3)
55 Sonographie des Schädels durch Fontanelle (bei jungen
Säuglingen)
55 kraniale Computertomographie (Diagnostik der Wahl zum
Ausschluss intrakranieller Blutung); bei Kinder <2 Jahren
aufgrund der schwierigeren neurologischen Beurteilbarkeit
großzügigere Indikation

z Therapie
55 Grad I
44stationäre Überwachung für 24–48 h
44Kontrollen der Vitalparameter, Vigilanz, Pupillomotorik
44Nativröntgen nicht notwendig, nur bei Verdacht auf Fraktur
mit Impression des Schädels Bildgebung erforderlich,
dann CT mit Knochenfenster (Beurteilung Schädelbasis,
Scheitelfrakturen)
418 Kapitel 14 · Tag 5: Notfälle

. Tab. 14.3  Einteilung des Schädel-Hirn-Traumas nach der Glasgow Coma Scale

Grad Kriterien Glasgow


Coma Scale

Leicht (I) – Bewusstseinstrübung ≤1 h 14–15


– Vollständige Restitution
– kein fokales neurologisches Defizit
Mittelschwer (II) – Bewusstlosigkeit/Bewusstseinstrübung ≤24 h 9–13
– - Fokales neurologisches Defizit möglich
Schwer (III) – Bewusstlosigkeit/Bewusstseinstrübung <24 h mit Hirnstammdysfunktion 3–8
– Bewusstlosigkeit/Bewusstseinstrübung >24 h ohne Hirnstammdysfunktion
– Hirnorganisches Psychosyndrom >24 h

44Analgesie mit nichtsteroidalen Analgetika (Paracetamol,


Ibuprofen)
55 Grad II/III
44Aufrechterhaltung der Perfusion/optimalen Sauerstoffver-
sorgung des Gehirns mit Normothermie, -glykämie, -volämie
44Sicherung der Vitalparameter mit 30° Oberkörperhoch-
lagerung in gerader Körperachse → freier venöser Abstrom aus
Kopf als Kompensationsmechanismus
44Erkennung und Behandlung von akuter Hirndrucksteigerung
(Ödem, Blutung)
44operative Versorgung von intrazerebralen Blutungen,
Frakturen Schädel/Wirbelsäule in Kooperation Neurochir-
urgen, Traumatologen
44pharmakotherapeutische Optionen (jeweils Beispiel) zur
Behandlung von Hirnödem (Diuretika), psychomotorischer
Unruhe (Benzodiazepine), posttraumatischer Anfälle (Barbi-
turate), Schmerzen (Opiate), Temperaturregulationsstörungen
14 (Cyclooxygenasehemmer)

14.5 Kindesmisshandlung und Vernachlässigung

> Memo Größte klinische 55 Diskrepanz zwischen angegeben Vorfall und klinischem Verlet-
Bedeutung hat das zungsmuster ist Kardinalhinweis
Schütteltrauma (heftiges 55 Verletzungen des ZNS als Folge von Misshandlung haben höchste
Schütteln des Säuglings Morbidität und Mortalität bei misshandelten Kindern
führt aufgrund erheblicher 55 sehr genaue Anamnese neben klinischer Untersuchung und
Scherkräfte zum Einriss Diagnostik von entscheidender Bedeutung
intrakranieller Gefäße) bei 55 in ca. 40 % fehlt eine nachvollziehbare Erklärung des
Säuglingen/Kleinkindern mit ca. Unfallgeschehens
100 Fällen/Jahr in Deutschland 55 wechselnde, sich widersprechende Angaben mit inadäquater
und einer Mortalität 12–27 %. Besorgnis
14.5 · Kindesmisshandlung und Vernachlässigung
419 14
55 fehlende Plausibilität bezogen auf Entwicklungsstand und Fähig-
keiten des Kindes
55 verzögerter Arztbesuch, Aufsuchen mehrerer Ärzte/Kliniken
inkl. wiederholter Aufenthalte wegen Verletzungen, unspezi-
fischer Störungen (Nahrungsverweigerung)
55 angebliche Verursachung schwerer Verletzungen durch Patient,
Geschwister
55 auffällige Sozialanamnese (häusliche Gewalt, stattgehabte
Misshandlungen)
55 früher ernsthafte Verletzungen (Frakturen), Apnoeereignisse,
Krampfanfälle
55 bei Vorliegen von verdächtigen Hämatomen/Frakturen:
Ausschluss von Gerinnungsstörung inkl. Vitamin K-Mangel,
Blutungsneigung in der Familie, Knochenerkrankungen
55 bei Schütteltrauma häufig fehlende äußere Verletzungen,
inadäquate Anamnese bezogen auf klinische Symptomatik
55 bei Vernachlässigung zusätzlich perinatale Komplikationen,
Dokumentationsstand U-Untersuchungen, Gedeihen, psycho-
motorische Entwicklung (jeweils Gelbes Untersuchungsheft),
erhöhte Infektanfälligkeit, chronische Erkrankungen

z Klinik
55 Hämatome unterschiedlichen Alters
55 Frakturen
55 Schürfungen
55 Somnolenz/Koma bei schwerer Misshandlung
55 in Abhängigkeit vom klinischen Zustandsbild:
44Ganzkörperuntersuchung auf akute/frühere Verletzungen →
Prädilektionsstellen: Innenseite/Frenulum Lippen, Zunge,
Mundschleimhaut, Retroaurikularbereich, behaarte Kopfhaut,
Gesäß, Anogenitalbereich zum Ausschluss koexistenten
sexuellen Missbrauches
44gezielte Palpation Skelettsystem
44psychomotorischer Entwicklungsstand, psychischer Befund
44bei Vernachlässigung zusätzlich Pflegezustand, Länge,
Kopfumfang, Gewicht (Perzentilenkurven)
55 bei Schütteltrauma breites Spektrum mit Irritabilität, Trink-
schwierigkeit, Somnolenz, Lethargie, Verlust des Muskeltonus,
Opisthotonus, Apathie, zerebrale Krampfanfälle, Tachypnoe,
Bradykardie, Apnoen, Koma

z Diagnostik
55 Röntgen-Skelettscreening (Extremitäten, Thorax, Becken,
Schädel, Wirbelsäule), kein Babygramm → Kontrolle Röntgen-
Thorax nach 14 Tagen erhöht Rate an gefundenen Frakturen
55 Skelettszintigraphie ergänzend (Rippenfrakturen innerhalb
24–48 h diagnostizierbar)
420 Kapitel 14 · Tag 5: Notfälle

