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Je mehr man kennt, je mehr man weiß, satz zu seinen Vorläufern – klar erkannt wurde (Biswas
Erkennt man, alles dreht im Kreis; 1970, 176-180): Wie kann Wasser aus dem Meer oder gar
Erst lehrt man jenes, lehrt man dieß, aus dem Erdinneren zu den Quellorten in höheren Ge-
Nun aber waltet ganz gewiß birgsniveaus transportiert werden? Zur Lösung dieses
Im innern Erdenspatium Problems zog Kircher – allerdings irrtümlich – hydro-
Pyro-Hydrophylacium, mechanische Kräfte, insbesondere Pumpvorgänge durch
Damit’s der Erden Oberfläche Gezeitenkräfte heran. Zum anderen rechnete er mit der
An Feuer und Wasser nicht gebreche. Wirkung der Hitze im Erdinnern. Das Wasser in denjeni-
Wo käme denn ein Ding sonst her, gen Hydrophylacien, die sich in der Nachbarschaft von
Wenn es nicht längst schon fertig wär’? Feuerherden (Pyrophylacien) befinden, wird aufgeheizt
So ist denn, eh’ man sich’s versah, und verdampft. Das gleiche gilt für Wasser, das bei sei-
Der Pater Kircher wieder da. nem Transport in der Nähe von Pyrophylacien vorbei
Will mich jedoch des Worts nicht schämen; strömt. Nahe der Erdoberfläche kondensiert der Wasser-
Wir tasten ewig an Problemen. dampf und tritt als heiße Quelle an die Erdoberfläche.
Richtig an dieser Vorstellung ist, dass Thermalquellen
Hydrophylacien - Beobachtungen und Phantasien oder Geysire in Gebieten mit erhöhtem geothermischen
zum Kreislauf des Wassers Gradienten auftreten. So kann versickertes Grundwasser
Angeregt durch frühe Beobachtungen über den eigen- in der Nähe einer Magmenkammer aufgeheizt werden
tümlichen Ursprung der Paderquelle und des sog. Boller- und verdampfen; solche Heißdämpfe werden z. B. in der
brunnens bei Paderborn sowie an Strudeln in der Straße Region von Larderello (Toscana) zur Gewinnung geo-
von Messina zwischen „Skylla und Charybdis“, die er thermischer Energie genutzt.
während seiner Süditalienreise studierte, entwickelt Kir- Prinzipiell richtig sind auch die Ideen Kirchers zur
cher Vorstellungen zum unterirdischen Kreislauf des Entstehung von Mineralquellen: Die in ihnen enthaltenen
Wassers, die er in eindrucksvollen Zeichnungen doku- chemischen Komponenten, z. B. Schwefel oder Eisen,
mentiert. Demnach existieren im Erdinnern mit Wasser werden beim Transport des heißen Wassers aus dem
gefüllte Hohlräume (Hydrophylacia), die untereinander durchströmten Gestein ausgelaugt, wobei die Quellzu-
durch ein Netzwerk von Kanälen verbunden sind und die sammensetzung von der jeweiligen Gesteinsart kontrol-
– wie schon im PREDIGER SALOMO behauptet – durch liert wird. Wie wir heute wissen, können solche Vorgänge
das Meer gespeist werden, und zwar durch Strudel, wie zur Bildung von Erzlagerstätten führen. Schon vor meh-
Kircher sie in der Straße von Messina beobachtet hatte. reren Jahrzehnten nahmen deutsche Lagerstättenforscher
Das Wasser steigt an die Erdoberfläche auf, tritt dort als an, dass bestimmte Erzlagerstätten, wie z.B. die berühmte
Quelle wieder zutage und gelangt schließlich über die Kupfer-Blei-Zink-Lagerstätte Rammelsberg bei Goslar,
Flüsse wieder zurück ins Meer. Damit belebt Kircher ur- durch untermeerische Thermalquellen entstanden sind
alte Vorstellungen wieder, nach denen es unterirdische (Ramdohr 1953; Kraume 1955). Dieses Modell fand 1977/
Verbindungen zwischen den Weltmeeren geben soll. Die- 79 durch Entdeckung der Black Smoker eine überra-
ses Konzept hat allerdings mit einer grundsätzlichen schende, ja geradezu sensationelle Bestätigung. Aus dem
Schwierigkeit zu kämpfen, die von Kircher – im Gegen- Tauchboot Alvin heraus konnte erstmals eine submarine

