Einleitung
"Menschen kommen zu Unternehmen, aber sie verlassen Führungskräfte" lautet ein gän-
giges Zitat, wenn es um die Auswirkungen von gutem oder schlechtem Führungsverhal-
ten auf die Zufriedenheit der Mitarbeiter geht.1 Auch die Gallup-Studie macht die Füh-
rungskräfte als einen zentralen Faktor aus, wenn es um Zufriedenheit, Einsatzfreude und
emotionale Bindung der Mitarbeiter geht.2 Die meisten großen und mittelständischen
Unternehmen reagieren darauf, indem sie Programme zur Führungskräfteentwicklung
auflegen mit weltweiten Gesamtkosten in Milliardenhöhe.3
Die vorliegende Arbeit will im Rahmen einer Fallstudie der Frage nachgehen, in wie
weit sich die Investition in Führungskräfteentwicklungsprogramme für Unternehmen
auszahlt und eine tatsächliche Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit bewirken kann:
Erhöht also ein höherer Schulungsgrad der Führungskräfte auch die Zufriedenheit ihrer
Mitarbeiter? Die hierzu verwendeten empirischen Daten von 2016 stammen aus einer
mittelständisch geprägten Tochtergesellschaft eines globalen Elektronikkonzerns - die
Informationen zum internen Führungskräfteentwicklungsprogramm 'People Manage-
ment' wurden von der Personalentwicklungsabteilung zur Verfügung gestellt, die Zahlen
zur Mitarbeiterzufriedenheit resultieren aus der von einem externen Dienstleister jähr-
lich durchgeführten Mitarbeiterbefragung.
4 Vgl. beispielsweise Wien, A./Franzke, N. (2013), S.13f, Becker, M. (2002), S.18, Ciupka, D. (1991),
S.154 und weitere.
5 Vgl. Heuel, G. (2004), S.286.
6 Vgl. Gleich, M. (2010), S.81.
7 Vgl. Han, X. (2005), S.20 sowie Heuel, G. (2004), S.286.
2
umfasst alle Aktivitäten, die der Vermittlung und Förderung von Fach-, Sozial- und Ma-
nagementkompetenz sowie von Wissen, Können und Verhalten von Vorgesetzten die-
nen.8 Der Fokus liegt auf den erforderlichen Persönlichkeitseigenschaften und Fertigkei-
ten sowie Handlungspotenzialen, mit denen eine Führungsperson zur Bewältigung ihrer
jeweiligen Aufgaben ausgestattet sein soll.9 Konkret sollen die analytischen und sozialen
Fähigkeiten verbessert sowie Delegationsfähigkeit, Durchsetzungsfähigkeit und inter-
kulturelle Kompetenz gefördert werden,10 zentrale Inhalte sind das Führen von Mitarbei-
tergesprächen, die Beurteilung von Mitarbeitern sowie Fragen der Arbeitsorganisation.11
Ziel ist dabei, die Handlungskompetenz durch eine verbesserte Führungs- und
Kommunikationskultur, und damit eine Steigerung der Motivation und eine Erhöhung
der Arbeitszufriedenheit im Verantwortungsbereich, zu gewährleisten.12
Die genaue Abstimmung der Führungskräfteentwicklung auf die organisationale und in-
dividuelle Situation ist dabei von besonderer Bedeutung, somit bildet eine Bedarfsanaly-
se im Unternehmen die Voraussetzung für eine erfolgreiche Personalentwicklung.13 Die
Unternehmensleitung bestätigt die Maßnahmen und Ziele der systematischen Personal-
entwicklung auf Grundlage der Unternehmensstrategie, bekennt sich zu einer kontinu-
ierlichen Entwicklung und stellt die notwendigen Ressourcen zur Verfügung.14
8 Vgl. Han, X. (2005), S.20 und S.73 sowie Erten-Buch, C. et al. (2004), S.20.
9 Vgl. Staehle, W.H. (1999), S.884; Armutat, S. (2007), S.31.
10 Vgl. Gleich, M. (2010), S.89.
11 Vgl. Felfe, J. (2012), S.109f.
12 Vgl. Wien, A./Franzke, N. (2013), S.67.
13 Vgl. Wien, A./Franzke, N. (2013), S.18 sowie Griffin, N. (2003), S.113ff.
14 Vgl. Wien, A./Franzke, N. (2013), S.31 - zum Teil gibt die Unternehmensleitung direkt Ziele vor, wie
in Kapitel 3.2 genauer ausgeführt.