55 bei neurologischen Auffälligkeiten: kraniale Computer-,


Kernspintomographie; CT in Akutsituation, Kernspintomo-
graphie im Verlauf zur Festlegung Ausmaß zerebraler Schädigung
55 Schädelsonographie bei kleinen Säuglingen mit Dopplerunter-
suchung zur Beurteilung der zerebralen Perfusion
55 Abdomensonographie bei Verdacht auf abdominelle Verlet-
zungen, ggf. Erweiterung CT (Organläsionen), Röntgen (freie
Luft)
55 Fundoskopie: retinale Blutungen (Schütteltrauma beidseitig,
stumpfe Gewalt einseitig)
55 Labordiagnostik inklusive detaillierterer Gerinnungsanalyse
(Blutbild, Transaminasen, γ-GT, Lipase, alkalische Phosphatase,
> Memo Bei Kindern <1 Jahr Kalzium, Phosphor, CK, CK-MB, Troponin, Quick, pTT,
mit subduralem Hämatom, von-Willebrand-Antigen, Ristocetin-Kofaktor, Blutungszeit)
retinalen Blutungen, schweren 55 bei Vernachlässigung zusätzlich Labor gezielt Gedeihstörung,
diffusen Hirnschädigungen radiologisch Röntgen Hand (Knochenalter), kraniale Kernspin-
und fehlenden äußeren tomographie (Hirnatrophie)
Verletzungszeichen an 55 interdisziplinäre Betreuung mit Gerichtsmedizin, Polizei,
Schütteltrauma denken! Jugendamt (im Krankenhaus zusammen mit Sozialdienst)

z Therapie
55 symptomatisch
55 Krisenintervention: Schutz des Kindes durch Klinikeinweisung
55 Erstellen eines Hilfeplans durch interdisziplinäres Team
(Psychologe, Sozialpädagoge, Erzieher, Ärzte, Kinder- und
Jugendpsychiater)
55 Inobhutnahme des Kindes bei akuter Bedrohung des Kindes-
wohls kann durch Jugendamt veranlasst werden, Einschaltung
des Familiengerichts
55 ggf. Sorgerechtsentzug der Eltern

14 14.6 Plötzlicher Kindstod und ALTE

14.6.1 Plötzlicher Kindstod

55 unerwartetes, nicht erklärliches Versterben eines Säuglings (<1


Jahr) im Schlaf ohne Ursache (Autopsie; Beurteilung Kranken-
geschichte, Todesumstände)
55 in Industrienationen häufigste Todesursache jenseits der
Neonatalperiode (>28 Tage), in Deutschland aktuell 334 Kinder/
Jahr (Inzidenz 0,46/1.000 Lebendgeborene)
55 75 % versterben zwischen 2.–4., 95 % vor dem 10. Lebensmonat
55 Ereignis tritt überwiegend unbeobachtet auf
55 Pathogenese unklar; Risikofaktoren: u. a. Bauchlage, Nikotin-,
Drogenabusus (Schwangerschaft, häusliche Umgebung),
Frühgeburtlichkeit, Überwärmung (Zimmertemperatur, Decke),
plötzlicher Kindstod bei Geschwisterkind
14.6 · Plötzlicher Kindstod und ALTE
421 14
z Klinik
55 Schnappatmung (häufiger), prolongierte Apnoe (selten)
55 bei vorhandenen sicheren Todeszeichen (Leichenstarre,
Totenflecke, ausgeprägte Hypothermie) genaue Dokumen-
tation von Anamnese, Untersuchung, Auffindesituation,
Körpertemperatur

z Diagnostik
55 Autopsie zur Diagnosesicherung (Ausschluss anderer Ursachen)
unabdingbar:
4485–99 % intrathorakal petechiale Blutungen
44histopathologisch Gewebsveränderungen (hypoxische
Gewebemarker)
44obere/untere Atemwegsobstruktion
44prolongierte/rezidivierende Hypoxie

z Therapie
55 bei fehlenden sicheren Todeszeichen Beginn der Reanimation,
Transport in Kinderklinik
55 Präventionsmaßnahmen:
44Rückenlage im Schlaf
44rauchfreie Umgebung
44Stillen
44Raumtemperatur 16–18°C
44Schlafsack
44Schnullern im Schlaf
44bis 6 Monate im elterlichen Zimmer im eigenen Bett
44keine Medikamente mit Beruhigungsmitteln
55 Prävention konnte Säuglingssterblichkeit deutlich senken
55 spezielle Risikogruppen zusätzliche Heimmonitorversorgung:
Zustand nach lebensbedrohlichem Ereignis (7 Abschn. 14.6.2),
häusliche Sauerstoffversorgung (z. B. chronische Lungen-
erkrankung), Frühgeborene mit Apnoen

z Differenzialdiagnose
55 Infektionen (Sepsis, Pneumonie, Meningitis, Myokarditis)
55 Stoffwechselerkrankungen (Fettsäureoxidationsdefekte, Pyruvat-
dehydrogenase-Mangel, Hyperinsulinismus, Biotinidase-Mangel,
Thiaminstoffwechselstörungen)
55 Fehlbildungen (Herzvitien, Kardiomyopathie, Gefäßmissbil-
dungen, Endokardfibroelastose
55 Pierre-Robin-Sequenz
55 Reye-Syndrom
55 bronchopulmonale Dysplasie
55 Ersticken/Schütteltrauma/stumpfes Bauchtrauma nach
Gewalteinwirkung/Münchhausen-by-proxy-Syndrom/
Vernachlässigung
55 Intoxikationen
422 Kapitel 14 · Tag 5: Notfälle

. Tab. 14.4  Basismaßnahmen der Reanimation

A Atemwege Thoraxexkursion → ausreichende Eigenatmung?


– Ja: keine Reanimation
– Nein: Vorziehen des Kinns, nach Möglichkeit Absaugen
B Beatmung Mund-zu-Mund und Nase (<1 Jahr), Mund-zu-Mund (>1 Jahr), Beatmungsbeutel (Maske) 5 Atemzüge
Überprüfung Kreislauf (maximal 10 s): Säugling Brachialispuls, sonst Karotis-/Femoralispuls
C Kreislauf Kein Puls: Thoraxkompressionen
– Verhältnis Atemzüge zu Thoraxkompression 2:15
– Lautes Zählen zur Koordination bis zur Intubation
Monitoring: EKG-Monitor, Sauerstoffsättigung sobald verfügbar

. Tab. 14.5  ERC Leitlinien Lebensrettende Maßnahmen bei Kindern


(„paediatric life support“, 2015 European Resuscitation Council,
Maconochie et al.)

Reaktion? → Hilferuf

Atemwege öffnen

Keine normale Atmung? → 5 initiale Beatmungen

Lebenszeichen? → 15 Thoraxkompressionen

2 Beatmungen

Verständigung des Notfallteams nach 1 min CPR

14
55 Hyperthermie aus äußerer Ursache (z. B. durch Decke, zu warme
Umgebung)

14.6.2 ALTE („apparent life threatening event“)

55 Episode mit Apnoe, Zyanose, Blässe, Muskeltonusveränderung,


die Beobachter sehr erschreckt und in der Regel bei Eintreffen
medizinischer Hilfe beendet ist

z Klinik
55 plötzliches/unerwartetes Auftreten von:
44Apnoe
44Leblosigkeit und dadurch bedingte
44Blässe/Zyanose
14.7 · Reanimation
423 14

