Inhaltsverzeichnis
Zeltheiligtum
Tempel Salomos
Zweiter Tempel
Idealisierte Tempelkonzepte
Andere israelitische Tempel
Die Lokalisierung des Allerheiligsten
Synagogenarchitektur
Spiritualisierung
Literatur
Einzelnachweise
Zeltheiligtum
Das Allerheiligste im Inneren des Mischkan genannten
Zeltheiligtums, wie es im Buch Exodus beschrieben wird, wurde
durch einen an vier vergoldeten Säulen aufgehängten Vorhang (die
פָרֹכ ֶת
ּ Parochet) gebildet, der „zwischen dem Heiligen und dem
Allerheiligsten trennt“ (Ex 26,33 ). Das Allerheiligste war also im
Osten durch die Parochet, im Westen, Norden und Süden aber durch Grundriss des Mischkan, links das
die Wände des innen 30 Ellen langen und 10 Ellen breiten Mischkan Allerheiligste mit der Bundeslade
begrenzt. Die Wände bestanden aus vergoldeten Akazienholzbalken, (Maßangaben in Ellen)
die ebenso wie die Säulen, an denen der Vorhang aufgehängt war, auf
silbernen Sockeln standen. Bedeckt war der Bau durch eine
Cherubenbestickte Prachtdecke (Ex 26,1–6 ) und drei weitere Decken.[1] Die Prachtdecke bestand aus zwei
gleich großen, jeweils 20 Ellen breiten Hälften, die durch Schlaufen und Haken verbunden waren. Die Haken,
mit denen die beiden Teile der Prachtdecke verbunden waren, markierten nach genau 20 Ellen den Ort für den
Vorhang und damit die Grenze zwischen Heiligem und Allerheiligstem. So entstand ein kubischer Raum,
dessen Länge, Breite und Höhe je 10 Ellen betrug.[1]
Im Allerheiligsten, also dem Raum „innerhalb der Parochet“ (Ex 26,33 ), befand sich die „Lade des
Zeugnisses“ אֲרוֹן הָﬠֵדוּתAron haedut mit den Gebotstafeln, die wiederum von einer goldenen Platte mit
zwei vollplastischen Cheruben bedeckt war, der פר ֶת
ֹ ּ ַּ כKapporet. Das Allerheiligste mit der Lade galt als der
Begegnungsort zwischen Gott und Mensch (Ex 25,22 ) bzw. als der Ort, an dem er sich in einer Wolke
offenbarte (Lev 16,2 ) und von dem aus er mit Mose redete (Num 7,89 ).
Es durfte nur einmal im Jahr von Aaron, d. h., dem Hohepriester betreten werden, um den Sühneritus des
Versöhnungstages (Jom Kippur) zu vollziehen (Lev 16 ). Benjamin Ziemer, der von der Hypothese „einer
entscheidenden, kontrastierenden priesterlichen Pentateuchkomposition“ ausgeht (im Gegensatz zu der
Hypothese, die Priesterschrift sei eine im Pentateuch verarbeitete Quelle), findet in der Gestaltung des
Zeltheiligtums Bezüge zu vier verschiedenen Bundesschlüssen Gottes mit Noah, Abraham, Israel und Aaron.
