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1 Einleitung
Beim Freskenzyklus in Pürgg handelt sich um das einzige vollständig erhaltene Programm
romanischer Wandmalerei aus dem 12. Jahrhundert in Österreich.1 Dass uns das Programm
Rätsel aufgibt, liegt aber in erster Linie nicht am Erhaltungszustand, sondern an den
Darstellungen an sich. Eine Schlacht zwischen Katzen und Mäusen begegnet uns in der
Hauptbildzone an der Südwand direkt neben der Verkündigung an die Hirten. Wie kann dies
eingeordnet werden? Ist es ein profanes Motiv? Einige Deutungsversuche hierzu sollen im
Folgenden besprochen werden. Durch das weitgehende Fehlen von architektonischen
Rahmungen besitzt für die gesamte Ausmalung in Pürgg die Ornamentik eine hohe
Bedeutung. Durch abwechslungsreiche und in sich konsistente Formen werden die
verschiedenen Malereien zu einem Ganzen zusammengeschlossen. Dieser Geschlossenheit
widerspricht es auch nicht, dass in Pürgg verschiedenste Stilformen zusammentreffen. Im
Langhaus kontrastiert ein arabisches Ornamentband mit einem griechischen Mäander.
Byzantinische Kompositionen wurden im Salzburger und Admonter Stil ausgeführt.
Die wichtigsten Beschreibungen der Malereien stammen von Johann Graus (1902), Walter
Frodl (1948) und Evelyn Weiß (1969).2 Otto Demus hatte in diesem Zusammenhang ebenfalls
wesentlichen Einfluss auf die Forschung.3 Die Diplomarbeit von Monika Küttner (2000) und
die Betrachtungen von Elga Lanc (1998 und 2002) geben die Erkenntnisse der letzten
Jahrzehnte wieder.4 Die folgenden Ausführung stützen sich im wesentlichen auf die
letztgenannten umfassenden Arbeiten, können aber in diesem Rahmen nur einen Überblick
bieten. Am Anfang steht ein Einblick in die Geschichte der Kapelle und ihrer Malereien,
anschließend wird das Programm im Überblick erläutert. Direkt hierauf folgt eine
Betrachtung der Ornamentik, erst dann wird auf jede Szene in Langhaus und Chor einzeln
eingegangen. Schlussendlich noch einige Ausführungen über Stil, Technik sowie die
wesentlichen stilistischen Einflüsse.
2 Die Johanneskapelle
Die kleine Johanneskapelle (Abb. 1) steht auf einer Anhöhe über dem Pfarrdorf Pürgg im
Ennstal.5 Die Kapelle wurde 1350 erstmals urkundlich erwähnt.6 Zur Errichtung gibt es
3
verschiedene Thesen. Lange Zeit sah man in ihr die Burgkapelle der ehemaligen Burg
Gruscharn, die heute nicht mehr erhalten ist.7 Der Bau soll in die Burganlage eingebunden
gewesen sein und als Pfalzkapelle der Markgrafen gedient haben. Es sei aber laut Küttner
unwahrscheinlich, dass eine Burg bis auf die Burgkapelle vollständig verschwindet. Der
Standort der Burg Gruscharn wird zudem heute woanders vermutet.8 Wahrscheinlich handelt
es sich hierbei um eine einfache Taufkapelle. Der Grundriss der Johanneskapelle ist typisch
für Kleinkirchen in der Steiermark und mit keiner speziellen Funktion verknüpft.9
Am südlichen Pfeiler der Triumphbogens gab es Reste von roter Fugenmalerei (Abb. 2), die
zu einer älteren Bemalung gehörten. Diese Reste wurde nur 1940 von Walter von
Semetkowski einmalig erwähnt, wieder verputzt und dann vergessen. Er schloss daraus, dass
die gegenwärtige Ausmalung somit nicht direkt nach der Erbauung erfolgte.10 Das Gebäude
könnte im 11. Jh. oder im frühen 12. Jh. entstanden sein, weitere Anhaltspunkte gibt es dazu
nicht.11
Die Kapelle wurde wahrscheinlich von den Traungauern errichtet, die seit der Mitte des 11.
Jh. das Gebiet beherrschten. Besondere Bedeutung besitzt in diesem Zusammenhang der
Traungauer Markgraf Ottokar III. (1139-1164), Vetter und Schwager von Kaiser Friedrich
Barbarossa. Er stand in direkter Verbindung zur Diözese Salzburg und zu Aquileja. Er galt als
Kunstförderer, zudem gehen auf ihn mehrere Schenkungen an die Kirche zurück. Ottokar
wird gemeinhin im Bildnis des weltlichen Stifters in der Ausmalung der Kirche gesehen.
(Abb. 3)12 Dass sich die Traungauer neben der Errichtung der Kirche St. Georg auch die
vollständige malerische Ausgestaltung der Kapelle leisten konnten, spricht für ein gut
begütertes und bedeutendes Markgrafentum.13
Die Kapelle (Abb. 4) besteht aus einem rechteckigen Langhaus (ca. 8,3m x 4,5m x 6m), an
der der Chorraum (3,6m x 3,4m x 5m), durch einen Triumphbogen abgetrennt, anschließt. Der
quadratische Chorraum mit Flachkuppelgewölbe liegt um zwei Stufen erhöht. Die Chorwände
sind alle gleich aufgebaut. Drei flache Rundbogennischen, die als Blendarkaden gestaltet sind,
setzen über einem ca. 35cm hohen Sockel an. Sie sind Ergänzungen der Entrestaurierung. Die
mittlere, höhere Nische umschließt jeweils ein schmales Trichterfenster, die Nischen daneben
4
enthalten Malereien. Im Langhaus befinden sich im oberen Bereich der Nord- und Südwand
jeweils drei Rundbogenfenster. An der Westwand befand sich der ursprüngliche Eingang und
darüber ein Oculus. Beide sind heute von außen durch Schindel verschlossen. Es gibt sonst
keine weiteren gliedernden Architekturelemente. Der Saal besitzt eine flache Holzdecke. Im
westlichen Bereich des Kapellenraumes über dem ehemaligen Eingang an der Westwand gab
es eine hölzerne Empore. Gemalte Rahmenstreifen und Treppenstufen deuten ihre Position an.
Aufgrund der malerischen Situation ist sicher, dass die Empore während der Ausmalung noch
vorhanden war (Abb. 5).14
In der südlichen Wand wurde nach 1400 ein weiterer Eingang durchgebrochen (Abb. 6). Die
Malereien waren wohl bis in den Barock sichtbar. Im 17. Jh. wurde im Kapellenraum ein
Stichkappengewölbe eingezogen, das Ende des 19. Jh. wieder entfernt und durch eine
hölzerne Flachdecke ersetzt wurde. Zudem wurde im Barock ein Nordportal durchgebrochen,
das auch heute noch den Eingang bildet (Abb. 5). An der Südwand entstand ein neues Fenster
und das westlichste Fenster an der Nordwand wurde vergrößert. Die Fresken wurden
übertüncht, die Nischen im Chor entfernt und die alte Empore wurde durch eine Musikempore
ersetzt. Der Dachreiter ist ebenfalls eine Schöpfung aus dem Barock. Wahrscheinlich wurde
auch der Boden erneuert, der im 19. Jh. durch einen Zementboden ersetzt wurde. Heute ist der
Boden im Langhaus gepflastert und im Chor mit Steinplatten ausgelegt. Sämtliche
Durchbrüche wurden spätestens im Zuge der Rekonstruktion der Ausmalung im 19. Jh.
wieder vermauert und später teilweise wieder geöffnet.15 1830 wurde die Kapelle durch die
Anbringung dreier kolossaler Holzkreuze an der südlichen Außenwand des Langhauses in
eine Kalvarienbergkirche umgestaltet.16 Seit der Entdeckung der Malereien wurden im 20. Jh.
immer wieder Verbesserungen und Umbauten am Gebäude vorgenommen. Die Decke wurde
nochmals ausgetauscht, die Fenster neu verglast und die Musikempore entfernt.17 Der
Nordeingang erhielt in den frühen neunziger Jahren einen Windfang und die Außenmauern
wurden neu verputzt.18
5
des Katzen-Mäuse-Kriegs wurden 1881 und Malereien im Chor 1888 entdeckt.19 Eine
systematische Freilegung erfolgt zwischen 1889 und 1892 nach der Entfernung des Gewölbes.