. Tab. 14.6  Erweiterte Maßnahmen der Reanimation

Intubation – Nasotracheal (<6 Jahre), orotracheal (>6 Jahre) mit anschließender auskultatorischer
Kontrolle
– Magenablaufsonde nach Intubation
Rhythmusanalyse – Bei Asystolie weiter Kompression und Adrenalin i.v.
Defibrillation – <10 kg Kinderelektroden; >10 kg Erwachsenenelektroden
– Einzelschock mit 4 J/kg, bei Erfolglosigkeit wiederholen
– Reanimation für 2 min fortführen, dann Rhythmuskontrolle
Medikamente – Intratracheal Adrenalin 1:1.000 (10-fache Konzentration i.v. Lösung) bei Asystolie
– Intravenös Adrenalin 1:10.000 bei Asystolie
– Amiodaron, Lidocain bei Kammerflimmern/pulsloser ventrikulärer Tachykardie
– Kalziumbikarbonat, Magnesium nur bei besonderer Indikation (Hyperkaliämie, anhaltende
Azidose, Torsades-de-pointes-Tachykardie)
Volumen – 20(–40) ml/kg i.v. (NaCl 0,9 %, Ringer-Lösung)
– beim septischen Schock bis 150 ml/kg in Etappen notwendig
Diagnostik – Basislabor (Hb, BGA, Elektrolyte, Blutzucker, Kreuzprobe)
– arterielle Blutdruckmessung
– EKG
– Röntgen-Thorax
– Pupillomotorik
– Echokardiographie

55 Symptomatik kann durch Stimulation des Kindes durchbrochen/


behoben werden

z Diagnostik
55 sofortige Vorstellung Kinderarzt oder Krankenhaus
55 stationäre Überwachung (Monitoring)
55 Infektionssausschluss
55 Sonographie des Schädels
55 kinderkardiologische Untersuchung
55 ggf. EEG/Polysomnographie

z Prävention
55 da Risiko für plötzlichen Kindstod durch Ereignis erhöht,
Heimmonitorversorgung in Erwägung ziehen

14.7 Reanimation ! Cave häufigste Fehler: zu


später Reanimationsbeginn,
55 >90 % außerhalb von Kliniken reanimierter Kinder versterben zu häufige Unterbrechung
55 im Gegensatz zum Erwachsenen (häufig kardiale Genese wie der Thoraxkompressionen,
Herzrhythmusstörung z. B. bei Herzinfarkt) Reanimations- fehlende Kommandoübernahme
situation im Kindesalter sehr häufig infolge Ateminsuffizienz (Desorganisation), Kompression
mit: Gewebshypoxie → Bradykardie → Herz-Kreislauf-Stillstand Halsweichteile mit Fingern bei
(. Tab. 14.4–14.6) Maskenbeatmung.
424 Kapitel 14 · Tag 5: Notfälle

> Memo Reanimation für 55 1-Helfer-Methode: „phone fast“ → Atemspende, dann Hilferuf
Gefäßzugang nur kurz 55 2-Helfer-Methode: einer Reanimationsbeginn, zweiter holt Hilfe
unterbrechen, nach 2–3 min 55 Thoraxkompressionen
unter Fortführung der 44stets auf harter Unterlage
Reanimation Intraossärnadel 44Kompressionstiefe 1/3 des Thoraxdurchmessers
Tibiavorderkante ! Cave 44Kompressions-/Reexpansionsphase 1:1, Thorax bewusst
Epiphysenfuge, Beckenkamm. loslassen, um Koronarperfusion in Diastole zu ermöglichen
(Kreislauffunktion hängt vom koronaren Perfusionsdruck ab)
! Cave Niemals Verzögerung 44bei Säuglingen 2-Finger-Methode (1 Helfer), thoraxumfas-
der Reanimationsmaßnahmen sende Methode (2 Helfer)
durch Diagnostik! 55 Beendigung der Reanimation nach 20–25 min ohne spontane
EKG-Aktivität und Kreislauf gerechtfertigt (Ausnahme
Hypothermie: Reanimation bis Erwärmung!)

14
425

Serviceteil
Stichwortverzeichnis – 426

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2017


B. Karges, N. Wagner (Hrsg.), Pädiatrie in 5 Tagen, Springer-Lehrbuch,
DOI 10.1007/978-3-662-52813-6
426

Stichwortverzeichnis

A –– immunhämolytische  206
–– Klassifikation  202
Autoimmunthyreoiditis
–– Hashimoto  333
–– megaloblastäre  202 AV-Block  195
ABCD-Regel  404
–– neonatale  40 –– intermittierender  192
Abetalipoproteinämie  87
Anfall –– kompletter  192, 195
Absence  369
–– benigner neonataler  367 –– kongenitaler  191, 195
Absence-Epilepsie  369
–– fokaler  367 –– Typ Mobitz  195
Acanthosis nigricans  351, 353
–– generalisierter  367 –– Typ Wenckebach  195
Achalasie  267
–– läsioneller  369 AV-Knoten-Reentry-Tachykardie  193
Acne
–– zerebraler  365 Axonotmesis  375
–– comedonica  407
Angelman-Syndrom  60 Azidose
–– conglobata  407
Angina tonsillaris  104 –– metabolische  345
–– fulminans  408
Antiepileptika  372 –– tubuläre  307
–– infantum  407
–– medicamentosa  408 Antirefluxplastik  295
Aortenisthmusstenose  180
–– neonatorum  407
–– papulopustulosa  407 Aortenstenose, valvuläre  181
APGAR-Schema  11, 20
B
–– tarda  407
Apnoe  421 Bäckerlunge  171
Acne vulgaris  407
–– Neugeborenes  30 Backwash-Ileitis  277
Adaptation, postnatale  17
Apple-peel-Syndrom  272 Bakteriurie, asymptomatische  298,
Addison-Krise  343
Argininämie  74 300
Adenoid  160
Argininbernsteinsäurekrankheit  74 Balanitis  312
Adenovirusinfektion  136
Arnold-Chiari-Malformation  358 Ballondilatation  181
ADH-Sekretion
Arthritis Bandwürmer  144
–– inadäquate  331
–– Enthesitis-assoziierte  246 Barrett-Ösophagus  266
ADHS  389
–– juvenile idiopathische  246 Bartter-Syndrom  307
Adipositas  2, 353
–– migratorische  255 Bauchhoden  315
Adrenoleukodystrophie, X-chromo-
–– reaktive  254 Beikost  6
somale  92
–– undifferenzierte  246 Bernard-Soulier-Syndrom  214
Agammaglobulinämie, X-chromoso-
Arthropodenerkrankung  145 Bewegungsstörung  381
male  259
Ascaris lumbricoides  143 Bilharziose  143
Ahornsirupkrankheit  66
Aspergillose  139 Bilirubinenzephalopathie  37
AIDS  135
Asphyxie Biotinidasemangel  69
Akne  407
–– Neugeborenes  23 BIRDY  266
Aldosteronsynthesestörung  345
Aspiration Blalock-Taussig-Anastomose  184
Alkaptonurie  65
–– Fremdkörper  172 Blutung
Alkoholembryofetopathie  52
Asplenie  212 –– epidurale  23
Alkoholsyndrom, fetales  52
Asthma bronchiale  166 –– subgaleale  23
Allantiasis  115
–– Diagnostik  167 BNS-Epilepsie  368
Alport-Syndrom  303
–– Therapie  167 Boerhaave-Syndrom  266
ALTE  422
Asthmaanfall  168 Bornholm-Erkrankung  133
Alveolitis
Astrozytom  240 Borrelia burgdorferi  120
–– exogen-allergische  171
Ataxia telangiectasia  363, 382 Borreliose  120
Aminoazidopathie  60
Ataxie  381 Botulismus  115
Aminosäurestoffwechselstörun-
–– spinozerebelläre  379 Brachyzephalus  360
gen  60, 70
Atemnotsyndrom Bradyarrhythmie  192
Amöbenruhr  142
–– Neugeborenes  25 Bronchiolitis  165
Anämie
Atopie  400 Bronchitis  162
–– aplastische  203
Aufmerksamkeits- und Konzentrations- –– obstruktive  166
–– autoimmunhämolytische  206
störung  389 Bronchopneumonie  163
–– Definition  201
Aura  366 Bronchospasmus  166
–– Eisenmangel  202
Autoimmunhepatitis  286 Brudzinski-Zeichen  100
–– hämolytische  204
Autoimmunneutropenie  211 Bulbärparalyse, progressive  375
–– hypoplastische  203
Stichwortverzeichnis
427 A– E

