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Der Musensohn

Johann Wolfgang von Goethe

Durch Feld und Wald zu schweifen,


Mein Liedchen weg zu pfeifen,
So geht’s von Ort zu Ort!
Und nach dem Takte reget,
Und nach dem Mass beweget
Sich alles an mir fort.
Ich kann sie kaum erwarten,
Die erste Blum’ im Garten,
Die erste Blüt’ am Baum.
Sie grüssen meine Lieder,
Und kommt der Winter wieder,
Sing’ ich noch jenen Traum.
Ich sing’ ihn in der Weite,
Auf Eises Läng’ und Breite,
Da blüht der Winter schön!
Auch diese Blüte schwindet,
Und neue Freude findet
Sich auf bebauten Höhn.
Denn wie ich bei der Linde
Das junge Völkchen finde,
Sogleich erreg’ ich sie.
Der stumpfe Bursche bläht sich,
Das steife Mädchen dreht sich
Nach meiner Melodie.
Ihr gebt den Sohlen Flügel
Und treibt, durch Tal und Hügel,
Den Liebling weit von Haus.
Ihr lieben, holden Musen,
Wann ruh’ ich ihr am Busen
Auch endlich wieder aus?

The son of the muses

Roaming through field and wood,


whistling my song,
thus I go from place to place!
And all keep time with me,
and all move
in measure with me.
I can scarcely wait for them,
the first flower in the garden,
the first blossom on the tree.
They greet my songs,
and when winter returns
I am still singing my dream of them.
I sing it far and wide,
the length and breadth of the ice.
Then winter blooms in beauty!
This blossom, too, vanishes,
and new joys are found
on the cultivated hillsides.
For when, by the linden tree,
I come upon young folk,
I at once stir them.
The dull lad puffs himself up,
the demure girl whirls
in time to my tune.
You give my feet wings,
and drive your favourite over hill and dale,
far from home.
Dear, gracious Muses,
when shall I at last find rest again
on her bosom?

Adelaide
Friedrich von Matthison

Einsam wandelt dein Freund im Frühlingsgarten,


Mild vom lieblichen Zauberlicht umflossen,
Das durch wankende Blütenzweige zittert,
Adelaide!
In der spiegelnden Flut, im Schnee der Alpen,
In des sinkenden Tages Goldgewölken,
Im Gefilde der Sterne strahlt dein Bildnis,
Adelaide!
Abendlüfte im zarten Laube flüstern,
Silberglöckchen des Mais im Grase säuseln,
Wellen rauschen und Nachtigallen flöten:
Adelaide!
Einst, o Wunder! entblüht auf meinem Grabe
Eine Blume der Asche meines Herzens;
Deutlich schimmert auf jedem Purpurblättchen:
Adelaide!

Adelaide

Your friend wanders lonely in the spring garden,


Gently bathed in the magical sweet light
That shimmers through swaying boughs in bloom,
Adelaide!
In the mirroring waves, in the Alpine snows,
In the golden clouds of the dying day,
In the fields of stars your image shines,
Adelaide!
Evening breezes whisper in the tender leaves,
The silvery bells of May rustle in the grass,
Waves murmur and nightingales sing:
Adelaide!
One day, O miracle! there shall bloom on my grave
A flower from the ashes of my heart;
On every purple leaf shall clearly shimmer:
Adelaide!
Ich liebe dich (Zärtliche Liebe)
Karl Friedrich Herrosee

Ich liebe dich, so wie du mich,


Am Abend und am Morgen,
Noch war kein Tag, wo du und ich
Nicht teilten unsre Sorgen.
Auch waren sie für dich und mich
Geteilt leicht zu ertragen;
Du tröstetest im Kummer mich,
Ich weint' in deine Klagen.
Drum Gottes Segen über dir,
Du, meines Lebens Freude.
Gott schütze dich, erhalt' dich mir,
Schütz und erhalt' uns beide.

I love you

I love you as you love me,


At evening and at morning,
No day there was when you and I
Did not share our sorrows.
And for me and you they were,
When shared, an easy burden;
You comforted me in my distress,
I wept when you lamented.
May God then bless you,
You, my life's delight.
God protect and keep you for me,
Protect and keep us both.

Ännchen von Tharau ist's, die mir gefällt.


