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07 Klinische Psych

Angststörungen

- alle Angststörungen: exzessive Furcht- und Angstreaktionen + entsprechende


Verhaltensauffälligkeiten
- Furcht = emotionale Reaktion auf reale oder wahrgenommene unmittelbar
bevorstehende Bedrohung // Zunahme autonomer Erregung durch Kampf- oder
Fluchtintention
- Angst = Antizipation zukünftiger Bedrohung // erhöhte Muskelspannung,
Hypervigilanz in Vorbereitung auf zukünftige Gefahr // vermeidendes Verhalten
- Angst + Furcht können sich überlappen
- Angststörungen unterscheiden sich in Bezug auf die Arten von Objekten oder
Situationen
- Angststörungen ≠ angemessene Furcht/Angst à sondern ist stärker ausgeprägt,
hält länger an als für Entwicklungsalter angemessen

Klassifikation & Diagnostik

- ICD 10: F40 Phobische Störung (Agoraphobie, soziale Phobien, spezifische


isolierte Phobien) // F41 sonstige Angststörungen (Panikstörung, generalisierte
Angststörung,...)

- Spezifische Phobie: nach DSM5


- Furcht/Angst vor spezifischem Objekt oder Situation (z.B. Fliegen, Höhen, Tiere,
Spritze, Blut,...)
- phobisches Objekt/Situation ruft fast immer unmittelbare Furcht oder Angstreaktion
hervor // wird aktiv vermeiden oder nur unter starker Furcht/Angst ertragen
- Furcht geht über Ausmaß der tatsächlichen Gefahr des spezifischen Objektes
hinaus
- Furcht/Angst/Vermeidung anhaltend, über 6 Monate
- Einschränkung in Lebensführung oder Leiden des Betroffenen

- Unterteilung spezifische Phobien:


- Tier-Typus: Spinnen, Schlangen, Ratten, Würmer, Vögel,... // starke sympathikoton
dominierte Furchtreaktion
- Blut-Spritzen-Verletzungs-Typus: Anblick von Blut, invasive medizinische
Prozeduren, Dentalphobie // Di-phasisches vegetatives Muster der Furchtreaktion
- Situativer Typus: Klaustrophobische Symptome (Fahrstühle, Tunnel, Autofahren,
Flugangst, Enge,...) // starke kognitive Symptome
- Umwelt-Typus: Stürme, Gewitter, Dunkelheit, Höhlen, Wasser // Schwindel,
Vermeidung

- Soziale Phobie: nach DSM5


- ausgeprägte, anhaltende Furcht/Angst vor einer oder mehreren sozialen
Leistungssituationen, bei denen man mit unbekannten Personen konfrontiert ist oder
von anderen Personen beurteilt werden könnte
- bei Kindern muss Angst auch gegenüber Gleichaltrigen auftreten
- Furcht, sich auf Art und Weise zu verhalten oder Angstsymptome zu offenbaren,
was zu negativer Bewertung führen könnte (beschämend, peinlich, Zurückweisung,
kränken anderer Personen)
- soziale Situationen à fast immer Furcht-/Angstreaktion
- soziale Situationen werden vermieden oder nur unter intensiver Furcht/Angst
ertragen
- Angst geht über Ausmaß der tatsächlichen Gefahr hinaus
- Furcht/Angst/Vermeidung andauernd, mind. 6 Monate
- durch Furcht/Angst/Vermeidung à Leiden/Beeinträchtigungen in sozialen,
beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen

- Soziale Phobie gefürchtete Situationen: am häufigsten Sprechen (besonders bei


Frauen) // danach Essen // Toilette häufiger von Männern

- Panikattacke: nach DSM 5


- plötzliche Anflutung intensiver Angst/Unbehagens (aus Ruhezustand oder
ängstlichem Zustand heraus)
- Höhepunkt nach Minuten
- 4 oder mehr Symptome: Herzklopfen, Schweißausbrüche, Zittern,
Kurzatmigkeit/Atemnot, Erstickungsgefühle, Schmerzen/Beklemmungsgefühle in
Brust, Thoraxschmerzen, Übelkeit/Magen-Darm, Schwindel/Benommenheit,
Parästhesien (Taubheit, Kribbelgefühle), Derealisation, Selbstentfremdung, Angst vor
Kontrollverlust/Angst verrückt zu werden, Angst zu sterben

- Panikstörung: nach DSM 5


- wiederholte unerwartete Panikattacken
- nach bei mind. einer der Attacken: anhaltende Besorgnis über erneute Panikattacke
bzw. ihre Konsequenzen // oder: deutlich fehlangepasste Verhaltensänderung infolge
der Attacken (z.B. Verhalten um weitere Attacken zu vermeiden)

