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K Ö N N E N A T T R I B U T I V E ADJEKTIVE D U R C H TRANSFORMATIONEN

ERKLÄRT WERDEN?

WOLFGANG MOTSCH

1. VORBEMERKUNGEN

1.1. W. Winters Kritik an N. Chomskys Adjektivtransformation

In seinem 1965 erschienenen Artikel "Transforms without Kernels?"1 untersucht W. Winter


die Gültigkeit der von N. Chomsky formulierten Hypothese, attributive Adjektive seien auf
prädikative zurückführbar. Er gelangt zu dem Ergebnis, Chomskys
Adjektivtransformationsregel TAUJ sei übergeneralisiert, da sie eine Reihe von Fakten nicht
berücksichtige. Weder die Behauptung "alle prädikativen Adjektive können attributiv
verwendet werden" noch die Umkehrung "alle attributiven Adjektive gehen auf prädikative
zurück" erweise sich nach einer Prüfung der sprachlichen Fakten als uneingeschränkt gültig.
W. Winters Beobachtungen, die sich auf englische und deutsche Beispiele stützen, sind wenig
überraschend, sie wurden auch an anderer Stelle bereits vermerkt.2 Deshalb kann die
Bemerkung "I have examined a relatively minor point that had been widely accepted äs valid
without a further examination of the data" nicht unwidersprochen bleiben. Es liegt auf der
Hand, daß jeder ernsthafte Versuch, Chomskys Adjektivhypothese in einer konkreten
grammatischen Analyse anzuwenden, zu einer Präzisierung von TAUJ und damit zu einer
Sichtung der Daten führen muß. Die Tatsache, daß eine Reihe von attributiven Adjektiven
nicht prädikativ verwendbar ist, kann nach W. Winter nur durch zwei Lösungen reflektiert
werden: Entweder man konstruiert fiktive Kernsätze, in denen die auf attributiven Gebrauch
beschränkten Adjektive in prädikativer Position stehen oder man muß die Konstruktion T-
Adjektiv-Nomen auch als primäre sprachliche Struktur behandeln. Der erste Lösungsweg
müsse jedoch ausgeschlossen werden. Er sei weder empirisch attraktiv, noch1 lasse er sich mit
dem Begriff des Kernsatzes vereinbaren. Wenn Kernsätze als Sätze definiert werden, die nur
durch Ersetzungsregeln ('phrase structure rules*), obligatorische Transformationen und
phonologische Regeln erzeugt werden, so scheide die Annahme fiktiver Sätze aus, es sei
denn, man behandelt TAW als obligatorisch, was aber die Konsequenz nach sich zöge, daß
Sätze mit prädikativen Adjektiven nicht zur Ausgabe des Erzeugungsmechanismus gehörten.
Winter gelangt zu dem Schluß: "Therefore there are adjective-noun combinations which
cannot be derived from kernel sentences at all." W. Winters Kritik richtet sich nicht allein
gegen die mangelhafte empirische Basis, auf der Chomsky seine Adjektivhypothese aufbaut,
er sieht in ihr zugleich ein Indiz für theoretisch-methodologische Unzulänglichkeiten der
Transformationsgrammatik Chomskys. Den Kern der Inadäquatheit dieser Theorie bilden
nach W. Winter falsche Voraussetzungen über den Charakter der menschlichen Sprache.
Natürliche Sprachen seien "a conglomerate of an undetermined number of subsystems",
deshalb müsse man dem Versuch, sie als genau ein System zu beschreiben, mit großer
Skepsis begegnen: "to write a grammar is essentially a utopian undertaking." Die Eleganz
einer Theorie könne leicht zu dem Eindruck verleiten, man habe das Ziel der
Grammatikforschung schon erreicht. Linguistischer Realismus sei geboten, der besonders in
einer Arbeit von R. Quirk zutage träte. Eine realistische Haltung zeige sich in der Inspektion
großer Mengen von Texten, nicht in der Benutzung von Introspektionen des Forschers und
von Intuitionen des 'native Speaker'.

1
W. Winter, "Transforms without Kernels?*1, Language, 41 (1965), 484-489. 2 Vgl. W. Motsch, "Syntax des deutschen
Adjektivs", Studio Grammatica, III, 3. Aufl. (Berlin, 1966), 20f., 57. WOLFGANG MOTSCH
1.2. Aufgabenstellung des vorliegenden Artikels In diesem Artikel werde ich zu den von W.
Winter aufgeworfenen Problemen Stellung nehmen. Ich will nicht nur zeigen, daß eine
adäquatere Analyse der Konstruktion T-Adjektiv-Nomen als die von W. Winter mit Recht
kritisierte im Rahmen einer Transformationsgrammatik möglich ist, ebensoviel liegt mir an
einer Diskussion der methodologischen Konsequenzen, die W. Winter in seinem Artikel zieht.
Es handelt sich hier um sehr prinzipielle Fragen, deren Aufklärung wichtig ist. Im zweiten
Kapitel werde ich Vorschläge für eine Analyse attributiver Adjektive unterbreiten, die
einerseits für die generelle Gültigkeit von TA&J sprechen, andererseits aber auch
verdeutlichen, daß eine einzige Attribuierungsregel nicht ausreicht. Mit anderen Worten, ich
halte W. Winters Kritik an der Formulierung von TA&J in Chomskys Syntactic Structures nur
für zum Teil berechtigt. Seine Schlußfolgerung, ATTRIBUTIVE ADJEKTIVE UND
TRANSFORMATIONEN man müsse die Konstruktion T-Adj-N als primäre Struktur
betrachten, ist nach meiner Ansicht unberechtigt. Winter geht von der falschen Voraussetzung
aus, es gäbe nur genau EINE Transformationsregel für die Erzeugung attributiver Adjektive.
Ich will jedoch zeigen, daß die umstrittene Konstruktion syntaktisch mehrdeutig ist und daß
ihre Mehrdeutigkeit erklärt werden kann, wenn man sie als Oberflächenstruktur betrachtet,
der mehrere Tiefenstrukturen zugrunde liegen. Das dritte Kapitel ist einer Stellungnahme zu
dem Verhältnis zwischen Theorie und Gegenstand der Grammatikforschung sowie den daraus
ableitbaren methodologischen Konsequenzen vorbehalten. Es soll verdeutlicht werden, daß
die Regularitätshypothese, das heißt die Annahme, daß alle Erscheinungsformen der Sprache
auf ein System von invarianten Eigenschaften zurückzuführen seien, zwangsläufig die
Konstruktion von exakten Grammatiktheorien nach sich ziehen muß, es sei denn, man
begnügt sich von vornherein mit vagen Begriffsbildungen. So berechtigt die Warnung vor der
Dogmatisierung einer gegebenen Theorie auch immer sein mag, sie darf nicht einem
erkenntnistheoretischen Skeptizismus Vorschub leisten, der -- obwohl er oberflächlich
betrachtet den empirischen Daten mehr Gewicht zuzubilligen scheint -- letzten Endes doch
der Spekulation Tür und Tor öffnet, indem er an entscheidenden Stellen auf begriffliche
Klarheit verzichtet. Begriffliche Klarheit ist jedoch die Grundlage für wissenschaftlich
stichhaltige Aussagen über einen Gegenstand. Sie kann nur dann erreicht werden, wenn man
die Forderung, möglichst alle Begriffe einer Wissenschaft im Rahmen einer Theorie zu
definieren, zum methodologischen Grundprinzip erhebt.