In dieser priesterlichen Bundeskonzeption stehe das Allerheiligste für den besonderen Bund mit Aaron.[2]
Dass das Allerheiligste genau ein Drittel des Mischkan einnahm, sah Josephus als Abbild eines dreistufigen
Weltbildes. Das Heilige, zu dem die Priester jederzeit Zugang hatten, sah er als Entsprechung zu den zwei
Teilen, die zum Lebensraum des Menschen gehören, Erde und Meer. Den dritten Teil, das Allerheiligste, zu
dem auch die Priester keinen Zugang hatten, sah er als Entsprechung zum Himmel, der für Sterbliche
unzugänglich ist.[3]
Tempel Salomos
Die Architektur des aus Stein gebauten, aber innen mit Zedernholz verkleideten und mit Schnitzereien von
Cheruben, Palmen und Blumen verzierten salomonischen Tempels wird in 1 Kön 6–7 sowie in 2 Chr 3
beschrieben. Auch hier war das Allerheiligste demnach ein Kubus, aber mit, im Vergleich zum Zeltheiligtum,
doppelter Seitenlänge – je 20 Ellen lang, breit und hoch (1 Kön 6,20 ). Damit nahm das Allerheiligste, wie im
Mischkan, das westliche Drittel des eigentlichen Tempelhauses ein, das 60 Ellen lang und 20 Ellen breit war
(1 Kön 6,2 ). Als Trennung zwischen der 40 Ellen langen Tempelhalle (hebräisch הֵיכ ָלHechal
(sephardisch), beziehungsweise אָרוֹן הָ דֶשAron ha-Kodesch (aschkenasisch) 1 Kön 6,17 ) und dem
Allerheiligsten diente hier eine eingezogene vergoldete Zedernholzwand (1 Kön 6,16 ). Als Durchgang
fungierte eine mit Schnitzereien verzierte und mit Gold überzogene Tür aus Olivenholz (1 Kön 6,31–32 ). Das
lange nach der Zerstörung des salomonischen Tempels entstandene Buch der Chronik beschreibt stattdessen
einen Prachtvorhang (Parochet) als Grenze zwischen dem Heiligen und dem Allerheiligsten, der mit Cheruben
bestickt gewesen sei (2 Chr 3,14 ). Das dürfte allerdings anachronistisch und von der Beschreibung der
Stiftshütte und dem Vorhang des Zweiten Tempels beeinflusst sein.[4]
Eine Unklarheit im Baubericht besteht darin, dass das Allerheiligste 20 Ellen, das eigentliche Haus aber nach
dem Bericht des Königebuches 30 Ellen hoch gewesen sein soll (1 Kön 6,2 ). In der Chronik werden beide
Höhenangaben weggelassen. Die Höhendifferenz wird entweder zumindest teilweise damit erklärt, dass der
Boden des Allerheiligsten erhöht war, so dass Stufen angenommen werden müssen, die im Baubericht nicht
erwähnt sind, oder damit, dass der kubische Raum „ein Einbau aus Holz und damit eine Art Schrein“ gewesen
sei, der „nicht bis unter die Decke des Tempelgebäudes reichte“.[5]
Im Inneren des Allerheiligsten befanden sich zwei monumentale, 10 Ellen hohe Cheruben, die mit je 5 Ellen
breiten Flügeln die ganze Breite des Raumes ausgefüllt haben sollen (1 Kön 6,23–28 ). Diese werden meist als
Thron der unsichtbar darüber thronenden Gottheit (vgl. den Titel „Cherubenthroner“ 2 Sam 6,2 )
interpretiert.[6] Dazu in Spannung steht, dass nach dem Bericht in 1 Kön 8,6–9 die Bundeslade unter diesen
Cheruben Platz fand. In der Forschung wird auch die Meinung diskutiert, ob im Allerheiligsten des
salomonischen Tempels eine JHWH-Statue gestanden hat.[7]
Zweiter Tempel
Für den unter Serubbabel begonnenen Bau des zweiten Tempels existiert keine vergleichsweise detaillierte
Beschreibung. Die Beschreibungen bei Philo, Josephus, im Neuen Testament und in der Mischna beziehen
sich auf den Tempelbau des Herodes. In diesem war das Allerheiligste, wie im Zeltheiligtum, durch einen
Vorhang abgetrennt. Es war aber, im Unterschied zu dem des Zeltheiligtums und des salomonischen Tempels
sowie dem Adyton zeitgenössischer Tempel der Umwelt, leer. Das Allerheiligste durfte, entsprechend den
darauf angewandten Bestimmungen von Lev 16 , nur einmal im Jahr vom Hohenpriester betreten werden. In
der rabbinischen Literatur wird das Allerheiligste darum vor allem im Mischnatraktat Joma behandelt, der dem
Jom Kippur gewidmet ist.
