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Rainer Niermeyer

Motivation
Bibliographische Information Der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbi


bliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über
http://dnb.ddb.de abrufbar.

ISBN 9783448078435 BestellNr. 001950002

2. Auflage 2007

© 2007, Rudolf Haufe Verlag GmbH & Co. KG


Niederlassung München
Redaktionsanschrift: Postfach, 82142 Planegg
Hausanschrift: Fraunhoferstraße 5, 82152 Planegg
Telefon: (089) 895 170
Telefax: (089) 895 17290
www.haufe.de
online@haufe.de
Lektorat: Ulrich Leinz

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen


Wiedergabe (einschließlich Mikrokopie) sowie die Auswertung durch Datenbanken,
vorbehalten.

Redaktion: Cordula Natusch, 22083 Hamburg


DesktopPublishing: Cordula Natusch, 22083 Hamburg
Umschlag: HERMANNKIENLE, 70199 Stuttgart
Druck: BoschDruck GmbH, 84030 Ergolding

Zur Herstellung dieses Buches wurde alterungsbeständiges Papier verwendet.


Motivation

Instrumente zur Führung und Verführung

Rainer Niermeyer

Haufe Mediengruppe
Freiburg · Berlin · München
Inhaltsverzeichnis

Schnelleinstieg – Was Ihnen dieses Buch bietet 7


Die 4 wichtigsten Kompetenzen, um sich und andere zu
motivieren
Überzeugungskraft 11
Zielorientierung 12
Kritik und Feedbackfähigkeit 14
Einfühlungsvermögen 17
1 Motivation verstehen 19
1.1 Lässt sich Motivation steigern? 20
1.2 Das Thema bestimmt die Motivation 25
1.3 Anspannung und Entspannung als Triebfedern 27
1.4 Die Säulen des Erfolgs 32
1.5 Der Nutzen der emotionalen Intelligenz 37
1.6 Was hat Motivation mit Zeit zu tun? 42
2 Wollen: Fördern Sie die Leistungsbereitschaft 47
2.1 Wissen, was man will 47
2.2 Was spornt einen Menschen an? 61
2.3 Machen Sie es Ihren Mitarbeiter leichter, motiviert zu sein 64
2.4 Bieten Sie herausfordernde Ziele 76
3 Können: Stellen Sie die Leistungsfähigkeit sicher 86
3.1 Welche Kompetenzen brauchen Sie? 86
3.2 Der Ausbau Ihrer Fähigkeiten 91
3.3 Balance im Leben 96
3.4 Die Führungskraft als Coach der Mitarbeiter 101
3.5 Fördern und fordern 106
4 Dürfen: Bestimmen Sie den Handlungsrahmen 114
4.1 Die Übernahme von Verantwortung 114
4.2 Handlungsspielraum und Gestaltungsfreiheit schaffen 130
4.3 Empowerment – Mitarbeiter zu Mitunternehmern machen 139
5 Toolbox der Motivation 144
5.1 Analysieren Sie Motivationsprobleme 145
5.2 Wie Vergütung und Motivation zusammenhängen 152

4
Inhaltsverzeichnis

5.3 Karriere – Bieten Sie Perspektiven 156


5.4 Retention – Mitarbeiter ans Unternehmen binden 162
5.5 Motivieren in Change Prozessen 170
Ausgewählte Literatur 177
Kopiervorlagen: Formulare und Arbeitsmittel 180
Hier finden Sie alle wichtigen Formulare und Arbeitsmittel als
Kopiervorlage. Vergrößern Sie einfach die Vorlagen von DIN A5
auf DIN A4!
Stichwortverzeichnis 192

Alle 24 Kienbaum Kompetenztests auf einen Blick


Test 1: Ermöglichen Sie Selbstmotivation? 24
Test 2: Wie hoch ist Ihre Motivation? 27
Test 3: Stimmen Wollen, Können, Dürfen? 35
Test 4: Wie emotional kompetent sind Sie? 42
Test 5: Kennen Sie Ihren Zeitbezug? 46
Test 6: Erstellen Sie Ihr Lebenskonzept 53
Test 7: Handlungsfelder und Rollen 55
Test 8: Rollen Werte Quercheck 59
Test 9: Was motiviert Sie persönlich? 63
Test 10: Wie zollen Sie Anerkennung? 72
Test 11: Wie ist Ihr Feedback Verhalten? 75
Test 12: Welche Zielqualitäten liegen vor? 79
Test 13: Zielvereinbarungen vorbereiten 85
Test 14: Vom Lebenskonzept zum Ziel 89
Test 15: Stand der Kompetenzen 90
Test 16: Leben nach dem Biorhythmus 99
Test 17: Entwicklungsplan erstellen 113
Test 18: Situationen positiv interpretieren 122
Test 19: Reflexion nach der ARA Formel 126
Test 20: Verändert sich Ihre Wahrnehmung? 127
Test 21: Sind Sie ein Positiv Denker? 130
Test 22: Können Sie delegieren? 136
Test 23: Wie ist Ihr Delegationsverhalten? 137
Test 24: Umgang mit Veränderungen 176

5
Schnelleinstieg – Was Ihnen dieses Buch
bietet

Motivation ist mit Sicherheit einer der Schlüsselbegriffe, wenn es um


den Erfolg oder Misserfolg von Unternehmen geht. Die Frage, wie
engagiert jeder einzelne oder alle Mitarbeiter gemeinsam ans Werk
gehen, ist angesichts hart umkämpfter Märkte oft der entscheidende
Faktor in der Wettbewerbsfähigkeit zwischen zwei Konkurrenten.
In diesem Buch stellen wir Ihnen eine ganze Reihe von Möglichkei-
ten vor, mit denen Sie die Motivation steigern können – Ihre eigene
ebenso wie die Ihrer Mitarbeiter.

Die vier wichtigsten Kompetenzen, um sich und andere


zu motivieren
Die Fähigkeit, sich selbst immer wieder zu Höchstleistungen anzu-
treiben oder andere zu mehr Engagement zu bewegen, kommt nicht
von ungefähr. Dahinter verbirgt sich eine Reihe Soft Skills, deren
wichtigsten das Einfühlungsvermögen, die Überzeugungskraft, die
Kritik- und Feedbackfähigkeit sowie die Zielorientierung sind. Wir
zeigen Ihnen, was sich genau hinter diesen vier Begriffen verbirgt.

1. Kapitel: Motivation verstehen


Wer die Leistungsbereitschaft steigern will, muss zunächst verstehen,
was genau den Menschen eigentlich antreibt. Lesen Sie in diesem
Kapitel, warum Motivation themenabhängig ist, auf welchen drei
Säulen sie ruht und warum sowohl Anspannung als auch Entspan-
nung wichtig sind, um eine gute Leistung abliefern zu können. Wei-
tere wichtige Faktoren stellen die emotionale Intelligenz und der
persönliche Zeitbezug dar. Als Einstieg in die folgenden Erläuterun-
gen bieten wir Ihnen an dieser Stelle einen Selbsttest an: Wie gut ist
Ihre Fähigkeit, Ihre Mitarbeiter zu motivieren, schon jetzt?

7
Schnelleinstieg – Was Ihnen dieses Buch bietet

Außerdem zeigen wir Ihnen, wie Sie mit einfachen Mitteln Ihre
emotionale Intelligenz schulen können.

2. Kapitel: Wollen – Wie sich Leistungsbereitschaft


fördern lässt
Das Wollen ist eine der drei Säulen, auf denen die Motivation be-
ruht. Dahinter verbirgt sich die grundsätzliche Leistungsbereitschaft
eines Menschen. Wenn es um die Selbstmotivation geht, ist die
Vision vom eigenen Leben eine starke Triebfeder. Aus ihr ergeben
sich die weiteren Schritte, das Erstellen eines Lebenskonzepts und
dessen Realisierung in verschiedenen Rollen. Das Wollen anderer zu
fördern ist ebenfalls möglich. Zwar ist zunächst jeder selbst dafür
verantwortlich, dass er den entsprechenden Willen zeigt und mit-
bringt. Die Aufgabe einer Führungskraft ist, dem Mitarbeiter dies so
einfach wie möglich zu machen: Indem der Mitarbeiter nicht als
Auftragsempfänger und -erfüller gesehen wird, sondern als Partner.
Oder indem ihm Anerkennung gezollt wird für das, was er leistet.
Beides erreichen Sie mit dem Instrument der Zielvereinbarung,
das wir Ihnen an dieser Stelle vorstellen.Verschiedene Kienbaum-
Kompetenztests helfen Ihnen dabei, Ihre eigenen Motivatoren zu
finden und die Motivation Ihrer Mitarbeiter zu fördern.

3. Kapitel: Können – Stellen Sie die Leistungsfähigkeit


sicher
Der zweite Baustein der Motivation ist die Leistungsfähigkeit. Ein
Mensch kann einen stark ausgeprägten Willen zeigen, aber wenn
ihm für eine Aufgabe die entsprechenden Fachkompetenzen fehlen,
wird er scheitern. Daher stellt sich die Frage, welche Fähigkeiten
nötig sind, um sich den Herausforderungen stellen, und wie diese
jeweils ausgebaut werden können. Als weiteren Punkt gilt es, eine
ausreichende Balance im Leben herzustellen – denn auch die kör-
perliche und mentale Leistungsfähigkeit beeinflusst die Motivation.
Als Führungskraft stehen Ihnen verschiedene Möglichkeiten zur
Verfügung, das Können der Mitarbeiter zu entwickeln. Hier ist der
Vorgesetzte in der Funktion des Coachs gefragt, der sein Team för-

8
Schnelleinstieg – Was Ihnen dieses Buch bietet

dert und fordert zugleich. Kernstück sind individuelle Entwick-


lungspläne, die jedem Mitarbeiter die Gelegenheit geben, sein
Potenzial auszuschöpfen. Wir haben für Sie Kompetenztests vorbe-
reitet, die Sie dabei unterstützen, Ihre eigenen Fähigkeiten und die
Ihrer Teammitglieder zu erkennen und auszubauen.

4. Kapitel: Dürfen – Bestimmen Sie den


Handlungsrahmen
Das Dürfen legt die Rahmenbedingungen fest, unter denen der ein-
zelne seine Leistungen erbringen soll.
Für die Selbstmotivation wird an dieser Stelle der Begriff der Selbst-
verantwortung zentral. Wir zeigen Ihnen, wieso jeder Mensch Ein-
fluss auf den Handlungsrahmen besitzt, in dem er sich bewegt
– auch wenn dies auf den ersten Blick nicht so wirkt. Es ist möglich,
sich selbst zu beeinflussen und damit auf Umwegen auch die Um-
welt. Die FIRM-Methode, der PIN-Code und die ARA-Formel, die
wir Ihnen vorstellen, helfen Ihnen dabei.
Als Führungskraft besitzen Sie im Bereich Dürfen die meisten Ein-
flussmöglichkeiten auf die Motivation Ihrer Mitarbeiter. Immerhin
geben im täglichen Umgang Sie die Entscheidungsbefugnisse weiter,
Sie übertragen Aufgaben und Verantwortung. Damit wiederum
ermöglichen Sie Selbstverantwortung und Wachstum. Dabei ist aber
zwischen Delegation und Scheindelegation zu unterscheiden, damit
der Mitarbeiter tatsächlich die Verantwortung erhält und nicht nur
zum ausführenden Glied wird. Den größten Freiraum geben Unter-
nehmen ihren Mitarbeitern dann, wenn sie das Empowerment ein-
führen, also aus den Mitarbeitern Mitunternehmer machen. Lesen
Sie, was sich genau hinter dem Schlagwort verbirgt, welche Schritte
zur Umsetzung notwendig sind und welche Fallen dabei lauern. Mit
den Kienbaum-Kompetenztests aus diesem Kapitel können Sie z. B.
Ihr Delegationsverhalten testen oder herausfinden, wie sich die An-
wendung der verschiedenen Selbstbeeinflussungsinstrumente auf Sie
auswirkt.

9
Schnelleinstieg – Was Ihnen dieses Buch bietet

5. Kapitel: Toolbox der Motivation


Neben den Führungsinstrumenten, die bis zu diesem Kapitel im
Mittelpunkt standen, gibt es noch einige strukturelle Mittel, mit
denen Unternehmen die Motivation ihrer Mitarbeiter erheblich
steigern können. Dahinter verbergen sich oft tief greifende Verände-
rungen. Damit diese auch zielgerichtet erfolgen können und nicht
an den Kernproblemen vorbei gehandelt wird, gilt es, eventuell vor-
handene Motivationsprobleme zu analysieren. Dafür stellen wir
Ihnen verschiedene Methoden vor – von der Mitarbeiterbefragung
bis zum Workshop. Anschließend geht es um die Instrumente, die
Unternehmen zur Verfügung stehen – und dabei ist die Vergütung
naturgemäß ein wichtiges Thema. Welche stehen neben dem Fixge-
halt noch zur Verfügung?
Gerade für Berufseinsteiger ist aber neben der Vergütung die Per-
spektive auf eine beruflich erfolgreiche Laufbahn ein wichtiger
Motivator. Moderne Unternehmen sollten daher Karrieremodelle
bieten, die der heutigen Arbeitswelt angepasst sind. Welche Voraus-
setzungen damit verbunden sind, lesen Sie ab Seite 156.
Retention-Programme dienen dann dazu, Mitarbeiter und ihr wert-
volles Know-how im Unternehmen zu halten. Dieser Punkt ist ange-
sichts des Fachkräftemangels in vielen Unternehmen schon längst
zur Überlebensfrage geworden. Welche Mittel gibt es, Mitarbeiter zu
binden und von einem Wechsel zur Konkurrenz abzuhalten?
Als letzten Punkt sprechen wir die Motivation in einer besonders
heiklen Situation an: während Change-Prozessen. Diese sind häufig
mit vielen Befürchtungen verbunden, unter denen die Leistungs-
fähigkeit leidet. Wie Sie Ihre Mitarbeiter im Veränderungsprozess
mitnehmen, Ihnen Ängste nehmen und auf welche Gruppen Sie
dabei besonders achten müssen, lesen Sie in diesem Abschnitt. Ein
Kompetenztest zu Ihrer eigenen Einstellung zu Veränderungen run-
det dieses Kapitel ab.

10
Die vier wichtigsten Kompetenzen, um
sich und andere zu motivieren

Eine Führungskraft hat die Aufgabe, einzelne Mitarbeiter oder ein


gesamtes Team zu motivieren und zur bestmöglichen Leistung zu
führen. Gleichzeitig ist sie bestrebt, die gestellten Anforderungen
optimal zu erfüllen, leistungsfähig zu sein und zu bleiben – also sich
selbst anzutreiben. Damit ist das Thema Motivation sowohl für die
Führungskraft als auch für den Mitarbeiter enorm wichtig.
Hinter den Fähigkeiten, motivierend zu führen und sich motiviert Mitarbeiter
führen zu lassen, steht eine Anzahl von Kompetenzen. Die vier motivation ist
Führungsauf
wichtigsten sind hier: Überzeugungskraft, Zielorientierung, Kritik-
gabe
und Feedbackfähigkeit sowie Einfühlungsvermögen. Sie gehören zu
den Soft Skills, den sogenannten „weichen Fähigkeiten“, die beim
einen Menschen stärker, beim nächsten dagegen schwächer ausge-
prägt sein können. Ihnen gemeinsam ist aber, dass sie trainierbar
und veränderlich sind; sie besitzen also eine Gestaltungskomponen-
te. Jeder kann sie im Rahmen seiner persönlichen Weiterentwick-
lung quantitativ und qualitativ ausbauen. Voraussetzung dafür ist
allerdings, dass der Betreffende dies auch selbst wünscht.

1. Überzeugungskraft
Überzeugungskraft meint die Fähigkeit, Dritte in ihrem Denken und Überzeugen,
Handeln durch gezielte Argumente zu beeinflussen, ohne Druck ohne Druck
auszuüben
auszuüben. Ziel ist, ein echtes Commitment bei unterschiedlichen
Parteien zu erreichen. Menschen mit einer hohen Überzeugungs-
kraft argumentieren gekonnt, verständlich und einsichtig. Es gelingt
ihnen, andere von der Richtigkeit ihres Standpunkts oder ihrer An-
sicht zu überzeugen.
Wichtig ist dabei, in Debatten ruhig zu bleiben, auch wenn womög-
lich die Emotionen hochkochen. Anderenfalls kann der Redner seine
eigene Argumentation nicht strukturiert und überzeugend vortra-

11
Die vier wichtigsten Kompetenzen, um sich und andere zu motivieren

gen. Das ist aber Voraussetzung, um Einigkeit zu erzielen. Ebenso ist


auch richtiges Zuhören (s. Seite 17) nur mit Abstand und kühlem
Kopf möglich, die Argumente des Gegenübers tatsächlich wahrzu-
nehmen, darauf einzugehen und sie argumentativ zu entkräften.

Kienbaum Expertentipp: Überzeugungskraft in einer Gruppe


Standfestigkeit, Selbstbewusstsein und auch ein Gespür für Menschen
sind wichtige Merkmale von Menschen mit hoher Überzeugungskraft.
Gerade in einer Gruppe ist es leicht, sich zu verstecken. Als Vorgesetzter
müssen Sie in der Lage sein, unterschiedliche Personen wahrzunehmen
und festzustellen, ob sie tatsächlich hinter Ihrer Meinung stehen oder
sie möglicherweise keine Lust oder keinen Mut haben, Ihnen zu wider
sprechen, und deshalb zustimmen.

Überzeugungskraft zeigt sich in folgenden Faktoren


Merkmale der • Anderen Argumenten begegnet ein Mensch mit viel Überzeu-
Überzeugungs gungskraft mit rhetorischem Geschick.
kraft
• Er federt Einwände emotional ab.
• Er verfügt über ein hohes Maß an Schlagfertigkeit.
• In der Diskussion stellt er die Gemeinsamkeiten und den ge-
meinsamen Nutzen heraus.
• Er kooperiert mit seinen Gesprächspartnern.
• Seine eigenen Argumente präsentiert er glaubhaft und authen-
tisch.
• Er ist einfühlsam.
• Er besitzt die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel.
Auch wenn in der Debatte Widerstände und Ablehnung auftreten,
gilt es, ein positives Gesprächsklima zu schaffen. Denn Ansichten,
die sich von den eigenen unterscheiden, können einen bedeutenden
Beitrag zur Lösung eines Problems darstellen.

2. Zielorientierung
„Wer nicht weiß, in welche Richtung er segeln will, für den ist kein
Wind der Richtige.“ Das erkannten griechische Philosophen bereits
400 Jahre vor Christus. Ziele sind Aussagen über erwünschte und

12
2. Zielorientierung

angestrebte Zustände und Ereignisse, die dem Verhalten eine Rich-


tung und Intensität geben. Zielorientierung meint nicht nur, Ziele
zu haben und so den konkreten Zustand definieren zu können,
sondern gibt auch die Richtung des eigenen Handelns in Hinblick
auf die Zielerreichung vor. So werden aus reinen Wunschvorstellun-
gen konkrete Ziele (s. Seite 80).
Die Bedeutung der Zielorientierung
Ohne eine klare Zielsetzung und -orientierung ist eine hohe Motiva- Ziele sind
tion nicht vorstellbar. Wie soll sich die eigene Leistungsbereitschaft Voraussetzung
für Motivation
einstellen, wenn nicht feststeht, wofür? Das persönliche Interesse an
der Aufgabenerfüllung spielt dabei eine große Rolle. Auch der
Schwierigkeitsgrad der Zielsetzung wirkt sich auf die Motivation
aus – beide stehen in einem Wechselverhältnis zueinander. Erreicht
eine Person ein besonders herausforderndes Ziel, ist auch der Grad
der Zufriedenheit sehr hoch. Damit steigt die Bereitschaft, auch
künftig den Anforderungen und herausfordernden Aufgaben der
Organisation zu genügen.
Diese Faktoren zeichnen zielorientierte Menschen aus
• Sie setzen sich Ziele, die gleichermaßen erreichbar und heraus-
fordernd sind.
• Sie formulieren für ihre Ziele Kriterien, anhand derer die Ziel-
erreichung messbar ist.
• Sie überprüfen den Zielerreichungsgrad regelmäßig.
• Sie beziehen das Feedback, das sie erhalten, in ihre Ziele ein.
• Sie reagieren schnell und konsequent, wenn deutlich wird, dass
eine große Abweichung zum Zielkorridor besteht.

Kienbaum Expertentipp: Zielorientiert agieren


Versuchen Sie, geeignete Strategien zu entwickeln, wie Sie ein Ziel am
besten, günstigsten oder schnellsten erreichen können, und gehen Sie
bei der Umsetzung strategiegeleitet vor. Kalkulieren Sie vor allem dieje
nigen Faktoren und Ereignissen ein, die in die geplanten Aktionen
– positiv oder negativ – hineinspielen können.

13
Die vier wichtigsten Kompetenzen, um sich und andere zu motivieren

3. Kritik und Feedbackfähigkeit


Wer Kritik übt oder Feedback gibt, teilt seinem Gegenüber mit,
welche Verhaltensweisen ihm am anderen aufgefallen sind und wie
er sie subjektiv wahrgenommen hat.
Feedback geben Die Kritik- und Feedbackfähigkeit besteht aus zwei Komponenten.
und nehmen Zum einem beschreibt sie das Vermögen, anderen Personen eine
Rückmeldung zu deren Verhalten so zu geben, dass diese sie als
konstruktiv und nicht verletzend aufnehmen können. Zum anderen
sind kritikfähige Menschen gleichzeitig in der Lage, Feedback zu
ihrem eigenen Verhalten vorbehaltlos anzunehmen, und sie sind
bereit, daraus zu lernen. Diese Kompetenz ist damit eine wesentliche
Voraussetzung für Lernen und persönlichen Fortschritt – wer sich
weiterentwickeln will, tut gut daran, aktiv bei Gesprächspartnern,
Kollegen und Vorgesetzten Feedback einzuholen.

Kienbaum Expertentipp: Feedback annehmen


Ob ein Feedback sinnvoll und konstruktiv ist, ist abhängig von einer of
fenen, konstruktiven und wertschätzenden Kommunikation zwischen
Sender und Empfänger. Dafür sind beide verantwortlich, nicht nur – wie
oft vermutet – allein der Kritisierende. Als Empfänger entscheiden Sie,
ob Sie die Kritik oder das Feedback annehmen wollen. Nur wenn Sie
bereit und willens sind, sich dahingehend zu kontrollieren und zu ver
ändern, können Sie ein Feedback adäquat aufnehmen.

Regeln für Feedbackgeber


Erfolgsregeln Natürlich ist die Art und Weise, wie der Feedbackgeber vorgeht, von
für Ihr Feedback entscheidender Bedeutung für den Wert seiner Rückmeldung für
den Kritisierten. Wer nur Negatives anführt und seine Beurteilung
„aus dem Bauch heraus“ abgibt, darf sich nicht wundern, wenn
seine Kritik als wenig konstruktiv und zielführend wahrgenommen
wird. Wer sich dagegen an einige Prinzipien hält, hat mit seinem
Feedback vermutlich mehr Erfolg.
• Transparenz:
Für die Akzeptanz des Feedbacks ist es wichtig, dass der
Feedbackgeber seine Wahrnehmung so wiedergibt, dass der
Empfänger erkennt, welche Verhaltensweisen zu welchem Er-

14
3. Kritik und Feedbackfähigkeit

gebnis führen. D. h., Wahrnehmung und Beschreibung müssen


für ihn transparent sein.
• Offenheit:
Der Sender muss offen und ehrlich äußern, was er subjektiv
wahrgenommen hat. Dann ist es dem Feedbacknehmer möglich,
diese Anregungen Gewinn bringend einzusetzen.
• Konkretheit:
Das Feedback sollte sich immer auf konkrete, nachvollziehbare
Situationen beziehen.
• Beschreiben von Verhalten statt von Eigenschaften:
Der Empfänger sollte durch ein Feedback nicht in eine Verteidi-
gungshaltung gezwungen werden – es darf daher keinen Angriff
darstellen. Sonst führen Kritik oder gar ein allgemeines Infrage-
stellen der Person dazu, dass der Feedbacknehmer sich rechtfer-
tigt und Ausflüchte findet. Die gewünschte Verhaltensänderung
stellt sich allerdings nicht ein.

Beispiel für ein verfehltes Feedback


„Niemand verlässt sich hier auf Dich, weil Du so unzuverlässig bist.
Du bist immer so unzuverlässig. Du hast wahrscheinlich Besseres
zu tun.“

Wer ein solch aggressives Feedback erteilt, erntet Unverständnis, Aggressives


Reaktanz und Widerstand. Besser ist es, zu beschreiben, welche Feedback
erzeugt Wider
Auswirkungen das beanstandete Verhalten hat (s. u.). So werden
stand
dem Kritisierten die Konsequenzen und Folgen deutlich und er
versteht, warum er anders vorgehen sollte.
• Wünsche und Informationen äußern statt Vorwürfe und Angriffe:
Der Feedbackgeber sollte erläutern, welches Verhalten er sich
von seinem Gegenüber wünscht, damit dieser mit seinem Ver-
halten nicht mehr negativ auffällt.
• Auswirkung des Verhaltens beschreiben:
Das ist besser, als über Folgen zu spekulieren oder den
Feedbacknehmer darüber im Unklaren zu belassen. Oft werden
diese ihm erst durch das direkte Benennen klar.

15
Die vier wichtigsten Kompetenzen, um sich und andere zu motivieren

Beispiel für ein gelungenes Feedback


„Wenn du nicht zur vereinbarten Zeit ankommst, können wir alle nicht
arbeiten – das stört uns. Wir würden uns wünschen, dass du in Zukunft
pünktlich bist, damit wir unsere knappe Zeit sinnvoll einsetzen können.“

Was der Feedbacknehmer beachten sollte


Regeln für Ebenso wie der Feedbackgeber muss sich auch der Feedbacknehmer
Feedback an einige Regeln halten, mit die Kritik auf fruchtbaren Boden fällt.
nehmer
• Aufmerksam zuhören:
Auch wenn es schwer fällt, Kritik anzunehmen, der
Feedbacknehmer muss die Informationen aufnehmen und für
sich auswerten.
• Nachfragen bei Schwierigkeiten oder möglichen Missverständnissen:
Hat er alle Kritikpunkte wirklich verstanden? Wer Feedback er-
hält, sollte gründlich nachfragen, damit keine Missverständnisse
auftreten.
• Keine Argumentation oder Verteidigung:
Die Versuchung, sofort auf die Kritikpunkt zu reagieren und sich
zu rechtfertigen, ist groß. Aber für den Feedbacknehmer ist es
wichtig, zu erfahren, wie seine Verhaltensweisen auf andere
Menschen wirken und welche Konsequenzen sie haben.

Merkmale der Feedback bzw. Kritikfähigkeit


Was kritikfähige • Der Feedbackgeber beschreibt seine Wahrnehmung als eigenes
Menschen Erleben, nicht als Tatsache.
ausmacht
• Er gibt zeitnah Feedback.
• Er nimmt keine Bewertung der Person als Ganzes vor.
• Das Feedback bezieht sich auf konkrete Situationen.
• Der Feedbackgeber wählt einen partnerschaftlichen Ton.
• Er unterlässt Verallgemeinerungen.
• Er wählt für seine Beschreibungen die Ich-Perspektive („Ich bin
der Ansicht, dass…“; „ich wünsche mir…“)
• Er versucht nicht, das Problem für den anderen zu lösen, son-
dern gibt ihm Anregungen für die Lösungssuche.

16
4. Einfühlungsvermögen

• Seine eigenen Aussagen reflektiert er, d. h., er hinterfragt sie


daraufhin, ob das Gesagte ihm selbst helfen würde, wenn er sich
selbst in einer solchen Situation befinden würde.
• Der Empfänger bedankt sich für die Rückmeldung.
Kritik oder Feedback stellen keine persönlichen Angriffe dar, son-
dern können dabei helfen, sich zu verbessern. Ob der Angesproche-
ne sein Verhalten tatsächlich ändert, liegt ausschließlich bei ihm
selbst. Darüber hinaus ist entscheidend, wie Feedbackgeber und
-nehmer zueinander stehen und welche subjektive Bedeutung Aus-
sage und Bewertung dadurch erhalten.

4. Einfühlungsvermögen
Als einfühlend werden Personen bezeichnet, die in der Lage sind, Andere richtig
andere Menschen richtig einzuschätzen und zu verstehen. Damit einschätzen
schaffen sie eine Basis für eine gelungene Kommunikation und für
den Erfolg in der heutigen Berufswelt. Denn nur wer das Verhalten
anderer nachvollziehen kann und darauf eine angemessene Reaktion
zeigt, wird in der Mitarbeiterführung, bei Kundengesprächen oder
in Kollegendiskussionen zu Lösungen kommen, die allen Ge-
sprächspartnern gerecht werden und damit nachhaltig wirken.

Kienbaum Expertentipp: Einfühlsam kommunizieren


Versuchen Sie, in Gesprächen Ihre eigenen persönlichen Wertungen
über Ihr Gegenüber außer Acht zu lassen und den anderen aus seinen
spezifischen Gefühlen und Bedürfnissen heraus zu verstehen. Machen
Sie sich bewusst, welche Maßstäbe, Stereotypen oder äußerliche
Merkmale Sie als Bewertungsgrundlage wählen, um auf die Persönlich
keit und die Motive Ihres Gesprächspartners zu schließen. Wenn Sie
diese Beurteilungsraster kennen, fällt es Ihnen leichter, Stereotypen zu
entkommen und ein unbefangenes Bild Ihres Gegenübers zu erhalten.

Das Einfühlungsvermögen lässt sich ausbauen, indem man das so- Aktives Zuhören
genannte aktive Zuhören übt. Dabei geht es darum, das Anliegen des führt zu mehr
Einfühlungs
Gegenübers so genau wie möglich zu verstehen. Im Idealfall über-
vermögen
prüft der Zuhörer durch Rückfragen, ob das, was er verstanden hat,
das gleiche ist, was sein Gesprächspartner sagen wollte. Erst wenn

17
Die vier wichtigsten Kompetenzen, um sich und andere zu motivieren

dieser Punkt eindeutig geklärt ist, bringt er selbst seine Argumente


in die Debatte ein. Auf diese Weise ist es einfühlsamen Menschen
möglich, ihr Gegenüber, seine Bedarfe sowie Bedürfnisse besser
einzuschätzen und die Kommunikationsstrategie darauf abzustellen.
Das Gesprächsklima verbessert sich insgesamt: Die Wertschätzung,
die so vermittelt wird, erhalten die Sender zurück.
Merkmale
einfühlsamer
Worin zeigt sich das Einfühlungsvermögen?
Personen • Eine einfühlsame Person ist fähig, die Perspektive ihres Ge-
sprächspartners einzunehmen und den Sachverhalt aus dessen
Augen zu betrachten.
• Sie hört aktiv zu und beobachtet die verbalen und nonverbalen
Signale.
• Sie zieht die richtigen Schlussfolgerungen aus den Äußerungen
und dem Verhalten des Gesprächspartners.
• Die Person ist in der Lage, sich sprachlich und im Verhalten auf
seinen Gesprächspartner einzustellen.
• Sie spricht Konflikte und Missverständnisse an.
• Ein einfühlsamer Mensch ist sich der Wirkung seiner eigenen
verbalen und nonverbalen Äußerungen bewusst.
• Er ist an verschiedenen Ansichten und Argumenten interessiert.

18
1 Motivation verstehen

„Was treibt uns an?“ Nur wenige Fragen beschäftigen Menschen


häufiger und intensiver als diese – und kaum eine polarisiert mehr.
Immerhin könnte eine Antwort dazu führen, dass menschliches
Verhalten prognostizierbar würde, dass voraussagbar würde, was der
andere tun wird. Damit entstünde Sicherheit für das soziale Umfeld
und es wäre möglich, unser eigenes Verhalten bewusst auf die Be-
dürfnisse des anderen hin auszurichten.
Je nach Blickwinkel scheint die Antwort auf Fragen wie die folgen- Fragen zur
den klar: Motivation
• Was setzt menschliches Handeln in Gang und wie kann man es
aufrecht erhalten?
• Warum sind einige Menschen stärker an Leistung und Erfolg
orientiert als andere?
• Und warum erreichen manche Erfolgsorientierte ihre Ziele und
andere nicht?
Für die Wirtschaft sind es Geld und Macht, die für den Antrieb des
Menschen sorgen, für die Religion Liebe sowie Anerkennung und
der dogmatische Psychoanalytiker kennt nur die Sexualität als letztes
Blickwinkel
Prinzip menschlichen Handelns. Gemeinsam ist diesen Annahmen
bestimmt die
ein gewisser Fatalismus, ein Ausgeliefertsein an „höhere“ Mächte. Antwort
Auch wenn diese Sichtweisen interessant erscheinen und an man-
cher Stelle durchaus berechtigt sind: Es ist wenig nutzbringend, sich
auf Aspekte zu konzentrieren, auf die der Mensch keinen direkten
Einfluss besitzt. Sinnvoller ist es, dem Menschen die Fähigkeit zuzu-
gestehen, sein Leben selbst vernunftorientiert zu formen. Daraus
entstehen Eigenverantwortlichkeit sowie Chancen und Freiräume
für die individuelle Lebensgestaltung.

19
1 Motivation verstehen

1.1 Lässt sich Motivation steigern?


Ist Motivation Menschen „motivieren“ zu wollen ist in den Augen einiger Autoren
Manipulation? Augenwischerei. Sie vertreten die Meinung, dass es hierbei um
nichts anderes als um Manipulation gehe, darum, eigene, meist
zweifelhafte Ziele zu erreichen. Solche Aussagen vernachlässigen
aber zwei hochrelevante Aspekte.
1. Jede Form menschlicher Kommunikation ist gleichzeitig eine
Form der Manipulation.
2. In Erweiterung der Feststellung Paul Watzlawicks, man könne
„nicht nicht kommunizieren”, lässt sich durchaus feststellen:
Man kann nicht nicht manipulieren.

Beispiel: Manipulation im Alltag


Der tägliche Manipulationsmarathon beginnt bereits mit dem morgend
lichen Besuch beim Bäcker, der uns, gesteuert von unserem „unlaute
ren“ Anliegen, fünf Brötchen überreicht. Und er endet erst am Abend,
wenn der Taxifahrer uns zu einem Hotel fährt, das er aus freien Stücken
niemals angesteuert hätte.
Und mehr noch: Auch wir selbst werden manipuliert, weil wir genötigt
sind, auf beide Handlungen hin Geld herauszugeben.

Ethisch verwerfliche Demagogie ist natürlich abzulehnen. Aber


Motivation geht
von Führungs ebenso fragwürdig sind Konzepte, die Vorgesetzte generell diskredi-
kräften und tieren, wenn diese sich bemühen, ihre Mitarbeiter zu bestimmten
Mitarbeitern Handlungen zu bewegen. Auch Arbeitnehmer werden durch solche
aus Konzepte abgewertet. Sie sind keine passive Masse, die es zu steuern
gilt. Motivierte Menschen verfügen über die kognitive Kompetenz
und die Fähigkeit, mit ihrem Umfeld bewusst und gesteuert zu
kommunizieren, ihre eigenen Wünsche zu erkennen und jene ande-
rer Personen zu respektieren.

Motiviert sein und motiviert werden


Je stärker die sogenannten „soft factors“ in der Unternehmensfüh-
rung und bei den Mitarbeiterbeurteilungen berücksichtigt werden,
desto häufiger wird auch über das Thema „Motivation“ gesprochen.
Die Frage, wie motiviert die Mitarbeiter sind, sich für Erfolge des

20
Lässt sich Motivation steigern? 1
Unternehmens verantwortlich zu fühlen, sich persönlich einzusetzen
und sich mit ihren Aufgaben zu identifizieren, wird für das Unter-
nehmen zum erfolgsentscheidenden Moment. Der Ausbildungs-
stand auf dem Arbeitsmarkt ist hoch, Arbeitnehmer unterscheiden
sich immer weniger durch ihre fachliche Qualifikation. Damit
gewinnen ihre persönlichen Merkmale für die Personalverantwort-
lichen an Gewicht: Kreativität, Flexibilität, Verantwortungs-
bewusstsein und eben Motivation sind die Grundlagen für den indi-
viduellen Einsatz des Einzelnen, seinen beruflichen Erfolg und seine
Identifikation mit den Unternehmenszielen.
Zwei Komponenten der Motivation
Wenn von Motivation die Rede ist, ist es wichtig, zu klären, worüber Innere und
genau gesprochen wird. Denn grundsätzlich lassen sich zwei Kom- äußere Moti
vation
ponenten unterscheiden: Die innere Motivation ist für Einflüsse
durch andere nur wenig zugänglich, aber jeder einzelne kann sie
durch Klarheit, Fokussierung und Entschiedenheit individuell für
sich erhöhen. Der von außen kommende Motivator dagegen baut
eine fruchtbare Umgebung auf und trägt so dazu bei, dass Ziele
erreicht werden.
Umsetzung in die Praxis
Soll die Motivation steigen, müssen in der betrieblichen Praxis dem- Wie kann sie in
nach drei wichtige Fragen beantwortet werden: der Praxis
erreicht werden
1. Welchen Quellen entspringt die Motivation des einzelnen Indi-
viduums und welchen Einflussgrößen unterliegt sie?
2. Welche Möglichkeiten bestehen für eine Führungskraft, ihre
Mitarbeiter motivierend zu führen? Und daraus folgend: Welche
Verantwortung hat sie im Motivationsprozess und welche nicht?
3. Welche Rahmenbedingungen sollte das Unternehmen bieten,
damit sich die Motivation des Einzelnen innerhalb der Organisa-
tion entfalten kann?

Motivation als komplexer Prozess


In der jüngeren Vergangenheit gab es zahllose Versuche, mithilfe
verschiedener Anreize die Motivation der Mitarbeiter zu steigern.

21
1 Motivation verstehen

Die Ideen reichten von Stock Options über Massagen am Arbeits-


platz bis hin zur Stellung von Haushaltshilfen für Führungskräfte.
Dahinter steckt die Theorie, dass die Motivation eine Eigenschaft sei,
die bei den unterschiedlichen Menschen mal mehr, mal weniger
stark ausgeprägt ist. Als solche wäre sie im Prinzip kaum veränder-
bar, ganz im Sinne eines „Entweder jemand ist motiviert oder er ist
es eben nicht!“. Demnach wäre das äußere Verhalten mittels ver-
schiedener Anreize steuerbar, während der Mensch als solcher je-
doch als unveränderbar gilt. Motivation ist jedoch komplexer zu
sehen.
Der Wert eines Ziels
Ziele haben Motivation ist abhängig vom Anreizwert eines Handlungsziels.
einen Anreiz Dieser Wert differiert von Person zu Person erheblich: In derselben
wert
Situation werden verschiedene Menschen unterschiedliche Anreize
wahrnehmen und entsprechend unterschiedliche Handlungsziele
verfolgen. Oft handelt es sich um ein ganzes Antriebsgefüge, das sich
aus mehreren qualitativ unterschiedlichen Faktoren zusammensetzt.
Ein Mitarbeiter, der eine Aufgabe hartnäckig verfolgt, kann dabei
verschiedene Wünsche verwirklichen wollen, z. B.:
• Er will am Ende ein hochwertiges Produkt in den Händen
halten.
• Er möchte in der Abteilung als Spezialist für dieses Aufgaben-
gebiet wahrgenommen werden.
• Durch den hohen Einsatz fällt der Bonus für die Erledigung von
„Sonderaufgaben“ besonders hoch aus.
• Er möchte in das Team als solches eingebunden sein, weil darin
freundschaftliche Beziehungen zu anderen existieren.
• Er baut darauf, in unsicheren Zeiten durch seine Leistungen
seinen Arbeitsplatz im Unternehmen zu sichern.

Was vom Handeln abhalten kann


Hindernisse im Gleichzeitig existieren jedoch auch immer Gründe gegen ein be-
Handlungspro stimmtes Verhalten. Durch sie lässt die Attraktivität eines Hand-
zess
lungsziels nach. Mögliche „Hindernisse“ im Handlungsprozess kön-
nen dabei z. B. sein:

22
Lässt sich Motivation steigern? 1
• Die aktuelle Befindlichkeit (z. B. Müdigkeit, Hunger) des Mit-
arbeiters spricht gegen eine hohe Leistungsbereitschaft.
• Seine individuellen Interessen sind anders gelagert.
• Er hat schon einmal mit einer ähnlichen Aufgabe eine frustrie-
rende Erfahrung gemacht.
• Seine Beziehungen zu Mitarbeitern und Kollegen, die eng mit
derselben Aufgabe zu tun haben, sind gestört.

Persönliche Handlungsbilanz entscheidet letztlich


Ob – und mit welchem Engagement – die Person dann tatsächlich Wie eine Hand
die anstehende Aufgabe angeht, hängt von der „Anreizbilanz“ ab; lungsbilanz
entsteht
das ist sozusagen die Summe der positiven und negativen Folgen,
die aus einer Handlung entstehen.

positive Konsequenzen

negative Konsequenzen

Summe der positiven und negative Konsequenzen

Handlungsprozess

Energiefreisetzung im Handlungsprozess

Beispiel: Entstehen einer Anreizbilanz


Ein Manager belegt ein Seminar. Da dieses am Wochenende stattfindet,
bindet es ihn terminlich stark ein und er verliert Zeit, die er eigentlich
mit seiner Familie verbringen wollte. Diese Punkte sprechen gegen die
Fortbildung. Gleichzeitig glaubt er aber, dass sich die Veranstaltung
nachhaltig positiv auf seine berufliche Karriere auswirken wird. Dieser
Anreiz ist so stark, dass der Manager ausreichend Motivation daraus
schöpft und sich zur Teilnahme anmeldet. Je klarer ihm dieses Ergebnis
der Abwägung vor Augen steht, desto entschiedener und begeisterter
wird er das Seminar besuchen.

23
1 Motivation verstehen

Einflussfaktoren der Motivation


Punkte, die die Motivation ist also keine menschliche Eigenschaft im engeren Sinne,
Motivation vielmehr handelt es sich um das Ergebnis eines Prozesses. Dieser
beeinflussen
Motivationsprozess wird durch unterschiedliche Einflussfaktoren
bestimmt:
• die allgemeine und spezifische Motivation einer Person,
• ihre aktuellen Bedürfnisse,
• das eigene Wollen, Können und Dürfen sowie die Frage der
wahrgenommenen Selbstwirksamkeit,
• ihre emotionale Intelligenz
• und ihre psychologische Zeitperspektive.

Kienbaum Expertentipp: Motivationsfaktoren verstehen


Alle diese Faktoren zusammen wirken als „Katalysatoren“ im mensch
lichen Handlungsprozess. Wenn Sie Ihr eigenes Verhalten verstehen und
erfolgsorientiert optimieren wollen, müssen Sie zunächst all diese Fa
cetten verstehen und bewusst beeinflussen können.

Kienbaum Kompetenztest: Ermöglichen Sie Selbstmotivation?


Bevor wir Ihnen im Folgenden zahlreiche Mittel vorstellen, mit denen
Sie die Leistungsbereitschaft Ihrer Mitarbeiter steigern können, machen
Sie zunächst einen Selbsttest. Ermöglichen Sie es Ihren Mitarbeitern,
motiviert zu sein und Höchstleistungen zu bringen?

nie=0, selten=1, meistens=2, immer=3


meistens
immer
selten
nie

Geben Sie den Leistungen Ihrer Mitarbeiter einen an


gemessenen Wert?
Halten Sie die Waage zwischen Anerkennung und
Kritik?
Geben Sie nicht nur Gas, bremsen Sie auch rechtzeitig?

24
Das Thema bestimmt die Motivation 1
Verzichten Sie auf Druckmittel, um Leistungen zu er
zielen?
Fordern Sie Ihre Mitarbeiter mit anspruchsvollen, aber
realistischen Zielen heraus?
Räumen Sie Ihren Mitarbeitern Freiräume ein, die sie
eigenverantwortlich gestalten können?
Gewähren Sie auch Schutz?

Stehen Sie zu Ihren Aussagen?

Behandeln Sie persönliche Angelegenheiten Ihrer


Mitarbeiter strikt vertraulich?
Informieren Sie Ihre Mitarbeiter zeitnah über wichtige
Entscheidungen?

Zählen Sie Ihre Punkte zusammen und vergleichen Sie Ihr Ergebnis:
Bis 10 Punkte: Sie können Ihre Motivationskünste noch deutlich
verbessern. In den folgenden Kapiteln lesen Sie, welches Verhalten den
Mitarbeiter zu mehr Leistung reizt – und was ihn davon abhält.
11 bis 20 Punkte: Sie wissen, dass Motivation mehr ausmacht als nur
ein paar lobende Worte. Wir zeigen Ihnen zahlreiche Möglichkeiten, die
Leistungsbereitschaft zu steigern.
über 20 Punkte: Sie wissen schon gut, wie Sie Ihre Mitarbeiter moti
vieren können. Über die Feinheiten und die hohe Kunst der Motivation,
wie z. B. durch Empowerment oder während ChangeProzessen, finden
Sie im Folgenden vertiefende Informationen.

1.2 Das Thema bestimmt die Motivation


Unbestritten ist, dass in allen Menschen eine gewisse Kraft, eine Menschen
generelle Willensstärke existiert. Dieser Wunsch nach Entfaltung, lassen sich von
unterschied
nach der Möglichkeit, etwas zu gestalten, lodert in jedem, auch
lichen Dingen
wenn er unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Allerdings ist diese
motivieren
Kraft nicht immer gleich erkenn- und sichtbar, niemand wirkt in
allen Situationen oder vor jeder Herausforderung gleich motiviert
und engagiert.

25
1 Motivation verstehen

Allgemeine und spezifische Motivation


Um zu verstehen, warum eine Person mal mit mehr Elan an eine
Aufgabe herangeht, mal mit weniger, muss zwischen allgemeiner
und spezifischer Motivation unterschieden werden.
Die allgemeine Motivation
Der generelle Unter der allgemeinen Motivation versteht man den generellen
Wunsch, etwas Wunsch, etwas zu gestalten, zu erreichen und zu bewirken. Diese
zu bewegen
Kraft ist – wenn auch unterschiedlich stark ausgeprägt – grundsätz-
lich in jedem Menschen vorhanden. Sie lässt den einen mit der In-
tensität einer Kerze, den anderen mit der Energie des Bunsenbren-
ners brennen.
Die spezifische Motivation
Welches Thema Die spezifische Motivation zielt dagegen auf ein besonderes Thema.
reizt die Per Sie drückt sich darin aus, mit welchem Einsatz eine Person eine
son?
bestimmte Situation zu bewältigen versucht, und sie ist der Grund
dafür, dass das Engagement für ein bestimmtes Ziel entsteht. Die
Frage ist daher nicht, ob Motivation bei einem Menschen vorhan-
den ist, sondern in welchem Maße sie welches Thema besetzt, wel-
chen Gegenstand sie sich sucht. Entscheidend sind dabei die indivi-
duellen Motive und die subjektive Bedeutung, die das Ziel für den
Menschen hat. Sie bestimmen Ausdauer und Energieeinsatz bei der
Zielverfolgung.
Beispiel: Allgemeine und spezifische Motivation
Ein Mitarbeiter leistet Dienst nach Vorschrift und tut alles, um keine
Fehler zu machen – aber darüber hinaus trägt er wenig zum Unterneh
menserfolg bei. Derselbe Mensch blüht nach 17:00 Uhr im Kleingärt
nerverein auf, sitzt bis spät am Abend in Vereinsbesprechungen und
redet sich den Kopf heiß.

Verhältnis zwischen allgemeiner und spezifischer


Motivation
Die allgemeine Motivation lässt sich nicht exakt erfassen. Was aber
beobachtet werden kann, ist die unterschiedlich stark ausgeprägte

26
Anspannung und Entspannung als Triebfedern 1
spezifische Motivation in verschiedenen Situationen. Aus diesen
Beobachtungen heraus ist eine Abschätzung möglich, wie groß die
allgemeine Motivation angelegt ist. Dabei gilt: Sie ist mindestens so
groß wie in der Situation, in der die höchste spezifische Motivation
beobachtet wurde.
Beispiel: Bewertung der Motivation
Im vorherigen Beispiel würde die Führungskraft ohne Kenntnis der Frei
zeitaktivität davon ausgehen, dass der Mitarbeiter eher gering motiviert
ist. Die Vereinsmitglieder dagegen würden ihrem Vereinskameraden
eine sehr hohe allgemeine Motivation unterstellen, sofern sie nichts von
der Arbeitssituation wüssten.