C Defibrillation  423
Degeneration, hepatolentikuläre  288
Eisenmangelanämie  201, 269
Eiweißhydrolysatnahrung  6
C-Zell-Karzinom  335 Dellwarze  399 Ekzem
Café-au-lait-Flecken  363 Denys-Drash-Syndrom  324 –– atopisches  400
Candida-Infektion, mukokutane  139 Dermatitis –– endogenes  400
Candidasepsis  51 –– atopische  400 Elektroenzephalographie  366
Candidose  139 –– herpetiformis Duhring  274 Elektrokardiogramm  191
Caput succedaneum  22 Dermatomykose  139 Embryofetopathie, nichtinfektiöse  52
Carnitinmangel, sekundärer  67 Dermatomyositis  249 Endokarditis  187
CATCH 22-Syndrom  61 Desquamation, postnatale  394 Endokarditisprophylaxe  188
CDG-Syndrom  385 Dexamethason-Suppressionstest  344 Endokrinopathie, angeborene  9
Charcot-Marie-Tooth-Erkrankung  378 Diabetes Energiebedarf
Charcot-Trias  386 –– insipidus  307 –– Neugeborenes  17
Chediak-Higashi-Syndrom  209 –– insipidus centralis  331 Enteritis
Cheilitis  402 –– insipidus renalis  307 –– Escherichia-coli  118
Chimärismus  324 Diabetes insipidus  330 Enterobius vermicularis  142
Chlamydia Diabetes mellitus  347 Enterokolitis, nekrotisierende  45
–– pneumoniae  125 –– Typ 1  348 Enterovirusinfektion  133
–– psittaci  124 –– Typ 2  350 Entwicklung, psychomotorische  3
–– trachomatis  123 Diamond-Blackfan-Anämie  203 Entwicklungsdiagnostik  357
Chlamydien  123 Diarrhö  103 Entwicklungsstörung  357
Chlamydien-Konjunktivitis  124 Diarrhö, chronische  273 Entwicklungsverzögerung  357
Choanalatresie  153 DiGeorge-Syndrom  61, 176 Entzugssymptomatik, neonatale  53
Cholangio-Pankreatikographie, endo- Diphtherie  112 Enzephalitis, japanische
skopische retrograde  270 Döhle-Körperchen  214 –– Impfung  150
Cholangitis, primär sklerosieren- Dottersacktumore  239 Enzephalomyelitis, akut disseminier-
de  276–277 Down-Syndrom  56 te  387
Cholesteatom  158 Dreitagefieber  132 Enzephalopathie, hypoxisch-ischämi-
Chorea minor  256 Drogenentzug, neonataler  53 sche  30
Choriokarzinom  239 Dubin-Johnson-Syndrom  281 EOBI  49
chromosomale Störungen  56 Ductus arteriosus, persistierender  26, EPEC  118
Citrullinämie  74 179 Ependymom  243
Clostridien  114 Dünndarmatresie  272 Epidermatomykose  139
Clostridium Duodenalatresie  271 Epididymitis  313
–– botulini  115 Duodenoduodenostomie  272 Epiglottitis  162
–– difficile  116 Durchfall  103 Epikutantest  403
–– perfringens  116 Durchwanderungsperitonitis  45 Epilepsie  365
–– tetani  114 Dysgerminom  239 –– Langzeittherapie  371
Clusterkopfschmerz  390 Dyskrinie  166 Epstein-Barr-Virusinfektion  130
Cogan-Syndrom  252 Dysphagie  266 ERC Leitlinien Lebensrettende Maß-
Colitis ulcerosa  277 Dysplasie nahmen  422
Collerette  404 –– bronchopulmonale  31 Ernährung  3
Coombs-Test –– ektodermale  257 Ersatzrhythmus, bradykarder  194
–– direkter  40 Dystrophie Ertrinkungsunfall  412
–– indirekter  40 –– myotone Curschmann-Steinert  376 Erysipel  105
Corynebacterium diphtheriae  112, 159 Dysurie  298 Erythema
Coxitis fugax  255 –– chronicum migrans  121
–– exsudativum multiforme  398
E
Coxsackievirus-Infektion  399
Crigler-Najjar-Syndrom  281 –– infectiosum  132
Cushing-Syndrom  344 –– marginatum  256
Echinococcus –– toxicum neonatorum  394
Cutis marmorata  395
–– granulosus  145 Erythroblastopenie  203
–– multilocularis  145 Erythroblastophthise, transitori-

D ECMO  33
Eczema herpeticatum  398
sche  203
Erythropoese
Dandy-Walker-Malformation  383 EHEC  119 –– Neugeborenes  18
De-Toni-Debre-Fanconi-Syndrom  307 EIEC  119 Escherichia-coli-Enteritis  118
428 Stichwortverzeichnis