15 Vgl. Thal, A. (2014), S.33; Vordank, T./Klabes, K. (2007), S.10.
16 Vgl. Winter, S. (2005), S.9.
17 Vgl. Bruggemann, A. (1974) sowie Neuberger, O./Allerbeck, M. (1976).
18 Vgl. Meffert, H./Schwetje, T. (1999) sowie Krause, A./Dunckel, H. (2003).
3
Beim Begriff Arbeitszufriedenheit wird der Schwerpunkt bei der Arbeitstätigkeit und
den Bedingungen der Arbeit gesehen im Sinne einer arbeitspsychologischen oder sozio-
logischen Betrachtung.19 Mitarbeiterzufriedenheit greift bei der Messung der Zufrieden-
heit des Mitarbeiters im Vergleich zu anderen Personenkreisen, beispielsweise des Kun-
den,20 oder bei betriebswirtschaftlicher Untersuchung der Zufriedenheit des konkreten
Mitarbeiterkreises in einem Unternehmen.21 Aufgrund des firmenspezifischen Fokus die-
ser Untersuchung wird der Begriff Mitarbeiterzufriedenheit verwendet. Eine ausführli-
che Zusammenstellung von Definitionen bietet Kinschel.22 Ein Unterschied von Arbeits-
zufriedenheit zu Arbeitsmotivation besteht nach Weinert darin, dass sich Arbeitsmotiva-
tion mit der Stärke und Intensität der Verhaltensausprägungen beschäftigt; Arbeitszu-
friedenheit hingegen fokussiert die Empfindungen gegenüber Arbeit.23
Aus einem schwedischen Werk eines Convenience Food-Produzenten liegt eine Studie
vor zu den Auswirkungen eines umfangreichen Führungskräftetrainingsprogramms auf
Kommunikation und Motivation der Mitarbeiter.35 Die Auswertung erfolgte hier auf Ba-
sis von Selbstbeurteilungen der Führungskräfte, Veränderung von produktionsspezifi-
schen Kennzahlen wie etwa Fehlerhäufigkeit und Verbesserungsvorschläge der Mitar-
beiter, sowie von Fragebögen aus den Teams. Das recht intensive, lösungsorientierte
Trainingsprogramm umfasste drei zweitägige Blöcke von Führungstrainings, die jeweils
von Coaching-Sitzungen zwischen den Modulen begleitet wurden, und erstreckte sich
über einen Gesamtzeitraum von etwa drei bis sechs Monaten. Hier wurden nach Selbst-
einschätzung bereits innerhalb weniger Wochen Verbesserungen im Kommunikationsab-
lauf und der Stimmung im Team sowie in der Ermutigung der Mitarbeiter zur Teilhabe
an Entscheidungen erzielt, auch die Feedback-Häufigkeit wurde deutlich erhöht. Dies
33 Exemplarisch genannt werden soll hier als besonders einflussreich Malik, F. (2000), seither mehrere
überarbeitete Auflagen; Finckler, P. (2017) als Beispiel zur derzeit vieldiskutierten Transformationalen
Führung; sowie etliche praxisorientierte Ratgeber für Führungskräfte, wie Von der Linde, B./Von der
Heyde, A. (2003) oder Haberleitner, E./Deistler, E./Ungvari, R. (2009) und für Personalentwickler, wie
Felfe, J./Franke, F. (2014) oder Müller-Schoppen,E./Reek, B. (2014).
34 Vgl. Mertel, B. (2006).
35 Vgl. Hoffmann, K./Luissem, P. (2009).
7
spiegelte sich ebenfalls in den Produktionskennzahlen, wenn auch aufgrund der zu allge-
meinen Formulierung der Fragebögen an die Mitarbeiter keine Verbesserung der Moti-
vation messbar wurde.36
Auf eine professionelle, alle zwei Jahre durchgeführte Mitarbeiterbefragung konnte sich
Jörger in seiner Untersuchung zur Führungskräfteentwicklung und Motivation in einer
Schweizer Tochtergesellschaft eines global operierenden Konzerns aus dem Bereich Ge-
sundheit und Ernährung stützen.37 Hier zeigten sich auch vier Jahre nach dem Start eines
verpflichtenden Führungskräfteentwicklungsprogramms noch keine signifikanten Ver-
besserungen der Mitarbeiterzufriedenheit in den Befragungen. Eine separate Erhebung
ergab, dass zum einen die Führungskräfte zu stark in das operative Geschäft einge-
bunden waren und zu wenig Zeit für die eigentlichen Führungsaufgaben hatten; weitere
Empfehlungen waren die Einführung einer Vorgesetztenbeurteilung, ein stärkerer Fokus
auf Gleichbehandlung der Mitarbeiter und Konfliktmanagement, sowie mehr Führungs-
kräftecoaching-Angebote als Auftrag an HR.
