„Die Volatilität an den Märkten bleibt hoch.“ hatte ich im letzten Newsletter
geschrieben. Nichts hat sich daran geändert. Nach einer aufwärts laufenden
Börse im Juli haben wir im August wieder die umgekehrte Richtung
eingeschlagen und so wie der September loslegt scheint es erneut eine
Trendwende zu geben. Seit einigen Monaten befinden wir uns in einer
Seitwärtsbewegung, die im S&P500 nach unten durch die Marke von 1010
und nach oben durch die Marke von 1130 begrenzt wird.
Aber auch kurzfristig ist die Korrelation zwischen allen Aktien in den
vergangenen drei Jahren signifikant gestiegen, wie der in Abbildung 2 zu
sehende Chart zur Korrelation aller Aktien innerhalb des S&P500 aufzeigt.
Normalerweise sieht man hohe Korrelationen zwischen Aktien insbesondere
in Paniksituationen, in denen Investoren ohne Unterschied alle Aktien
verkaufen. Das war z. B. im Oktober/November 2008 der Fall, als die Börsen
eine große Abwärtsbewegung verzeichneten. Dass wir zuletzt in einer relativ
„normalen“ Marktphase erneut so hohe Korrelationen sehen, ist dagegen
eher ungewöhnlich.
Als dritter Grund wird die in den letzten fünf Jahren gesehene massive
Ausbreitung von sogenannten HFT-Algorithmen (High Frequency Trading)
angesehen. Die letzten Zahlen deuten darauf hin, dass diese Algorithmen
mittlerweile rund 73% des US-Börsenhandels ausmachen (Quelle: Aite Group
Survey). HFT-Algorithmen haben sich aus dem Versuch entwickelt, durch
Ausnutzung von Geschwindigkeitsvorteilen im Millisekundenbereich Gewinne
zu ziehen. Aktien werden dabei oft nur für Millisekunden oder wenige
Sekunden gehalten bevor sie wieder verkauft werden. Haltezeiten im
Stundenbereich sind schon die Ausnahme.
Dabei hat sich gezeigt, dass diese HFT-Algorithmen genau dann keine
Liquidität anbieten wenn diese am meisten gebraucht wird (in starken
Börsenbewegungen), sondern möglicherweise sogar die extreme
Börsenbewegung ursächlich mit ausgelöst haben. Viele Marktteilnehmer
sprechen sich mittlerweile dafür aus, zumindest die extremsten Auswüchse
der HFT-Algorithmen zu verbieten, wie z. B. das Flash-Trading oder das
Verändern von Bid- und Ask-Preisen mit einer Geschwindigkeit von mehreren
tausend Mal pro Sekunde! Auch könnte man Mindesthaltezeiten für
Positionen von z. B. einer (!) Sekunde einführen um das Extremtrading
einzudämmen!
Die US-Börsenaufsicht SEC beschäftigt sich mit dem Thema. Da es aber
komplex und schwer durchschaubar ist und zudem viele der großen US-
Banken große Player im HFT-Geschäft sind und starken Lobbyismus
diesbezüglich betreiben, ist der Ausgang der SEC-Untersuchungen noch sehr
offen. Die extreme Pro-Banken-Haltung der jetzigen US-Regierung (Obama
hat hunderte von Millionen von Wahlspenden von den Großbanken erhalten)
könnte sinnvolle Änderungen auf diesem Gebiet blockieren.
Die Zielzeiträume und damit Haltedauern bei Aktien die unser Fonds kauft,
liegen dabei zwischen minimal vier Wochen und maximal drei Jahren. HFT-
Algorithmen dagegen handeln fast ausschließlich basierend auf
kurzfristigsten Informationen über Angebot und Nachfrage einer Aktie. Da
diese Informationen sehr schnell wechseln können, können HFT-Strategien
auch innerhalb von Millisekunden bei der gleichen Aktie vom Käufer zum
Verkäufer werden. Fundamentale Bewertungen von Unternehmen oder
langfristige Preistrends spielen für HFT-Strategien keine Rolle.
Parasiten
Eine wichtige Funktion von Börsen, wenn nicht sogar die wichtigste
überhaupt, ist es, faire Preise für ein Unternehmen zu finden. Faire Preise
ermöglichen es auf der einen Seite den Unternehmen über Anteilsverkäufe
Geld für ihre weitere Expansion zu besorgen. Sie garantieren auf der anderen
Seite, dass Anleger auch bereit sind, dieses Geld in den Kauf von Aktien zu
investieren, um sich über Dividenden und Kurssteigerungen am Erfolg der
Unternehmen zu beteiligen - eine legitime Erwartung für das eingegangene
Risiko.
Mir erscheint es nicht unlogisch, dass selbst der größte Zocker noch
irgendeinen kleinen Beitrag zur Findung eines fairen Preises für eine Aktie
leistet, da er seine Entscheidungen zum Kaufen oder Verkaufen auf
Informationen über das Unternehmen basiert. Die HFT-Strategien sind für
mich dagegen die erste Gruppe von Marktteilnehmern, die keinen Beitrag zur
Findung eines fairen Preises leisten. Es sind genaugenommen parasitäre
Algorithmen, die sich durch Geschwindigkeitsvorteile an anderen
Marktteilnehmern zu bereichern suchen.
In den vergangenen Wochen und Monaten haben wir so häufig wie nie zuvor
Tage gesehen, in denen eine übergroße Mehrheit aller Aktien (>90%)
gleichzeitig gestiegen oder gefallen sind. Historisch sind diese sog. 90%-
Tage eher selten. Sie treten meist in der Nähe von längerfristigen Börsentiefs
auf, wenn das Pendel zwischen Angst und Gier sehr schnell und intensiv hin-
und her schwingt und sich Verkaufs- und Kaufpaniken abwechseln.
In der aktuellen Situation ist das nicht der Fall. Meines Erachtens haben
diese Signale ihre Aussagekraft verloren, weil die HFT-Algorithmen durch
ihre Dominanz an den Börsen diese starken Trendtage künstlich
verursachen. Genauso tragen sie wahrscheinlich dazu bei, dass viele Aktien
sich länger und weiter als üblich von ihren fairen Preisniveaus entfernen.