Wie gesagt: Jeder Mensch trägt grundsätzlich den Wunsch in sich, Jeder ist grund
etwas zu schaffen, zu leisten, zu gestalten. Dieser Wille, diese Ener- sätzlich moti
viert – die Frage
gie, ist unterschiedlich stark – in vielen Fällen jedoch höher als man
ist, wofür
annimmt. Wer die Stärke dieser Energie sehen will, muss das Thema
finden, das die Person individuell für sich besetzt.

Kienbaum Kompetenztest: Wie hoch ist Ihre Motivation?


Fragen Sie sich selbst, in welchen Bereichen Ihre spezifische Motivation
am höchsten ausgeprägt ist. Wofür brennen Sie am meisten? Woran
erkennen Sie das? Wie stark ist diese Motivation im Vergleich zu ande
ren Menschen in Ihrem Umfeld ausgeprägt?

1.3 Anspannung und Entspannung als


Triebfedern
Auch wenn feststeht, welches Thema einen Menschen im besonde- Ursprung der
ren Maße motiviert, ist damit noch nicht geklärt, woher die Energie, Energie
die er aufbringt, selbst stammt.
Der Ursprung der Kraft, die den Motor erst ins Rollen bringt, liegt
in der Wechselwirkung zwischen zwei grundlegenden menschlichen
Bedürfnissen: der Anspannung und der Entspannung. Zwischen
diesen Polen bewegen sich Menschen täglich im Verlauf ihres Le-
bens. Entspannung ohne Anspannung ist tödlich langweilig, An-
spannung ohne Entspannung schadet der Gesundheit.

27
1 Motivation verstehen

Beispiel: Entspannung und Anspannung


Ein Manager berichtet: „Es ist für mich einfach wunderbar, wenn ich
nach einem harten Tag voller Power am Abend in der Sauna sitze und
ich spüre, wie diese wohlige Müdigkeit meinen Kopf und meinen Körper
erfüllt. Ich brauche beides – den Tag im Job, der mich voll fordert, und
danach die Entspannung. Dieses Auf und Ab der Energie. Das eine wäre
ohne das andere nicht möglich. Die Entspannung wirkt erst dadurch,
dass ich tagsüber alles gebe. Und alles zu geben bin ich nur in der Lage,
weil ich mich auch entspannen kann.“

Individuelles Menschen suchen also nach einem für sie angemessenen Verhältnis
Verhältnis muss zwischen Anspannung und Entspannung und sie füllen diese abs-
angemessen
trakten Begriffe mit unterschiedlichen Inhalten. Für den einen be-
sein
deutet Entspannung körperliche Bewegung im Freien, für den ande-
ren stellt dies eine echte Anstrengung dar und er sehnt sich nach
einem gemütlichen und entspannenden Abend auf dem Sofa.

Maslowsche Bedürfnispyramide zeigt Mechanismus


Allerdings sind Menschen keine „Reaktionsmaschinen“, die zu-
nächst ein bestimmtes Bedürfnis entwickeln und nach dessen Be-
friedigung in den Stand-by-Zustand zurückfallen. Vielmehr herrscht
in ihnen der Wunsch vor, sich zu entwickeln und zu entfalten. Sie
wollen einerseits genießen und andererseits wachsen können.
Bedürfnisse bilden eine Hierarchie
Zur Erläuterung, welche Mechanismen sich hinter dem Wechselspiel
von Entspannung und Anspannung abspielen, eignet sich die Be-
dürfnispyramide des US-amerikanischen Psychologen Abraham
Maslow. In ihr werden die menschlichen Bedürfnisse, die hierar-
chisch aufeinander aufbauen, in einem Stufenmodell dargestellt.

28
Anspannung und Entspannung als Triebfedern 1
Selbstverwirklichung
Bedürfnis nach der Verwirklichung von bedeutsamen
Zielen, Nutzung des eigenen Potenzials

Anerkennung
Bedürfnis nach
Anerkennung durch andere,
soziale Achtung

Bindung
Bedürfnis nach Zugehörigkeit,
Verbindung mit anderen,
zu lieben und geliebt zu werden

Sicherheit
Bedürfnis nach Sicherheit,
Behaglichkeit, Ruhe, Freiheit von Angst

Biologische Bedürfnisse
Bedürfnis nach Essen, Trinken, Schlaf, Sexualität, Entspannung

Abbildung: Die Bedürfnispyramide von Maslow

Unterscheiden Sie zwischen Mängel und Wachstumsbedürfnissen


Erst die Befriedigung eines Levels – so die Grundannahme Befriedigung
Maslows – lässt das Entstehen von Bedürfnissen der nächsthöheren eines Levels
ermöglicht
Stufe zu. Maslow unterscheidet zwei Gruppen:
Bedürfnis des
• Mängelbedürfnisse nennt er die Qualitäten der biologischen
nächsthöheren
Bedürfnisse, der Sicherheit und der Bindung. Hier wird der Levels
Mensch aktiv, um einen bestehenden Mangel zu beseitigen und
so das Bedürfnis zu befriedigen. Mangelt es an Essen, so wird er
sich Nahrung suchen und den Mangelzustand dadurch beenden.
• Wachstumsbedürfnisse sind für Maslow in der Anerkennung
und Selbstverwirklichung zu finden. In diese Qualitäten möchte

29
1 Motivation verstehen

der Mensch die Energie, die in ihm schlummert, sinnvoll inves-


tieren, um sie so gut wie möglich zu befriedigen und so z. B. für
ihn bedeutsame Ziele und Wünsche zu realisieren. Sie sind daher
für die Motivation besonders wichtig.

Welche Wirkung Entspannung hat


Entspannung Wird ein Mängelbedürfnis befriedigt, führt dies bei der betreffenden
geht mit Zufrie Person zu einem Gefühl der Zufriedenheit – ein Zustand, in dem sie
denheit einher
verharren möchte. Hat der Mensch Nahrung gefunden und zu sich
genommen, ist er satt und zufrieden. Aktivität rückt dann in den
Hintergrund und er kann sich entspannen. Dieser Entspannungszu-
stand ist sozusagen die logische Konsequenz und der angestrebte
Endzustand, wenn Mängelbedürfnisse befriedigt werden. In der
Regel ist das Ergebnis ein „entspanntes Verhalten“ und nicht ver-
stärkte Aktivität und Engagement.
Dieser Punkt hat ein häufiges, grundlegendes Missverständnis zur
Folge, an dem viele Programme zur Mitarbeiterzufriedenheit schei-
tern. Oft zielen deren Aktivitäten gerade darauf, das Bedürfnis
der Mitarbeiter nach Entspannung zufrieden zu stellen. Da ist es
nicht weiter verwunderlich, wenn sich Mitarbeiter auch entspannt
verhalten!
Beispiel: Mitarbeiterzufriedenheit
Viele Unternehmen schaffen für ihre Mitarbeiter Raucherinseln und
Kontaktzonen in den einzelnen Abteilungen, um die Möglichkeit zu
schaffen, auch mal von der Arbeit abzuschalten. Die Verantwortlichen
sind dann überrascht, wenn solche Maßnahmen die Zufriedenheit, nicht
aber die Aktivität steigern.

Das bedeutet natürlich nicht, dass solche Programme sinnlos und


wieder abzuschaffen sind. Vielmehr sind weitere Schritte notwendig,
um nicht auf dem Level der Entspannung zu verharren.

30
Anspannung und Entspannung als Triebfedern 1
Anspannung bietet die Möglichkeit, sich zu entwickeln
Ebenso wie nach Entspannung strebt der Mensch nach Anspannung. Anspannung
Er sucht nicht ausschließlich Ruhe, sondern braucht auch die Mög- bietet Entwick
lungsmöglich
lichkeit, seine Persönlichkeit zu entfalten, etwas zu bewegen und zu
keiten
gestalten. Wie erwähnt, entsprechen diesem Bedürfnis die Dimen-
sionen Anerkennung und Selbstverwirklichung, die in der
Maslowschen Pyramide die Spitze bilden. Bei diesen Wachstumsbe-
dürfnissen geht es nicht darum, eine Existenzgrundlage abzusichern,
sondern um die individuelle Entwicklung und Selbstverwirklichung.

Entspannung Anspannung

Wir suchen Wir suchen


nach Wachstums nach
bedürfnisse

Mangelbedürfnisse

Abbildung: Das Wechselspiel aus Anspannung und Entspannung

Nach Maslow genügt es, dass sich jemand im Zustand befindet, in Ziele werden
dem die Mangelbedürfnisse befriedigt sind, um die Wachstumsbe- immer weiter
gesteckt
dürfnisse in ihm zu wecken. Zudem steckt der Mensch seine diesbe-
züglichen Ziele immer weiter. Das heißt, selbst wenn die Wachs-
tumsbedürfnisse befriedigt sind, sucht er sich früher oder später,
nach einer angemessenen Entspannungsphase, neue gestalterische
Ideen und Ziele, die die vorherigen entweder übertreffen oder aber
völlig neuartig sind.

31
1 Motivation verstehen

Kienbaum Expertentipp: Wirkung von An und Entspannung


Im Zusammenhang mit den Mängel und den Wachstumsbedürfnissen
existiert also ein Wechselspiel zwischen Entspannung und Anspannung.
Psychische Stabilität und damit letztlich Leistungsfähigkeit sind dann
gegeben, wenn der Mensch ein individuelles Gleichgewicht aus beiden
Zuständen erreicht.

1.4 Die Säulen des Erfolgs


Ausgewogenes Dass die Motivation, sich stark zu engagieren und für hoch gesteckte
Verhältnis von Ziele zu wirken, einen wesentlichen Erfolgsbaustein darstellt, ist
Wollen, Können
unumstritten. Oft mündet dies dann in Aussagen wie „Jeder kann
und Dürfen
alles erreichen – wenn er nur will!“ Allerdings wird dabei vernach-
lässigt, dass die Leistungsbereitschaft nur eines der drei Module ist,
die zur Leistung als solche beitragen.

Wollen, Können und Dürfen müssen zusammenspielen


Ebenso wichtig wie das Wollen des Betreffenden sind sein Können
und das ihm zugestandene Dürfen. Hinter dem Können verbirgt
sich die Leistungsfähigkeit mit den notwendigen Kompetenzen und
Fähigkeiten, um im Handlungsfeld etwas bewirken zu können. Dür-
fen meint den Handlungsrahmen, der diese Leistungen zulässt und
innerhalb dessen die Kompetenzen und deren Potenziale ausge-
schöpft werden können. Erst diese drei Faktoren zusammen ergeben
das Gerüst, das die Leistung ermöglicht.
Beispiel: Zusammenhang von Wollen und Können
Ein hoch motivierter und leistungsbereiter, aber noch unerfahrener Mit
arbeiter kann durch seine persönliche Leistungsbereitschaft – z. B.
durch hohen Zeiteinsatz – bestehende fachliche Lücken oder einen
eventuellen Anpassungsbedarf bei den sozialen Kompetenzen nur bis zu
einem gewissen Grad kompensieren. Damit die bereit gestellte Energie
letztlich in Leistung und Erfolg mündet, muss seine starke Eigenmotiva
tion um die fehlenden Fähigkeiten ergänzt werden.

32
Die Säulen des Erfolgs 1
Überhöhte Erwartungen führen zu Enttäuschungen
Dies soll die Bedeutung der Leistungsmotivation nicht schmälern. Höchstleistun
Vielmehr gilt es, den Fehlschluss einiger selbst ernannter „Motiva- gen haben
Talente zur
tionsgurus“ zu korrigieren: Nämlich, dass jeder Mensch alles errei-
Grundlage
chen kann, was er will, wenn er es nur wirklich will. Durch solche
Annahmen sind Enttäuschungen und ungerechtfertigte Versagens-
vorwürfe vorprogrammiert. Es ist wenig sinnvoll, einem Mechaniker
zu sagen, er sei nur deshalb nicht Bankchef geworden, weil er nicht
motiviert genug gewesen sei. Grundlage vor allem für Höchstleis-
tungen sind Talente: Ein Fußballspieler, der zehn Millionen Euro im
Jahr verdient, verfügt neben Selbstdisziplin über außergewöhnliche
– auch physische – Voraussetzungen.

Leistung

Wollen Können Dürfen


Die Komponen Die Komponen Die Komponen
te der te der te des Hand
Leistungs Leistungs lungsrahmens
bereitschaft fähigkeit Die Umgebungs
Die Willensstärke, Die notwendigen bedingungen, die
sich umfassend für Kompetenzen und die Kompetenzen
ein hoch gesteck Fähigkeiten, um zulassen und
tes Ziel einzuset im Handlungsum deren Potenzial
zen feld etwas zu ausschöpfen
bewirken lassen

Abbildung: Die Leistungskomponenten

Wollen ist von der spezifischen Motivation abhängig


Leistungsbereitschaft und Leistung gehören also zusammen – sind Leistungsbereit
jedoch nicht dasselbe. Die Bereitschaft zur Leistung ist der erste schaft ist der
erste Schritt
Schritt. Auf welchem Gebiet sich das Wollen nun tatsächlich zeigt,
hängt von der spezifische Motivation (s. Seite 26) des jeweiligen
Menschen ab. Jedes Individuum wählt sich die Themen, die für sein

33
1 Motivation verstehen

Leben richtungsgebend sein sollen und für die es sich engagiert,


selbst aus.

Bestandteile beeinflussen sich gegenseitig


Ist ein Faktor Wollen, Können und Dürfen stehen miteinander im Wechselspiel.
nicht vorhan Die drei Komponenten beeinflussen sich gegenseitig, können einan-
den, leidet die
der verstärken oder abschwächen. Strebt einer der Faktoren gegen
Leistung
Null, fällt auch das Ergebnis entsprechend gering aus – gleichgültig,
wie stark die anderen Komponenten entwickelt sind.
Beispiele: Motivationsfaktoren nicht ausgewogen
Fall 1: Ein Sachbearbeiter bekommt die Bearbeitung eines Projekts
übertragen. Damit er die Aufgabe auch bewältigen kann, lässt ihn das
Unternehmen umfassend schulen und überträgt ihm weitreichende
Kompetenzen hinsichtlich Entscheidungen, die zu treffen sind, und ein
recht großzügiges Budget. Der Mitarbeiter selbst hat aber eigentlich
kein Interesse an der Aufgabe und dem dahinter stehenden Thema;
er hält die Ziele des Projekts für verfehlt. Die Wahrscheinlichkeit ist
groß, dass das Projekt nur geringen Erfolg haben wird, denn während
Können und Dürfen gut ausgeprägt sind, fehlt es hier am Wollen des
Betroffenen.
Fall 2: Ein Unternehmensleiter will eine begabte Nachwuchsmanagerin
zu seiner Nachfolgerin aufbauen. Die junge Frau ist hoch motiviert und
arbeitet bereits länger mit großem Erfolg und Engagement im Unter
nehmen. Der Seniorchef schickt sie zu unterschiedlichen Fortbildungen
und holt sie in die verschiedenen Gremien. Wichtige Entscheidungen
soll sie aber vorerst nicht treffen, noch will er selbst die Fäden in der
Hand behalten. Drei Jahre später hat sich an dieser Situation noch im
mer nichts geändert – der Unternehmensleiter hat kaum Entschei
dungskompetenz abgegeben, nach wie vor läuft nichts ohne seine Zu
stimmung. Die junge Frau will nicht länger warten und sucht sich eine
Stellung, bei der sie beweisen kann, was sie zu leisten in der Lage ist. Es
fehlt ihr am „Dürfen“.

Multiplikatori Um die höchstmögliche Leistung zu erreichen, bedarf es also einer


sches Modell optimalen Ausprägung aller drei Faktoren. Besonders klar wird die
Bedeutung, die jede einzelne Komponente für die Leistung hat, in
folgendem multiplikativen Modell:
Leistung = Wollen x Können x Dürfen

34
Die Säulen des Erfolgs 1
Kienbaum Kompetenztest: Stimmen Wollen, Können, Dürfen?
Treffen Sie eine Selbsteinschätzung. Betrachten Sie Ihre zwei wichtigs
ten beruflichen Aufgaben:
Wie stark ist Ihre Motivation, diese zu bearbeiten?
Verfügen Sie über alle notwendigen Fähigkeiten, um sie zu bewältigen?
Wenn nein, welche fehlen Ihnen und wie können Sie diese erwerben?
Verfügen Sie über ausreichend Entscheidungsbefugnis, um die Aufga
ben sinnvoll bearbeiten zu können?
In welcher Hinsicht würden Sie sich mehr Handlungsspielraum und
Entscheidungsbefugnis wünschen? Was können sich daraufhin – bezo
gen auf Ihre Leistung – ändern?
Nehmen Sie diese Einschätzung auch für Ihren wichtigsten Mitarbeiter
vor.

Den drei wichtigen Komponenten Wollen, Können und Dürfen sind


im Folgenden jeweils eigene Kapitel gewidmet. Lesen Sie ab Seite 47,
welche Möglichkeiten bestehen, die eigene Leistungsbereitschaft und
diejenige Ihrer Mitarbeiter zu steigern, und ab Seite 86, wie die je-
weilige Leistungsfähigkeit ausgebaut werden kann. Ab Seite 114
erfahren Sie dann, inwieweit Veränderungen der Rahmenbedingun-
gen das Dürfen beeinflussen können.

Selbstwirksamkeit – Besteht die Möglichkeit, die


Situation zu beeinflussen?
Eine weitere Voraussetzung dafür, dass ein Mensch bestimmt Ziele Kann jemand
tatsächlich mit aller Energie und konsequent verfolgt, ist sein Glaube Einfluss neh
men?
daran, dass er das Geschehen auch realistisch beeinflussen kann.

35
1 Motivation verstehen

Handlungsanreize

Positive Konsequenzen Negative Konsequenzen

Spezifische Motivation
Wahrnehmung von Psychologische
„Können, Wollen, Zeitperspektive
Dürfen“

Wahrgenommene
Situative Bedürfnisse Selbstwirksamkeit

Allgemeine Motivation

Abbildung: Selbstwirksamkeit

Eine Person erhält also in dem Moment einen Anreiz zur Handlung,
wenn sie der Meinung ist,
• dass sie dadurch das Ergebnis einer Situation beeinflussen kann,
• dass dieses Ergebnis von Bedeutung ist und
• dass es bestimmte, erwünschte Konsequenzen bringt.

Beispiel: Erlebte Selbstwirksamkeit


Ein Team von Mitarbeitern arbeitet „über Nacht“ und unter hohem per
sönlichen Einsatz ein hochwertiges Marketingkonzept aus, weil es da
von überzeugt ist, dass die Qualität seiner Arbeit für das Gesamtkon
zept bedeutsam ist.

36
Der Nutzen der emotionalen Intelligenz 1
1.5 Der Nutzen der emotionalen Intelligenz
„Emotionale Intelligenz ist die Fähigkeit, die Kraft und den Instinkt von
Gefühlen als Quelle für menschliche Energie, Informationen, Verbun
denheit und Einfluss zu spüren, zu verstehen und effektiv einzusetzen.“
Robert K. Cooper und Ayman Sawaf
Früher galten analytische Brillanz, betriebswirtschaftliche Kompe- Bedeutung der
tenz, Konzeptionsstärke und eine hohe allgemeine Intelligenz als emotionalen
Intelligenz
Erfolgsfaktoren, um Unternehmen in die Rentabilität zu führen. In
wächst
den letzten Jahren jedoch zeigen immer mehr Untersuchungen, dass
eher ein Zusammenhang zwischen emotionaler Intelligenz und
Erfolg besteht.

Kienbaum Expertentipp: Emotionen als Energiequelle


Emotionen sind von Haus aus weder gut noch schlecht, sondern stellen
zunächst eine zusätzliche Energiequelle dar. Sie selbst entscheiden
– wie alle anderen Individuen auch –, wie Sie Ihre Gefühle interpretie
ren, die mit ihnen verbundenen Energien freisetzen und nutzen. Dass
Emotionen eine grundsätzliche motivationale Funktion besitzen, ist je
doch mittlerweile unbestritten. Das Konzept trifft bei der Geschäftsfüh
rung auf wertschätzende Akzeptanz.

Emotion und Kognition als Grundlage von


Entscheidungen
Menschen nehmen ihre Umwelt nicht nur rein kognitiv, sondern Zwei Weisen,
ebenso auch emotional wahr. Gleichzeitig bewerten sie die Situation die Welt wahr
zunehmen
kontinuierlich auch emotional – in ihnen entsteht ein positives Ge-
fühl, also Zustimmung, oder ein negativer Eindruck, also Ableh-
nung. So erhalten sie eine sehr genaue motivationale Komponente
hinsichtlich der Lage und häufig verhalten sie sich auch entspre-
chend. Bei Emotionen handelt es also um eine Art „Zusatzenergie“,
die quantitativ mehr Antrieb verleihen kann.

37
1 Motivation verstehen

Werte, Ideale, Wünsche, Gefühle

Emotionale
Bewertung

Entscheidung/
Situation
Aktion

Kognitive
Bewertung

Tatsachen, Fähigkeiten, Daten, Kenntnisse

Entscheidungsfindung auf Grundlage einer kognitiven und emotionalen Bewertung

Welche Punkte die kognitive Komponente berücksichtigt


Daten und Die rein kognitive Komponente umfasst sämtliche Daten und Fak-
Fakten ten, die in Bezug auf den Sachverhalt zur Verfügung stehen. Hinzu
kommt noch die Beurteilung der eigenen Fähigkeiten, Kenntnisse
und des Wissens über verschiedene Begleitumstände und Rahmen-
bedingungen, da die zu treffende Entscheidung das eigene Agieren
beeinflusst.
Beispiel: Kognitive Wahrnehmung
Ein Hausarzt orientiert sich an den Symptomen, der Krankengeschichte
und den genetischen Vorbelastungen seines Patienten, um eine Diagno
se zu stellen und Behandlungsmaßnahmen einzuleiten – gleichgültig,
ob er den Patienten nun mag oder nicht. Wenn er bemerkt, dass die nö
tige Behandlung einen Spezialisten erfordert, wird er ihn an einen Kol
legen verweisen.

Wie die emotionale Bewertung einer Situation erfolgt


Emotionen als Die emotionale Beurteilung bietet nicht nur zusätzliche Energie,
eigene Bewer sondern stellt zudem eine eigenständige Bewertungsqualität dar. Sie
tungsqualität
hat den eigenen Wertekosmos, eigene Wünsche und Ideale zur
Grundlage. Das jeweilige Gefühl vermittelt, ob sich eine Person in

38
Der Nutzen der emotionalen Intelligenz 1
der gegebenen Situation wohl fühlt, ob die Entscheidungsalternati-
ven mit eigenen Wertvorstellungen zu vereinbaren sind, ob persön-
liche Ziele in der jetzigen und der zu erwartenden zukünftigen Situa-
tion Berücksichtigung finden. Die Vielzahl der Emotionen ermög-
licht den Menschen, ihr Verhalten sehr variantenreich und flexibel
zu gestalten.
Beispiel: Mögliche emotionale Reaktionen
Ein Mitarbeiter stellt eine neue Idee vor. Sein Vorgesetzter kann nun
unterschiedliche Reaktionen zeigen: Er kann sich darüber freuen oder
ärgern, den Vorschlag abwägen, den Kollegen dafür loben. Oder aber er
kann darüber nachdenken, wie er seinen Mitarbeiter von der Idee ab
bringt, ohne bei diesem Frustration auszulösen. Hält der Vorgesetzte die
Idee womöglich für gut, aber für nicht umsetzbar? Fühlt er sich durch
den Vorschlag angegriffen? Emotionen leisten einen wesentlichen An
teil an der Entscheidung, wie er schließlich handelt.

Emotionen sind ein wichtiger Hinweisgeber für die Bewertung ver- Hilfe bei anste
schiedener Entscheidungsmöglichkeiten. Sie vermitteln schnell henden Ent
scheidungen
einen Eindruck, wie sehr eine Entscheidung oder eine Situation den
persönlichen Werten entspricht oder ihnen entgegensteht.
Wenn kognitive und emotionale Beurteilung einander
widersprechen
Häufig sind „rationale“ Entscheidungen nichts anderes als nachträg-
liche Rechtfertigungen vor dem eigenen Ich bezüglich bereits getrof-
fener emotionaler Entscheidungen.
Die emotionale Bewertung ist höchst subjektiv und muss nicht Kognitive und
automatisch richtig – im Sinne einer objektiv richtigen Einschät- emotionale
Bewertung
zung – sein. Zudem ist es möglich, dass die kognitive und die emo-
können abwei
tionale Bewertung voneinander abweichen. Dadurch erklären sich
chen
z. B. die sprichwörtlichen „Bauchschmerzen“, die gelegentlich bei
scheinbar vernünftigen Entscheidungen entstehen: Dann meldet ein
Unbehagen, dass ein Teil des inneren Wertesystems bedroht oder
verletzt wurde – vielleicht ohne dass dies in vollem Umfang bewusst
wurde.

39
1 Motivation verstehen

Beispiel: Kognitive und emotionale Bewertung weichen ab


Ein Firmenlenker trifft aus wirtschaftlichen Gründen die Entscheidung,
Teile der Produktion ins Ausland zu verlagern und die entsprechenden
Arbeitsplätze im Inland zu streichen. Obwohl seine kognitive Einschät
zung ihm sagt, dass dieser Beschluss für das Überleben seines Unter
nehmens äußerst wichtig ist, hat er kein gutes Gefühl, sobald er an die
Belegschaft und seine Verantwortung ihr gegenüber denkt.

Die Bedeutung des emotionalen Urteils


Bauchgefühl Studien haben erwiesen, dass es durchaus vorteilhaft ist, gerade in
sollte berück schwierigen und komplexen Situationen auf sein „Bauchgefühl“ zu
sichtigt werden
hören. Zumindest sollte es in den Entscheidungsfindungsprozess
einbezogen werden.
Vollständige Trennung von Kognition und Emotion ist in der Regel
nicht möglich
Einige Menschen meinen, es sei sinnvoller, Gefühle und Verstand
voneinander zu trennen. Nicht umsonst gelingt dies aber in der
Regel aber nicht endgültig und nicht zur völligen Zufriedenheit,
denn dies bedeutet die Spaltung von zwei Aspekten der Intelligenz,
die erst in ihrer Vereinigung den ganzen Menschen ausmachen.
Intelligenz beschreibt demnach einerseits die kognitiven Fähigkeiten
und andererseits die emotionale Komponente. Erst die Kombination
dieser beider Wahrnehmungsformen ermöglicht ein wirklich erfolg-
reiches Agieren in der Umwelt.

Kienbaum Expertentipp: Achten Sie auf Ihr „Bauchgefühl“


Gefühle sind inzwischen als „emotionale Intelligenz“, als weise und
wichtige Helfer bei der Entscheidungsfindung anerkannt. Die Kernbot
schaft lautet: Sowohl Ihre eigenen Emotionen als auch die anderer Per
sonen sind Ratgeber und Indikatoren für die Qualität von Entscheidun
gen. Wenn Sie bewusst auf die Botschaften eigener und fremder Gefüh
le achten, werden Ihre Entscheidungen und Aktionen für Sie selbst
stimmiger und langfristiger erfolgreich werden.

40
Der Nutzen der emotionalen Intelligenz 1
Emotionale Intelligenz gemäß Daniel Goleman
Der US-amerikanische Psychologe Daniel Goleman hat durch die „Menschlich
Einführung des Konzepts der emotionalen Intelligenz maßgeblich keit“ im Busi
nessAlltag
dazu beigetragen, dass der Diskurs über „Menschlichkeit“ im härter
werdenden Businessalltag in Gang kam. So ist es mittlerweile üblich,
die sozialen Kompetenzen – vor allem auf den oberen Hierarchiestu-
fen – stärker in den Fokus zu stellen. Nach dieser verstärkten „offi-
ziellen“ Wertschätzung muss allerdings im nächsten Schritt in den
Köpfen ein echter Einstellungswechsel stattfinden. Goleman unter-
scheidet fünf Kernbereiche der emotionalen Intelligenz:
1. Selbst-Bewusstsein
2. Selbst-Management
3. Selbst-Motivation
4. Empathie
5. Engagement.

2. SelbstManagement 3. SelbstMotivation
Eigene Emo
Eigene Emotionen tionen zur
bewusst beein Verwirk
flussen und lichung der
gestalten eigenen Ziele
benutzen

Kernbereiche
der
Sich in andere
Eigene Emotionen emotionalen
Menschen
bewusst wahr Intelligenz
einfühlen
nehmen und er
können
kennen

Beziehungen
1. SelbstBewusstsein gestalten und 4. Empathie
mit Konflikten
umgehen
können
5. Engagement

Die Kernbereiche der emotionalen Intelligenz nach Goleman

41
1 Motivation verstehen

Kienbaum Kompetenztest: Wie emotional kompetent sind Sie?


Trainieren Sie Ihre emotionale Intelligenz. Gehen Sie dabei wie folgt
vor:
Suchen Sie Gelegenheiten, die Ihr Einfühlungsvermögen fordern – egal,
ob im Berufs oder Privatleben.
Versuchen Sie, andere Menschen zu verstehen, ihre Motive und Ziele zu
begreifen und ihre Sicht der Dinge einzunehmen.
Überprüfen Sie, ob es Personen im Unternehmen gibt, über die Sie
schon lange ein Urteil gefällt haben (z. B. „Herr Müller sieht nie das
große Ganze, nur die Details.“). Wird Ihr Urteil diesem Menschen ge
recht? Welche Gründe könnte es haben, dass er so auf Sie wirkt?
Könnten Sie einen anderen Eindruck von diesem Menschen erhalten,
wenn Sie z. B. seine Arbeitssituation oder seine Aufgaben verändern?
Schulen Sie Ihr Gefühl für Ihre nonverbale Sprache. Versetzen Sie sich
bewusst in unterschiedliche Stimmungen und beobachten Sie sich
selbst: Wie verändert sich jeweils Ihre Mimik, Gestik und die Körperhal
tung? Wie verändern Sie sich selbst?

1.6 Was hat Motivation mit Zeit zu tun?


Zeitbezug Eine weitere Frage, die sich in Hinblick auf die Motivation stellt, ist
beeinflusst die nach dem individuellen Zeitbezug der betreffenden Person.
individuelle
Menschen unterteilen ihr Leben in Vergangenheit, Gegenwart und
Motivation
Zukunft. Abhängig von unterschiedlichen Faktoren – wie z. B. Er-
ziehung, prägende Erfahrungen oder durchlaufene Institutionen –
entwickeln sie einen besonderen Fokus auf bestimmte Lebensab-
schnitte, die entweder in der Vergangenheit, der Gegenwart oder der
Zukunft angesiedelt sind.
Diese persönliche Zeitperspektive beeinflusst in hohem Maße, wie
Menschen ihr Leben wahrnehmen. Für eine Führungskraft ist es
wichtig zu wissen, welchen psychologischen Bezug zur Zeit ihr Mit-
arbeiter hat. Dadurch erhält sie die Möglichkeit, ihm z. B. entspre-
chende Visionen und Perspektiven anzubieten. Auf diese Weise
spricht sie direkt die Leistungsbereitschaft des Einzelnen an – also
das individuelle Wollen.

42
Was hat Motivation mit Zeit zu tun? 1
Wie sich starker Bezug auf die Vergangenheit auswirkt
Vergangenheitsorientierte Menschen sind vor allem auf die hinter Fokus auf
ihnen liegende Geschichte fokussiert. Dies kann so sein, weil sie im Vergangenheit
hohen Alter mehr aus Erinnerungen leben, aber auch, weil angeblich
„früher alles besser war“. Diese Personen messen Gegenwärtiges und
künftig zu Erwartendes stets an den bereits vergangenen Maßstäben.
Weil alles Heutige an der Messlatte „Damals“ scheitern muss, hält
das Jetzt für sie nur Ungemach bereit.
Beispiel: Vergangenheitsbezogene Wahrnehmung
Ein 24jähriger Mann stammt aus einer wirtschaftlichstrukturell
schwachen Region und ist zurzeit arbeitslos. Seinem Berater erzählt bis
heute von einem Arbeitsplatz, den er vor circa drei Jahren innehatte
und auf dem es ihm sehr gut gefiel. Auf die Frage, wie er sich einen
möglichen neuen Arbeitsplatz vorstelle, kam er immer wieder auf diesen
vergangenen Teil seines Lebenslaufs zurück. Er war einerseits gut in der
Lage zu beschreiben, was ihm damals gefallen hatte, hatte andererseits
jedoch keine Vorstellungen davon, wie sein Leben in fünf Jahren ausse
hen kann. Der Bezug zur Vergangenheit stellt hier ein Mittel dar, die
Gegenwart und die ungewisse Zukunft psychologisch zu vermeiden.

Angesichts veränderter und neuer Rahmenbedingungen kann und Hindernis für


sollte ein vergangener Bewertungsmaßstab im Heute nicht mehr anstehende
Herausforde
gelten. Er steht den Menschen vor allem dann im Wege, wenn sie
rungen
gegenwärtige oder zukünftige Herausforderungen meistern müssen.
Denn der ständige Vergleich des Status quo mit der „guten alten
Zeit“ erschwert es, Motivation und damit Energie für die anstehen-
den Aufgaben zu entwickeln.

Leben in der Gegenwart


Gegenwartsbezogene Menschen dagegen leben für den Augenblick.
Sie sind in der Regel zufrieden, machen sich möglichst keine Sorgen
um die Zukunft und sind eher fatalistisch eingestellt. „Warum soll
ich mir im Hier und Jetzt den Spaß verderben? Woher soll ich denn
wissen, ob ich morgen überhaupt noch lebe?“ ist eine typische Ar-
gumentation für diese Personen. Das ist kein Schutz vor Ungewiss-
heit, sondern Ausdruck eines Lebenskonzepts das auf das Hier und

43
1 Motivation verstehen

Jetzt ausgerichtet ist. Menschen mit diesen Verhaltenstendenzen


wollen eine sofortige Befriedigung ihrer Bedürfnisse. Ein Aufschub
und das Warten auf die Erfüllung von Wünschen können sie
nur schwer hinnehmen. Dementsprechend formulieren sie ihre
Ziele und Absichten stets so, dass sie diese leicht und zügig erfüllen
können.
Beispiel: Gegenwartsbezogene Entscheidungen
Ein Abiturient mit einem sehr guten Abschluss und hohem Entwick
lungspotenzial zieht wider alle Empfehlungen und Erwartungen eine
Berufsausbildung dem Universitätsstudium vor. Als Begründung gibt er
an, dass er nicht erst in fünf Jahren Geld verdienen will, sondern sofort.

Leben im Hier Gegenwartsbezogene Menschen geben selbst motivierende Vorha-


und Jetzt ben, die aber an höhere Kosten und unbequemere Konsequenzen
gekoppelt sind, zugunsten leichter und schneller erreichbarer Ziele
auf. Ihre Motivation liegt in der Belohnung im Hier und Jetzt – der
Gegenwart.

Ausrichtung des Handelns auf die Zukunft


Heute Vorleis Ganz anders dagegen gehen zukunftsorientierte Menschen vor. Sie
tungen erbrin nehmen Entbehrungen auf sich, um dadurch langfristige Ziele zu
gen, morgen
erreichen, und praktizieren einen sogenannten „Belohnungsauf-
Erfolge ernten
schub“. Die Früchte für das heutige Tun erwarten sie erst viel später
und sie können sich damit abfinden, dass sie im Hier und Jetzt eher
mit den Kosten und unerwünschten Konsequenzen konfrontiert
werden.
Beispiel: Handeln für eine zukünftige Belohnung
Ein Kind nimmt Violinenunterricht und verzichtet auf Spiele mit ande
ren Kindern, weil es für die Vision lebt, einst als Violinist bekannt zu
sein und Menschen mit der Musik etwas geben zu können. Damit prak
tiziert es einen Belohnungsaufschub. Die Gegenleistung für die heuti
gen Anstrengungen erfährt es erst in einigen Jahren, wenn der Applaus
im Saal zur Realität wird.

44
Was hat Motivation mit Zeit zu tun? 1
Erwartungen an die Zukunft bestimmen das Handeln in der Gegen-
wart wesentlich. Sie ermöglichen es, Anstrengungen auch über einen
Zukunftsorien
längeren Zeitraum hinweg aufrechtzuerhalten. Einzelne Handlun- tierung zeichnet
gen werden so zu einer Strategie verknüpft, können geplant und Spannungsbö
anschließend bewertet werden. Das Vermögen, zukunftsorientiert zu gen und Lauf
denken, befähigt Menschen, im Geiste Spannungsbögen oder den bahnen
Verlauf von Karrieren vorweg zu nehmen. Eine neue berufliche
Position stellt für diese Personen nicht einfach nur eine neue Aufga-
be dar, sondern wird zum Bestandteil eines größeren Ganzen, der
„Laufbahn“. Die verschiedenen Elemente, aus denen ein Musikstück
besteht, sind für einen Komponisten nicht nur Einzelereignisse,
sondern fügen sich mit dem weiteren Verlauf des Stückes zu einem
das ganze Werk umfassenden Spannungsbogen zusammen – eine
Tatsache, die sich aber erst in der Zukunft herausstellt.

Kienbaum Expertentipp: Belohnungsaufschub


Die Erkenntnis eines Belohnungsaufschubs erleichtert einerseits, einen
Sinn für das eigene Tun zu finden, zum anderen ist es auch eine Kom
pensation des Belohnungsaufschubs, denn die geistige Vorwegnahme
der Zielerreichung ist eine Möglichkeit, sich einen „Belohnungsvor
schuss“ zu gewähren. Hohe Leistungen, z. B. auch im sportlichen Be
reich, wurden meist von Menschen erbracht, die in hohem Maße fähig
waren, Zukunftserfolge geistig vorwegzunehmen und somit einen Be
lohnungsaufschub in Form temporärer Entbehrungen zu akzeptieren.

Die Bedeutung des Zeitbezugs für die Motivation


Der psychologische Zeitbezug kann die aktuelle Leistungsbereit-
schaft im Hier und Jetzt nachhaltig beeinflussen. Denn das Wollen
kann durch die Fokussierung auf bestimmte Zeitabschnitte im Le-
ben verstärkt werden. So schaffen es Menschen, aus der Vergangen-
heit zu schöpfen, um schwierige Zeiten zu überstehen. Sie vermögen
es, sich in die Gegenwart zu stürzen, um Primärbedürfnisse zu be-
friedigen, aber auch um die Vergangenheit zu bewältigen. Und sie
stärken die Willenskraft im Jetzt durch Vorstellungen, was sie
in Zukunft erreichen werden können. So wird der psychologische
Zeitbezug zu einem wesentlichen Baustein im Gesamtgefüge „Moti-
vation“.

45
1 Motivation verstehen

Kienbaum Kompetenztest: Kennen Sie Ihren Zeitbezug?


Welchen Bezug zur Zeit haben Sie selbst? Beobachten Sie sich selbst
einmal eine Weile, wenn Sie mit Kollegen, Freunden und Ihrer Familie
sprechen. Reflektieren Sie anschließend Ihren Wortschatz hinsichtlich
Begriffe, die auf Ihren persönlichen Zeitbezug hinweisen könnten.
Was fällt Ihnen auf?
Stellen Sie womöglich fest, dass Sie in manchen Bereichen noch in der
Vergangenheit verhaftet sind?
Hat sich dies eventuell auch schon einmal negativ auf Ihre Motivation
ausgewirkt?

46
2 Wollen: Fördern Sie die
Leistungsbereitschaft

Der Wille, sich für ein Ziel einzusetzen, ist das, was man landläufig
unter Motivation versteht. Kaum jemand wird seine eigene Leis-
tungsbereitschaft, sein „Wollen“ an sich, generell infrage stellen.
Menschen wollen etwas leisten, etwas bewegen und das Gefühl ha-
ben, Sinnvolles getan zu haben, – mit anderen Worten: ihre
Wunschvorstellung in Bezug auf die eigene Wertelandschaft ver-
wirklichen. Allerdings fällt es erstaunlich vielen Personen schwer,
genau zu benennen, was sie erreichen wollen – und damit erschwe-
ren sie es sich, die eigene Motivation auf- und auszubauen und in
Gänze zu zeigen.
Bewusst beschäftigen wir uns zuerst mit der Eigenmotivation, bevor Eigenmotivation
es darum geht, wie eine Führungskraft ihre Mitarbeiter angemessen ist Vorausset
zung für die
anspornen kann. Die Fähigkeit zur Selbstreflexion und zur Steue-
Motivation von
rung der eigenen Person bildet die Grundlage, um andere Menschen
Mitarbeitern
– im positiven Sinne – leiten und begeistern zu können.

2.1 Wissen, was man will


Wer von sich behaupten kann „Ich weiß, was ich will!“, hat im All-
gemeinen die Anerkennung seiner Umwelt sicher. Dieses Wissen
wird häufig mit Selbstbewusstsein, Zielorientierung, Energie, Er-
folgswille usw. assoziiert. Doch der Schlüssel zu dem, was Menschen
tatsächlich wollen, liegt nicht in solchen Eigenschaften – sondern in
ihren Träumen und Visionen. Jeder trägt in sich eine bestimmte
Idee davon, wie er sein Leben gestalten will. Dies ist seine Vision,
sein Traum, aus dem sich die persönliche Wertelandschaft speist.
Mit dem frühen Wunsch, z. B. Feuerwehrmann zu werden, findet
diese Idee einen ersten konkreten Ausdruck. „Träumen“ bedeutet in
diesem Falle nicht, der Realität zu entfliehen, sondern dem eigenen
Leben ein Ziel zu setzen.

47
2 Wollen: Fördern Sie die Leistungsbereitschaft

Vision und Wunschvorstellung als Wegweiser


„Wenn das Leben keine Vision hat, nach der man strebt, nach der man
sich verzehrt, die man verwirklichen möchte, dann gibt es auch kein
Motiv, sich anzustrengen."
Erich Fromm
Vision bildet die Motivation entspringt dem Wunsch, etwas Sinnvolles zu tun –
Grundlage wobei die Frage „Was ist sinnvoll und was nicht?“ jeder Mensch nur
für sich selbst beantworten kann. Sinnvoll kann eine Handlung nur
dann sein, wenn sie auf ein Ziel gerichtet ist und wenn sie den Han-
delnden diesem Ziel näher bringt. Für eine hohe Motivation und
eine dauerhafte Leistungsbereitschaft sind die langfristigen Pläne, ist
die Vision vom eigenen Leben entscheidend. Wer sie entwickeln
will, muss sich selbst fragen:
• „Wie stelle ich mir mein Leben vor?“
• „Was will ich in Zukunft erreichen?“
• „Welche Schritte muss ich dafür unternehmen?“

Um hier die individuell passenden Antworten zu finden, gilt es, auf


die persönlichen Wünsche und Visionen zu hören. Das eigene Wol-
len ist der individuelle Traum vom Leben und beschreibt damit
unsere Wertelandschaft.
Seien Sie ehrlich zu sich selbst
Motive sollten Für sich selbst festzulegen, was man wirklich will, bedeutet vor al-
hinterfragt lem, ehrlich zu sich selbst zu sein und die Entscheidungsfindung
werden
transparent zu gestalten. Voraussetzung dafür ist die Bereitschaft,
die eigene Person und die eigenen Motive zu hinterfragen und aus
den Antworten herauszulesen, welche Bereiche Ansatzpunkte zur
Veränderung bieten. Dabei sind Emotionen wichtige Indikatoren in
Entscheidungsprozessen; sie signalisieren, was tatsächlich gewünscht
ist, welche Veränderung die Person ihrem Ziel wirklich näher bringt
(s. Seite 37).

48
Wissen, was man will 2
Beispiel: Emotionen zeigen richtige Entscheidung an
Ein 37jähriger Unternehmer, der in den vergangenen Jahren mit ho
hem Einsatz und unter persönlichen Entbehrungen eine Firma aufge
baut hat, berichtet: „Natürlich frage ich mich manchmal selbst, ob ich
nicht ein wenig verrückt bin. Wenn ich spätabends auf den Autobahnen
zurück nach Hause fahre und genau weiß, dass wieder nur wenig Schlaf
auf mich wartet und dass ich auch morgen wieder unterwegs sein wer
de. In solchen Momenten stelle ich mir selbst schon die Frage, ob das
sinnvoll ist. Doch das sind Momente, die wohl jeder kennt – und die
Frage nach dem Sinn ist nicht wirklich ernst gemeint. Denn wenn ich
mich an die Verabschiedung von meinem Kunden erinnere und dass ich
,zwischen den Zeilen' von neuen interessanten Aufträge gehört habe,
dann weiß ich, dass ich meine Arbeit in eben der guten Qualität leiste,
an der ich mich selbst messe. Und wenn ich dann zu Hause in die Tor
einfahrt einbiege und die Lichter meines Hauses sehe, dann weiß ich,
dass ich es genau so will.“

Auch unrealistische Wünsche akzeptieren


„Wir lügen am lautesten, wenn wir uns selbst belügen!“
Eric Hoffer, USamerikanischer Soziologe
Wie aber kommt es, dass es manchen Menschen so schwer fällt, das „Unvernünftige
eigene Wollen zu beschreiben? Dass sie in Aussagen wie „Ich möchte Wünsche“ sind
wichtige Infor
einmal etwas ganz anderes tun“ flüchten, wenn sie nach ihren Zielen
mationen
gefragt werden? An dieser Stelle mangelt es an der Entscheidungsfä-
higkeit und der Ehrlichkeit sich selbst gegenüber. Beide Eigenschaf-
ten werden benötigt, um eine Vision zu entwerfen. Jeder trägt „un-
vernünftige“ Wünsche in sich und es gilt, sich auch diese einzuge-
stehen. Sie sind wichtige Informationen, die wir an uns selbst sen-
den, um das eigene Wollen, Können und Dürfen zu optimieren. Der
berufliche Erfolg und die eigene Motivation lassen sich unterstützen,
indem man recht genau weiß, was man erreichen alles möchte –
sowohl in beruflicher als auch in privater Hinsicht.
Vorsicht vor allzu starker Fokussierung
Eine detaillierte, persönliche Zielsetzung ist also für den Erfolg ent-
scheidend. Wer weiß, was er will, hat gute Chancen, sein Vorhaben
auch umzusetzen: Er hat ein Ziel vor Augen, kann sich eine entspre-
chende Strategie überlegen und die nächsten Schritte durchdacht

49
2 Wollen: Fördern Sie die Leistungsbereitschaft

angehen. „Ich bin hier angetreten, weil ich in zwei Jahren ... sein
möchte“ – eine solche Aussage macht es notwendig, dass der Zeit-
raum sinnvoll genutzt wird.
Blick auf die Eine allzu starke Fokussierung auf scheinbar klare Zielsetzungen ist
Gesamtheit jedoch kritisch. Schnell kann es dadurch geschehen, dass z. B. andere
behalten
Bereiche der persönlichen Wertelandschaft ausgeblendet werden
und ins Abseits geraten.
Beispiel: Verfehlte, einseitige Zielsetzung
Ein Manager in einer sehr schnelllebigen Branche hatte sich zum Ziel
gesetzt, „fast um jeden Preis“ und „irgendwo“ Geschäftsführer zu wer
den. Damit verband er Status und ein hohes Einkommen. Im Coaching
gespräch wurde allerdings immer deutlicher, dass er die Spielregeln sei
ner Branche in dieser Form eigentlich nicht mochte. Er beklagte sich
über zeitliche Belastungen, misstrauische Mitarbeiter und Kollegen,
politische Winkelzüge in der Firma. Und er war der Meinung, dass dies
in seiner Branche überall so sei.
Coach: „Wie würden sich diese unschönen Dinge für Sie verändern,
wenn Sie jetzt Geschäftsführer würden?“
Coachee: „Es würde noch viel härter werden – aber ich hätte dann auch
einen längeren Arm!“
Coach: „Ist das der Grund, warum Sie Geschäftsführer werden wollen?“
Coachee: „Nein, eigentlich nicht.“
Im weiteren Gespräch reflektierte er die eigenen Beweggründe seiner
Zielsetzungen. Ihm wurde klar, dass er viele seiner Träume, nämlich das
Leben in der Familie, eigene Hobbies und Freunde, stark vernachlässigt
und sich zu einseitig auf die beruflichen Ziele konzentriert hatte. Auch
seine psychosomatischen Symptome, wie Magenbeschwerden und
Hautprobleme, ergaben für ihn plötzlich Sinn und er konnte darauf rea
gieren.
Als der Coachee ein konkretes Angebot für eine Geschäftsführerposition
erhielt, sagte er ab.