36 Die Fragen "Wie beurteilen Sie die Motivation Ihrer Teammitglieder?" und "Wie beurteilen Sie die
allgemeine Zufriedenheit der MitarbeiterInnen innerhalb des Unternehmens?" stellen keine direkte,
valide Messung der tatsächlichen Zufriedenheit der Mitarbeiter dar; eine leichte Verschlechterung der
erhobenen Werte kann daher vernachlässigt werden. Siehe Hoffmann, K./Luissem, P. (2009), S.110ff.
37 Vgl. Jörger, T. (2012).
38 Vgl. Gleich, M. (2011).
39 Vgl. Gleich, M. (2011), S.238.
40 Vgl. Gleich, M. (2011), S.250ff.
41 Vgl. Gleich, M. (2011), S.299f.
42 Vgl. Gleich, M. (2011), S.313ff.
8
aufgrund einer sehr kleinen Stichprobe43 eher einen Einblick als einen Überblick dar-
stellt und die Authentizität der Selbstauskünfte der befragten Personalleiter nicht über-
prüft werden können.
43 150 verschickte Fragebögen mit einer Rücklaufquote von 20% innerhalb von fünf Wochen, vgl.
Gleich, M. (2011), S.181ff.
44 Vgl. Interview mit Kellerman, B., in: Harvard Business Manager 03/2015, S.92-96, hier S.94.
45 Vgl. Beer, M./Finnström, M./Schrader, D., in: Harvard Business Review 10/2016, S.50-57.
9
3. Empirischer Teil - Rahmenbedingungen
Im Folgenden werden kurz das Unternehmen und die zugrundeliegenden Mitarbeiterbe-
fragungen vorgestellt sowie Inhalt und theoretische Grundlage des Führungskräfteent-
wicklungsprogramms People Management skizziert.
Auf den ersten Blick lässt sich eine freundliche Tendenz erkennen, auch wenn die Basis-
46 Die Themen in dieser Dimension lauten: "overall trust and confidence in Senior Management",
"[Konzern] Group for being open and honest in communication with its employees" sowie "Top
Management's actions and behaviour consistent with company values".
47 Aus Gründen des Datenschutzes werden die Ergebnisse als Anhaltswerte wiedergegeben.
11
werte nach wie vor nicht besonders hoch sind. Die Ergebnisse der EOS 2015 waren es
auch, die besonderen Handlungsbedarf ausdrückten: von Seiten des Top-Management
wurde beschlossen, das bereits bestehende People Management-Programm zur Füh-
rungskräfteentwicklung für alle Führungskräfte verbindlich zu machen und mit Nach-
druck zu betreiben. Hier handelt es sich also um ein Beispiel, in dem der Personalent-
wicklungsbedarf nicht individuell im Rahmen des Mitarbeiterjahresgesprächs von jedem
einzelnen Vorgesetzten festgestellt worden ist,48 sondern als strategische Entscheidung
der Geschäftsführung aufgrund des Befundes der Mitarbeiterbefragung bestimmt wurde.
200
PM I+II abgeschlossen
100 % Erfassungsgrad PM I+II
50
0
bis November 2016
bis Dezember 2015 bis April 2017
Die inhaltliche Konzeption beruht auf der theoretischen Grundlage der Persönlichkeits-
System-Interaktionen (PSI) nach Kuhl und dem daraus abgeleiteten Handlungssteue-
rungsmodell.52 Dabei wird eine interaktionistische Perspektive gewählt, die sowohl si-
tuative Einflüsse als auch Persönlichkeitseigenschaften als Determinanten menschlichen
Verhaltens berücksichtigt.53 Ausgangspunkt sind die unterschiedlichen Erkenntnisfunk-
tionen der Psyche: analytisches Denken, ganzheitliches Fühlen, an konkrete Wahrneh-
mungen gebundenes Empfinden und Intuieren. Diese werden um handlungstheoretisch
wichtige Systeme ergänzt, namentlich das Intentions- und Extensionsgedächtnis, das
Objekterkennungssystem sowie die Intuitive Verhaltenssteuerung; zudem fließen Er-
kenntnisse aus den Kognitions- und Neurowissenschaften ein.54 Um in der Praxis besser
51 Vgl. hierzu auch das Experteninterview mit dem Leiter Personalentwicklung von XY Consultants im
Anhang.