2. DIE MEHRDEUTIGKEIT DER KONSTRUKTION T-ADJ-N

2.1. Bemerkungen zum Begriff der Transformation

Bevor ich zum eigentlichen Thema komme, möchte ich einige Erläuterungen zum Begriff der
Transformation vorausschicken, der in meiner Argumentation eine wichtige Rolle spielen
wird. Die Notwendigkeit, bei der Beschreibung der syntaktischen Regelmäßigkeiten einer
natürlichen Sprache transformationelle Relationen zu berücksichtigen, wird heute kaum noch
ernsthaft bestritten. Eine Überprüfung der für die Beschreibung der Sprachstruktur
notwendigen theoretischen Konzepte ergab, daß immediate-constituent-Relaüonen allein nicht
genügen. Zusätzlich und aufbauend auf diesen Relationen benötigt die Sprachtheorie einen
Begriff zur Darstellung von syntaktischen Relationen WOLFGANG MOTSCH* zwischen
Klassen von sprachlichen Strukturen. Man überzeugt sich leicht davon, daß auch die ältere
Grammatikforschung Aussagen verwendet, deren logische Form sich von der solcher
Aussagen unterscheidet, die eine Zerlegung der Sätze in Segmente und Klassen beinhalten.
Aussagen über das Verhältnis zwischen Aktiv- und Passivsätzen, zwischen Haupt- und
Nebensätzen bezüglich der Satzgliedstellung, zwischen Satzgliedern und Nebensätzen,
zwischen objektivem und subjektivem Genitiv, die man neben vielen gleichartigen in jeder
älteren Grammatik finden kann, mögen als Beispiel dienen. Obwohl solche Beziehungen in
grammatischen Beschreibungen großen Raum einnehmen, führte erst die theoretische
Begründung des Begriffs der Transformation zu einem wirklichen Verständnis der intuitiven
Praxis und zu gezielten Fragestellungen, wie sie heute in Transformationsgrammatiken üblich
sind. Die Wissenschaftsgeschichte illustriert in diesem Falle -- wie in vielen anderen -- die
Gültigkeit der erkenntnistheoretisch-methodologischen These, daß erst die bewußte
Handhabung von Begriffen zu rationaler Erkenntnis führt. Das bewußte Handhaben von
Begriffen setzt die Einordnung der Begriffe in den Rahmen einer Theorie voraus. Der von N.
Chomsky eingeführte Begriff der Transformation, den ich in meinem Aufsatz verwenden
werde, wird im Rahmen einer umfassenden generativen Grammatiktheorie definiert.3 Eine
wesentliche Grundlage für die Verwendung des Transformationsbegriffes bilden
Überlegungen über die Einordnung einer Komponente, die Fragen der Bedeutung von Sätzen
erklärt, in den Rahmen der Grammatiktheorie. Untersuchungen haben ergeben, daß zur
Beschreibung der semantischen Interpretation eines Satzes Informationen über die
Bedeutungen seiner Elemente und über die Konstituentenstruktur ausreichen.4
Transformationsregeln können so formuliert werden, daß sie keinerlei Wirkung auf die
Bedeutung eines Satzes ausüben, was nicht heißen soll, stilistische und
kommunikationspsychologische Effekte seien ausgeschlossen. Die hier angeführte Hypothese
stellt die Grundlage für die Definition zweier sehr wichtiger Begriffe dar, für die
Unterscheidung zwischen Tiefen- und Oberflächenstrukturen einer Sprache. Tiefenstrukturen
werden durch die Basiskomponente der Syntax erzeugt. Diese setzt sich zusammen aus einer
Menge von Ersetzungsregeln, die die Konstituentenstruktur eines Satzes determinieren, aus
einer Menge von Subkategorisierungsregeln, Die letzte Version der
Transformationsgrammatik ist dargestellt in N. Chomsky, Aspects ofthe Theory of Syntax
(Cambridge, Mass., 1965). 4 Vgi. J. J. Katz, P. M. Postal, An Integrated Theory ofLinguistic
Descriptions (Cambridge, Mass., 1964). ATTRIBUTIVE ADJEKTIVE UND
TRANSFORMATIONEN die die fundamentalen syntaktischen Kategorien (wie Nomen,
Verb, Adjektiv, usw.) in als komplexe Symbole dargestellte Unterklassen zerlegen und aus
einem Lexikon, in dem die Wörter einer Sprache in angemessener Form aufgezählt werden.
Angemessene Form bedeutet, daß alle syntaktischen, semantischen und morphologischen
Eigenschaften als strukturierte Merkmale erscheinen. Transformationsregeln erzeugen aus
Tiefenstrukturen Oberflächenstrukturen, die nach Anwendung der phonologischen
Komponente in phonetisch oder graphisch repräsentierte Sätze überführt werden.
Tiefenstrukturen bilden auf der anderen Seite die Eingabe für die semantische Komponente
einer Grammatik, die unter anderem zeigen muß, wie die Bedeutungen eines Satzes auf der
Basis der Bedeutungen seiner Elemente und seiner Konstituentenstruktur entstehen sowie
welche semantisch interpretierten Sätze als Paraphrasen aufzufassen sind. Daß die
Konstituenten Struktur die semantische Interpretation eines Satzes tatsächlich beeinflußt, soll
an einem Beispiel deutlich gemacht werden. Ein Satz wie Peter kommt mit dem Zug aus
Berlin, kann in zweifacher Weise verstanden werden, obwohl keines seiner Elemente als
mehrdeutig betrachtet werden muß. Der Bedeutungsunterschied beruht allein darauf, daß dem
Satz zwei Konstituentenstrukturen zugeordnet werden können. Die Präpositionalphrase aus
Berlin kann entweder Attribut zu Zug sein oder aber Richtungsadverbiale zu kommen. Mit
jeder der möglichen Konstituentenstrukturen ist eine besondere Bedeutung des Satzes
verbunden. Die Unterscheidung zwischen Tiefen- und Oberflächenstrukturen gestattet eine
Erklärung mehrdeutiger Konstruktionen. So sind zum Beispiel Nominalphrasen mit
Genitivattributen mehrdeutig. Die traditionelle Einteilung in subjektiven, objektiven,
possessiven usw. Genitiv kann auf theoretisch höherer Ebene aufgegriffen werden, indem
man Konstruktionen mit Genitivattributen als eine Oberflächenstruktur behanddelt, der
mehrere Tiefenstrukturen zugrunde liegen können. Ich will in den folgenden Abschnitten
zeigen, daß auch die Konstruktion T-Adj-N eine mehrdeutige Oberflächenstruktur ist. Man
muß sich klar machen, daß die Tiefenstruktur eine abstrakte Repräsentation der
grundlegenden strukturellen Eigenschaften eines Satzes darstellt. Auch die
Oberflächenstruktur ist eine abstrakte linguistische Charakterisierung, die allerdings der
endgültigen Form des Satzes näher kommt. Erst die phonologische Komponente der
Grammatik erzeugt eine Repräsentation des Satzes, in der keine abstrakten Symbole mehr
auftreten, sondern nur noch phonetisch interpretierbare Transkriptionszeichen. Der Begriff der
Transformation, wie wir ihn WOLFGANG MOTSC& verwenden, unterscheidet sich in
einigen Punkten von dem in Chomskys Syntactic Structures benutzten. Obwohl W. Winters
Bemerkungen sich auf die frühere Version beziehen, erscheint es mir nicht als unfair, von der
neuen Fassung auszugehen, da diese seit 1964 bekannt ist. Konsequenzen ergeben sich vor
allem im Hinblick auf den Begriff des Kernsatzes.