Lebenstraum dient als innerer Kompass


Unbewusst leiden Menschen, wenn ihre Handlungsweisen nicht
dazu beitragen, den eigenen Lebenstraum zu erfüllen. Wird die
Differenz zwischen den konkreten Schritten, Wegen und Methoden
und den angestrebten Zielen zu groß, werden die Betroffenen alar-

50
Wissen, was man will 2
miert: z. B. durch das „Magendrücken“, das viele bei unliebsamen
Entscheidungen trifft. Ihre Energie nimmt ab, weil sie im eigenen
Tun kein Sinn mehr erkennen. Wer jetzt nicht gegensteuert, wird
auf Dauer vor sich selbst unglaubwürdig.
Umgekehrt gilt aber das Gleiche: Das eigene Wollen von innen her- Motivation
aus wird umso offensichtlicher, je deutlicher die eigenen Wünsche steigt, wenn
Ziele und
und Ziele mit dem aktuellen Geschehen übereinstimmen. Wenn das
Aktionen über
Handeln einen Beitrag dazu leistet, einen Teil des persönlichen
einstimmen
Traums zu verwirklichen, setzt der Mensch die meiste Energie frei.

Kienbaum Expertentipp: Vision zum Maßstab machen


Wenn Sie eine langfristige Leistungsbereitschaft und einen andauern
den Erhalt Ihrer Motivation gewährleisten wollen, sollten Sie Ihre per
sönlichen Werte, Visionen und Zielvorstellungen zu Ihrem Maßstab ma
chen – sowohl für das Alltagsgeschäft als auch für Ihre individuelle
Entwicklung. Aus ihnen leitet sich ab, wie Sie in den unterschiedlichen
Lebensbereichen, z. B. im Beruf oder in der Familie, entscheiden und
handeln. Wenn Sie hier für sich Klarheit schaffen, bedeutet dies, Ihr
eigenes Lebenskonzept zu entwerfen.

Das Lebenskonzept als Fahrplan zur


Wunschrealisierung
„Träume geben dem Leben Richtung und Sinn. Ohne sie wäre das Leben
nur stumpfsinnige Plackerei.“
Erich Fromm
Erfolgreiche Menschen zeichnen sich unter anderem dadurch aus, Lebenskonzept
dass sie eine klare Vorstellung davon haben, wie sie ihr Leben gestal- als Erfolgsga
rant
ten wollen. Damit wird der persönliche Erfolg messbar: Er bedeutet,
das eigene Lebenskonzept zu realisieren.
Was zeichnet das persönliche Lebenskonzept aus?
• Das Lebenskonzept entspringt den persönlichen Motiven des
Menschen – seinem individuellen System aus Werten, Träumen
und Visionen.

51
2 Wollen: Fördern Sie die Leistungsbereitschaft

• Es zeichnet ein Bild davon, wie die individuellen Werte im Leben


Gestalt annehmen. Darin wird also deutlich, in welchen greifba-
ren und erlebbaren Dingen die Person ihre Werte realisieren will.
• Es ist der Wegweiser dafür, wie die Handlungspläne ausgerichtet
sind, welche anzunehmenden Rollen (s. Seite 53) bewusst oder
unbewusst gewählt werden.
• Mit ihm werden die Messlatten definiert, an denen das eigene
Tun persönlich überprüft werden kann.

Beispiel: Lebenskonzept
Ein 28jähriger Unternehmensberater berichtet: „Mein Ziel besteht dar
in, dass ich einst in einem alten Bauernhaus in der Nähe einer Groß
stadt leben kann. Dort möchte ich mit meiner Partnerin zusammen sein.
Wir werden sicher zwei Kinder haben. Auch wenn ich im Job viel
unterwegs sein werde, habe ich die Möglichkeit, viel zu Hause zu arbei
ten. Meine berufliche Aufgabe sehe ich gekennzeichnet durch die Mög
lichkeit, mit Menschen zu arbeiten. Dabei möchte ich Gestaltungsfrei
raum haben. Mir ist es weniger wichtig, Menschen hierarchisch zu füh
ren – mehr Befriedigung erfahre ich, wenn ich durch meine Arbeit et
was gestalten kann. Wir werden oft Besuch von Freunden haben. Geld
ist mir insgesamt nicht wirklich wichtig – ich sehe darin lediglich die
Möglichkeit, mir diesen Traum zu erfüllen. Mit dieser Vision verbinde
ich persönliche Unabhängigkeit, ein Wechselspiel zwischen Anspannung
im Job und Entspannung im privaten Bereich, Ausgeglichenheit, stabile
zwischenmenschliche Beziehungen, das Ausleben gestalterischer Visio
nen und die Möglichkeit, die volle Verantwortung für mein eigenes Le
ben zu übernehmen.“

Schriftform vermittelt Klarheit


Ziele festhalten Wohl die meisten Menschen verfügen über ein inneres Lebenskon-
zept. Und sie können so die wahrgenommene Sinnhaftigkeit und die
damit zusammenhängenden Wertvorstellungen verknüpfen. Aber
nur die wenigsten Menschen haben ihr Lebenskonzept bewusst
ausformuliert. Genau dieser Vorgang kann jedoch bei der Entde-
ckung der eigenen Motivation und zum Erhalt der Leistungsbereit-
schaft durch die Selbstmotivation sehr hilfreich sein.

52
Wissen, was man will 2
Kienbaum Expertentipp: Sprache kann Horizont erweitern
Bei Schilderungen von besonders erfolgreichen Menschen beobachten
Kienbaumberater in Coachings immer wieder, dass diese über ein diffe
renziertes Bewusstsein über diese Strukturen verfügen: Die Grenzen der
eigenen Sprache sind die Grenzen der eigenen Welt.

Kienbaum Kompetenztest: Erstellen Sie Ihr Lebenskonzept


Formulieren Sie Ihren persönlichen Lebensentwurf. Beantworten Sie
dabei für sich selbst die Fragen:
Wie möchte ich leben?
Welchen Stellenwert nimmt Arbeit in meinem Leben ein?
Wie können die Rahmenbedingungen meiner beruflichen Tätigkeit be
schrieben werden?
In welche sozialen Netze bin ich eingebunden?

Wie gesellschaftliche Rollen helfen, das Lebenskonzept


zu realisieren
Unterschiedliche Lebensbereiche konfrontieren den Menschen da- Gesellschaft
mit, verschiedene, gesellschaftlich vorgeformte Rollen zu besetzen. gibt Rollen vor
So ist er in einer Partnerschaft z. B. Freund, Berater und Partner
zugleich. Jeder ist selbst dafür verantwortlich, sich in den jeweiligen
Bereichen diejenigen Rollen zu suchen, die er besetzen möchte und
die mit seinem Traum, seinem Lebenskonzept übereinstimmen.
Anschließend sollte er sie mit Zielen unterlegen, die genau für diese
Rollen zutreffen. In der Rolle als Vater kann z. B. das Ziel enthalten
sein, den eigenen Kindern eine möglichst hohe Ausbildungsqualität
zu bieten.
Welche Rolle füllt welches Handlungsfeld aus?
Die verschiedenen Bereiche des Lebens lassen sich als Handlungsfel-
der beschreiben, wie etwa „Karriere und Beruf“, „Familie und
Freunde“, Gesundheit“ und „Ich selbst“. Darin sind jeweils ver-
schiedene Rollen zu besetzen. Für eine männliche Führungskraft
könnten die möglichen Handlungsfeldern und darin eingebetteten
Rollen so aussehen:

53
2 Wollen: Fördern Sie die Leistungsbereitschaft

„Beruf und Karriere“ „Familie und Freunde“


Manager Coach Freund Vater
TeamMitglied IdeenFinder Partner Ratgeber
„Gesundheit“ „Ich selbst“
Marathonläufer Mitglied im Abenteurer kulturell
Aktivurlauber Volleyballverein Suchender Interessierter

Lebenskonzept gibt die Richtung vor


Alle Bereiche Ein gelungenes Lebenskonzept zeichnet sich dadurch aus, dass es alle
sollten berück persönlich bedeutsamen Handlungsfelder berücksichtigt, in denen
sichtigt sein
die betreffende Person agiert. Jeder dieser Bereiche ermöglicht es,
dass der Mensch einen Teil seines Lebenskonzepts verwirklicht. Auf
diesem Weg ist jeweils ein bestimmtes Handlungsfeld mit einigen
persönlichen Werten stärker verknüpft als mit anderen. So ist z. B.
im Lebenskonzept der oben gezeigten Führungskraft die „Familie“
ein bedeutendes Handlungsfeld. Hier findet sich die Rolle des „Va-
ters“, die für diese Person sehr stark mit dem Wert „Verantwor-
tungsbewusstsein“ verknüpft ist. Die Rolle „Coach“ im beruflichen
Handlungsfeld dagegen ist eher mit Werten wie „Teilen“, „Geben“
oder „Partnerschaftliches Verhältnis“ verbunden. Übrigens: Wie
andere Menschen ein Individuum jeweils wahrnehmen, definiert
sich durch die Art und Weise, wie es welche gesellschaftliche Rolle
zu welchen Anteilen wahrnimmt und auf welche Weise es sie für
sich interpretiert.

54
Wissen, was man will 2
Kienbaum Kompetenztest: Handlungsfelder und Rollen
Welche Rollen besetzen Sie jeweils in diesen Handlungsfeldern? Gibt es
weitere Handlungsfelder in Ihrem Leben, die Sie ausfüllen?

Beruf und Karriere Familie und Freunde

Rollen Rollen
• •

• •

• •

Gesundheit Ich selbst

Rollen Rollen
• •

• •

• •

Das eigene Rollengefüge als Basis der Zufriedenheit


Über lange Strecken ist es nur dann möglich, die eigene Motivation Unterschied
und Leistungsfähigkeit zu erhalten, wenn es gelingt, die eigene Wer- liche Rollen für
unterschied
telandschaft und damit die eigenen Bedürfnisse und Wunschvor-
liche Werte
stellungen in Bezug auf das Lebenskonzept auch konsequent zu
verwirklichen. Letztlich ist dies auch mit psychophysischer Gesund-
heit gleichzusetzen. Natürlich ist nicht jedes Handlungsfeld dazu
geeignet, jeden einzelnen Aspekt der persönlichen Vision zu berück-
sichtigen. Das ist auch nicht entscheidend – wie schon gezeigt ist der
Mensch sehr gut in der Lage, zu kompensieren. Er kann einen

55
2 Wollen: Fördern Sie die Leistungsbereitschaft

„Mangel“ in einem Lebensbereich sehr gut verkraften, wenn er die


Möglichkeit hat, ihn auf einem anderen Gebiet wieder auszu-
gleichen.
Beispiel: Kompensation in verschiedenen Rollen
Ein Sachbearbeiter in einer Bank ist im operativen Geschäft fast aus
schließlich am PC tätig. Den Mangel an sozialen Kontakten, den er im
Lebensbereich „Beruf“ erfährt, gleicht er durch seine Tätigkeit im Tier
schutzverein am Wochenende oder nach Feierabend aus.

Summe der Rollen ermöglicht Selbstverwirklichung


Möglichst viele Die eigene Wertelandschaft und die individuellen Visionen können
Facetten also abgebildet und verwirklicht werden – jedoch nicht allein durch
abdecken
eine einzige Rolle. Ein Leben ist daher nur ausgefüllt, wenn es der
Person gelingt, verschiedene Rollen in unterschiedlichen Lebensfel-
dern einzunehmen und so möglichst viele Facetten hinsichtlich der
eigenen Wunschvorstellungen abzudecken und zu realisieren. So
kann ein Mensch z. B. im Handlungsfeld „Beruf und Karriere“ sei-
nen Wunsch nach Macht und Status ausleben, im privaten Bereich
bei „Familie und Freunde“ hingegen seinem Bedürfnis nach Har-
monie nachkommen. Die Schnittmenge dieser beiden Handlungs-
felder könnte sein Wunsch nach sozialem Kontakt sein, der sich auf
beiden Gebieten realisieren lässt.

Beruf und Karriere Familie und Freunde

Werte
und
Visionen

Gesundheit Ich selbst

Werte durch Rollen aus vier Lebensfeldern realisieren

„Wunschlos glücklich“ hemmt Motivation


Allerdings wird ein Leben nur sehr selten so verlaufen, dass der
Mensch rundum und in jeder Beziehung glücklich und zufrieden ist.
Ein Rest der Wertelandschaft wird immer unerfüllt bleiben. Aber

56
Wissen, was man will 2
das ist auch gut, denn dieser unerfüllte Rest hält das Leben in Bewe-
gung und eröffnet neue Horizonte. Diese dienen als Quellen der
Motivation, animieren zur Aktivität und zum Handeln, damit die
verbliebenen Wünsche auch erreicht und die bestehenden oder sich
neu auftuenden „Lücken“ geschlossen werden.
Beispiel: Neue Wünsche
Der Sachbearbeiter in der Bank verspürt durch seine berufliche Tätigkeit
nicht nur einen Mangel an sozialen Kontakten, sondern er vermisst seit
neuestem auch die körperliche Anstrengung. Deshalb beschließt er, zu
sätzlich Mitglied im Volleyballverein zu werden.

Die Motivation, sich sozial oder aber körperlich zu engagieren, Unerfüllte


speist sich aus dem nicht befriedigten Bedürfnis, das im Beispiel aus Bedürfnisse
führen zu
der einseitigen Belastung am Arbeitsplatz entsteht.
neuen
Wünschen
Beruf und Karriere Familie und Freunde

Werte
und
Visionen

Gesundheit Ich selbst

Unerfüllte Anteile der eigenen Vision eröffnen neue Horizonte

Kienbaum Expertentipp: Träume realisieren


Für die eigene psychische Gesundheit ist es wichtig, dass Sie über die
verschiedenen Handlungsfelder und Rollen einen möglichst großen An
teil Ihrer persönlichen Werte verwirklichen.

Ein Quercheck der Rollen und der durch sie erfüllten Werte zeigt,
ob die Werte aktuell wiederfinden. Das Ergebnis könnte etwa so
aussehen:

57
2 Wollen: Fördern Sie die Leistungsbereitschaft

Wert

Unabhängig

Beziehungen

wirklichung
Selbstver
keit
Rolle


Beruf und Karriere

Manager X X

Coach X

Freund X
Familie und

Partner X X
Freunde

Mitglied im
X
Volleyballverein
Gesundheit

Marathonläufer X X

Kulturell
X
Interessierter

Abenteurer X
Ich selbst

Entscheidend ist natürlich die Gewichtung, die der einzelne Wert für
den jeweiligen Menschen besitzt. Steht z. B. die Selbstverwirklichung
weit oben auf der persönlichen Werteskala, fällt diese Kategorie samt
ihrer Wertung natürlich stärker ins Gewicht als andere.

58
Wissen, was man will 2
Kienbaum Kompetenztest: RollenWerteQuercheck
Machen Sie den RollenWerteQuercheck! Überlegen Sie, welche Rollen
Ihnen ermöglichen, folgende Werte zu leben. Wählen Sie dazu aus der
Liste die für Sie wichtigsten Werte aus, die Sie leben wollen.
• Unabhängigkeit • Ehre
• Beziehungen • Idealismus
• Selbstverwirklichung • Familie
• Macht • Status
• Neugier • Rache
• Anerkennung • Eros
• Ordnung • Essen
• Sparen • Körperliche Aktivität

Wert

Rolle


Familie und Beruf und
Freunde Karriere
Gesundheit
Ich selbst

59
2 Wollen: Fördern Sie die Leistungsbereitschaft

Haben Sie den Mut, Entscheidungen zu treffen?


Lebenskonzept Aus der Wertelandschaft und den Visionen leitet sich ab, wie Men-
führt zu Ent schen in den unterschiedlichen Lebensbereichen, z. B. Beruf oder
scheidungs
Familie, entscheiden und handeln. Wer sein eigenes Lebenskonzept
sicherheit
entwirft und umsetzt, kann schnell Klarheit herstellen und aus Al-
ternativen wählen. Denn zu wissen, was man will, bedeutet Ent-
scheidungssicherheit zu besitzen. Dieses Wissen führt kompassna-
delgleich durch den täglichen Dschungel hunderter Entscheidungs-
möglichkeiten auf das eigene Ziel zu.
Warum Entscheidungen oft so schwierig sind
Allerdings verzichten Menschen oftmals darauf, Entscheidungen zu
treffen, weil sie Angst vor den Konsequenzen haben und weil sie
befürchten, sich falsch zu entscheiden. Damit verzichten sie jedoch
auf etwas ganz anderes: nämlich auf die Freiheit, Entscheidungen
selbst zu fällen.

Kienbaum Expertentipp: Entscheidungen selbst treffen


Entscheidungen treffen zu können, bedeutet Freiheit. Sich nicht ent
scheiden zu wollen bedeutet, auf diese Freiheit zu verzichten. Daher
gibt es keine Qual der Wahl, sondern lediglich das Privileg, wählen zu
dürfen.

Wer nicht selbst entscheidet, für den wird entschieden


Lauf der Zeit Jede getroffene Entscheidung schließt viele andere Alternativen aus.
entscheidet Das macht es so schwer, sich festzulegen. Aber: Wer sich nicht selbst
entscheidet, für den entscheidet die Umwelt. Je weiter die Zeit vor-
anschreitet, desto eher wird eine der Möglichkeiten, wie sich ein
Sachverhalt klärt, sozusagen „von selbst“ eintreten – und nur in den
wenigsten Fällen wird sich das Problem zufällig genau so lösen, wie
man selbst es sich eigentlich gewünscht hat. Mit hoher Wahrschein-
lichkeit tritt dagegen eine weniger attraktive Variante in Kraft.

60
Was spornt einen Menschen an? 2
Beispiel: Vergebene Chance durch zögerliche Entscheidung
Eine junge Führungskraft erfährt, dass im Konzern in einer anderen Nie
derlassung eine Stelle frei wird, deren Profil sie sehr gut entsprechen
würde. Die neue Position wäre eine passende Herausforderung und
könnte einen Karrieresprung nach sich ziehen. Vermutlich wäre auch
das Gehalt besser. Allerdings müsste die Führungskraft in eine andere
Stadt umziehen und davor schreckt sie doch zurück. Sie überlegt hin
und her, wägt die verschiedenen Vor und Nachteile lange gegenein
ander ab und schiebt die Entscheidung immer wieder auf. Als sie sich
einige Zeit später endlich entschließt, sich auf die Stelle zu bewerben,
erfährt sie, dass diese bereits vergeben ist.

Zögerliche oder ausbleibende Entscheidungen sind übrigens ein


Grund dafür, dass sich manche Menschen als Opfer der Verhältnisse
fühlen – sie haben es versäumt, die Umwelt durch eigene Entschei-
dungen proaktiv zu gestalten.

2.2 Was spornt einen Menschen an?


Die letzte Frage hinsichtlich des eigenen Wollens bezieht sich auf Extrinsische
das, was den Menschen individuell motivieren kann. Ein verbreiteter und intrinsische
Motivation
Ansatz besteht darin, Handlungsanreize danach zu untergliedern, ob
sie zu dem Bereich der extrinsischen Motivation gehören, also der
Umwelt zuzuordnen sind, oder zum Bereich der intrinsischen Moti-
vation, d. h. der eigenen Person entstammen. Besonders im beruf-
lichen Alltag wird deutlich, ob und – wenn ja – wie eng diese beiden
Komponenten miteinander verwoben sind. In der Freizeit kann eine
Trennung von extrinsischer und intrinsischer Motivation viel stär-
ker aufrecht erhalten werden.

Intrinsische Motivation bedeutet „innerer Antrieb“


Wer Tätigkeiten um ihrer selbst willen vornimmt, ohne dazu von
außen durch externe Anreize verführt worden zu sein, handelt aus
einer intrinsischen Motivation heraus. So erklärt sich, warum Men-
schen ohne Bezahlung in ihrer Freizeit alte Möbel restaurieren, sich
der Kaninchenzucht widmen oder den Wunsch haben, ein Kreuz-
worträtsel um jeden Preis zu lösen – und das auch dann, wenn nie-

61
2 Wollen: Fördern Sie die Leistungsbereitschaft

mand anderes davon Notiz nimmt und ein Nichterledigen für die
Person selbst auch keine negative Konsequenzen hätte. Sie gehen
diesen Aktivitäten selbst dann noch nach, wenn diese Tätigkeit äu-
ßerlich nur wenig anerkannt wird. Im Gegenteil: Viele Menschen
treiben auch dann Sport, wenn sie dafür Geld bezahlen müssen, statt
welches zu erhalten. Die Motivation ist in diesen Fällen meist nur
wenig von äußeren Anreizen abhängig.

Was ist extrinsische Motivation?


Motivatoren „Mein Haus – mein Auto – mein Boot!“ – extrinsisch motiviert sind
von außen Menschen, wenn sie sich einer Aufgabe weniger um der Arbeit selbst
willen widmen. Im beruflichen Alltag ist die besonders gute Aufga-
benbewältigung zwar oftmals auch intrinsisch motiviert – insgesamt
ist die Leistung aber doch stärker davon abhängig, ob sie in ihrer
Qualität auch wahrgenommen und honoriert wird. Viele Angestellte
führen die gestellten Aufgaben ja nicht um des Selbstzwecks willen
aus. Deshalb sind im Beruf auch äußere Anreize notwendig, um
motiviert zu bleiben.
Konsequenzen des Handelns von außen vorgegeben
Umwelt gibt die Wer Tätigkeiten aus einer extrinsischen Motivation heraus erledigt,
Folgen vor will bestimmte Wirkungen durch ihre Erledigung erzielen bzw.
bestimmte Konsequenzen, die durch das Nichterledigen entstünden,
vermeiden. So arbeiten Menschen für ein Gehalt und versuchen,
sich in ihrem Umfeld weitgehend so zu verhalten, dass sie dafür
nicht bestraft oder kritisiert werden.
Alle rein umsatzorientierten Vergütungssysteme basieren z. B. auf
der Annahme, dass extrinsische Motivationsanteile jeden Menschen
erreichen. Allerdings zeigt sich in der Praxis, dass dieser Ansatz zwar
kurzfristig scheinbar funktioniert, mittelfristig aber versagt.

Kienbaum Expertentipp: Beide Faktoren beachten


In der Theorie ist die Trennung von extrinsischer und intrinsischer Moti
vation sicher gerechtfertigt. Für die betriebliche Praxis gilt es unserer
Erfahrung nach, die starke Verflechtung beider Faktoren zu berücksich
tigen. Sind beide Komponenten gut ausgeprägt, multiplizieren sie sich
und in der Gesamtheit entsteht eine hohe Leistungsbereitschaft.

62
Was spornt einen Menschen an? 2
Wie beide Komponenten in der Praxis eingesetzt
werden können
Aufgrund dieses Zusammenhangs ist es sinnvoll, sowohl bei Mit- Kombination
arbeitern als auch bei den Führungskräften auf eine möglichst hohe von extrinsi
schen und
Passung zwischen den Anforderungen des Arbeitsplatzes und den
intrinsischen
eigenen Fähigkeiten und Interessengebieten anzustreben. Weiter
Motivatoren
sollten Rahmenbedingungen geschaffen sowie die Leistung entspre- sinnvoll
chend vergütet und anerkannt werden, dass jeder auf diesem „Spiel-
feld“ gemäß seiner Fähigkeiten agieren kann und will. Nur so gelingt
es, die motivationalen Energien optimal in die Erfüllung der Arbeit
zu leiten.

Kienbaum Kompetenztest: Was motiviert Sie persönlich?


Reflektieren Sie, welche Dinge für Sie persönlich motivierend wirken.
Markieren Sie dazu die fünf Anreize, die Sie am meisten motivieren, und
die fünf Anreize, die Sie am wenigsten antreiben. Überlegen Sie an
schließend, in welchen Handlungsfeldern und Rollen Sie diese
Motivatoren vorfinden. Es gibt keine richtigen und keine falschen Ant
worten – seien Sie ehrlich zu sich selbst.

Anreize Stärker Weniger


motivierend motivierend
Ich will Einfluss auf andere besitzen
… mir selbst neue, herausfordernde
Ziele setzen und sie erreichen
… Strukturen verändern, bewegen
… in Aktivität stehen und auch unter
widrigen Umständen Probleme lösen
… Abwechslung haben durch immer
wieder neue und unbekannte Aufgaben
… alles richtig machen, Fehler vermei
den
… alles geregelt, geordnet sehen
… mich mit anderen messen, meine
eigene Leistung mit der von anderen
vergleichen

63
2 Wollen: Fördern Sie die Leistungsbereitschaft

… nette Kontakte zu Kollegen haben


… Ansehen im Beruf und in der Gesell
schaft haben (anerkannte Position, nach
außen sichtbare Symbole)
… das Gefühl haben, gebraucht zu wer
den und helfen zu können
… Anerkennung und Rückmeldung
von Mitarbeitern und Vorgesetzten
bekommen
… Freude haben an der Steigerung der
eigenen Geschäftszahlen
… hohes Gehalt und damit verbundenen
Lebensstil erreichen und halten
… meine eigene Persönlichkeit erfahren
und weiterentwickeln

2.3 Machen Sie es Ihren Mitarbeiter leichter,


motiviert zu sein
„Mitarbeitermotivation” gilt häufig als Primäraufgabe von Füh-
rungskräften. Es gibt zahllose Seminare und Buchveröffentlichungen
zu diesem Thema. Allerdings erscheint die Forderung, Mitarbeiter
zu Höchstleistungen anzuspornen angesichts des bisher Gesagten
fragwürdig. Ist denn nicht jeder selbst für seine Leistungserbringung
verantwortlich?
Leistungsbereit Tatsächlich kann die Führungskraft nur in relativ geringem Maße
schaft fördern auf das eigentliche Wollen eines Mitarbeiters einwirken. Nimmt
dieser eine völlige Verweigerungshaltung ein, wird es schwierig, ihn
zu einer guten Leistung zu bewegen. Das Können dagegen ist besser
steuerbar und das Dürfen, also die Rahmenbedingungen, liegt noch
stärker im Einflussbereich eines Vorgesetzten. Dennoch hat ein
Vorgesetzter auch im Bereich der Leistungsbereitschaft durchaus
Gelegenheit, sie zu fördern.

64
Machen Sie es Ihren Mitarbeiter leichter, motiviert zu sein 2
Verantwortung der Führungskraft
Motivation ist eine Energiequelle, die Führungskräfte nicht erzeugen Bedingungen,
können. Sie ist im Mitarbeiter grundsätzlich vorhanden und erneu- die Motivation
fördern
ert sich immer wieder von selbst. Deshalb haben Führungskräfte
auch nicht die Aufgabe, Mitarbeiter grundsätzlich zu motivieren.
Gleiches gilt für das Ausmaß der Leistungsbereitschaft. Menschen
„brennen“ unterschiedlich stark. Dies ist ein Persönlichkeitsmerk-
mal, das zu verändern ebenfalls nicht in den Aufgaben- und Ein-
flussbereich der Führungskraft fällt. Aber es ist möglich, den Mit-
arbeitern Bedingungen zu bieten, die zu einer verbesserten Leis-
tungsbereitschaft führen. Und das liegt durchaus im Einflussbereich
einer Führungskraft. In ihre Verantwortung fällt es also, dem Mit-
arbeiter sein Wollen überhaupt zu ermöglichen.

Kienbaum Expertentipp: Mitarbeiter ist verantwortlich


Motivation kann nicht erzeugt werden: Jeder Mitarbeiter ist für die ei
gene Motivation selbst verantwortlich. Sie als Führungskraft sind dazu
angehalten, Motivation zu ermöglichen.

Möglichkeiten einer Führungskraft bei der Mitarbeitermotivation


• Führungskräfte sollten ihren Mitarbeitern Erfahrungen ermögli- Was Mitarbei
chen, die diese dazu bringen, weiterhin und mehr Energie zur termotivation
fördert
Verfügung zu stellen.
• Die Energiequellen erneuern sich stets selbst (s. Seite 27). Daher
kann es nicht darum gehen, die Energie zu erzeugen, sondern
darum, möglichst viel davon in die Arbeit zu lenken.
• Die Energie fließt zum einen in die Richtung des angestrebten
Ziels, zum anderen aber so, dass sich möglichst wenige Barrieren
und Staustufen in den Weg stellen. Der Vorgesetzte muss dafür
sorgen, dass Hindernisse für den Energiefluss aus dem Weg ge-
räumt werden. Gleichzeitig gilt es aber auch, Ziele zu vermitteln,
für die es sich lohnt, Hürden zu überwinden und Grenzen zu
überschreiten.

65
2 Wollen: Fördern Sie die Leistungsbereitschaft

Aufgaben eines Vorgesetzten


Die Führungskraft muss also Arbeitsaufgaben und Umgebungen so
attraktiv wie möglich gestalten bzw. die Ziele des Unternehmens in
attraktive Mitarbeiterziele übersetzen. Im Einzelnen heißt das:
• Sie muss Loyalität und Commitment ermöglichen.
• Sie muss Anerkennung vermitteln.
• Sie muss Ziele verknüpfen.
• Sie muss ihren Mitarbeitern sinnvolles Feedback geben.

Wann Mitarbeiter Commitment und Loyalität zeigen


Warum Com „Commitment“ und „Loyalität“ finden sich ganz weit oben auf der
mitment so Wunschliste von Führungskräften. Zu Recht, denn echtes Commit-
wichtig ist
ment und echte Loyalität, sprich Treue zur Organisation, sind we-
sentliche Faktoren, die Unternehmen erfolgreich machen. Sie brin-
gen vorhandene Potenziale der Belegschaft zur Entfaltung. Das
Unternehmen bzw. die Führungskraft kann hier steuern und Bedin-
gungen schaffen, um den Boden für Treue, Zuverlässigkeit und
Hingabe zu bereiten, und so Loyalität überhaupt erst ermöglichen.
Dabei gilt: Die wichtigste Aufgabe eines Vorgesetzten ist, Commit-
ment und Loyalität nicht zu behindern, Motivationshindernisse zu
beseitigen und auf die grundsätzliche Leistungsbereitschaft der Mit-
arbeiter zu vertrauen.
Wie zeigen sich Commitment und Loyalität?
Commitment Commitment ist aus dem Sprachgebrauch des Berufsalltags kaum
bedeutet mehr wegzudenken. Gemeint ist damit soviel wie „Selbstverpflich-
Selbstverpflich
tung“ oder auch „Einverstanden sein“ mit dem Unternehmen im
tung
Allgemeinen sowie mit der Führungskraft und ihrem Wirken im
Speziellen. Dies ist die Grundlage, damit Mitarbeiter z. B. Verände-
rungsprozesse im Unternehmen mittragen und engagiert mitgestal-
ten. Commitment stellt damit eine wichtige Komponente dar, um
die Motivation für einen erhöhten Arbeitseinsatz zu zeigen.
Loyalität erscheint insbesondere angesichts der Veränderungen auf
dem Arbeitsmarkt als wichtiger Faktor für den langfristigen wirt-
schaftlichen Erfolg. Diese Treue zum Unternehmen bindet High-
Potentials und Leistungsträger langfristig an den Arbeitgeber.

66
Machen Sie es Ihren Mitarbeiter leichter, motiviert zu sein 2
Einflussmöglichkeiten von Unternehmen und Führungskräften
Unternehmen und Mitarbeiter gehen miteinander eine Beziehung
ein, die entweder partnerschaftlich oder aber im Sinne eines Abhän-
gigkeitsverhältnisses gestaltet ist. Hier stellt sich die Frage, welchen
Standpunkt man zugrunde legen will:
1. Das Menschenbild vom Mitarbeiter als Partner, mit dem ge-
meinsame Ziele verfolgt werden, oder,
2. das Menschenbild vom Mitarbeiter, der eine Leistung erbringt,
damit das Unternehmen seine Ziele erreicht.
Erfahrungsgemäß driften Anspruch und Realität hier oft weit aus- Leistungser
einander. Unternehmensvisionen und Leitbilder nennen den bringer oder
Partner?
Arbeitnehmer als Partner, in der Realität dagegen wird er als reiner
Leistungserbringer gesehen. Es ist nicht verwunderlich, dass dann
auch genau diese Arbeitshaltung unter den Mitarbeitern vor-
herrscht: Sie erbringen genau die abverlangte Leistung, und zwar
von 9:00 bis 17:00 Uhr, in eben dem Maße, das benötigt wird, um in
Lohn und Brot zu bleiben. Von der gesuchten „heißen“ Loyalität
und von Commitment keine Spur. Warum auch?
Letztlich ist es natürlich die Entscheidung der Arbeitnehmer, ob sie
sich für ihren Job voll einsetzen. Die Führungskraft sollte ihren Ein-
fluss dahingehend nutzen, die Bedingungen so zu gestalten, dass ihre
Mitarbeiter „Lust“ auf Commitment und Loyalität bekommen, dass
sie sich gern mit dem Unternehmen identifizieren.

Kienbaum Expertentipp: Vermitteln Sie unbedingte Wert


schätzung
Wenn Sie Loyalität und Commitment als unbedingte Wertschätzung
betrachten, die dem Unternehmen entgegengebracht wird, dann liegt es
auf der Hand, dass dieses Geschäft nur auf der Basis der Gegenseitigkeit
funktionieren kann. Meist empfinden Menschen für andere dann Wert
schätzung, wenn diese sie ebenfalls wertschätzen. Und sie werden sich
– zumindest innerlich – zurückziehen, wenn sie das Gefühl der Wert
schätzung nicht erhalten.

67
2 Wollen: Fördern Sie die Leistungsbereitschaft

Die Bedeutung des psychologischen Vertrags


Zwischen Führungskräften und Mitarbeitern besteht nicht nur ein
juristischer, sondern auch ein „psychologische Arbeitsvertrag“. Der
erste regelt:
• Aufgabeninhalt,
• Gehalt,
• Arbeitszeit,
• Arbeitsort,
• Urlaubsansprüche etc.

Bestandteile Im psychologischen Arbeitsvertrag hingegen sind jene Faktoren


des psychologi enthalten, die den entscheidenden Unterschied ausmachen, nämlich
schen Vertrags
• Begeisterung,
• Loyalität,
• Spaß an der Arbeit,
• das In-der-Arbeit-aufgehen u. Ä.

Beispiel: Psychologischer Vertrag im Alltag I


Hier bietet sich ein Vergleich mit Geschäften an, in denen Sie regelmä
ßig einkaufen. Vermutlich gibt es ein oder zwei Läden, in denen Sie rou
tiniert jene Dinge besorgen, die Sie ständig brauchen. Sie wissen, wo
etwas steht, gehen hinein, nehmen sich die benötigte Ware aus den Re
galen, zahlen an den Kassen und sind mit allem versorgt.

Nach welchen Kriterien haben Sie sich dieses Geschäft – möglicher-


weise unbewusst – ausgesucht? Vielleicht hat es eine günstige Lage,
ist einigermaßen preiswert und Sie sind mit allem versorgt, ohne
sich groß zu engagieren. Auch mit diesem Geschäft gibt es einen
psychologischen Vertrag. Er lautet ungefähr: „Niemand von uns
stört den anderen und wir wickeln sauber unser Geschäft ab. Geld
gegen Ware.“
Beispiel: Psychologischer Vertrag im Alltag II
Dann gibt es womöglich irgendwo einen kleinen Laden, vielleicht einen
Bäcker auf dem Land, zu dem Sie so oft wie möglich gehen und für den
Sie Umwege in Kauf nehmen. Man kennt sich, es werden einige Worte
gewechselt. Die Verkäuferin weiß, welche Brotsorten Sie besonders mö
gen, bedauert vielleicht auch, nicht immer alles vorrätig zu haben, weil
in kleinen Geschäften anders gewirtschaftet werden muss.

68
Machen Sie es Ihren Mitarbeiter leichter, motiviert zu sein 2
Wahrscheinlich haben Sie noch nie gerechnet, um wie viel teurer Sie
dort einkaufen. Sie fühlen sich diesem Laden verpflichtet und be-
kommen vielleicht sogar ein schlechtes Gewissen, wenn Sie Ihr Brot
einmal woanders kaufen. Genau das ist Commitment! Diese Einstel-
lung stammt nicht aus einem juristischen Geschäftsabschluss, son-
dern aus dem psychologischen Vertrag. „Für dieses Brot bin ich
bereit, ein Stück zu fahren und deutlich mehr zu bezahlen. Schon
allein der Geruch im kleinen Bäckerladen gibt mir etwas, die Bedie-
nung ist immer authentisch und kennt meine Wünsche. Ich wüsste
nicht, wieso ich mein Brot woanders kaufen sollte.“ Hier ist keine
Spur von der Geld-gegen-Ware-Sachlichkeit. Die entscheidende
Formulierung im psychologischen Vertrag lautet hier: „Wir begeg-
nen uns als Partner und Freunde. Wir bringen einander unbedingte
Wertschätzung entgegen, die wir zur Grundlage unserer Geschäfte
machen. Und nebenbei tauschen wir ein hervorragendes Brot gegen
die materielle Anerkennung, die wir für angemessen halten.“ Eben
diese Einstellung sollten Sie Ihren Mitarbeitern durch Ihre unbe-
dingte Wertschätzung vermitteln.
Gemeinsame Ziele schweißen zusammen
Ein weiterer Faktor, der das Commitment trägt, ist die Existenz von Bedeutung von
einvernehmlichen Zielen. Denn neben der Wertschätzung ist natür- gemeinsamen
Zielen
lich auch der gemeinsamen Geschäftsgegenstand notwendig. Und
dieser kann nur in Zielen bestehen, von denen beide Seiten profitie-
ren. Während also die Wertschätzung die emotionale Komponente
der Beziehung aufzeigt, repräsentieren die Ziele ihren Nutzen.

Commitment

Wertschätzung Existenz von ge


(z. B. durch meinsamen Zielen
Führungskultur) (z. B. durch
abgestimmte
Zielvereinbarungen)

Die zwei Säulen des Commitments

69
2 Wollen: Fördern Sie die Leistungsbereitschaft

Vermitteln Sie Ihren Mitarbeitern Anerkennung


Befragt man hundert Unternehmen, werden hundert bestätigen,
dass wertschätzende Anerkennung für den Mitarbeiter ein unab-
dingbarer Erfolgsfaktor sei. Befragt man jedoch die Mitarbeiter in
diesen Unternehmen, wie viel Prozent von ihnen würden wohl be-
stätigen, dass diese Überzeugung tatsächlich im Alltag gelebt wird?
Welche Wirkung Incentives erzeugen
Incentives Oft versuchen Arbeitgeber, über Incentives aller Art die Leistungsbe-
erzeugen reitschaft ihrer Mitarbeiter zu steigern und ihnen ihre Wertschät-
Erwartungs
zung zu zeigen. Da gibt es Seminar auf Mallorca, Tagungen in no-
haltung
blen und teuren Hotels, die Stellung von Statussymbolen und von
hoher sozialer Sicherheit. Allerdings heben solche „Goodies“ die
Motivation und Zufriedenheit der Arbeitnehmer nicht unbedingt.
Vielmehr führen sie dazu, dass diese ihre Ansprüche ständig nach
oben schrauben – weil sie verwöhnt und übersättigt sind und weil
echte Erfolgserlebnisse fehlen.
Den Schlüssel zur Leistungssteigerung im Unternehmen bildet da-
gegen ein ganz anderer, viel schlichterer und unaufwendigerer
Punkt: Es geht darum, dem Mitarbeiter Anerkennung zu zollen.

Kienbaum Expertentipp: Gehalt oft weniger wichtig


Anerkennung spielt sich bei weitem weniger über das Gehalt ab, als oft
angenommen. Wenn Ihr Mitarbeiter klagt: „Das bekomme ich gar nicht
bezahlt!“, dann ist das selten eine Forderung nach mehr Gehalt, sondern
oft nach mehr Anerkennung. Häufiger als angenommen versuchen
Arbeitnehmer, mangelnde menschliche Anerkennung und Wertschät
zung durch die Forderung nach einem höheren Geldbetrag zu kompen
sieren. Solange Sie nicht erkennen, dass eine andere Botschaft dahinter
steckt, werden Sie immer wieder gute Mitarbeiter an die Wettbewerber
verlieren, die etwas mehr Geld bieten.

Wieso Anerkennung einen größeren Effekt erzielt


Bedeutung von Anerkennung bedeutet, dass die Anstrengung und die Initiative, die
Anerkennung ein Mitarbeiter einbringt, und die Erfolge, die daraus erwachsen,
vom Arbeitgeber in Form von persönlicher Bestätigung oder Wei-
terentwicklung im Unternehmen honoriert wird. Dem Mitarbeiter

70
Machen Sie es Ihren Mitarbeiter leichter, motiviert zu sein 2
Anerkennung zu zeigen, ist auf verschiedenen – verbalen und non-
verbalen – Wegen möglich, etwa:
• durch ein kurzes Lob zwischendurch oder ein längeres Gespräch, Varianten der
in dem die gute Leistung ausdrücklich hervorgehoben wird, Anerkennung
• durch die Würdigung der Leistung des Einzelnen oder des ge-
samten Teams im Beisein eines Dritten (z. B. des Kunden oder
eines Vertreters der nächsthöheren Hierarchiestufe),
• durch kurze anerkennende Gesten, z. B. bestätigendes Nicken,
wenn der Mitarbeiter im Meeting einen guten Vorschlag einge-
bracht hat,
• indem er in Entscheidungen einbezogen wird, seine Meinung
Gewicht erhält,
• durch eine Beförderung oder die Teilnahme an einer begehrten
Fortbildung etc.
In der Konsequenz binden solche Gesten einen Mitarbeiter viel Was Anerken
nachhaltiger als permanentes (Über-)Motiviertwerden. Anerken- nung bewirkt
nung bewirkt zwei Dinge im Mitarbeiter:
1. Sein Selbstwirksamkeitsempfinden steigt, d. h., er gewinnt die
Überzeugung, selbst wirksam werden zu können.
2. Aufgaben oder Situationen, die durch Kollegen und den Vorge-
setzten positiv bewertet werden, erzeugen in der Konsequenz
eine optimistische und selbstbewusste Einstellung gegenüber
neuen Herausforderungen.
Erfolg und ehrliche Anerkennung wirken motivierend und tragen
positiv zur eigenen Entwicklung bei.
Regeln für das Lob
Die Verantwortung für die Anerkennung der Leistung des Mitarbei-
ters liegt vollständig beim Vorgesetzten. Auch wenn dieser womög-
lich keinen großen Einfluss auf deren Vergütung hat, obliegt es ihm
ganz direkt, Lob und Wertschätzung auszudrücken. Dies ist keine
Folge der Unternehmenskultur oder des „allgemeinen“ Klimas,
sondern entspringt unmittelbar dem Umfeld, dass die Führungskraft
maßgeblich mitgestaltet.
Damit die Anerkennung ihre volle Wirkung entfalten kann, sollten
bei ihrer Anwendung einige Regeln beachtet werden.

71
2 Wollen: Fördern Sie die Leistungsbereitschaft

• Lob bezieht sich immer auf positiv wahrgenommenes Verhalten


oder Leistung in ganz konkreten Situationen.
• Grundlage sollte ein beobachtetes Verhalten sein.
• Das gelobte Verhalten darf nicht banal oder selbstverständlich
sein, sonst fühlt sich der Mitarbeiter nicht ernst genommen.
• Im Vordergrund stehen Eigenschaften und Stärken, die am Mit-
arbeiter geschätzt werden und die es gilt, weiter auszubauen.
Lob und Kritik Übrigens funktioniert Anerkennung nur in Zusammenspiel mit
gehören Kritik. Arbeitnehmer wissen, dass sie Fehler machen und dass diese
zusammen
auch durchaus bemerkt werden. Wichtig ist also, dass sie sich den-
noch trauen, neue Wege zu gehen, Fehler riskieren und dass sie
dann nicht gleich gravierende Konsequenzen befürchten müssen.
Daher ist ein Chef, der ausschließlich lobt, unglaubwürdig und
einer, der nur kritisiert, demotivierend. Aber: Die Anerkennung
sollte in der Summe überwiegen.

Kienbaum Kompetenztest: Wie zollen Sie Anerkennung?


Reflektieren Sie Ihr eigenes Verhalten in puncto Anerkennung:
Wann ist Ihnen zuletzt bei einem Ihrer Mitarbeiter ein Verhalten aufge
fallen, das anerkennungswürdig war? Wie haben Sie darauf reagiert?
Welche Form der Anerkennung haben Sie dafür gewählt?
Welche anderen Formen der Anerkennung kennen Sie?
Gibt es Situationen, in denen Sie Leistungen besonders gern würdigen?
Haben Sie feststellen können, dass Sie in bestimmten Situationen un
gern Anerkennung aussprechen (z. B. vor Dritten im Meeting)?
In welchem Verhältnis stehen bei Ihnen anerkennendes und kritisches
Feedback, das Sie an Mitarbeiter weitergeben?
Loben Sie Ihre Mitarbeiter alle im gleichen Ausmaß oder stellen Sie fest,
dass Sie einen Kollegen bevorzugen oder benachteiligen?

72
Machen Sie es Ihren Mitarbeiter leichter, motiviert zu sein 2
So sollten Sie Ihr Feedback gestalten
Lob ist also ein wesentlicher Wegweiser, der dem Mitarbeiter zeigt, Feedback als
wie seine Leistung gesehen wird. Aber Anerkennung allein reicht Richtungs
weiser für die
nicht aus, um von einer qualitativ hoch entwickelten Feedback-
persönliche
Kultur sprechen zu können. Praktisch jedes Gespräch, das eine Füh-
Entwicklung
rungskraft mit ihrem Mitarbeiter führt, enthält Feedback: ritualisier-
te Mitarbeitergespräche, in denen eine offizielle Rückmeldung er-
folgt, gehören ebenso dazu wie unvorbereitete Situationen, die dazu
Gelegenheit geben. Gerade dann empfinden Mitarbeiter das Feed-
back als besonders authentisch – da es spontan und unvorbereitet
geschieht. Selbst Kritik, die eine Führungskraft wohlwollend, kon-
kret, lösungssuchend und verhaltensbezogen äußert, kann die Loya-
lität des Mitarbeiters stärken.
Feedback sinnvoll nutzen
Ritualisierte Feedback-Situationen wie z. B. Beurteilungssysteme,
Zielvereinbarungen, Mitarbeitergespräche und andere ähnlich gela-
gerte Instrumente gibt es inzwischen in vielen Unternehmen. Füh-
rungskräfte berichten gelegentlich von einem „merkwürdigen Ge-
fühl“ und einer gewissen „Künstlichkeit der Situation“, wenn sie
erstmals in einer ritualisierten Feedback-Situation agieren. Dies
erklärt sich in der Regel daraus, dass eine Feedback-Kultur als solche
noch nicht existiert und die etwas ungewohnte Situation merkwür-
dig „gewollt“ wahrgenommen wird. Diesem Unbehagen ist leicht
entgegenzuwirken durch häufige und regelmäßige Nutzung.
Sie sollten die folgenden Feedback-Regeln beachten, um Ihre Rück-
meldungen motivierend, authentisch und konstruktiv einsetzen zu
können. Dies gilt sowohl für sämtliche spontanen Situationen als
auch für die ritualisierten Gesprächsanlässe.
• Beschreiben Sie ihre Wahrnehmung als eigenes Erleben, nicht als Regeln für das
Tatsachen. Feedback
• Werten Sie nicht die Person als Ganzes, sondern gehen Sie bei
Ihrer Bewertung differenziert vor.
• Beziehen Sie sich auf konkrete Situationen.
• Sprechen Sie in einem partnerschaftlichen Ton.
• Vermeiden Sie Allgemeinplätze.

73
2 Wollen: Fördern Sie die Leistungsbereitschaft

• Artikulieren Sie Wünsche, Informationen und Kritik als Ich-


Botschaften und argumentieren Sie aus Ihrer eigenen Perspektive
heraus.
• Versuchen Sie nicht, die Probleme anderer zu lösen, sondern
regen Sie eine Lösungssuche an.
• Fragen Sie sich selbst, ob das, was Sie sagen, Ihnen selbst in die-
ser Art und Weise helfen würde.
• Bedanken Sie sich für das Gespräch und beenden Sie es in jedem
Falle ermunternd.

