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04 Klinische Psych

Epidemiologie

- große Bedeutung für klinische Psych., Medizin, Gesundheitsversorgung,


Gesundheitspolitik
- Bsp. epidemiologische Fragestellungen: Wie häufig sind psychische Störungen in
Allgemeinbevölkerung, wie häufig schwergradige Störungen und wie häufig damit
verbundene Komplikationen/Behinderungen? // Gedeckter/ungedeckter Bedarf an
Interventionen/Diensten? Welche Menschen am anfälligsten für psychische
Störungen (in welchen Lebensphasen?) // ...

Global Burden of Disease (WHO 2002)


- verlorene Lebensjahre = DALY (Disability Adjusted Life Year)
- DALY = YLD (years lived with disability) + YLL (years if Life Lost à weil früher Tod)
- Depressionen und andere psychische Störungen/Faktoren stehen an der Spitze der
110 beurteilten gesundheitsbedingten Belastungsfaktoren

Teilgebiete
- Epidemiologie = beschäftigt sich mit räumlicher + zeitlicher Verteilung von
Erkrankungen oder anderer gesundheitsrelevanter Variablen in einer genau
definierten Population, sowie Determinanten ihres Auftretens mit sozialen
genetischen, Verhaltens- oder Umweltfaktoren

- Deskriptive Epidemiologie = beschäftigt sich mit räumlicher + zeitlicher Verteilung +


Determinanten von Gesundheit, Krankheit, Beeinträchtigung, Mortalität in definierter
Population
- Administrative Epidemiologie = Analyse anhand von Routinestatistiken (Fallregister
à Teil deskriptive Epid.)
- Analytische Epidemiologie = Untersuchung Verlauf, Ursachen, Risiko- und
Auslösefaktoren psychischer Störungen (genetische Epid. als Teilgebiet)
- Versorgungsepidemiologie: Evaluation Versorgungssystem + Abschätzung
Versorgungsbedarf

Eigenschaften Epidemiologie
- ist immer auf spezifische Populationen (z.B. Störungsbilder, Risikofaktoren,
Situationen) + entsprechende Stichprobendesigns bezogen
- beruht auf „Falldefinitionen“ à müssen nicht deckungsgleich mit klinischen
Definitionen sein
- benutzt genau definierte epidemiologische Maße à haben nur spezifizierten
Gültigkeitsbereich (z.B. Lebenszeitprävalenz, Punktprävalenz)
- z.B. depressive Symptomatik: 22% depressive Syndrome Lebenszeit-Prävalenz //
17% unipolare depressive Störungen in Lebenszeitprävalenz // 11% 12-Monats-
Prävalenz // 6% 1-Monats-Prävalenz

Grundbegriffe
- Prävalenz = Häufigkeit einer Störung

- Prävalenzrate = Prozentsatz aller Krankheitsfälle in definierter Population zu einem


bestimmten Zeitpunkt/innerhalb bestimmter Zeitperiode
à „wahre“ Prävalenz: Häufigkeit Erkrankungen möglichst repräsentativ anhand
möglichst vollständiger Untersuchung Gesamtbevölkerung
à Behandlungsprävalenz: nur diejenigen, die auch in Kontakt mit Versorgungs-
/Behandlungseinrichtungen stehen
à Administrative Prävalenz: beruht ausschließlich auf administrativen
Routinestatistiken

- Inzidenz = Häufigkeit Neuauftretens einer Erkrankung

- Zeitangaben = Prävalenz- und Inzidenzangaben haben zeitlichen Bezug


à Punktprävalenz: Häufigkeit an bestimmtem Stichtag
à 12-Monats-Prävalenz: Häufigkeit für vergangenes Jahr
à Lebenszeitprävalenz: Häufigkeit über (bisherige) Lebensspanne

Studiendesigns
- zeitliche Einteilung:
- Querschnittstudien: Untersuchung zu einem Zeitpunkt (auch retrospektiv)
- Längsschnittstudien: fortlaufende Untersuchung mit mehreren Messzeitpunkten
(prospektiv)

- Stichprobeneinteilung:
- Kohortenstudien: Auswahl einer Population von Personen anhand von bestimmten
Merkmalen, die vor Eintreten des interessierenden Krankheitsmerkmales eingetreten
sind (als Quer- oder Längsschnittstudien möglich)
- Fall-Kontroll-Studien: Vergleich von Fallstichproben (z.B. Auswahl nach Störungen,
Risikofaktoren) vs. Kontrollstichproben

- Kohortenstudien à Untersuchung multipler Endpunkte, z.B. Sterberisiko aufgrund


unterschiedlicher Ursachen // Untersuchung seltener Expositionen, z.B. industrielle
Chemikalien (Kohortenstudie in Bevölkerungsgruppe, in der die Exposition
vorhanden ist, z.B. Industriearbeiter) // Schätzung der Inzidenzrate in exponierten
Bevölkerungen // Untersuchung Kofaktoren, die sich über Zeit verändern
- Fall-Kontroll-Studienà Untersuchung seltener Krankheiten (z.B.
Tumorerkrankungen) // Untersuchung multipler Expositionen wie z.B. gemeinsamer
Effekt von oralen Kontrazeptiva und Rauchen auf Herzinfarkt
- Interventionsstudien: Untersuchung von Effekten von Interventionen

Kennwerte
- Risikofaktor = Variable, die das Auftreten einer Erkrankung begünstigt (z.B.
frühkindliche Traumatisierung)

- Protektiver Faktor = Faktor, der bei gegebener Risikokonstellation das Auftreten


einer Störung verhindert (z.B. soziale Unterstützung als stressmindernder Faktor)
à variabler Faktor: kann sich selbst verändern (z.B. Alter, Körpergewicht) oder
experimentell beeinflusst werden (z.B. Medikamenteneinnahme)
à fester Marker: ist unveränderlich (z.B. Geschlecht)