2.2. Notwendige Beschränkungen von TA Das dem Studenten sicherlich noch nicht bekannte
Buch. Der Student ist über die Note wahrscheinlich nicht gerade glücklich -> Der über die
Note wahrscheinlich nicht N. Chomsky, Syntactic Structures, 4. Auflage (The Hague, 1964),
72. ATTRIBUTIVE ADJEKTIVE UND TRANSFORMATIONEN gerade glückliche
Student. Schließlich muß auch berücksichtigt werden, daß es im Deutschen, wie im
Englischen, einige Wörter gibt, die zwar in prädikativer, nicht jedoch in attributiver Position
stehen können. W. Winter führt folgende englische Beispiele an; The boy Is HL The
Frenchman is last (in a game). The girl is right (in what she says)· Die Verhältnisse sind an
dem Unglück schuld. Die Puppe ist wieder heil* Der Teller ist entzwei. Die Reihenfolge ist
mir einerlei. Der Termin ist mir gleich. Es handelt sich hier um Wörter, deren Klassifizierung
als Adjektiv durchaus nicht unproblematisch ist. Nehmen wir jedoch einmal an, diese Analyse
sei gesichert. Dann bleibt noch immer das Faktum bestehen, daß Adjektive dieses Typs, die
im übrigen tine verschwindend geringe Teilmenge aller Adjektive darstellen, als nicht normal
empfunden werden. Normal ist dagegen die große Anzahl der prädikativen Adjektive, die
auch in attributiver Position stehen können, vorausgesetzt, sie verbinden sich mit nominalen
Subjekten.6 Der Sachverhalt kann auf zweierlei Weise beschrieben werden. Man kann alle
Adjektive in zwei Subklassen zerlegen, in nur prädikativ und in attributiv und prädikativ
verwendbare. Die strukturelle Beschreibung von TA&J müßte dann so formuliert werden, daß
nur Adjektive des zweiten Typs die durch die Transformation bewirkte strukturelle
Veränderung zulassen. In diesem Falle würden wir die beobachteten Beschränkungen als eine
Eigenschaft der Regel interpretieren. Die Basis für eine solche Subklassifizierung bildet die
Anwendbarkeit der Regel und nicht -- wie in den normalen Fällen der Subkategorisierung --
generelle syntaktische Eigenschaften der Elemente einer Klasse. Die Klasse der nur prädikativ
verwendbaren Adjektive hat -- gehen wir von dieser Lösung aus -- den gleichen Status wie
zum Beispiel prädikative Nomen, die ebenfalls TA&J nicht durchlaufen dürfen. Der
Ausnahmecharakter der auf prädikativen Gebrauch beschränkten Adjektive kann
angemessener erklärt werden, wenn wir Zu berücksichtigen sind Adjektive, die zwar in
prädikativer Position stehen, deren Subjekt jedoch ein bestimmtes Pronomen oder ein Satz
sein kann. Zum Beispiel; Es ist kalt) warm, neblig* usw. Daß er nicht schreibt, ist
merkwürdig, interessant, gut, aufschlußreich, usw. Entsprechende Adjqklive können nicht
attribuiert werden, da der Satz nicht die strukturelle Beschreibung von TA*) erfüllt» sein
Subjekt ist keine Nominalphrase des Typs T*N. Aus dem Deutschen können wir ergänzen:
WOLFGANG MOTSCH nicht die Regel einschränken, sondern wenn Adjektiven wie schuld,
heil, entzwei, einerlei, egal, gleich usw. das Merkmal [~ &] zugeschrieben wird, das heißt,
TAW darf in diesen Fällen nicht angewendet werden, obwohl die Bedingungen der
strukturellen Beschreibung erfüllt sind. TAW gilt demnach für alle geeigneten Konstruktionen
mit prädikativem Adjektiv. Einige Adjektive haben jedoch das idiosynkratische, nicht auf
generelle syntaktische Eigenschaften zurückführbare Merkmal, daß sie trotz Erfüllung der
strukturellen Beschreibung von TACLJ die Regel nicht durchlaufen dürfen. Eine Erklärung
für solche idiosynkratischen Eigenschaften ist im Rahmen der Grammatik nicht möglich.
Häufig können historische Prozesse herangezogen werden. So ist schuld ursprünglich ein
Nomen, das jedoch in der hier diskutierten Position in der heutigen Sprache nicht mehr als
Nomen analysiert werden darf. Halten wir also fest: die beobachteten Beschränkungen sind
im vorliegenden Fall keine Eigenschaft der Attribuierungsregel, sondern es handelt sich um
Eigenschaften bestimmter Wörter. Wenn wir diesen Lösungsweg beschreiten, so gewinnen
wir eine plausible Grundlage für die präzise Erklärung des Begriffs der Ausnahme.7 Der
zuerst angedeutete Weg würde zwar die Erzeugung falscher Sätze verhindern, er verdunkelt
jedoch den Zusammenhang zwischen Normalfall und Ausnahme, da er Subklassen, die auf
idiosynkratische Eigenschaften von Wörtern zurückgehen, nicht von solchen unterscheidet,
die reguläre syntaktische Eigenschaften reflektieren. Die Folge wäre eine große Anzahl von
arbiträren Subklassen. B l kann somit, berücksichtigt man diese Bemerkungen, als gültig
aufrechterhalten werden.

2.3. Notwendige Einschränkungen zu der Behauptung, alle attributiven Adjektive könnten


auf prädikative zurückgeführt werden Es fällt nicht schwer, B 2 durch Gegenbeispiele zu
widerlegen. Bildungen wie a criminal court, civil rights auf prädikative Konstruktionen
zurückzuführen, widerspricht nicht nur der Plausibilität, sondern führt auch zu keiner
sinnvollen Analyse. Die Voraussetzung von Ausgangssätzen wie etwa The court is criminal,
The rights are civil, würde die Gültigkeit von B 2 nur mechanisch erweitern, ohne die Fakten
wirklich zu erklären. Wohl bemerkt, die Lösung ist aus empirischen Gründen zu verwerfen,
nicht aus theoretischen. Eine angemessene Analyse kann durchaus auf Satzformen aufbauen,
für die es keine belegten Kernsätze Zum Begriff der Ausnahme und zu Möglichkeiten einer
formalen Behandlung vgl. G. LakofF, On the Nature ofSyntactic Irregularity, Report No.
NSF-16, The Computation Laboratory, Harvard University (Cambridge, Mass., 1965).
ATTRIBUTIVE ADJEKTIVE UND TRANSFORMATIONEN gibt. Kernsätze sind konkrete
Sätze, die durch Formationsregeln ('phrase structure rules'), obligatorische einfache
Transformationen und phonetische Regeln erzeugt werden. Diese Definition baut auf
Voraussetzungen über das Verhältnis von obligatorischen und fakultativen
Transformationsregeln auf, die in der späteren Version der Transformationsgrammatik
aufgegeben wurden. Der Begriff des Kernsatzes spielt in neueren Arbeiten keine Rolle mehr.
Aber selbst wenn wir von der älteren Auffassung über den Aufbau einer
Transformationsgrammatik ausgehen, erweist sich W. Winters Argumentation nicht als
zutreffend. Transformationen setzen nämlich keine Kernsätze voraus, sondern strukturelle
Beschreibungen, die Klassen von Sätzen mit Hilfe abstrakter syntaktischer Kategorien
charakterisieren. Um generelle Zusammenhänge aufzuklären, kann in einigen Fällen
angenommen werden, daß der normale Weg, der zu konkreten Kernsätzen führt, versperrt ist.
Auch in diesem Falle bietet sich die Möglichkeit, idiosynkratische Verhältnisse, die in
natürlichen Sprachen sehr häufig sind, zu erklären. Als ein Beispiel mag die Analyse von the
poor guy dienen. Diese Bildung kann auf eine 'fiktive' Satzform *the guy is poor
zurückgeführt werden, wenn folgender Umstand berücksichtigt wird. Hat poor die Bedeutung
'bedauernswert', so muß TAÜJ angewendet werden, das heißt, der Weg zu einem Kernsatz
wird auf diese Weise ausgeschlossen. Die Konstruktion wird demnach ganz regulär analysiert.
Das Adjektiv poor hat jedoch, falls es die Bedeutung 'bedauernswert' annimmt, die
idiosynkratische Eigenschaft, nur in einer Oberflächenstruktur T-Adj-N auftreten zu können.
Auch im Deutschen sind Adjektive wie alt, arm durch idiosynkratische Eigenschaften
begrenzt. Um jedoch die verschiedenen Bedeutungen von alt, die unterschiedliche
syntaktische Verhaltensweisen haben, charakterisieren zu können, empfiehlt es sich, reguläre
Muster zu Hilfe zu nehmen. Wir können mindestens vier Verwendungen von alt
unterscheiden. (1) alt bedeutet 'alt an Jahren'. In diesem Falle reiht sich das Wort in die große
Klasse der prädikativ und attributiv verwendbaren Adjektive ein und erfüllt die Bedingungen
von TAÜJ ohne Einschränkung. Vgl. Ein Mann, der alt ist -> ein alter Mann. (2) alt drückt
eine negative Bewertung aus. Vgl. Ein alter Spielverderber. Eine generelle Analyse wird
davon ausgehen, daß alt in dieser Bedeutung -- wie alle Adjektive, die Bewertungen
ausdrücken -- in die Klasse der prädikativ und attributiv verwendbaren Adjektive eingereiht
wird. Die Besonderheit von alt gegenüber allen normalen Adjektiven besteht jedoch darin,
daß eine Oberflächenstruktur, in WOLFGANG MOTSCH der dieses Adjektiv in prädikativer
Position steht, nicht zugelassen ist. Es ist aufschlußreich, daß Kinder, die die
idiosynkratischen Eigenschaften erst in einer späteren Phase der Spracherlernung
berücksichtigen, häufig Sätze bilden wie Peter ist alt (oder in berlinischer Form oll), wobei alt
die hier diskutierte Bedeutung hat. (3) alt kann 'lange Zeit während' bedeuten, das heißt, es hat
in dieser Variante adverbialen Charakter und korrespondiert mit dem Adverb lange. Mein
älter Freundwäxe demnach auf eine Tiefenstruktur zurückzuführen, die den adverbialen
Charakter des Adjektivs verdeutlicht: Jemand, der lange mein Freund ist. Auf eine solche
Tiefenstruktur können auch bestimmte adjektivierte Lokal- und Temporaladverbien
zurückgehen. Zum Beispiel: Mein heutiger Freund. Die Regel, die wir für die Analyse von alt
voraussetzen, ist also nicht ad hoc gebildet, sondern es handelt sich um eine generelle Regel,
die viele ähnliche Fälle erklärt. Auch hier müssen wir aber berücksichtigen, daß alt notwendig
in eine attributive Oberflächenstruktur überführt werden muß. Es handelt sich wiederum um
eine idiosynkratische Eigenschaft dieses Wortes. Die Bedeutung des Wortes kann jedoch
zusammen mit einer anderen Lautform, nämlich lange auch in einem Satz auftreten, der die
Verhältnisse der Tiefenstruktur besser offenbart.8 (4) Schließlich kann alt die Bedeutung
'früher' haben. In diesem Falle muß ebenfalls die für Variante (3) angenommene
Transformation vorausgesetzt werden. Der Tiefenstruktur entspräche etwa: Jemand, der früher
mein Freund war. Das Wort alt darf in dieser Variante nicht in der der Tiefenstruktur
gemäßen adverbialen Position stehen bleiben, sondern es muß die angedeutete
Adjektivierungstransformation obligatorisch durchlaufen. Ebenso wie alt in der Variante (2)
kann arm in der Bedeutung 'bedauernswert' behandelt werden. Vgl. etwa Der arme KerL Es
ist eine idiosynkratische Eigenschaft von arm, daß im vorliegenden Falle die Attribuierung
obligatorisch ist. Die angeführten Beispiele sollten zeigen, daß einige der nur attributiv
verwendbaren Adjektive, unter Berücksichtigung besonderer Eigenschaften der betreffenden
Wörter, auf der Grundlage von TAW erklärt werden können. Wir müssen uns nun die Frage
vorlegen, ob es für den Rest der fraglichen Fälle andere transformationelle Beziehungen gibt,
die die Konstruktion T-Adj-N als Oberflächenstruktur kennzeichnen, Man beachte, daß die
Beschränkung nicht für die semantische und syntaktische Seite der Wörter gilt, sondern für
das Wort, das darüberhinaus durch eine spezielle Lautform charakterisiert ist, insgesamt.
ATTRIBUTIVE ADJEKTIVE UND TRANSFORMATIONEN oder ob man -- wie W.
Winter vorschlägt -- diese Konstruktion als eine primäre Struktur behandeln muß, die durch
Ersetzungsregeln erzeugt wird. Eine Antwort auf diese Frage haben wir bei der Besprechung
der Varianten (3) und (4) von alt zum Teil bereits vorweggenommen.