Spontane Rückmeldung nutzen


Hoher Lern Situatives Feedback ist im Verständnis vieler Führungskräfte kein
effekt durch Feedback im engeren Sinne. Wir halten jedoch gerade die tägliche
schnelles
Interaktion für ein wesentliches Steuerungsinstrument. Hier kann
Feedback
der Vorgesetzte ganz gezielt auf Verhalten und Leistung des Mit-
arbeiters in der konkreten Situation eingehen und positives wie auch
kritisches Feedback differenziert geben. Gerade diese situative, spon-
tane Rückmeldung erzielt einen hohen Lerneffekt, da eben gezeigtes
Verhalten oder Leistung direkt verstärkt oder aber gleich korrigiert
werden können. Darum sollten Sie im situativen Feedback Sorgfalt
und Wissen genauso wie in ritualisierten Zieldialogen und Mitarbei-
tergesprächen etc. einsetzen und nicht für den Rest des Jahres außer
Kraft setzen. Hinzu kommt, dass die meisten Aktionen einer Füh-
rungskraft von Mitarbeitern grundsätzlich als Feedback gewertet
werden. Die Faustregel lautet: Je spontaner sich die Situation ergibt,
umso kürzer ist die Zeitspanne, auf die sich ein Feedback bezieht.

74
Machen Sie es Ihren Mitarbeiter leichter, motiviert zu sein 2
Situatives Feedback Ritualisiertes Feedback
Wertschätzung: Wertschätzung:
Allgemeine Wertschätzung wird eher Allgemeine Wertschätzung wird zu
nonverbal, körpersprachlich vermittelt sätzlich verbal vermittelt und bezieht
und äußert sich im Tonfall, Zuwendung, sich auf die generelle Wertschätzung
Mimik. des Menschen, so wie er ist, nicht auf
Eigenschaften oder Stärken.
Kritik/Zielabweichung: Kritik/Zielabweichung:
Nur zur Klärung von Missverständnissen Anhand konkreter Situationsbeschrei
oder kleinen Abweichungen geeignet. bungen werden Trends in Verhaltens
Was sich nicht in fünf Minuten regeln weisen und Kompetenzen themati
lässt, ist zu terminieren und vorzuberei siert, in denen der Vorgesetzte die
ten. Notwendigkeit einer Veränderung
sieht.
Anerkennung: Anerkennung:
Auf konkrete Situationen in kürzester Auf konkrete Situationen im bespro
Vergangenheit bezogen, sinnvollerweise chenen Zeitraum bezogen, die Aus
bereits beim ersten Zusammentreffen druck genereller Stärken und Eigen
nach der Situation. schaften sind, die die Führungskraft
schätzt.
Methode: Methoden:
3PunktVerstärker (s. Seite 111) Gesprächsleitfäden
Zieldialoge
Beurteilungssysteme u.v.m.

Kienbaum Kompetenztest: Wie ist Ihr FeedbackVerhalten?


Reflektieren Sie über eine Woche hinweg Ihr eigenes Feedback
Verhalten gegenüber Ihren Mitarbeitern.
In welchen Situationen konnten Sie situativ Feedback geben? Was ist
Ihnen dabei gut gelungen? Was fiel Ihnen schwer? Wo entdecken Sie
Handlungsfelder für sich selbst?
In welchen Situationen hätten Sie vielleicht aufmunternd, lobend oder
anerkennend agieren können, ohne es getan zu haben? Was hat Sie
daran gehindert?

75
2 Wollen: Fördern Sie die Leistungsbereitschaft

2.4 Bieten Sie herausfordernde Ziele


Warum Ziele so Menschen sind stets darum bemüht, Ziele, die mehr oder weniger
wichtig sind deutlich ausformuliert sind, zu verfolgen – ganz gleich, ob es um
eine berufliche Weiterentwicklung geht oder darum, für den Sport-
verein ein überregionales Treffen zu organisieren. Ziele geben der
Arbeit und dem Leben mehr Sinn, motivieren, steigern die Leis-
tungsfähigkeit und setzen Kräfte und Energie frei. Anspruchsvolle
Ziele wirken herausfordernd und fordern den Ehrgeiz der Menschen
heraus. Menschen wollen nicht nur verstehen, was sie tun, sie wollen
auch den Sinn im eigenen Tun erkennen. Das ist allerdings nur
möglich, wenn es für Ihr Handeln sinnvolle Ziele gibt. Wenn ein
Unternehmen seine Mitarbeiter begeistern will, möglichst viel von
ihrer physischen und psychischen Energie für seine Zwecke nutzen
will, so muss es ihnen einen gemeinsamen Geschäftsgegenstand, ein
gemeinsames Ziel bieten.

Wie Sie Ziele kommunizieren können


Vorgaben Es ist wichtig, dass die Mitarbeiter in einem Unternehmen verste-
müssen ver hen, was sie tun, die Dinge, mit denen Sie umgehen, durchdringen
ständlich sein
und so den Sinn ihres Handeln erkennen. Im ersten Schritt der Ziel-
definition gilt es also, die zu erledigenden Aufgaben in ein großes
Gesamtbild einzubinden.
Beispiel: Ziele transparent machen
In einer Papierfabrik müssen Stichproben gemacht werden, ob die ver
packte Blattzahl korrekt ist. Dazu müssen 20 Packungen Papier zu je
500 Blatt von Hand nachgezählt werden. Das ist keine Aufgabe, die im
Höchstmaß ansprechend ist. Die Führungskraft hat nun zwei Möglich
keiten, die Tätigkeit zu delegieren.
Variante 1: „Zählen Sie diese 20 Packungen Papier von Hand nach und
notieren Sie, wie viel Blatt jeweils darin sind.“
Variante 2: „Wir haben zurzeit die Aufgabe, einen Qualitätscheck zu
machen. Vom Ergebnis unserer Zählung hängt ab, ob wir in eine neue
Verpackungsanlage investieren oder ob wir das Geld sparen können.
Darum brauchen wir genaue Informationen! Wir machen hier eine
Stichprobe mit 20 Packungen ...“

76
Bieten Sie herausfordernde Ziele 2
Auch in der zweiten Variante wird sich niemand darum reißen, das
Papier von Hand nachzuzählen. Aber vor dem Hintergrund der
Kenntnis des übergeordneten Zusammenhangs ist es sinnvoll, die
Aufgabe zu erfüllen. Im ersten Fall dagegen muss die Aufgabe auf
die Arbeitnehmer eher den Eindruck einer Beschäftigungstherapie
erwecken. Das hat Auswirkungen auf die Qualität des Ergebnisses.
Jemandem, der auf Basis der ersten Variante arbeitet, ist die Bedeu-
tung seines Handelns nicht bewusst und es ist gut vorstellbar, dass er
nachlässig zählt oder einfach zufällig Angaben macht. Wem aber die
Aufgabenstellung genau kommuniziert wurde, dem ist es eher mög-
lich, auch exakt zu zählen, da ihm sein Tun sinnvoll erscheint.
Herleitung aus den Unternehmenszielen
Aus den Unternehmenszielen lassen sich step-by-step für jeden Unternehmens
einzelnen Mitarbeiter Ziele entwickeln, die dann zum konkreten ziele als Grund
lage
Handeln überleiten. Allerdings müssen die globalen und gelegent-
lich abstrakt formulierten Unternehmensziele in beschreibbare,
eindeutige und messbare Größen übersetzt werden.
In der Praxis werden die Vorgaben schrittweise über die einzelnen
Etagen der Hierarchie heruntergebrochen: von den Unternehmens-
zielen zu den Bereichs-, Abteilungs- und Teamzielen. Am Schluss
dieser Überlegungen steht dann die individuelle Zielsetzung für
jeden einzelnen Mitarbeiter. Sie ist für jeden Mitarbeiter verschie-
den: Jeder arbeitet in einem anderen Bereich mit anderen spezifi-
schen Anforderungen und ist Spezialist für etwas anderes.

77
2 Wollen: Fördern Sie die Leistungsbereitschaft

global

langfristige Unternehmensziele

Wirkungsbeschreibung
kurzfristige Unternehmensziele

Zielableitung
Geschäftsbereichsziele

Abteilungsziele
Teamziele

Mitarbeiter
ziele

konkret

Zielhierarchie – Ableitung von Mitarbeiterzielen

Beispiel: Zielableitung für einen einzelnen Mitarbeiter


Unternehmen Umsatzsteigerung um 30 Prozent in den nächsten
drei Jahren
Bereich Marketing Erschließung neuer Märkte zur Absatzsteigerung
und Vertrieb:
Projektteam Installation einer ECommercePlattform
„ECommerce“
Webmaster Fred X. Entwurf des ECommerceLayouts in Anlehnung
und Erweiterung des bestehenden Corporate De
signs

Welche Auswirkung hat die individuelle Arbeit?


Nutzen Um dem Arbeitnehmer zu zeigen, worin der Nutzen seiner Arbeit,
argumentation sein Anteil am Unternehmenserfolg liegt, ist es sinnvoll, den genau
führt zum
umgekehrten Weg innerhalb der Zielhierarchie des Unternehmens
Unternehmens
zu gehen: nicht „top-down“, also von „oben“ nach „unten“, sondern
ziel
„bottom-up“. Die Nutzenargumentation sollte in diesem Fall über
den Beitrag des Mitarbeiters zum Teamziel über die Bereichsziele bis
hin zum globalen Unternehmensziel vorgehen.

78
Bieten Sie herausfordernde Ziele 2
Welche Zielarten gibt es?
In der Regel wird dem Mitarbeiter nicht nur eine einzige Vorgabe Qualitativ
zur Erreichung gemacht. Die möglichen Zielsetzungen stammen aus unterschied
liche Quellen
qualitativ unterschiedlichen Quellen. Einige beziehen sich auf den
von Zielen
Umsatz oder die zu erreichende Stückzahl, andere befassen sich mit
der persönlichen Entwicklung des Arbeitnehmers. Insgesamt lassen
sich sieben Zielbereiche unterscheiden, die als Kriterien dienen
können.
Zielbereich Inhalt
Erledigungsziele z. B. Termineinhaltung
Operative Ziele z. B. Dokumentation und Administration
Performanceziele z. B. Qualitätssteigerung, Steigerung der Quantität
Qualifizierungsziele z. B. Weiterbildung, Erwerb bestimmter Kompetenzen
Projektziele z. B. Aufbau neuer Bereiche, neue Konzeptionen
Ergebnisziele z. B. Umsatz, Profit (soweit in alleiniger Verantwortung)
Persönliche Ziele z. B. Verbesserung des eigenen Zeitmanagements

Bei den Zielvereinbarungen (s. u.) ist es sinnvoll, dass sich:


• möglichst unterschiedliche Zielsetzungen wiederfinden,
• unterschiedliche Zielsetzungen gegenseitig beeinflussen bzw.
miteinander verwoben sein können.
Alle Ziele sollen natürlich realistisch erreichbar sein, aber gleichzei- Erreichbarkeit
tig auch eine Herausforderung darstellen. Daher ist es wichtig, dass ist Vorausset
zung
die Entscheidungs- und Handlungsspielräume auch für den Mit-
arbeiter ausreichend groß sind, um darin so agieren zu können, dass
er die abgesprochenen Vorgaben erreichen kann (s. Seite 114).

Kienbaum Kompetenztest: Welche Zielqualitäten liegen vor?


Untersuchen Sie, welche der unterschiedlichen Zielqualitäten sich in
Ihren eigenen Zielvereinbarungen finden.
Erstellen Sie im Anschluss eine exemplarische Gliederung des Auf
gabengebiets Ihrer beiden wichtigsten Mitarbeiter anhand dieser Ziel
setzungen. Arbeiten Sie gedanklich zuerst mit demjenigen Ihrer Mit
arbeiter, der Ihrer Meinung nach am stärksten ist.

79
2 Wollen: Fördern Sie die Leistungsbereitschaft

Wie Sie Ziele so formulieren, dass sie motivierend wirken


SmartPure Für die konkrete Ausformulierung von Zielen hat sich die Smart-
ClearFormel Pure-Clear-Formel bewährt. Dieser Name setzt sich zusammen aus
für gute Ziel
den Anfangsbuchstaben der folgenden Worte:
formulierungen
S pezific (spezifisch) P ositive (positiv C hallenging
M easurable (messbar) formuliert) (herausfordernd)
A ttainable (erreichbar) U nderstood L egal
(verstanden) E nvironmentally sound
R ealistic (realistisch)
T ime phased (zeitlich R elevant (umweltverträglich)
untergliedert) E thical (moralisch A greed (akzeptiert)
vertretbar) R ecorded (protokolliert)

Arbeiten Sie mit Zielvereinbarungen


Echtes Commitment lässt sich, wie schon besprochen, nur dann
erreichen, wenn sich die Beteiligten in einer gleichberechtigten Part-
nerschaft befinden. Verlangt das Unternehmen Loyalität gegenüber
seinen Ziele, so darf der Mitarbeiter ebenso Loyalität für seine Ziele
erwarten. Im günstigsten Fall ziehen beide Nutzen aus der Partner-
schaft – in Sinne einer „Win-win-Konstellation“. Dann kommt es zu
einer langfristigen und guten Zusammenarbeit. Dazu ist es aber
notwendig, die Ziele von Unternehmen und Mitarbeiter miteinan-
der zu verknüpfen: Aus der Selbstverpflichtung für die eigenen Ziele
entsteht die Verpflichtung gegenüber den Unternehmenszielen.
Vereinbaren Sie Ziele gemeinsam
Ziele verein Ein gutes Instrument zur Verknüpfung von Unternehmens- und
baren, nicht Mitarbeiterzielen sind die Zielvereinbarungen zwischen der Füh-
vorgeben
rungskraft und dem Mitarbeiter. Wenn Letzterer zu eigenverant-
wortlichem Handeln angespornt werden soll, sind sie unverzichtbar.
Wesentlich ist dabei, dass es sich tatsächlich um Vereinbarungen
und nicht um bloße Vorgaben „von oben“ handelt.
Ziele aus den Bereichen Wollen, Können und Dürfen
Damit Zielvereinbarungen ihre volle motivationale Kraft entfalten
können, sollten in ihr alle drei Säulen der Motivation, das Wollen,
das Können und das Dürfen berücksichtigt sein.

80
Bieten Sie herausfordernde Ziele 2
• Wollen: Einbeziehen persönlicher Wünsche und Erwartungen
des Mitarbeiters zur Zielvereinbarung
• Können: Berücksichtigung vorhandener und auszubauender
Kompetenzen
• Aushandlung des notwendigen und erwünschten Handlungs-
spielraums

Folgen von Zielvereinbarungen im Unternehmen


Die Existenz von Zielvereinbarungen hilft der Führungskraft nicht Unternehmen
nur dabei, den Mitarbeiter zu steuern. Auch im Unternehmen haben profitieren von
Zielvereinba
sie weitreichende Folgen, denn sie zeigen dem Arbeitnehmer deut-
rungen
lich, wie sein Handeln im Gesamtgefüge wirkt. Außerdem stellen sie
durch eindeutige Formulierungen und Messgrößen, dass unklare
Vorgaben in Sackgassen führen und so demotivierend wirken. Wei-
tere Vorteile von Zielvereinbarungssystemen sind:
Für das Unternehmen Für den Mitarbeiter
• Es herrscht Transparenz über die • Diskussionen mit der Führungskraft
Ziel und Aufgabenaufteilungen über Aufgaben, Ziele und Hand
in den einzelnen Organisationsein lungsspielräume werden möglich.
heiten. • Transparenz über die Erwartungen
• Planvolles Handeln wird ermöglicht. an die eigene Person und die Zielset
• Zielkonflikte können aufgedeckt zungen der Firma wird geschaffen.
werden. • Es entsteht Sicherheit durch fort
• Leistungs, Kosten und Terminbe laufende Standortbestimmung.
wusstsein werden gestärkt. • Erfolgserlebnisse werden durch das
• Eigeninitiative wird gefördert. Erreichen von Teilzielen vermittelt.
• Eine objektive Leistungsbeurteilung • Durch die Bewältigung anspruchs
ist möglich. voller Aufgaben besteht die Mög
lichkeit zur Selbstbestätigung.
• Weiterbildungsbedarf kann konkreti
siert werden. • Selbstständiges Handeln und Selbst
steuerung werden mittelfristig mög
• Die Kommunikation verbessert und
lich gemacht.
intensiviert sich.
• Es findet eine bessere Abstimmung • Die gezielte Kompetenzvermittlung
ist ein Weg zur Selbstverwirklichung.
untereinander und mit anderen Be
reichen statt.
• Performanceorientierte Vergütung
wird objektiv ermöglicht.

81
2 Wollen: Fördern Sie die Leistungsbereitschaft

Zielvereinbarungsgespräche sind besondere Gespräche


Das Zielvereinbarungsgespräch ist eine spezielle Form des Mitarbei-
tergesprächs und weist spezifische Merkmale auf. Es legt die operati-
ven Ziele fest, die der Mitarbeiter innerhalb eines bestimmten Zeit-
raums (meist innerhalb eines Jahres) erreichen soll. Sie ermöglichen
es, die Performance des Mitarbeiters objektiv zu erfassen. Denn
wenn die Ziele klar gesetzt und mit messbaren Kriterien hinterlegt
sind, kann die Leistungsbeurteilung für Vorgesetzte und Mitarbeiter
nachvollziehbar erfolgen und gegebenenfalls wie vereinbart vergütet
werden.
Unterstützung Damit die zahlreichen Vorteile, die ein Zielvereinbarungssystem mit
durch das Top sich bringt, auch greifen können, müssen natürlich einige Voraus-
Management
setzungen erfüllt sein – und typische Fehler, die den positiven Effekt
notwendig
gefährden, gilt es zu vermeiden. Jene Führungskräfte, die es anwen-
den, müssen daher ausreichend geschult und trainiert sein, um im
konkreten Gespräch professionell mit dem Instrument umgehen zu
können. Wichtig ist auch, dass das Zielvereinbarungssystem Unter-
stützung durch das Top-Management erfährt.

82
Bieten Sie herausfordernde Ziele 2
Checkliste: Grundsätze des Zieldialogs 9
Die Ziele werden gemeinsam mit dem Mitarbeiter erarbeitet.
Seine persönlichen Neigungen, Interessen und Stärken werden berück
sichtigt.
Die Führungskraft befragt den Mitarbeiter nach dessen Vorstellungen,
worin in nächster Zeit sein Beitrag zur Umsetzung der Unternehmensziele
bestehen könnte.
Die beruflichen Entwicklungsziele des Mitarbeiters werden erfragt und
skizzenhaft festgehalten. Sie dienen als Verknüpfungspunkte mit den
Unternehmenszielen.
Die Führungskraft erläutert dem Mitarbeiter, worin sie selbst die möglichen
Zielsetzungen sieht, und begründet ihre Ansicht.
Die TopdownAbleitung der individuellen Ziele aus den globalen Zielen
wird dem Mitarbeiter transparent gemacht. Die positiven Auswirkungen
seiner Arbeit werden bottomup erläutert.
Gemeinsam mit dem Mitarbeiter erfolgt eine Überprüfung, in welchen
Punkten hinsichtlich der Zielvorstellungen Übereinstimmung herrscht und
wo Abweichungen existieren.
Die Übereinstimmungen werden sofort festgehalten.
Die Abweichungen werden analysiert:
− Welche möglichen Zielsetzungen sind für den Mitarbeiter noch vor
stellbar, welche hat er möglicherweise übersehen?
− Mit welchen kann er sich aus welchen Gründen nicht einverstanden er
klären? Worin liegen die Hindernisse?
− Was müsste bei diesen Zielsetzungen passieren, damit sie akzeptabel
werden? Welche Veränderungen sind realistisch?
Welchen Nutzen könnte der Mitarbeiter hinsichtlich der eigenen Entwick
lung aus der Zielerreichung ziehen, wenn er sich diesen Herausforderungen
stellt?
Die Zielsetzungen, die sich nach der Analyse ergeben haben, werden festge
halten, ebenso, welche Veränderungen hinsichtlich der Rahmenbedingun
gen, Voraussetzungen, Kompetenzen und Organisation mit ihnen verbunden
sind.
Die Mitarbeiterziele werden sowohl für die Führungskraft als auch für den
Mitarbeiter schriftlich festgehalten. Dabei wird die Verknüpfung der Mit
arbeiterziele mit den Unternehmenszielen besonders herausgestellt.

Für die schriftliche Fixierung bietet es sich an, vorgefertigte Zielver-


einbarungsbögen zu verwenden.

83
2 Wollen: Fördern Sie die Leistungsbereitschaft

Zielvereinbarung
für die Zeit von bis
Mitarbeiter:
Personalnummer:
Abteilung:
Datum:
Ziel 1 (z. B. Projektziel):

Sich ergebender Beitrag zum Unternehmens/Bereichsziel:

Ziel erreicht, wenn:

Teilaufgaben: Notwendiger Anzusprechende Partner:


Kompetenzaufbau:
1

Hilfestellung durch Vorgesetzten:


Mögliche Hindernisse:
Teilzielerreichung bis:
2.

Hilfestellung durch Vorgesetzten:


Mögliche Hindernisse:
Teilzielerreichung bis:
3.

Hilfestellung durch Vorgesetzten:


Mögliche Hindernisse:
Teilzielerreichung bis:
4.

84
Bieten Sie herausfordernde Ziele 2
Häufige Fehler beim Einsatz von Zielvereinbarungssystemen
Bei der Vereinbarung von Zielen gibt es zahlreiche Fehlermöglich-
keiten. Die häufigsten sind:
• Es werden zu wenige oder zu viele Ziele gesetzt, ohne zu beach- Fehler, die Sie
ten, wie diese zusätzlichen, neuen Aufgaben das Tagesgeschäft vermeiden
sollten
beeinflussen werden.
• Die Ziele werden zu hoch oder zu niedrig gesetzt:
− Eine zu hohe Zielsetzung demotiviert eher, weil die Errei-
chung eher unwahrscheinlich wirkt.
− Eine zu niedrige Zielsetzung lässt den Mitarbeiter in Lange-
weile verfallen. Es besteht die Gefahr, dass eine Art „Beschäf-
tigungstherapie“ unterstellt wird.
• Erfüllungszeiträume werden zu lang oder zu kurz angesetzt.
• Die Zielerreichung ist nicht messbar.
• Der Aufwand für die Messung der Zielerreichung ist zu hoch.
• Die verschiedenen möglichen Zielarten sind zu gering durch-
mischt.
• Es besteht eine einseitige Ausrichtung an Umsatz- und Ertrags-
zahlen, ohne Berücksichtigung dessen, was andere Zielsetzungen
langfristig dazu beitragen können.

Kienbaum Kompetenztest: Zielvereinbarungen vorbereiten


Wie gut bereiten Sie sich auf Ihre Zielvereinbarungsgespräche vor?
Überlegen Sie vor jedem entsprechenden Gespräch mit Ihrem Mitarbei
ter die folgenden Punkte:
• Welche Ziele werden mir gesetzt?
• Welche Ziele würden meinen Mitarbeiter fördern?
• Welche Ziele möchte ich meinem Mitarbeiter setzen?
• Kann es zu Interessenkonflikten oder entgegengesetzten Ein
schätzungen kommen?
• Welche Schwierigkeiten können bei der Durchführung entstehen?
• Welche Personen sind beteiligt?
• Wie realistisch sind die organisatorischen Bedingungen?
• Welche Unterlagen, Informationen und Hilfsmittel müssen zur Ver
fügung stehen?
• Welche Kontrollen müssen vereinbart werden?

85
3 Können: Stellen Sie die
Leistungsfähigkeit sicher

Die zweite Säule im Motivationsgefüge nach dem Wollen ist das


Können, sprich die Leistungsfähigkeit. Sie ist vergleichbar mit einer
Pyramide aus den Bereichen Fachkompetenzen, Verhaltenskompe-
tenzen und Persönlichkeitseigenschaften.
Kompetenz Es ist sinnvoll, die Entwicklung dieser Kompetenzen an den persön-
entwicklung lichen und beruflichen Zielsetzungen auszurichten. Nur wenn ent-
entlang der
sprechende Fertigkeiten im Menschen vorhanden sind, hat er die
Ziele
Chance, seine selbst gesetzten Ziele zu erreichen. Da zur Leistungs-
fähigkeit auch die physische und psychische Konstitution gehören,
ist zudem eine Balance zwischen Anspannung und Entspannung
notwendig, um die Leistungsbereitschaft zu erhalten.

3.1 Welche Kompetenzen brauchen Sie?


Ebenso wie sich aus einem Unternehmensleitbild die Ziele für die
verschiedenen Unternehmensbereiche ergeben, kann jeder Mensch
für sich selbst Ziele definieren, die die verschiedenen Lebensbereiche
betreffen. Persönliche Zielsetzungen stehen bewusst am Beginn
dieses Abschnitts. Sie sind die Messgrößen, anhand derer das Kön-
nen und sein Beitrag zur Leistungsentfaltung ermittelt werden. Erst
wenn feststeht, welche Ziele es zu erreichen gilt und welche Schritte
dafür notwendig sind, ist es möglich, die eigenen Fähigkeiten dar-
aufhin einzuschätzen und gegebenenfalls zu optimieren.

Basis bildet das individuelle Lebenskonzept


Im persönlichen Lebenskonzept findet sich bereits eine Vision da-
von, wie die eigenen Werte und Träume in der Realität Gestalt an-
nehmen (s. Seite 51). Aus dieser Vision lassen sich die persönlichen
Zielsetzungen ableiten: Aus den Träumen werden messbare Größen

86
Welche Kompetenzen brauchen Sie? 3
und Tatsachen. Dadurch ist es möglich, nach Ablauf eines zuvor
definierten Zeitraums auf einen Blick zu überprüfen, ob der Zielzu-
stand erreicht wurde oder nicht.
Beispiel: Vom Lebenskonzept zur Zielsetzung
Das Lebenskonzept einer Führungskraft enthält das Thema Wohneigen
tum. Sie leitet daraus die Zielsetzung ab, die eine nähere Beschreibung
des Zielzustands und den Zeitraum bis zu seiner Erreichung enthält.
„Ich werde in fünf Jahren in der näheren Umgebung von Hamburg ein
eigenes Haus besitzen.“
Auch den Bereich der beruflichen Entwicklung thematisiert die Person.
Ihre Zielsetzung hier lautet: „In drei Jahren will ich in der Lage sein, ein
Projekt in der Größe von einer Million Euro und das dazugehörige sie
benköpfige Projektteam einschließlich der unternehmerischen Entschei
dungen über Budgets und Verträge selbst zu steuern.”

Verschiedene Kompetenzen als Bausteine der


Leistungsfähigkeit
Wer seine Vorhaben umsetzen will, benötigt dazu Kompetenzen Verhaltenskom
ganz unterschiedlicher Natur. Selbstverständlich muss ein bestimm- petenzen,
Fachwissen und
tes Fachwissen vorhanden sein, um die beruflichen Ziele zu errei-
persönliche
chen, aber das allein reicht nicht aus. Darüber muss die betreffende
Eigenschaften
Person auch bestimmte Verhaltenskompetenzen und persönliche
Eigenschaften aufweisen, die im beruflichen Umfeld und in allen
Lebensbereichen unabdingbar sind.
Beispiel: Erforderliche Kompetenzen ergeben sich aus Zielen
Ein Nachwuchsmanager will in zwei Jahren eine Position erreichen, in
der es erforderlich sein wird, vor großem Publikum und zur Presse zu
sprechen. Beide Situationen liegen ihm derzeit nicht: Wenn er vor meh
reren Menschen eine Rede halten soll, plagt ihn Lampenfieber. Und er
hat festgestellt, dass er aus lauter Nervosität seine Sätze in Interviews
immer viel zu lang und kompliziert baut. Um sein Ziel dennoch errei
chen zu können, beschließt er, verschiedene Fortbildungen zu besuchen,
um seine Redeangst in den Griff zu bekommen. Bei einem Coach lernt
er, sein Lampenfieber zu überwinden. Er nimmt an einem Rede und
Interviewtraining teil und besucht einen RhetorikTrainer, der ihm hilft,
seine Gedanken auch unter Stress kurz und präzise zu fassen.

87
3 Können: Stellen Sie die Leistungsfähigkeit sicher

Fähigkeiten bauen aufeinander auf


Was die Fähig Kompetenzen lassen sich den folgenden drei Bereichen zuordnen:
keiten aus • Unter Fachkompetenzen versteht man die Kenntnisse, Fähigkei-
macht
ten und das Methodenwissen. Sie sind zur Bewältigung von Auf-
gaben notwendig. Das können Know-how über Absatzmärkte im
Ausland sein oder die Fähigkeit, systematische Stärken- und
Schwächenanalysen bezüglich bestimmter Prozesse zu unter-
nehmen.
• Verhaltenskompetenzen umfassen alle Fähigkeiten, die Men-
schen in ihrer Umwelt erfolgreich agieren lassen. Sie beziehen
sich auf den Umgang mit anderen Menschen, darunter fallen
z. B. kommunikative Fähigkeiten, das Verhalten im Team, die
Fähigkeiten, Verhandlungen und Konfliktgespräche zu führen.
In den Komponenten der beschriebenen emotionalen Intelligenz
(s. Seite 37) finden sich diese Verhaltenskompetenzen wieder.
• Persönlichkeitsmerkmale sind Eigenschaften, die sich über einen
langen Zeitraum entwickelt haben. Auf ihnen basieren alle ande-
ren Kompetenzen und Eigenschaften können nicht wie etwa
Fachkompetenzen im herkömmlichen Sinne rasch erlernt wer-
den. Langfristig sind Veränderungen aber durchaus möglich.
Persönlichkeitsmerkmale meinen z. B. Leistungsmotivation,
Stressresistenz, Sorgfältigkeit, Verantwortungsbewusstsein u. a.
Die Kienbaum Die drei verschiedenen Dimensionen Fachkompetenzen, Ver-
Kompetenz haltenskompetenzen und Persönlichkeitsmerkmale bauen aufeinan-
Pyramide
der auf.

Kienbaum Expertentipp: Erfolge stärken die Kompetenzen


Erfolgreich erbrachte Leistungen erzeugen neue Motivation. Deshalb
können Sie auch Ihre Leistungsbereitschaft dadurch stärken, dass Sie
Ihre Fähigkeiten bewusst entwickeln.

88
Welche Kompetenzen brauchen Sie? 3

Fachkom
petenzen

Methodenkompetenzen

Führungs
Soft Skills kompetenzen

Personale Kompetenzen

Die KienbaumKompetenzPyramide

Generell gilt: Je höher eine Kompetenz in der Kompetenz-Pyramide


angesiedelt ist, desto leichter ist sie entwickelbar.

Kienbaum Kompetenztest: Vom Lebenskonzept zum Ziel


Überlegen Sie anhand Ihres formulierten Lebenskonzepts, welche per
sönlichen Zielsetzungen für Sie machbar – und damit realistisch er
reichbar – sowie herausfordernd zugleich sind. Berücksichtigen Sie bei
der Zielformulierung, wie viel Zeit Sie für dieses Vorhaben einplanen
wollen, und beschreiben Sie den konkreten Zielzustand. Reflektieren
Sie,
• welchem Handlungsfeld (Karriere, Partnerschaft, Selbst) das Ziel
zuzuordnen ist,
• welche Ihrer Rollen davon betroffen sind,
• ob das Ziel eindeutig messbar ist.

Arbeiten Sie dabei nach dem hier abgebildeten Schema.

89
3 Können: Stellen Sie die Leistungsfähigkeit sicher

Rolle Rolle Rolle

Ziele, die mit dieser Ziele, die mit dieser Ziele, die mit dieser
Rolle verbunden sind Rolle verbunden sind Rolle verbunden sind:
• • •

• • •

• • •

Kienbaum Kompetenztest: Stand der Kompetenzen


Überlegen Sie, in welchem Entwicklungszustand sich Ihre Kompetenzen
befinden. Welche Fachkompetenzen, Verhaltenskompetenzen und wel
che Modifikationen in Ihren persönlichkeitsspezifischen Herangehens
weisen können hilfreich sein, um Ihre persönlichen Ziele zu erreichen?
Übernehmen Sie dazu Ihre Formulierungen aus dem Kompetenztest
oben.

Zielsetzung
Status quo – Grad der Zielerrei
chung zum heutigen Tag
Zu optimierende fachliche Kom
petenzen (Wissen, Fertigkeiten)
Entwicklungsfelder in den Verhal
tenskompetenzen (Umgang mit
anderen, Kommunikation, Ver
handlungen)
Zu modifizierende persönlich
keitsspezifische Ansichten, Her
angehensweisen und Tendenzen

90
Der Ausbau Ihrer Fähigkeiten 3
3.2 Der Ausbau Ihrer Fähigkeiten
Angesichts einer immer kürzeren Halbwertszeit des Fachwissens ist Jeder hat die
Fort- und Weiterbildung längst nicht mehr eine Aufgabe, um die Pflicht zur
Weiterbildung
sich nur der Arbeitgeber zu kümmern hat. Jeder Mensch sollte selbst
dafür Sorge tragen, dass sein Können auf der Höhe der Zeit bleibt.
Es existieren zahlreiche Möglichkeiten, um seine fachlichen Fähig-
keiten aktuell zu halten, und auch die Verhaltenskompetenzen las-
sen sich unter anderem durch entsprechende Trainings und Semina-
re ausbauen. Die Persönlichkeitsmerkmale zu beeinflussen, ist an-
spruchsvoller. An die Überlegung, welche Fähigkeiten auf- oder
ausgebaut werden müssen, schließt sich also im nächsten Schritt die
Frage an, auf welche Weise dies am besten geschehen sollte.

Welche Kompetenzen gilt es, zu entwickeln?


Die Verantwortung für die Entwicklung des eigenen Könnens trägt
also jeder Mensch selbst. Er beschließt, welche Fähigkeiten er in
welchem Maße erweitern will. Damit entscheidet er sich für oder Kompetenzent
gegen eine persönliche Veränderung – und letztlich auch, ob die wicklung
folgenden Schritte zum Aufbau und zur Erweiterung des persön- bedeutet Ver
lichen Kompetenzportfolios erfolgreich sein werden oder nicht. änderung
Die grundsätzliche Veränderungsbereitschaft bildet die Basis dafür,
aus den gegebenen Möglichkeiten das Beste für sich selbst herauszu-
holen. Erfolgreiche Menschen warten daher nicht, bis ihnen eine
Weiterbildung angeboten wird – sie sorgen selbst dafür.
Weiterbildungsmöglichkeiten für die einzelnen Kompetenzen
Für die einzelnen Kompetenzbereiche stehen jeweils verschiedene
Möglichkeiten zu Verfügung, die Fähigkeiten gezielt zu entwickeln.
Welche Maßnahme im Einzelfall geeignet ist, hängt von der konkre-
ten Situation und natürlich der betreffenden Person ab.

91
3 Können: Stellen Sie die Leistungsfähigkeit sicher

Möglichkeiten zum Kompetenzaufbau


Kompetenzbereich Möglichkeiten zur Entwicklung
Fachkompetenzen Fort und Weiterbildungen
Umschulungen
Fachliches Coaching
JobRotation
JobEnrichment und JobEnlargement
CBTProgramme
etc.
Verhaltenskompetenzen Verhaltenstrainings
Teamentwicklungstrainings
Trainingonthejob
Selbstreflexion auf der Verhaltensebene
Feedback
Coachingmaßnahmen
etc.
Persönlichkeitsmerkmale Coachingmaßnahmen
Selbstreflexion auf der Emotionsebene
etc.

Persönlichkeitsmerkmale über Erfahrungen verändern


Auch persön Persönlichkeitsmerkmale des Menschen wandeln sich im Laufe der
liche Eigen Zeit höchstens graduell. Die Veränderungen hängen ab von den
schaften lassen
Erfahrungen, die die Person in den entsprechenden Zeiträumen
sich entwickeln
macht. Außerdem bewegen sie sich nur in einem gewissen Rahmen.
Allerdings ist es möglich, die Erfahrungen, die ein Mensch macht
und die zu einer Veränderung beitragen, bewusst und positiv zu
beeinflussen. Wer seine Verhaltenskompetenzen entwickelt, kann
gleichzeitig gewisse Persönlichkeitsmerkmale – nicht alle – in eine
bestimmte Richtung entwickeln. Voraussetzung dafür ist jedoch,
dass diese Veränderungen von der Person selbst gewollt sind.

92
Der Ausbau Ihrer Fähigkeiten 3
Beispiel: Veränderungen von Persönlichkeitsmerkmalen
Empfindet sich ein Mensch z. B. als zu wenig selbstbewusst – ein
Merkmal aus der Persönlichkeitsebene – dann wird er vermutlich nur
mit hohem Energieaufwand zum begeisternden Entertainer werden.
Aber er kann durch bestimmte Trainingsmaßnahmen geeignete Verhal
tensweisen erlernen, die es ihm ermöglichen, in sozialen Situationen
positivere Erfahrungen zu machen. Das Ergebnis ist, dass sein Selbstbe
wusstsein tatsächlich wachsen kann. Beobachtungen des eigenen opti
mierten Auftretens führen zu veränderten Einstellungen der eigenen
Person gegenüber und „begeisterterem“ Verhalten.

Konstruktiver Umgang mit Fehlern


Fehler stellen eine wichtige Informationsquelle für die persönliche Fehler als
Entwicklung dar. Sie machen u. a. offensichtlich, an welchen Stellen Chance ver
stehen
Schwierigkeiten aufgetreten sind und wo Handlungsbedarf besteht.
Was ist, wenn ein Fehler passiert ist?
Wo gearbeitet wird, geschehen Fehler – das ist ganz natürlich. Ent-
scheidend ist, wie damit umgegangen wird.
Ist ein Fehler erst einmal passiert, kann er oft nicht rückgängig ge-
macht werden. Allerdings ist ein „Oh, mein Gott, was nun alles
passieren kann ...“ kaum hilfreich für das weitere Vorgehen. Wer
einen Fehler erkennt, sollte versuchen, das Beste aus der Situation zu
machen. Und das bedeutet: aus dem Fehler lernen. Wo liegen seine
Ursachen? Was muss beim nächsten Mal anders und besser gemacht
werden?
Ganz gleich, welche Folgen der Fehler noch nach sich ziehen wird,
sollte sich der Betreffende fragen:
• „Worin genau besteht die Abweichung zwischen Ist und Soll?“
• „Welche meiner Handlungen hat zum Fehler geführt?“
• „Was hat mich dazu bewegt, so und nicht anders zu handeln?“
• „Welchen Anteil habe ich am entstandenen Fehler, was haben
andere verursacht?“
• „Welche Möglichkeiten habe ich, nächstes Mal anders zu han-
deln?“

93
3 Können: Stellen Sie die Leistungsfähigkeit sicher

Grundregeln im Umgang mit Fehlern


Wie man aus Für das konstruktive Lernen aus Fehlern gibt es einige Grundregeln.
Fehler lernen Je nach Arbeitssituation kann die Aufstellung um weitere Punkte
kann
erweitert werden. Wenn sich jemand weiterentwickeln will, sollte er
für sich folgende Punkte akzeptieren:
1. „Es ist mein Fehler, den ich gemacht habe. Wenn ich mich ent-
wickeln will, muss ich dafür sorgen, dass ich daraus lerne.“
2. „Ich werde nicht andere dafür verantwortlich machen. Ich ver-
antworte mein Verhalten selbst.“
3. „Bei der Suche nach den Ursachen bleibe ich konstruktiv. Mir ist
nicht geholfen, wenn es mir gelingt, mir einzureden, es wäre
nicht zu verhindern gewesen.“
4. „Ich verharre nicht in eigenen Schuldzuweisungen. Vielmehr
nutze ich meine Energie dazu, nach Lösungen und Verhaltens-
weisen zu suchen, die mich das nächste Mal erfolgreicher han-
deln lassen.“
5. „Auch den Anteil anderer betrachte ich im Anschluss konstruk-
tiv. Ich formuliere Wünsche und Anregungen statt Anschuldi-
gungen.“

Aus Feedback lernen


Beobachtung Jeder erhält im Verlauf eines Tages zahlreiche Feedbacks – allerdings
als Feedback die wenigsten davon in institutionalisierter Form, sondern auf viel-
nutzen
fältige Weise. Häufig sind sie auch gar nicht als Feedback angelegt.
Aber wer aufmerksam beobachtet und solche Äußerungen richtig
interpretiert, kann aus ihnen dennoch eine Vielzahl wertvoller In-
formationen zur Wirkung z. B. seines Verhaltens herauslesen:
Nimmt sein Gegenüber ihn eher selbstbewusst oder zurückhaltend,
dominant oder partnerschaftlich wahr?

94
Der Ausbau Ihrer Fähigkeiten 3
Beispiel: Feedback durch Beobachtung
Frau Müller hat als eines ihrer Entwicklungsfelder ihre Außenwirkung
definiert. Schwerpunkte, die sie in diesem Zusammenhang nennt, sind
u. a. der bewusste Einsatz und die Wirkung von Mimik und Gestik, eine
klare, deutliche und ruhigere Artikulation sowie ein widerspruchsfreies
Zusammenspiel von Gesagtem und der Körpersprache. In den zahlrei
chen Interaktionen, die sie im Laufe des Tages vollzieht, beobachtet sie
sich selbst und die Reaktion ihrer Gesprächspartner immer wieder und
versucht, daraus Rückschlüsse für den aktuellen Stand dieses Entwick
lungsfeldes zu ziehen.

Gehen Sie systematisch vor


Im Vorfeld sollten alle eigenen Entwicklungsfelder systematisiert Entwicklung als
werden: Wohin soll die Entwicklung gehen? Woran ist der Wandel Ganzes voran
treiben
zu erkennen? In welchem Zeitraum soll er vonstatten gehen? Welche
Situationen ermöglichen es, eventuelle Fortschritte zu überprüfen?
Wer aus dem Umfeld ist als Feedbackgeber geeignet? Dadurch kön-
nen sich die betreffenden Personen in den thematisierten Bereichen
beobachten und die einströmenden Informationen, die sich auf sie
selbst und ihre Verhaltensweisen beziehen, filtern. Auf diese Weise
können sie reflektieren, wieso sie so und nicht anders gehandelt
haben. Erst mit dieser Erkenntnis ist es möglich, Veränderungen
sinnvoll einzuleiten.
Diese potenziellen Fehlerquellen sollten Sie kennen
Allerdings gilt es, das Feedback durch Beobachtung von Zeit zu Zeit Betrachten Sie
kritisch zu hinterfragen. Feedback auch
kritisch
1. Zum einen wird die Wahrnehmung voraussichtlich nicht voll-
ständig sein. Damit sind Verzerrungen möglich.
2. Zum anderen ist es möglich, dass inhaltliche Kernbotschaften
verloren gehen, wenn sich jemand jederzeit und ausschließlich
darauf konzentriert, was das Gesagte mit ihm selbst zu tun haben
könnte.

Fordern Sie Feedback ein


Eine Alternative ist, sich aktiv um Feedback zu bemühen. Dazu ist
eine Vertrauensperson notwendig, die das Verhalten, das verändert

95
3 Können: Stellen Sie die Leistungsfähigkeit sicher

werden soll, häufig genug beobachten kann. Außerdem sollte das


Verhältnis zwischen Feedbackgeber und Feedbacknehmer so gut
sein, dass die Rückmeldung auch angenommen werden kann. Wer
auf dieser Basis sein Verhalten entwickeln will, muss mitbringen
• Veränderungsbereitschaft,
• Vertrauen
• und die Bereitschaft, von anderen Menschen Feedback auch
anzunehmen.
Was die Feedbackfähigkeit im Einzelnen ausmacht und welche Re-
geln im professionellen Umgang mit diesem wirksamen Instrument
gelten, lesen Sie im Abschnitt „Kritik- und Feedbackfähigkeit“ ab
Seite 14.

Kienbaum Expertentipp: Feedback sensibilisiert


Eine solche Rückmeldung und der Umgang damit ersetzen keine profes
sionellen Unterstützungsmaßnahmen wie Trainings oder Coachings. Sie
können Ihnen jedoch dabei helfen, sich im Rahmen Ihrer Selbstverant
wortung und Ihres persönlichen Wachstums für Ihre Entwicklungsfelder
zu sensibilisieren.

3.3 Balance im Leben


Biorhythmus Die richtige Balance zwischen Anspannung und Entspannung ist
bestimmt eine wichtige Voraussetzung für die persönliche Leistungsfähigkeit
Anspannung
und gehört daher zum Können. Auf die grundsätzliche Bedeutung
und Entspan
des Wechselspiels zwischen den beiden Polen Anspannung und
nung
Entspannung haben wir bereits hingewiesen (s. Seite 27). Hinzu
kommt, dass die Motivation des Menschen keinem berechenbaren
Automatismus unterliegt, d. h., seine Motivation ist nicht immer
gleich hoch. Es handelt sich dabei um eine natürliche Energiequelle,
die einmal mehr, einmal weniger Energie bereitstellt. Wie viel
„Power“ jemand zur Verfügung hat, ist abhängig auch vom indivi-
duellen Biorhythmus, also von der Frage, zu welcher Tageszeit er
besonders dynamisch ist und wann seine Leistungsfähigkeit eher
nachlässt.

96
Balance im Leben 3
Lernen Sie Ihren Biorhythmus kennen
Die menschliche Leistungsfähigkeit ist natürlichen Schwankungen Leistungsfähig
unterworfen. Dazu tragen z. B. Tageslicht, Rhythmus der Mahlzeiten keit schwankt
und der Erholungsbedarf nach Zeiten der Anspannung bei. Die
Leistungskurve ist – anders als oft angenommen – nur in geringem
Ausmaß beeinflussbar. Der Erhalt und die optimale Nutzung der
eigenen Motivation sind dann gewährleistet, wenn der Mensch sich
der natürlichen Schwankungen seiner Leistungsfähigkeit bewusst ist
und die „Hochphasen“ für besonders anspruchsvolle Aufgaben
nutzt. Das legt gleichzeitig auch nahe, dass die Zeiten, in denen we-
niger Energie zur Verfügung steht, durchaus zugelassen – ja mehr
noch, dass sie ebenfalls effektiv genutzt werden sollten, und zwar als
notwendige Auszeiten.
Grad der Leistungsfähigkeit bei der Tagesplanung berücksichtigen
Zunächst ist es notwendig, zu beobachten, wie der individuelle
Energiepegel während des Tages verläuft. Wie also tickt die innere
Uhr? Liegen die Hochzeiten der Leistungsfähigkeit eher am Morgen
oder am Abend? Wann fällt es der betreffenden Person besonders
leicht und wann besonders schwer, sich zu konzentrieren? Zu wel-
chen Zeiten tauchen bei ihr Motivationslöcher auf?
Effektiver Arbeiten mit der Leistungskurve
Im Ergebnis entsteht eine persönliche Leistungskurve, die abbildet, Leistungskurve
wie hoch das Energieniveau zu bestimmten Tagesphasen ist. Jeder zeigt Hochs und
Tiefs
Mensch hat eine individuelle Leistungskurve, die etwas anders ver-
läuft als bei anderen. Im folgenden Beispiel liegt ein Energiehoch am
Vormittag, ein zweites, kleineres Hoch hat der Mensch dann noch
einmal am frühen Nachmittag.

97
3 Können: Stellen Sie die Leistungsfähigkeit sicher

Leistung

100 %

50 %

6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 2 4 Uhrzeit

Beispiel für eine Leistungskurve

Voraussetzungen für Höchstleistungen


Umsetzung in Die verfügbaren Ressourcen lassen sich am effektivsten nutzen,
den Berufs indem der persönliche Tagesablauf entsprechend der Leistungskurve
alltag
geplant wird. Im Beispiel zeigt sie, dass es für die Person sinnlos ist,
wenn sie
• vormittags in Endlosmeetings sitzt,
• abends ihr Engagement durch lange Anwesenheit demonstriert,
• und Routinearbeiten in die kostbaren Stunden der hohen Leis-
tungsfähigkeit und Konzentration am Vor- und Nachmittag legt.

Kienbaum Expertentipp: Planen nach der Leistungskurve


Tätigkeiten, die viel Energie und Einsatz erfordern, gehören in jene Pha
sen, in denen der Energiepegel weit oben ist. Dagegen ist es sinnvoll,
jene Aufgaben, die leicht von der Hand gehen, in Zeitabschnitte zu le
gen, in denen die Person eher weniger aktiv ist. Wenn Sie z. B. am Mor
gen ein Leistungshoch haben, sollten Sie sich bemühen, diese Zeit für
kreative Arbeiten zu nutzen, anstatt Ihre vorhandene Energie an admi
nistrative Routine zu verschwenden.