52 Kuhl, J. (2001) und Kuhl, J. et al. (2010).
53 Kuhl, J. et al. (2010), S.25.
54 Kuhl, J. et al. (2010), S.29.
13
mit den verschiedenen Erkenntnissystemen arbeiten zu können, können die einzelnen
Entitäten übersetzt werden in bestimmte Funktionen; dabei entspricht das Intentionsge-
dächtnis dem 'Logiker', dessen Aufgabe die Handlungsplanung ist, das Extensionsge-
dächtnis wird als 'Geschäftsführer' bezeichnet, der für die Zielbildung zuständig ist, das
Objekterkennungssystem ist der 'Controller' für die Ergebniskontrolle, und die Intuitive
Verhaltenssteuerung ist der für die Handlungsausführung verantwortliche 'Macher'.
55 http://pawlik.de/wp-content/uploads/2016/04/141030_Buch_Handlungssteuerungsmodell_web.pdf,
abgerufen am 10.06.2017.
56 Kuhl, J. et al. (2010), S.51.
57 In der Abbildung 6 dargestellt durch +, -, (+) und (-). Die Abfolge der einzelnen Affekte und
Handlungsbeeinflussung erfolgt zwischen den Instanzen in Form der hell dargestellten Acht (8).
14
Die People Management-Seminare setzen zum einen bei der Selbstreflexion der Teilneh-
mer und der Erhöhung der Selbststeuerungskompetenzen an: wer über gut ausgeprägte
Selbststeuerungskompetenzen verfügt, ist in der Lage, die kognitive und emotionale Er-
streaktion und seine Affekte angepasst an die Situation zu regulieren,58 und kann als
Führungskraft auch in Stresssituationen eher neutrales Feedback geben. Zum anderen
gibt das Wissen um verschiedene Persönlichkeitstypen den Führungskräften die Mög-
lichkeit, individueller und spezifischer auf ihre Mitarbeiter einzugehen und bei auftre-
tenden Schwierigkeiten im Job als Coach für ihre Untergebenen fungieren zu können.
Im Anhang finden sich die Kurzbeschreibungen der beiden People Management-Modu-
le, wie sie auch den Teilnehmern zugänglich gemacht werden.
Veränderung Zufriedenheitswerte
gesamt AI
70
65
Zufriedenheit in Prozent
3 Veränderung
60 2016
55
50 5 5 Ergebnis
EOS 2015
45
40
35
30
Frage 30 Frage 17 Frage 31
16
Veränderung Zufriedenheitswerte 2015 - 2016
nach Divisions
OEM Sales
Battery BD
FSE
Industrial Sales
Tier 1
HR & GA
Finance
Corp. Plann.
Infotainment
AI gesamt
-10 -5 0 5 10 15 20 25 30 35 40
Frage 30 Frage 17 Frage 31
17
80
Zufriedenheit vs. Schulungsgrad nach Divisions
1
2
Zufrie de nheit in %
70 3
4
60 5
6
50 7
8
40 9
1
0
30
20 30 40 50 60 70 80 90
Schulungsgrad in %
Abbildung 9: Streudiagramm Schulungsgrad und Zufriedenheit, eigene Darstellung
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
x = Schulungsgrad 44,1 38,9 57,1 53,8 28,5 77,7 70,2 71,4 34,6 32
y = Zufriedenheitswert 57,6 50,7 76,3 54,3 47,3 56,6 59,6 36,3 58 57,3
Die hier verwendeten Zufriedenheitswerte sind die Mittelwerte aus den Ergebnissen der
drei genauer betrachteten Fragen. Dabei weichen die Werte für den Datensatz 3 und den
Datensatz 8 von den anderen ab und liegen außerhalb der validen Punktewolke. Für die
Korrelationsberechnung bietet es sich an, die Korrelation sowohl für alle Werte als auch
ausreißerbereinigt zu ermitteln. Hier ergibt sich eine Korrelation von r = .002 bzw. r = .
47, was bereits eine stabile mittlere Korrelation darstellt: als erster Eindruck darf ein Zu-
sammenhang zwischen dem Schulungsgrad der Führungskräfte in einem Bereich und
der Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter angenommen werden. Bei der Betrachtung der Er-
gebnisse einzelner Fragen treten ausreißerbereinigte Korrelationen von r = .27 für Frage
Nr. 30 (clear and regular feedback), r = .30 für Frage 17 (decisions after consulting with
the team) und als deutlichster Indikator r = .57 für Frage 31 (superior as coach) auf.