ETEC  118 Gastroschisis  43 Hämaturie, rezidivierende  303


Ewing-Sarkom  235 Geburtsgeschwulst  22 Hämodialyse  416
Exanthema subitum  132 Geburtsgewicht  17 Hämodilution  42
Extrasystole Geburtstrauma  22 Hämoglobin S  207
–– supraventrikuläre  193 Gelbfieber Hämoglobinopathie  207
–– ventrikuläre  194 –– Impfung  150 Hämoperfusion  416
Gelegenheitsanfall  370 Hämophilie A  215
Gerinnung, disseminierte intravasa- Hämophilie B  215
F le  99, 111, 216
Geschlechtsentwicklung
Hämorrhagie, intrazerebrale  28
Hämosiderose  209
Facies –– Störung  324 Hand-Fuß-Mund-Erkrankung  399
–– scarlatina  104 Gestationsdiabetes  348 Hand-Mund-Fuß-Erkrankung  133
Facies myopathica  376 Gewichtsentwicklung  3 Handgreifreflex  12
Fallot-Tetralogie  183 Gilbert-Syndrom  281 Harnröhrenklappe  294–295
Fanconi-Bickel-Syndrom  81 Gingivostomatitis herpetica  397 Harnstoff-Atemtest  270
Farmerlunge  171 Girdle-Syndrom  208 Harnstoffzyklusstörungen  74
Fasziitis, nekrotisierende  106 Gitelman-Syndrom  307 Harnwegsinfekt  298
Faszikulationen  373 Glanzmann-Naegeli-Syndrom  214 Hashimoto-Thyreoiditis  333
Favismus  205 Glasgow Coma Scale  417 Heimlich-Manöver  173
Fazialisparese  23 Gleithoden  315 Helicobacter pylori  269
Fetopathia diabetica  47 Glioblastoma multiforme  241 Hemiparese  361
Fettsäuremetabolismusstörung  83 Gliom  240 Hepatitis
Fettstoffwechselstörungen  83 Glomerulonephritis –– A Impfung  150
Fibrose, zystische  168 –– mesangial-proliferative  302 –– B  283
Fieber Rheumatisches  255 –– postinfektiöse  301 –– B Impfung  148
Fieberkrampf  370 Glomerulonephritis, akute  160 –– C  284
FIRS  49 Gloves-and-Socks-Erkrankung  400 –– D  285
Fluoridsubstitution  7 Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase- –– virale  282
Folge-2-Nahrung  5 mangel  205 Hepatitis B  51
Folsäuremangel  202 Glukose-Galaktose-Malabsorption, Hepatoblastom  236
Frasier-Syndrom  324 kongenitale  81 Hepatoporto-Enterostomie  282
Fremdkörperaspiration  172 Glukose-Transporterprotein-Syn- Hepatosplenomegalie  286
Friedreich-Ataxie  379 drom  81 Heptitis
Fruchtwassermenge  19 Glukosurie, renale  307 –– a  282
Frühgeborenes Glutarazidurie Typ 1  68 Herpes genitalis  128
–– Definition  18 Glycinstoffwechselstörung  70 Herpes labialis  128
–– Erkrankungen  24 Glykogenose  77 Herpes neonatorum  129
–– extrem kleines  18 Glykogenspeicherkrankheiten  77 Herpes simplex-Virusinfektion  128
–– sehr kleines  18 Gonadendysgenesie  324 Herpes Zoster-Virusinfektion  129
Frühsommermeningoenzephalitis  134 Gower-Zeichen  373 Herpes-Enzephalitis  128
Fruktoseintoleranz, hereditäre  82 Grand-mal-Anfall  365 Herpes-simplex-Infektion
Fruktosestoffwechselstörungen  82 Granulomatose, septische  261 –– kutane  398
FSME  134 Granulozytenfunktionsstörung  211 Herpes-simplex-Virusinfektion  51
Fuchsbandwurm  145 Gray-platelet-Syndrom  214 Herzfehler
Fußgreifreflex  12 Gregg-Syndrom  127 –– angeborene  176
Guillain-Barré-Syndrom  250, 375, 378 –– Ductus-abhängige Lungenperfu-
Gürtelrose  129 sion  185
G –– Ductus-abhängige Systemperfu-
sion  186
Galaktosämie  79
Galaktosestoffwechselstörungen  79
H –– Links-rechts-Shunt  176
–– zyanotische  183
Galant-Reflex  12 H.A.-Nahrung  6 Herzgeräusch, akzidentelles  197
Gallengangatresie, extrahepati- Haarmykose  139 Herzinsuffizienz
sche  281 Haemophilus-influenzae-Impfung  214 –– akute  196
Gangliosidose  91 Haemophilus-influenzae-Infek- –– chronische  196
Gasbrand  117 tion  111, 162, 214 Herzrhythmusstörung  191
Gastritis  269 Hämangiomatose, intrakraniale ver- –– bradykarde  194
gastroösophageale Refluxkrankheit  266 kalkende  364
Stichwortverzeichnis
429 F– K

Herzrhythmusstörungen Hypertonie –– bakterielle  103


–– tachykarde  193 –– arterielle  310 –– bakterielle neonatale  49
Herzschrittmacher, permanenter  192 Hypertonie arterieller  346 –– Diagnostik  98
Hiatushernie  266 Hypertrabekulation, linksventrikulä- –– neonatale  49
Himbeerzunge  104 re  190 –– Übertragungswege  97
Hirnblutung  28 Hypertriglyzeridämie  85 –– virale neonatale  51
Hirnhautentzündung  100 Hyperviskositätssyndrom  41 Influenza  137
Hirntumor  240 Hypoaldosteronismus Influenza-Pneumonie  137
Histiozytose  224 –– isolierter  345 Insulintherapie  350
Histiozytosis X  224 Hypoalphalipoproteinämie  87 Invagination  279
HIV-Infektion  135 Hypoglykämie Isovalerianazidurie  67
–– neonatale  51 –– hypoketotische  76 Ivemark-Syndrom  212
Hochwuchs  2 –– neonatale  47
Hodenhochstand  315 –– persistierende  75
Hodentorsion  312
Hodgkin Lymphom  226
–– postprandiale  82
Hypokalzämie  48, 337
J
Homozystinurie  71 Hypolaktasie  275 Jackson-Anfall  371
Hörstörung, angeborene  9 Hypolipoproteinämie  87 Jejunumatresie  272
Hpatitis Hypoparathyreoidismus  337 Jervell-Lange-Nielsen-Syndrom  194
–– e  285 Hypophysenadenom  329 Jodsubstitution  8
Hüftgelenksdysplasie, angeborene  10 Hypophyseninsuffizienz  329 Johanson-Blizzard-Syndrom  271
Human-Immunodefizienz-Virusinfek- Hypophysenvorderlappen  329
tion  135 Hypoplasie, pontozerebelläre  384
Hundebandwurm  145 Hypospadie  311 K
Hutchinson-Trias  120 Hypothyreose  353
Hydatidentorsion  313 –– primäre  332 Kahnschädel  360
Hydrocele –– zentrale  332 Kälberflechte  139
–– funiculi spermatici  311 Hypothyreose transiente  332 Kapillaritis  249
–– testis  311 Kardiomyopathie  190
Hydrocephalus –– arrhythmogene rechtsventrikulä-
–– e vacuo  362
–– occlusus  362
I re  190
–– dilatative  190
Hydronephrose  298 Ichthyosis bullosa  396 –– hypertrophe  190
Hydrozephalus  361 Icterus –– restriktive  190
Hymenalatresie  316 –– gravis  42 Karditis  255
Hyper-IgM-Syndrom  209 –– prolongatus  21, 282 Kariesprophylaxe  7
Hyperaldosteronismus Icterus  Karzinom
–– primärer  345 –– praecox  21 –– embryonales  239
Hyperammonämie  67, 74 Idiotie, infanile amaurotische  91 –– hepatozelluläres  236
Hyperbilirubinämie  281, 289 IgA-Nephritis  300 Katzenauge, amaurotisches  238
–– neonatale  37 Ikterus  281 Kawasaki-Syndrom  252–253
Hypercholesterinämie  85, 304 Ikterus, physiologischer  38 Kearns-Sayre-Syndrom  376
Hyperchylomikronämie  86 Ileumatresie  272 Kehlkopf-Diphtherie  112
Hyperglykämie  347 Immundefekt  256 Kehlkopffehlbildung  154
Hyperinsulinismus  47 –– Klassifikation  257 Keimzelltumoren  238
–– kongenitaler  75 –– schwerer kombinierter  258 Kephalhämatom  22
Hyperinsulinismus-Hyperammonämie- Immundefekte Keratitis parenchymatosis  120
Syndrom  76 –– angeborene  97 Keratoconjunctivitis herpetica  398
Hyperkalziurie  338 Immunkomplexnephritis  301 Keratokonus  402
Hyperkortisolismus  344 Impetigo bullosa  396 Keratosis pilaris  402
Hyperlipidämie  85 Impetigo contagiosa  105, 396 Kernig-Zeichen  100
Hyperlipoproteinämie  84 Impfung  146 Kernikterus  38
Hyperoxietest  185 –– aktive  147 Kerzenwachsphänomen  405
Hyperparathyreoidismus  338 –– passive  149 Ketoazidose  350
Hyperphenylalaninämie  62 Indikationsimpfung  149 Keuchhusten  113
Hypertension, pulmonale Infektanfälligkeit, erhöhte  257 Kinderlähmung  134
–– Neugeborenes  36 Infektion Kindesmisshandlung  418
Kindesvernachlässigung  418
430 Stichwortverzeichnis