98
Balance im Leben 3
Was für volle Motivation noch notwendig ist
Damit sich ein Leistungshoch voll entfalten kann, sind noch weitere Weitere Voraus
Voraussetzungen zu erfüllen. Dazu gehören u. a. ausreichend Schlaf setzungen für
Leistungsfähig
(mindestens 6,5 Stunden, besser acht Stunden) und angemessene
keit
Erholungsphasen in Form von ca. vier Stunden stress- und arbeits-
freier Zeit, wie Sport, Mahlzeiten, Freizeit etc.
Zeit schaffen für Entspannung
Gerade der letzte Punkt stellt für viele, gerade ehrgeizige und hoch
motivierte Menschen ein Problem dar. Häufig sind von ihnen Aus-
sagen wie „Ich würde mich natürlich gern viel mehr entspannen –
wenn ich die Zeit dazu hätte!“ zu hören. Aber auch hier gilt: Jeder ist
selbst dafür verantwortlich, sich die Zeit für die notwendige Erho-
lung und damit für den Erhalt der eigenen Leistungsfähigkeit zu
nehmen. Dabei hilft es, sich von einigen „Motivationsmythen“ frei-
zumachen, nämlich:
• Motiviert sei derjenige, der nichts anderes als Arbeit kennt.
• Lange Anwesenheit sei Voraussetzung für gute Leistungen.
• Wer Karriere machen will, müsse ständig erreichbar sein.
• Entspannung sei unproduktiv und die entsprechende Zeit verlo-
ren.
Im Gegenteil: Sich zu regenerieren ist ein aktiver Beitrag dazu, das Entspannung
eigene Können zu erhalten. Die Zeiten der Entspannung bieten als Basis für
Leistung
Gelegenheit zur Reflexion und zur Verarbeitung. In den Anspan-
nungsphasen sammelt der Mensch so viele Informationen – er be-
nötigt die Entspannungsphasen, diese zu verarbeiten und zu inte-
grieren. Die Gelegenheiten dafür muss sich jeder selbst schaffen.

Kienbaum Kompetenztest: Leben nach dem Biorhythmus


Finden Sie heraus, wie Ihre persönliche innere Uhr tickt. Beobachten Sie
eine Woche lang, wie sich Ihr individueller Energiepegel im Verlauf
eines Tages jeweils verändert:
• Kommen Sie morgens schnell in Gang oder brauchen Sie eine ge
wisse Anlaufzeit, bis Sie ein hohes Energieniveau erreichen?
• Zu welchen Zeiten stellen Sie bei sich selbst ein Motivations,
Kreativitäts und Energiehoch fest?

99
3 Können: Stellen Sie die Leistungsfähigkeit sicher

• Gibt es Phasen, in denen es Ihnen besonders leicht fällt, sich zu


konzentrieren oder Ideen zu entwickeln?
• Welche Aufgaben gehen Ihnen zu welchen Zeiten schwer von der
Hand?
• Wann haben Sie das Gefühl, Ihr „Akku sei leer“ und Sie bräuchten
eine Pause?
Notieren Sie sich Ihre Beobachtungen. Zeichnen Sie am Ende des Beob
achtungszeitraums Ihre persönliche Leistungskurve ein:

Leistung

100 %

50 %

6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 2 4 Uhrzeit

Machen Sie anschließend eine Aufstellung, welche Tätigkeiten für ge


wöhnlich in Ihrem Tagesablauf anfallen, z. B. Meetings, kreative Lö
sungssuche, Routineaufgaben wie Ablage.
Fügen Sie nun beide Informationen zusammen. Planen Sie kreative und
schwierige Aufgaben in jenen Phasen ein, in denen Sie sehr leistungsfä
hig sind. Verschieben Sie Routineaufgaben auf die Zeitabschnitte, die
auf der Leistungskurve eher ein Tief andeuten.
Überlegen Sie sich auch gleich, in welchen Zeitabschnitten Sie für die
notwendige Entspannung durch Pausen sorgen wollen.

100
Die Führungskraft als Coach der Mitarbeiter 3
3.4 Die Führungskraft als Coach der
Mitarbeiter
Wer Führungsverantwortung trägt, sollte sich nicht nur um die Kompetenzen
Entwicklung seiner eigenen Kompetenzen kümmern. Hinzu kommt der Mitarbeiter
entwickeln
die Aufgabe, die unterstellten Mitarbeiter zu fördern. Voraussetzung
dafür ist natürlich der Glaube daran, dass der Mitarbeiter über ent-
wicklungsfähige Potenziale verfügt. Die Kompetenzentwicklung ist
wichtige Aufgabe, denn zu Recht gilt sie als ein Faktor des Unter-
nehmenserfolgs. Nicht nur, dass die Arbeitnehmer dadurch in die
Lage versetzt werden, mehr und verantwortungsvollere Aufgaben zu
übernehmen, und dass damit ihr Wert für den Arbeitgeber steigt.
Darüber hinaus hat es einen positiven Einfluss auf das Engagement
und die Begeisterung der Mitarbeiter, wenn diese die eigene persön-
liche Entwicklung an sich wahrnehmen. Nichts ist motivierender als
der Erfolg, er beflügelt zu weiteren Entwicklungsschritten.
Allerdings macht nicht allein das Wissen das Können aus, sondern
erst die Verbindung aus Wissen und Handlungssicherheit. Letztere
zu initiieren, zu entwickeln und zu stabilisieren ist zu gleichen
Teilen Personalentwicklung und Motivierungsinstrument. Die
Führungskraft kann hier in großem Ausmaß tätig werden, um
brachliegende Potenziale abzurufen – unabhängig von Weiterbil-
dungsbudgets und Trainingskalendern. Ihre Aufgaben sind:
• Sie muss das Selbstvertrauen der Mitarbeiter stärken.
• Sie muss deren Stärken einsetzen.
• Sie muss sinnvolle Entwicklungspläne einsetzen.
• Sie muss die Mitarbeiter im gewünschten Verhalten verstärken.

Erfassen Sie die Potenziale Ihrer Mitarbeiter


Im ersten Schritt sollte sich die Führungskraft einen Überblick dar- IstZustand
über verschaffen, welche Lücken zwischen Anforderung und Kom- analysieren
petenz beim jeweiligen Mitarbeiter bestehen. Nur dann ist es ihr
möglich, geeignete Maßnahmen zur Optimierung in die Wege zu
leiten. Schließlich kennt sie die Fähigkeiten eines Mitarbeiters auf
der einen Seite und dessen Zielsetzungen im Unternehmen auf der
anderen Seite sehr genau. Im Rahmen der Zielvereinbarungen

101
3 Können: Stellen Sie die Leistungsfähigkeit sicher

(s. Seite 80), die sie dann mit dem Mitarbeiter trifft, können ganz
konkret die bestehenden Abweichungen sowie daraus resultierende
Entwicklungsschritte besprochen werden.
PotenzialAssessments zeigen Entwicklungsstand
Arbeitsproben Ein Potenzial-Assessment ist eine sehr gründliche Methode, um die
und Simula Fähigkeiten eines Menschen in Erfahrung zu bringen. Dabei handelt
tionsübungen
es sich um ein- bis mehrtägige Seminare, die ähnlich wie Assess-
geben Auf
ment-Center aufgebaut sind. Es geht darum, anhand verschiedener
schluss
Arbeitsproben und Simulationsübungen die Ausprägung von Mit-
arbeiterkompetenzen primär in den überfachlichen Bereichen zu
erfassen. Der Einzelne erhält so eine Standortbestimmung in seinem
Entwicklungsprozess. Aus den so gewonnenen Informationen lassen
sich dann Maßnahmen ableiten, um das Können des Mitarbeiters zu
optimieren – als Beitrag zur Zielverfolgung.
Beispiel: PotenzialAssessment und Entwicklungsprogramm
Die Heller GmbH startet ein HighPotentialProgramm. Ausgewählte
Personen werden in einzelnen PotenzialAssessments hinsichtlich jener
Fähigkeiten und Kompetenzen getestet, die für das Unternehmen wich
tig sind. Ihre Stärken, Schwächen und vor allem ihre Potenziale werden
dabei bewertet. Im Anschluss schneidet die Personalabteilung der Heller
GmbH die Personalentwicklungsmaßnahmen so zu, dass diese die
„HighPots“ hinsichtlich der erwünschten Kompetenzen in ihrer indivi
duellen Entwicklung fördern und dadurch die Lücke zwischen Anforde
rung und Kompetenzen verringert, im besten Falle geschlossen wird.

Die Mitarbeiter erleben so ihre individuellen Stärken und sehen ihre


erfolgreichen Entwicklungsschritte. Beides bestärkt sie nachhaltig
darin, sich für das eigene Wachstum einzusetzen und bei der Ver-
wirklichung der Unternehmensziele ihren Beitrag leisten zu können.
Auch hier gilt: Der Wille zur Veränderung und zum Fortschritt ist
wieder grundlegende Voraussetzung.
Nichtfachliche Kompetenzen erfassen durch Beurteilungssysteme
Für eine Einschätzung insbesondere der nichtfachlichen Kompeten-
zen bieten sich Mitarbeiterbeurteilungssysteme an. In der Regel
nimmt sie der direkte Vorgesetzte anhand konkreter Beobachtungen
im Arbeitsalltag vor. Auch bei diesem Instrument geht es weniger

102
Die Führungskraft als Coach der Mitarbeiter 3
um die Bewertung an sich, sondern vielmehr um die Entwicklung
des Mitarbeiters. Ziel ist, dem Arbeitnehmer eine klare Standort-
bestimmung zu ermöglichen, damit er seinen Fortschritt idealer-
weise gemeinsam mit der Führungskraft im weiteren Verlauf planen
kann.
In Hinblick auf die Motivation steht bei dieser Entwicklungsarbeit
– neben den bekannten „klassischen“ Maßnahmen zur Personalent-
wicklung – das Selbstvertrauen des Mitarbeiters in seine eigenen
Stärken und Fähigkeiten im Mittelpunkt. Hier bieten sich der
Führungskraft eine ganze Reihe Ansatzpunkte zur positiven Beein-
flussung.

Wie Sie das Selbstvertrauen Ihres Mitarbeiters


aufbauen
Wie aus der Kienbaum-Kompetenz-Pyramide (s. Seite 89) hervor- Aufgabenbe
geht, sind neben den fachlichen Qualifikationen auch die sozialen wältigung
braucht Selbst
Kompetenzen und die Persönlichkeitsmerkmale wichtig, um die
vertrauen
Aufgaben und Herausforderungen des Berufslebens erfolgreich
bewältigen zu können. Eine wesentliche Eigenschaft in Bezug auf das
Können einer Person besteht in ihrem Selbstvertrauen. Nur wenn sie
sich zutraut, anstehende Tätigkeit bewältigen zu können, wird ihr
dies auch gelingen.
Die Förderung des Selbstvertrauens basiert auf drei Bausteinen:
1. Vertrauensvorschuss durch die Führungskraft,
2. herausfordernde Förderung und
3. Verstärkung im Rahmen von Entwicklungsplänen.

Vermitteln Sie Handlungssicherheit


Vieles erlernen Mitarbeiter in Seminaren, aus Fachliteratur oder von Umsetzung in
Kollegen. Der entscheidende Punkt liegt in der Regel darin, das die Praxis
Gelernte anschließend auch in der Praxis umzusetzen. Denn wenn
das neu erworbene Wissen im Arbeitsalltag nicht zu Einsatz kommt,
verblasst es schnell wieder.
Wer das Können als eine der Säulen der Mitarbeiterleistung ent-
wickeln will, muss darauf achten, dass nicht nur Wissen und Fähig-

103
3 Können: Stellen Sie die Leistungsfähigkeit sicher

keiten angeeignet werden, sondern auch eine bestimmte Handlungs-


sicherheit.
Beispiel: Trainingswissen und Handlungssicherheit
Rhetorische Fähigkeiten und das freie Sprechen vor einer Gruppe lassen
sich durchaus im Rahmen eines Rhetorikseminars erlernen, erweitern
und trainieren. Für die reale Anwendung des Gelernten onthejob ist
aber mit Sicherheit noch eine entsprechende Überwindung nötig, da
das Selbstbewusstsein und damit die Sicherheit, das Gelernte auch an
wenden zu wollen, erst durch anfängliche Erfolgserlebnisse aufgebaut
werden muss.

Handlungs Neu erworbene Kenntnisse umzusetzen, ist damit keine Frage des
sicherheit Wissens, sondern vor allem des Selbstvertrauens. Ist dies erst einmal
bewirkt Selbst
stark genug ausgeprägt, ist auch die Bereitschaft und Fähigkeit zur
vertrauen
Selbstverantwortung so weit entwickelt, dass sie auch ohne äußere
Verstärker aufrecht erhalten werden. Der Mensch hat sich als selbst-
wirksam erlebt (s. Seite 35) und kann darauf aufbauen.
Selbstbewusstsein entsteht durch Vertrauensvorschuss
Ob jemand sein Selbstbewusstsein ausbauen kann oder nicht, hängt
entscheidend davon ab, ob ihm Vertrauen entgegengebracht wird.
Für Menschen ist es viel leichter, sich selbst zu vertrauen, wenn dies
auch andere tun. Wer als Führungskraft das Selbstbewusstsein und
-vertrauen seiner Mitarbeiter fördern will, muss also zunächst einen
gewissen Vertrauensvorschuss geben. Nur so kommt der so genann-
te Vertrauenskreislauf in Gang.

104
Die Führungskraft als Coach der Mitarbeiter 3
Erhöhtes
Vertrauen in
Selbstver
den Mit
trauen des Vertrauensvor
arbeiter
Mitarbeiters schuss ist
Startpunkt

Bewältigung
Übertragung
von verant
von Verant
wortlicheren
wortung
Aufgaben

Der Kreislauf aus Vertrauen, Verantwortung, Bewältigung und Selbstvertrauen

Ohne den Vertrauensvorschuss ist es nicht möglich, einem Mit-


arbeiter neue Aufgaben samt der dazugehörenden Verantwortung
zu übertragen. Erst durch ihn erhält der Arbeitnehmer die Gelegen-
heit, sich selbst und anderen zu beweisen, dass er imstande ist, mehr
als bisher zu leisten. Diese Erfahrung wiederum stärkt sein Selbstver-
trauen und er wird auch zukünftig bereit sein, dieses neue Auf-
gabengebiet zu übernehmen. Damit erfährt der Vorgesetzte,
dass sein Vertrauen in den Mitarbeiter berechtigt war, und er kann
den nächsten Schritt planen.

Kienbaum Expertentipp: Kreislauf bringt Selbstvertrauen


Selbstvertrauen erwächst in einem Kreislauf aus Vertrauen, Verant
wortung und Aufgabenbewältigung. Ab einem bestimmten Zeitpunkt ist
er eigendynamisch. Den Anstoß kann ein Vertrauensvorschuss geben.

Setzen Sie auf die Stärken


Viele Unternehmen setzen ihre Mitarbeiter dort ein, wo diese einen
deutlichen Entwicklungsbedarf haben. Ihr Ziel ist, die Schwächen
durch ständiges Training abzubauen. Allerdings ist ein solches Vor-

105
3 Können: Stellen Sie die Leistungsfähigkeit sicher

gehen oft kontraproduktiv und führt zu unerwünschten Ergeb-


nissen:
• Die Mitarbeiter sind im Arbeitsalltag häufiger frustriert, als dass
sie Erfolgserlebnisse haben.
• Die Teamleistung ist dadurch gekennzeichnet, dass alle Mitarbei-
ter gerade das tun, was sie am wenigsten beherrschen.
• Jeder wird in seiner Arbeit unterbrochen, weil er als Spezialist in
einem anderen Gebiet bekannt ist und dazu befragt wird.
Stärken stärken Die Erfahrung zeigt, dass es einfacher ist, Stärken weiter auf- als
statt Schwä Schwächen abzubauen. Zum einen hält der ständige Gebrauch die
chen abzubauen
vorhandene Stärke aufrecht und ermöglicht sogar noch, dass sie
erweitert wird. Zum anderen kann die gewonnene Routine und
Sicherheit positive Auswirkungen auf die Entwicklungsfelder haben.
Um Schwächen abzubauen, sollte also auf die Stärken des Menschen
gesetzt werden.
Beispiel: Stärken ausnutzen
Ein Techniker ist Spezialist für die Konfiguration von Netzwerken, hat
aber großen Entwicklungsbedarf in Hinblick auf seine Fähigkeit, Kunden
vor Ort zu beraten. Das Unternehmen gibt ihm nun die Möglichkeit, sei
ne Kenntnisse optimal einzusetzen. Ein erfahrener und sozial gewandter
Kundenberater nimmt ihn mit zum Kunden, wo er gemeinsam mit die
sem agieren kann. Seine Kenntnisse werden im Gespräch gebraucht, er
hat ein Erfolgserlebnis und gleichzeitig die Gelegenheit, vor Ort von
seinem Kollegen zu lernen.
Würde er dagegen allein beim Kunden eingesetzt werden, geriete zum
einen sein Spezialistentum in Gefahr, da er vor lauter Konzentration auf
das Gespräch womöglich die beste Netzwerklösung nicht findet. Hinzu
kommt, dass er den Kunden „vergraulen“ könnte.

3.5 Fördern und fordern


Überforderung Natürlich reicht es nicht aus, dem Mitarbeiter eine umfangreiche
ist kontrapro Aufgabe bloß zu übergeben, um sein Selbstvertrauen zu steigern.
duktiv
Wenn er davon hoffnungslos überfordert ist, wird voraussichtlich
sogar das Gegenteil eintreten. Erst dadurch, dass die Herausforde-

106
Fördern und fordern 3
rungen auch bewältigt werden, entsteht neues Selbstbewusstsein. Als
Ausgangspunkt für den nächsten sinnvollen Schritt muss daher der
aktuelle Entwicklungsstand des Arbeitnehmers gelten – die Füh-
rungskraft muss ihn da abholen, wo er steht.

Ermöglichen Sie eine schrittweise Entwicklung


Der russische Entwicklungspsychologe Lew S. Wygotski beschreibt Entwicklung als
die menschliche Entwicklung als einen stufenartigen Prozess, in dem stufenartiger
Prozess
an bestimmten Schwellen Qualitätssprünge möglich sind – jedoch
immer in einem gewissen Maß. Um diesen Sprung auszulösen, ist
eine gewisse Distanz zwischen dem Status quo und der angestrebten
nächsthöheren Entwicklungsstufe notwendig. Sie darf einerseits
nicht zu gering sein, andererseits aber auch nicht zu groß, denn
sonst schreckt die Entfernung ab. In beiden Fällen kommt es nicht
zum Sprung.
Wo liegt die Entwicklungszone?
Wygotski spricht in diesem Zusammenhang von der Zone der Die Zone der
nächsten Entwicklung. Sie ist vom aktuellen Entwicklungsstand weit nächsten
Entwicklung
genug, aber nicht zu weit entfernt und regt dadurch einen qualitati-
ven Entwicklungssprung an.
Zone der nächsten Ent
wicklung
Qualitätssprung durch
Entwicklungsanregung
Kompetenzniveau

Verlauf ohne
Entwicklungsanregung

Zeitverlauf
Die Zone der nächsten Entwicklung nach Wygotski

107
3 Können: Stellen Sie die Leistungsfähigkeit sicher

So vermeiden Sie Langeweile und Angst


Beobachtung Weder auf dem aktuellen Stand verharren, noch den zweiten Schritt
zeigt, welches vor dem ersten tun – das ist das richtige Tempo für die Entwicklung
der nächste
von Menschen. Die Entscheidung, welcher Schritt tatsächlich der
Schritt ist
nächste sein sollte, ist Gefühlsache. Wie ist der momentane Entwick-
lungsstand des Mitarbeiters? Welche Entwicklungsbedarfe und
-möglichkeiten sind realistisch? Die Grundlagen für diese Einschät-
zung bilden die genaue Beobachtung der Leistung und der Fort-
schritte des Arbeitnehmers und Gespräche mit ihm.

Kienbaum Expertentipp: Bleiben Sie realistisch


Berücksichtigen Sie, wenn Sie für einen Mitarbeiter einen Entwick
lungsplan ausarbeiten, welche Qualifikationen, Kompetenzen und Fä
higkeiten für ihn als Nächstes realistisch sind. Wunschdenken ist dabei
wenig hilfreich. Gehen Sie von der Stufe aus, auf der sich momentan
befindet. Es gilt, herauszufordern, statt zu überfordern.
Unterforderung Motivation entsteht gerade dann, wenn von der betreffenden Person
und Überforde alles gefordert wird, aber die Bewältigung realistisch möglich ist.
rung hemmen
Überforderung dagegen ist eine Motivationsbarriere, die Unsicher-
die Motivation
heit und Angst erzeugt. Unterforderung hemmt Motivation ebenso,
denn sie führt zu Langeweile und Passivität und versagt letztlich
auch die Anerkennung der Kompetenzen.
Unterforderung/
Langeweile Entwicklungsanregung/
Motivation
Kompetenzen

Überforderung/Angst

Anforderungen

Fordernd fördern

108
Fördern und fordern 3
Stepbystep zum Fortschritt mit Entwicklungsplänen
Echte Förderung bedeutet also, dem Mitarbeiter eine stete Heraus- Stete Heraus
forderung zu bieten, die ihn weder über- noch unterfordert. Um forderung
ermöglicht
diesen Anspruch in der Praxis auch realisieren zu können, ist es
Entwicklung
sinnvoll, detaillierte, mitarbeiterspezifische Entwicklungspläne zu
verwenden.
Wie sieht ein Entwicklungsplan aus?
Ein Entwicklungsplan bildet genau diejenigen Schritte ab, die ein
Arbeitnehmer zwingend zurücklegen muss, um einen erwünschten
Zielzustand zu erreichen. Dazu muss zunächst die Ausgangssitua-
tion erfasst und dann der Zielzustand mit den beobachteten Verbes-
serungen präzise beschrieben werden.
Beispiel: Ausgangssituation und Zielzustand
Ausgangssituation: Herr Schneider, ein fachlich starker Mitarbeiter, ist
in Teambesprechungen sehr zurückhaltend und beteiligt sich wenig an
den Diskussionen. Der Vorgesetzte ist sich sicher, dass dies nicht auf
Desinteresse, sondern auf Unsicherheit und mangelndem Selbstvertrau
en beruht.
Zielzustand: Mit allen anderen Kollegen vergleichbar sollte auch Herr
Schneider in der Lage sein, in Teambesprechungen eine eigene Aus
arbeitung zu präsentieren und seine fachlichen Stärken mit einzubrin
gen.
Stufe 1: Herr Schneider äußert einen vollständigen Gedanken im Ver
lauf der Diskussion.
Stufe 2: Herr Schneider verteidigt einen eigenen Standpunkt.
Stufe 3: Herr Schneider hält eine Präsentation, beantwortet im An
schluss daran Fragen und verteidigt seinen Standpunkt.

Gewünschte Verhaltensweisen verankern


Eine erkennbare Verbesserung muss die Führungskraft sofort stabi- Anerkennung
lisieren – und zwar in exakt dem Augenblick, wenn das gewünschte verankert
Fortschritte
Verhalten erstmals beobachtet wird. Genau zu diesem Moment
sollte eine Verstärkung erfolgen, denn zu einem späteren Zeitpunkt
würde die Wirkung verpuffen. Denn dann wird sich der Mitarbeiter
eher fragen, wieso er im Nachhinein für scheinbar simple Verhal-

109
3 Können: Stellen Sie die Leistungsfähigkeit sicher

tensweisen eine explizite Anerkennung erfährt. Die Beschäftigung


mit diesem Gedanken macht es dann unwahrscheinlich, dass er das
Verhalten, das doch gewünscht ist, wiederholt.
Beispiel: Verstärkung
In einer der nächsten Besprechungen meldet Herr Schneider bei der
Präsentation eines Kollegen zwar eher zaghaft, aber doch Bedenken an.
Die Teamleiterin reagiert sofort: „Wie mir scheint, haben wir die Konse
quenzen des Projekts noch nicht ausreichend beleuchtet und sollten die
von Herrn Schneider angeführten berechtigten Bedenken unbedingt
aufgreifen.”
Auf diese Weise wird die neue Verhaltensweise des Mitarbeiters ver
stärkt. Bei jeder Äußerung von Herrn Schneider wird die Teamleiterin
reagieren, bis eine Stabilisierung eintritt. Dann kann sie ihre Aufmerk
samkeit auf die nächste Stufe lenken.

Erreichtes wird Die Förderung der Kompetenzentwicklung erfolgt also nach einem
zur Selbstver bestimmten Muster: Immer am aktuell höchsten Punkt verstärkt die
ständlichkeit
Führungskraft bewusst und zollt Anerkennung. Ein zuvor bereits
erreichter Level gilt ab einem bestimmten Zeitpunkt als Selbstver-
ständlichkeit, deren verbale Anerkennung eher Argwohn und Miss-
trauen hervorrufen würde.
Verstärkung

„verteidigt Präsentation“
Verstärkung
Kompetenzniveau

„verteidigt einen Standpunkt“

Verstärkung

„äußert eigene Meinung“

Zeitverlauf

Beispielhafter Einsatz von anerkennender Verstärkung zur Kompetenzentwicklung

110
Fördern und fordern 3
Worauf es bei der Verstärkung ankommt
Damit die Verstärkung auch den gewünschten Effekt hat, sollten Sie Bauen Sie
auf folgende Punkte achten: nicht auf
Vermutungen
• Verstärken Sie nur Verhaltensweisen, die Sie selbst beobachtet
haben, und nichts, was Sie vermuten.
• Verstärken Sie Verbesserungen sofort.
• Sprechen Sie nur über das, was der Mitarbeiter tatsächlich getan
hat, nicht über das, was Sie sich als Nächstes von ihm wünschen
oder noch vermisst haben.
• Überziehen Sie nicht. Verstärken Sie die neuen, erwünschten
Verhaltensweisen nur so lange, bis eine weitere Bestätigung dem
Mitarbeiter als Karikatur vorkäme. Diese Gefahr besteht durch-
aus.
Besonders der letzte Punkt ist wichtig. Es geht bei der Verstärkung
nicht darum, zu dressieren und Mitarbeiter wie Kinder zu erziehen.
Im Gegenteil, gerade die eigenständige Entwicklung ist wichtig.
Daher gilt es, punktuell zu verstärken, um über die ausgesprochene
Anerkennung dem Mitarbeiter mehr Sicherheit auf einem neuen
Terrain zu vermitteln.
Nutzen Sie den 3PunktVerstärker
Im Idealfall verwendet die Führungskraft den sogenannten 3-Punkt- Steigerung
Verstärker, um die wahrgenommene Verbesserung anzusprechen. des Selbstver
trauens
Dabei handelt es sich um eine Methode, die sowohl zur Steigerung
des Selbstvertrauens als auch zur Entwicklung und Stabilisierung
neuer Verhaltensweisen beitragen kann. Sie ist im Rahmen der Ent-
wicklungspläne, aber auch in beliebigen anderen Situationen nutz-
bar. Der 3-Punkt-Verstärker enthält drei Aspekte:
1. die Beschreibung dessen, was genau positiv wahrgenommen und
erlebt wurde,
2. die Beschreibung des Nutzens, der sich daraus ergeben hat,
3. eine grundlegende, dankbare Wertschätzung und Danksagung.

111
3 Können: Stellen Sie die Leistungsfähigkeit sicher

Nutzen

3Punkt
Verstärker

Situations
beschreibung Anerkennung
Die drei Aspekte im 3PunktVerstärker

Leistungsbereit Der 3-Punkt-Verstärker vermittelt nicht zuletzt – wenn auch auf


schaft steigt eine konkrete Situation bezogen – allgemeine Wertschätzung. Damit
erweist er sich als ein Instrument, das sowohl das Wollen des Mit-
arbeiters ermöglicht (s. Seite 70) als auch sein Selbstwirksam-
keitsempfinden steigert und damit das Können beeinflusst.
Beispiel: DreiPunktVerstärker
„Herr Schneider, Sie haben uns gerade darüber informiert, dass das Pro
blem im Rechnersystem weiter greift, als wir bisher dachten.“ (Situa
tionsbeschreibung)
„Nur so sind wir überhaupt erst darauf gekommen, dass die Störung
nicht mit unserer Software zusammenhängt – das hat die Reparatur
sehr beschleunigt!“ (Nutzenbeschreibung)
„Danke, dass Sie darauf aufmerksam gemacht haben. Ihre Wachsamkeit
ist wieder einmal sehr wertvoll für uns gewesen!“ (Anerkennung)

Auf manche Führungskräfte mag dieses Vorgehen bei den ersten


Versuchen etwas steif wirken. Deshalb ist es wichtig, den 3-Punkt-
Verstärker zunächst in Situationen zu trainieren, in denen nichts
„schiefgehen“ kann. Erst, wenn er ausreichend sicher angewandt
wird, sollte er in konkreten, aber weniger sensiblen Situationen im
Arbeitsalltag zum Einsatz kommen.
Welche Wirkung hat diese Förderung auf die Mitarbeiter?
Zu erfahren, wie brachliegende Potenziale genutzt werden, ist wohl
einer der wirksamsten Motivatoren überhaupt. Mit dem beschriebe-

112
Fördern und fordern 3
nen Vorgehen verwirklicht der Vorgesetzte also gleich zwei grund-
legende Führungsaufgaben, nämlich Personalentwicklung und
Motivation. Effizienter kann erfolgreiche Führungsarbeit kaum
geleistet werden.

Kienbaum Expertentipp: Individuell zugeschnittene Pläne


Eine solche Entwicklungsarbeit sollte Ihnen als Führungskraft in Fleisch
und Blut übergehen. Achten Sie allerdings darauf, dass Sie die Entwick
lungspläne tatsächlich auf die einzelnen Mitarbeiter zuschneiden. Wer
alle nach „Schema F“ zu fördern und seine Arbeitnehmer wie Kinder zu
erziehen versucht, wird schnell durchschaut werden und sein Vorgehen
hat eher destruktive Folgen.

Kienbaum Kompetenztest: Entwicklungsplan erstellen


Erstellen Sie für einen Ihrer Mitarbeiter einen Entwicklungsplan. Stellen
Sie sich dabei folgende Fragen:
Wie ist die Ausgangssituation, welchen Entwicklungsstand hat der Mit
arbeiter derzeit?
Wo liegen seine Stärken, wo seine Schwächen?
Welchen Zielzustand soll er erreichen?
Welche einzelnen Schritte sind notwendig, um vom Ausgangpunkt zum
Zielzustand zu gelangen?
Ist die Distanz zwischen den einzelnen Entwicklungsschritten angemes
sen – d. h., nicht zu weit und nicht zu gering?
Bei welchen Gelegenheiten kann der Mitarbeiter seine Stärken ausspie
len?
Sind Aufgaben und Situationen denkbar, in denen der Mitarbeiter seine
Stärken nutzen und gleichzeitig an seinen Schwächen arbeiten kann?

113
4 Dürfen: Bestimmen Sie den
Handlungsrahmen

Zur Erinnerung: Motivation als solche lässt sich nicht erzeugen, sie
entfaltet sich unter bestimmten Bedingungen mehr oder weniger
gut. Das Dürfen beschreibt den Rahmen, innerhalb dessen ein
Mensch zur Leistung aufgerufen wird und innerhalb dessen sich
seine Energie entfalten kann. Hinsichtlich der Motivation können
diese gegebenen Bedingungen dazu beitragen, dass jemand seine
Leistungsreserven abruft, oder aber, dass er dies unterlässt, weil er
sich eingeschränkt oder frustriert fühlt. Hier findet sich die Eigen-
verantwortung wieder: Selbstverantwortung und die Möglichkeiten
zur Selbstbeeinflussung lenken die Leistungsbereitschaft in hohem
Maße. Aber die Grenzen dafür steckt das Dürfen.

4.1 Die Übernahme von Verantwortung


Gott gebe mir die Kraft, Dinge zu verändern, die ich verändern kann. Die
Gelassenheit, Dinge zu ertragen, die ich nicht verändern kann. Und die
Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
Augustinus im 8. Jahrhundert
„Unter den Bedingungen, unter denen ich arbeiten muss, fällt es mir
schwer, motiviert zu bleiben“ – dieser Satz ist oft zu hören. Damit
stellt sich die Frage, wie jemand auch unter widrigen Umständen
seine Leistung abrufen kann. Voraussetzung dafür ist die Einsicht,
dass jeder Einzelne für sich selbst in der Lage ist, über sein Wollen
und Können auch das Dürfen zu beeinflussen. Der Mensch ist und
bleibt die bestimmende Kraft im Management seiner Person. Der
Platz, an dem er im Moment arbeitet, ist der, den er für sich ausge-
sucht hat. Er selbst ist dafür verantwortlich, sich darauf so zurecht-
zufinden, dass es ihm dort behagt – denn er hat sich für ihn ent-
schieden. Das ist in Zeiten, in denen Arbeitsplätze rar sind, eine

114
Die Übernahme von Verantwortung 4
nicht unumstrittene Aussage. Aber da die betreffende Person jeden „Love it, change
Tag ihrer Arbeit nachgeht, scheint dieser Platz zumindest im Mo- it or leave it“
ment der beste für sie zu sein – entweder weil sie die Aufgabe inter-
essiert, weil sie den Kontakt zu den Kollegen schätzt oder weil sie
einen bestimmten Lebensstandard realisieren will. Niemand zwingt
sie dazu, sie hat sich aus verschiedenen Gründen dafür entschieden
– bewusst oder unbewusst.

Kienbaum Expertentipp: Stehen Sie zu Ihrer Entscheidung


Unstrittig ist: Menschen leisten Dinge motivierter und damit erfolgrei
cher, wenn sie sich bewusst dafür entschieden haben. Machen Sie Ihre
Entscheidung für Ihren derzeitigen Platz zur Grundlage Ihres Handelns
– oder wechseln Sie auf einen Platz, von dem Sie meinen, dass er besser
für Sie geeignet ist. Wenn es diesen nicht gibt, entscheiden Sie sich neu
für Ihren jetzigen Platz – und handeln Sie im Sinne dieses Entschlusses:
Sie bestimmen über Ihre Einstellung zur Arbeit.
Wenn Sie auf einer Position nicht bleiben wollen, dann verlassen Sie
sie. Wenn Sie Veränderungen, die Sie selbst in Gang setzen können, für
möglich halten, dann ergreifen Sie die Initiative. Oder aber Sie bleiben
an Ihrem Platz und lernen, ihn zu lieben.

Die Klarheit und das Bewusstsein, etwas aus eigener Entscheidung Bewusste
zu tun, verschafft Motivation. So macht es einen erheblichen Unter- Entscheidung
steigert die
schied, ob die Teilnehmer eines Seminars von der Geschäftsleitung
Motivation
geschickt wurden oder ob sie aus eigener Initiative und freiwillig
teilnehmen. Körperhaltung und Gesichtsausdruck verraten dem
Referenten schnell, wer wahrscheinlich diese Entscheidung im Vor-
feld getroffen hat. Mit einer negativen Grundeinstellung der Teil-
nehmer konstruktiv umzugehen, bedeutet im Grunde, die Teilneh-
mer zu Beginn des Seminars vor eine bewusste Entscheidung zu
stellen: Entweder sie verlassen das Seminar und nutzen den Tag für
sich anderweitig. Oder aber sie entscheiden sich bewusst dafür, vom
Seminar zu profitieren. In der Regel finden sich nach einer solchen
„Pause der bewussten Entscheidung“ die Teilnehmer wieder vollzäh-
lig im Raum ein. Verändert hat sich dann allerdings ihre Körperhal-
tung, der Gesichtsausdruck und damit verbunden die innere Einstel-
lung und Motivation.

115
4 Dürfen: Bestimmen Sie den Handlungsrahmen

Nutzen Sie Ihre Einflussmöglichkeiten


Mikrokosmos ist Nur die wenigsten Arbeitnehmer können Unternehmenskulturen
beeinflussbar von Grund auf verändern. Aber auf den sie umgebenden Mikro-
kosmos haben sie schon direkten Einfluss. Und diesen gilt es, zu
nutzen, d. h. Verantwortung für das zu übernehmen, was in der
persönlichen Macht steht, statt nach Begründungen zu suchen, war-
um andere für die eigenen Umstände verantwortlich sein könnten.
Meist liegen die Grenzen, die Menschen erleben, nicht in den Din-
gen selbst, sondern primär in den Annahmen, die sie über diese
Dinge treffen.
Beispiel: Wahrgenommene Grenzen und ihre Überwindung
Lange Zeit lag die magische Grenze im Gewichtheben bei 500 kg und
der Weltrekord stagnierte bei 499,5 kg. Erst als Rudolf Mang 1968 diese
Grenze erstmals überwand, folgen auch andere in seiner Disziplin und
bereits im selben Jahr bezwangen plötzlich fünf andere Gewichtheber
die bis dahin für unmöglich gehaltenen 500 kg.

Der Mensch als selbstbestimmt handelndes Individuum


Locus of Selbstverantwortung ist dann möglich, wenn jemand für sich in
Control zeigt Anspruch nimmt, die eigene Umwelt gestalten zu wollen und zu
Kontrollüber
können. Damit verbunden ist ein bestimmtes Menschenbild: das
zeugung
vom selbstbestimmt handelnden Individuum. In der Theorie des
„Locus of Control“ wird die Art und Weise, wie die Umwelt wahr-
genommen wird, beschrieben. „Der Ort der Kontrolle“ ist eine mög-
liche Übersetzung für den Locus of Control. Er unterscheidet zwei
Grundpositionen:
• Hypothese 1:„Die Umwelt ist für mich ein Spielfeld. Zwar exis-
tieren gewisse Regeln, aber ob ich Erfolg habe, hängt für mich
davon ab, wie ich diese Regeln einerseits auslege, andererseits
aber auch nutze. Ich kann mein Leben gestalten und die wich-
tigsten Entscheidungen selbst treffen. Was aus mir wird, be-
stimme ich!“
• Hypothese 2: „Ich bin Teil eines riesigen Systems, das nicht zu
durchschauen ist. Große Politik, Wirtschaftslage, Gesetze und
Trends werden dieses System stets in Bewegung halten. Mein
Einfluss ist darin sehr gering. Mit ein wenig Glück komme ich

116
Die Übernahme von Verantwortung 4
darin aber gut über die Runden – eigenes Zutun ist dabei zwar
gut und schön, aber die wesentlichen Dinge geschehen oder sie
geschehen eben nicht – unabhängig von meinem Beitrag.”
Es handelt sich also um die Frage, ob Menschen in ein großes Sys-
tem eingebettet sind, das ihr Leben steuert, oder ob sie selbst es sind,
die ihre Umwelt gestalten. Hier gehen letztlich die Fatalisten und die
Gestalter getrennte Wege.
Welche Kontrollüberzeugung herrscht?
Im Verlauf des Lebens entwickeln Menschen einen Stil, wie sie den Wie interpre
Zusammenhang von Ursache und dem sie betreffenden Geschehen tiert eine
Person das
interpretieren:
Geschehen?
• Wo findet die Kontrolle statt – internal oder external?
• Ist die Kontrollzuschreibung stabil oder instabil?

Diese Stile der Ursachenzuschreibung unterscheiden sich darin, wie


die betreffende Person bestimmte typische Situationen in ihrem
ursächlichen Zusammenhang bewertet.

Kontrollüberzeugung
„internal“ „external“

„Des eigenen „Glückspilz“


Erfolg

Glückes Schmied“ Pessimist


Resultat

Optimist

„Ich bin schuld“ „Ich bin zufälliges


erfolg
Miss

Pessimist Opfer“
Pessimist

Die vier Felder des Locus of Control

Optimisten werden persönliche Erfolge – ganz gleich, ob dies objek- Optimisten sind
tiv so ist oder nicht, – dahingehend bewerten, dass sie sie aufgrund vom Erfolg
überzeugt
ihrer eigenen Persönlichkeitsmerkmale (d. h. internal) errungen
haben und dass sie sie durchaus jederzeit wiederholen können (d. h.
stabil). Ihre Ursachenzuschreibung ist also stabil-internal. Misser-
folge sehen Optimisten dagegen als instabil-external, das bedeutet,

117
4 Dürfen: Bestimmen Sie den Handlungsrahmen

als ein zufälliges Ereignis (instabil), das den Rahmenbedingungen


(external) zuzuordnen ist. Für sie war das Missgeschick momentanes
Pech, das aber eher die Ausnahme darstellt.
Pessimisten Bei Pessimisten ist das Verhältnis genau umgekehrt. Sie sehen Miss-
glauben an den erfolge und negative Dinge als stabil-internal an. Erfolge dagegen
Misserfolg
werten sie als instabil-external betrachten, als zufällige Glücksfälle,
die nur selten auftreten und die nicht auf die eigenen Fähigkeiten
zurückzuführen sind.
Beispiel: Mittels Kontrollüberzeugung Krisen bewältigen
Der Wohnungsmarkt ist für zwei Immobilienmakler derzeit recht
schwierig.
Der optimistische „Gestalter“ fragt sich, was er alles verändern kann,
um trotzdem seine Immobilien an den Mann zu bringen. Er überdenkt
seine bisherige Verkaufsstrategie, das Marketing sowie sein bisheriges
Vorgehen, wenn er potenzielle Kunden anspricht. Über die schlechten
Rahmenbedingungen beklagt er sich nicht und erreicht die Ziele, die er
mit seinem Vorgesetzten abgesprochen hatte.
Der Fatalist dagegen verschwendet wertvolle Energien, indem er über
die momentanen Marktverhältnisse lamentiert. Er sieht sich als Opfer
des Systems und der Rahmenbedingungen, an denen er ohnehin nichts
ändern kann. Daher versucht er es auch gar nicht erst. So bleibt er auf
den roten Zahlen und den verfehlten Umsatzzielen sitzen.

Wie Sie sich selbst beeinflussen können


Aus der Tatsache, dass jeder Mensch selbst die Verantwortung für
seine Energie und Motivation trägt, ergibt sich, dass auch nur er
selbst sich antreiben kann. Er ist sozusagen sein eigener Coach, der
ständig an seiner Seite ist. Natürlich gibt es Möglichkeiten, sich
professionell unterstützen zu lassen, Seminare und Trainings in
Anspruch zu nehmen und in den persönlichen Auszeiten über die
eigene Motivation zu reflektieren. All dies ist sinnvoll, aber es ent-
spricht eher einem Trainingslager, das außerhalb der Saison und
abseits des Spielfelds stattfindet – es sei denn, ein „On-the-Job-
Coach“ wird engagiert.
Im Normalfall allerdings sind Sie identisch mit der Person, die am
Spielfeldrand steht, die Sie antreibt, lobt und nach Fehlschlägen

118
Die Übernahme von Verantwortung 4
wieder aufbaut. Während des Spiels, also im Berufsalltag, geht es nur
noch um die reine Motivation, dies ist nicht die Zeit für Technik-,
Kraft- und Ausdauerübungen. Sie befinden sich in der Umset- Selbstbeeinflus
zungsphase und Sie sind Ihr eigener Coach. Um die eigene Motiva- sung durch die
tion zu verstärken, können Sie die FIRM-Methode nutzen. FIRM FIRMMethode
steht für
F Fokussieren
I Interpretieren
R Realisieren
M Motivieren

Kienbaum Expertentipp: Selbstbeeinflussung ist möglich


Eine Frage, die sich hier vermutlich viele Leser stellen werden, kann
schon vorab beantwortet werden: Selbstbeeinflussung zur Steigerung
der eigenen Motivation ist tatsächlich möglich. Voraussetzung dafür ist,
sich auf einige Methoden und Blickwinkel einzulassen, die vielleicht
nicht alltäglich sind, die aber ihre Wirksamkeit in vielen Bereichen
unter Beweis stellen konnten. Als allgemein bekanntes Beispiel gelten
Spitzensportler: Mentale Selbstbeeinflussung ist die Basis ihrer physi
schen und psychischen Höchstleistungen.

Fokussieren Sie den Erfolg


Selbstmotivierung beginnt mit der Steuerung der eigenen Wahr- Konzentration
nehmung, dem bewussten Fokussieren. Für die Motivation ist es auf die positi
ven Aspekte
wichtig, den Fokus auf die positiven Aspekte einer Gegebenheit zu
lenken. Jede Situation sollte daraufhin betrachtet werden, was sie
dazu beiträgt, ein persönliches Ziel zu erreichen. Eine solche Einstel-
lung hat eine Veränderung des Blickwinkels zur Folge: Harte Arbeit
und der Mangel an Freizeit erscheinen dann sinnvoll und werden
nicht als Verzicht empfunden.

Kienbaum Expertentipp: Sie bestimmen die Perspektive


Entscheidend dafür, wie etwas auf Sie wirkt, ist die Perspektive, aus der
Sie es betrachten. Und über diese können wiederum nur Sie selbst be
stimmen. Entscheiden Sie selbst, welchen Fokus Sie nutzen wollen.

Auch auf Entscheidungen und die Reflexion darüber hat ein solcher
Einstellungswechsel Auswirkungen. Jeder kennt Situationen, in
denen er sich nur sehr schwer entscheiden kann. Dies kommt be-

119
4 Dürfen: Bestimmen Sie den Handlungsrahmen

sonders häufig an Scheidewegen vor, die scheinbar in verschiedene


Richtungen führen, und alle Alternativen haben viel für und gegen
sich. Ein „Richtig“ oder „Falsch“ gibt es nicht immer. Oft bleibt
dieser innere Konflikt selbst dann noch bestehen, wenn die Ent-
scheidung schon längst gefallen ist. Die betreffende Person fragt sich,
ob sie „richtig“ gehandelt hat. In der Meinung, es würde bei der
Stehen Sie zu Bewältigung des Entscheidungskonflikts helfen, fokussiert sie im
Ihren Entschei Nachhinein die Nachteile der abgewählten Variante. „Wer weiß, was
dungen mich dort erwartet hätte?“ Dennoch bleiben oft Zweifel. Warum ist
das so? Wer sich ständig die Nachteile der abgewählten Variante vor
Augen hält, wertet damit die gewählte Alternative ab. Er vergleicht
Nachteile mit Nachteilen und hat „das geringere Übel“ gewählt.
Besser ist es, andersherum vorzugehen: also sich bewusst zu machen,
wofür man sich entschieden hat – nicht wogegen. Für die Motiva-
tion ist es wichtig, sich die positiven Aspekte der Wahl und deren
Konsequenzen präsent zu machen.
Beispiel: Positive Aspekte
Selbst aus Fehlern und Fehlentscheidungen lassen sich positive Aspekte
gewinnen: Der Mensch hat etwas gelernt und damit wertvolle Erfah
rungen für die Zukunft gesammelt. Selbst wenn der Lerneffekt die ein
zig positive Konsequenz ist – er zumindest ist vorhanden.

Die Fokussierung auf positive Aspekte ist ein wesentliches Werk-


zeug, um den Job, den Ort oder die Situation, für die sich jemand
entschieden hat, lieben zu lernen. Durch die Betonung der gewähl-
ten Alternative und deren Vorteile erhält die Entscheidung nach-
träglich Kraft. Sie sind bereit, für sie einen hohen Preis zu zahlen. Sie
sind „commited“ und stehen hinter Ihrer Wahl. Hierbei geht es
weniger um die ideologische Sinnhaftigkeit positiven Denkens, son-
dern vielmehr um die Steigerung der persönlichen Effektivität.
Interpretieren Sie die Lage in Ihrem Sinne
Eine Situation zu interpretieren bedeutet gleichzeitig, Grundlagen
für das anschließende Handeln zu legen. Wer positiv motiviert han-
deln will, muss jede Lage möglichst positiv interpretieren. Selbst
Konstellationen, die nur wenig dazu beitragen, dass das Ziel erreicht
wird, und die mit einer hohen persönlichen Belastung verbunden

120
Die Übernahme von Verantwortung 4
sind, kann durchaus Positives abgewonnen werden. Zudem gibt es
immer mehr als eine Variante, um den aktuellen Zustand zu be-
trachten. Es gilt, eine zweite oder dritte Interpretation zuzulassen,
bevor man sich für eine Einzige entscheidet.
Beispiel: Interpretation der Lage
Ein typisches Zitat erfolgreicher Manager lautet: „Es ist meine Aufgabe,
aus den paar Prozent positiver Nachrichten, die mir zugetragen werden,
jene Kraft zu schöpfen, die ich benötige, um mit den restlichen Pro
blemsituationen erfolgreich klarzukommen.“

PINCode hilft, Negatives zu verarbeiten


Wer mit einer negativen Situation konfrontiert wird, etwa einem Positives be
enttäuschenden Arbeitsergebnis oder einer menschlichen Enttäu- wusst heraus
stellen
schung, dem kann der sogenannte PIN-Code helfen, die Situation
bewusst aus einer anderen Perspektive heraus zu betrachten. PIN ist
die Abkürzung für:
P positiv: Was war positiv?
I interessant: Was war an der Situation interessant?
N negativ: Was wurde negativ erlebt – diese Frage gehört an
den Schluss.