4.4 Diskussion der möglichen Gründe für statistische Ausreißer
Welche Faktoren die abweichenden (Ausreißer-)Ergebnisse beeinflussen, kann hier nicht
abschließend beantwortet werden; als erster Anhaltspunkt kann im Fall von Datensatz 3
der Umstand dienen, dass es sich um eine kleine Division mit insgesamt sieben Füh-
rungskräften handelt, von denen vier Personen beide Module des People Management-
Programms bereits vor 2015 durchlaufen haben. Da in kleineren Einheiten das interne
Klima von einzelnen Persönlichkeiten stärker beeinflusst werden kann, scheint hier die
nötige kritische Masse geringer zu sein; möglicherweise hilft auch der Umstand, dass
18
für einen Kulturwandel innerhalb des Bereichs schon mehr Zeit zur Verfügung stand als
in anderen Einheiten. Zum Thema der für einen Kulturwandel nötigen kritischen Masse
merkte der Leiter der Personalentwicklung von XY Consultants im Experteninterview
an, dass sich nicht genau beziffern lässt, wie viel Prozent hier benötigt werden. Es
kommt vielmehr darauf an, ob beispielsweise der Division Head den Kulturwandel be-
günstigt, oder wie viel Einfluss die bereits geschulten Führungskräfte haben.60
Im Falle des Ausreißers nach unten (mit hohem Schulungsgrad, aber dennoch gering
ausgeprägter Zufriedenheit: Datensatz 8,) kann angemerkt werden, dass die Aufgaben-
schwerpunkte in dieser Organisationseinheit im Vertrieb einerseits und bei Kundendienst
und Wartung vor Ort andererseits liegen, d.h. viele Mitarbeiter einen erhöhten Reisean-
teil haben und somit die Möglichkeiten zur Interaktion zwischen Mitarbeitern und Füh-
rungskräften geringer sind. Speziell bei Frage 17 - partizipative Führung - hat diese Di-
vision absolut gesehen den niedrigsten Ausgangswert von allen Bereichen und ist fir-
menintern für einen eher straffen Führungsstil bekannt. Im Experteninterview mit XY
Consultants wird darauf hingewiesen, dass der Umgang mit 'Führungsschlechtleistung'
ausschlaggebend dafür ist, ob innerhalb einer Organisationseinheit ein Wandel der Füh-
rungskultur einsetzt.61
60 Vgl. Experteninterview mit dem Leiter der Personalentwicklung bei XY Consultants, Anhang, S.32.
61 Vgl. Experteninterview mit dem Leiter der Personalentwicklung bei XY Consultants, Anhang, S.32.
62 Vgl. Experteninterview mit dem Leiter der Personalentwicklung bei XY Consultants, Anhang, S.31.
19
des Mitarbeiters an seine Aufgaben und seine Führungskraft zu gewinnen,63 scheint hier
noch nicht zu greifen. Frage 31 hingegen zeigt mit einer stabilen statistischen Korrelati-
on zwischen dem Schulungsgrad der Führungskräfte und der Zufriedenheit ihrer Mitar-
beiter mit dem Einsatz der Vorgesetzten als Coach und Unterstützer eine gute Wirksam-
keit des zweiten Moduls des People Management-Programms. Die Frage nach der Ein-
bindung der Mitarbeiter in den Entscheidungsprozess (Frage 17) hat den höchsten Aus-
gangswert an Zustimmung,64 lässt aber auch eine mittlere statistische Korrelation mit
dem Schulungsgrad der Führungskräfte erkennen. Die Wirkung der Führungskräfteent-
wicklungsmaßnahmen ist vermutlich auch hier durch eine Organisationskultur begrenzt,
in der keine Fehler gemacht werden oder Schwächen offen zugegeben werden dürfen.65
Wie kann nun der positive Trend verstärkt werden? Ein naheliegender Schritt ist zu-
nächst, das erfolgreiche Programm zu verlängern, um den Schulungsgrad der Führungs-
kräfte innerhalb der Organisation in allen Bereichen und Abteilungen auf 75 - 80% zu
steigern. Dieser Grad der Erfassung im Sinne einer kritischen Masse steigert die Wahr-
scheinlichkeit für einen Kulturwandel hin zu einer eher partizipativen, wertschätzenden
und motivierenden Führung. Zudem bieten sich Abwandlungen der People Manage-
ment-Seminare für bestimmte Zielgruppen an, so etwa ein 'Refresher'-Seminar für dieje-
nigen Führungskräfte, deren Teilnahme mehr als ein Jahr zurückliegt, ggf. in leicht ab-
gewandeltem Format auch als interne kollegiale Beratung mit geringerem Zeit- und
Kostenaufwand. Im Experteninterview wird weiterhin die Vorbild- und Katalysatorfunk-
tion des Top Management herausgestellt und eine stärkere Thematisierung von Füh-
rungsthemen von Seiten der Division Heads gegenüber den nachgeordneten Führungs-
kräften empfohlen.68 Zur Unterstützung im Alltag sind Coaching-Angebote unumgäng-
lich; ein Durchbruch hin zu hohen Zufriedenheitswerten und einer positiven Lern- und
Führungskultur benötigt vermutlich weitergehende Maßnahmen zur Entwicklung der
Organisationskultur.