Kindstod, plötzlicher  420 –– chronisch myeloische  222 Mekoniumileus  46


Klavikulafraktur Leukodystrophie  375 MELAS-Syndrom  376
–– Neugeborenes  23 –– metachromatische  91 Membranoxygenierung, extrakorpo-
Kleinwuchs  2, 321 Leukokorie  238 rale  33
Klinefelter-Syndrom  58, 324, 348 Leukomalazie, periventrikuläre  29 MEN1  338
Köbner-Phänomen  405 Leuzinose  66 MEN2A  338
Kohlenhydratstoffwechselstörun- Lhermitte-Zeichen  386 Menarche  326
gen  75 Li-Fraumeni-Syndrom  240 Meningismus  100
Kolitis, pseudomembranöse  116 Links-rechts-Shunt  176 Meningitis
Kollagenose  247 Linksherzsyndrom  186 –– eitrige  101
Kolostrum  4 Lipoproteinstoffwechselstörungen  84 –– epidemica  111
Komplementdefekt  257 Lippen-Kiefer-Gaumenspalten  153 –– Erreger  100
Kontaktekzem, allergisches  403 Lissenzephalie  385 –– hämatogene  100
Kopflaus  145 Lobärpneumonie  107, 163 –– serös  101
Kopfumfang  19 LOBI  50 –– virale  133
Kostmann-Syndrom  210 Löffler-Syndrom  143 Meningoencephalitis herpetica  398
Krampfanfall, neonataler  48 Long-QT-Syndrom  194 Meningoenzephalitis  101, 127
Kraniopharyngeom  242 Lues  119 Meningokokkeninfektion  110
Kraniosynostose  360 –– acquisa  119 MERRF-Syndrom  376
Krätze  145 –– connata  119 Meteorismus  275
Krise Lungenhypoplasie  35 Methylmalonazidurie  66
–– aplastische  205 Lungensequestration  156 Migrationsstörung  359
–– cholinerge  380 Lupus erythematodes, systemi- Mikrodeletionssyndrom  60, 176
–– myasthene  380 scher  247 Mikrogyrie  359
Kugelzellanämie  204 Lupusnephritis  248 Mikrohämaturie  303
Kurzdarmsyndrom  45 Lyme-Arthritis  246 Mikrozephalie  2
Lyme-Borreliose  120, 255 Miktionszysturethrogramm  293–294
Lymphknotensyndrom, mukokuta- Milchglasinfiltrat  163
L nes  253
Lymphogranuloma venerum  123
Miliaria  394
Milien  395
Labiensynechie  316 Lymphohistiozytose, hämophagozytie- Miller-Fisher-Syndrom  378
Laktatazidose  78 rende  225 Milzvergrößerung  212
Laktosemalabsorption  275 Lymphom, malignes  226 Minimal-change\«-Nephritis  305
Längenentwicklung  3 Mischkollagenose  251
Langerhans-Zell-Histiozytose  224 Mitralinsuffizienz  180
Laryngitis, subglottische  161
Laryngomalazie  154
M MODY  352
Mollusca contagiosa  399
Laryngotracheitis, stenosierende  161 Madenwurm  142 Mononukleose, infektiöse  130
Laryngozele  155 Magenentleerung  415 Morbus
Larynx-Diphtherie  112 Makroglossie  323 –– Addison  342
Larynxfehlbildung  154 Makrohämaturie  301 –– Basedow  334
Latzverbrühung  412 Makrozephalie  2 –– Behçet  252
Lavage, bronchoalveoläre  172 Malaria  140 –– Crohn  269, 275
Lebendimpfstoff  147 Malformation, zystische  157 –– Fabry  91, 375
Lebendimpfung  259 Mallory-Weiss-Syndrom  266 –– Gaucher  90
Lebensmittelvergiftung  110 Marfan-Syndrom  322 –– haemolyticus neonatorum  39
Lebertumor, maligner  236 Martin-Bell-Syndrom  59 –– haemorrhagicus neonatorum  42
Leberversagen, akutes  289 Masern  126 –– Hirschsprung  272, 280
Leberzirrhose  287 Masern-Enzephalitis  126 –– Krabbe  91
Legasthenie  390 Masern-Pneumonie  126 –– Perthes  246
Leigh-Syndrom  376 Mastoiditis  158 –– Refsum  375
Leihimmunität  49 May-Hegglin-Anomalie  214 –– Tay-Sachs  91
Lennox-Gastaut-Syndrom  367 MCAD-Defekt  83 –– Wilson  288, 381
Lese-Rechtschreib-Störung  357 Meckel-Divertikel  272 Moro/Reflex  12
Leukämie  218 Medulloblastom  241 MOTT  123
–– akute lymphatische  218 Megaureter  292 Mukolipidose  89
–– akute myeloische  220 Mekoniumaspirationssyndrom  33 Mukomykose  139
Stichwortverzeichnis
431 L– P