2.4. Attribut und Prädikat Die verbale Formulierung von TAO.J erweckt den Anschein, als
wären Kopulasätze des Typs T-N-ist-Adj allein die Grundlage der Transformation. Das würde
bedeuten, daß das Adjektiv erst im Zusammenhang mit der strukturellen Veränderung zu
einer Konstituente der Nominalphrase wird. Diese Auslegung ist jedoch im Rahmen einer
generativen Grammatik nicht zulässig, da die Grammatik Sätze erzeugt und keine isolierten
Konstruktionen. Eine genauere Formulierung der entsprechenden syntaktischen
Zusammenhänge setzt deshalb voraus, daß der Kopulasatz nicht allein steht, sondern er muß
an bestimmten Stellen in einen anderen Satz eingebettet sein. Man muß demnach entweder
eine Einbettungstransformation voraussetzen -- wenn man die alte Version der
Transformationsgrammatik benutzt --, oder der für die Transformation benötigte Satz muß
durch Basisregeln als Konstituente eines Satzes eingeführt werden. In jedem Falle muß der
Tatsache Rechnung getragen werden, daß der Kopulasatz, den wir für TAU? benötigen, den
Charakter eines Attributs hat. Mit anderen Worten, die Stelle des Attributs ist in der
Tiefenstruktur der Sprache zu markieren. So betrachtet sind attributive Adjektive reduzierte
Kopulasätze, die jedoch in der Tiefenstruktur der Sprache Konstituenten einer Nominalphrase
sind. Wenn man davon ausgeht, daß Transformationen keinen Einfluß auf die Bedeutung der
Sätze haben, so muß zwischen Attribution und Prädikation unterschieden werden. Bestünde
zwischen Attribution und Prädikation kein Unterschied, müßte, falls Einige gute Ideen sind
rar ein wahrer Satz ist, logisch folgen Einige rare Ideen sind gut. Das trifft jedoch
offensichtlich nicht in jedem Falle zu. Der Unterschied zwischen Attribution und Prädikation
muß folglich in der Tiefenstruktur der Sprache erklärt werden. Unabhängig davon sprechen
auch rein grammatische Erwägungen für eine besondere Behandlung des Begriffs Attribut.
Die Grundlage für eine einheitliche Erklärung dieses Begriffes bilden Sätze, die
Konstituenten einer Nominalphrase sind. In der Oberflächenstruktur treten diese Sätze in
voller Form meist als Relativsätze auf. Ausgehend von solchen Sätzen, die bestimmte
Bedingungen erfüllen müssen (sie müssen zum Beispiel eine Nominalphrase enthalten, die
mit dem Nomen, zu dem der eingebettete Satz gehört, identisch ist), können verschiedene
Formen des WOLFGANG MOTSCH Attributs durch generelle Regeln erzeugt werden. c So
zum Beispiel attributive Adjektive, Partizipien, adverbiale Attribute, attributive
Präpositionalphrasen, appositive Adjektive und Appositionen. Dieser Lösungsweg setzt
folgende Transformationen voraus:

(1) Eine Relativsatzregel, die die syntaktischen Bedingungen für Relativsätze spezifiziert,
bzw. eine Regel, die festlegt, welche Sätze als Basis von Attributen erlaubt sind, falls kein
Relativsatz möglich ist;

(2) eine Reduktionsregel, die angibt, welche Typen von eingebetteten Sätzen reduziert
werden können;

(3) die Attribuierungsregel. Beispiel: Hund*/ (der Hund ist bissig) S)NP (bewacht^ (dasr
Hausjv) ) KP) s Ein Hund, der bissig ist, bewacht das Haus. Ein Hund, bissig, bewacht das
Haus. Ein bissiger Hund bewacht das Haus. Wenn diese Regeln in angemessener Form
formuliert werden, so erklären sie auf generelle Weise die Mehrzahl aller Attribute.