Theophil Melicher übermalte und rekonstruierte 1893/94 im Auftrag der k. k. Central-
Commission die fehlenden Stellen vollständig (Abb. 7). Bedingt durch die verwendete
Wandisolierung und die schlechte Durchlüftung aufgrund der Vermauerungen gab es bereits
zur Jahrhundertwende Oberflächenschäden.20 Bereits 1914/15 wurden die Übermalung
teilweise wieder entfernt. Zwischen 1939 und 1949 entrestaurierten F. Walliser, F. Weninger
und B. Malanik die Malereien und stellten den Originalbestand wieder her. Die Bildhauer J.
Tuschka und E. Fisko ergänzten die Nischenarchitektur im Chor.21 1977 wurden
Sicherungsarbeiten durch I. Hammer durchgeführt und 1990 bis 1994 führte H. Leitner in
Folge einer Zustandserhebung Restaurierungsarbeiten durch.22 Laut Lanc zeige sich heute ein
„relativ guter, geschlossener Gesamteindruck” ungeachtet der Verluste durch bauliche
Umgestaltungen.23
6
der Empore, durch die ehemalige Treppe von der Brotvermehrung getrennt, befindet sich eine
Abbildung des Teufels, analog zur Südwand dann in der Fensterzone die klugen Jungfrauen.
Der Chor wird durch eine Kuppel überspannt, in deren Zentrum sich das Lamm Gottes
befindet (Abb. 9). Es ist Mittelpunkt einer Komposition aus mehreren konzentrischen
Kreisen, in die sich die Evangelistensymbole einordnen. Der Himmelskreis wird von vier
Atlanten in den Zwickeln getragen (Abb. 56). Auf den Aufbau der Chorwände wurde bereits
eingegangen (Abb. 10). Die Malereien in den Nischen sind in zwei Bildzonen eingeteilt (Abb.
57). Der untere Abschnitt zeigt Ornamentik, darüber dann jeweils eine große, frontale
Standfigur (zwei Figuren pro Wand). Im Bereich der Wölbung schließlich Allegorien. Die
Ausmalung wird sowohl im Chor als auch im Langhaus durch differenziert gestaltete
Ornamentbänder gegliedert.
Die Bilder an der Südwand besitzen eine chronologische Reihung, an der Nordwand nicht.
Während die Nordwand hauptsächlich der Huldigung Christi gewidmet ist, kann man die
Darstellungen auf der Südwand eher als Marienszenen betrachten.26 Laut Küttner liege es
nahe, eine ursprüngliche Dreiteilung der Ausstattung anzunehmen. So gebe es neben der
Chorzone und dem östlichen Teil des Langhauses noch die Zone der Empore. Die Malereien
seien speziell auf diese Positionen und die damit verbundene Lichtsituation abgestimmt.27 Die
künstliche Beleuchtung des Kirchenraumes sei für die Wirkung der Malerei sekundär, es gehe
um das Zusammenspiel der Bilder mit dem Licht der Sonne.28 Im Chor sind die Malereien
hierarchisch nach oben zum Zentrum der Kuppel hin ausgerichtet, im Kapellenraum findet
man eine Ausrichtung der Malereien gegen Osten vor.29 Es gibt innerhalb der Ausmalung viele
inhaltliche und formale Bezüge, „die unter Berücksichtigung der architektonischen
Gliederung sowie der ursprünglich eingestellten Empore ein komplexes, harmonisches
Ganzes bilden.“30 Aber auch auf typologischer und lithurgischer Ebene mangelt es nicht an
Bezügen. Es handelt sich hier um ein gedanklich komplex aufgebautes und strukturiertes
Programm.
5 Ornamentik
Allein das Langhaus enthält mehr als zehn verschiedene Ornamentformen. Der obere
Abschluss geschieht dort durch einen plastischen, parallelperspektivischen Mäanderfries (Abb
7
5 & 6). Direkt darunter ein schlecht erhaltenes schmales Schriftband.31 Zwei Formen des
Mäanderknotens (Abb 11) treten im Fries abwechselnd auf, zwischen den Knoten bleibt
jeweils ein Bildfeld frei, das mit verschiedenen Ornamenten dekoriert ist. Die Formen sind
rhythmisiert.32 Der Mäander ist umlaufend, er beginnt und endet beim Pantokrator. In den
Laibungen wird er in zentralperspektivischer Konstruktion wieder aufgenommen (Abb. 12)
und auch in den Nischen des Chors tauscht der Mäander in einfacherer Form wieder auf.
Die Rundbogenfenster im Langhaus waren ursprünglich alle mit einem großen, mehrfarbigen
Faltband dekoriert, im Scheitel ein Medaillon (Abb. 13). Die Dekoration der westlichen
Fenster ist beinahe vollständig verloren. Das Ornamentband, das Fenster- und Hauptbildzone
trennt und in der Fensterzone als ''Boden'' dient, ist mit sehr naturalistischen roten und blauen
Blumenmotiven bestückt, was auch als „landschaftsgebendes Motiv” verstanden werden kann
(Abb. 14).33 Standfläche für die Figuren der Hauptbildzone ist ein rotes Ornamentband mit
kleinteiligen Bogenreihen (kurz 'Wellenband') (Abb. 15). Dieses Wellenband zieht sich durch
das komplette Langhaus und den Chor, wo es ebenfalls Basis für die Figuren ist. Langhaus
und Chor werden so formal verknüpft.34
Die unterste Wandzone im gesamten Langhaus ist mit gemalten Vorhängen dekoriert (Abb. 5
& 6). Die Vorhangzone ist 1,95 m hoch. Die Vorhänge sind an dem beschriebenen Wellenband
''befestigt'', abwechselnd in Ocker und Rot gemalt und mit Edelsteinen und Rosetten verziert.
Der Faltenwurf ist sehr streng. An der Nordwand, wo die Emporentreppe die Zone
unterbricht, ist der Vorhang nicht korrekt fortgesetzt. Position und Faltenwurf vor der Empore
und unter der Empore stimmen nicht überein. Imitation von Vorhängen geschah rein zur
Dekoration. Vergleichsbeispiele finden sich in der Rupertikapelle am Petersberg und in
Marienberg.35 Die Flächen im gesamten Bereich der Empore an der West-, Süd- und
Nordwand auf der Höhe der Fensterzone sind mit einer Marmorierung verziert. Leicht
gewellte Linien bilden immer kleiner werdende konzentrische Rhomben. Die Rhomben sind
abwechselnd grün, blau, rot und gelb (Abb. 16).