Idealisierte Tempelkonzepte
Auch die utopischen Tempelkonzepte im Heiligtumsentwurf des
Ezechielbuches (Ez 40–48 ) und in der Tempelrolle kennen ein
Allerheiligstes. Das Allerheiligste des von Ezechiel gesehenen
Tempels misst wie das des salomonischen Tempels 20 mal 20 Ellen
im Grundriss und schließt sich wie dort auch westlich an eine 20
Ellen breite und 40 Ellen lange Halle an. Der Vorhof ist aber, im
Unterschied zum Zeltheiligtum, quadratisch. Auch das Heiligtum der
Tempelrolle hat einen quadratischen Grundriss. Hier sind um das
eigentliche, rechteckige Tempelgebäude, in dem sich das quadratische
Allerheiligste – nach Johann Maier „mit der Gottesgegenwart“ „der
gewichtigste Heiligkeitsbereich“ – befand, konzentrisch drei
quadratische Vorhöfe angeordnet: Der Innenhof mit einer Seitenlänge
von 300 Ellen für die Priester, der mittlere Hof mit einer Seitenlänge
von 500 Ellen für die Leviten und der äußere Hof mit einer
Seitenlänge von 1700 Ellen für die Israeliten.[8]
Die Lade im Allerheiligsten des
Im Hebräerbrief des Neuen Testaments wird das Heiligtum, in dessen geöffneten himmlischen Tempels,
Darstellung die Stiftshütte und der herodianische Tempel vermischt mit Mannakrug, Gesetzestafeln und
sind, als Abbild eines himmlischen Heiligtums geschildert und der Aaronsstab (in Kombination aus Heb
Kult des Versöhnungstages als Typos für Christus beschrieben (Heb und Offb 11,19 ) in einem Fenster
9 ). [9] Dabei kombiniert der Hebräerbrief verschiedene biblische des York Minster
Angaben, indem er den Krug mit Manna und den Stab Aarons, die
nach Ex 16,33–34 bzw. Num 17,25–26 vor dem Zeugnis (hebräisch
‘ ﬠֵדוּתedût), d. h. den Gebotstafeln, abgelegt werden sollten, als in der Lade befindlich ansieht. Nach Heb
9,4 stand auch der goldene Räucheraltar (vgl. Ex 40,5 : „vor der Lade des Zeugnisses“) im Allerheiligsten,
während er nach Ex 40,26 vor der Parochet, also im „Heiligen“, stand.[2][9]
Synagogenarchitektur
Das Allerheiligste auf dem Tell Arad
In der synagogalen Architektur erinnert der Toraschrein in mehrfacher
Hinsicht an das Allerheiligste des Zeltheiligtums. Im Toraschrein
befinden sich die Torarollen, die gemäß Deut 31,26 ihren Platz bei
der Lade mit den Gebotstafeln haben sollten. Der Toraschrein heißt
selbst Aron HaKodesch (ׁדש ֶ ֹּ)אֲרוֹן הַק, „Heilige Lade“. Er wird
durch einen bestickten Vorhang abgetrennt, der den gleichen Namen
trägt wie der Vorhang im Zeltheiligtum: Parochet. Häufig finden sich
darauf die ersten Worte des Dekalogs, der sich nach dem biblischen
Bericht auf zwei Steintafeln in der Lade befand.