Mukopolysccharidose  88
Mukoviszidose  168
––
––
Asphyxie  23
Bluterkrankungen  37 O
Multiple Sklerose  386 –– Energiebedarf  17 Obstipation
Mumps  127 –– Erstversorgung  19 –– habituelle  280
Mumps-Meningoenzephalitis  127 –– Erythropoese  18 Odynophagie  266
Mumps-Orchitis  127 –– gastrointestinale Oligoarthritis  246
Münchhausen-by-proxy-Syndrom  421 Erkrankungen  43 Oligodendrogliom  241
Mundfäule  397 –– Hypoglykämie  47 Omphalitis  210
muscle-eye-brain-disease  385 –– Infektionen  49 Omphalozele  44
Muskelatrophie –– Kardiorespiration  17 Onchomykose  139
–– peroneale  375 –– körperlichen Untersuchung  21 OPSI  212
–– spinale  375, 377 –– Krampfanfall  48 Opsoklonus-Myoklonus-
Muskeldystrophie –– Lungenerkrankungen  33 Syndrom  388
–– Becker  374 –– metabolische Erkrankung  47 Optikusatrophie, Lebersche  376
–– Duchenne  374 –– persistierende pulmonale Orchidolyse  315
–– Werdnig-Hoffmann  250 Hypertension  36 Orchitis  314
Muttermilch  3 –– Pilzinfektionen  51 Organoazidurie  60, 66
Myasthenia gravis  375, 379 –– Reanimation  20 –– klassische  66
Mycobacterium tuberculosis  121 –– reifes  18 Osler-Knötchen  188
Myelitis, akute transverse  387 –– Reifezeichen  21 Ösophagitis  268
Mykobakteriose, atypische  123 –– Temperaturregulation  17 Ösophagogastroduodenoskopie  269
Mykose, systemische  139 –– übertragenes  18 Ösophagusatresie  265
Myokarditis  188 –– Verdauung  17 Osteomyelitis  102
Myoklonie  366 –– Versorgung  19 Osteosarkom  234
Myoklonus-Enzephalopathie  367 Neuner-Regel  412 Otitis
Myoklonus-Epilepsie  367 Neuralrohrerkrankung  358 –– adhesiva  158
Myopathie  250 Neurapraxie  375 Otitis media  157
–– kongenitale  375 Neuroblastom  229 Ovarialinsuffizienz  57
–– mitochondriale  375 Neurodermitis  400 Ovarsyndrom, polyzystisches  351
Myositis, infektiöse  250 Neurofibromatose  240 Overlap-Syndrom  277, 286
Myotonie  375 –– Typ 1  363
–– Curschmann-Steinert  250 –– Typ 2  364
Neuromyelitis optica  387
Neuropathie
P
N –– chronisch-inflammatorische demye-
linisierende  375
Pachygyrie  359
Pancreas anulare  271
Nabelarterien-pH  19 –– hereditäre motorisch-sensori- Panenzephalitis, subakut sklerosieren-
Nabelschnurhernie  44 sche  375, 378 de  126
Nackenreflex  12 Neurotmesis  375 Pankreasinsuffizienz  169
Naevus flammeus  364 Neutropenie Pankreasinsuffizienz, exokrine  271
Nagelmykose  139 –– schwere kongenitale  210 Pankreatitis  270
Nebennierenrindeninsuffizienz  325, –– zyklische  210 –– chronisch-rezidivierende  270
342, 347 Neutrozytopenie  209 –– hämorrhagische  270
Nebenschilddrüsenunterfunktion  337 nicht-granulomatös  252 Papageienzüchter-Erkrankung  124
Neisseria meningitidis  98 Niemann-Pick-Krankheit  90 Paragangliom  346
Nematoden  142 Niere Paraparese  361
Nephritis, tubulointerstitielle  308 –– multizystisch-dysplastische  297 Parotitis, epidemische  127
Nephroblastom  231 –– polyzystische  296 Parvovirus-B19-Infektion  205, 208
Nephroprotektion  301, 311 Niereninsuffizienz  308 Pearson-Syndrom  271
Neugeborenen-Hyperbilirubinä- Nierenversagen Pediculosis capitis  145
mie  281 –– akutes  308 Pendelhoden  315
Neugeborenen-Screening  8, 11 –– chronisches  309 Perikarditis  189, 253
Neugeborenenanfall  368 Nierenzyste  296 peroxisomale Erkrankungen  92
–– benigner familiärer  367–368 Non-Hodgkin-Lymphom  228 Pertussis  113
Neugeborenensepsis  98 Noncompaction-Myocardium  190 Perzentile  2
Neugeborenes Noonan-Syndrom  321 Petrussa-Index  21
–– Apnoe  30 Norovirusinfektion  138 Pfeiffer-Zellen  131
432 Stichwortverzeichnis

Pfeiffersches Drüsenfieber  130 Psittakose  124 Rinderbandwurm  144


PHACE-Syndrom  363 Psoriasis Ringelröteln  132
Phakomatose  380 –– guttata  405 Romano-Ward-Syndrom  194
Phäochromozytom  310, 346 –– vulgaris  405 Roseola infantum  132
Pharyngitis  159 Psoriasis-Arthropathie  405 Rotavirusinfektion  138
Phenylketonurie  61 Psoriasisarthritis  246 Röteln  127
Phimose  312 Pubarche  326 Röteln-Embryofetopathie  127
Phlegmone  106 Pubertas Rötelnembryopathie  51
Phosphatdiabetes  307 –– praecox  328 Ruhr  118
Phototherapie  39 –– praecox centralis  323 Rundwürmer  142
Picorna-Viren  133 –– tarda  326
Pilzinfektion  139 Pubertätsentwicklung,
–– Neugeborenes  51
Ping-Pong-Fraktur  23
normale  325
Pubertätsgynäkomastie  326
S
Plagiozephalus  360 Pulmonalstenose Salmonellose  117
Pleuritis  247 –– supravalvuläre  185 Sandifer-Sutcliffe-Syndrom  266
Pleurodynie  133 Pulmonalstenose, valvuläre  182 Säuglingsernährung  3
Plexuslähmung Pulpitis sicca  402 Säuglingsmilch  5
–– obere  23 Purpura Saugreflex  12
–– untere  23 –– immunthrombozytopenische  213 Saugwürmer  143
Pneumatozele  157 –– Schoenlein-Henoch  251 Schädel-Hirn-Trauma  417
Pneumocystis-Pneumonie  164 Pyelonephritis  294, 298 Schallleitungsschwerhörigkeit  158
Pneumokokkenimpfung  164 Pyloromyotomie  269 Scharlach  104
Pneumokokkeninfektion  107 Pylorusstenose, infantile hypertro- Schiefschädel  360
Pneumonie  163 phe  268 Schilddrüsenkarzinom  335
–– interstitielle  163 Schilddrüsentumor  335
–– neonatale  37 Schilddrüsenunterfunktion  332
Pneumothorax  34, 173
Poliomyelitis  134
R Schistosomiasis  143
Schlafmyoklonie, benigne  368
Pollakisurie  298 Rachendiphtherie  112 Schnappatmung  24, 421
Polyangiitis, mikroskopische  252 Rachenmandelhyperplasie  160 Schock, septischer  45
Polyarteriitis Rachitis  7, 339 Schocksyndrom, toxisches  109
–– kutane  252 –– kalzipenische  338 Schoenlein-Henoch-Purpura  252
–– nodosa  252 Raynaud-Phänomen  248, 250 Schütteltrauma  419
Polyarthritis  256 Reanimation  423 Schwartz-Bartter Syndrom  331
–– Rheumafaktor-negative  246 –– Basismaßnahmen  422 Schweinebandwurm  144
–– Rheumafaktor-positive  246 –– erweiterte Maßnahmen  423 Schweißbläschen  394
Polydipsie  308, 330, 347 –– Risikokind  20 Schweißtest  166
Polyglobulie, neonatale  41 Reentry-Tachykardie Seminom  239
Polyhydramnion  271 –– atrioventrikuläre  193 Sepsis  74, 98
Polyurie  308, 347 –– intraatriale  193 –– Diagnostik  99
Post-Varizellen-Schlaganfall  380 Reflux –– Erreger  98
Postpoliomyelitis-Syndrom  134 –– gastroösophagealer  266 –– Klinik  99
Poststreptokokken-Glomerulonephri- –– vesikoureteraler  294, 298 –– Therapie  100
tis  107 Refluxösophagitis  266 Serositis  247
Prader-Willi-Syndrom  61 Refsum-Syndrom  93 Sexualentwicklung
Prädiabetes  347 Regressionssyndrom, –– Störungen  324
Pre-Nahrung  5 kaudales  385 Shigellose  118
Prehn-Zeichen  313 Regurgitation  266 Shprintzen-Syndrom  61
Primitivreaktion  12 Reiseimpfungen  149 Shunt
Propioanazidurie  67 Retardierung, psychomotorische  32 –– ventrikulo-atrialer  362
Proteinurie, große  304 Retinoblastom  237 –– ventrikulo-lumbarer  362
Protozoenerkrankung  140 Retinopathia praematurorum  31 Shwachman-Diamond-Syndrom  209,
Pseudohypoparathyreoidismus  353 Rett-Syndrom  384 271
Pseudokrupp  161 Reye-Syndrom  289 Sichelzellkrankheit  207
Pseudothrombopenie Rhabdomyolyse  281 Sichelzellthalassämie  207
–– EDTA-induzierte  213 Rhabdomyosarkom  233 Silver-Russell-Syndrom  321
Pseudotumor cerebri  362 Riesenaxonneuropathie  375 Simpson-Test  379
Stichwortverzeichnis
433 R– V