Literaturverzeichnis
Beer, M./Finnström, M./Schrader, D. (2016): Why leadership training fails - and what to
do about it, in: Harvard Business Review, 10/2016, S. 50-57
67 Vgl. hierzu auch das Experteninterview zum Aufbau der Maßnahme, Anhang, S.32.
68 Vgl. Experteninterview, Anhang, S.32.
22
Bruggemann, A. (1974): Zur Unterscheidung verschiedener Formen von
Arbeitszufriedenheit, in: Arbeit und Leistung, 28, S. 281 – 284
Sprenger, R. (2008): Wer schlecht führt, fliegt, in: Manager Magazin 09/2008, online
unter http://www.manager-magazin.de/magazin/artikel/a-567992.html, abgerufen am
21.05.2017
Thal, A. (2014): Welche Grundwerte muss ein Unternehmen vorweisen, um unter dem
Aspekt des Fachkräftemangels Mitarbeiterzufriedenheit herstellen zu können?, Berlin
25
Tödtmann, C. (2017): Führungskräfte sind die wahren Produktivitätskiller, in:
Wirtschaftswoche vom 22.03.2017, online unter
http://www.wiwo.de/erfolg/beruf/gallup-studie-fuehrungskraefte-sind-der-wahre-
produktivitaetskiller/19552634.html, abgerufen am 11.06.2017
Von der Linde, B./Von der Heyde, A. (2003): Psychologie für Führungskräfte, München
Wegge, J./Neuhaus, L. (2002): Emotionen bei der Büroarbeit am PC: Ein Test der
‚affective events‘-Theorie, in: Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie,
4, S. 173 – 184
26
27
Anhangsverzeichnis
28
“People Management – Part 1” – Team Leader
How to support employees to reach their targets and grow business
“Management is everything. Everything is management” – this statement
expresses the importance of the role as a leader. The relationship between an
employee and his or her superior is crucial for sustained success based on high
identification, genuine commitment and the ability to perform in a motivation
conserving manner. This is true for individual contributors as well as for leaders.
On our path towards unified strength and significant market impact we therefore want to
lay focus on management skills and competencies. The goal is to expand and develop
our capability to work as managers and to provide an environment in which top
performance is possible.
Objectives:
Regular and clear communication between superior and employee is essential –
especially a common understanding and agreement regarding expectations on
both parties. This training introduces an approved way of leading appraisal
interviews, gaining commitment and reaching targets as an important part of the
overall management-role. You will reflect the core assignment as a leader, learn
which tools to use, how to guide this interview, which structure seems
reasonable, how you deal with uncomfortable questions and how you prepare
for this conversation. In addition you will learn how to support the employee in
reaching targets and growing capabilities.
The goal of this seminar is to give you the suitable tools and to increase your
influence to reach your own goals by getting best support of your team
members reaching their goals. Using group work, discussions, presentations
und practical application you will understand and experience the power of
“Management by Objectives”.
Content:
The heart of management
The three dimensions of performance and how to influence them
Why people come to work
Creating a supportive atmosphere
Gaining commitment
Leadership tools - opportunities in daily business
Management by objectives: Who profits?
Holistic approach to objective negotiation
Tools and procedures at AI
SMART objectives and win-win-situations
How to prepare and conduct appraisal interviews
Handling critical and uncomfortable questions
29
“People Management 2” - Team Leader
How to support employees to help them developing their skills and
competencies to achieve targets and to grow business
Objectives:
One of the most relevant job assignments of a superior is to allow all team-
members to reach their targets. Apart from target negotiation, relationship
building and appraisal interview, one of the most effective roles of the superior
to engage in is to be a coach. By this the superior supports not only the
operational tasks and target reaching but at the same time prepares his
employees for future tasks and challenges. This workshop builds up on the
foundation of the seminar “People Management” and introduces an approved
way of coaching staff-members and developing their skills and competencies.
You will learn which attitude to maintain and which tools and structure to use
and how to guide growths.
The goal of this workshop is not only to give you the suitable tools to coach your
employees but to give you the opportunity to learn about yourself. Using group
work, discussions, presentations und practical application you will understand
and experience the power of “Competency Growths”.