Sie ist mein Reichtum, mein Gut und mein Geld.
Ännchen von Tharau hat wieder ihr Herz
auf mich gerichtet in Lieb und in Schmerz.
Ännchen von Tharau, mein Reichtum, mein Gut,
du meine Seele, mein Fleisch und mein Blut.Käm alles Wetter gleich auf uns zu
schlahn,
wir sind gesinnt, beieinander zu stahn.
Krankheit, Verfolgung, Betrübnis und Pein
soll unsrer Liebe Verknotigung sein.
Ännchen von Tharau, mein Reichtum, mein Gut,
du meine Seele, mein Fleisch und mein Blut.Recht als ein Palmenbaum über sich
steigt,
je mehr ihn Hagel und Regen anficht,
so wird die Lieb in uns mächtig und groß
durch Kreuz, durch Leiden, durch mancherlei Not.
Ännchen von Tharau, mein Reichtum, mein Gut,
du meine Seele, mein Fleisch und mein Blut.Würdest du gleich einmal von mir
getrennt,
lebtest da, wo man die Sonne kaum kennt,
ich will dir folgen durch Wälder, durch Meer,
Eisen und Kerker und feindliche Heer.
Ännchen von Tharau, mein Licht, meine Sonn,
mein Leben schließ ich um deines herum.

Auf Flügeln des Gesanges


Heinrich Heine

Auf Flügeln des Gesanges,


Herzliebchen, trag ich dich fort,
Fort nach den Fluren des Ganges,
Dort weiß ich den schönsten Ort.
Dort liegt ein rotblühender Garten
Im stillen Mondenschein;
Die Lotosbumen erwarten
Ihr trautes Schwesterlein.
Die Veilchen kichern und kosen,
Und schaun nach den Sternen empor;
Heimlich erzählen die Rosen
Sich duftende Märchen ins Ohr.
Es hüpfen herbei und lauschen
Die frommen, klugen Gazelln;
Und in der Ferne rauschen
Des heiligen Stromes Welln.
Dort wollen wir niedersinken
Unter dem Palmenbaum,
Und Liebe und Ruhe trinken,
Und träumen seligen Traum.

On wings of song

On wings of song, my darling,


I’ll carry you off, and we’ll go
Where the plains of the Ganges are calling,
To the sweetest place I know.
Red flowers are twining and plaiting
There in the still moonlight:
The lotus flowers are awaiting
Their sister acolyte.
The violets whisper caresses
And gaze to the stars on high;
The rose in secret confesses
Her sweet-scented tales with a sigh.
Around them, listening and blushing,
Dance gentle, subtle gazelles;
And in the distance rushing
The holy river swells.
Oh, let us lie down by it,
Where the moon on the palm tree beams;
And drink deep of love and quiet
And dream our happy dreams.

Ich liebe dich

Du mein Gedanke, du mein Sein und Werden!


Du meines Herzens erste Seligkeit!
Ich liebe dich wie nichts auf dieser Erden,
Ich liebe dich in Zeit und Ewigkeit!

Ich denke dein, kann stets nur deine denken,


Nur deinem Glück ist dieses Herz geweiht,
Wie Gott auch mag des Lebens Schicksal lenken,
Ich liebe dich in Zeit und Ewigkeit!

Tú, mi pensamiento, tú, mi ser y mi...

Tú, mi pensamiento, tú, mi ser y mi destino!


¡Tú, primera delicia de mi corazón!
¡Te amo más que a nada en esta tierra,
te amo, ahora y en la eternidad!

Pienso en ti, solamente puedo pensar en ti,


solo a tu felicidad se consagra este corazón;
sea cual sea el destino que Dios depare a mi vida,
te amo, ahora y en la eternidad!

Es muss ein Wunderbares sein


Oskar von Redwitz-Schmölz

Es muss ein Wunderbares sein


Ums Lieben zweier Seelen,
Sich schliessen ganz einander ein,
Sich nie ein Wort verhehlen,
Und Freud und Leid und Glück und Not
So mit einander tragen;
Vom ersten Kuss bis in den Tod
Sich nur von Liebe sagen.

How wondrous it must be

How wondrous it must be


When two souls love each other,
Locking each other wholly in,
Never concealing a single word,
And sharing with each other
Joy and sorrow, weal and woe;
Talking only of love
From the first kiss unto death.

Widmung
Friedrich Rückert

Du meine Seele, du mein Herz,


Du meine Wonn’, o du mein Schmerz,
Du meine Welt, in der ich lebe,
Mein Himmel du, darein ich schwebe,
O du mein Grab, in das hinab
Ich ewig meinen Kummer gab!
Du bist die Ruh, du bist der Frieden,
Du bist vom Himmel mir beschieden.
Dass du mich liebst, macht mich mir wert,
Dein Blick hat mich vor mir verklärt,
Du hebst mich liebend über mich,
Mein guter Geist, mein bess’res Ich!