Die Triumphbogenwand wird durch eine senkrechte Eckmalerei, die zwölf
übereinanderliegende verschiedenfarbige Quadersteine darstellt, von den anderen Wänden
isoliert. Der Bogenlauf des Triumphbogens ist mit einem ockerfarbenen kufischen
Schriftband auf blauem Grund verziert (Abb. 8), das von einer Ranke mit Blüten und
8
Früchten durchflochten ist. Die Inschrift ist eine gleichmäßige, in sich gespiegelte, neunfach
komplette und eine angeschnittene Wiederholung des Wortes 'Allah' (Abb. 17). Die Schrift
wird von Lanc als Zeugnis des intensiven kulturellen Austausches durch Fernhandel und vor
allem durch die Kreuzzüge gesehen.36 Weiß meint dagegen, dass dieses Formengut nicht
direkt durch die Kreuzfahrer, sondern durch islamische Einflüsse auf die byzantinische Kunst
ab dem 11. Jh. über Italien in diese Region gelangte.37 Es ist unklar, ob die Zeichen hier in
ihrer Bedeutung verstanden wurden oder nur als Dekoration verwendet wurden.38 Es ist m.E.
sicher, dass das Schriftband nicht von einem Moslem angebracht wurde, da die unvollständige
Wiedergabe des Wortes 'Allah' dem islamischen Kunstverständnis widerspricht. Die Säulen
des Triumphbogens sind weiterhin mit diversen Mustern dekoriert, hier u.a. Rautenmuster,
Palmettenfriese und Eierstabornamentik (Abb. 18).39
Die Sockelzone des Chors ist mit vier farbigen Streifen in der Kombination Ocker, Blau, Rot
und Blau dekoriert (Abb. 8).40 Unter der mittleren, erhöhten Fensternische befinden sich mit
Blattmotiven ornamentierte, mehrfarbige Felder mit nicht entzifferbaren Inschriften.41 „Im
Chorquadrat unterstreicht die Malerei die regelmäßige, reiche architektonische Gliederung als
Zentralraum, indem gemalte, einander jeweils am Gewölbeanlauf berührende,
kleeblattförmige Bögen jene der gestaffelten Blendarkaden überspannen und somit als
'übergreifende Form' das additive Bogensystem der Wände zusammenschließen” (Abb. 10).42
Die Arkadenbögen sind marmoriert, die Bemalung der Stützen ist verloren. Zwei der
Chorfenster sind mit einem mehrfarbigen, schlichten Faltband umrahmt. Die Dekoration des
dritten Fensters ist verloren.
„Die Pürgger Ornamentik zeigt in zahlreichen Variationen geometrische und vegetative
Motive, die sich gut in den Kreis der Salzburger Malerei einordnen lassen, aber auch
byzantinisches Formengut beinhalten.”43
9
6 Beschreibung der Malereien im Langhaus
6.1 Südwand (Abb. 6)
6.1.1 Die Verkündigung an Maria
Maria sitzt rechts im Bild frontal auf einem Thron ohne Lehne (Abb. 19). Sie trägt einen roten
Mantel über einem weißen Unterkleid, mit dem Mantel hat sie auch ihren Kopf umhüllt. Sie
ist am Spinnen, das Wollknäuel liegt in ihrem Schoß. Von links kommt der Engel heran, die
Rechte erhoben, einen Heroldsstab in der Linken. Marias Haupt ist dem Engel leicht
zugeneigt, sie blickt aber den Betrachter an. Ihre Arme hat sie weit ausgebreitet und folgt
damit einer Dreieckskomposition. Die senkrechte Bildmittelachse wird von den beiden
Figuren nur leicht mit den Händen überschnitten. Maria füllt die gesamte Höhe des Bildfeldes
aus, obwohl sie sitzt. Die Kopfpartie ist aus mehreren Kreisen aufgebaut. Zuerst die Form
ihres Gesichtes, dann der rote Mantel wie ein Maphorion und schließlich die beiden Kreise
des Nimbus.44 Sowohl ihr Gesicht als auch das des Engels sind heute stark verblasst, die
Gesichtszüge sind nur noch schemenhaft erkennbar. Marias Beine fielen dem gotischen
Türeinbruch zum Opfer. Im Gegensatz zur westlichen Bildtradition, wo Maria dem Engel
gegenübersteht, folgte der Maler hier einer byzantinischen Manier. Das Motiv der spinnenden
Maria geht auf das Protoevangelium Jakobi zurück. In der Malerei kommt es erstmals im 5.
Jh. vor. „Während sich dieser Typus in der byzantinischen Kunst durchgehend hielt und
gerade im 12. Jh. besonders häufig gestaltet wurde, trat in Nord- und Westeuropa der
feierliche und monumentalere Typus der stehenden Maria hervor.”45 Die Szene in Pürgg ist
also eine Ausnahme in der Region der Salzburger Malerei.46 Zudem wurde auf jede
architektonische Rahmung verzichtet, was für die Romanik ungewöhnlich ist (Vgl. Abb. 20 &
21).47 Der Hintergrund ist hier wie in der gesamten Hauptbildzone horizontal in drei Streifen
aufgeteilt. Unten rot, dann blau und schließlich grün.
10
hinzuweisen. Mit der rechten Hand hält sie den Mantel über ihrer Brust zusammen. Den Blick
richtet sie direkt auf den Betrachter. Die Gesichtszüge (Abb. 23) sind gut erhalten. Die großen
dunkel eingerahmten Augen, die stark geschwungenen Augenbrauen, der wellenförmige
Mund, die leicht geröteten Wangen und die dezenten Stirnfalten. Laut Evelyn Weiß bemühte
sich der Maler hier um Schönheit im Sinne einer byzantinischen Tradition.49
„Die Krippe erscheint wie ein gemauerter Opferaltar.”50 Das Mauerwerk (Abb. 24) ist mit
Kolbenkreuzen verziert. Außer dieser Krippe gibt es keine weitere Bildarchitektur. Man blickt
von schräg oben auf das in helle Tücher gewickelte Kind. Dessen Gesichtszüge sind großteils
verloren, der Kreuznimbus ist noch gut erhalten. Esel und Ochse haben ihre Köpfe im
Hintergrund über den Rand der Krippe geschoben. Links von der Krippe taucht ein Engel als
Halbfigur hinter einer Hügelkette auf. Er hat beide Hände auf Kopfhöhe erhoben und ähnelt
stark dem Verkündigungsengel. Die besagte flächige, kulissenartige, felsige Hügelkette bildet
den Hintergrund. Sie umgibt die gesamte Geburtsszene, d.h. obwohl keine konkrete Rahmung
vorhanden ist, werden die Felder durch innerbildliche Elemente unterteilt.51
Die Personen sind für sich geschlossen und interagieren kaum. Maria und ihr Kind sind im
Bild parallel zueinander angeordnet. Sie liegt mit dem Rücken zum Kind, der Kopf ist leicht
nach links geneigt. „Die sich in der romanischen Kunst entwickelnde Darstellung einer stärker
ausgedrückten Beziehung zwischen der Gottesmutter und dem Jesuskind ist in Pürgg noch
nicht erkennbar.”52 Josef kniet traditionell abseits. Er wird durch die Hügelkette von Maria
und dem Kind formal getrennt und ist zwischen der Verkündigung und der Geburt
positioniert. Die Figur ist stark beschädigt. Der linke Arm liegt auf einem Felsen, mit der
rechten Hand stützt er entweder nachdenklich oder schlafend seinen Kopf. Eventuell handelt
es sich hier um den Traum Josefs. Der hierfür benötigte Engel ist aber nicht genau definiert.53
„Charakteristische Eigenheiten der Komposition, wie die aufrechte Haltung Mariae, das
Motiv des Mantelzipfels in ihrer Linken oder die Position von Krippe und Kind, sind in der
byzantinischen Kunst vorgebildet.”54 Ähnlichkeiten gibt es mit der Geburtsszene in den
Fresken von Sant' Urbano alla Caffarella bei Rom. Die Position von Josef und der Hirten sind
in Sant' Urbano zwar gegenüber Pürgg seitenverkehrt, aber sonst sehr ähnlich.55 Weiß
verweist u.a auf einen byzantinischen Elfenbeindeckel aus dem 10. Jh. (Abb. 25).56 Aber auch
11
im Salzburger Kunstkreis gibt es Vergleichsbeispiele (Abb. 26).57
57 Vgl. Küttner, 2000, 35.- Eine Szene in der Pfarrkirche von Maria Pfarr im Lungau zeigt trotz abweichendem
spätromanischem Stil kompositionelle Analogien.
