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Nur ein Drittel der Abgeordneten im Bundestag ist weiblich. Das muss sich ändern.

Aber wie? Ist eine Quote nötig?

Im Jahr 1972 erreichte der Frauenanteil im Bundestag seinen Tiefpunkt: Zu Beginn der
Legislaturperiode waren gerade mal knapp sechs Prozent der Abgeordneten Frauen. Vor
diesem Hintergrund wirkt der Frauenanteil des neuen Bundestags geradezu paradiesisch. 31
Prozent! Fast ein Drittel, toll! Sogar mehr als die gesetzlich vorgeschriebene Frauenquote in
Aufsichtsräten! Alles gut? Nein.

Denn leider sind das sechs Prozent weniger als im vorigen Bundestag. Der Hoffnung, dass
der Frauenanteil wie in den vergangenen Jahrzehnten weiter steigt, ist damit abrupt ein Ende
gesetzt worden. So wenige Frauen saßen zuletzt vor knapp zwei Jahrzehnten im Parlament.
Das ist bitter– auch vor der Tatsache, dass rund eine Million mehr Frauen als Männer in
Deutschland leben. Der Bundestag spiegelt damit nicht im Ansatz das Geschlechterverhältnis
unserer Gesellschaft wieder und trägt damit dazu bei, dass sich Ungleichheit nicht auflöst –
sondern manifestiert.

Die Hauptschuld für die Kluft tragen die AfD und FDP: Von den 94 Abgeordneten der AfD
sind nur elf Frauen. Bei der FDP sieht es kaum besser aus. 18 von 80 Sitzen werden von
Frauen besetzt. Auch die Union rühmt sich nicht einer sonderlich paritätischen
Geschlechterverteilung. Hier ist das Verhältnis 49 zu 197. Die CDU und die AfD vertuschen
dieses Missverhältnis einfach dadurch, dass Frauen Spitzenämter bekleiden.

Ganz anders sieht die Verteilung bei der SPD, den Grünen und den Linken aus. Warum?
Weil diese Parteien in der Vergangenheit eine Quote eingeführt haben: Bei den
Sozialdemokraten müssen mindestens 40 Prozent der Kandidaten auf den Landeslisten
weiblich sein. Bei den Grünen und den Linken ist es gar die Hälfte. Dass eine
Freiwilligenquote nichts bringt, sieht man nicht nur an den Vorstandsetagen, die immer noch
Männermonokulturen sind. Auch die CDU hat eine freiwillige 30-Prozent-Quote für Listen.
Im Bundestag sitzen trotzdem nur knapp 20 Prozent CDU-Frauen.

Aber keine Partei kann sich ihre Kandidatinnen basteln. Engagieren sich weniger Frauen in
den Parteien? Interessieren sie sich weniger für Politik? Oder ist es für sie schwerer, auf die
attraktiven Listenplätze zu gelangen und Direktkandidaturen zu ergattern? Bleiben Männer in
der Politik doch lieber unter sich, und stoßen Frauen ähnlich wie in Aufsichtsräten, Chef- und
Vorstandsetagen hier ebenfalls an die sogenannte „gläserne Decke“? Viermal ja. Und deshalb
ist das Thema auch so komplex. Denn all diese Dinge hängen miteinander zusammen.

Ja, Frauen sind weniger aktiv in Parteien – und zwar in allen. Am größten ist die Differenz in
der CSU und AfD, am geringsten bei den Grünen. Ja, und Frauen interessieren sich auch
weniger für institutionalisierte Politik als Männer. Eher engagieren sie sich bei Initiativen
oder Demos.

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Doch das alles hat auch historische und gesellschaftliche Gründe. Lange Zeit hatten Frauen
durch Parteimitgliedschaftsverbot (sehr lange her) und Wahlverbot (lange her) keinen Anteil
an der Gestaltung unseres politisch-parlamentarischen Systems. Auch wenn das
glücklicherweise vorbei ist, wirken die tief verwurzelten Strukturen bis heute nach.

Dem gegenüber stehen traditionelle Rollenbilder in den Familien, in denen noch immer die
Frau den Löwenanteil an Hausarbeit und Erziehung leistet. Dies wiederum kollidiert mit der
politischen Arbeit in den Parteien besonders auf kommunaler und Landesebene, die oft am
Feierabend und am Wochenende stattfindet. Genau hier müssen sich Politikerinnen aber erst
einmal behaupten, bevor sie ihren Namen auf den Landeslisten wiederfinden und später
genau diese Themen auch bundespolitisch vorantreiben können.

Hinzu kommen verkrustete und patriarchalische Strukturen – genau wie in Aufsichtsräten


und Vorständen, wo Männer lange doch lieber Männer unterstützt haben und engagierte
Frauen belächelt wurden: Stichwort „Küstenbarbie“ oder „Quotenfrau“. In
männerdominierten Welten sehen sich Frauen einer härteren Kritik ausgesetzt und müssen
sich quasi doppelt beweisen. Was also tun?

Grüne, Linke und SPD machen es vor. Alle Parteien sollten verpflichtende Quoten für die
Listen einführen. Vorbild könnte auch ein Paritätsgesetz wie in Frankreich sein, um
gleichberechtigte Partizipation von Frauen und Männern zu sichern. Das wäre eine Aufgabe
für die neue Regierung, damit wir in vier Jahren nicht erneut so eine rückständige Verteilung
im Bundestag erleben müssen.

Parallel dazu muss die Familienpolitik weiter alles daransetzen, die Vereinbarkeit von Beruf
und Familie zu fördern, um starre Rollenbilder aufzubrechen und Frauenkarrieren den Weg
freizuräumen. Nichtsdestotrotz sind auch die Frauen gefragt, engagiert, mutig und
selbstbewusst in die Politik zu gehen – sei es auf dem Land im Hinterzimmer oder in den
vielen Stadtparlamenten. Ziel: 40 Prozent weibliche Abgeordnete bei der Bundestagswahl
2021.

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