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(oben links) Modell zur Entstehung eines Black Smokers im Bereich eines the Earth]; mit freundlicher Genehmigung des Verlages Freeman & Com-
mittelozeanischen Rückens. pany, New York).
Auf Klüften und Störungsflächen sickert Meerwasser in die ozeanische
Erdkruste ein. Beim Eindringen in größere Tiefen wird das Meerwasser
immer stärker aufgeheizt und es werden Schwermetalle wie Eisen, Zink
und Kupfer sowie Schwefel aus dem Basaltgestein ausgelaugt. Im Bereich (oben rechts) Querschnitt durch einen Black-Smoker-Schlot, Lau-Becken,
über der etwa 1200˚C heißen Magmenkammer, die sich unter der Achse Süd-West-Pazifik.
des mittelozeanischen Rückens befindet, wird das Meerwasser auf maxi- In dem aufgeschnittenen Schlot erkannt man den zentralen Fluid-Kanal;
mal 400˚C überhitzt. Dadurch steigt es wieder auf und mischt sich am er besteht aus Kupferkies CuFeS2, der bei ca. 300˚C aus der Lösung
Meeresboden mit kaltem Seewasser. Hierbei kommt es zur Ausfällung von auskristallisierte. Im Außenbereich finden sich die Minerale Zinkblende
dunkel gefärbten Schwermetall-Sulfiden, die sich zu einer Erzlagerstätte ZnS, Pyrit FeS2 und Schwerspat BaSO4.
anreichern können. (Freundliche Leihgabe von Professor Dr. Peter Herzig, Lehrstuhl für Lager-
(Aus Press, Frank/Siever, Raymond: Allgemeine Geologie. Heidelberg/ stättenlehre und Leibnizlabor für Angewandte Meeresforschung, TU Berg-
Berlin/Oxford 1995, Abb. 19.10 [Deutsche Ausgabe von Understanding akademie Freiberg).

Lagerstättenbildung an den mittelozeanischen Rücken in Klüften in die ozeanische Kruste ein, wird dort aufge-
einer Wassertiefe von 2600 m direkt beobachtet und foto- heizt und löst aus den Basalten Schwermetalle und
grafiert werden. Ganz ähnliche Aufnahmen machte 1989 Schwefel heraus. Die etwa 350 ˚C heißen, gesättigten
das französische Tauchboot Nautile im Südwest-Pazifik. Erzlösungen steigen auf und treten am Meeresgrund in
Wie von Kircher vorausgeahnt, sickert Meerwasser auf Form einer Fontäne aus, wobei es im Kontakt mit dem

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2 ˚C kalten Meereswasser zur Ausfällung von Schwerme-


tallsulfiden kommt, die sich zu schlotartigen Gebilden
zusammenballen. Wegen ihrer dunklen Färbung durch
die feinverteilten Erzpartikel werden die heißen Fontä-
nen als Black Smoker („Schwarze Raucher“) bezeichnet.
Daneben gibt es auch White Smoker („Weiße Raucher“),
in denen die abgeschiedenen Mineralpartikel aus Schwer-
spat und Kieselsäure bestehen. Die entstehenden Erzan-
reicherungen können im Prinzip abbauwürdig sein; doch
stehen einer Nutzung zur Zeit die hohen Gewinnungs-
kosten sowie unkontrollierbare Umweltprobleme entge-
gen (Herzig, 1994).