58 Vgl. Küttner, 2000, 37.
59 Vgl. Küttner, 2000, 37.
60 Vgl. Lanc, 2002, 375.
61 „Das Dreiviertelprofil des nimbierten Kopfes, die Engelsflügeln, den linken erhobenen Arm, selbst den
anderfarbigen Verzierungsstreifen des Gewandes am Oberarm haben alle drei Engel aufzuweisen.” (Küttner,
2000, 37.) Es könnte ein Hinweis auf die Trinität sein. (Vgl. Lanc, 2002, 364.)
62 Vgl. Küttner, 2000, 36.
63 Küttner, 2000, 35.
12
die übrigen Hauptbildfelder.64 Die Mäuse verteidigen ihre sechseckige Burg von den
zinnenbesetzten Mauern herab mit allerlei Waffen (Abb. 29 & 30) gegen die Katzen, die
ebenfalls mit Waffen und ihren Krallen im Sprung angreifen. Das Mauerwerk ist wie die
Krippe von Jesus und das Kirchenmodell des Stifters mit Kolbenkreuzen dekoriert. Die Burg
besitzt vier Türme, der zweigeschossige Hauptturm steht mittig vor der Burgmauer. Zwei
große, sich überschneidende, rote Balken bilden das Dach. Der rechte Turm ist nicht mehr
erhalten. Die Architektur wirkt sehr kulissenhaft und symbolisch.65 Neun Mäuse sind
nachweisbar. Von den Katzen sind heute noch vier beinahe vollständig erhalten, drei weitere
nur fragmentarisch erkennbar. Die Katze im Vordergrund, die mit einem roten Schild auf dem
Rücken bewehrt ist und den Betrachter direkt anblickt (Abb. 31), nutzt das untere Wellenband
als Standfläche, während die Katze links von ihr, die gerade mit ihren Bogen zur Mauer zielt,
von dieser Begrenzungslinie überschnitten wird. Die räumliche Situation ist somit unklar. Die
Mäuse mit ihrem hell- und dunkelbraunem Fell sind halb so groß wie die Katzen. Ein
Größenverhältnis, das nicht der Natur folgt.
Aufgrund der Unklarheit über die ursprüngliche Anzahl der Tiere kann hier keine
ikonographische Deutung angesetzt werden. „Es lassen sich [zudem] keine klaren
Anordnungssysteme finden, auch wenn alle Mäuse (...) einer eindeutigen Rhythmisierung
unterliegen.”66 Man nahm früher einen direkten Zusammenhang zwischen dem Pürgger
Fresko und der byzantinischen Katomyomachia aus der ersten Hälfte des 12. Jh. von
Theodoros Prodromos an. In dem Gedicht ruft der Mäusekönig sein Volk zum Krieg gegen
die Katze auf, da sie einige Mäuse verspeist hat. Die Schlacht verläuft für die Mäuse sehr
ungünstig, bis schließlich die Katze von einem Balken, der vom einem Dach herabfällt,
erschlagen wird.67 Diese Ansicht wurde von Herbert Hunger durch einen Vergleich von Text
und Bild widerlegt.68 Er sieht in der Anzahl der Katzen den gravierendsten Unterschied
zwischen Gedicht und Bild. Im Bild sind es nachweislich sieben Katzen, im Gedicht ist nur
von einer die Rede. Zudem scheint der Ausgang der Schlacht in Pürgg ungewiss.69 Seine
Argumente führten in den letzten Jahrzehnten zu einer Distanzierung von der obigen Ansicht.
Von manchen Autoren wird der im Gedicht erwähnte Balken in der sonderbaren
Dachkonstruktion des Mittelturms gesehen. „Eine Dachsituation wie in Pürgg mit dieser
mächtigen zusätzlichen Konstruktion ist in keiner bekannten vergleichbaren Darstellung zu
13
finden. Es ist nicht anzunehmen, daß diese Darstellung dem kreativen Einfall des Künstlers zu
verdanken ist, da in der romanischen Kunst Architekturteile symbolhafte Elemente sind, die
sich meist aus dem ikonographischen Zusammenhang erklären lassen.”70
Viele Deutungsalternativen sind ebenfalls schwer fassbar. Die Deutung der Schlacht als
Kampf zwischen Gut und Böse bzw. Tugend gegen Laster ist zweifelhaft, da im Bild keine
eindeutige Unterscheidung zwischen Gut und Böse getroffen werden kann. Es könnte sich
auch um eine zeitgenössische Satire handeln. Hier fehlt aber ebenfalls die Überprüfbarkeit.71
Katzen und Mäuse kommen oft in Schilderungen einer „verkehrten Welt” vor, wo der
natürlich Schwächere den Stärkeren besiegt. Es gibt einige Beispiele hierfür, in denen der
Sieger aber eindeutig erkennbar ist.72 Solche Szenen tauchen oft in den Sockelzonen und
Kapitellverzierungen in Kirchen und in den Randbereichen in der Buchmalerei auf. Bereiche
des Grotesken und Negativen.73 In einer solch monumentalen Form wie in Pürgg finden sie
sich aber generell nur in profanen Gebäuden.74
Das Thema des Kampfes zwischen Katzen und Mäusen hat eine lange Tradition. Das Turiner
Märchenpapyrus von ca. 1400 v. Chr. (Abb. 32) zeigt den Sieg eines Rattenpharaos über die
Katzen. Es handelt sich hierbei um die einzige bekannte Darstellung des Themas vor Pürgg.
Die meisten erhaltenen Beispiele finden sich in der Literatur, hier vor allem die griechische
und römische.75 „Anders als bei der ägyptischen Darstellung kommt in den griechisch-
römischen Erzählungen die Natur zu ihrem Recht, das heißt, der Stärkere bezwingt den
Schwächeren.”76 Man kennt dort aber keine Erzählung von einer Schlacht um eine Burg.
Ebenso ist ein profaner Katzen-Mäuse-Krieg bei Boccaccio erwähnt.77 Auch bei einem nicht
mehr erhaltenen profanen Fresko in Augsburg von 1295 (Abb. 33) sind die Katzen die
Verteidiger der Burg. Dies ist auch der Fall in der Wandmalerei im Schloss Moos-Schulthaus
in Eppan von um 1400 (Abb. 34).78 In einem italienischen Holzschnitt von um 1530 sind nun
die Mäuse die Verteidiger (Abb. 35). Die Graphik steht der Pürgger Darstellung wohl am
nächsten, denn auch hier ist der Ausgang ungewiss.79 Die besondere Betonung des
14
Hauptturmes in Pürgg ist im Vergleich zu den anderen erhaltenen Darstellungen aber
einzigartig.80
In der heute verbreiteten Deutung sieht man im Katzen-Mäuse-Krieg eine Abbildung der
dunklen, bedrohlichen Gegenwelt im Kontrast zum göttlichen Osten. Die Malerei befindet
sich im westlichen, durch die Empore verdunkelten Bereich des Langhauses in einer Ebene
mit der Teufelsdarstellung. Zudem sind Katze und Maus traditionell negativ besetzt.81
Abschließend möchte ich Erich Müller zu Wort kommen lassen, der mir freundlicherweise
seine Ansicht zum Katzen-Mäuse-Krieg hat zukommen lassen. Seine Argumente stützen die
Deutung als Kampf von Gut gegen Böse: „Bei der Geburtsszene ist das Jesuskind nicht in
einer Krippe dargestellt, sondern in einem gemauerten Trog, der aus einzelnen Steinen
besteht. Jeder der Steine ist mit einem Kreuz gekennzeichnet. Diese Kreuze sind
offensichtlich nicht einfach eine Verzierung, denn jedes Kreuz ist an den vier Enden mit
einem Punkt versehen, ist also ganz bewusst aufgemalt und durchgezeichnet. Exakt die
gleiche Art der Darstellung, die Steine mit dem aufgemalten Kreuz und den Punkten, findet
sich auf den Steinen der Burg- oder Stadtmauer in der Darstellung der Katomyomachia
(Katzen- Mäuse- Krieg). Das kann kein Zufall sein. Der Maler stellt eine beabsichtigte
Verbindung zwischen der (Trog-) Krippe und der Mäuseburg her! Meines Erachtens ist die
weit hergeholte Verbindung des Katzenmäusekriegs mit einer orientalischen Fabel eher
unwahrscheinlich. Es scheint hier vielmehr um die Darstellung eines Streites zwischen "Gut"
und "Böse" zu gehen. Die Mäuse verteidigen ihre Burg gegen Katzen, die mit allen Mitteln
wie List, Anschleichen, originellen Waffen und Schutzschildern, vorgehen. Die Mäuse
verteidigen also etwas, was in ihrer Burg ist und genau das wollen die Katzen erobern. Da die
Burgmauer aus Steinen mit den genau gleichen aufgemalten Kreuzen dargestellt ist, liegt es
nahe, die Burg als Hort Christi zu sehen. Ich denke da z.B. an das Book of Kells (Dublin,
Trinity College Library) mit der Initialseite XPI (CHI RHO IOTA) für Christus. In der
Verzierung der Initiale X sind Mäuse versteckt, die Hostien behüten. Hinter ihnen aber lauern
schon Katzen, die die Hostien rauben wollen. Demnach wäre der Katzen- Mäuse- Krieg eine
Parabel zur ständigen Bedrohung des "Guten" durch das "Böse". Diese Überlegung passt auch
recht gut zur Situierung der Malerei gegenüber der Brotvermehrung (Brot = Hostien) und der
schadhaften Darstellung der sich deutlich in "Aktion" befindlichen Teufelsfigur links unten.