Dedication

You my soul, you my heart,


You my rapture, O you my pain,
You my world in which I live,
My heaven you, to which I aspire,
O you my grave, into which
My grief forever I’ve consigned!
You are repose, you are peace,
You are bestowed on me from heaven.
Your love for me gives me my worth,
Your eyes transfigure me in mine,
You raise me lovingly above myself,
My guardian angel, my better self!

Der Jüngling an der Quelle


Freiherr Johann Gaudenz von Salis-Seewis

Leise, rieselnder Quell!


Ihr wallenden, flispernden Pappeln!
Euer Schlummergeräusch
Wecket die Liebe nur auf.
Linderung sucht’ ich bei euch,
Und sie zu vergessen, die Spröde;
Ach, und Blätter und Bach
Seufzen, Luise, dir nach!

The Youth by the Spring

Softly rippling brook,


swaying, whispering poplars,
your slumbrous murmur
awakens only love.
I sought consolation in you,
wishing to forget her, she who is so aloof.
But alas, the leaves and the brook
sigh for you, Louise!

Still wie die Nacht

Still wie die Nacht


und tief wie das Meer,
soll deine Liebe sein!
Wenn du mich liebst,
so wie ich dich,
will ich dein eigen sein.
Heiß wie der Stahl
und fest wie der Stein
soll deine Liebe sein!

As quiet as the night

As quiet as the night


and deep as the sea,
your love should be!
If you love me
the same as I love you,
I want to be yours.
As hot as steel
and as firm as a rock,
your love should be!

Zueignung
Hermann von Gilm
Ja, du weißt es, teure Seele,
Daß ich fern von dir mich quäle, Liebe macht die Herzen krank,
Habe Dank.
Einst hielt ich, der Freiheit Zecher,
Hoch den Amethysten-Becher,
Und du segnetest den Trank,
Habe Dank.
Und beschworst darin die Bösen,
Bis ich, was ich nie gewesen,
Heilig, heilig an’s Herz dir sank,
Habe Dank!

Dedication

Yes, dear soul, you know


That I’m in torment far from you,
Love makes hearts sick –
Be thanked.
Once, revelling in freedom,
I held The amethyst cup aloft
And you blessed that draught –
Be thanked.
And you banished the evil spirits,
Till I, as never before,
Holy, sank holy upon your heart –
Be thanked.

Selige Stunde

In deiner Näh'
Ist mir so gut,
Mein Wilde, mein Weh
Nun bei dir ruht.
Siehst du mich an,
So weicht der Bann,
Der mich dunkel umfangen;
Ich schmieg in dein Gewand
Den Flittertand
Eitler Gedanken.
Meine Wünsche, die weit
Über Raum und Zeit
Spielen und schwanken,
Sie ziehn die Segel ein
In deinem Hafen,
Sie liegen stumm und klein
Und schlafen.
In mir klingt ein Lied

In mir klingt ein Lied, ein kleines Lied,


in dem ein Traum von stiller Liebe blüht
für dich allein.
Eine heiße, ungestillte Sehnsucht
schrieb die Melodie.

In mir klingt ein Lied, ein kleines Lied,


in dem ein Wunsch von tausend Stunden glüht,
bei dir zu sein.

Sollst mit mir im Himmel leben,


träumend über Sterne schweben,
ewig scheint die Sonne für uns zwei,
sehn' dich herbei
und mit dir mein Glück.
Hörst du die Musik,
zärtliche Musik.

In mir klingt ein Lied, ein kleines Lied,


in dem ein Traum von stiller Liebe blüht
für dich allein.

Sollst mit mir im Himmel leben,


träumend über Sterne schweben,
ewig scheint die Sonne für uns zwei,
sehn' dich herbei
und mit dir mein Glück.
Hörst du die Musik,
zärtliche Musik (zärtliche Musik)

In me there sings a song

In me there sings a song, a little song,


in which a dream blossoms from quiet love
for you alone.
A warm, unfulfilled desire
wrote the melody.

In me there sings a song, a little song,


in which a wish of one thousand hours glows
to be by you.

You live with me in heaven,


sweep over stars in a dream,
the sun shines forever for us,
I yearn for you
and with you my happiness.
Do you hear the music,
tender, tender music.