Das konnte an anderer Stelle ausführlich gezeigt werden.9 2.5. Adjektivierung von
Adverbien In den Konstruktionen ein leidenschaftlicher Jäger, ein starker Raucher, ein
plötzlicher Schrei, eine rasche Änderung hat das Adjektiv eine syntaktische Funktion, die sich
von der der üblichen nach TA Peters gestrige Unaufmerksamkeit. Er war plötzlich müde ->
Seine plötzliche Müdigkeit. Er ist hier bekannt -* Seine hiesige Bekanntheit. Der Student ist
außergewöhnlich klug -> Die außergewöhnliche Klugheit des Studenten. Günter ist besonders
groß -» Günters besondere Größe. Die beiden zuletztgenannten Beispiele enthalten
Adverbien, die das Adjektiv graduieren. Das wohl geläufigste Gradadverb sehr kann in dieser
Form nicht zu einem Attribut werden. Es korrespondiert jedoch deutlich mit dem Adjektiv
groß vor Adjektivabstrakta. Vergleiche: Er ist sehr dumm. -> Seine große Dummheit. Er ist
sehr gut. -»· Seine große Güte. Es erscheint mir sinnvoll, groß in diesem Falle als eine
Variante von sehr zu analysieren. Einen weiteren Typ der Adjektivierung von Adverbien
wollen wir WOLFGANG MOTSCH * ' t kurz besprechen. In den Beispielen das rechte Auge,
der vordere Wagen, das hintere Abteil, die hiesigen Bräuche, die heutigen Verhältnisse, die
gestrige Veranstaltung werden Lokal- bzw. Temporaladverbien als attributive Adjektive
verwendet. Eine angemessene Analyse darf sich nicht mit der Oberflächenstruktur begnügen,
sondern sie muß den adverbialen Charakter dieser Attribute verdeutlichen. Das erreicht man,
wenn man die attributiv verwendeten Adverbien auf Konstruktionen zurückführt, in denen sie
adverbiale Positionen einnehmen. Zwei Wege sind möglich. (1) Das Attribut wird auf einen
Relativsatz zurückgeführt, der die Kopula enthält oder ein semantisch weites Verb wie etwa
sich befinden, gelten bei Lokaladverbien und stattfinden, herrschen, existieren bei
Temporaladverbien. Vergleiche: Das Auge, das sich rechts befindet. Der Wagen, der vorn ist.
Das Abteil, das hinten ist. Die Bräuche, die hier gelten. Die Verhältnisse, die heute herrschen.
Die Versammlung, die gestern stattfand. Die notwendigen Regeln sind denen, die mit TA&J
verbunden sind, prinzipiell ähnlich. Die Ausgangssätze können, wie Kopulasätze, reduziert
werden. Dann entstehen Konstruktionen mit attributiven Adverbien oder adverbialen
Präpositionalphrasen: Der Wagen vorn. Das Abteil hinten. Die Bräuche hier. Die
Versammlung gestern. Das Kino an der Ecke. Das Geschäft neben der Schule. Eine
Teilmenge der Lokal- bzw. Temporaladverbien kann nun auch in die attributive Position
gerückt werden, wobei besondere morphologische Konsequenzen zu berücksichtigen sind. In
einigen Fällen wird die Endung -zg angefügt, in anderen ist die morphologische Veränderung
komplizierter.

(2) Den zweiten Weg haben wir bereits im Zusammenhang mit den
Nominalisierungstransformationen Txag und Tvabstr beschrieben. Die Besonderheiten einiger
Lokal- und Temporaladverbien bestehen lediglich darin, daß sie spezielle morphologische
Prozesse nach sich ziehen. Als Beispiel führen wir an: Die Mitglieder kamen dort zusammen
-> Die dortige Zusammenkunft der Mitglieder. ATTRIBUTIVE ADJEKTIVE UND
TRANSFORMATIONEN Die Verhandlungspartner trafen sich gestern -> Das gestrige
Treffen der Verhandlungspartner. Besonders zu untersuchen sind solche Bildungen wie die
rechte Seite und der heutige Tag. Semantisch betrachtet ist Seite in rechts und links enthalten,
ebenso wie Tag in gestern, heute und morgen. Syntaktisch unterscheiden sich die genannten
Bildungen aber von den Adverbien, sie haben den Charakter von Nominalphrasen. Man
könnte sie deshalb als spezielle Nominalsierungen behandeln,

2.6. Transformationelle Erklärung derivierter Adjektive Wenn wir die auf attributiven
Gebrauch beschränkten Adjektive von der zahlenmäßigen Seite betrachten, so werden durch
die bisher angedeuteten Transformationen bereits sehr viele Fälle erklärt. Einen zahlenmäßig
sehr umfangreichen Raum nehmen ferner derivierte Adjektive ein. Man vergleiche die große
Anzahl von Derivationen mit den Suffixen -lieh, -isch und anderen im Deutschen, die nur
attributiv verwendet werden. Beispiele sind: das väterliche Haus, die sportlichen Leistungen,
boxerische Fähigkeiten, historische Studien, usw. Derivierte Adjektive können nicht wie
einfache Lexeme im Wörterbuch aufgeführt werden, sondern sie verlangen eine spezielle
Analyse. Handelt es sich um regulär interpretierbare Konstruktionen, so bieten sich häufig
Paraphrasen an. Die sportlichen Leistungen korrespondiert mit Leistungen, die auf dem
Gebiet des Sports vollbracht werden. Die Grammatik muß erklären, weshalb solche
Ausdrücke als Paraphrasen gelten. Das kann entweder die Aufgabe der semantischen
Komponente der Grammatik sein oder man kann eine syntaktische Erklärung geben, indem
einer der korrespondierenden Sätze als Tiefenstruktur gewählt wird, von der der andere eine
Oberflächenvariante darstellt.11 Voraussetzung ist jedoch, daß die Regeln, die für diesen
Erklärungsweg benötigt werden, generell sind, das heißt, sie müssen sehr viele gleichartige
Verhältnisse beschreiben. Die syntaktische Erklärung ist -- wenn sie nicht ad hoc gilt --
vorzuziehen, weil sie zu einer Vereinfachung der Grammatik führt. Eine
Transformationsregel genügt, um die eine Konstruktion aus der anderen abzuleiten. Im
anderen Falle wären mehrere Regeln notwendig, die beide korrespondierenden
Konstruktionen unabhängig erzeugen, zusätzlich müßte dann noch die Erklärung der
Korrespondenz in der semantischen Komponente kommen. Eine syntaktische Erklärung Es ist
nicht abzusehen, wie die gleichen Verhältnisse semantisch zu erklären sind, da die
notwendigen Voraussetzungen für eine formale Behandlung erst geschaffen werden müßten.
WOLFGANG MOTSCH - r bringt weitere Vorteile mit sich. Sie erlaubt es, Mehrdeutigkeiten
formal darzustellen. Ein deriviertes Adjektiv wie zum Beispiel väterlich hat mehrere
Bedeutungen, die auf unterschiedliche syntaktische Verhältnisse zurückgeführt werden
können. Väterlich kann zum Beispiel in der Nominalphrase ein väterlicher Freund 'wie ein
Vater sein' bedeuten. In das väterliche Haus liegt zugrunde das Haus9 das dem Vater gehört
und die väterliche Strenge geht zurück auf der Vater ist streng. Die Rekonstruktion geeigneter
Tiefenstrukturen zur Erklärung von Derivationen ist mit besonderen Schwierigkeiten
verbunden, da die Wortbildung zu denjenigen Bereichen einer Sprache gehört, die sehr viele
idiosynkratische Eigenschaften aufweisen. Dennoch ist der Weg prinzipiell beschreitbar. Er
ist im übrigen viel deutlicher vorgezeichnet als irgendein anderer Weg, den man ja zeigen
muß, wenn man nicht auf eine angemessene Analyse überhaupt verzichten will. Den
empirischen Ausgangspunkt bei der Rekonstruktion der Tiefenstruktur bilden Paraphrasen.
Generelle Muster lassen sich häufig angeben, wenn man in der Tiefenstruktur semantisch sehr
weite Verben voraussetzt. Filmische Mittel und landwirtschaftliche Geräte können
reinterpretiert werden als Mittel, die der Film verwendet bzw. Geräte, die die Landwirtschaft
verwendet. Neben verwenden könnte man aber auch benutzen, gebrauchen und ähnliche
Verben wählen. Um willkürliche Entscheidungen zu vermeiden, empfiehlt es sich, in der
Tiefenstruktur keine konkreten Verben anzugeben, sondern abstrakte Proverben, ähnlich wie
die Proelemente, die wir für die Nominalisierung verwendet haben. Man muß ganz gewiß mit
sehr vielen Wortbildungsregeln rechnen, deren Formulierung nicht immer leicht ist. Wenn
man sich aber die Aufgabe stellt, Derivationen systematisch zu erklären, so bietet die
Transformationsgrammatik eine gute Grundlage. Die Annahme, es handle sich um Adjektive,
die das primäre Muster T-Adj-N ausfüllen, enthält keine Erklärung der komplizierten
Zusammenhänge, sondern sie kommt einer Kapitulation gleich. Gerade in solchen
schwierigen Situationen wird deutlich, daß ein rein empiristisches Vorgehen nicht zum
gewünschten Erfolg führen kann. Notwendig ist vielmehr eine Theorie, die Hypothesen für
die konkrete Analyse bereit hält.