Die erwähnten Kreuze auf den Steinen könnte man übrigens als das griechische X (Chi)
deuten, also die Initiale für Christus.“
80 Vgl. Küttner, 2000, 72.- Weitere Vermutungen bei Küttner, 2000, 72.
81 Vgl. Lanc, 2002, 365.; vgl. Küttner, 2000, 73.
15
6.2 Nordwand (Abb. 5)
6.2.1 Die wundersame Brotvermehrung
In der Hauptbildzone der Nordwand befindet sich als große Einzeldarstellung die wundersame
Brotvermehrung. Aber auch dieses Bild lässt sich in drei Felder aufteilen. Im Zentrum der
segnende Jesus mit zwei Jüngern, links von ihm die Volksmenge, die die Nahrung erhält, und
rechts von ihm die Jünger, die die vermehrten Brote wegtragen. Das Wunder ist getan.
Entgegen der Darstellungstradition werden die Brotkörbe nicht zum Volk getragen.
16
Ehrfurcht hat er die linke Hand, mit der er weitere Brote hält, mit seinem Mantel verhüllt.84
Während der rechte Apostel das Wellenband also überschneidet, steht der linke Apostel hinter
den Körben, die wiederum auf der Oberkante des besagten Bandes stehen. Hierin kann man
den Versuch einer räumlichen Differenzierung der Bildelemente sehen. „Das Bestimmen der
einzelnen Apostel ist schwer, da keine besondere Charakterisierung der Personen zu erkennen
ist und da nur beim Evangelisten Johannes bei der Speisung der Volksmenge der Jünger
Andreas spezifisch erwähnt wird. Ansonsten treten in vergleichbaren Szenen häufig die
Apostel Petrus und Paulus als Begleitfiguren auf.”85 Die Dreierkonstellation der Figuren
orientiert sich an der italobyzantinischen Kunst, wurde aber im 12. und 13. Jh. kaum
verwendet. Ein Vergleichsbeispiel findet sich in San Marco in Venedig (Abb. 38).86 Aber auch
in der Salzburger und Admonter Malerei gibt es Vergleichsbeispiele (Abb. 39 & 40).
17
Haare umranden die im Gegensatz zu den Aposteln grober und derber wirkenden Gesichter”.90
Zwei der Männer haben eine lange Stange geschultert, an der sie einen Korb befestigt haben.
Der Vordermann hat seinen Kopf gewendet und blickt in Richtung Christus zurück. Die
Beinpartie der Träger ist verloren, sie dürften aber eine gegengleiche Schrittstellung besessen
haben.91 Die Armhaltungen beider Figuren sind sich sehr ähnlich. Vor ihnen schreitet noch ein
weiterer Träger mit einem Korb auf den Rücken. Mit dem Ellbogen seines linken Armes
überschneidet er den rechten Rahmenstreifen. Diese Figur ist am besten erhalten.
Zwischen den beiden vorderen Figuren findet eine paradoxe räumliche Verschiebung statt.
Die Hände des Trägers mit der Stange überschneiden die Schulter mit dem Korb des vorderen
Trägers, gleichzeitig liegt sein Knie hinter dem Gewandzipfel des Vordermanns.92 Die Träger
haben eine lineare Bewegungsrichtung, nur durch die unterschiedliche Blickrichtung entsteht
etwas Gegendynamik.
Obwohl das Evangelium von insgesamt zwölf Körben spricht, sind in Pürgg nur fünf Körbe
nachweisbar. Es ist aber wahrscheinlich, dass sich mindestens ein weiterer Korb in den
Fehlstellen befanden. „Eine Reduktion auf sechs Körbe (...) ist eine durchaus übliche
Darstellungsart.”93 Die Komposition der Korbträger ist vergleichbar mit der „Überfuhr der
Markusreliquien” in San Marco in Venedig (Abb. 43) oder „Jonas führt die Juden über den
Jordan” aus der Walther-Bibel.94 Wahrscheinlich ist hier auch eine Anspielung auf die Szene
der Heimkehr der Kundschafter mit der großen Traube aus dem Alten Testament (Abb. 44).95
Das Bildthema scheint in der Romanik eher selten gewesen zu sein. In Österreich gibt es als
einziges weiteres Beispiel noch die Brotvermehrung in der Deutschordenskirche in Friesach
(Abb. 45).96 Auch die Dreiteilung der Szene ist bemerkenswert. Vergleichbare Darstellungen
besitzen nur eine Zweiteilung.97
Üblicherweise haben die Korbträger die Aufgabe, die Nahrung dem Volk zu überbringen. In
Pürgg und in Friesach ist dies aber schon geschehen. Es wird also das Geschehen nach der
Speisung gezeigt. Hier werden die übrig gebliebenen Brote und Fische eingesammelt. Dies
entspricht auch der Schilderung im Evangelium.98 Weiß hat diese ausführliche Darstellung der
Brotvermehrung auf die Homilien von Abt Gottfried I. zurückgeführt.99 Der hohe Stellenwert
18
der Szene im Programm wird auch dadurch deutlich, dass im gleichen Bildstreifen an der
Wand gegenüber drei Szenen Platz haben.
19
Der Maler hat sich bemüht, den törichten Frauen einen möglichst traurigen Ausdruck zu
verleihen (Abb. 49). Den Kopf haben sie gesenkt, während die Augen von unten nach oben
blicken. Die Brauen haben sie hoch und die Mundwinkel nach unten gezogen. Zudem
tendieren sie in ihrer Haltung von einander weg.