SIRS  49, 98 –– der inadäquaten ADH-Sekre- Tumor


Skabies  145 tion  331 –– klein-blau-rundzellig  236
Skaphozephalus  360 –– des fragilen X-Chromosoms  59 –– primitive neuroektodermaler  241
Sklerodermie  250 –– extrapyramidales  415 –– spinaler  243
–– lokalisierte  251 –– hämolytisch-urämisches  302 Turmschädel  360
–– systemische  250 –– myelodysplastisches  223 Turner-Syndrom  324
Sklerose –– narkotisches  415 Turrizephalus  360
–– tuberöse  240, 365 –– nephrotisches  304 Typhus  118
Sklerose, multiple  386 –– neurokutanes  363 –– Impfung  150
Smith-Lemli-Opitz-Syndrom  88 –– velokardiofaziales  61 Tyrosinämie  63
Sommermeningitis  133 Syphilis  119 –– transitorische  63
Soor  51, 139 Syringomyelie  359 –– Typ I  64
Sotos-Syndrom  322 Tyrosinämie Typ II  65
Spannungskopfschmerz  390 Tyrosinose, okulokutane  65
Spannungspneumothorax  173
Spastik  361
T
Speichergranula-Defekt  214
Speicherkrankheit, lysosomale  88
T-Zell-Defekt  97
Tabakbeutelgesäß  273
U
Sphärozytose  212 Tachyarrhythmie  193 Übergewicht  2
–– hereditäre  204 Tachykardie Ullrich-Turner-Syndrom  57
Sphingolipidose  89 –– supraventrikuläre  193 Untergewicht  2
Spina bifida  358 –– ventrikuläre  194 Ureterabgangsstenose  292
Splenomegalie  212 Tachypnoe, transitorische  34 Ureterozele  293
Spontanpneumothorax  173 Taenia Uthoff-Phänomen  386
Spulwurm  143 –– saginata  144
Standardimpfung  149 –– solium  144
staphylococcal scalded skin syndro- Takayasu-Arteriitis  252
Teilleistungsstörung  390
V
me  396
Staphylococcal scales skin syndro- Temperaturregulation VACTERL-Syndrom  265
me  110 –– Neugeborenes  17 Vagus-Manöver  192
Staphylococcus aureus  108 Temporallappenepilepsie  369 Varikozele  314
Staphylokokken Teratom  239 Varizella-Zoster-Virusinfektion  129
–– Koagulase-negative  108 Terminalschlaf  366 Varizellen-Pneumonie  129
Staphylokokkeninfektionen  107 Tetanus  114 Vaskulitis  251
Staphylokokkenpharyngitis  160 Tetraparese  361 –– hypokomplementämische  252
Status epilepticus  370 Thalassämie  208 –– leukozytoklastische  251
Stenose, ureteropelvine  292 Thelarche  326 VATER-Syndrom  265
Stentimplantation  181 Thoraxkompression  422 VATERL-Syndrom  265
Stillen  3 Thoraxsyndrom  207 Ventrikelseptumdefekt  176–177, 195
Stoffwechselerkrankungen  88 Thrombozytopathie  214 Verätzung  416
Stomatitis aphtosa  397 Thrombozytopenie  43 Verbrauchskoagulopathie  216
Streptococcus Tic  382 Verbrennung  412
–– pneumoniae  98 Tonnen  120 Verbrühung  412
–– pyogenes  98 Tonsillitis  159 Vergiftung  414
Streptokokken Tonsillopharyngitis  104 Vernachlässigung  418
–– toxisches Schocksyndrom  105 Totimpfstoff  147 Virilisierung  341
–– β-hämolysierende  104–105 Tourette-Syndrom  382 Virushepatitis  282
Streptokokkendermatitis  397 Toxoplasma gondii  141 Virusinfektion  125
Streptokokkeninfektion  103 Trachom  123 –– neonatale  51
Streptokokkenpharyngitis  160 Transposition der großen Arterien  184 Vitamin D  6
Stridor  161 Trematoden  143 Vitamin K  6
Sturge-Weber Syndrom  364 Trichomykose  139 Vitamin B12-Mangel  202
Suchreflex, oraler  12 Trichophytie  139 Vitamin D-Mangel  339
Switch-Operation  185 Trigonozephalus  360 Vitium, zyanotisches  183
Syndrom Trisomie 21  56 VLCAD-Defekt  83
–– adrenogenitales  341 Tuberkulose  121 Vogelzüchterlunge  171
–– anticholinerges  415 Tuberkulose-Impfung  148 von-Hippel-Lindau-Erkrankung  363
–– cholinerges  415 Tubulopathie  306 Von-Willebrand-Erkrankung  216
434 Stichwortverzeichnis

Vorhautverengung  312
Vorhofseptumdefekt  176
Vorsorgeuntersuchung  10
Vulvovaginitis  316

W
Wachstumshormon  329
Wachstumsstörung  321
Warm-up-Phänomen  373
Waterhouse-Friedrichsen-Syn-
drom  101, 342
Wegener-Granulomatose  252
West-Syndrom  368
Wiedemann-Beckwith-Syndrom  236
Williams-Beuren-Syndrom  61
Wilms-Tumor  231
Windeldermatitis  404
Windpocken  129
Wiskott-Aldrich-Syndrom  257, 260
Wunddiphtherie  112
Wundstarrkrampf  114
Wurmerkrankung  142

X
Xerosis cutis  402

Z
Zellweger-Syndrom  93
Zerebellitis  383
Zerebralparese  360
Zeroidlipofuszinose, neuronale  92
Zestoden  144
Ziegenpeter  127
Ziliendyskinesie, primäre  155
ZNS-Infektion  388
Zöliakie  273
Zollinger-Ellison-Syndrom  269
Zwerchfellhernie  35
Zystinose  72
Zystinurie  72, 307
Zystitis  298
Zytomegalie-Virusinfektion  131

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