- Agoraphobie: nach DSM5


- ausgeprägte Angst/Furcht vor mind. 2 Situationen: Benutzen Öffis (z.B. Autos,
Busse, Schiffe, Flugzeuge) // auf offenen Plätzen sein (z.B. Parkplätze, Marktplätze,
Brücken) // in geschlossenen öffentlichen Räumen (z.B. Theater, Geschäfte, Kino) //
in Schlange anstehen oder in Menschenmenge sein // Allein außer Haus sein
- Situationen werden geflüchtet oder vermieden (wenn man im voraus weiß, dass
Flucht schwierig sein könnte oder dass Hilfe bei panikartigen Symptomen nicht
erreichbar sein könnte)
- agoraphobische Situationen lösen fast immer Furcht-/Angstreaktion hervor
- Situationen werden aktiv vermieden, können nur in Begleitung aufgesucht werden
oder werden unter intensiver Furcht durchgestanden
- Furcht geht über Ausmaß der tatsächlichen Gefahr der Situationen hinaus
- andauernd, über 6 Monate
- durch Furcht/Angst/Vermeidung à klinisch bedeutsame Leiden/Beeinträchtigungen
in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen

Epidemiologie & Heriabilität

- Lebenszeitprävalenz für Angststörungen insgesamt ziemlich hoch: fast 30%


- soziale und spezifische Phobien am häufigsten
- Frauen immer häufiger als Männer (ca. doppelt so viel)
- wichtige Komorbiditäten: andere Angststörungen, Depressionen, Dysthymie,
Suchterkrankungen, Persönlichkeitsstörungen
- Panikstörung/Agoraphobie: Frauen mehr als doppelt so häufig (2,2:1), 48% hoher
Erbfaktor, Median Erkrankungsalter 24 Jahre
- Generalisierte Angststörung doppelt so viel Frauen wie Männer, Median
Erkrankungsalter 31 Jahre
- Soziale Phobie: hohe Lebenszeitprävalenz (12,1%) und 12-Monats-Prävalenz,
Median Erkrankungsalter 13 Jahre
- spezifische Phobie: hohe Lebenszeitprävalent und 12-Monats-Prävalenz, Frauen
mehr als doppelt so häufig, Median Erkrankungsalter 7 Jahre

- Heriabilität zwischen Zwillingen/Familien besonders hoch bei Alkoholsucht, ADHS,


Tourette, Schizophrenie, Autismus à also hohe genetische Komponente

Neurobiologische Grundlagen

- limbisches System
- Amygdala verantwortlich für Emotionen, besonders für Angst
- Amygdala (Mandelkern) gibt Angstreaktion raus à beeinflusst Herzschlag,
Blutdruck, Muskulatur,...
- schneller Pfad „Quick and dirty“ + langsamer Pfad
- schneller Pfad (wir sehen ein schlangen-artiges Objekt): Augen sehen Gefahr (z.B.
Schlange) à Sehinfo geht zur Sehregion des Thalamus à direkt zur Amygdala
(innerhalb Mili-Sekunden) Amygdala à Amygdala mit Info an Peripherie (sofort
Herzschlag, Blutdruck, Muskulatur. Zurückspringen)
- langsamer Pfad (wir realisieren, dass es keine Schlange war, sondern nur ein
Baumstamm): Augen sehen Gefahr (z.B. Schlange) à Sehinfo geht zur Sehregion
des Thalamus à Sehrinde (echte Info wird verarbeitet) à Amygdala à Amygdala
mit Info an Peripherie (Herzschlag, Blutdruck, Muskulatur, reguliert sich runter oder
wird erhalten wenn es doch eine echte Schlange war)
- Amygdala als zentraler Kern der Angst: beeinflusst verschiedene Regionen:
lateraler Hypothalamus (sympathische Aktivierung à Tachykardie, EDA,
Pupillenerweiterung, Blutdruck) // Nc. parabrachialis (stärkere Atmung à Atemnot) //
Nc. reticularis (gesteigerte Reflexe à erhöhte Schreckhaftigkeit) // Nc.
paraventricularis hypothalami (Abgabe ACTH, HPA-Aktivierung à Stressreaktion) //
Griseum centrale (Totstellreflex, Todesangst) // Locus coeruleus (Anstieg RR, Puls)

Therapie

- Psychopharmakotherapie und/oder Psychotherapie (Kognitive Verhaltenstherapie


KVT)

- Psychopharmakotherapie: siehe Tabelle Folie 23


- selektive Serotoninaufnahme-Hemmer
- selektive Noradrenalinaufnahme-Hemmer

- Kognitive Verhaltenstherapie:

- Psychoedukation
- Aufklären des Patienten über die Störung, zum Verständnis wozu Angst nötig ist
- man gibt dem Patienten ein Beispiel aus der Natur: z.B. Safari: man entdeckt einen
Tiger à Stillstand/Freeze (vllt hat der Tiger uns nicht gesehen) à Realisieren dass
Tiger einen entdeckt hat à Entscheidung Kampf (Fight) vs. Flucht (Flight)
- egal wie die Entscheidung ist: Angst macht uns in dem Moment leistungsfähiger
- Kampf oder Flucht: Pupillenvergrößerung, trockener Mund, erhöhter Muskeltonus,
schneller Atem, Schwitzen, Tunnelblick, Schlaflosigkeit
- bei so einer Reaktion kann man nicht mehr über alltägliche Dinge (z.B. Abend-
Mahlzeit) nachdenken und das ist in echten Gefahr-Situationen auch gut so
- also: Angst kann auch nützlich sein
- bei Angststörung: man will irrationale Angstsituation vermeiden (z.B.
Prüfungssituation) um wieder entspannt zu sein à das ist aber nicht hilfreich auf
Dauer à stattdessen besser die Angst an sich als etwas Nicht-Gefährliches
betrachten und Konfrontation (natürlich nur bei irrationalen, übertriebenen Ängsten)

- Modelle der Angst:


- entwickelt sich in Zusammenarbeit mit dem Patienten: zum besseren Verstehen der
eigenen Störung
- a) Teufelskreislaufmodell der Angst (Panikstörung): Äußere oder innere Reize à
Wahrnehmung à Gedanke/Bewertung als Gefahr à Angst (Sichtbares Verhalten) à
Physiologische Veränderungen à Körperliche Symptome à Äußere oder innere
Reize à wieder von vorne
- b)
Selbstaufmerksamkeitsmodell
(soziale Angststörung): siehe
Abb.
- c) Konditionierung:
Grundlagen kennt man ja
(Hund, Glocke, sabbern à
klassisch // Ratte mit
angenehmen oder
unangenehmen Reiz führt zu
Verstärkung oder Bestrafung à
operant)
- Konditionierung ebenfalls bei
Agoraphobie, sozialer Phobie
und spezifischer Phobie: Raum-
Zeitliche Kopplung zwischen
Angstzustand/Panikattacke (UCS mit UCR) und einer bestimmten
Situation/Gegenstand à wir lernen, dass Situation/Gegenstand (CS) mit
unangenehmen Angstzustand verbunden ist à wir beginnen entsprechende
Situationen/Gegenstände zu vermeiden

- Kognitive Umstrukturierung: Ziel = Veränderung der kognitiven Bewertung (Top-


Down)
- Ellis: Rational-Emotive-Therapie // Beck: kognitive Therapie // Meichenbaum:
Stressempfindungstraining
- verschiedene Verhaltensexperimente: Aktives Experiment, hypothesentestendes
Experiment, Beobachtungsexperiment, exploratives Experiment

- Exposition / Konfrontation:
- a) Symptomprovokation (z.B. Panikstörung)
- durch bestimmte Übungen (z.B. durch Strohhalm atmen) werden bestimmte
Symptome (z.B. Atemnot) einer Panikattacke mutwillig ausgelöst: danach Stärke 0-
10, Angst 1-10, und Ähnlichkeit zu einer echten Panikattacke von 1-10 eingeschätzt
- Ziele: kogntiv: Angstsymptome können selbst erzeugt und kontrolliert werden //
Angstsymptome sind nicht gefährlich // Habituation // Technik kann genutzt werden
Exposition um Symptome/Angst zu erhöhen
- b )Exposition / Konfrontation in vivo (z.B. Spinnenphobie)
- Ablauf: 1. Kognitive Vorbereitung (Psychoedukation Angst, Transparente
Erarbeitung und Vermittlung der Modelle, Motivationsklärung) à 2. Wahl der
Expositionsmethode à 3. Erstellen der individuellen Angsthierarchie à 4.
Durchführung der Exposition (Bilder, Spinnenhaut, echte Spinne auf Distanz,
Therapeutin als Modell, Exposition im therapeutischen Setting, Selbstexposition)
- zu kognitive Vorbereitung: verstehen: Angst ist ein unangenehmes aber nicht
gefährliches Gefühl, dass eine Warnfunktion übernimmt // Bestandteile körperlich,
gedanklich, Verhalten // verstehen des eigenen Angst-Modells/Kreislaufes //
verstehen: dysfunktionale Ängste und damit verbundene Kognitionen können am
besten durch Konfrontation reduziert werden
- zu Wahl der Expositionsmethode: Systematische Desensibilisierung (graduiert, in
sensu) // Implosion (massiert/Reizüberflutung, in sensu) // Habituationstraining
(graduiert, in vivo) // Flooding (massiert/Reizüberflutung, in vivo)
- zu: Erstellen Angsthierarchie: jede Sitzung mit einer Übung (z.B. Bus fahren),
geordnet nach Angsteffekt
- zu: Exposition: Konfrontationsprotokoll (welche Übung heute? wie hoch
Bereitschaft? Wie hoch Glauben, dass man von Übung profitiert? Wie hoch Angst
wenn man an Übung denkt? Was kann schlimmstenfalls passieren? Wie hoch kann
Angst maximal werden? // Konfrontatic (tatsächlichen Angstverlauf in Diagramm
einzeichnen)

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