Content:
The difference between KNOWING and PRACTICING
How to describe results
The relationship between competency and behavior
The map is not the territory
How to reach lasting change
The adequate attitude and mindset for coaching
How to understand others at its best
The GROW-Model for coaching
Feedback in coaching
Coaching in practice
The use of personal development plans
Coaching and the situational leadership model
How to create a learning- and development-environment
30
Experteninterview
mit dem
Leiter Personalentwicklung bei XY Consultants,
per E-Mail am 09.06.2017, 17:24 Uhr
1. Wie standardisiert ist das People Management-Programm in der Form, wie es bei AI
läuft, bzw. wie stark ist es auf AI zugeschnitten?
PM1:
Ursprünglich war das Seminar mal nur „Appraisal-Interview“. Für AI zusammengestellt. Da
haben wir gemerkt, dass man nicht nur Zielvereinbarung bearbeiten kann, wenn man den
Rahmen nicht verstanden hat
Als Grundgerüst für PM1 sehr vergleichbar mit anderen Projekten. Es gibt ein Set von
Trainingssequenzen namens „Fundamente zeitgemäßer Führung“, die normalerweise 3 Tage
befüllen
Von diesem Grundgerüst haben wir ein paar Sachen weggelassen und uns auf das konzentriert,
was wichtig ist, um Zielvereinbarung sauber zu machen
Weitere Anpassungen auf AI:
o Beispiele aus dem AI-Alltag
o Eine kurze Sequenz durch den Leiter der AI-internen Personalentwicklung
trainiert (1 x durch mich): Tools und Abläufe bei AI. Hier ging es um den
Prozess und die Formulare für die Zielvereinbarung und um das Bonussystem
Diese Sequenz wurde fest in das Training integriert und quasi vor- und
nachbereitet
o Die Kernaussagen wurden etwas vorsichtiger gefasst, um den unterschiedlichen
Kulturen Rechnung zu tragen
PM2:
Zwar in dieser Form für AI zusammengestellt, aber im Grund keinerlei substanziellen
Anpassungen an AI außer:
o Beispiele aus dem AI-Alltag als Übungsfälle
Potenzialanalyse und Coachings
Die waren – wie man es nimmt – quasi komplett auf AI zugeschnitten, weil sie ja auf den
jeweiligen Coachee zugeschnitten waren, der wiederum seine Alltagsgeschichten bearbeitet
hat
31
b. MACHEN (die Selbststeuerungsfähigkeit: Wie steuere ich mein Verhalten? Wie
nutze ich den Teil meines Gehirns, den ich nutzen will und sollte?): Das geht
meist länger. Es müssen sich wirklich neue neuronale Verknüpfungen bilden,
die – wie ein Trampelpfad – oft genug genutzt werden müssen, damit sie eine
Verhaltensänderung ausmachen. Ich würde schätzen, hier sind wir eher bei 6-12
Monaten, bis das sitzt
2
c. MACHEN (Mentale Ausstattung: Glaubenssätze, Handlungsenergie und
Blockaden): Hier geht es am Schnellsten. Denn wenn man etwas anders sieht
oder anders denkt, kann es zu einer sofortigen Verhaltensänderung kommen.
2
PM1 ist „WISSEN“ mit ein wenig „MACHEN “. PM2 ist etwas „WISSEN“ und ein
2
wenig „MACHEN “, aber vor allem „MACHEN“
Meiner Meinung nach tut sich AI schwer mit „MACHEN“. Die meisten
Teilnehmer sind eher sachlich orientiert und betrachten sich und die Welt eher
technisch. Eine Lust, sich auszuprobieren und etwas über sich selbst zu lernen, habe
ich in dem Sinne nicht groß gespürt. Es wurde eher als „Technik-Seminar“
genommen.
b) „Lernkultur“ der Firma.
In den Seminaren empfehlen wir: „Wenn sie zurückkommen vom Seminar, dann sagen sie,
was sie gelernt haben und was sie nun anders sehen und was sie neu ausprobieren wollen“.
In Firmen und Kulturen, in denen man „keine Fehler machen darf“, wird das nicht gemacht.
In Firmen, die eine hohe Lernbereitschaft haben, geht es wirklich schnell. Einige
Führungskräfte reagieren schon am Tag nach dem Training anders und lernen „offensiv“.
Dann bemerkten die Mitarbeiter sofort etwas
Meiner Meinung nach ist die Lernkultur nur sehr vereinzelt sehr hoch und in der
Masse eher niedrig. Kaum jemand hat ein herzliches Verhältnis mit seinen
Mitarbeitern und kann und würde offen auch über eigene Schwächen sprechen.
c) Der Erwartungshaltung.