- Statistische Maßzahlen:
à Risk Ratio (RR): Relation zweier Risiken in zwei verschiedenen Gruppen
à Odds Ratio: Relation zweier Chancen/Quoten in zwei verschiedenen Gruppen

- Risk Ratio = Verhältnis der Wahrscheinlichkeit, dass ein Ereignis (z.B. Krankheit
bekommen) in einer exponierten Gruppen auftritt, verglichen
mit Wahrscheinlichkeit, dass dasselbe Ereignis in einer nicht-
exponierten Gruppe auftritt à Quotient zweiter
Wahrscheinlichkeiten/Prävalenzen
- Interpretation: RR=1 Faktor hat keinen Einfluss auf
Erkrankung // RR>1 Exponierte haben höheres Risiko // RR<1
Exponierte haben geringeres Risiko // RR=2 Exponierte haben
2mal so hohes Risiko // RR=0,5 Expnierte haben halb so
hohes Risiko

- Odds = Quotient aus Risiko und der Gegenwahrscheinlichkeit


- Odds Ratio = Verhältnis zweier Odds, dass ein Ereignis (z.B.
Krankheit bekommen) in einer exponierten Gruppe auftritt,
verglichen mit der Quote dass dasselbe Ereignis in einer nicht-
exponierten Gruppen auftritt und andersherum à Quotient
zweier Quoten
- Interpretation: OR=1 Odds bei beiden Gruppen gleich groß //
OR>1 Odds Gruppe 1 > Gruppe 2 // OR<1 Odds Gruppe 1 <
Gruppe 2 // OR=4 Gruppe 1 hat ein 4fach so hohes Odds wie
Gruppe2

- OR und RR bei geringen Basisdaten (z.B. seltenen Krankheiten/Risikofaktoren) fast


identisch
- RR lässt sich besser interpretieren
- OR hat statistisch betrachtet bessere Eigenschaften
- RR vorwiegend für prospektive Kohortenstudien genutzt
- OR Verwendung in verschiedenen epidemiologischen Designs (z.B. auch Fall-
Kontroll-Studien)
- OR kann RR „rückwärtsgerichtet“ schätzen (z.B. in Fall-Kontroll-Studien)

Ausgewählte Befunde Prävalenzen


- häufigste psychische Störungen EU 12-Monats-Prävalenz: Major Depression
(6,9%), spezifische Phobien (6,4%), somatoforme Störungen (6,3%),
Alkoholabhängigkeit (2,4%)

- häufigste psychische Störungen in Deutschland 12-Monats-Prävalenz:


Angststörungen (15,4%), Unipolare Störungen (8,2%), Störungen durch Alkohol-
oder Medikamentenkonsum (5,7%) à eig überall Frauen höhere Prävalenz, außer
bei Alkohol/Medikamentenkonsum

- soziodemographische Faktoren 12-Monats-Prävalenz:


- Prävalenz von psychischen Störungen assoziiert mit: Geschlecht (Frauen höhere
Prävalenz), Alter (jung höhere Prävalenz), sozioökonomische Status (niedriger
Status höhere Prävalenz), Gemeindegröße (Einwohnerzahlen über 500.000 höhere
Prävalenz)
- keine Unterschiede zwischen neuen/alten Bundesländern

Ausgewählte Befunde Versorgungssituation


- häufigste (Haupt)Diagnosen von Patienten bei stationären Behandlungen:
psychische Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen (35,4%), Affektive
Störungen (23,7%), Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen (13,4%)
- häufigste Diagnosen bei in Anspruch genommener Psychotherapie
(Krankenkassendaten): Depression (54,3%), Angst + somatoforme Störungen
(38,5%), Belastungsstörungen (25,1%) à danach käme Zwang mit nur noch 3,1%
und Sucht mit 2,4%,...

- Versorgungssituation Behandlung
- Anteil aller Personen mit psychischer, die professionelle Interventionen erhalten:
38,2%
- Anteil aller Personen mit depressiver Störung, die professionelle Interventionen
erhalten: 50,1%
- Verteilung Behandelter nach Versorgungssektor in Deutschland: Nervenarzt 21%,
Andere (z.B.Beratungsstellen 21%), Psychologische Psychotherapien 18%, (teil-
)stationär 15%, ärztliche Psychotherapie 11%, nur Hausarzt 9%, Ambulanz 5%

- häufigste primärärztliche Versorgung:


- diagnostiziert als Depression: Antidepressiva (36,8%), Überweisung (21,9%),
pflanzliche Medikamente (14%),...
- diagnostiziert als andere psychische Störung: Überweisung (20,3%),
Beratung/Gespräche (18,2%), pflanzliche Medikamente (15,5%), keine Intervention
(15,2%),...
- weder erkannt noch diagnostiziert: keine Intervention (87,6%), Beratung/Gespräche
(5,3%),...

- Behandlungsbedürftige Depressionen: 60-70% davon in hausärztlicher Betreuung //


30-35% als Depression diagnostiziert // 6-9% suffizient behandelt // 2,5-4% nach drei
Monaten Behandlung noch compliant

Ausgewählte Befunde Gesundheitsökonomie


- häufigste Ursachen für Arbeitsunfähigkeit differenziert nach Krankheitsart: 2000 7%
wegen Psyche, Zunahme bis 2016 auf 14,7%

- höchste direkte Krankheitskosten in Deutschland: Herz-Kreislauf-Erkrankungen


(46,4Mrd.€), Psychische Erkrankungen (44,4Mrd.€), Erkrankungen
Verdauungssystem (41,6Mrd.€) à psychische Erkrankungen auf Platz 2!

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