Beispiel: Analyse einer Situation nach dem PINCode


Ein Arbeitgeber verlegt den Standort des Betriebs. Um den Arbeitsplatz
behalten zu können, muss der Arbeitnehmer mit umziehen. Er unter
sucht seine Lage nach dem PINCode:
Positiv:
• Er hat die Gelegenheit, neue Orte zu sehen.
• Er hat die Chance, neue Freunde zu finden.
• Er hat die Möglichkeit, alte Gewohnheiten abzulegen.

Interessant:
• Er kann entdecken, wie er mit Veränderungen umgeht.
• Neue Einflüsse können ihn inspirieren.

Negativ:
• Er muss sich von alten Freunden verabschieden.
• Er muss auf das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit verzichten.

121
4 Dürfen: Bestimmen Sie den Handlungsrahmen

Positive Interpretationen machen positiv motiviertes Handeln mög-


lich. Motiviert ist, wer die aus seiner Sicht günstigsten Interpreta-
tionsmöglichkeiten zur Grundlage seiner eigenen Handlungen
macht. Das Maß der Wirksamkeit ist das Maß der individuell bewer-
teten Wahrheit.

Kienbaum Kompetenztest: Situationen positiv interpretieren


Erinnern Sie sich an eine kürzlich getroffene Entscheidung und versu
chen Sie, dieser so viele positive Aspekte wie möglich abzugewinnen.
Erhöhen Sie den Schwierigkeitsgrad: Überprüfen Sie eine negative Si
tuation oder eine Fehlentscheidung Ihrerseits daraufhin, welche Vorteile
sie Ihnen bietet.
Reflektieren Sie im Anschluss verschiedene negative Situationen, in die
Sie in jüngerer Vergangenheit geraten sind, und Ihren Umgang damit.
Überlegen Sie, welchem Buchstaben im PINCode Sie in der Regel be
sonderes Gewicht verleihen. Fragen Sie sich, ob Sie im Alltag womög
lich das „P“ und das „I“ des Codes vergessen, sodass er zum NCode
wird.

Schritte zur erfolgreichen Selbstmotivation


Bleiben Sie Ebenso wie es einerseits sinnlos ist, in Selbstmitleid, Verteidigung,
realistisch Rechtfertigung und Hoffnungslosigkeit zu verharren, ist es anderer-
seits falsch, nur noch rosarote Gläser aufzusetzen. Der eigene An-
spruch sollte mit der Realität abgeglichen werden. Optimisten sehen,
dass ein Glas halb voll ist und dass die Möglichkeit besteht, es ganz
voll zu machen. Naiv wäre es jedoch zu glauben, es sei doch schon
fast voll.
Beispiel: Realistische Sicht ist hilfreich
Drei Arbeiter werden befragt, was sie tun. Der erste antwortet: „Ich
schichte Steine auf.” Der zweite sagt: „Ich verdiene Geld.” Der dritte
meint: „Ich helfe, eine Kathedrale zu bauen.” Wer ist am zufriedensten?
Diese Geschichte wird oft thematisiert, wenn es darum geht, die unbe
strittene Bedeutung von Visionen und Träumen zu unterstreichen.
Realistisch sein bedeutet in diesem Beispiel, sich bewusst zu machen,
dass auch der erste Arbeiter auf seine Weise zufrieden ist. Er verrichtet
trotz der eingekehrten Routine seinen Job, er entspricht den Erwartun
gen, scheinbar unangenehme Tätigkeiten zuverlässig auszuführen. Den

122
Die Übernahme von Verantwortung 4
nötigen Ausgleich, antwortet er auf die entsprechende Frage, fände er
in der Freizeit.
Der zweite Arbeiter wird befragt: Er verdient den Lebensunterhalt für
sich selbst und für seine Familie. Letztlich entspricht er damit dem An
spruch, für das eigene Leben und sein privates Umfeld die Verantwor
tung zu übernehmen. Auch er ist zufrieden!
Den dritten Arbeiter konnte man leider nicht tiefer gehend befragen
– am nächsten Tag wurde er entlassen. „Wieso gerade diesen hoch
motivierten Mann?“ „Nun“, antwortete der zweite Arbeiter, „er war un
zufrieden. Er wollte um jeden Preis eine Kathedrale errichten. Wir bauen
hier aber einen Parkplatz ...“

Die eigene Zufriedenheit steht und fällt mit dem Realismus, mit dem
jemand seiner Umwelt begegnet. Dazu gilt es, realistisch zu bleiben
und den individuellen Wert der eigenen Motive zu klären.
Motivation nach der ARAFormel
Dennoch ist es natürlich sinnvoll, mit einer gehörigen Portion Op- Optimismus ist
timismus durch das Leben zu gehen. Der ist bis zu einem gewissen erlernbar
Grad sogar erlernbar. Mit den folgenden Übungen ist es möglich,
die eigene Wahrnehmung und Interpretation so zu steuern, dass die
Motivation davon bestmöglich profitiert. Bewährt hat sich die soge-
nannte ARA-Formel.
A Antizipieren
R Reflektieren
A Antreiben
• Antizipieren bedeutet, die Zielerreichung gedanklich vorzu-
zeichnen. Dabei belohnt sich jemand bereits auf dem Weg zum
Ziel und zwar mit der Vorstellung davon, wie es sein wird, wenn
er sein Vorhaben erst einmal umgesetzt haben wird.
Beispiel: Antizipieren hilft beim Durchhalten
Marathonläufer praktizieren diese Technik in Stresssituationen, wenn
sie spüren, dass sie kurz davor sind, zusammenzubrechen. In solchen
Momenten stellen sie sich vor, wie es sein wird, wenn sie innerhalb der
von ihnen gewünschten Zeit ins Ziel einlaufen. Sie versuchen den Bei
fall und die Musik im Zielbereich zu hören, sehen sich im Endspurt noch
einmal alle Kräfte mobilisieren und spüren, wie sich die Freude über das
Erreichte in diesem Moment körperlich anfühlt.

123
4 Dürfen: Bestimmen Sie den Handlungsrahmen

• Reflektieren meint im bestehenden Kontext, dass eine Selbstre-


flexion zur Eigenmotivation stattfindet. Diese Methode rückt die
eigenen Stärken immer wieder in den Mittelpunkt. Mit den fol-
genden Fragen erhält die Motivation sofort neuen Schub, am
besten sollten sie morgens beantwortet werden, auch wenn dies
natürlich jederzeit möglich ist:
Eigene Stärken − Welchen Beitrag kann ich heute leisten, um meine Ziele zu
im Mittelpunkt erreichen und meine Träume zu verwirklichen?
− Vor welchen Herausforderungen werde ich heute stehen?
− Wie wird es sich anfühlen, wenn ich diese bewältigt habe?
− Was genau motiviert mich heute?
− Welche meiner Stärken kann ich heute besonders gut gebrau-
chen? Wobei können sie mich unterstützen?
− Zu wie viel Prozent kann ich mich heute engagieren? Was
macht die fehlenden Prozente aus? Kann ich diese noch akti-
vieren oder möchte ich sie bewusst sparen?
− Worüber habe ich mich gestern besonders gefreut?
Wie in einer Morgenmeditation findet so eine Besinnung auf die
eigene Kraft und die eigenen Möglichkeiten statt. Der Mensch
reflektiert seine eigenen Träume und Stärken. Voraussetzung ist,
dass die scheinbar dringenden Dinge kurzfristig in den Hinter-
grund rücken. Das „operative Feuerwerk“ wird einen Moment
lang ausgeblendet, die wesentlichen Dinge werden bewusst.
Diese Übung hilft dabei, sich mental auf den Tag einzustellen
und ihn sinnvoll zu beginnen.

Kienbaum Expertentipp: Reflektieren Sie regelmäßig


Machen Sie aus dieser Selbstreflexion ein Ritual, das Sie jeden Tag
einsetzen. Stehen Sie z. B. morgens fünf Minuten früher auf und
beantworten Sie die Fragen für sich selbst.
Pläne energisch • Antreiben ist der dritte Punkt der ARA-Formel. Nachdem der
umsetzen Erfolg vorweggenommen wurde und über das Wesentliche re-
flektiert wurde, geht es nun darum, die Pläne auch umzusetzen.
Dafür sind kurzfristige Energieschübe nötig. Möglich ist dies auf
zwei Wegen: zum einen Erfolge fokussieren, zum anderen Rück-
schläge und Fehler minimieren. Es gilt, Erfolge im eigenen Welt-

124
Die Übernahme von Verantwortung 4
bild zu stabilisieren und Misserfolge zu destabilisieren (s. Seite
116). Die drei entscheidenden Dimensionen sind Zeitbezug,
Kontrollüberzeugung und Globalität der Ereignisse.

Erfolge mental stabilisieren


Zeitbezug
Ihr Erfolg ist von Dauer. Ersetzen Sie Gedanken, dass der Erfolg aus
bleiben könnte, durch andere Ideen, die sein Andauern implizieren.
Negativ gedacht Positiv gedacht
• Diesmal habe ich Glück gehabt. • Ich war wie immer erfolgreich.
• Es war einmalig, es wird sich nicht • Ich habe es einmal geschafft, also
wiederholen. kann ich es wieder tun.
Kontrollüberzeugung
Ihr Erfolg ist individuell und eigenen Stärken zuzurechnen. Ersetzen
Sie Gedanken, die nahelegen, dass alles nur Zufall sei, durch solche,
die Ihnen sagen, dass Sie selbst es bewirkt haben.
Negativ gedacht Positiv gedacht
• Es war eine glückliche Fügung. • Ich habe die Chance gesehen und
• Das war sehr einfach. genutzt.
• Ich habe es gut beherrscht.
Globalität
Ihr Erfolg ist allgemein. Wenn Sie in einem Bereich erfolgreich sind,
können Sie in anderen Bereichen ebenfalls Erfolg haben.
Negativ gedacht Positiv gedacht
• Der Chef scheint mich zu mögen. • Ich bin im Team bei allen an
• Das habe ich gerade noch geschafft. erkannt.
• Wenn ich das geschafft habe, kann
ich den Rest auch bewältigen.

125
4 Dürfen: Bestimmen Sie den Handlungsrahmen

Rückschläge mental destabilisieren


Zeitbezug
Dieser Rückschlag ist vorübergehend. Ersetzen Sie die Gedanken, die
von „immer“ und „überall“ sprechen, durch positivere:
Negativ gedacht Positiv gedacht
• Ich mache es immer falsch. • Dieses Mal habe ich einen Fehler
• Hier werde ich wohl hoffnungslos gemacht.
stecken bleiben. • Ich bin hier, so lange es so bleibt,
• Ich war noch nie glücklich. und nicht länger.
• Im Moment bin ich unglücklich.
Kontrollüberzeugung
Rückschläge und Misserfolge sind äußeren Faktoren zuzurechnen.
Hören Sie damit auf, sich selbst zu beschuldigen.
Negativ gedacht Positiv gedacht
• Ich verstehe das nicht. • Ich habe zu wenig Informationen.
• Ich bin nicht entscheidungsfreudig. • Ich habe noch nicht die richtige
Idee gefunden.
Globalität
Misserfolg, Fehler und Rückschläge sind spezifisch. Ersetzen Sie nie
mand, nichts und niemals durch positivere Gedanken.
Negativ gedacht Positiv gedacht
• Niemand mag mich. • Es ist schwierig, hier nette Men
• Nie klappt irgend etwas. schen kennen zu lernen.
• Das Leben ist hart. • Das hat eben nicht funktioniert.
• Dieses spezifische Problem ist eine
Herausforderung.

Kienbaum Kompetenztest: Reflexion nach der ARAFormel


Überlegen Sie, mit welchen Vorstellungen Sie sich selbst vorab für eine
besondere Leistung belohnen können.
Welche Zielerreichung ist für Sie besonders wichtig?
Wie sieht die Situation aus, in der Sie die Ziellinie überqueren?
Wie wird es sich anfühlen, wenn Sie diese erreicht haben?
Wer wird es zuerst merken und sich besonders darüber freuen?
Was werden Sie nach der Zielerreichung tun, damit die Anspannung
von Ihnen abfällt?

126
Die Übernahme von Verantwortung 4
Kienbaum Kompetenztest: Verändert sich Ihre Wahrnehmung?
Wenden Sie eine Woche lang bewusst die FIRMMethode, den PIN
Code und die ARAFormel für Ihre Selbstmotivation an.
Beobachten Sie, ob und wie sich Ihre Wahrnehmung des Alltags da
durch womöglich verändert.

Denken Sie positiv


Wie gezeigt, entsteht die Basis für erfolgreiches Handeln stets im Positive Grund
eigenen Kopf. Tatsächlich unterscheiden sich erfolgreiche Menschen einstellung als
Erfolgsbasis
von weniger erfolgreichen (neben den vorhandenen Talenten und
Fähigkeiten) vor allem dadurch, wie sie die Dinge betrachten – näm-
lich grundsätzlich erst einmal positiv. Ein solch positives Denken ist
nicht einfach Zweckoptimismus und hat auch nichts mit Naivität
und Realitätsferne zu tun. Dahinter steht vielmehr eine bejahende
Grundeinstellung, die dabei hilft, auch in schwierigen Situationen
konstruktiv zu bleiben. Und es sind genau diese Herausforderungen,
die über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Wer Rückschläge kon-
struktiv bewältigt, wird auch in allen anderen Lagen seine Chancen
zu nutzen wissen. Positives Denken stellt dafür einen wesentlichen
Faktor dar.
Was zeichnet Menschen aus, die positiv denken?
Sich dem Leben mit bestimmten positiven Vorannahmen zu nähern
– das ist das besondere Kennzeichen solcher Personen. Hindernisse
dagegen blenden sie aus oder überwinden sie. Zu den positiven
Vorannahmen gehören: Sinnhaftigkeit, Optimismus, Energie und
Realismus. Die Hindernisse und negativen Vorannahmen eines
Menschen dagegen zeigen sich in Entscheidungsunfreudigkeit, der
„Komfortzone“, der „Hurry-Krankheit“ sowie dem Abhängigkeits-
denken.
Wie Sie positive Vorannahmen entwickeln können
In der Tabelle können Sie erkennen, mit welchen Inhalten die jewei-
ligen Vorannahmen verknüpft sind und durch welche Selbstverstär-
ker sie motivierend wirken.

127
4 Dürfen: Bestimmen Sie den Handlungsrahmen

Positive Inhalte Selbstverstärker


Voran
nahme
Sinnhaftigkeit • Langfristige Pläne • „Ich habe Ziele, die ich
• Balance zwischen den erreichen werde.“
Lebensfeldern wahren • „Ich weiß, was ich will, und
• Den Überblick über den ich weiß, warum ich es
eigenen Standpunkt und die will.“
Richtung behalten • „Mein Handeln und Denken
• Immer etwas haben, auf ist an meinen eigenen Wer
das sich die Energie aus ten und Zielen ausgerichtet
richten kann  ich kann mir jederzeit
selbst in die
• Eigene Werte und Ziele als
Augen schauen.“
Messlatte nutzen
• Die FIRMMethode (s. Seite
119)
Optimismus • Der Wille, Chancen zu • „Ich nehme die Welt
ergreifen positiv an und will sie ge
• Produktives und konstrukti stalten.“
ves Denken • „Ich vertraue darauf, dass
• Auf andere offen und ver Dinge sich nach meinem
trauend zugehen Wunsch entwickeln, wenn
ich etwas dafür tue.“
• Der PINCode (s. Seite 121)
Energie • Positive Anspannung • Ernährung
• Entspannung • Sport
• Balance zwischen
Anspannung und Ent
spannung
Realismus • Sich Problemen stellen • „Nicht alles verläuft
• Risiken annehmen wunschgemäß, aber nichts
ist unveränderlich.“
• Fehler überdenken
• „Aus Fehlern kann ich
• Ehrlichkeit sich selbst
gegenüber lernen, besser zu werden.“

Hindernisse und negative Vorannahmen bewältigen


Auch in Bezug auf die negativen Vorannahmen und Hindernisse
entscheiden Sie selbst, ob Sie sie stehen lassen, sie ganz ausblenden
oder verändert betrachten wollen.

128
Die Übernahme von Verantwortung 4
Hindernis/ Inhalt Bewältigungsstrategie
negative
Vorannah
me
Entscheidungs • Angst davor, die falsche • Mut zum Risiko
unfreudigkeit Entscheidung zu treffen • Vorstellung des „worst
• Verlust der nicht gewähl case“
ten Variante • Auswahl aus gleichberech
• Angst vor der Reaktion tigten Entscheidungsalter
anderer Menschen bzgl. nativen
der eigenen Entscheidung • Einstellung: „1000 Wege
• Perfektionismus: Der Glau führen nach Rom“
be, es gäbe einen und nur • Zulassen eines berechtig
den richtigen Weg ten Einflusses von Intuition
und Bauchgefühl
• Anwenden der PIN –Formel
(s. Seite 121)
Die „Komfort • Gewöhnung an die Dinge, • „GestalterGoogeln“: sich
zone“ die oft getan werden beständig fragen, wie Si
• Glaube, dass es so, wie es tuationen noch zu verbes
ist, gut ist, weil andere sern wären
Möglichkeiten gar nicht • Anpassen eigener Ziele,
gesucht werden Stecken neuer und heraus
• Sicherheit durch die Be fordernder Ziele
kanntheit als Gegensatz • ARAMethode
zur Unsicherheit des Unbe (s. Seite 123)
kannten • Eigene Kontrollüberzeu
gung hinterfragen
Die Hurry • Angst, eine Pause könne • Bewusste Ruhezeiten und
Krankheit etwas zerstören Pausen einrichten – und
• Unfähigkeit, „nichts“ zu auch einhalten
tun • Gezielt Aufgaben und
• Sich selbst als Trouble Verantwortung delegieren
Shooter sehen • Vertrauensvorschuss leis
• Wunsch, stets alles so ten
sicher wie möglich zu ma • Einstellungsänderung:
chen, um Unsicherheit „Willst du schnell sein,
oder Überraschungen aus gehe langsam!“
dem Weg zu gehen

129
4 Dürfen: Bestimmen Sie den Handlungsrahmen

Abhängigkeits • Gedanke, dass es zum • Sich Alternativmöglich


denken Status quo keine Alternati keiten bewusst machen,
ven gäbe und man sich auflisten
eben Situation arrangieren • Selbstwirksamkeit trainie
muss. ren, Erfolge den eigenen
• Katastrophendenken: Fähigkeiten zuschreiben
Ausmalen von möglichen • Bewusst die Perspektive
dramatischen Verkettun wechseln: z. B. „Ist das
gen, die bis zum totalen Glas halb voll oder halb
Verlust führen leer?“

Kienbaum Kompetenztest: Sind Sie ein PositivDenker?


Reflektieren Sie Ihre Einstellungen zum Leben: Wie positiv denken Sie?
• Entdecken Sie an sich Tendenzen, sich in Ihrem Denken und Han
deln verstärkt an Hindernissen oder negativen Vorannahmen zu
orientieren?
• Welche Inhalte beschäftigen Sie dabei am häufigsten?
• Kennen Sie die entsprechenden Bewältigungsstrategien?
• Welche Ansatzpunkte sehen Sie, Ihre negative Einstellung zu über
winden?
• Wie stark lassen Sie sich von positiven Vorannahmen, Sinnhaftig
keit, Optimismus, Energie und Realismus leiten?
• Welche Inhalte wenden Sie regelmäßig an, um Ihren Optimismus
zu stärken?
• In welchen Bereichen können Sie die positiven Vorannahmen noch
ausbauen?

4.2 Handlungsspielraum und


Gestaltungsfreiheit schaffen
Handlungs Das Dürfen des Mitarbeiters beschreibt die Rahmenbedingungen,
rahmen be unter denen sich seine Motivation entfalten kann – oder auch nicht.
grenzt Leistung
Hier geht es um den Handlungsspielraum, der einem Menschen
zugestanden wird. Wer als Führungskraft eigenständiges Arbeiten
einfordert, muss zuerst einen Gestaltungsfreiraum anbieten, der dies
überhaupt zulässt. Kurz gesagt: Selbstverantwortung muss vom
Mitarbeiter gewollt sein und der Vorgesetzte muss sie ermöglichen.

130
Handlungsspielraum und Gestaltungsfreiheit schaffen 4
Die Übernahme und Übergabe von Verantwortung für betriebliche
Vorgänge wird damit zum zentralen Begriff der motivationalen
Komponente Dürfen.

Selbstverantwortung ermöglichen
Selbstverantwortung ist nur dort möglich, wo jemand die Verant- Verantwortung
wortung für sein Tun selbst trägt. Die Situation in vielen Unterneh- für das eigene
Tun
men ist allerdings häufig eine andere: „Ich kann meinen Mitarbei-
tern erst Verantwortung übertragen, wenn sie eigenständiges Han-
deln gelernt haben“, sagt die Führungskraft. „Ich kann erst dann
eigenständig handeln, wenn ich für die Tätigkeit und ihre Ergebnisse
auch verantwortlich bin!“ antwortet der Mitarbeiter. Das ist ein
Spiel, das sich im Laufe der Zeit in allen Varianten hervorragend
perfektionieren lässt und dessen Regeln scheinbar allen Verände-
rungen der Arbeitsumwelt spielend anzupassen sind.
Verantwortung ist jedem zuzutrauen
Dabei ist es für die meisten Menschen überhaupt nicht ungewöhn-
lich, Verantwortung zu tragen. Der verantwortliche Umgang mit
dem eigenen Leben gelingt den meisten Menschen schon im Alter
von 16 oder 18 Jahren. Erwachsene Menschen führen Haushalte und
Familien, organisieren Vereinstreffen oder nehmen Kredite in der
Höhe ihres mehrfachen Jahres-Brutto-Gehalts auf. Sie führen auf
diese Weise das Unternehmen „Familie“ oder das Unternehmen
„Ich“ in voller Eigenverantwortung und in der Regel auch erfolg-
reich. Das lässt den Schluss zu, dass die meisten Menschen absolut
in der Lage sind, erfolgreich selbstverantwortlich zu handeln. Damit
stellt sich die Frage, wie dies auch unter den Bedingungen des
Arbeitsprozesses möglich ist.
Entscheidung muss überhaupt möglich sein
Selbstverantwortung existiert nur, wenn ein Mitarbeiter einen ech- Liegen Alterna
ten Handlungsspielraum besitzt, in dem alternative Entscheidungen tiven vor?
getroffen werden können. Er muss also eine Wahlmöglichkeit zwi-
schen verschiedenen Alternativen haben, die auch unterschiedliche
Konsequenzen mit sich bringen. Und es muss gelten: Wer die Wahl
trifft, muss auch die Folgen tragen.

131
4 Dürfen: Bestimmen Sie den Handlungsrahmen

Die erste Voraussetzung dafür, dass Menschen die eigene Wirksam-


keit erfahren, ist also der schlichte Umstand, dass sie Entscheidun-
gen treffen, dass sie durch ihr eigenes Handeln Ergebnisse beeinflus-
sen können. Erst dadurch ist wiederum die Übernahme von Ver-
antwortung für das eigene Tun möglich.
Beispiel: Übernahme von Verantwortung
Ein Mitarbeiter einer Immobilienverwaltung ist u. a. für die Auswahl
neuer Mieter zuständig. Er sichtet die eingereichten Unterlagen, spricht
mit den Menschen, die sich auf die Wohnungen bewerben, und ver
gleicht ihr Profil mit den Anforderungen des Vermieters. Nachdem er
alle Faktoren bewertet hat, entscheidet er sich nach vorgegebenen Kri
terien für einen Interessenten. Mit seinem Vorgesetzten muss er bei all
diesen Schritten keine Rücksprache halten.

Geben Sie Verantwortung ab


Entscheidungs Wenn an einer Stelle Verantwortung übernommen werden soll,
spielraum sollte muss sie an anderer Stelle auch tatsächlich abgegeben werden. Das
erweitert
bedeutet, dass der Mitarbeiter tatsächlich die Entscheidungen selbst
werden
fällt, zu denen er berechtigt ist. Viele Führungskräfte neigen dazu,
viele Entscheidungen an sich zu ziehen, und schränken damit die
Möglichkeiten ihrer Mitarbeiter ein, Selbstverantwortung für das
eigene Handeln zu entwickeln.
Aus motivationaler Sicht muss jedoch genau das Gegenteil erfolgen:
Der Entscheidungsspielraum der Mitarbeiter sollte sich kontinuier-
lich erweitern. Entscheidungskompetenz gehört an den Platz, an
dem die Handlungskompetenz angesiedelt ist. Einem Mitarbeiter,
der auf seinem Gebiet nicht nur handeln kann, sondern auch darf,
muss auch der dazugehörige Entscheidungsspielraum zugesprochen
werden. Erst das befähigt ihn, in seinem Handlungsbereich Ent-
scheidungsalternativen sowie deren Kosten und Nutzen gegenein-
ander abzuwägen, Folgen einzuschätzen und die Konsequenzen für
seine Wahl zu tragen.
Seien Sie bei Fehlern tolerant
Die Ausweitung des eigenen Handlungsspielraums und die damit
verbundene Selbstverantwortung benötigen eine Unternehmenskul-
tur, die Fehler als das behandelt, was sie sind: als unvermeidlich und

132
Handlungsspielraum und Gestaltungsfreiheit schaffen 4
als Lernchancen. In einer Null-Fehler-Kultur, in der jedes Missge-
schick umgehend zu negativen Sanktionen führen kann, wird es
nicht zur Selbstverantwortung kommen, sondern eher zur Selbstab-
sicherung. Fehler passieren. Es ist nicht dumm, einen Fehler zu
machen, sondern es ist dumm, ihn ein zweites Mal zu machen. Feh-
ler sind nützlich. Gerade bei der Erkundung neuen Terrains lernen
wir mehr aus den Misserfolgen, die wir erleben, als aus zufällig rich-
tigem Verhalten.
Übertragen Sie Verantwortung – in jedem Fall
Selbstverantwortung zuzulassen bedeutet zudem, die Verantwortung Folgen – auch
in jedem Falle beim Mitarbeiter zu belassen. Das bedeutet einerseits, negative –
sollte der
dass der Erfolg tatsächlich dem Mitarbeiter gehört. Andererseits
Mitarbeiter
heißt es, dass auch in schwierigen Situationen die Entscheidung
tragen
beim Mitarbeiter verbleibt. Die sogenannte „Chefsache“ zerstört alle
Bemühungen, selbstständig zu handeln. Wenn der Vorgesetzte in
kritischen Lagen eingreift, meint er dies sicher gut, untergräbt aber
gleichzeitig die Selbstverantwortung. Denn im Grunde zeigt er sei-
nem Mitarbeiter auf, hinter welchen Grenzen das wirklich Wichtige
geschieht – ohne dessen Mitwirkung.
Dabei sind es gerade diese Momente, in denen nicht alles glatt läuft,
die dem Mitarbeiter die Gelegenheit geben, in die „Zone der nächs-
ten Entwicklung“ (s. Seite 107) zu springen. Greift die Führungs-
kraft nun ein, verweigert sie ihrem Arbeitnehmer genau diesen
Sprung – tendenziell driftet der dann in die gewohnte „Komfort-
zone“ ab.

Kienbaum Expertentipp: Bieten Sie Hilfe an


Selbstverständlich gibt es auch hier Grenzen: Dies ist keine Aufforde
rung, den Mitarbeiter auf ein Riff auflaufen zu lassen. Als Führungskraft
sollten Sie sich aber auf Hinweise und Abweichungssignale beschrän
ken, wenn Gefahr in Verzug ist. Lösen Sie nicht die Probleme des Mit
arbeiters. Beraten Sie ihn, stehen Sie ihm zur Verfügung, liefern Sie ihm
Informationen, zeigen Sie Perspektiven auf – aber überlassen Sie die
Lösung ihm selbst.
Verwechseln Sie die Beratungstätigkeit in Gesprächen mit dem Mit
arbeiter nicht damit, ihm die Entscheidung abzunehmen.

133
4 Dürfen: Bestimmen Sie den Handlungsrahmen

Echte Delegation – Vergeben Sie Missionen statt


Aufträge
Echte Delega Generell lässt sich zwischen Delegation und Scheindelegation unter-
tion bringt scheiden. Echte Delegationen haben den Charakter von Missionen:
Entscheidungs
Es gilt, ein vorgegebenes Ziel bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu
spielraum mit
erreichen. Alles Weitere obliegt dem Mitarbeiter selbst: die Wahl der
sich
Mittel, der Weg zum Ziel, die Entscheidung darüber, wer für eine
Mitwirkung gewonnen werden soll etc. Damit liegt die Verantwor-
tung sowohl für den Prozess als auch für das Ergebnis beim Mit-
arbeiter, egal, ob das Vorhaben ein Erfolg wird oder er Rückschläge
hinnehmen muss.
Was ist eine Scheindelegation?
Bei Scheindelegationen kommt es trotz einer offiziellen Auftrags-
übergabe nicht dazu, dass auch Verantwortung übertragen wird. Der
Vorgesetzte gibt Entscheidungen nicht frei, sondern behält sie in
seiner Hand. Scheindelegationen sind ein wenig mit Suggestivfragen
verwandt. Hier handelt es sich zwar um eine Frage, aber die Antwort
darauf steht bereits fest. Eine Scheindelegation läuft ähnlich ab: Die
Führungskraft hat das Ergebnis schon genau im Kopf – mit dem
Auftrag erhält der Mitarbeiter auch gleich die Lösung übertragen.
Das blockiert aber die Übernahme echter Verantwortung schon im
Vorfeld.
Kienbaum Expertentipp: Delegieren Sie Missionen
Schenken Sie dem Mitarbeiter das Vertrauen, dass er Ziele selbstständig
erreichen kann. Seien Sie ansprechbar, wenn er das Gespräch sucht.
Vermeiden Sie aber Aktionen, die als „Kontrolle zwischendurch“ miss
verstanden werden könnten.

134
Handlungsspielraum und Gestaltungsfreiheit schaffen 4
Vergleich von Delegation und Scheindelegation

Delegation Scheindelegation
„Herr X, wir möchten Sie für die Ent „Herr X, wir haben einen Auftrag für
wicklung der Marketingstrategie für Sie ...“
das neue Produkt gewinnen.“
„Wer – glauben Sie – könnte Sie darin „Am besten sprechen Sie dafür Frau Y
unterstützen?“ und Herrn Z an ...“
„Welche Kommunikationswege würden „Wir brauchen Internet, Radiospots und
Sie denn nutzen?“ Plakate für Fußgängerzonen!“
„Die Kampagne soll Anfang November „Damit haben Sie Zeit bis Ende Sep
starten. Für den Abschluss der Vorbe tember, dann brauchen wir es auf jeden
reitung sehen wir einen Termin Ende Fall.“
September. Können Sie da mitgehen?“

Tatsächlich Verantwortung übernehmen kann der Mitarbeiter nur Führungskräfte


im Fall der Delegation. In vielen Unternehmen besteht ein erheb- müssen delegie
ren lernen
licher Bedarf in diesem Punkt: Führungskräfte müssen lernen, den
Gedanken loszulassen, dass sie für alles verantwortlich sind, was ihre
Mitarbeiter tun. Sie müssen sich freimachen vom Wunsch, am liebs-
ten alles selbst zu machen, „… damit es auch wirklich gut wird“.

135
4 Dürfen: Bestimmen Sie den Handlungsrahmen

Kienbaum Kompetenztest: Können Sie delegieren?

Eher nein
Eher ja
Möchten Sie am liebsten alle Aufgaben selbst erledigen?
Arbeiten Sie länger an vergleichbaren Aufgaben als Ihre
Kollegen?
Verbringen Sie Zeit damit, Dinge für andere zu erledigen, die
diese genauso gut selbst erledigen könnten?
Finden Sie für den Notfall keinen Mitarbeiter oder Kollegen,
der Sie entlasten kann?
Kommt es vor, dass Ihre Mitarbeiter nur wenig zu tun haben,
während Sie in Arbeit ersticken?
Fehlt Ihnen die Zeit zur Planung Ihrer Aufgaben und Tätig
keiten?
Ist Ihr Arbeitsplatz nicht in einem ordentlichen Zustand,
wenn Sie aus dem Urlaub zurückkommen?
Ein Kollege bittet Sie um die Hilfe bei der Erledigung seiner
Aufgaben. Fühlen Sie sich dadurch geschmeichelt?
Müssen Sie oft eine wichtige Aufgabe verschieben, um an
dere durchführen zu können?
Wenden Sie Zeit für Routinearbeiten auf, die durch andere
erledigt werden könnte?
Schaffen Sie es nicht, regelmäßig anfallende Reparaturen
und Wartungsarbeiten auf Zeiten mit wenig Arbeit zu legen?
Werden Sie oft von Kollegen, denen Sie eine Tätigkeit zuge
wiesen haben, bei der Arbeit unterbrochen, weil die Aufgabe
unklar ist?
Sie geben Aufgaben an Ihre Kollegen weiter. Werden diese
Aufgaben nicht zufriedenstellend erledigt?
Wollen Sie überall Ihre Hand im Spiel haben und über alles
informiert werden?
Haben Sie Mühe, sich an Ihre Prioritäten (das Wichtigste
zuerst) zu halten?

136
Handlungsspielraum und Gestaltungsfreiheit schaffen 4
Zählen Sie Ihre JaAntworten zusammen:
03 JaAntworten: Sie delegieren ausgezeichnet.
47 JaAntworten: Sie können Ihre Delegation noch an wichti
gen Punkten verbessern.
8 und mehr JaAntworten: Die Delegation scheint für Sie ein ernst
haftes Problem darzustellen. Sie sollten der
Lösung dieses Problems absoluten Vorrang
einräumen.

Kienbaum Kompetenztest: Wie ist Ihr Delegationsverhalten?


In welcher Situation haben Sie es einmal nicht über sich gebracht,
etwas zu delegieren, was Sie selbst für delegierbar hielten?
Was hat Sie dazu bewogen, nicht zu delegieren? Inwiefern war fehlen
des Vertrauen verantwortlich dafür?
Welchen Freiraum haben Ihre Mitarbeiter bei der Entscheidungsfindung
im „daily business“? Könnten Sie sich vorstellen, mehr Entscheidungen
zu verlagern?
Was behindert Sie am meisten im Delegationsprozess: fehlende Kompe
tenzen der Mitarbeiter, mangelndes Vertrauen Ihrerseits oder das
NichtLoslassenKönnen? Wie können Sie dem abhelfen?

Freiräume schaffen
Wie schon erwähnt, lässt sich die Selbstverantwortung primär da- Ebenen der
durch fördern, dass der benötigte Freiraum eröffnet wird. Das kann Selbstverant
wortung
auf den Ebenen Tätigkeits-, Entscheidungs- und Kontrollspielraum
sowie im Rahmen der zeitlichen Selbstbestimmung geschehen.

137
4 Dürfen: Bestimmen Sie den Handlungsrahmen

Entscheidungs
freiheit und
Selbstkontrolle

Freiraumgestaltung

Zeitliche Selbst Handlungs


bestimmung spielraum

Aspekte der Freiraumgestaltung

Wie Entscheidungsfreiheit und Selbstkontrolle zusammenhängen


Mitarbeiter Selbstverantwortlich handelt ein Mitarbeiter – wie gesagt – dann,
handelt nach wenn er Entscheidungen, die seine Arbeit betreffen, weitestgehend
eigenem
selbst fällen kann. Dies bedeutet z. B., dass er eigenständig die benö-
Ermessen
tigten Materialien vorausschauend ordern kann, Aufwand und Nut-
zen selbst beurteilt und anschließend selbst entscheidet, welcher
Weg der zielführende sein wird.
Selbstkontrolle dagegen bedeutet, dass er auch seine eigenen
Arbeitsergebnisse selbst beurteilen kann, also feststellen kann, ob
und wie die Lösung, die er gewählt hat, funktioniert. Damit über-
nimmt er den Kontrollaspekt von der Führungskraft. Das ist ein
wesentlicher Motivator, denn wer sich überwacht und kontrolliert
fühlt, wird keine Selbstverantwortung entwickeln.
Einflussmöglichkeiten auf den Handlungsspielraum
Der Handlungsspielraum lässt sich auf verschiedene Weisen aus-
bauen:
• durch die vertikale Erweiterung des Einflussbereichs: Das Tätig-
keitsspektrum wird auf gleicher Ebene ausgedehnt. Dazu gehört,
dass der Mitarbeiter auch in vor- und nachgelagerte Arbeiten
steuernd eingreifen kann. Das ist der Schritt von der Tätigkeits-
zur Prozessverantwortung. Er fördert die ganzheitliche Wahr-

138
Empowerment – Mitarbeiter zu Mitunternehmern machen 4
nehmung des unternehmerischen Tuns im eigenen Handlungs-
feld und lässt den Sinn der eigenen Tätigkeit leichter erkennen.
• durch die horizontale Anreicherung der Tätigkeiten: Wenn der
Tätigkeitsspielraum nur eines Mitarbeiters erweitert würde, wäre
die Folge, dass er an anderer Stelle eingeengt würde. Daher ist
dies in der Regel nur durchzusetzen, indem ganze Unterneh-
mensbereiche umgestaltet werden. Vorreiter dieser Entwicklung
ist die Industrie, die teilautonome Arbeitsgruppen eingeführt
hat.

Zeitliche Autonomie motiviert


Zeitliche Selbstbestimmung bedeutet, dass dem Mitarbeiter in einem Arbeitszeitmo
angemessenen Rahmen die zeitliche Gestaltung der Aufgabenerfül- delle bringen
Zeitautonomie
lung freigegeben wird. Entsprechende Arbeitszeitmodelle dienen
damit ebenfalls als Erweiterung des Handlungsspielraums. Diese
Möglichkeiten sollten – in Abstimmung mit den bestehenden Not-
wendigkeiten – genutzt werden. In den meisten Fällen ist der wirt-
schaftliche Nutzen flexibler Arbeitszeiten nachweisbar. Die motiva-
tionale Wirkung jedoch ist unbestritten.

4.3 Empowerment – Mitarbeiter zu


Mitunternehmern machen
Ex-Bundespräsident Roman Herzog hat einmal gefordert, es müsse
ein „Ruck durch die Gesellschaft“ gehen. Diesen Gedanken hegen
auch viele Führungskräfte, wenn sie an ihr Unternehmen denken
– es müsse „ein Ruck hindurchgehen“ und „es müsse sich grund-
sätzlich etwas verändern“: Der Mitarbeiter solle zum „Unternehmer
im Unternehmen“ werden.
Nicht zufällig gilt das Wort Empowerment, übersetzt „Ermächti- Empowerment
gung“, heute als Schlüssel für den Unternehmenserfolg. Denn letzt- als Schlüssel
zum Unterneh
lich bedeutet dieser nichts anderes, als den Erfolg des einzelnen
menserfolg
Arbeitnehmers an seinem Platz. Die Aufgabe des Unternehmens
besteht also darin, jeden in die Lage zu versetzen, erfolgreich zu
agieren. Dazu braucht es zuallererst Handlungsspielraum und Ge-
staltungsfreiheit – also das Dürfen!

139
4 Dürfen: Bestimmen Sie den Handlungsrahmen

Macht an die Mitarbeiter übergeben


Empowerment bedeutet, die Power, d. h. Energie und Macht, dort-
hin zu verlagern, wo sie benötigt wird. Wie bereits gesehen, gehört
Macht an
die Entscheidungskompetenz an dieselbe Stelle, bei der auch die
Mitarbeiter
übertragen
zugehörige Handlungskompetenz liegt. Im Einzelfall bedeutet dies,
Handlungsraum zu geben, bezogen auf ganze Organisationen be-
deutet derselbe Vorgang, „Empowerment“ zu implementieren.
Wo Widerstand zu erwarten ist
Im Einzelfall ist es sicher möglich, Handlungsspielraum zu schaffen,
z. B. Entscheidungen an Vertriebsmitarbeiter zu übertragen.
Herausfordernd wird es jedoch, wenn es darum geht, Entschei-
dungsspielräume zeitgleich an mehreren Stellen im Unternehmen zu
vergrößern. Wird die Entscheidungskompetenz an einer Stelle er-
weitert, bedeutet dies zwangsläufig, dass sie an anderer Stelle be-
schnitten wird. Schließlich kann jeder Beschluss nur einmal gefasst
werden. Dieses Problem ist gleichzeitig das Haupthindernis für
Empowermentprozesse. In der Regel werden dem mittleren Mana-
gement Befugnisse entzogen, um sie hierarchisch zu verlagern. Und
es ist nachvollziehbar, dass eben dieses mittlere Management alles
dafür tun wird, um diesen Vorgang zu verhindern.
Welche Folgen hat Empowerment?
Motivierende Es gilt daher, die Aufbauorganisation des Unternehmens zu über-
Strukturen prüfen. Organisationsstrukturen können Motivationsprozesse för-
schaffen
dern – oder aber behindern und Mitarbeiter demotivieren. Selbst
wenn dafür die Rahmenbedingungen konsequent infrage zu stellen
und größere Umstrukturierungsmaßnahmen nötig sind, bedeutet
Empowerment:
• mehr Kontrolle, Verantwortung und Selbstwirksamkeit im
Arbeitsumfeld eines jeden Mitarbeiters,
• Steigerung des Beitrags eines jeden Individuums als Einzelleister
und als Teammitglied und
• weitgehende Nutzung der Möglichkeiten zur Selbstverwirk-
lichung und Entfaltung.

140
Empowerment – Mitarbeiter zu Mitunternehmern machen 4
So gesehen ist Empowerment mehr eine Zielvorstellung denn ein
Prozess oder ein Instrument. Sie zeigt ein Unternehmen, in dem
Mitarbeiter eigenverantwortlich, initiativ und engagiert an gemein- Partnerschaft
samen Zielen arbeiten. Jeder fühlt sich für den Gesamterfolg liche Beziehun
verantwortlich und misst sich selbst an seiner Leistung. Kontroll- gen zwischen
Vorgesetzten
instanzen und Überwachungsmechanismen wie Stechuhren, Über-
und Mitarbeiter
formularisierung oder die retrospektive Dokumentation von Vor-
gängen, die nicht unmittelbar mit der Qualitätssicherung zu tun
haben, sind in solchen Strukturen zunehmend überflüssig. Die Be-
ziehungen zwischen Führungskräften und Mitarbeitern gestalten
sich partnerschaftlich – im gesamten Unternehmen wird der Mit-
arbeiter als Partner gesehen – und zwar nicht nur als Formulierung
im offiziellen Leitbild, sondern als gelebte Realität. Dann sind Mit-
arbeiter wirklich motiviert.

Kritische Überprüfung der Organisation


Generell sollte ein Unternehmen regelmäßig seine Organisations-
strukturen kritisch überprüfen. Dies ist schon angesichts einer sich
in ständiger Bewegung befindlichen Marktsituation notwendig. Vor
allem folgende Aspekte sollten auf den Prüfstand gestellt werden:
• Entscheidungen und Aufbauebenen: Überprüfen Sie die Zahl der Was sollte
Entscheidungen, die jeden Tag im Unternehmen zu treffen sind. überprüft
werden?
Ist sie eher zu klein oder zu groß?
Wenn eine lähmende, abwartende Unternehmenskultur vor-
herrscht, die hoch formalisierend und dokumentierend arbeitet,
kann dies ein Hinweis auf eine zu tiefe hierarchische Gliederung
sein. Fühlen sich dagegen Mitarbeiter von der Tragweite ihrer
Entscheidungen überfordert, kann dies auf eine zu geringe Glie-
derungstiefe hinweisen. Das ist allerdings eher selten der Fall.
• Breite und Abgrenzung: Ist die vorhandene Arbeitsteilung ge-
rechtfertigt? Besteht womöglich eine zu starke Neigung zum
Taylorismus, also eine zu ausgeprägte Arbeitsteilung und damit
zu hohe Spezialisierung? Oder geht der Trend eher in Richtung
Generalistentum, das die Chancen von Spezialisierungen aus-
bremst?

141
4 Dürfen: Bestimmen Sie den Handlungsrahmen

Ein guter Indikator, um diese Fragen zu beantworten, ist der


Umfang der Kommunikation zwischen den Abteilungen, der be-
nötigt wird, um eine Entscheidung zu treffen. Je größer der Be-
darf an Kommunikationswegen ist, desto eher neigt die Organi-
sation zum Taylorismus. Wenn jedoch zahlreiche übergreifende
Projektgruppen existieren, kann das ein Hinweis darauf sein,
dass eine entsprechende Abteilung fehlt.
Expertenwissen • Informelle Strukturen und Wege: Mitarbeiter entwickeln im
der Mitarbeiter Laufe der Zeit ein hohes Spezialistentum für ihre Arbeit. Sie wis-
nutzen
sen, wo sie die notwendigen Informationen und Zuarbeiten am
effektivsten besorgen können. Oft funktionieren diese informel-
len Wege der Aufgabenbewältigung und Problemlösung genauso
gut oder gar besser als der „offizielle Dienstweg“ – und werden
daher auch häufiger genutzt.
Hier besteht eine große Chance zur Prozessoptimierung durch
die Mitarbeiter selbst. Das Unternehmen sollte den Spezialisten
für die anstehende Tätigkeiten auch gleich selbst deren Optimie-
rung vornehmen lassen.

Kienbaum Expertentipp: Lernen von den Mitarbeitern


Empowerment, also „Ermächtigung“, im Unternehmen bedeutet, dass
Mitarbeiter ihren Erfolg selbst organisieren können. Das wiederum
heißt, dass Personen die sie betreffenden Strukturen und Abläufe
infrage stellen dürfen. Ein Unternehmen besteht aus Menschen. Wenn
es den Anspruch erhebt, selbstlernend zu sein, muss es bereit sein, von
seinen Menschen zu lernen.

Wie anfangen?
Empowerment Bei aller Utopie, die das Beschriebene enthalten mag: Zahlreiche
infiziert be Veränderungen in Unternehmen zeigen, dass es sich lohnt, in diese
nachbarte
Unternehmensutopie zu investieren, zumal sie sich sehr schnell und
Bereiche
in einer beachtlichen Tragweite durchsetzen. Sie kommen nicht von
heute auf morgen und nicht überall zugleich. Vielmehr beginnen sie
an einigen Stellen, die in der Lage sind, benachbarte Bereiche zu
„infizieren“ und die Idee „Empowerment“ zu verbreiten.

142
Empowerment – Mitarbeiter zu Mitunternehmern machen 4
Welche Voraussetzungen braucht das Unternehmen?
In jedem Unternehmen lassen sich Handlungsansätze zur Umset- Das muss das
zung der Empowerment-Idee finden. Der erste Schritt ist gemacht, Unternehmen
mitbringen
wenn die ersten Bereiche sich mit Unterstützung des Top-
Managements selbst empowered haben und der Erfolg für alle sicht-
bar wird. Dafür brauchen Unternehmen nicht mehr als
• Mut und Willen zur Veränderung,
• Optimismus, dass Veränderungen häufig per se sinnvoll sein
können, um Verkrustungen zu vermeiden,
• Vertrauen in seine Mitarbeiter und deren Fähigkeiten.

Vertrauen Sie darauf, dass sich gute Ideen verbreiten werden


Geeignet ist der Multi-Core-Ansatz: Hierbei werden Veränderungen
an einigen Stellen auf verschiedenen Ebenen zugleich initiiert, die
sich auf benachbarte Bereiche auswirken und diese sozusagen infi-
zieren. So erfasst Empowerment nach und nach die gesamte Organi-
sation.

Handlungsansätze Selbstständige „Ausbreitung“ von Veränderungen


Hierarachieebene

Zeitverlauf

Der MultiCoreAnsatz zur Organisationsentwicklung

143
5 Toolbox der Motivation

Der Auftrag an Führungskräfte lautet, motivierende Führungsarbeit


zu leisten oder besser: Führungsarbeit, die den Mitarbeitern Selbst-
verantwortung ermöglicht. Dafür brauchen sie effiziente Instrumen-
te. Zwar ist jeder Mitarbeiter selbst dafür verantwortlich, motiviert
zu sein und sich mit seinen Aufgaben zu identifizieren. Aber ein
Unternehmen kann ihn darin unterstützen, indem es die Rahmen-
bedingungen schafft, die zu Motivation und Leistungsbereitschaft
einladen. Diverse Maßnahmen sind mittlerweile gang und gäbe in
den meisten Unternehmen, z. B. Mitarbeitergespräche, qualifizierte
Beurteilungssysteme etc. Ihre Existenz ist die Voraussetzung für die
folgenden elaborierteren Modelle.
Unternehmens Allerdings sind alle Maßnahmen immer abhängig von der existie-
kultur bildet renden Unternehmenskultur. Sie ist gekennzeichnet durch die
umgebenden
Ideen, Vorstellungen und Werte, die die Mitarbeiter eines Unter-
Rahmen
nehmens teilen. Kulturelle Aspekte beeinflussen die Auswahl, die
Ausgestaltung und die Umsetzung der Führungsinstrumente.