Jede Frau hält die bei Matthäus beschriebene Öllampe in Form eines Horns. Eine der klugen
Frauen trägt zudem eine Lanze in der Rechten, die anderen halten als Zeichen der Erlösung
den jeweils freien Arm nach oben.105 Die Lanze, aber auch ihre stolze, feierliche Haltung ist
im Byzantinischen eher bei Engeln geläufig.106 Die klugen Jungfrauen mit ihren brennenden
Fackeln und mit genügend Öl im Vorrat symbolisieren die Wachsamkeit und Bereitschaft für
die Ankunft ihres Bräutigams bzw. im symbolischen Kontext die Ankunft Christi am Jüngsten
Tag. Zudem sind sie alle keusch und rein. Die törichten Jungfrauen halten ihre leeren Fackeln
nach unten, Zeichen für die Verdammnis derer, die nicht bereit sind.107
„Die größte Verbreitung fand das Thema der Parabel der Jungfrauen als fester Bestandteil des
Weltgerichtes im Mittelalter. Eher selten – und vorwiegend im alpenländischen Raum – findet
man es wie in Pürgg in monumentaler Form. Die zu Pürgg stark differierenden Darstellungen
der klugen und törichten Jungfrauen in den Apsiden der Burgkapelle von Hocheppan und der
Margaretenkirche zu Lana zeigen zumindest auch das Thema an bedeutender Position im
Kirchenraum. Ansonsten findet man die Darstellung im Kontext des Weltgerichtes als
Nebenszene an Gurtbögen oder Portalarchivolten.”108 Eine sehr verwandte Darstellung einer
klugen Jungfrau findet sich in S. Pietro in Civate.109 In der Deutschordenskirche in Friesach
gibt es immense Übereinstimmungen in Komposition und Gestaltung (Abb. 45). Die törichten
Frauen sind auch hier nach Osten schreitend über der Brotvermehrung abgebildet.110
6.4 Triumphbogenwand
Über dem kufischen Schriftband befindet sich das Bildnis des Pantokrators (Abb. 8). Es ist in
einem schlechten Zustand und lässt nur weniges erkennen. Die Halbfigur erscheint in einem
quadratischen, mit einem Rautenmuster gerahmten Bildfeld. Sie besitzt einen
edelsteinverzierten Kreuznimbus. Die rechte Hand im Segensgestus, in der Linken ein
verziertes Buch. In den Laibungen des Bogens befinden sich drei Engel in drei quadratischen
Feldern (Abb. 10). Die Halbfiguren sind frontal abgebildet und haben jeweils ein Zepter und
20
die Himmelsscheibe in ihren Händen. Laut Graus handelt es sich hier um drei Erzengel.111
Zwischen den Engeln befindet sich jeweils ein Mäandermotiv.
21
romanischen Malerei Stifter meist idealisiert und ohne Porträtzüge gestaltet wurden.118 Weiß
hat dargelegt, dass es sich hier um Markgraf Ottokar III. von Traungau (1125-1164) handelt.119
Die Abbildung der Stifter am Eingang des Chores ist eine Tradition aus dem Norden. In der
byzantinischen Kunst findet man sie direkt in der Apsis. Die Personen werden hier weniger
als Individuen erfasst, sondern eher als Vertreter eines bestimmten Standes. „Die
'Geistlichkeit' steht der 'Weltlichkeit' gegenüber.”120
22
Brokatgewänder mit reichen Zierborten gekleidet. Sie erscheinen dadurch (...) analog den
Stiftern darunter und andererseits als repräsentative Vertreter der ersten alttestamentarischen
Opfer – Typus sowohl für das Meßopfer als auch für die im neutestamentlichen Gleichnis von
den Jungfrauen thematisierten Unterscheidung von Gut und Böse.”123
23
Zepter, in der Linken eine Schriftrolle.128 Der Priesterkönig Melchisedek steht auf der Seite
des geistlichen Stifters, ihm gegenüber also die weltliche Macht.129
Auf beiden Seiten folgt jeweils ein Bischof mit Nimbus (Abb. 60). Sie werden oft als die
Salzburger Heiligen Rupert und Virgil gedeutet, können aber aufgrund fehlender Attribute
nicht eindeutig identifiziert werden.130 Der Bischof auf der Südseite des Chors (Abb. 61) ist
weißhaarig und „trägt eine mit rankengeschmückter Goldborte besetzte, brokatgemusterte
Dalmatika unter dem Pluviale, ein Pallium und in der Linken ein edelsteingeschmücktes
Buch.”131
An der Ostwand ist links Johannes der Täufer abgebildet, Patron der Kapelle (Abb. 62).
Leicht durch den Kamelhaarmantel, sein zotteliges Haar und die Schriftrolle in der linken
Hand identifizierbar.132 Desweiteren daneben ein unbekannter, bärtiger Heiliger, der oft als der
Evangelist Johannes bezeichnet wird (Abb. 63). Er trägt einen an der Borte mit Edelsteinen
verzierten braunen Mantel über einer rot-braunen Tunika und hat kurzes, dunkelbraunes Haar.
In der Linken hält er eine Schriftrolle, die Rechte ist vor die Brust erhoben. Die Darstellung
weicht völlig vom üblichen Typus des Evangelisten als bartloser, blonder Jüngling ab.133 Frodl
weist daraufhin, dass die beiden als Zeugen des Lammes erscheinen. Figuren in ähnlicher
Kleidung finden sich in einer der Apsiden der Burgkapelle in Hocheppan.134
Über ihnen im Bereich der Wölbung schweben zwei Engel herab (Abb. 64). An der gleichen
Stelle im Norden schweben zwei weibliche Figuren ohne Nimbus, die einander die Hand
reichen, die entsprechenden Figuren im Süden sind nur fragmentarisch erhalten (Abb. 65).
Laut Graus und Weiß handelt es sich hierbei um Allegorien der Misericordia und Veritas bzw.
Iustitia und Pax. So lautet der Psalm 85,11: „Barmherzigkeit und Wahrheit begegnen einander,
Gerechtigkeit und Friede küssen sich”. Der Vers wird im Vorbereitungsgebet zur Messe
gesprochen. Weiterhin heißt es in 85,12: „Wahrheit sproß aus der Erde hervor; Gerechtigkeit
blickt vom Himmel hernieder”. Letzteres ist Thema der Gewölbemalereien.135
128Die frühere Deutung sieht in diesen Figuren Friedrich Barbarossa mit dem Reichsapfel und Konrad III. mit
dem Zepter. Huber deutet die Personen als Karl den Großen und Heinrich II. (Vgl. Küttner, 2000, 27.)
129Vgl. Lanc, 2002, 365; vgl. Küttner, 2000, 27.
130Die beiden Heiligen sind auch in der Rupertikapelle am Petersberg in Friesach dargestellt. (Vgl.Küttner,
2000, 26.)
131Lanc, 2002, 372.
132Vgl. Lanc, 2002, 371.- Der Gestus der rechten Hand entspricht der Handhaltung des hl. Benedikt in der
Stiftskirche am Nonnberg in Salzburg.
133Vgl. Lanc, 2002, 371-372.
134Vgl. Frodl, 1948, 153.
135Vgl. Lanc, 2002, 365.- Siehe hier auch Küttner, 2000, 26.
24
7.2 Die Malereien im Gewölbe
Zwei konzentrische Kreise symbolisieren das Himmelsgewölbe (Abb. 9). Der äußere Kreis ist
in vier gleichgroße Sektoren unterteilt. In diesen Sektoren befinden sich die vier
Evangelistensymbole.136 In den Klauen und Pranken halten sie jeweils ein perspektivisch
konstruiertes Buch mit den Anfangszeilen ihres Evangeliums. Der Schwanz des Markuslöwen
ist um die Hinterbeine gewickelt, der Johannesadler besitzt ein braunes Federkleid und drei
blaue Schwanzfedern. Die Figuren blicken zum Agnus Dei mit dem Kreuzstab im innersten
Kreis, Symbol für das Opfer Christi am Kreuz und das Lamm der Apokalypse. Es ist von
einer Inschrift in romanischen Majuskeln umgeben.137 Die Himmelskreise werden von
Atlanten in den Zwickeln getragen. Die Inschrift bezeichnet diese Träger als Nationes, die
Völker der vier Erdteile bzw. der gesamten Menschheit.138 Ihre Köpfe markieren jeweils den
Anfangspunkt der doppelreihigen, konzentrisch angeordneten Bänder, die den Kreis aufteilen
(Abb. 66).