Eine verborgene Lebewelt –


Die Black-Smoker-Lebensgemeinschaften
Gebunden an den Austritt der heißen Quellen in großer
Meerestiefe entwickelten sich einzigartige und hochspe-
zialisierte Ökosysteme benthischer Lebensformen, d.h.
von Organismen, die auf dem felsigen Meeresboden le-
ben bzw. angeheftet sind. Dort herrschen extremste Be-
dingungen; denn es gibt in diesen Lebensräumen kein Ta-
geslicht mehr und die Drücke der Wassersäule erreichen
bei einer Meerestiefe von 2000 bis 4000 m schon 200 bis
400 bar. Die Wassertemperaturen im Umfeld der Black-
und White-Smoker liegen in einem Temperaturbereich Lebensbild von Riftia-Würmern (Vestimentifera) und weiteren Organismen
von 10 bis 350 ˚C, denn die heißen Quellen verlassen mit an der Austrittsbasis eines Black Smokers. (Zeichnung von V. Martin, nach
Laubier (1986), verändert).
einer Temperatur von ca. 350 ˚C den Meeresgrund und
vermischen sich mit dem kalten Tiefseewasser des Oze- rungspyramide, alle höheren Organismen ernähren sich
ans, das nur eine Temperatur von 2 ˚C aufweist. von ihnen oder stehen mit ihnen in Symbiose. Das Black-
In einer solchen extremen Umwelt vermögen am be- Smoker-Ökosystem bezieht seine Energie also nicht über
sten Mikroorganismen mit thermostabilen Zellbestand- die Photosynthese von der Sonne, sondern vielmehr aus
teilen und Enzymsystemen zu existieren, z.B. die Ar- Schwefelwasserstoff, Kohlendioxid und Sauerstoff der
chaea (eines der sechs Reiche der Organismen, früher als heißen mineralischen Wässer. Bei der Chemosynthese
Archaebakterien bezeichnet). Diese können bei einer dient der Schwefelwasserstoff aus den Schloten als Ener-
Temperatur über 113 ˚C existieren und sich vermehren – giequelle.
sinkt die Temperatur aber auf weniger als 90 ˚C, stellen Zuerst überziehen die Archaea die Umgebung der
sie ihr Wachstum ein. Archaea sind die Basis der Nah- Austrittsstellen dieser hydrothermalen Lösungen, einige

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(a) Black Smoker und (b) White Smoker am Grunde des Pazifischen Ozeans in
1700 m Wassertiefe.
Sie wurden im Jahre 1989 durch das französische Tauchboot Nautile im Vai-Lili- c) Röhrenwürmer der Spezies Riftia pachyptila von einer Black-Smoker-Lebensge-
Hydrothermalgebiet am Valu-Fa-Rücken des Lau-Beckens, Südwest-Pazifik, entdeckt. meinschaft des Ostpazifischen Rückens
Die schwarze Farbe der 340˚C heißen Fontäne des Black Smoker ist auf feinverteilte (Mit freundlicher Genehmigung der Woods Hole Oceanographic Institution, Woods
Kriställchen von Schwermetallsulfiden zurückzuführen, die im Kontakt zwischen der Hole, MA, USA).
heißen Quelle und dem 2 ˚C kalten Meerwasser ausgefällt wurden. Demgegenüber d) Zu den Brisingidae gerechnete Seesterne (Echinoderma, Asteroidea) aus einer
besteht der 334 ˚C heiße Rauch des White Smoker überwiegend aus hellen Mine- Meerestiefe von 2380 m des Ostpazifischen Rückens. Die Tiere sitzen auf unter-
ralpartikeln wie Schwerspat und Kieselsäure. meerisch ausgeflossenen Basaltlaven mit typischer Kissenstruktur (Pillow-Laven).
(Diese Fotos wurden in dankenswerter Weise von Professor Dr. Peter M. Herzig, (Foto: Dr. Vesna Marchig BGR Hannover; mit freundlicher Genehmigung von Dr.
Lehrstuhl für Lagerstättenlehre, TU Bergakademie Freiberg zur Verfügung gestellt). Jens Stecher, Forschungsinsitut Senckenberg, Frankfurt am Main).

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