2.7. Isolierte Konstruktionen W. Winter nannte als Gegenbeispiele zu B 2 folgende


Bildungen:

1. Die rechte Seite

2. Ein alter Freund

3. Der arme Kerl

4. Ein schlechter Verlierer ATTRIBUTIVE ADJEKTIVE UND TRANSFORMATIONEN 4l

5. Das bürgerliche Gesetzbuch

6. Ein zweiter Chomsky

7. Indogermanische Forschungen

8. Die historischen Schriften

9. Ein überzeugter Demokrat

10. Das gnädige Fräulein

l1. Ein neuer Luther


12. Ein leidenschaftlicher Jäger

13. Die eine Mark

14. Die beiden Briefe.

Von den aufgezählten Beispielen scheiden zunächst 6, 13 und 14 aus, da sie keine Adjektive,
sondern Numeralia enthalten. Numeralia, das gilt für Ordinal- und Kardinalzahlen,
unterscheiden sich in vielfacher Hinsicht von Adjektiven. Es erscheint mir wenig sinnvoll, sie
als mit Einschränkungen versehene Adjektive zu behandeln. Eine solche Analyse kann man
nur vorschlagen, wenn man lediglich die Verhältnisse der Oberflächenstruktur berücksichtigt.
Numeralia müssen als Konstituenten einer Nominalphrase in der Tiefenstruktur vorgesehen
werden. Anzumerken ist, daß beide als spezielle Variante von zwei behandelt werden kann,
die Bekanntheit des Nomens verlangt. In Beispiel 6 (ein zweiter Chomsky) liegt eine
Konstruktion vor, die eine besondere Erklärung verlangt. Das Nomen ist in diesem Falle ein
Eigenname. Eigennamen bezeichnen im Normalfall genau einen Gegenstand, im Gegensatz
zu Gattungsnamen wie etwa Polizist. Da Numeralia jedoch Begriffe voraussetzen, die sich auf
mehr als einen Gegenstand beziehen, kann die Konstruktion nicht einfach als Numerale +
Eigenname analysiert werden. Die normale Interpretation für das Beispiel ist 'ein zweites
Exemplar der Klasse, die durch den Namen "Chomsky" bezeichnet wird'. Wenn diese
Aussage sinnvoll interpretiert werden soll, muß vorausgesetzt werden, daß die Klasse
'Chomsky' mindestens zwei Exemplare enthält. Man kann nun annehmen, die Sprache verfüge
über generelle Mechanismen, die es gestatten, solche Abweichungen dennoch zu
interpretieren.12 Mir scheint jedoch, daß man eine Regel in der Grammatik formulieren kann,
die Tiefenstrukturen, die etwa durch ein zweiter Mensch, der wie Chomsky ist umschrieben
werden können, in Oberflächenstrukturen umformt, für die ein zweiter Chomsky ein Beispiel
ist. Die gleiche Regel U. Weinreich, "Explorations in Semantic Theory", in Current Trends in
Linguistics* edited by Th. A. Sebeok, Vol. III (The Hague, Paris, 1966), 395-477, sieht in der
semantischen Komponente Regeln vor, die abweichenden Sätzen eine Interpretation
zuordnen. WOLFGANG MOTSCH * i kann auch für Beispiel 11 (ein neuer Luther)
herangezogen werden. Das Adjektiv hat in der Tiefenstruktur die Funktion eines Adverbs,
muß jedoch, wie einige der Varianten von alt und arm, notwendigerweise in eine
Oberflächenstruktur überführt werden, in der es attributiv verwendet wird. Die
vorauszusetzende Tiefenstruktur kann umschrieben werden durch ein Mensch, der erneut wie
Luther ist. Beispiel 9 (ein überzeugter Demokrat) scheidet nach meiner Ansicht ebenfalls als
echtes Gegenbeispiel zu B 2 aus. Das Adjektiv überzeugt kann durchaus prädikativ stehen,
jedenfalls wenn man bedenkt, daß es normalerweise mit einer ergänzenden
Präpositionalphrase auftritt. Er ist von seiner Würde überzeugt ist ein völlig normaler Satz.
Die Ergänzung kann unter Umständen auch weggelassen werden, so zum Beispiel im
vorliegenden Fall, dessen volle Form lautet ein Demokrat, der von der Demokratie Überzeugt
ist. Beispiel 3 (der arme Kerl) hatten wir nach TAÜJ erklärt. Die Beispiele l und 2 sind
Produkte einer Regel, die Adverbien adjektiviert. Beispiel 4 und 12 sind Ergebnisse einer
Transformation, die nomina agentis erzeugt. Die Beispiele 5, 7 und 8 setzen
Wortbildungstransformationen voraus. Es bleibt nur noch Beispiel 10 (das gnädige Fräulein)
zu besprechen. Wir müssen in jedem Falle damit rechnen, daß das Lexikon einer .Sprache
nicht nur Lexeme enthält, sondern auch isolierte Konstruktionen. Beispiele sind Rote Rübe,
Schwarzes Meer, saure Gurke. Mir scheint, daß auch das gnädige Fraulein eine im Lexikon
aufzuführende Wendung ist, die sich jedoch von den zuerst genannten Beispielen dadurch
unterscheidet, daß sie in einem sehr engen Rahmen als Muster dient. Während in den zuerst
erwähnten Beispielen beide Bestandteile der Bildung festgelegt sind, ist in diesem Falle ein
Austausch des Nomens möglich. Statt Fräulein kann auch Herr und Frau stehen. Man kann
also von einem sehr beschränkten Muster sprechen.13 Die Diskussion der von W. Winter
aufgestellten Thesen zeigt zweierlei. Erstens führt eine Analyse der auf attributiven Gebrauch
beschränkten Adjektive zur Erhärtung der Hypothese, daß die Konstruktion T-Adj-N eine
Oberflächenstruktur ist, das heißt, sie ist durch Transformationsregeln zu erzeugen. Es handelt
sich um eine mehrdeutige Struktur, die auf unterschiedliche Tiefenstrukturen zurückgeht.
Zweitens wurde deutlich, daß die beobachtbaren Regularitäten durch generelle Regeln
beschrieben werden können. Die Regeln bilden die Voraussetzung für die Beschreibung
Vorschläge zur Behandlung isolierter Verbindungen unterbreitet U. Weinreich, a.a.O., 450 ff.
ATTRIBUTIVE ADJEKTIVE UND TRANSFORMATIONEN von sprachlichen
Ausnahmen. Erst indem Regeln herangezogen werden, können Ausnahmefälle genau
charakterisiert werden.