In me there sings a song, a little song,


in which a dream blossoms from quiet love
for you alone.
You live with me in heaven,
sweep over stars in a dream,
the sun shines forever for us,
I yearn for you
and with you my happiness.
Do you hear the music,
tender, tender music. (tender, tender music)

Verschwiegene Liebe
Joseph von Eichendorff

Über Wipfel und Saaten


In den Glanz hinein -
Wer mag sie erraten,
Wer holte sie ein?
Gedanken sich wiegen,
Die Nacht ist verschwiegen,
Gedanken sind frei.
Errät es nur eine,
Wer an sie gedacht
Beim Rauschen der Haine,
Wenn niemand mehr wacht
Als die Wolken, die fliegen -
Mein Lieb ist verschwiegen
Und schön wie die Nacht.

Silent love

Over treetops and cornfields


Into the gleaming light –
Who may guess them,
Who catch them up?
Thoughts go floating,
The night is silent,
Thoughts are free.
If only she could guess
Who has thought of her
In the rustling groves,
When no one else is awake
But the scudding clouds –
My love is silent
And lovely as night.

Als die alte Mutter


Adolf Heyduk
Als die alte Mutter mich noch lehrte singen,
sonderbar, daß Tränen ihr am Auge hingen.
Jetzt die braunen Wangen netzen mir die Zähren,
wenn ich will die Kinder Sang und Spielen lehren!

When my old mother

When my old mother taught me songs to sing,


Tears would well strangely in her eyes.
Now my brown cheeks are wet with tears,
When I teach the children how to sing and play!

Allerseelen
Hermann von Gilm

Stell auf den Tisch die duftenden Reseden,


Die letzten roten Astern trag herbei,
Und laß uns wieder von der Liebe reden,
Wie einst im Mai.
Gib mir die Hand, daß ich sie heimlich drücke,
Und wenn man’s sieht, mir ist es einerlei,
Gib mir nur einen deiner süßen Blicke,
Wie einst im Mai.
Es blüht und duftet heut auf jedem Grabe,
Ein Tag im Jahr ist ja den Toten frei,
Komm am mein Herz, daß ich dich wieder habe,
Wie einst im Mai.

All Souls' Day

Set on the table the fragrant mignonettes,


Bring in the last red asters,
And let us talk of love again
As once in May.
Give me your hand to press in secret,
And if people see, I do not care,
Give me but one of your sweet glances
As once in May.
Each grave today has flowers and is fragrant,
One day each year is devoted to the dead;
Come to my heart and so be mine again,
As once in May.

Da unten im Tale
Da unten im Tale
Läufts Wasser so trüb,
Und i kann dirs net sagen,
I hab di so lieb.
Sprichst allweil von Liebe,
Sprichst allweil von Treu,
Und a bissele Falschheit
Is auch wohl dabei.
Und wenn i dirs zehnmal sag,
Daß i di lieb,
Und du willst nit verstehn, muß i
Halt weiter gehn.
Für die Zeit, wo du g’liebt mi hast,
Dank i dir schön,
Und i wünsch, daß dirs anderswo
Besser mag gehn.

Down There in the Valley

Down there in the valley


The water runs so murkily,
And I cannot tell you
How much I love you.
You speak only of love,
Speak only of constancy,
And a bit of falsehood
Goes with it too.
And if I tell you ten times
That I love you,
And you don’t understand—
I shall have to go on my way.
For the time that you loved me,
I give you thanks,
And wish that elsewhere
You might fare better.

Nur wer die Sehnsucht kennt „Lied der Mignon“


Johann Wolfgang von Goethe

Nur wer die Sehnsucht kennt


Weiss, was ich leide!
Allein und abgetrennt
Von aller Freude,
Seh’ ich an’s Firmament
Nach jener Seite.
Ach! der mich liebt und kennt
Ist in der Weite.
Es schwindelt mir, es brennt
Mein Eingeweide.
Nur wer die Sehnsucht kennt
Weiss, was ich leide!
Only he who knows longing ('Mignon's Song')

Only he who knows longing


knows what I suffer.
Alone, cut off
from all joy,
I gaze at the firmament
in that direction.
Ah, he who loves and knows me
is far away.
I feel giddy,
my vitals are aflame.
Only he who knows longing
knows what I suffer.