Spiritualisierung
Das Konzept des Allerheiligsten wurde auch von seinem räumlichen
Bezug losgelöst. So bezeichnet Rabbi Akiba das Hohelied als
Allerheiligstes. Nach Maimonides ist es ein erstrebenswertes Ziel für
Menschen, „Allerheiligstes“ zu werden. In der jüdischen Mystik
schließlich gilt das irdische Heiligtum als Modell für seine
Der Toraschrein in der Großen
himmlisches Entsprechung.[10]
Synagoge in Budapest
Literatur
Carol Meyers: Temple, Jerusalem. In: Anchor Bible Dictionary (ABD). Band 6, Doubleday, New
York / London 1992, ISBN 0-385-26190-X, S. 350–369.
Elke Morlok, Frederek Musall und Dennis T. Olson: Holy of Holies I. Hebrew Bible / Old
Testament. In: Encyclopedia of the Bible and Its Reception (EBR). Band 12, de Gruyter, Berlin /
Boston 2016, ISBN 978-3-11-031329-1, Sp. 174–175.
Elke Morlok und Frederek Musall: Holy of Holies III. Judaism. In: Encyclopedia of the Bible and
Its Reception (EBR). Band 12, de Gruyter, Berlin / Boston 2016, ISBN 978-3-11-031329-1,
Sp. 177–179.
Einzelnachweise
1. Klaus Koch: Stiftshütte, Biblisch-Historisches Handwörterbuch, Sp. 1873–1874.
2. Benjamin Ziemer: Schöpfung, Heiligtum und Sabbat in der priesterlichen Bundeskonzeption.
In: Angelika Berlejung, Raik Heckl (Hrsg.): Ex oriente Lux. Studien zur Theologie des Alten
Testaments. EVA, Leipzig 2012, ISBN 978-3-374-03052-1, S. 39–58, Zitat S. 40, Allerheiligstes
und Aaronbund S. 54. (PDF (https://www.academia.edu/6395622/Sch%C3%B6pfung_Heiligtu
m_und_Sabbat_in_der_priesterlichen_Bundeskonzeption))
3. Flavius Josephus: Jüdische Altertümer 3,123.181.
4. Isaac Kalimi: Zur Geschichtsschreibung des Chronisten. Literarisch-historiographische
Abweichungen der Chronik von ihren Paralleltexten in den Samuel- und Königsbüchern,
Berlin/New York 1995, ISBN 3-11-014237-6, S. 335–336.
5. Volkmar Fritz: Tempel II. Alter Orient und Altes Testament. In: Theologische Realenzyklopädie
(TRE). Band 33, de Gruyter, Berlin/New York 2002, ISBN 3-11-017132-5, S. 46–54 (S. 50).
6. Thomas Staubli: Cherubim I. Ancient Near East and Hebrew Bible/Old Testament. In:
Encyclopedia of the Bible and Its Reception (EBR). Band 5, de Gruyter, Berlin / Boston 2012,
ISBN 978-3-11-018373-3, Sp. 55–58.
7. Michaela Bauks: Bilderverbot (AT). (https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/15357/) In:
Michaela Bauks, Klaus Koenen, Stefan Alkier (Hrsg.): Das wissenschaftliche Bibellexikon im
Internet (WiBiLex), Stuttgart April 2007., abgerufen am 3. Oktober 2020.
8. Johann Maier: Die Tempelrolle vom Toten Meer und das „Neue Jerusalem“. 3. Auflage
München/Basel 1997, ISBN 3-8252-0829-X, S. XLVI (Abb. 1) und S. 61–63. Zitat S. 61.
9. Michael Bachmann: Tempel (NT). (https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/54011/) In:
Michaela Bauks, Klaus Koenen, Stefan Alkier (Hrsg.): Das wissenschaftliche Bibellexikon im
Internet (WiBiLex), Stuttgart August 2012., abgerufen am 3. Oktober 2020.
10. Elke Morlok und Frederek Musall: Holy of Holies III. Judaism. In: Encyclopedia of the Bible and
Its Reception (EBR). Band 12, de Gruyter, Berlin / Boston 2016, ISBN 978-3-11-031329-1,
Sp. 177–179.
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