Unternehmenskultur
Zielverein Vergütungs
barungssystem system

Instrumente für ein


motivierendes
Spielfeld

Retention Karriere
Programm modelle

Instrumente zur motivierenden Mitarbeiterführung

Die Unternehmenskultur ist die umlagernde Größe. Sie stellt die


Rahmenbedingungen, die Mitarbeitern Lust darauf machen, sich

144
Analysieren Sie Motivationsprobleme 5
selbst zu motivieren. Aus ihr erwächst der Anspruch, moderne
Führungsinstrumente einzusetzen, und auch die Form der Gestal-
tung und die praktizierte Umsetzung werden durch sie wesentlich
eingefärbt.

5.1 Analysieren Sie Motivationsprobleme


Wenn es darum geht, die Mitarbeitermotivation zu steigern, besteht Analyse ver
der erste Schritt immer darin, eine qualifizierte Analyse der Aus- hindert Aktio
nismus
gangssituation durchzuführen. Das verhindert, dass blinder Aktio-
nismus herrscht, durch den viel Energie in die Lösung nicht vorhan-
dener Probleme gesteckt wird, während des „Pudels Kern“ nicht
getroffen wird.

Planen Sie die Datenerhebung


Zunächst werden Hinweise aus verschiedenen Quellen gesammelt
und, z. B. in einem Workshop mit der Unternehmensführung, ver-
schiedenen Themengebieten zugeordnet, etwa Anzeichen einer be-
stehende Unzufriedenheit mit der vorherrschenden Meetingkultur.
Damit findet eine erste Reduktion des umfassenden Datenmaterials
statt. Im Anschluss werden die einzelnen Bereiche genauer beleuch-
tet, indem möglichst viele Meinungen dazu eingeholt werden
– mittels Mitarbeiterbefragungen, Workshops und Interviews. Dabei
kann es sich um Vorschläge handeln, wie die Meetingkultur im
Unternehmen effizienter gestaltet werden könnte. Das Unterneh-
men erreicht damit gleich mehrere Dinge:
• Die Hinweisgeber finden sich in den Aktivitäten wieder, Vorteile der
• auch sensible Signale, die „zwischen den Zeilen“ gesendet wer- Datenerhebung
den, können aufgegriffen und verifiziert werden,
• die Konstruktion der Erhebung beginnt nicht als „Schuss ins
Blaue“, sondern geht von konkreten Vorannahmen aus.
Die Analyse von Motivationsproblemen stützt sich damit auf eine
umfangreiche Datensammlung, führt aber im Endeffekt zu wesentli-
chen Kernaussagen und konkretem Veränderungsbedarf.

145
5 Toolbox der Motivation

Beispiel: Datenermittlung
In einem Unternehmen haben die Mitarbeiter in Fragebögen und Mit
arbeitergesprächen fast einhellig Kritik an der Meetingkultur in ver
schiedenen Unternehmensbereichen geäußert. Durch gezieltes Eingehen
auf die Problematik kristallisierte sich ein konkreter Veränderungsbedarf
heraus. So empfanden es Mitarbeiter z. B. als unnötig, Meetings bis
zum Schluss mitverfolgen zu müssen, obwohl die Themen, die für sie
interessant waren, ausschließlich in den ersten 15 Minuten besprochen
wurden. Als Folge trat eine neue Regel in Kraft, nach der eine zeitlich
begrenzte Teilnahme dieser Kollegen möglich wurde. Dadurch stieg
nicht nur die Effizienz der Sitzungen, sondern gleichzeitig auch die Mo
tivation der Mitarbeiter.

Welche Informationen gibt es?


Mögliche Zur Analyse der Mitarbeitermotivation im Unternehmen stehen
Informations verschiedene Informationsquellen zur Verfügung:
quellen
Datenquellen zur Analyse von Motivationsproblemen
Bereits vorhandene Datenquellen Speziell auf die Mitarbeitermoti
vation zugeschnittene Datener
hebungen
• FeedbackSysteme (Mitarbeiterge • Anonyme, schriftliche Mitarbeiterbe
spräche, Kundenbefragungen, die in fragungen
anderen Zusammenhängen gemacht • Qualitative Interviews mit Mitarbei
wurden) tern verschiedener Hierarchieebenen
• „weiche“, informelle Daten • Mitarbeiterworkshops u. Ä.
(z. B. Aussagen von Mitarbeitern in
Meetings) u. Ä.

Vor und Nachteile der Quellen


Die Informationsquellen der linken Tabellenhälfte haben den Vor-
teil, dass sie bereits vorhanden sind, jedoch den Nachteil, dass sie
stets hoch subjektiv eingefärbt sind. Zudem waren diese Informatio-
nen als Antworten auf völlig andere Fragestellungen gedacht und
enthalten Aussagen zur Motivation und Leistungsbereitschaft nur
als Nebenprodukt.
Die Informationsquellen der rechten Tabellenhälfte sind aussage-
kräftiger, da gesuchte Informationen direkt abgefragt werden kön-
nen. Weil die Menge der Befragten bzw. Beteiligten in der Regel

146
Analysieren Sie Motivationsprobleme 5
deutlich größer ist, sind die Ergebnisse weniger subjektiv und weni-
ger auf situative Besonderheiten ausgerichtet. Je nach Unterneh-
mensgröße kann es sich ja auch um Vollerhebungen der gesamten
Belegschaft handeln.
Durchführung der Datenerhebung
Für ein vollständiges Bild sollte auf beide Informationstypen, die Ablauf einer
schon vorhandenen und die neu erworbenen, zurückgegriffen wer- Datenerhebung
den. Die Hinweise, die in den bereits vorhandenen Informationen
stecken, dienen dazu, die explizit ausgerichteten Erhebungsverfah-
ren zu konstruieren.

Durchführung der Datenerhebung


Kundenbefragung Mitarbeiter
befragung
Themensammlung zur

Mitarbeitergesprächen
Konstruktion von
Hinweise aus

Interviewleit
Feedbacksystemen
faden

Einzelaussagen
Mitarbeiter
… workshops

Integration der Datenquellen zur Analyse von Motivationsproblemen

Der Klassiker: die Mitarbeiterbefragung


Klassische Mitarbeiterbefragungen sind und bleiben ein wertvolles Mitarbeiter
Instrument zur Unternehmensführung – weit über den Aspekt der befragungen
als Führungs
Mitarbeitermotivation hinaus. Mitarbeiterbefragungen sind Füh-
instrument
rungsinstrumente! Durch schriftliche Befragungen, die zunehmend
auch virtuell im Intranet durchgeführt werden, erhält jeder Mit-
arbeiter die Gelegenheit, sich zu bestimmten Aspekten zu äußern.
Geht es bei der Befragung um die Motivation, ist vorrangiges Ziel,
eventuelle Motivationsbarrieren zu identifizieren.

147
5 Toolbox der Motivation

Stimme eher nicht zu Stimme eher


zu

Das Arbeitsklima in unserem


Unternehmen ist insgesamt als gut
zu bezeichnen.

Die Beziehungen zwischen Mit


arbeitern und Führungskräften sind
von Anerkennung und Wertschät
zung geprägt.
Das Verhältnis der Kollegen unter
einander ist freundschaftlich und
kooperativ.

Auszug aus einem Fragebogen

Mitarbeiterbefragungen liefern genaue, objektive Ergebnisse


• Objektivität: Mitarbeiterbefragungen ergeben ein recht genaues
Stimmungsbild, da sehr viele Meinungen dazu beitragen. Eine
Verzerrung der Ergebnisse durch wenige lautstarke Äußerungen
wird vermieden. Allerdings ist es wichtig, die Umfrage konse-
Ergebnisse sind
genau
quent anonym durchzuführen. Das erleichtert es dem Einzelnen,
ehrlich zu antworten und auch „unbequeme Wahrheiten“ zu
äußern.
• Zielgerichtete Messung: Wie erläutert, wird die Befragung spezi-
fisch auf ein Thema hin konstruiert. Damit ergibt sich eine hohe
Messgenauigkeit. Der Fragebogen holt nur zu jenen Aspekten In-
formationen ein, die tatsächlich relevant erscheinen. Das erleich-
tert es, das Datenmaterial zu reduzieren und zu interpretieren.

Signale an die Belegschaft


• Sensibilisierung: Bereits die Tatsache, dass eine schriftliche Be-
fragung der Mitarbeiter stattfindet, ist – konsequent gedacht –
eine Intervention. Die Mitarbeiter sind gefordert, sich mit den
abgefragten Aspekten auseinander zu setzen, die Befragung und
ihre Inhalte werden Gegenstand von Gesprächen. Es ist nicht

148
Analysieren Sie Motivationsprobleme 5
ausgeschlossen, dass allein die Durchführung einer Mitarbeiter-
befragung und die damit verbundene Sensibilisierung für be-
stimmte Problemfelder dazu führen, dass eine Veränderung im
gewünschten Sinne eintritt.
• Mitarbeiterbeteiligung: Unternehmen geben ihren Mitarbeitern
ein deutliches, motivierendes Signal, wenn sie eine Mitarbeiter-
befragung durchführen: Ihre Sicht der Dinge ist gefragt, um Lö-
sungen zu finden. Die Arbeitnehmer erfahren dadurch, dass ihr
Expertenwissen für die fraglichen Situationen und Prozesse er-
wünscht ist.

Sinnvolle, zielgerichtete Ergebnisse


• Genaue Analyse: Wenn die Befragung professionell ausgearbeitet Lösungsansätze
ist, liefert sie sehr detaillierte Ergebnisse darüber, welche Motiva- werden offen
bar
tionsbarrieren bestehen. Ist es fehlende Eigenmotivation? Sind
die Führungskräfte überfordert? Bestehen zu wenige Möglichkei-
ten, sich mit der eigenen Tägigkeit zu identifizieren? Ist fehlende
Anerkennung ein Grund, sich weniger zu engagieren? Die ge-
naue Analyse ist die Voraussetzung dafür, dass die Interventio-
nen auch effizient und treffsicher erfolgen.
• Breite Datenbasis: Weil eine breite Datenbasis vorliegt, ist es
möglich, mit demselben Instrument auch den Erfolg der Inter-
ventionen statistisch zu messen.

Interviews liefern genauere Ergebnisse


Bei allen Vorteilen, die schriftliche Befragungen haben, bleibt ein Leitfäden geben
Nachteil: Es sind strukturierte Verfahren, die zwar recht genaues Interviews
Struktur
Datenmaterial erbringen, aber keine Möglichkeit bieten, während
der Befragung detaillierter auf bestimmte Punkte einzugehen. Als
Ergänzung bieten sich deshalb Interviews an, die offen gebliebene
Fragen zu klären versuchen.
Halbstukturierte Interviews enthalten zusätzlich einen Leitfaden, mit
dessen Hilfe der Interviewer die untersuchten Aspekte beleuchtet.
Dieser Leitfaden gibt das Gerüst, die Struktur des Interviews vor. Im
Gegensatz zur schriftlichen Befragung kann dadurch sofort und vor
allem genauer auf Hinweise und Äußerungen von Mitarbeitern

149
5 Toolbox der Motivation

eingegangen werden. Der Interviewer kann spontan weitere Fragen


stellen, die zwar nicht im Leitfaden vorgegeben sind, aber zu einem
tieferen Verständnis beitragen. Dieses Vorgehen liefert keine breite
Datenmenge, da die Interviewtechnik wesentlich zeitaufwendiger ist.
Aber sie gewährleistet, dass die Problemlagen in ihrer Tiefe beleuch-
tet werden. Beide Datenquellen – der Fragebogen und das Interview
– ergänzen sich hervorragend.
Schnelle Reaktionen möglich
Individuelles • Detailgetreue: Der Interviewer kann die angesprochenen The-
Eingehen auf menfelder im Bedarfsfall beliebig vertiefen. Identifiziert er ein
Interviewten ist
Thema, das die Fragestellung berührt, kann er es aus verschiede-
möglich
nen Perspektiven heraus betrachten.
• Flexibilität: Stellt sich im Interviewverlauf heraus, dass einige
Aspekte im Interviewleitfaden oder in der schriftlichen Befra-
gung fehlen, kann der Verantwortliche sofort darauf reagieren.
Ebenso lassen sich Aussagen aus anderen Interviews – natürlich
anonym – daraufhin überprüfen, ob es sich um Einzelmeinun-
gen handelt oder um Tendenzen, die sich auch in anderen
Unternehmensbereichen wiederfinden.

Datenmaterial ist genauer


• Qualitative Daten: Schriftliche Befragungen bestehen in großen
Teilen aus kategorisierten Antworten. Im Gegensatz dazu erfas-
sen Interviews auch die „weichen“ oder „qualitativen“ Aussagen,
die über den einfachen Zahlenwert auf einer Beantwortungsskala
hinausgehen. Diese sind weitaus besser zu interpretieren, da der
Interviewer beliebig viele Zusatzinformationen und Intentionen
des Interviewpartners erfragen kann.
• Differenzierung: Gesamttrends, die im Unternehmen bestehen,
werden differenzierter betrachtet. Es ist möglich zu ermitteln, ob
es bei der Betrachtung einzelner Themenschwerpunkte zwischen
den verschiedenen Bereichen oder Hierarchiestufen Unterschie-
de gibt. Dabei ist gut vorstellbar, dass Führungskräfte Themen
vor einem anderen Problemhintergrund diskutieren und bewer-
ten als ihre Mitarbeiter. Die Aussagen der beiden Gruppen
unterscheiden sich in solchen Fällen beträchtlich voneinander.

150
Analysieren Sie Motivationsprobleme 5
Auf diesem Wege zeigen sich oftmals die typischen Schleifen:
„Wie solle ich mich bei dieser unkooperativen Führung motivie-
ren?“ versus „Wie kann ich unmotivierte Mitarbeiter kooperativ
führen?“.

Beispiel: Unterschiedliche Wahrnehmung


Die Durchführung von Interviews zeigte, dass in einem Unternehmen
Führungskräfte und Mitarbeiter die Fehlerkultur verschieden beurteil
ten. Eine Führungskraft, die auch bei der Delegation von Aufgaben ein
fehlerfreies Resultat sicherstellen möchte, betrachtet z. B. Fehler als
eine Risikoquelle, die es einzudämmen gilt. „Laissezfaire“ im Umgang
mit Fehlern möchte sie vermeiden.
Dagegen hat die Befragung gezeigt, dass die Mitarbeiter eine etwas
höhere Fehlertoleranz seitens der Führungskräfte oft vermissen. Ihnen
bereitet der Druck, der durch die Angst vor Fehlern entsteht, ein un
gutes Gefühl. Zu innovativem und proaktivem Handeln sehen sie sich
nicht in der Lage.

Mitarbeiterworkshops arbeiten schon an Lösungen


Workshops sind keine reinen Analyseinstrumente. Ihr Hauptau- Workshops
genmerk liegt bereits darauf, Lösungen für bestimmte Herausforde- gehen einen
Schritt weiter
rungen zu finden, teilweise werden sie auch eingesetzt, um Teilpro-
bleme zu bearbeiten. Damit stellen sie gleichzeitig ein Motivierungs-
instrument dar, weil die betroffenen Mitarbeiter aktiv an der Lö-
sungssuche beteiligt sind. Motivationsbarrieren etwa können von
verschiedenen Standpunkten aus beleuchtet werden.
Neue Formen stellen hohe Beteiligung sicher
In der jüngsten Zeit haben sich neue Workshopformen etabliert, die
sowohl dem Anspruch einer hohen Zielorientierung als auch dem
Wunsch nach einer Beteiligung der Mitarbeiter gerecht werden
können. Exemplarisch hierfür stehen die sogenannten „Zukunfts-
werkstätten“ und „Open-Space“-Veranstaltungen. Unter hoher
zahlenmäßiger Beteiligung können dabei viele Mitarbeiter ihre Vor-
stellungen in die Neugestaltung bestimmter Prozesse einbringen,
auch selbst bestimmte Themen sind dabei möglich. Diese Form
eignet sich gut als Kick-Off-Veranstaltung für groß angelegte Verän-

151
5 Toolbox der Motivation

derungsprozesse, die eine hohe Beteiligung und Motivierung der


Mitarbeiter erfordern.

Kienbaum Expertentipp: Integriertes Vorgehen


Nutzen Sie Mitarbeiterworkshops als integrierten Bestandteil professio
neller Mitarbeiterbefragungen bzw. Interviewerhebungen, insbesondere
in den Konzeptions und Auswertungsphasen.

5.2 Wie Vergütung und Motivation


zusammenhängen
Vergütung ist Die Gesamtvergütung, die zunehmend mehr enthält als das eigent-
mehr als das liche Fixgehalt, bedient gleich mehrere Bedürfnisse des Menschen:
Fixgehalt
• Das Grundbedürfnis nach Essen, Trinken und Schlafen ist in
heutiger Zeit in unseren Breiten weitgehend von selbst erfüllt.
Allerdings hängen ein bestimmtes Qualitätsniveau bei der Er-
nährung und beim Wohnen nach wie vor deutlich von einer an-
gemessenen Bezahlung ab.
• Sicherheitsbedürfnis: Materielle Absicherung vermittelt das Ge-
fühl von Sicherheit. Erfährt ein Mensch, dass ein Arbeitsplatz
ihm die faire Möglichkeit gibt, eine angemessene materielle Si-
cherheit zu erarbeiten, fällt es ihm leichter, sich zu engagieren.
• Anerkennung: Ein angemessenes Gehalt allein kann dieses Be-
dürfnis natürlich nicht stillen. Dennoch ist Anerkennung ein Be-
standteil der Vergütung, denn letztere vermittelt, das hohe Leis-
tung sich auch in einem angemessenen Gegenwert widerspiegelt.
• Selbstverwirklichung: In besonders innovativen Vergütungssys-
temen existiert schon heute die Möglichkeit, auch der eigenen
Selbstverwirklichung nachzugehen. Dies ist in der Regel nicht
isoliert ein Thema der Bezahlung, sondern häufig verknüpft mit
hoch flexiblen Arbeitszeitmodellen.
Der Mangel an Fach- und Führungskräften hat in den letzten Jahren
dazu geführt, dass die Einstiegsgehälter in manchen Branchen und
Regionen deutlich angestiegen sind. Wie ist es aber möglich, hoch
qualifizierte Mitarbeiter gewinnen, ohne ein fixes Top-Gehalt zu

152
Wie Vergütung und Motivation zusammenhängen 5
bezahlen? Gerade junge Unternehmen stehen vor dieser Frage, da
ihre finanziellen Ressourcen zu begrenzt sind, um hohe Gehälter zu
bezahlen. Gleichzeitig entwickeln sie oft unter großem Aufwand
innovative Produkte, die besondere Anforderungen an die Fach-
kräfte stellen.
Diese Unternehmen haben nach neuen Wegen gesucht, wie sie ihre
wertvollen Mitarbeiter auch ohne fixes Top-Gehalt gewinnen und
binden können. Auch wenn sich nicht jede Idee der zurückliegenden
Zeit bewährt hat – diese Suche hatte den Effekt, dass mittlerweile
branchenübergreifend nach innovativen Vergütungsformen Aus-
schau gehalten wird.

Vergütungskomponenten und ihre Wirkung


Vergütung und Gehalt sind nicht identisch. Der Begriff „Gehalt“ Komponenten
bezeichnet das eigentliche Fixgehalt. Angesichts der zahlreichen haben unter
schiedliche
zusätzlichen Komponenten, die sowohl finanzieller als auch mate-
motivationale
rieller Art sein können, spricht man heute eher von der Gesamtver-
Auswirkungen
gütung. Sie besteht einerseits aus dem Fixgehalt, andererseits aus
Zusatzleistungen wie Boni, Erfolgsprämien und nicht direkt finan-
ziellen Mehrwerten. Die Gesamtvergütung ist die Summe aus allen
baren und unbaren Vergütungskomponenten einschließlich der
Mehrwerte, die Mitarbeiter nutzen können.
Vergütungskomponente Motivationale Wirkung
Fixgehalt Ermöglicht die persönliche Existenz entsprechend
dem gewünschten Lebensstandard.
Entspricht dem Bedürfnis nach materieller
Sicherheit.
Sozial und Nebenleistungen Verdeutlicht das Interesse des Unternehmens am
(Lebensversicherungen, Fir persönlichen Wohlergehen des Mitarbeiters und
menrenten u. Ä.) seiner Familie.
Entspricht den Bedürfnissen nach Sicherheit.
Vermittelt persönliche Wertschätzung und be
dient damit auch den Wunsch nach Anerkennung
als Mensch.

153
5 Toolbox der Motivation

ShorttermBeteiligung Zeigt an, dass das Unternehmen die Leistung des


(kurzfristiger Bonus) Mitarbeiters wertschätzend wahrnimmt. Am
besten mit Zielvereinbarungen zu verknüpfen,
damit sich eine eindeutige, zeitnahe Verbindung
zwischen Leistung und Anerkennung ergibt.
LongtermBeteiligung Vermittelt dem Mitarbeiter, dass er auch am
(Deferred Compensation ,
1
langfristigen Unternehmenserfolg beteiligt sein
Aktienoptionen) wird. Die Ausrichtung auf die Zukunft zeigt das
Interesse des Unternehmens, Mitarbeiter zu bin
den. Der Mitarbeiter erhält eine Perspektive im
Unternehmen, die eine emotionale Bindung er
zeugt.
Firmenwagen Gilt in Deutschland weithin noch als Status
symbol, mit dem insbesondere Außendienste und
Vielreisende bedacht werden. Ab einer bestimm
ten Einkommensgruppe wird ein Firmenwagen
eher als selbstverständliches Arbeitsmittel ange
sehen. In hohen Einkommensgruppen ist das „Ob
überhaupt“ kaum diskutierbar, sondern nur noch
das „Wie“, also, welche Autotypen infrage kom
men, ob eine Privatnutzung gestattet ist etc. Hier,
wie auch in den nachfolgenden Punkten, wirken
Anerkennung und persönlicher Zugewinn als
Motivatoren.
Mehrwerte Derjenige Mehrwert, der am verbreitetsten ist, ist
die Privatnutzung von Firmenwagen und Dienst
handys, aber auch Telefon am Arbeitsplatz, Inter
net und EMailNutzung, Gesundheitschecks etc.
Budgets In einigen Firmen werden Budgets für berufs
(Seminarkosten, Fachliteratur, relevante Leistungen bereitgestellt, die jedoch
Arbeitskleidung) ebenso einen persönlichen Nutzen enthalten
können.

1
Deferred Compensation = „aufgeschobene Vergütung“. Bestimmte Bonus oder
Prämienanteile werden für den Mitarbeiter in Fonds oder ähnlichen Geldanlagen
investiert, die langfristig angelegt sind.

154
Wie Vergütung und Motivation zusammenhängen 5
Trends in der Vergütung
Die jährlichen Kienbaum-Vergütungs-Studien zeigen, wie sich die
Gesamtvergütung in Deutschland entwickelt. Dabei ist ein eindeuti-
ger Trend hin zur weiteren Flexibilisierung sichtbar – die Einfüh-
rung von Prämien und Boni war erst der Anfang. Das heute weitver-
breitete Modell aus Fixgehalt und Bonus, wird sich zu einem er-
folgsabhängigen Vergütungsmodell auf Grundlage differenzierter
und transparenter Zielvereinbarungssysteme wandeln.
Mitarbeiter
Vom Arbeitnehmer zum Partner wird am Unter
Das erfolgsabhängige Vergütungsmodell trägt einem bestimmten nehmenserfolg
Gedanken Rechnung. Oft wird der Wunsch laut, dass sich Mitarbei- beteiligt
ter so engagieren und einbringen sollten, als ob das Unternehmen,
in dem sie arbeiten, ihr eigenes sei (s. Seite 139). Der erhöhte varia-
ble Anteil an den kurzfristigen Gewinnbeteiligungen und der Ein-
führung eines Anteils, der die langfristige Wertentwicklung des
Unternehmens als Anreiz nutzt, machen aus Angestellten Partner.
Selbstverwirklichung bedeutet dann für den einzelnen Mitarbeiter –
zumindest teilweise –, das eigene Unternehmen mit zum Erfolg zu
führen.

Kienbaum Expertentipp: Der Mitarbeiter als Partner


Natürlich werden nicht alle Menschen in solchen Gehaltssystemen le
ben wollen. Es gibt durchaus Mitarbeiter, die ein sicheres Fixum weit
aus mehr schätzen als Gewinnbeteiligungen, die bei allen Einkommens
chancen natürlich auch Risiken mit sich bringen. Deshalb kann es nicht
darum gehen, solche Systeme grundsätzlich für jeden Mitarbeiter ein
zuführen. Sinnvollerweise werden diese Modelle Leistungsträgern mit
einem hohen Maß an unternehmerischem Geist und wertvollem Know
how angeboten, deren langfristige Bindung für den Erfolg des Unter
nehmens bedeutsam ist.

Fallen bei der Einführung


Die Etablierung solch komplexer Vergütungssysteme wie dem er- Vergütungs
folgsabhängigen Vergütungsmodell ist mit einer Vielzahl juristischer systeme sind
rechtlich
Feinheiten, unternehmenspolitischer „Fettnäpfchen“ und Mitbe-
komplex
stimmungsmöglichkeiten vonseiten des Betriebsrats und eventuell
von gewerkschaftlicher Seite bestückt. Zudem ist noch eine feinfüh-

155
5 Toolbox der Motivation

lige Kommunikation notwendig, sobald sich Vergütungssysteme


verändern. Deshalb ist es sinnvoll, für solche Veränderungen eine
externe Vergütungsberatung zur Unterstützung heranzuziehen.

5.3 Karriere – Bieten Sie Perspektiven


Laufbahnen Karrieremodelle beschreiben spezifisch, welchen Verlauf die Ent-
vereinbaren wicklung von Mitarbeitern in Unternehmen nehmen kann, und
zwar sowohl in hierarchischer Hinsicht als auch im Sinne der Kom-
petenzentwicklung. Sie beschreiben Entscheidungsoptionen und
enthalten eine beidseitige Verpflichtung, als Unternehmen und
Mitarbeiter einen längeren Weg gemeinsam zu gehen.

Kienbaum Expertentipp: Karriere und Zeitbezug


Auf die motivationale Bedeutung der psychologischen Zeitperspektive
wurde in diesem Buch schon eingegangen. Durch bestimmte Karriere
modelle können Sie insbesondere diesem Faktor entsprechen.

Was erwarten Mitarbeiter in den verschiedenen


Karriereabschnitten?
Erwartungen Mitarbeiter haben in verschiedenen Karriereabschnitten unter-
verändern sich schiedliche Erwartungen und Bedürfnisse, die es zu berücksichtigen
gilt. Karriere ist heute nicht mehr gleichzusetzen mit hierarchischem
Aufstieg. Zum einen stellen Mitarbeiter höhere Ansprüche an die
fachliche Entfaltung, an Gestaltungsmöglichkeiten und Verantwor-
tungsübernahme als an den Status, der sich lediglich aus der Beset-
zung eines bestimmten Kästchens in einem Organigramm ableitet.
Andererseits bestehen in den Unternehmen immer weniger hierar-
chiegestufte Aufstiegsmöglichkeiten, schließlich führen sie zuneh-
mend flache Hierarchien ein.
Für Berufseinsteiger bedeutet Karriere denn auch mehr eine konti-
nuierliche Übernahme von Verantwortung für größere und kom-
plexere Projekte verbunden mit mehr fachlichem und inhaltlichem
Einfluss. Zukunftsfähige Karrieremodelle sollten diesem Umstand
ebenso Rechnung tragen wie der realistischen Einschätzung, dass die

156
Karriere – Bieten Sie Perspektiven 5
Verschlankung der Organisation zu immer weniger hierarchischen
Führungspositionen im klassischen Sinne führen wird.
Erwartungen beim Karrierestart
Am Beginn der persönlichen, beruflichen Laufbahn stehen eher Statussymbole
Bedürfnisse nach Entwicklung und Entfaltung, der persönliche Zu- und persönliche
Anerkennung
gewinn und Anerkennung in verschiedener Form, z. B. durch Be-
am Beginn
zahlung, persönliche Anerkennung und Statussymbole, im Mittel-
wichtig
punkt des Interesses. Die jüngeren Mitarbeiter machen sich nur
wenig Sorge über die Sicherheit ihrer Zukunft. Auch die organisato-
rische Einbindung durch hierarchischen Status und fachliche Auto-
nomie ist für sie noch relativ unbedeutend.
Erwartungen zu Karrierebeginn Weniger wichtige Bedürfnisse
• „Perspektive haben“ • „Führungsverantwortung überneh
• „Entwicklung und Förderung“ men“
• „Möglichkeiten zur Selbstverantwor • „Wenig beaufsichtigt und beraten
tung, eigene Fähigkeiten unter Be werden“
weis stellen können“ • „Die Möglichkeit, andere Mitarbeiter
• „Herausforderung, auch ein gewisses unterstützen zu können“
Risiko“ • „Sichere Zukunft“
• „Kreativität und Originalität ausle
ben dürfen“
• „Zügig Status und Prestige entwi
ckeln“
• „Bedeutsames tun und dafür an
erkannt werden“
• „Gute Bezahlung“

Mitarbeiter der Karrieremitte


In der Karrieremitte wächst zum einen häufig der Wunsch nach Zukunftssiche
Veränderung, der Mitarbeiter ist ja bereits eine Weile in ein und rung wird
geplant
demselben Unternehmen tätig. Zum anderen gewinnt zugleich auch
die Sicherung der eigenen Zukunft an Gewicht. Wer eine gewisse
Wegstrecke im Berufsleben hinter sich gebracht hat, der hat weniger
Zeit, um noch Karriere zu machen. Manch einem wird in der Mitte
des Berufslebens bewusst, dass die verbliebenen Möglichkeiten be-
grenzt sind.

157
5 Toolbox der Motivation

Andere Lebensbereiche, z. B. die Familie oder die Freizeitgestaltung


zum eigenen Wohlergehen, rücken in den Vordergrund. Die Mit-
arbeiter haben zu diesem Zeitpunkt ein recht deutliches Bild der
Karrierealterna eigenen Stärken und Schwächen entwickelt und suchen nun nach
tiven verringern Aufgaben, die ihrem Profil entsprechen. Dagegen ist der Wille, sich
sich nochmal weit gehend zu ändern gering – auch aus der Einsicht her-
aus, dass bestimmte Persönlichkeitseigenschaften im Laufe der Zeit
immer weniger modifiziert werden können.
Erwartungen von Mitarbeitern Weniger wichtige Bedürfnisse
in der Karrieremitte
• „Zur Kenntnis genommen und an • „Veränderung und Lernprozess der
erkannt werden“ eigenen Persönlichkeit“
• „Durch Informationen Gewissheit • „Kontinuierliche Gehaltssteigerung“
erlangen über Karrieremöglichkeiten • „Status und Prestige erlangen und
und die Einschätzung der eigenen ausbauen“
Person“
• „Sich anderen gegenüber beweisen
• „Persönliche Stärken adäquat einset können“
zen und nutzen können“
• „Entwicklung und Förderung durch
das Unternehmen“
• „Neue Ziele und Herausforderungen
in der besetzen Position“
• „Kontinuierliche Weiterbildung“
• „Sichere Zukunft“

Vorteile von Karrieremodellen


Flexibilität auch Karrieremodelle bieten die Möglichkeit, den differenzierten Erwar-
bei der Karriere tungen von Mitarbeitern in den unterschiedlichen Karriereabschnit-
ten entgegenzukommen. Für die Mitarbeiter und für die Unterneh-
men bieten Sie folgende Vorteile:

158
Karriere – Bieten Sie Perspektiven 5
Karrieremodelle – Vorteile für
Unternehmen Mitarbeiter
(motivationale Wirkung)
• Überblick über Personalsituation • Klare Informationen über mögliche
hinsichtlich Karriereschritte und Inhalt weiter
− Verbleib im Unternehmen führender Aufgabenbereiche
− Qualifikationsstand • Realistische Einschätzung zu Ent
− Entwicklungsabsichten von Mit wicklungsmöglichkeiten und
arbeitern damit verbundenen Unterstüt
− Altersstruktur zungsmöglichkeiten
− Zukünftiger Personalbedarf und • Aufzeigen, dass Weiterentwicklung
Möglichkeiten der internen Rekru
und Karriere im neueren Sinn auch
tierung
in schlanken Unternehmen möglich
• Strategische Personalentwicklung ist

Wie sehen Karrieren künftig aus?


Aus heutiger Sicht wird sich der Karrierebegriff vor allem in Rich- Fachkarrieren
tung „fachliche Karriere“ weiterbewegen. Damit bestehen zahlreiche werden wich
tiger
Möglichkeiten, die berufliche Laufbahn in einem Unternehmen im
Rahmen von Entwicklungs- oder Karrieremodellen zu gestalten.
Veränderungen des Karriereverständnisses
Bisher Künftig
• Hierarchischer Aufstieg • Zunahme der Verantwortung
• Entscheidungsgewalt • Erweiterung des Einflussbereiches
• Gehaltsentwicklung • Projektarbeit
• Statussymbole • Persönliche Weiterentwicklung
• Arbeiten innerhalb fester Strukturen • Ermöglichen der persönlichen Life
Balance

Anforderungen an Karrieremodelle
Sowohl Fach- und Führungskräfte als auch die Unternehmen selbst
verlangen also nach veränderten Karrieremodellen. Die Anforde-
rungen sind im Einzelnen:
• Die Karrierestufen entsprechen den Bedürfnissen des Unter-
nehmens, alle notwendigen Funktionen und fachlichen Anforde-

159
5 Toolbox der Motivation

rungen zur Zielerreichung des Unternehmens finden sich im


Karrieremodell wieder.
Individueller • Es gibt ausreichend Gestaltungsmöglichkeiten, die die individu-
Zuschnitt elle Ausprägung von Stärken und Schwächen einzelner Mitarbei-
ter berücksichtigen. Das Modell ist kein Korsett, in das sich der
Mitarbeiter zu pressen hat. Vielmehr sollte es – vergleichbar mit
dem Gedanken der Haute-Couture – individuell auf den Einzel-
nen zugeschnitten sein.
• Die Karriereschritte sollten für Top-Leister realistisch erreichbar
sein und dürfen nicht schon durch zu geringe Wahrscheinlich-
keit ausgeschlossen werden. Wenn die „Trauben zu hoch“ hän-
gen, erscheinen sie schnell sauer – das wirkt sich auch schädlich
auf die Motivation aus.
• Einzelne Karriereschritte müssen jeweils mit optionalen Ent-
wicklungsmaßnahmen wie Weiterbildung, Training, Mentoring,
Coaching verbunden sein. Mitarbeiter machen dann sprunghafte
Fortschritte in ihrer fachlichen und auch persönlichen Entwick-
lung, wenn sie in ein High-Potential-Programm eingebunden
sind. Eine solch exklusive Förderung motiviert und bindet
gleichzeitig an das Unternehmen.
• Fortschritte sind u. a. durch marktgerechte Vergü-
tungsanpassung zu begleiten.
„Rückschritte“ • Auch scheinbare „Rückschritte“, die z. B. durch private Verände-
müssen möglich rungen oder neue Prioritäten im Leben eines Mitarbeiters be-
sein
dingt sind, sollten diskutierbar sein. Voraussetzung dafür ist eine
entsprechende Unternehmenskultur, die eine solche Mitarbeiter-
entscheidung ohne informelle Sanktionen und Verlust an An-
erkennung und Wertschätzung möglich macht. In vielen Unter-
nehmen ist nicht mehr ungewöhnlich, dass Mitarbeiter ein
Sabbatical nehmen und die Karriere damit spontan für z. B. ein
Jahr unterbrechen. Eine solche Auszeit kann sowohl für die per-
sönliche Weiterentwicklung wie auch für den Energiehaushalt
äußerst Gewinn bringend sein. Das dient nicht zuletzt auch dem
Unternehmen.
• Das Karrieremodell wird nicht dogmatisierend angewendet.
Ausnahmen und flexible Regelungen sind möglich sein, wenn

160
Karriere – Bieten Sie Perspektiven 5
der Bedarf sowie die Flexibilität und Qualifikation des Mitarbei-
ters es nahe legen.
Um dem Druck des Arbeitsmarkts gerecht zu werden, ist es wenig
sinnvoll, über viele Jahre hinweg zu konzipieren. Damit sind Ent-
wicklungsmodelle gefragt, die bereits kurzfristige Veränderungs-
möglichkeiten enthalten.
Beispiel: Karrieremodell der Zukunft
Die Kernaufgabe in einem Unternehmen der Automatisierungstechnik
besteht darin, in komplexen Projekten über mehrere Monate hinweg
Roboterstrecken zu installieren und anzupassen. Um die heiß umkämpf
ten Fachingenieure für das Unternehmen zu gewinnen, wird das abge
bildete Karrieremodell vorgeschlagen.

Einstieg in das Unter


nehmen als Ingenieur

Ausbildungsprogramm

Mentoringprogramm
für Projektleiter

Produkt Projekt Vertriebs


marketing leiter tätigkeit

Groß
projektleiter

Fachmentor

161
5 Toolbox der Motivation

Zunächst erfolgt eine innerbetriebliche Ausbildung des Mitarbeiters, die


ein fachlicher Coach begleitet. Im nächsten Schritt realisiert er gemein
sam mit einem Projektleiter und unter flankierender persönlicher Unter
stützung durch einen Mentor ein Großprojekt. In dieser Zeit wird das
Gelernte umgesetzt. Verläuft dieses Projekt erfolgreich, erhält die
Nachwuchskraft ein erstes eigenes kleineres Projekt. Im Laufe der Zeit
hat sie die Möglichkeit, größere Projekte zu steuern und deren inhalt
liche Gestaltung zunehmend zu beeinflussen, z. B. durch aktive Mitwir
kung im Entwurf nach Kundenbedarfen. Nach drei Jahren besteht die
Möglichkeit, selbst die Mentorenfunktion zu übernehmen.
Die Komplexität der Aufgabe ermöglicht es, zahlreiche Facetten der
Unternehmenstätigkeit kennen zu lernen, sodass ein späterer Wechsel
in den Vertrieb oder in die Produktentwicklung möglich ist. Bei entspre
chender Konstellation aus Eignung, Bedarf und Motivation ist jedoch
aus der Kernaufgabe heraus ein Wechsel in die angrenzenden Bereiche
bereits früher möglich. Selbst „Rückschritte“ sind durchaus denkbar,
wenn die Lebenssituation des Mitarbeiters eine entsprechende Verände
rung sinnvoll erscheinen lässt. So kann es sein, dass eine junge Mutter
plötzlich verkürzt arbeitet und einen Teil ihrer Verantwortung für eine
gewisse Zeit abgibt.

Dieses Modell zeigt, wie Karrieremodelle der Zukunft beschaffen


sein sollten: Aufgaben- statt statusorientiert, an möglichen Interes-
sen des Mitarbeiters, selbstverständlich in Übereinstimmung mit
dem Unternehmen, ausgerichtet und flexibel der jeweiligen Unter-
nehmenssituation anpassbar.

5.4 RetentionProgramme – Mitarbeiter ans


Unternehmen binden
Mitarbeiterbin Immer mehr Unternehmensleiter erkennen, wie wichtig es ist, ins-
dung ist strate besondere Mitarbeiter mit wertvollem Know-how, also Top-Leister
gisch wichtig
sowie Fach- und Führungskräfte, langfristig zu binden. Hintergrund
sind die engen Arbeitsmärkte:
• Es stellt nicht nur ein operatives Arbeitshemmnis dar, wenn
qualifizierte Mitarbeiter nicht verfügbar sind. Strategisch be-
trachtet ist dies sogar ein Wachstumshemmnis für Unterneh-
men.

162
RetentionProgramme – Mitarbeiter ans Unternehmen binden 5
• Internetplattformen, Messeauftritte und Headhunter-Aktivitäten
machen die ohnehin engen Arbeitsmärkte zusätzlich transparent.
Jedem ist es mit geringem Aufwand möglich, den eigenen
Marktwert zu testen.
• Die Kosten, die durch Ausfallzeiten, Suchwege, Beratungskosten,
Medieneinsatz, personellem Aufwand der Personalabteilung etc.
entstehen, sind in den letzten Jahren extrem gestiegen.
Hervorragendes Human Capital sichert den Unternehmenserfolg.
Zukunftssicherung heißt also, diese wertvollen Ressourcen in
den eigenen Reihen zu halten. Darum findet sich in Personalstrate-
gien und in den Ideen der entsprechenden Abteilungen immer häu-
figer der Begriff „Retention“, von retain, zu Deutsch: festhalten,
bewahren.

Wo kann Retention ansetzen?


Retention bezeichnet ein integriertes Maßnahmenbündel, mit dem Retention ist
das Unternehmen versucht, die Bindung des Human Capitals zu ein Maßnah
menbündel
stärken. Ausgangpunkt ist das Scheitern dieser Anstrengung, also die
Kündigung eines Mitarbeiters, insbesondere der Top-Leister. Ent-
scheider müssen sich dann mit den Gründen auseinandersetzen.
Was sind Auslöser, was sind Verstärker?
Hier sind die auslösenden Momente einerseits und die verstärken-
den Faktoren andererseits voneinander zu unterscheiden:
• Auslöser sind echte Kündigungsgründe sowie Bedingungen, die
zur inneren Kündigung führen. Positiv gedreht sind dies die Fak-
toren, die Mitarbeiter zum Verbleib im Unternehmen motivie-
ren können.
• Verstärker sind für sich genommen keine Kündigungsgründe, sie
können aber eine Tendenz – sowohl die zum Verbleib im Unter-
nehmen als auch die zur Kündigung – verstärken.

163
5 Toolbox der Motivation

Beispiel: Auslöser und Verstärker


Das Image eines Unternehmens oder der Branche allein wird für einen
Arbeitnehmer kein Kündigungsgrund sein. Verändert sich aber z. B. die
Beziehung zu seinem Chef oder erlebt er das kollegiale Umfeld plötzlich
als extrem belastend, fällt auch die Unzufriedenheit über das Image des
Arbeitgebers mit ins Gewicht. Der Kündigungsgedanke wird forciert.

Eindeutige Einzelne Faktoren lassen sich nicht immer kategorisch eindeutig


Zuordnung zuordnen, da sie von Person zu Person unterschiedlich bewertet
nicht immer
werden. Je nach subjektiver Bedeutung können sie für den einzelnen
möglich
entweder Auslöser oder Verstärker sein.
Auslöser Auslöser oder Verstärker
Verstärker
• Soziale Struktur • Technologie • Branchenzugehörig
• Lebenswirklichkeit im • Grad und Niveau der keit und Bran
Betrieb Technologisierung chenimage
• ChefMitarbeiter • Produktionsvollzug • Standort
Beziehung • Arbeitsplatz • Betriebsgröße
• Arbeitsinhalt gestaltung • Image des Unterneh
• Geistige • Arbeitszeitregelung mens
Herausforderung • Formale
• Sinn der Arbeit Organisationsstruktur
• Spaß an der Arbeit • Beruflicher Aufstieg
• Erfolgserlebnisse • Monetäre Faktoren
• Subjektiv empfundene • Lohnsatz
Gerechtigkeit • Lohnform
• Lohngerechtigkeit • Beteiligungssystem
• Fairness im sozialen • Sozialleistungen etc.
Umgang
• Unternehmenskultur

Programm zur Bindung setzt auf drei Ebenen an


Die beschriebenen Faktoren sind im Umkehrschluss geeignet, den
Mitarbeiter im Unternehmen zu halten und damit eine der Einfluss-
größen auf die Motivation. Retention lässt sich auf drei Ebenen
realisieren:

164
RetentionProgramme – Mitarbeiter ans Unternehmen binden 5
„Marke“ des Unternehmens
Ebenen der
Unternehmensebene Attraktivität als Arbeitgeber Retention
Perspektiven

Motivierungsqualität
Führungsebene Führungsqualität
Anreize

Arbeitsqualität
Mitarbeiterebene Lebensqualität
Selbstverwirklichung

Ebenen von RetentionProgrammen

Was tut das Unternehmen für die Mitarbeiter?


Auf der Ebene des Unternehmens selbst stellt sich Mitarbeitern – Das Image des
potenziellen und bereits beschäftigten – zum einen die Frage, ob das Unternehmens
Unternehmen eine „Marke“ ist. Das bedeutet, erscheint es im Ver-
gleich zu anderen Firmen der gleichen Branche attraktiver, ist es ihm
gelungen, ein positives Image aufzubauen? Ein Mittel dazu sind
z. B. Karriereprogramme (s. Seite 156) und flache Hierarchien
(s. Seite 166), die vor allem junge Nachwuchskräfte locken.
Die „Marke“ des Unternehmens
Die Unternehmensebene umfasst zwar auch das Unternehmens-
image in der Außenwirkung. Zusätzlich beschreibt dieser Punkt
noch die Aktivitäten des Unternehmens, die in der Innenwirkung
bzw. im Rekrutierungsprozess dazu führen, dass Mitarbeiter sich
diesem Unternehmen verpflichtet fühlen. Das beginnt bereits in der
Bewerbungsphase.
Um für High-Potentials attraktiver als die Konkurrenz auf dem
Arbeitsmarkt zu erscheinen, scheuen Unternehmen auch keine hö-

165
5 Toolbox der Motivation

heren Kosten. Auch die Art, wie der Bewerber nach einem Einstel-
lungsgespräch oder Assessmentcenter Rückmeldung erhält, trägt zur
Außenwirkung und zum „guten Ruf“ des Unternehmens bei.
Beispiel: Retention in der Recruitingphase
Große Unternehmensberatungen laden ausgewählte Kandidaten zum
Bewerbungsverfahren auf ein Kreuzfahrtschiff ein oder lassen Fallstu
dien auf einer sonnigen Insel im Mittelmeer lösen.

Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass Unternehmen mit einem positi-
ven Image die Lebensläufen von Arbeitnehmern aufwerten, wenn
diese später einmal doch wechseln wollen. Für viele Menschen ist
dies ein wichtiges Argument.
Perspektiven spielen herausragende Rolle
Zukunftsaus Die Zukunftsaussichten, die ein Unternehmen bietet, sind für die
sichten binden Entscheidung von Berufseinsteigern von entscheidender Bedeutung.
Mitarbeiter
Transparente Karriereprogramme (s. Seite 156) gehören daher zu
den wichtigsten Kriterien, wenn es um die Attraktivität des Arbeit-
gebers geht. Über das klassische Hochschulmarketing, auf Absolven-
tenkongressen und Symposien können sich Unternehmen mit ihren
speziellen Modellen dem Nachwuchs präsentieren und sich in ihren
Köpfen verankern.
Flache Hierarchien bieten Herausforderungen
Um eine dauerhafte Bindung von wichtigen Leistungsträgern an das
Unternehmen zu erreichen, ist die umfassende Organisationsstruk-
tur eine wichtige Einflussgröße. Flache Hierarchien und eine relativ
hohe Dezentralisierung von Entscheidungsbefugnissen kommen den
Bedürfnissen der High-Potentials nach professioneller Autonomie
und Einflussnahme besonders entgegen.

Was können Führungskräfte für die


Mitarbeiterbindung tun?
Auf der Ebene der Führungskräfte geht es um die Qualität der Moti-
vation und darum, Anreize für die Mitarbeiter zu schaffen. Das
umfasst die Führungsqualität der direkten Vorgesetzten, die sich
unmittelbar auf die Mitarbeitermotivation auswirkt, und die unter-

166
RetentionProgramme – Mitarbeiter ans Unternehmen binden 5
nehmensweiten Instrumente zur Vergütung wie Vergütungssystem,
Incentives etc. Auch hier beginnt Retention bereits sehr früh.
Führungskräfte während der Bewerbungsphase
Wenn die „Chemie“ zwischen der Führungskraft, die die Wahl der
neuen Mitarbeiter trifft, und dem künftigen Leistungsträger nicht
stimmt, ist eine erste emotionale Bindung an das Unternehmen
kaum möglich. Alternativangebote der Konkurrenz erhalten dann
schnell den Vorzug.
Einarbeitungsphase schafft Basis für langfristige Bindung
Gleich zu Beginn der Zusammenarbeit sollte die verantwortliche Gründliche
Führungskraft dem neuen Mitarbeiter die Unternehmenskultur Einarbeitung
zeigt Wert
vermitteln und bei ihm das Gefühl der Zugehörigkeit stärken.
schätzung
Sinnvoll kann z. B. der Einsatz von erfahrenen Mentoren sein, die
das Einleben in die neue Struktur fördern.
Welche Aufgaben erhält der Mitarbeiter?
Ob ein Mitarbeiter zufrieden und motiviert ist oder nicht, hängt in
hohem Maße von den Anforderungen ab, die sich ihm am Arbeits-
platz bieten. Die Aufgabe der zuständigen Führungskraft besteht
darin, das richtige Maß an Herausforderungen, Verantwortung
und Entscheidungsspielraum für diesen Arbeitnehmer zu finden
(s. Seite 114). In ihren Verantwortungsbereich fallen auch Fragen
der Zielvereinbarungen und der Personalentwicklung (s. Seite 101).
Hierin liegt ein sehr großes Bindungspotenzial – dieser Bereich sollte
daher auf keinen Fall vernachlässigt werden.