Das Veilchen
Johann Wolfgang von Goethe

Ein Veilchen auf der Wiese stand,


Gebückt in sich und unbekannt;
Es war ein herzigs Veilchen.
Da kam ein’ junge Schäferin
Mit leichtem Schritt und muntrem Sinn
Daher, daher,
Die Wiese her, und sang.
Ach! denkt das Veilchen, wär ich nur
Die schönste Blume der Natur,
Ach, nur ein kleines Weilchen,
Bis mich das Liebchen abgepflückt
Und an dem Busen matt gedrückt!
Ach nur, ach nur
Ein Viertelstündchen lang!
Ach! aber ach! das Mädchen kam
Und nicht in Acht das Veilchen nahm,
Ertrat das arme Veilchen.
Es sank und starb und freut’ sich noch:
Und sterb’ ich denn, so sterb’ ich doch
Durch sie, durch sie,
Zu ihren Füßen doch.
Das arme Veilchen
Es war ein herzigs Veilchen!

The Violet

A violet was growing in the meadow,


Unnoticed and with bowed head;
It was a dear sweet violet.
Along came a young shepherdess,
Light of step and happy of heart,
Along, along
Through the meadow, and sang.
Ah! thinks the violet, if I were only
The loveliest flower in all Nature,
Ah! for only a little while,
Till my darling had picked me
And crushed me against her bosom!
Ah only, ah only
For a single quarter hour!
But alas, alas, the girl drew near
And took no heed of the violet,
Trampled the poor violet.
It sank and died, yet still rejoiced:
And if I die, at least I die
Through her, through her
And at her feet.
The poor violet!
It was a dear sweet violet!

Sehnsucht nach dem Frühling, K. 596


Christian Adolf Overbeck von Lübeck

Komm lieber Mai und mache


Die Bäume wieder grün
Und lasst uns an dem Bache
Die kleinen Veilchen blüh’n.
Wie möchten wir so gerne
Ein Blümchen wieder seh’n
Und in die frische Ferne,
Ins grüne Freie gehn!
Komm’ mach’ es bald gelinder,
Daß alles wieder blüht,
Dann wird das Flehn der Kinder
Ein lautes Jubellied.
O komm und bring vor allem
Uns viele Rosen mit,
Bring auch viel Nachtigallen
Und schöne Kuckucks mit.

May Song

Come, sweet May, and turn


The trees green again,
And make the little violets
Bloom for us by the brook!
How we should love to see
A little violet again,
And journey into fresh open spaces
And go into the green outdoors!
Come, make the weather milder soon
That all things may bloom again!
Then the children’s pleading
Will turn to loud rejoicing.
O come, and above all bring us
Many roses with you,
Bring many nightingales as well
And lovely cuckoos too.

Gruß
Heinrich Heine

Leise zieht durch mein Gemüt


Liebliches Geläute.
Klinge, kleines Frülingslied,
Kling hinaus ins Weite.
Zieh hinaus, bis an das Haus,
Wo die Veilchen sprießen.
Wenn du eine Rose schaust,
Sag, ich lass’ sie grüßen.

Greeting

A sweet sound of bells


Peals gently through my soul.
Ring out, little song of spring,
Ring out far and wide.
Ring out till you reach the house
Where violets are blooming.
And if you should see a rose,
Send to her my greeting.

Die Forelle
Christian Schubart

In einem Bächlein helle,


Da schoß in froher Eil'
Die launische Forelle
Vorüber wie ein Pfeil.
Ich stand an dem Gestade
Und sah in süßer Ruh
Des muntern Fischleins Bade
Im klaren Bächlein zu.
Ein Fischer mit der Rute
Wohl an dem Ufer stand,
Und sah's mit kaltem Blute,
Wie sich das Fischlein wand.
So lang dem Wasser Helle,
So dacht ich, nicht gebricht,
So fängt er die Forelle
Mit seiner Angel nicht.
Doch endlich ward dem Diebe
Die Zeit zu lang. Er macht
Das Bächlein tückisch trübe,
Und eh ich es gedacht,
So zuckte seine Rute,
Das Fischlein zappelt dran,
Und ich mit regem Blute
Sah die Betrogene an.

The trout

In a limpid brook
the capricious trout
in joyous haste
darted by like an arrow.
I stood on the bank
in blissful peace, watching
the lively fish swim
in the clear brook.
An angler with his rod
stood on the bank
cold-bloodedly watching
the fish’s contortions.
As long as the water
is clear, I thought,
he won’t catch the trout
with his rod.
But at length the thief
grew impatient. Cunningly
he made the brook cloudy,
and in an instant
his rod quivered,
and the fish struggled on it.
And I, my blood boiling,
looked on at the cheated creature.