3. METHODOLOGISCHE FRAGEN

Jede wissenschaftliche Beschreibung der Grammatik einer Sprache baut auf theoretischen
Voraussetzungen auf. Indem man sich die Voraussetzungen bewußt macht, gelangt man zu
einer Sprachtheorie. Die Sprachtheorie muß eine Hypothese über den Charakter des Systems
einer Sprache sein. Daß jede Sprache als ein System beschrieben werden kann, wird heute
kaum angezweifelt. Es handelt sich hier um eine der grundlegenden Annahmen aller
strukturellen Richtungen in der Linguistik. Man geht davon aus, daß die konkreten
Erscheinungsformen der Sprache auf invariante Eigenschaften zurückgeführt werden können.
Die Konsequenz dieser Annahme ist die Unterscheidung zwischen dem Sprachsystem und der
Sprachverwendung. Diese Begriffe nannte F. de Saussure 'langue* und 'parole*, N. Chomsky
'competence' und 'performance*. Eine Theorie der 'langue* bzw. der 'competence1 muß, da
sie einen objektiv existierenden Gegenstand erklären soll, adäquat sein. Dieser Forderung ist
die Einfachheitsbedingung unterzuordnen. Auch die Kriterien für die Bewertung der
Einfachheit einer Grammatiktheorie können nicht willkürlich gewählt werden, sondern
formale Einfachheit muß mit linguistisch sinnvollen Generalisierungen zusammenfallen. N.
Chomsky, M. Halle und andere Vertreter der Transformationsgrammatik gehen von der hier
umrissenen erkenntnistheoretischen Position aus. Der Vorwurf, sie legten nur auf formale
Eleganz wert, ist deshalb nicht berechtigt. Ganz im Gegenteil, Chomskys Überlegungen über
die Stufen der Adäquatheit, die eine grammatische Beschreibung anstreben kann, und Halles
Einfachheitsmaß für die Phonologie sind ein Beweis für die Unrichtigkeit der Behauptung.14
Die Berechtigung der Forderung nach Adäquatheit der grammatischen Beschreibung ist kein
Streitpunkt in der modernen Sprachwissenschaft. Die umstrittene Frage lautet vielmehr: wie
muß eine adäquate Sprachtheorie beschaffen sein? Hier gehen die Ansichten zum Teil
beträchtlich auseinander. Die empiristisch orientierten Linguisten fordern exakte Vgl. N.
Chomsky, "Current Issues in Linguistic Theory", in The Structure of Language, edited by J.
A. Fodor, J. J. Katz (Englewood Cliffs, New Jersey, 1964), 50-118; und M. Halle, "On the
Role of Simplicity in Linguistic Descriptions" in Structure of Language and Its Mathematical
Aspects, edited by R. Jakobson (Providence, R.L, U.S.A., 1961). WOLFGANG MOTSCH
Methoden für die Analyse großer, möglichst repräsentativer Mengen von Texten. Es wurden
Prozeduren für die Auffindung relevanter sprachlicher Einheiten und für eine Klassifizierung
dieser Segmente entwickelt. Z. S. Harris unternahm den Versuch, diese Prozeduren so präzis
zu fassen, daß man mit physikalischen Daten als Eingabe auskommt.15 Aufgabe der
Prozeduren ist es, die eingegebenen sprachlichen Äußerungen in einer Folge mechanischer
Schritte zu analysieren. Das Produkt einer solchen Analyse ist eine Grammatik, die Texte in
Segmente zerlegt und eine Hierarchie von Klassen errichtet. Obwohl es den Anschein hat, als
wäre die Grammatik das Resultat der Prozeduren, muß man sich darüber klar sein, daß die
Prozeduren eine Grammatiktheorie voraussetzen; die Prozeduren, die ja nicht willkürlich sein
dürfen, müssen so gewählt werden, daß ihr Ergebnis genau die gewünschte Grammatik ist.
Der Theorie gebührt logisch gesehen in jedem Falle der Vorrang. Wenn die Prozeduren nicht
willkürlich sein sollen, so kann ihre Adäquatheit nur an Hand einer vorausgesetzten Theorie
geinessen werden.> Berücksichtigt man das nicht, so begibt man sich auf eine rein
konventionalistische Position, die eben die Adäquatheitsforderung außer Acht läßt. Das
empiristische Ideal, exakte Prozeduren zu formulieren, führte zu einer Dogmatisierung
taxonomischer Theorien, das heißt der immediate constituent grammar und der auf den
gleichen theoretischen Grundlagen aufbauenden Phonologie. Das wird verständlich, wenn
man den einfachen Aufbau dieser Theorien betrachtet. Je einfacher die Struktur der Theorie
ist, um so leichter lassen sich Prozeduren angeben. Es ist interessant zu verfolgen, daß das
tiefe Vertrauen zu linguistischen Prozeduren in dem Moment erschüttert wurde, als
nachgewiesen werden konnte, daß das immediate-constitueni-M.odell und die taxonomische
Phonologie grammatische Fakten nur teilweise und mangelhaft erklären. Die Bevorzugung
der Analyse großer Textmengen muß auf diesem methodologischen Hintergrund betrachtet
werden. Es geht nicht um die Frage, ob den empirischen Fakten gebührende Aufmerksamkeit
geschenkt wird, sondern um die Frage, ob die implizit oder explizit vorausgesetzte Theorie in
der Lage ist, alle Fakten auf angemessene Weise zu erklären. Alle taxonomischen Theorien,
die große Textmengen als primäre linguistische Daten betrachten, führen zu einer
entscheidenden Einschränkung des Aufgabenbereichs der Sprachtheorie, selbst dann, wenn
die Der Oppositionsbegriff, der eine wichtige Rolle bei der Formulierung von linguistischen
Prozeduren spielte, setzt Entscheidungen über die Gleichheit oder die Verschiedenheit der
Bedeutung verglichener Einheiten voraus. Harris möchte in seinen Prozeduren jegliche
Bezugnahme auf die Bedeutung ausschließen. Er verwendet lediglich Distributionskriterien,
weil so die Prozeduren strenger gefaßt werden können. ATTRIBUTIVE ADJEKTIVE UND
TRANSFORMATIONEN Unzulänglichkeiten des IC-Modells in der einen oder anderen
Weise überwunden werden. Wenn man von einem objektiv existierenden Sprachsystem
ausgeht, so kann das nur bedeuten, daß es im Gehirn der Angehörigen einer
Sprachgemeinschaft existiert. Es ist ganz gewiß unzulässig sich vorzustellen, die Grammatik,
die der Sprecher bzw. der Hörer benutzt, um Sätze zu bilden oder zu verstehen, sei eine
Menge von in Listen eingeteilter Textmengen. Viel sinnvoller ist die Annahme, daß die
Grammatik eine Menge von Regeln ist, die die Kombinierbarkeit und andere Relationen
zwischen den Grundelementen der Sprache, die als Merkmale angegeben werden können,
determiniert. Die Grammatik muß demnach als ein mentales Phänomen verstanden werden,
dessen Erforschung mit physikalistischen Methoden allein nicht vorgenommen werden kann.
Notwendig ist vielmehr eine Methodologie, deren sich auch die moderne Psychologie und
andere verwandte Wissenschaften mit Erfolg bedienen. Für die Sprachwissenschaft können
die Grundzüge dieser Methodologie etwa wie folgt umschrieben werden. Ausgehend von den
primären linguistischen Daten, zu denen nicht nur Textmengen gehören, sondern auch
Entscheidungen des native Speaker, die dieser auf Grund seiner sprachlichen Kompetenz fällt,
muß ein Modell konstruiert werden, das die Arbeitsweise der im Gehirn des Sprachfähigen
existierenden Grammatik abbildet. Die beobachtbaren Erscheinungen müssen als
Konsequenzen der Funktion des Modells erklärt werden. Man kann diese methodologische
Position, wenn man will, als wissenschaftlichen Mentalismus bezeichnen.16 Das Ziel, ein
möglichst vollständig adäquates Modell der objektiv existierenden Grammatik zu
konstruieren, kann in verschiedenen Näherungsstufen verwirklicht werden, das hängt davon
ab, wie sich die aufgestellten Hypothesen bewähren. Die höchste Form der Annäherung, die
die Wissenschaft letzten Endes anstrebt, ist ein Modell, das sowohl alle linguistischen