Mitarbeiter suchen Selbstverwirklichung


Menschen haben neben den beruflichen Interessen noch andere Menschen in
Lebensbereiche, in denen sie nach Verwirklichung suchen. Diesen seiner Ganzheit
sehen
gerecht zu werden, bedeutet, den Mitarbeiter als ganzheitliches Indi-
viduum wahrzunehmen und ihm die Weiterentwicklung seiner
Potenziale sowie den Erhalt der Leistungsfähigkeit zu ermöglichen.
Mitarbeiterbindung ist zuallererst über Motivation zu erreichen. Die
existierenden Einflussgrößen können den folgenden acht Bindungs-
faktoren zugeordnet werden. In ihrer Gesamtheit müssen sie dem

167
5 Toolbox der Motivation

Mitarbeiter ermöglichen, seine Wünsche und Vorstellungen umzu-


setzen. Dann verstärken sie die Mitarbeiterbindung. Bei
Nichterfüllen dagegen steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die betref-
fende Person früher oder später weiterzieht.

Vergütung Persönlichkeit/
emotionale
Bindung

Team/Klima Sinn/Werkstolz

Integriertes
Retention
programm
Sicherheit Karriereper
spektiven

Aufgaben Freiheit/
Selbstbe
stimmung

Motivationsfaktoren zur Mitarbeiterbindung

Aufbauweisen von RetentionProgrammen


Alle Ebenen Ziel von Retention-Programmen ist es, die verschiedenen Einfluss-
müssen inein faktoren so zu verändern, dass sie die Motivation und damit auch
ander greifen
die Bindung der Mitarbeiter positiv beeinflussen. Angesichts der
Fülle der unterschiedlichen Faktoren entsteht dabei eine Art Bau-
stein-System, das auf den drei Ebenen Unternehmen, Führungskraft
und Mitarbeiter wirksam wird. Ein vollständiger Ansatz an allen
Punkten gleichzeitig ist natürlich sehr komplex. Aber die Beschäfti-
gung mit den neuen Möglichkeiten der Mitarbeiterbindung und -
motivierung ist im Sinne der Zukunftsfähigkeit der Unternehmen
Pflicht.

168
RetentionProgramme – Mitarbeiter ans Unternehmen binden 5
Handlungsansätze für die Einflussfaktoren
Grundsätzlich sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt, um die Ein- Zahlreiche
flussfaktoren auf die Mitarbeitermotivation zu optimieren. Intelli- Möglichkeiten
zur Mitarbeiter
gente Bindungsprogramme sind Ausdruck einer kreativen und mo-
bindung
tivierenden Unternehmensgestaltung. Einige Handlungsansätze
haben sich aber in der Praxis schon bewährt:
Motivationsfaktor Beispielhafte Handlungsansätze
Persönliche/ • Übertragung bereichsübergreifender Aufgaben
emotionale Bindung • Verantwortliche Einbindung in Projektarbeit
Sinn/Werkstolz • Möglichkeiten zur Identifikation mit der eigenen
Tätigkeit über ganzheitliche Tätigkeiten (Job
Enlargement als Maßnahme der horizontalen Um
strukturierung, die die Erweiterung des Tätigkeits
spektrums auf gleichem Anforderungsniveau be
inhaltet)
Karriereperspektiven • Karrieremodelle
• Kompetenzaufbau durch Weiterbildungspro
gramme etc.
Freiheit/ • Empowerment (Maßnahmen und Strategien zur
Selbstbestimmung Erhöhung von Selbstbestimmung und Autonomie,
s. Seite 139) durch autonome Unternehmensstruk
turen, Entscheidungsverlagerung
• Arbeitszeitmodelle
Aufgaben • Steigerung der Abwechslung durch JobRotation
• Qualitative Bereicherung durch JobEnlargement
und JobEnrichment (Erweiterung des Spektrums
auf höherem Anspruchsniveau, im Sinne einer ver
tikalen Umstrukturierung)
Sicherheit • Transparenz über die Leistungsbeurteilung, Ent
wicklungsmöglichkeiten und Unternehmens
situation
• Zielvereinbarungssysteme
Team/Klima • Gemeinsame OffthejobAktivitäten
• Teamentwicklungstrainings
• Führungskräftetrainings
Vergütung • Trendorientierte Vergütungssysteme, die der Flexi
bilität der Arbeitsmärkte gerecht werden

169
5 Toolbox der Motivation

Gesamtkonzept muss stimmig sein


Fachliche Die eigentliche Kunst besteht darin, die verschiedenen Mög-
Unterstützung lichkeiten so miteinander zu verknüpfen, dass ein sinnvolles Ganzes
ist sinnvoll
entsteht. Die existierenden Vergütungsmöglichkeiten müssen z. B.
mit dem Zielvereinbarungssystem ebenso harmonieren wie dieses
wiederum mit dem Trainings- und Weiterbildungsangebot. Aufga-
benerweiterung ist nur dann sinnvoll, wenn gleichzeitig auch mehr
Verantwortung übertragen wird. Der Einsatz von Beurteilungssys-
temen bringt nur dann Erfolg, wenn nachgeschaltete Maßnahmen
möglich sind, die die Ergebnisse der Beurteilung konsequent nutzen.

Kienbaum Expertentipp: Holen Sie sich Unterstützung


Scheuen Sie sich nicht, mit Spezialisten für Human Resources Manage
mentsystemen zu kooperieren. Zusammen können Sie ein
Retentioninstrumentarium installieren, das den Anforderungen und
Möglichkeiten des Unternehmens entspricht. Erfolgreiche Mitarbeiter
bindung ist ein wesentliches Model in der Konzeption eines highend
geprägten Human Resource Management, das das Humankapital zum
eindeutigen Wettbewerbsvorteil und zur Benchmark für das konkurrie
rende Umfeld schmiedet.

5.5 Motivieren in ChangeProzessen


Veränderungs Bei der Einführung von Neuerungen liegen die Schwierigkeiten
prozesse stellen meist weniger darin, Innovationen zu erarbeiten, sondern vielmehr
besondere
in der mangelnden Überzeugung der Menschen im Unternehmen.
Herausforde
Die Verantwortlichen eines Change-Prozesses müssen sie davon
rungen
überzeugen, die Veränderungen wirklich umsetzen zu wollen, da-
hinter zu stehen – kurz sie zu leben. Ein erfolgreicher Wandel ist von
zwei Dingen abhängig:
1. von einer zukunftstauglichen Entscheidung,
2. von einer hohen Motivierung derjenigen Personen, die an der
Realisierung beteiligt sind.
Die Formel lautet:
Umsetzungserfolg =
Entscheidungsqualität x Veränderungsmotivation

170
Motivieren in ChangeProzessen 5
Wie Sie Motivation in Veränderungsprozessen fördern
können
Wenn Mitarbeiter während Change-Prozessen nur eine mangelhafte Sicherheits
Motivation zeigen, bedeutet das nicht, dass sie geistig unflexibel bedürfnis
verhindert oft
sind. Widerstände beruhen in diesen Fällen in der Regel auf der
Begeisterung
Ungewissheit, was „danach“ kommt. „Wir sind heute erfolgreich auf
die Art und Weise, wie wir jetzt arbeiten. Wenn wir uns verändern,
wissen wir womöglich nicht mehr, was dann passiert“ – das ist der
Irrtum, dem viele Menschen in diesen Situationen aufsitzen. Dieses
Denken ist verständlich, da Menschen aus einem Sicherheitsbedürf-
nis heraus den Wunsch haben, die Geschehnisse vorherzusehen.
Wer in diesem Zusammenhang die Motivation seiner Mitarbeiter
fördern will, muss ihnen also vor allem die Unsicherheit vor Verän-
derungen nehmen.
Veränderungen sind alltäglich
Zunächst gilt es, die grundsätzlichen Ängste vor dem Wandel zu
nehmen. Schließlich gilt in der Welt – und zwar sowohl in der beruf-
lichen als auch der privaten –, dass
• nichts so sicher ist wie der Umstand, dass sich die Welt verän-
dert,
• es nicht möglich ist, sich nicht zu verändern. Die Umwelt verän-
dert sich ständig und dies führt dazu, dass gerade derjenige, der
sich dem Wandel verschließt, seine Situation in der Welt verän-
dert. Stillstand bedeutet Rückschritt.
• dass sich ein Unternehmen ständig verändern muss, wenn es
eine sichere Position einnehmen möchte. Change-Prozesse sind
nicht Selbstzweck, sondern bringen Verbesserung, Stärkung und
Sicherheit.

Nehmen Sie Mitarbeiter mit auf dem Weg zur Innovation


Der Weg hin zu dieser sicheren Position, die Initiierung von Innova- Mitarbeiter
tionen und die gleichzeitige Motivation von Mitarbeitern führt über müssen Inno
vationen
mehrere Etappen. Dabei sollten die betroffenen Arbeitnehmer die
mittragen
Möglichkeit erhalten, sich in allen diesen Phasen aktiv am Verände-

171
5 Toolbox der Motivation

rungsprozess zu beteiligen. Außerdem sollten die Widerstände, die


von dieser Seite kommen, aufgegriffen und verarbeitet werden.

Beteiligung in allen Phasen

Transfercheck

Umsetzung

Projektdesign

Zielbeschreibung

Problembeschreibung

Widerstände nutzen

Phasen eines Veränderungsprozesses

Machen Sie Betroffene zu Beteiligten


Lösungen Es ist leichter, sich mit einer Neuerung zu identifizieren, wenn man
gemeinsam in die Entwicklung der Lösung einbezogen ist. Der Mitarbeiter sollte
entwickeln
sich mit seinen Ängsten und Befürchtungen, aber auch mit seinem
Wissen und seiner Kompetenz in den Veränderungsprozessen wie-
derfinden.
Sorgen Sie für Einsicht
Der entscheidende Erfolgsfaktor mit einer enormen Hebelwirkung
ist Transparenz. Das Wissen um die strategische Ausrichtung, den
Sinn und Zweck der Veränderung, aber auch die Transparenz der
Entscheidungen, die den Prozess begleiten, erleichtern es dem ein-
zelnen Mitarbeiter, sich mit dem Change zu identifizieren und ihn
im wahrsten Sinne des Wortes „ein-zu-sehen“. Ein weiterer Vorteil
liegt natürlich darin, dass er als Spezialist in seinem Bereich die Ent-
scheidungen differenziert diskutieren und gute Ideen beisteuern
kann.

172
Motivieren in ChangeProzessen 5
Konstruktiver Umgang mit Widerständen
Widerstände sind in Veränderungsprozessen durchaus sinnvoll: Sie Widerstände
erinnern an das, was funktioniert und bewahrenswert ist, verhindern bieten Chancen
Aktionismus und können davor warnen, in Sackgassen zu laufen.
Gerade im Change-Prozess ist es wichtig, dass die Ängste und Be-
fürchtungen der Belegschaft ernst genommen werden. Wem es an
dieser Stelle gelingt, sie abzubauen und den zusätzlichen Nutzen der
Veränderungen für die Mitarbeiter herauszustellen, hat gute Chan-
cen, das diese ihn beim Wandlungsprozess unterstützen.
Leitfragen zur Motivation in ChangeProzessen
In jeder Phase eines Veränderungsprozesses ergeben sich mehrere
Möglichkeiten, die Mitarbeiter einzubeziehen und so ihre Motiva-
tion zu steigern. Hilfreich ist es, in diesem Zusammenhang mit Leit-
fäden zu arbeiten, um möglichst viele Aspekte zu berücksichtigen.
Phasen des
Phase des Change Leitfragen zur Motivierung Change
Prozesses Prozesses
Problembeschreibung • Wie stellt sich das Problembewusstsein der Betrof
fenen dar? Ist es vorhanden?
• Wie kann ich die Chancen, die eine Veränderung in
sich birgt, transportieren?
• Was kann ich tun, um bisher geleistete Arbeit wert
schätzend anzuerkennen?
• Welche Personen könnten sich von Veränderungen
persönlich betroffen fühlen (Schuldgefühle, Angst)?
• Auf welchem Wege kann Energie für eine Verände
rung geweckt werden, ohne dass übermäßiger Er
folgsdruck entsteht?
Zieldefinition • Was ist die konkrete Zielsetzung für die einzelnen
Betroffenen?
• Wie kann ich mit diesen entsprechend der unter
schiedlichen Bedürfnisse kommunizieren?
• Wer ist am meisten, wer am wenigsten von den
Veränderungen betroffen?
• Welche Standards sollen ab sofort für wen gelten,
um das Ziel zu erreichen?

173
5 Toolbox der Motivation

Projektdesign • Wie können möglichst viele Mitarbeiter in die Pro


jektgestaltung eingebunden werden?
• Sind alle betroffenen aufbauorganisatorischen
Einheiten im Projektdesign paritätisch berücksich
tigt?
• Wer könnte alles zu Lösungsvorschlägen befragt
werden?
Umsetzung • Zeigen sich alle Mitarbeiter einsatzbereit, um die
beschlossenen Veränderungen aktiv mitzugestalten?
• Welche Widerstände existieren? Wie kann diesen
entgegnet werden, wie können sie eingebunden und
genutzt werden?
• Finden sich in der Umsetzung alle Interessen wieder,
die das Projektdesign bestimmt haben?
TransferCheck • In welchem Umfang wurden die Projektziele reali
siert?
• Wurde die erwünschte Beteiligung erreicht?
• Welche Widerstände waren „erfolgreich” – und
welche Bedeutung könnte dies haben?
• An welchen Stellen gilt es, mit veränderten Konzep
ten und Ideen nachzubessern?

Mitarbeitertypen in Veränderungsprozessen
Wie Mitarbeiter Besonders wichtig ist die Beteiligung an den Change-Prozessen bei
auf Verände den Mitarbeitern, die sich gegen die Veränderung stellen. Wem es
rungen
gelingt, die „Gegner“ ins Boot zu holen, der wird auch bei allen
reagieren
anderen Betroffenen Erfolg haben.

Kienbaum Expertentipp: Zeigen Sie Geduld


Als Verantwortlicher für einen ChangeProzess brauchen Sie – neben
den klassischen Managementfähigkeiten – vor allem eines: einen lan
gen Atem. Umfangreiche Veränderungen werden häufig erst nach Jah
ren akzeptiert.

Von Innovatoren und Boykottierern


Bei der Implementierung systematischer Veränderungsprozesse
lassen sich im Grunde sechs Mitarbeitergruppen unterscheiden.

174
Motivieren in ChangeProzessen 5
prochange Nicht contrachange
festgelegt
Aktiv Innovatoren Distanzierte Boykottierer
Change Agents Engagierte Dogmatiker
Passiv Assistenten Mitläufer Skeptiker
Produzenten „träge Masse“ „Kopf in den Sand“

„Pro Change“ heißt: Weitere Motivation ist nicht nötig


Mitarbeiter, die in die Kategorie der „Change-Agents“ gehören,
arbeiten begeistert mit und initiieren selbst Veränderungen. Ähn- „prochance“
liches gilt auch für die Assistenten und Produzenten, die pro-change wollen Erfolge
sehen
eingestellt sind und den Wandel daher mittragen. Beide wollen je-
doch Erfolge im Beschreiten des Veränderungswegs sehen.
NichtFestgelegte erfordern Überzeugungsarbeit
Anders verhält es sich mit der Gruppe der „Distanziert-Engagierten“
und der „Mitläufer“-Riege. Sie zeigen zumindest unter Druck Leis-
tung und dulden die Veränderungsprozesse. Vor allem diese Mit-
arbeiter gilt es, stärker einzubeziehen und ihnen die Vorgänge trans-
parent zu machen. So können sie dazu bewegt werden, sich in den
Prozess zu integrieren und involvieren. Das schafft das notwendige
Commitment und macht es unwahrscheinlicher, dass die Kollegen,
die zur Gruppe der Boykotteure gehören, die Bemühungen um
Akzeptanz erfolgreich untergraben.
Aktive Gegenwehr gilt es, zu verhindern
Diesem Untergraben vor allem seitens der hochaktiven und damit Boykotteure
äußerst gefährlichen Gruppe der Boykotteure sollten die Verant- stoppen
wortlichen unbedingt Einhalt gebieten. Dafür gibt es nur zwei Mög-
lichkeiten:
1. Entweder es gelingt, durch Transparenz und aktives Einbeziehen
diese Mitarbeiter ins Boot zu ziehen und damit die negativen
Energien in positive zu verwandeln. Das kann z. B. gelingen, in-
dem diese Gruppe bewusst aufgefordert wird, ihre berechtigte
Kritik einzubringen, allerdings unter gleichzeitigen Anbieten von
Lösungsmöglichkeiten.
2. Scheitern diese Bemühungen, gilt es, konsequent zu sein und
diesen Mitarbeitern alternative Wege aufzuzeigen, da er über

175
5 Toolbox der Motivation

kurz oder lang das Commitment anderer Kollegen und die


Unternehmenskultur beträchtlich gefährden kann.

Kienbaum Kompetenztest: Umgang mit Veränderungen


Wie gehen Sie selbst mit dem Wandel um? Reflektieren Sie die letzten
Veränderungen, die sich an Ihrem Arbeitsplatz ergeben haben. Wie ha
ben Sie darauf reagiert? Wie sind Sie mit dem Wandel umgegangen?
Versuchen Sie, sich die einzelnen Phasen zu vergegenwärtigen und de
ren Wirkung auf Sie. Gehen Sie dabei anhand des Leitfadens auf Seite
173 vor.
Stellen Sie diese Fragen bei den nächsten anstehenden Veränderungen
in Ihrer Abteilung auch Ihren Mitarbeitern und beteiligen Sie sie so an
den Vorgängen.

176
Ausgewählte Literatur

Sprenger, Reinhard K.: 30 Minuten für mehr Motivation.


Offenbach: Gabal 1999.
Dieses Praxisbuch strukturiert übersichtlich das Wissen über Moti-
vation und zeigt sechs konkrete Handlungsfelder auf, die jedem
Einzelnen einen Weg zu mehr Motivation weisen. Der Führungs-
kraft machen sie deutlich, wie sie demotivierende Faktoren ausschal-
tet. Das Buch erklärt, wie Sie selbst bestimmend leben, für Ihre
Wahlentscheidungen Verantwortung übernehmen und Motivation
entwickeln. Außerdem wird erläutert, warum äußere Anreize (z. B.
Prämien) nicht motivieren, sondern vielmehr die Eigenmotivation
zerstören, und welche persönlichen Einstellungen und welche Rah-
menbedingungen Motivation fördern.
Sprenger, Reinhard K.: Das Prinzip Selbstverantwortung. Wege zur
Motivation. Frankfurt: Campus 1995.
Laut Sprenger ist die Bereitschaft zum Mitmachen unser wichtigster
Rohstoff. Anhand zahlreicher Beispiele beantwortet er die Frage, wie
Führung aussehen muss, damit Mitarbeiter Eigeninitiative entwi-
ckeln und sich für ihre Arbeit verantwortlich fühlen. Das Manage-
ment hat dabei die Aufgabe, die dazu geeigneten Rah-
menbedingungen zu schaffen. Motivation muss von innen kommen.
Das setzt jedoch voraus, dass jeder einzelne sich bewusst ist, dass er
frei wählen kann. Somit sind Freiheit und Selbstverantwortung des
Einzelnen die Schlüssel zur Motivation.
Häusel, HansGeorg: Think Limbic! Planegg: Haufe 2007.
Entscheidungen von Managern und Konsumenten lassen sich im-
mer auf unbewusste, emotionale Impulse aus einem sehr alten Hirn-
Areal, dem limbischen System, zurückführen. Das fand der Münch-
ner Psychologe und Unternehmensberater Hans-Georg Häusel in
einer zweijährigen Untersuchung heraus. Im Buch „Think Limbic“
gibt der Autor einen Überblick über aktuelle Erkenntnisse der Hirn-

177
Ausgewählte Literatur

forschung und nennt erstmals praktische Konsequenzen für das


Management von Unternehmen.
Clutterbuck, David; Kernaghan, Susan: Empowerment. So
entfesseln Sie die Talente Ihrer Mitarbeiter. Landsberg: mvg
1997.
Empowerment – wörtlich übersetzt mit Befähigung, Ermächtigung –
bezeichnet die Verlagerung von Verantwortlichkeiten und Entschei-
dungskompetenzen in die unteren Hierarchieebenen. In diesem
Buch werden die wichtigsten Bausteine auf dem Weg zu einem von
Empowerment geprägten Unternehmen aufgezeigt: Veränderungen
der Organisationsstruktur und der Unternehmenskultur, Aufbau
von Empower-Teams, Änderungen im Verhalten aller Mitarbeiter,
Beispiele, Erfahrungsberichte und umsetzbare Tipps machen dieses
Buch zu einem Leitfaden für die Praxis.
Cooper, Robert K.; Sawaf, Ayman: EQ. Emotionale Intelligenz für
Manager. München: Heyne 1997.
Die These von Robert K. Cooper und Ayman Sawaf lautet: Emotio-
nale Intelligenz verbessert das soziale Klima, erhöht die Motivation
und Kreativität der Mitarbeiter. Gefühle werden nicht nur akzep-
tiert, sondern gefördert. Anhand zahlreicher Beispiele demonstrie-
ren die Autoren die enorme Bedeutung, die emotionale Intelligenz
gerade im Berufsleben spielt, und zeigen, wie sich damit die Unter-
nehmenskultur verbessern lässt.
Harvey, Christine: Erfolgreiche Motivation in 7 Tagen. Landsberg:
mvg 1998.
Erfolgreiche Motivation ist die Basis für Geschäftserfolg und Zufrie-
denheit der Mitarbeiter. Das Buch führt dem Leser vor, wie er in
sieben Schritten sich selbst und andere zu Höchstleistungen anspor-
nen kann. Wie führt man eine Änderung der Situation herbei? War-
um sollte man gute Leistung belohnen? Wie macht man aus schwa-
chen starke Menschen? Wie kann man sich Ziele setzen?

178
Ausgewählte Literatur

Stroebe, R. W.; Stroebe, G. H.: Motivation. Arbeitshefte


Führungspsychologie. Heidelberg: Sauer 1994.
Dieses Arbeitsheft stellt die Bedeutung von Motivation für optimale
betriebliche Führung heraus. Die Autoren analysieren anhand von
Beispielen grundlegende Motivationsprobleme und bieten Lösungs-
vorschläge für die Praxis an. Zahlreiche Abbildungen, Tabellen und
Karikaturen dienen zur Veranschaulichung der Problematik.
Williams, Lynn: Perfect Positive Thinking. London: Arrows Books
1998.
Sobald ein positives Denken aufgebaut ist, kann es den Umgang mit
Herausforderungen zuversichtlich unterstützen. Es hilft dabei, sich
selbst zu motivieren und Selbstsicherheit auszustrahlen. Das Buch
deckt darüber hinaus Themenbereiche wie Planung, Seelenfrieden,
Aggressionsbewältigung und Selbstbewusstsein ab. Anhand von
praktischen Beispielen wird gezeigt, wie konstruktiv mit negativen
Gedanken umgegangen werden kann.

179
Formulare und Arbeitsmittel

Planen, umsetzen, berichten: Nutzen Sie für Ihre Projekte die fol-
genden Kopiervorlagen. Die Vorlagen sind hier verkleinert darge-
stellt, damit Sie sie beim Kopieren vergrößern können.

• Lebenskonzept erarbeiten
• Persönliche Rollen und Handlungsfelder ausarbeiten
• Werte-Rollen-Quercheck durchführen
• Persönliche Ziele setzen
• Kompetenzen entwickeln
• Selbstreflexion nach der ARA-Formel
• Sind Sie ein Positiv-Denker?
• Wie gut delegieren Sie?
• Zielvereinbarung

So gehen Sie vor: Vergrößern von DIN A5 auf DIN A4


Stellen Sie auf Ihrem Kopierer die Funktion „Vergrößern“ und dann
„von A5 auf A4“ oder „um 141%“ ein, um die Vorlagen auf das
Format DIN A4-Format zu kopieren.

180
Lebenskonzept erarbeiten

Lebenskonzept erarbeiten

Lebenskonzept
Wie möchte ich leben?

Welchen Stellenwert nimmt Arbeit in meinem Leben ein?

Wie können die Rahmenbedingungen meiner beruflichen Tätigkeit beschrieben werden?

In welche sozialen Netze bin ich eingebunden?

181
Persönliche Rolle und Handlungsfelder ausarbeiten

Persönliche Rollen und Handlungsfelder ausarbeiten


Welche Handlungsfelder sehen Sie für sich selbst? Welche Rollen besetzen Sie jeweils darin?

Lebensbereich Lebensbereich

Rollen Rollen

• •

• •

• •

Lebensbereich Lebensbereich

Rollen Rollen

• •

• •

• •

182
WerteRollenQuercheck durchführen

WerteRollenQuercheck durchführen
Überlegen Sie, welche Rollen Ihnen ermöglichen, folgende Werte zu leben. Wählen Sie dazu aus der Liste die für Sie
wichtigsten Werte aus, die Sie leben wollen.

• Unabhängigkeit • Ehre
• Beziehungen • Idealismus
• Selbstverwirklichung • Familie
• Macht • Status
• Neugier • Rache
• Anerkennung • Eros
• Ordnung • Essen
• Sparen • Körperliche Aktivität

WerteRollenQuercheck
Wert

Rolle


Beruf und Karriere
Familie und Freunde
Gesundheit
Ich selbst

183
Persönliche Ziele setzen

Persönliche Ziele setzen


Überlegen Sie anhand Ihres formulierten Lebenskonzepts, welche persönlichen Zielsetzungen für Sie realistisch
erreichbar und herausfordernd zugleich sind. Nehmen Sie bei der Zielformulierung auf die zur Verfügung stehende
Zeit Bezug. Reflektieren Sie,
welchem Handlungsfeld (Karriere, Partnerschaft, Selbst) das Ziel zuzuordnen ist,
welche Ihrer Rollen davon betroffen sind,
ob das Ziel eindeutig messbar ist.

Lebensbereich
Rolle Rolle Rolle

Ziele, die mit dieser Rolle verbun Ziele, die mit dieser Rolle verbun Ziele, die mit dieser Rolle verbun
den sind: den sind: den sind:
• • •

• • •

• • •

Lebensbereich
Rolle Rolle Rolle

Ziele, die mit dieser Rolle verbun Ziele, die mit dieser Rolle verbun Ziele, die mit dieser Rolle verbun
den sind: den sind: den sind:
• • •

• • •

• • •

184
Kompetenzen entwickeln

Kompetenzen entwickeln
Reflektieren Sie, an welchem Punkt sich die Entwicklung Ihrer Kompetenzen befindet. Überlegen Sie, welche Fach
kompetenzen, Verhaltenskompetenzen und welche Modifikationen in Ihrem persönlichkeitsspezifischen Herange
hensweisen hilfreich sein könnten, um Ihre persönlichen Ziele zu erreichen. Übernehmen Sie dazu Ihre Formulierun
gen aus: Persönliche Ziele setzen

Zielsetzung
Status Quo – Grad der Zielerreichung
zum heutigen Tag

Zu optimierende fachliche Kompeten


zen (Wissen, Fertigkeiten)

Entwicklungsfelder in den Verhaltens


kompetenzen (Umgang mit anderen,
Kommunikation, Verhandlungen)

Zu modifizierende persönlichkeitsspezi
fische Ansichten, Herangehensweisen
und Tendenzen

Zielsetzung
Status Quo – Grad der Zielerreichung
zum heutigen Tag

Zu optimierende fachliche Kompeten


zen (Wissen, Fertigkeiten)

Entwicklungsfelder in den Verhaltens


kompetenzen (Umgang mit anderen,
Kommunikation, Verhandlungen)

Zu modifizierende persönlichkeitsspezi
fische Ansichten, Herangehensweisen
und Tendenzen

Zielsetzung
Status Quo – Grad der Zielerreichung
zum heutigen Tag

Zu optimierende fachliche Kompeten


zen (Wissen, Fertigkeiten)

Entwicklungsfelder in den Verhaltens


kompetenzen (Umgang mit anderen,
Kommunikation, Verhandlungen)

Zu modifizierende persönlichkeitsspezi
fische Ansichten, Herangehensweisen
und Tendenzen

185
Selbstreflexion nach der ARAFormel

Selbstreflexion nach der ARAFormel


Beobachten Sie im Laufe einer Woche, ob und wie der Einsatz der ARAFormel (Antizipieren, Reflektieren, Antrei
ben) Ihre Wahrnehmung des Alltags verändert.

Antizipieren

Überlegen Sie, mit welchen Vorstellungen Sie sich selbst vorab belohnen können.

Welche Zielerreichung ist für Sie besonders wichtig?

Wie sieht Ihre Situation aus, in der Sie die „Ziellinie“ überqueren?

Wie wird es sich anfühlen, wenn Sie Ihr Ziel erreicht haben?

Wer wird es zuerst merken und sich besonders darüber freuen?

Was werden Sie nach der Zielerreichung tun, damit die Anspannung von Ihnen abfällt?

186
Selbstreflexion nach der ARAFormel: Reflektieren

Reflektieren

Welchen Beitrag können Sie heute zum Erreichen Ihrer Ziele und zur Verwirklichung Ihrer Träume leisten?

Vor welchen Herausforderungen werden Sie heute stehen?

Wie wird es sich anfühlen, wenn Sie diese bewältigt haben?

Was genau motiviert Sie heute?

Welche Ihrer Stärken können Sie heute besonders gut gebrauchen? Wobei können sie Sie unterstützen?

187
Selbstreflexion nach der ARAFormel: Antreiben

Zu wie viel Prozent können Sie sich heute engagieren? Was macht die fehlenden Prozente aus? Können Sie sie
noch aktivieren oder möchten Sie sie bewusst sparen?

Worüber haben Sie sich gestern besonders gefreut?

Antreiben

Erfolge mental stabilisieren

Welchen Zeitbezug haben Sie, wenn Sie an Ihre Erfolge denken? (Ihr Erfolg ist von Dauer. Ersetzen Sie Gedanken,
dass Erfolg ausbleiben könnte, durch andere Ideen, die sein Andauern implizieren)

Negativ gedacht Positiv gedacht


Diesmal habe ich Glück gehabt. Ich war wie immer erfolgreich.
Es war einmalig, es wird sich nicht wiederholen. Ich habe es einmal geschafft, also kann ich es wieder tun.

Welche Kontrollüberzeugung zeigen Sie in Bezug auf Ihren Erfolg? (Ihr Erfolg ist individuell und eigenen Stärken
zuzurechnen. Ersetzen Sie Gedanken, die nahe legen, dass alles nur Zufall sei, durch solche, die Ihnen sagen,
dass Sie selbst den Erfolg bewirkt haben.)

Negativ gedacht Positiv gedacht


Es war eine glückliche Fügung. Ich habe die Chance gesehen und genutzt.
Das war sehr einfach. Ich habe es gut beherrscht.

Wie global erscheint Ihnen Ihr Erfolg? (Ihr Erfolg ist allgemein. Wenn Sie in einem Bereich erfolgreich sind, kön
nen Sie in anderen Bereichen ebenfalls Erfolg haben.)

Negativ gedacht Positiv gedacht


Der Chef schein mich zu mögen. Ich bin im Team bei allen anerkannt.
Das habe ich gerade noch geschafft. Wenn ich das geschafft habe, kann ich den Rest auch
bewältigen.

188
Selbstreflexion nach der ARAFormel, Sind Sie ein Positivdenker?

Rückschläge mental destabilisieren

Mit welchem Zeitbezug betrachten Sie Fehler und Rückschläge? (Dieser Rückschlag ist vorübergehend. Ersetzen
Sie die Gedanken, die von immer und überall sprechen, durch positivere)

Negativ gedacht Positiv gedacht


Ich mache es immer falsch. Dieses Mal habe ich einen Fehler gemacht.
Hier werde ich wohl hoffnungslos stecken bleiben. Ich bin hier so lange es so bleibt und nicht länger.
Ich war noch nie glücklich. Im Moment bin ich unglücklich.

Welche Kontrollüberzeugung liegt bei Ihnen in Bezug auf Rückschläge vor? (Rückschläge und Misserfolge sind
äußeren Faktoren zuzurechnen. Hören Sie auf damit, sich selbst zu beschuldigen.)

Negativ gedacht Positiv gedacht


Ich verstehe das nicht. Ich habe zu wenig Informationen.
Ich bin nicht entscheidungsfreudig. Ich habe noch nicht die richtige Idee gefunden.

Wie global verstehen Sie Rückschläge? (Misserfolg, Fehler und Rückschläge sind spezifisch. Ersetzen Sie nie
mand, nichts und niemals durch positivere Gedanken.)

Negativ gedacht Positiv gedacht


Niemand mag mich. Es ist schwierig, hier nette Menschen kennen zu lernen.
Nie klappt irgendetwas. Das hat eben nicht funktioniert.
Das Leben ist hart. Diese spezifische Problem ist eine Herausforderung.

Sind Sie ein PositivDenker?

Fragen Sie sich:

Entdecken Sie an sich Tendenzen, in Hindernissen oder abhängig von negativen Vorannahmen zu denken?

Wie sind in Ihrem Denken und Handeln die positiven Vorannahmen Sinnhaftigkeit, Optimismus, Energie und
Realismus ausgeprägt?

189
Wie gut delegieren Sie?

Wie gut delegieren Sie?

Reflektieren Sie Ihr Delegationsverhalten

In welcher Situation haben Sie es einmal nicht übers Herz gebracht, etwas zu delegieren, was Sie selbst für de
legierbar hielten? Beschreiben Sie die Situation.

Was hat Sie dazu bewogen, nicht zu delegieren? In welchem Umfang hatte fehlendes Vertrauen darauf, dass die
Lösung nicht den Erwartungen entspricht, Einfluss auf die Entscheidung?

In welchen Situationen treffen Sie Entscheidungen darüber, wie ein Mitarbeiter etwas zu erledigen hat?

Welchen Freiraum haben Ihre Mitarbeiter bei der Entscheidungsfindung im „daily business“? Können Sie sich
vorstellen, mehr Entscheidungen zu verlagern?

Kompetenzen der Mitarbeiter, Vertrauen Ihrerseits oder das NichtLoslassenKönnen – was behindert Sie am
meisten im Delegationsprozess?

190
Zielvereinbarung

Zielvereinbarung

Zielvereinbarung
für die Zeit von bis

Mitarbeiter:

Personalnummer:

Abteilung:

Datum:

Ziel 1 (z. B. Projektziel):

Sich ergebender Beitrag zum Unternehmens/Bereichsziel:

Ziel erreicht, wenn:

Teilaufgaben: Notwendiger Anzusprechende Partner:


Kompetenzaufbau:

Hilfestellung durch Vorgesetzten:

Mögliche Hindernisse:

Teilzielerreichung bis:

2.

Hilfestellung durch Vorgesetzten:

Mögliche Hindernisse:

Teilzielerreichung bis:

3.

Hilfestellung durch Vorgesetzten:

Mögliche Hindernisse:

Teilzielerreichung bis:

4.

191
Stichwortverzeichnis

3-Punkt-Verstärker 75, 111 Biorhythmus 97


Bonus 155
Aktives Zuhören 17
Allgemeine Motivation 24, 26 CBT-Programm 92
Anerkennung 29, 31, 66, 70, 72, Change-Prozess 170, 173
75, 108, 109, 152, 157 Coaching 53, 92, 101, 118, 160
Anreizbilanz 23 Commitment 11, 66, 69, 80, 175,
Anreizwert 22 176
Anspannung 27, 31, 86, 96, 99, Datenerhebung 145
128 Datenquelle 146
Antizipieren 123 Delegation 134
Antreiben 123 Dürfen 24, 32, 34, 49, 64, 80, 114,
ARA-Formel 123, 129 130, 139
Arbeitszeitmodell 139, 152, 169
Aufbauebene 141 Ehrlichkeit 48, 128
Aufgabeninhalt 68 Eigenmotivation 47, 124
Aufmerksamkeit 16 Eigenschaft 15, 22, 24, 72, 86, 87,
Ausgangssituation 109, 145 88, 92, 103
Auslöser 163, 164 Eigenverantwortlichkeit 19
Einarbeitungsphase 167
Balance 86, 96, 128, 159 Einflussbereich 64, 138, 159
Bedürfnis 18, 24, 28, 44, 55, 152, Einflussmöglichkeit 67, 116, 138
166, 173 Einfühlungsvermögen 17
Begeisterung 68, 101, 171 Emotion 37
Belohnungsaufschub 44 Emotionale Bindung 154, 167, 169
Belohnungsvorschuss 45 Emotionale Intelligenz 24, 37, 41
Beobachtung 94, 102, 108 Empathie 41
Berufseinsteiger 156 Empowerment 139, 169
Beurteilungsqualität 38 Energie 23, 26, 27, 37, 43, 47, 51,
Beurteilungssystem 73, 102, 144, 63, 65, 76, 96, 98, 114, 118, 127,
170 128
Bewerbungsphase 165, 167 Engagement 26, 30, 41, 101
Beziehung 17, 22, 58, 67, 141, 164 Entfaltung 25, 140, 157
Bindung 29, 162 Entscheidung 37, 51, 60, 67, 115,
Bindungsfaktor 167 131, 141, 170
Biologisches Bedürfnis 29

192
Stichwortverzeichnis

Entscheidungsalternative 39, 60, Führungskraft 42, 47, 64, 65, 73,


129 81, 101, 107, 109, 111, 138, 166,
Entscheidungsfindung 38, 40, 48 168
Entscheidungsfreiheit 138 Führungskräftetraining 169
Entscheidungskompetenz 132, 140
Entscheidungsspielraum 132, 167 Gegenwartsbezug 43
Entscheidungsunfreudigkeit 127, Gehalt 62, 68, 152, 153
129 Geschäftsbeziehung 67
Entspannung 27, 30, 86, 96, 99, Gesprächsklima 12, 18
128 Gestaltungsfreiheit 130, 139
Entwicklungsfeld 95, 106 Globalität 125
Entwicklungsmöglichkeit 31, 159,
169 Handlungsanreiz 36, 61
Entwicklungsplan 101, 103, 108, Handlungsbilanz 23
109 Handlungsfeld 32, 53, 56, 139
Entwicklungszone 107 Handlungskompetenz 132, 140
Erfahrung 65, 92, 93, 105 Handlungsprozess 22
Erfolg 19, 21, 32, 47, 49, 71, 88, Handlungsrahmen 32, 114, 130
117, 119, 125, 133 Handlungssicherheit 101, 103
Erfolgswille 47 Handlungsspielraum 81, 130, 138
Ergebnisziel 79 Handlungsziel 22
Erholungsphase 99 Herausforderung 157, 164, 166
Erledigungsziel 79 Hierarchie 77, 146, 156, 166
Erwartung 33, 45, 81, 156 High-Potential 66, 102, 160, 165
Externale Kontrolle 117 Höchstleistung 33, 64, 98
Extrinsische Motivation 61 Human Capital 163
Hurry-Krankheit 127, 129
Fachkompetenz 86, 88
Feedback 13, 66, 73, 92, 94 Identifikation 21, 169
Feedbackfähigkeit 14 Incentive 70, 167
Feedbackgeber, Regeln 14 Individuelle Entwicklung 31, 51
Feedbacknehmer, Regeln 16 Innere Motivation 21
Fehler 72, 93, 124, 128, 132 Instabile Kontrollzuschreibung
Firmenwagen 154 117
FIRM-Methode 119, 128 Internale Kontrolle 117
Fixgehalt 152, 155 Interpretieren 119
Flexibilität 21, 150, 158 Interview 145, 149
Fokussieren 50, 119, 124 Intrinsische Motivation 61
Förderung 103, 106, 112, 157, 160
Freiheit 169
Job-Enlargement 92, 169
Freiraum 137
Job-Enrichment 92, 169
Job-Rotation 92, 169

193
Stichwortverzeichnis

Karriere 45, 56, 156, 169 Locus of Control 116, 117


Karriereabschnitt 156 Long-term-Beteiligung 154
Karrieremodell 156, 158, 159, 169 Loyalität 66, 73, 80
Karrierestufe 159
Kienbaum-Kompetenz-Pyramide Mängelbedürfnis 29
89, 103 Manipulation 20
Klima 169 Maslowsche Bedürfnispyramide
Kognition 37, 40 28
Komfortzone 127, 129, 133 Mehrwert 154
Kommunikation 17, 20, 81, 142, Mentale Destabilisierung 126
156 Mentale Stabilisierung 125
Kompetenz 11, 41, 75, 79, 81, 86, Mentoring 160
89, 91, 101, 108, 156 Methodenwissen 88
Kompetenzaufbau 91, 169 Mikrokosmos 116
Kompetenzentwicklung 86, 91, Mission 134
110 Mitarbeiterbefragung 145, 147
Konkretheit 15 Mitarbeiterbeteiligung 149
Können 24, 32, 34, 49, 64, 80, 86, Mitarbeitergespräch 73, 82, 144
91, 96 Mitarbeiterworkshop 145, 146,
Konsequenz 15, 36, 60, 62, 72, 151
120, 131 Mitarbeiterzufriedenheit 30
Konstruktives Lernen 94 Motivationsfaktor 24, 34, 169
Kontrollüberzeugung 117, 125, Motivationsproblemanalyse 145
129 Motivationsprozess 24, 140
Kreativität 21, 157 Motivator 21, 62, 112, 138, 154
Kritik 14, 16, 72, 75 Motivieren 119
Kritikfähigkeit 14, 16 Multi-Core-Ansatz 143
Kündigungsgrund 163
Nebenleistung 153
Lebensbereich 53, 56, 60, 86, 158, Nutzenargumentation 78
167
Lebenskonzept 43, 51, 53, 60, 86 Offenheit 15
Leistungsbereitschaft 13, 23, 32, Off-the-job-Aktivität 169
42, 45, 47, 52, 64, 65, 86, 112, Open-Space-Veranstaltung 151
144 Operatives Ziel 79
Leistungsbeurteilung 81, 82, 169 Optimismus 117, 123, 127, 143
Leistungsfähigkeit 32, 55, 76, 86,
96, 167
Partnerschaft 53, 67, 80, 141
Leistungskurve 97
Performanceziel 79
Leistungsmotivation 88
Personalentwicklung 101, 113,
Leistungssteigerung 70
159, 167
Leitbild 67, 86, 141
Persönliche Bindung 169
Lob, Regeln 71

194
Stichwortverzeichnis

Persönliches Ziel 79 Selbstmotivation 41, 52, 122


Persönlichkeitsmerkmal 65, 88, Selbstverantwortung 104, 114,
91, 103, 117 116, 118, 130, 133, 137, 144, 157
Perspektive 42, 154, 156, 166, 169 Selbstverpflichtung 66, 80
Pessimismus 118 Selbstvertrauen 101, 103, 105, 111
PIN-Code 121 Selbstverwirklichung 29, 31, 56,
Positiv-Denker 127 58, 81, 140, 152, 155, 167
Potenzial 32, 66, 101, 112, 167 Selbstwirksamkeit 24, 35, 71, 112,
Potenzial-Assessment 102 130, 140
Problembeschreibung 173 Short-term-Beteiligung 154
Projektdesign 174 Sicherheit 29, 70, 81, 129, 152,
Projektziel 79 153, 157, 169
Prozessverantwortung 138 Sinn 45, 48, 51, 139, 164, 169
Psychologischer Vertrag 68 Sinnhaftigkeit 52, 120, 127, 128
Situatives Feedback 75
Qualifizierungsziel 79 Smart-Pure-Clear-Formel 80
Soft Skills 11
Rahmenbedingung 21, 38, 43, 63, Sorgfältigkeit 88
118, 130, 140, 144 Sozialleistung 153
Realisieren 119 Spezifische Motivation 24, 26, 33
Realismus 123, 127 Spontanes Feedback 74
Recruitingphase 166 Stabile Kontrollzuschreibung 117
Reflektieren 123 Stabilität 32
Reflexion 99 Stärke 72, 75, 88, 101, 105, 124,
Retention 162 125, 158, 160
Rhetorik 12 Statussymbol 157
Ritualisiertes Feedback 75 Stock Options 22
Rolle 52, 53, 56 Strategie 45, 49, 169
Rollengefüge 55 Stressresistenz 88
Rollen-Werte-Quercheck 57
Tagesplanung 97
Sabbatical 160 Talent 33
Scheindelegation 134 Tätigkeitsspektrum 138
Schlaf 99 Team 11, 88, 169
Schlagfertigkeit 12 Teamentwicklungstraining 92, 169
Schwäche 88, 105, 158, 160 Training 91, 93, 105, 118, 160, 170
Schwierigkeit 16 Transfer-Check 174
Selbstbeeinflussung 114, 118, 119 Transparenz 14
Selbstbestimmung 137, 169 Traum 47, 51, 53, 57, 86, 122, 124
Selbstbewusstsein 41, 47, 104, 107
Selbstkontrolle 138 Überforderung 106, 108
Selbstmanagement 41 Überzeugungskraft 11
Umschulung 92

195
Stichwortverzeichnis

Umsetzung 21, 98, 103, 119, 174 Weiterbildung 79, 91, 92, 158, 160,
Umsetzungserfolg 170 169
Unabhängigkeit 58 Werkstolz 169
Unterforderung 108 Wert 52, 54, 58, 86, 128
Unternehmenskultur 71, 116, 132, Wertekosmos 38
141, 144, 160, 164, 167, 176 Wertelandschaft 47, 50, 55, 60
Unternehmensvisionen 67 Wertschätzung 18, 41, 67, 71, 75,
Unternehmensziel 21, 77 111, 112, 153, 160, 167
Widerstand 15, 140
Veränderungsbereitschaft 91, 96 Willensstärke 25, 45
Veränderungsprozess 66, 152, 171, Wollen 24, 32, 34, 42, 45, 47, 49,
172, 173, 174 61, 64, 80, 112
Verankerung 109 Wunsch 48, 51, 55
Verantwortung 65, 91, 105, 114,
116, 118, 129, 131, 133, 135, Zeitbezug 42, 45, 125
140, 156, 159, 167, 170 Zeitliche Autonomie 139
Verantwortungsbewusstsein 21, Zeitperspektive 24, 42
54, 88 Ziel 13, 21, 22, 30, 31, 35, 39, 44,
Vergangenheitsbezug 43 47, 49, 51, 52, 53, 60, 65, 66, 69,
Vergütung 62, 71, 81, 152, 153, 76, 85, 86, 119, 128, 134, 141,
155, 160, 167, 169 158, 173
Vergütungskomponente 153 Zielabweichung 75
Vergütungssystem 62, 152, 155, Zielart 79
167, 169 Zielbereich 79
Verhalten 13, 14, 15, 17, 22, 39, Zieldefinition 76, 173
72, 74, 93, 94, 101, 109, 133 Zieldialog 83
Verhaltenskompetenz 86, 88, 91, Zielerreichung 13, 45, 83, 85, 120,
92 123, 160
Verstärker 75, 104, 110, 128, 163, Zielorientierung 12, 47, 151
164 Zielvereinbarung 73, 79, 80, 84,
Vertrauen 96, 103, 104, 128, 134, 101, 154, 167
143 Zielvereinbarungsgespräch 82
Vertrauenskreislauf 104 Zielvereinbarungssystem 82, 155,
Vertrauensvorschuss 103, 105, 129 169
Vision 42, 47, 48, 51, 55, 60, 86, Zielzustand 87, 109
122 Zukunftsbezug 44
Zukunftssicherung 157, 163
Wachstumsbedürfnis 29 Zukunftswerkstatt 151
Wahrnehmung 14, 38, 43, 73,
95, 119, 123, 139

196

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