Man erkennt ein hierarchisches Programm. Im Zentrum das göttliche Reich mit dem Lamm,
dann die Evangelisten als Mittler und schließlich der irdische Bereich. Das Motiv der Atlanten
als Himmelsträger stammt möglicherweise aus Italien.139 In den meisten Fällen sind die
Atlanten aber Engelsfiguren und keine irdischen Personen. Die Evangelistensymbole gibt es
in solchen Darstellung schon ab dem 6. Jh..140
25
Nimben Einstichstellen des Zirkels. Im Chor ist eine Hilfslinie in der vertikalen Mittelachse
beim David erkennbar.141 Die Malereien besitzen eine „warme, kräftige Buntfarbigkeit”.142
Die Grundfarben bilden Kalkweiß, Schwarz, Ockergelb, Braunrot, Ultramarin und
Malachitgrün.143 Die begrenzte Palette wurde durch Mischen und Übereinanderlegen von
Farbflächen erweitert.144 Die Hintergründe sind meist in Ultramarin und Grüntönen gehalten.
Die große Menge an kostbarem Ultramarin lässt uns die hohe Bedeutung der Ausstattung
erkennen.145 Laut Frodl liege eine technische Parallele bei den Köpfen der Heiligen am
Nonnberg in Salzburg vor. Auf einem weißen Grund bildet der Grundton des Inkarnats die
Basis. Erhabene Partien werden mit lichten Ocker aufgehellt. Durch Rot auf den Wangen und
Lippen und olivgrüne Schatten wird weitere Plastizität erreicht. Als letzter Schritt folgt die
schwarze Konturierung.146
Es wird angenommen, dass hier mindestens zwei unterschiedlich geschulte Meister am Werk
waren. Die großen Szenen des Langhauses waren dem besseren Maler vorbehalten, im Chor
gibt es ein Nebeneinander beider Handschriften.147
9 Stil
Die Ausmalung ist reich an ornamentalem Schmuck und wirkt sehr einheitlich. Der Aufbau ist
regelmäßig, ausgewogen und oft symmetrisch. „Die Kompositionen und Bildelemente sind
einerseits auf ihre Flächenwirkung berechnet, andererseits jedoch auch wesentlich von
räumlicher Formverschränkung bestimmt.”148 In der Geburtsszene sind die Bildelemente
gestaffelt (Abb. 22). Die Krippe mit den Tieren wird von Marias Liege überschnitten.
Dahinter die Hügelkette, die hinter Josef und vor dem Engel eingezogen ist. Aber auch die
diagonale Position der Ziege suggeriert Raum.149 Auf die Verschränkungen der Figuren in der
Brotvermehrung wurde bereits hingewiesen.150
Der durch Streifen aufgebaute Hintergrund gibt keine landschaftliche Einteilung wieder.151
Die Bildhintergründe besitzen weder Licht und Schatten noch Tiefenraum. Die Figuren stehen
141Vgl. Lanc, 2002, 367-368.- Neben dem Eingang an der Nordwand ist in der Bordüre des Vorhangs eine
Ritzung mit 4cm Durchmesser ähnlich einem Medaillon erkennbar, eine nicht ausgeführte Dekoration.
142Lanc, 2002, 367.
143Eine Liste der Zusammensetzung der Farben bei Küttner, 2000, 90.- Vgl. Lanc, 2002, 367.
144Vgl. Küttner, 2000, 91.
145Vgl. Lanc, 2002, 367; vgl. Küttner, 2000, 91.
146Vgl. Frodl, 1948, 157.
147Vgl. Küttner, 2000, 91; vgl. Lanc, 2002, 368.
148Lanc, 2002, 368.
149Vgl. Lanc, 2002, 368.
150Vgl. zudem Lanc, 2002, 368.
151Laut Küttner würden die Streifen den Hintergrund gemäß der kosmischen Ordnung abstufen. Der grüne
Streifen für die Erde, der blaue für die Himmelsphäre und der wiederum grüne für den metaphysischen
Himmel. (Vgl. Küttner, 2000, 83.)
26
entweder auf dem Ornamentband oder überschneiden es ohne konkrete Angabe des Raums.
Die wichtigen Personen sind in der Regel frontal abgebildet, meist größer und überschneiden
in der Regel die Rahmung. Die Gewänder sind voluminös und überdecken die Körperformen.
Der Faltenwurf ist dabei stets sehr scharf gezeichnet. „Einfache, große, parallele Stoffbahnen
und spitzwinkelige, ineinandergestellte Fächerfalten mit dunklen Schatten, die meist in hellere
Partien der Gewänder übergehen, wechseln einander ab.”152 Hände und Füße sind im
Vergleich zu den übrigen Körperteilen sehr groß. Im Chor erhalten die Gestalten durch die
architektonische Isolierung eine monumentale Wirkung. „Die Gebärden der Figuren sind von
der ikonographischen Tradition der einzelnen Bildmotive vorgezeichnet. Ihre Hauptaufgaben
bestehen im Opfern, Dar- oder Überbringen.”153
10 Einflüsse
Die Pürgger Fresken sind von der Salzburger Malerei, aber auch von der Admonter
Buchmalerei beeinflusst. Nicht unerheblich sind die italo-byzantinischen Einwirkungen. In
kompositorischer und technischer Hinsicht stehen die Pürgger Fresken den Heiligenfiguren
am Nonnberg nahe (Abb. 67).154 Die Pürgger Gesichter wirken insgesamt aber etwas gröber
und kräftiger und weniger geometrisch konstruiert (Abb. 37).155 Weiß vergleicht hier auch mit
den Fresken in Frauenwörth am Chiemsee (Abb. 68).156 Sie hat weiterhin veranschaulicht,
dass es zahlreiche stilistische Übereinstimmungen mit der Admonter Riesenbibel (ca. 1140),
dem Antiphonar von St. Peter und dem Breviar aus Michelbeuern in München gibt. Ein
direkter Zusammenhang mit einer Salzburger Werkstatt sei gemäß Lanc aus den
Ähnlichkeiten mit der Salzburger Malerei aber nicht erschließbar.157 Desweiteren erwähnt
Lanc das Perikopenbuch von St. Erentrud von ca. 1160. Die Figurengestaltung in Pürgg seien
den Malereien in diesem Buch aufgrund der „strengen Vertikalität der Figurenauffassung”
näher als den Abbildungen in der Admonter Riesenbibel.158
Größte Bedeutung haben aber in diesem Zusammenhang die Fresken in der
Deutschordenskirche in Friesach (Abb. 45). Dort sind zwei ca. 5,5 m lange Bildfelder auf der
Nordwand erhalten geblieben. Das obere Bildfeld wird oben durch einen Mäander
27
abgeschlossen und zeigt die törichten Jungfrauen. Der untere Bildstreifen zeigt die Speisung
der Fünftausend. Die Darstellungen entsprechen in Komposition und Haltungen denen in
Pürgg. Auf Südwand gibt es Reste der Abbildung der klugen Jungfrauen, die restliche
Gestaltung ist verloren.159 Weiß distanziert sich von einer all zu engen stilistischen
Verknüpfung der Pürgger und Friesacher Malereien.160 Die Fresken in Friesach werden heute
vor 1150 datiert, also noch vor Pürgg. Lanc datiert Friesach auf 1170/80, also nach Pürgg.161
Die Existenz einer gemeinsamen Salzburger Vorlage der Fresken von Pürgg und Friesach, wie
es Demus annimmt, wird von Lanc verneint. Das Programm sei für Pürgg erdacht und dann in
Friesach wieder aufgegriffen worden.162 Eine gemeinsame Entwicklung der Malereien ist aber
aufgrund der Übereinstimmungen höchstwahrscheinlich.163
Die Ikonographie von Pürgg hat ihre Wurzeln in der byzantinischen und italobyzantinischen
Kunst. Hierzu zählen die dreifigurige Brotvermehrung, die spinnende Maria in der
Verkündigungsszene und die Komposition der Geburtszene.164 Ähnlichkeiten zu den
Wandmalereien der Krypta des Domes von Aquileja und den Mosaiken von San Marco in
Venedig wurden vor allem von Otto Demus beschrieben.165
11 Datierung
Wie bereits erwähnt führt der Hauptweg der Datierung in diesem Fall über die
Stifterbildnisse. Aber auch aufgrund der stilkritischen Vergleiche mit Admonter
Buchmalereien wird der Entstehungszeitraum vor 1200 angesetzt. Nach Otto Demus sprechen
für eine Datierung um 1160 auch die Ähnlichkeit der Formen der Mitren und Kronen und der
Gesichtszüge mit Admonter Darstellungen.166 Auch findet sich dort die besondere ''T-Form''
der Lippen wieder.167 Lanc datiert auf 1164, Weiß auf 1163. Weiß stützt ihre Datierung mit
weiteren Vergleichen mit mittelbyzantinischen Arbeiten, hier sind die Homilien des Jacobus
Kokkinobaphos von ca. 1150 zu nennen.168 Demus hält aufgrund von Parallelen zum Passauer
Evangelistars von 1170/80 auch eine spätere Entstehungszeit für möglich, womit die
28
Malereien als posthume Arbeit für den Stifter zu betrachten wären. Die Übereinstimmungen
seien laut Lanc aber nicht hinreichend dafür.169 Paläographische Analysen der Inschriften
unterstützen die heutige Datierung.170 Heute wird die Entstehung der Malereien also zwischen
1160 und 1165 vermutet.