Beobachtungen systematisch erklärt, als auch die Einordnung der Grammatik in generelle
neurophysiologische Mechanismen erlaubt. Gewiß handelt es sich, vom gegenwärtigen
Standpunkt unserer Kenntnisse aus betrachtet, um ein Fernziel der Sprachenwissenschaft. Es
wie W. Winter als utopisch zu bezeichnen, erscheint mir übertrieben skeptizistisch, denn es
gibt -- wie mir scheint -- keine theoretischen Gründe, die eine solche Aufgabenstellung von
vornherein als sinnlos erscheinen lassen.17 Gegenwärtig reichen die notwendi16 Vgl. hierzu
J. J. Katz, "Mentalism in Linguistics", Language, 40 (1964), 124-137. Tatsächlich sinnlos ist
zum Beispiel die Aufgabe, ein perpetuum mobile zu konstruieren, weil sie mit angebbaren
Gesetzen der Physik im Widerspruch steht. Welche gesicherten linguistischen Gesetze
sprechen gegen die Aufgabenstellung, die wir skizziert haben? WOLFGANG MOTSCH gen
empirischen Kenntnisse noch nicht aus, um das Ziel direkt anzusteuern. Das gilt jedoch
weniger für die innerlinguistischen Fakten als für psychologische und neurophysiologische.
Auch wenn wir das Ziel, eine tatsächlich adäquate Grammatik zu konstruieren, mit
gebührendem Realismus betrachten, darf dies nicht zu einer Beschränkung der Aufgaben der
Sprachwissenschaft führen. Die mentalistische Grammatikkonzeption hat wichtige neue
Erkenntnisse zutage gefördert. Wesentliche Unterschiede ergeben sich gegenüber einer
physikalistischen Methodologie hinsichtlich des Status, den man grammatischen Kategorien
einräumt. Verwendet man eine physikalistische Methodologie, so müssen alle Klassen und
Kategorien durch einfache Abstraktion aus physikalischen Sachverhalten gewonnen werden.
Das führt zu den Unzulänglichkeiten zum Beispiel des Phonembegriffs, auf die vor allem N.
Chomsky und M. Halle wiederholt hingewiesen haben.18 Die mentalistische Methodologie
gestattet hingegen die Einführung von Begriffen, die nicht direkt auf Sachverhalte beziehbar
sein müssen, sondern die innerhalb der Theorie dazu dienen, linguistische Fakten
angemessener zu erklären. Solche Begriffe können Hypothesen über mentale Entitäten sein.
Durch einfaches Abstrahieren von den direkt beobachtbaren physikalisch repräsentierten
Sachverhalten gelangt man zu ihnen nicht. Die Theorie der Transformationsgrammatik ist
eine Hypothese über die sprachliche Kompetenz, die es ermöglicht, Erkenntnisse der
Grammatikforschung begrifflich exakt zu formulieren. Die Vorstellungen, die wir uns so über
die Grammatik einer Sprache bilden können, verdeutlichen den komplizierten Aufbau dieses
Phänomens. Es geht nicht um äußerliche Eleganz der Formulierung, sondern um neue
Einsichten. Zweifellos ist die formale Logik eleganter als die klassische, sie verbindet jedoch
formale Strenge mit neuen Erkenntnissen. Dieser Vergleich kennzeichnet auch den
Unterschied zwischen der generativen Grammatik und ihren wissenschaftsgeschichtlichen
Vorgängern. Die Grammatik, der Kern einer umfassenden Sprachtheorie, die darüberhinaus
auch die Phänomene der performance zu erklären hat, stellt sich uns heute als ein System dar,
das aus mehreren Komponenten besteht. Statt 'Komponente' könnte man auch *Subsystem'
sagen. Zu einer Grammatik gehört eine syntaktische, eine semantische und eine
phonologische Komponente. Jede der drei genannten Komponenten setzt sich ihrerseits aus
Teilkomponenten oder Sub-Subsystemen zusammen. Eine Zum Phonembegriff in der
generativen Grammatik vgl. M. Halle, The Sound Pattern of Russian (The Hague, 1959);
ders., "Phonology in Generative Grammar", Word, 18 (1962), 54-72. ATTRIBUTIVE
ADJEKTIVE UND TRANSFORMATIONEN grobe Skizze haben wir bereits zu Beginn des
zweiten Kapitels gegeben. Vielleicht führen neue Erkenntnisse dazu, daß die
bisherigenAnnahmen ergänzt oder abgeändert werden müssen. Es wäre beispielsweise
denkbar, daß zusätzliche Teilkomponenten anzunehmen sind, aber auch, daß bisher
vorausgesetzte Teilkomponenten sich erübrigen, weil andere so umformuliert werden können,
daß alle entsprechenden Informationen zur Verfügung stehen. Die Behauptung W. Winters
jedoch, die Sprache sei ein Konglomerat einer indeterminierten Anzahl von Subsystemen, läßt
sich in den Rahmen der bisherigen Annahmen über den Aufbau einer Grammatik nicht
einfügen. Wir haben hinreichend viele Gründe für die Annahme, daß die Grammatiken aller
menschlichen Sprachen in ihrem grundsätzlichen Aufbau gleich sind. Die allgemeine
Grammatiktheorie enthält somit Aussagen über formale Universalien, sowie über empirisch
noch genauer zu ermittelnde substantielle Universalien. Zu den substantiellen Universalien
gehören zum Beispiel die distinktiven Merkmale der Phonologie, wie R. Jakobson und andere
nachgewiesen haben. Wenn der grundsätzliche Aufbau aller Grammatiken jedoch gleich ist,
so kann die Anzahl der Komponenten nicht indeterminiert sein. Auch wenn man die Regeln
der Grammatik als Subsysteme betrachtet, gilt, daß sie nicht indeterminiert sind. Jede
Grammatik besteht aus einer endlichen Anzahl von Regeln, deren Anwendungsbedingungen
feststellbar sind. Ein Individuum kann seine Grammatik zwar durch die Aufnahme neuer
Regeln oder durch die Aufgabe von Regeln verändern, -- und wenn bestimmte soziale
Bedingungen erfüllt sind, so kann dieser Prozeß zu neuen sprachlichen Normen führen --,
aber auch diesem Phänomen müssen generelle Mechanismen zugrunde liegen, da andernfalls
die Verständigungsfunktion der Sprache in Frage gestellt wäre. Wir dürfen jedoch die
Tatsache, daß sich sprachliche Veränderungen nicht auf die Verstehbarkeit der Äußerungen
im Rahmen einer Sprachgemeinschaft auswirken, als ein Indiz dafür betrachten, daß neue
Regeln nach generellen Schemen geschaffen werden, die ebenfalls zur Sprachfähigkeit des
Individuums gehören. Welche konkreten Regeln Aussicht auf Aufnahme in die Grammatik
haben, wird man vielleicht nie genau angeben können, die Generierung und das Verständnis
neuer Regeln müssen jedoch unter angebbaren Bedingungen vor sich gehen. Niemand wird
bestreiten wollen, daß die Veränderung einer Grammatik durch Inkorporierung oder Aufgabe
von Regeln, bzw. durch Beschränkungen für die Anwendung von Regeln, zu außerordentlich
komplizierten strukturellen Verhältnissen führen kann. Das System natürlicher Sprachen ist
deshalb zu keiner Zeit ein ideales System, das man mit gutem Grund in künstlichen
WOLFGANG MOTSCH Sprachen anstrebt, sondern es ist durch redundante Züge und durch
Idiosynkratismen gekennzeichnet. Auf die Rolle idiosynkratischer Eigenschaften und auf
Wege zu einer formalen Behandlung des Begriffs der sprachlichen Ausnahme habe ich in
Kapitel 2 mehrfach hingewiesen. Zusammenfassend möchte ich sagen, daß die Analyse auf
attributiven Gebrauch beschränkter Adjektive auf der Basis einer Transformationsgrammatik
zu Ergebnissen führt, die die wichtigsten Behauptungen W. Winters nicht stützen. Sie
verdeutlicht eine Reihe von höchst verwickelten Zusammenhängen. Ein besserer Weg, der
sowohl die empirischen Sachverhalte klärt, als auch den Exaktheitsforderungen, die wir an
eine moderne Sprachtheorie stellen müssen, genügt, ist sicherlich denkbar, er muß aber erst
gezeigt werden. l 1966 Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin Arbeitstelle
StrukturelleGrammatik Otto-Nuschke-Strasse 22-23 108 Berlin DDR

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