Wenn Führungshandeln („Wie läuft es mit Deinen Mitarbeitern?“) Bestandteil der
regelmäßigen Gespräche zwischen z.B. Department Head und Sektion Head wäre (und nicht
nur Kennzahlen), ginge die Entwicklung kollektiv schneller, als wenn es dem Einzelnen
überlassen ist, ob er nun eine „gute“ Führungskraft sein will oder nicht.
Hier sehe ich an sich bei AI mit die größte Lücke und auch den größten Hebel. Es
gab m.W. kaum DHs, die ihre SHs auf das Training vorbereitet haben,
Rückkehrgespräche geführt haben oder sonst für ihren Bereich ein neues
Führungshandeln vorgegeben haben.
Es gibt eine sehr gute Möglichkeit, das sichtbar zu machen: Eines der Tools mit
Namen „One-on-One“ ist so designed, dass man mit jedem Direct pro Woche eine
halbe Stunde spricht (ich habe Ihnen das mal angehängt). Es ist das wirkungsvollste
Führungstool, das ich kenne und das sagen wir den Teilnehmern auch so. So gut wie
keiner hat es gemacht.
Andererseits hat der Aufbau der Maßnahme (erst DHs, dann SHs, dann TL –
verpflichtend für alle) eine ähnliche Wirkung erzielt. Allerdings eher als einmaliger
Push.
Ich komme zum Schluss, dass die Voraussetzungen bei AI für eine sichtbare
Verhaltensentwicklung eher ungünstig waren. Die Struktur der Maßnahme müsste dennoch
sicher einen messbaren Effekt ergeben haben. Führungshandeln müsste jetzt auf einem anderen
Niveau sein, wird sich aber nicht mehr weiterentwickeln. Dazu müsste sich wirklich die Kultur
32
noch weiter ändern und es müssten weitere Maßnahmen vorgesehen werden.
3. Wie hoch sollte die "kritische Masse" in einer Organisation (-seinheit) sein, bis ein
Kulturwandel eintritt?
Tja, ich glaube, ein einziger DH, der es mit der Führung wirklich ernst meint, ist schon genug,
dass seine Organisationseinheit einen Kulturwandel erlebt.
Wenn es diese Figur so nicht gibt, braucht es schon eine Mehrheit aller handelnden
Führungskräfte, die sich in ihrem Handeln ähneln, um die Kultur zu wandeln. Ob es 40 %, 50 %
oder sogar 80 % sein müssen, hängt m.E. stark davon ab, wer wieviel Macht hat. Wenn sich die
Mächtigen drehen, braucht es nicht so viele, damit der Rest in den Sog gerissen wird.
Ein extrem kritischer Faktor ist, was mit Führungsschlechtleistung oder sogar unduldbarem
Verhalten passiert. Lässt man solche Führungskräfte gewähren, dann verhindert das den
Kulturwandel.
Es gibt tatsächlich eine Theorie, dass es oft gar nicht darum geht, das richtig zu tun, sondern
eher darum, das falsche zu lassen…
(In einem anderen Kontext haben ich mal gehört, dass 7 % auf Krawall gebürstet Mitarbeiter ein
Team schon substanziell schädigen…)
So, ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen. Wenn noch etwas fehlt, lassen Sie mich das gern
wissen. Auch am Wochenende.
______________________
[Name]
XY Consultants GmbH
[Anschrift]
[Telefon, Website, E-Mail]
Teilnehmer an Trainings:
33
Trained Employees
2500
FY 2016
2000
1546
1500
1000
500
0
FY 2016 FY 2015
Trainingstage gesamt:
Training days
2000 FY 2016
1500 1392,15
1000
500
0
FY 2016 FY 2015
2,5
FY 2016
2 1,64
1,5
0,5
0
FY 2016 vs. FY 2015
34
35
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Hiermit versichere ich, dass die vorliegende Arbeit von mir selbständig und ohne
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Version ist mit relevanten Ansprechpartnern der beteiligten Firmen abgestimmt worden,
es liegen keine datenschutzrechtlichen oder sonstige Geheimhaltungsbedenken vor.
Im Rahmen der geltenden Bestimmungen zum geistigen Eigentum darf diese Arbeit,
auch in Auszügen, nicht ohne mein Wissen und meine Genehmigung publiziert oder für
kommerzielle Zwecke verwendet werden. Alle Zitate sind entsprechend zu
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Valeska Szalla