12 Zusammenfassung
Der Freskenzyklus in Pürgg wurde wahrscheinlich von Graf Ottokar III. von Traungau (1139-
1164) und Abt Gottfried I. von Admont (1138-1165) gestiftet. Es ist das einzige vollständig
erhaltene Programm romanischer Wandmalerei aus dem 12. Jh. in Österreich. Entdeckt wurde
es in den 1870ern, dann 1893/94 rekonstruiert und 1939-49 entrestauriert. Thema der
Wandmalereien ist eine Verherrlichung des Messopfers. Der Innenraum war ursprünglich
vollständig ausgemalt. Die Wandflächen im Langhaus sind jeweils horizontal in drei Register
unterteilt. Das Langhaus enthält christologische Szenen (Verkündigung, Geburt Christi,
Verkündigung an die Hirten, Brotvermehrung), sowie die Darstellung der Parabel der
Jungfrauen. Der Übergang der einzelnen Szenen ist fließend. Schwer deutbar ist hier der
Katzen-Mäuse-Krieg, der wohl die dunkle Gegenwelt zum göttlichen Reich abbildet. Eine
Teufelsdarstellung ist aufgrund der Beschädigung ebenfalls schwer einzuordnen. Die Stifter
präsentieren sich am Triumphbogen in einer Linie mit Kain und Abel. Im Chor sind Personen
aus dem alten und neuen Testament in typologischer Konstellation abgebildet. Daneben nicht
identifizierbare Bischöfe. Zentrum im Chor ist das Agnus Dei in der Kuppel. Im Langhaus
sind alle Figuren nach Osten auf einen Pantokrator ausgerichtet. Es handelt sich um ein
komplexes Programm mit vielen inhaltlichen, formalen, aber auch typologischen und
lithurgischen Bezügen. Flächige, kräftig buntfarbige Malerei in regelmäßigem, oft
symmetrischem Aufbau wird durch differenziert gestaltete Ornamentbänder gegliedert.
Beeinflussung durch Salzburger, Admonter und (italo-)byzantinische Malerei. Große
Übereinstimmung mit den Fresken in der Deutschordenskirche in Friesach (Kärnten).
29
13 Literaturverzeichnis
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Weiss, Evelyn: Der Freskenzyklus der Johanneskapelle in Purgg, in: Wiener
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31
14 Abbbildungsverzeichnis
Abb. 4, 32, 33, 34, 35, 54, 55: Küttner, Monika: Die malerische Ausstattung der
Johanneskapelle auf der Pürgg. Beschreibung, Deutung und Ikonographie der Wandgemälde
des Langhauses. Dipl., Graz 2000, Abb. 20, 22, 23, 96, 97, 98, 102.
Abb. 2, 3, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 13, 19, 22, 36, 41, 42, 46, 47, 48, 49, 50, 51, 52, 56, 57, 58, 59, 60,
61, 62, 63, 64, 65, 66: Lanc, Elga: Corpus der mittelalterlichen Wandmalereien Österreichs.
Bd. 2. Die mittelalterlichen Wandmalereien in der Steiermark. Tafelband, Wien 2002, Abb.
451, 452, 453, 454, 455, 456, 457, 458, 459, 460, 461, 462, 463, 464, 457, 468, 469, 470, 471,
472, 473, 474, 476, 477, 478, 479.
Abb. 20, 21, 25, 26, 28, 38, 39, 40, 43, 44, 53: Weiss, Evelyn: Der Freskenzyklus der
Johanneskapelle in Purgg, in: Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, 22 (1969), Abb. 1, 4, 7,
8, 10, 12, 15, 16, 17, 46, 47.
32
15 Anhang
Abb. 1:
Westansicht der
Johanneskapelle
33
Abb. 5: Nordwand des Langhauses, Aquarell von T. Melicher, 1892
34
Abb. 7: Rekonstruktion von
Theophil Melicher, 1893/94
35
Abb. 9: Chorgewölbe, Agnus Dei umgeben von Evangelistensymbolen im Himmelskreis
getragen von Atlanten
36
Abb. 10: Blick in den Chor nach Nordosten
37
Abb. 11: Mäander im Langhaus (Detail)
38
Abb. 14: Blumenornamentband im Langhaus (Detail)
39
Abb. 17: Kufisches Schriftband (Detail) Abb. 18: Ornamentik am
Triumphbogen, Chorinnenseite
40
Abb. 21: Verkündigung an Maria. Athos, Cod. Dionysion 740
41
Abb. 23: Maria in der Geburtsszene, Langhaus, Südwand (Detail)
42
Abb. 25: Geburt Christi.
Elfenbeindeckel, Ravenna,
Museo Bizantino
43
Abb. 28: Katzen-Mäuse-Krieg, Langhaus, Südwand
Abb. 29: Maus mit Armbrust, Langhaus, Abb. 30: Maus mit Bogen, Langhaus,
Südwand (Detail) Südwand (Detail)
44
Abb. 32: Katzen-Mäuse-Krieg, Turiner Märchenpapyrus, ca. 1400 v. Chr.
45
Abb. 34: Katzen-Mäuse-Krieg, Wandmalerei, Schloss Moos-Schulthaus, Eppan, ca. 1400
46
Abb. 36: Wundersame Brotvermehrung, Christus un die Jünger, Langhaus, Nordwand
47
Abb. 38: Wundersame Brotvermehrung,
Venedig, San Marco, Südliches Querschiff
Abb. 39: Amos und die Käfer, Admont
Stiftsbibliothek, Cod. I, Gebhardsbibel, vol.
I, fol 240 (Detail)
48
Abb. 41: Das Volk, Langhaus, Nordwand
49
Abb. 44: Die Große Traube, München,
Abb. 43: Überführung der Markusreliquie, Staatsbibliothek, Cod. CLM. 14159
Venedig, San Marco, Südliches Querschiff
(Detail)
50
Abb. 46: Teufelsdarstellung, Langhaus, Nordwand
51
Oben: Abb. 49: Die törichten Jungfrauen,
Langhaus, Nordwand (Detail)
52
Abb. 51: Kain, Langhaus,
Triumphbogenwand
53
Abb. 53: Langhaus, Blick nach Westen
54
Abb. 55: Aufriss Nord- und Triumphbogenwand
55
Abb. 57: Aufriss Chorwände
56
Abb. 60: Hl. Bischof, Chor, Nordwand
Abb. 59: David, Chor, Südwand
57
Abb. 61: Hl. Bischof, Chor, Südwand
58
Abb. 64: Engel, Chor, Ostwand (Detail)
59
Abb. 66: Atlant, Chor, Gewölbe (Detail)
60