Mondnacht
Joseph von Eichendorff

Es war, als hätt’ der Himmel,


Die Erde still geküßt,
Daß sie im Blütenschimmer
Von ihm nur träumen müßt’.
Die Luft ging durch die Felder,
Die Ähren wogten sacht,
Es rauschten leis die Wälder,
So sternklar war die Nacht.
Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande,
Als flöge sie nach Haus.

Moonlit Night

It was as though Heaven


Had softly kissed the Earth,
So that she in a gleam of blossom
Had only to dream of him.
The breeze passed through the fields,
The corn swayed gently to and fro,
The forests murmured softly,
The night was so clear with stars.
And my soul spread
Her wings out wide,
Flew across the silent land,
As though flying home.

Wiegenlied
Georg Scherer

Guten Abend, gut’ Nacht,


Mit Rosen bedacht,
Mit Näglein besteckt
Schlupf’ unter die Deck’.
Morgen früh, wenn Gott will,
Wirst du wieder geweckt.
Guten Abend, gut’ Nacht,
Von Englein bewacht!
Die zeigen im Traum
Dir Christkindleins Baum:
Schlaf’ nun selig und süß,
Schau im Traum’s Paradies.

Lullaby

Good evening, good night,


Canopied with roses,
Bedecked with carnations,
Slip beneath the coverlet.
Tomorrow morning, if God wills,
You shall be woken again.
Good evening, good night,
Watched over by angels!
In your dreams they’ll show you
The Christmas Tree:
Sleep sweetly now and blissfully,
Behold Paradise in your dreams.

Wandrers Nachtlied II
Johann Wolfgang von Goethe

Über allen Gipfeln


Ist Ruh’,
In allen Wipfeln
Spürest du
Kaum einen Hauch;
Die Vögelein schweigen im Walde.
Warte nur, balde
Ruhest du auch.

Wanderer’s nightsong II

Over every mountain-top


Lies peace,
In every tree-top
You scarcely feel
A breath of wind;
The little birds are hushed in the wood.
Wait, soon you too
Will be at peace.

Verborgenheit
Eduard Mörike

Lass, o Welt, o lass mich sein!


Locket nicht mit Liebesgaben,
Lasst dies Herz alleine haben
Seine Wonne, seine Pein!
Was ich traure, weiss ich nicht,
Es ist unbekanntes Wehe;
Immerdar durch Tränen sehe
Ich der Sonne liebes Licht.
Oft bin ich mir kaum bewusst,
Und die helle Freude zücket
Durch die Schwere, so mich drücket
Wonniglich in meiner Brust.
Lass, o Welt, o lass mich sein!
Locket nicht mit Liebesgaben,
Lasst dies Herz alleine haben
Seine Wonne, seine Pein!
Seclusion

Let, O world, O let me be!


Do not tempt with gifts of love,
Let this heart keep to itself
Its rapture, its pain!
I do not know why I grieve,
It is unknown sorrow;
Always through a veil of tears
I see the sun’s beloved light.
Often, I am lost in thought,
And bright joy flashes
Through the oppressive gloom,
Bringing rapture to my breast.
Let, O world, O let me be!
Do not tempt with gifts of love,
Let this heart keep to itself
Its rapture, its pain!

Ich bin der Welt abhanden gekommen


Friedrich Rückert

Ich bin der Welt abhanden gekommen,


Mit der ich sonst viele Zeit verdorben,
Sie hat so lange nichts von mir vernommen,
Sie mag wohl glauben, ich sei gestorben!
Es ist mir auch gar nichts daran gelegen,
Ob sie mich für gestorben hält,
Ich kann auch gar nichts sagen dagegen,
Denn wirklich bin ich gestorben der Welt.
Ich bin gestorben dem Weltgetümmel,
Und ruh’ in einem stillen Gebiet!
Ich leb’ allein in meinem Himmel,
In meinem Lieben, in meinem Lied!

I am lost to the world

I am lost to the world


With which I used to waste much time;
It has for so long known nothing of me,
It may well believe that I am dead.
Nor am I at all concerned
If it should think that I am dead.
Nor can I deny it,
For truly I am dead to the world.
I am dead to the world’s tumult
And rest in a quiet realm!
I live alone in my heaven,
In my love, in my song!

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