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Zuschnitt Zeitschrift über Holz als Werkstoff und Werke in Holz Dezember 2017 Nr. 68 | 17.

Jahrgang | Euro 8 | isbn 978-3-902926-24-1 proHolz Austria

zuschnitt 68

Holztür
Einfach öffnen und
eintreten. Dahinter
erwartet Sie allerlei
Wissenswertes
über Türen.
Inhalt Seite 3
Editorial
Zuschnitt 68.2017 Text Anne Isopp

Seite 4
Essay
Kultur des Übergangs
Text Wolfgang Pehnt

Zuschnitt 69.2018 Berghütten erscheint im März 2018

Hoch droben auf dem Berge, da steht ein Haus aus Holz. Dort kehre ein,
Wanderer! Du wirst ein modernes, wohnliches Haus vorfinden, eine
Berghütte aus Holz, die in ihrer Materialität an alte Bautraditionen im
Gebirge anknüpft, aber dank moderner Bauweise in kürzester Bauzeit
errichtet und mit modernem Komfort ausgestattet wurde. In Erinnerung
werden dir der Geruch des Holzes, die warme Atmosphäre sowie der
Ausblick auf das Gebirge bleiben.

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Während des Umbaus im Medieninhaber und Mediengesetz Reinhard Gassner, Schlins proHolz Austria
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in Wien Arbeitsgemeinschaft der schaft nach Wirtschafts- Peter Schober, Wien shop.proholz.at
ös terreichischen Holzwirt- kammergesetz (wkg § 16) Dietger Wissounig, Graz
Zuschnitt schaft zur Förderung der Fotografien
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Zuschnitt 68 Obmann Christoph Kulterer Fachverband der Holz - Anne Isopp (Leitung) Jan Inge Larsen s. 2
isbn 978-3-902926-24-1 Geschäftsführer indus trie Österreichs Gudrun Hausegger (Assistenz) David Schreyer s. 5, 16, 17
Georg Binder Bundesgremium des Holz- Kurt Zweifel Günter Richard Wett s. 8, 9*
www.zuschnitt.at
Projektleitung Zuschnitt und Baustoffhandels redaktion @ zuschnitt.at Filip Dujardin s. 10
Zuschnitt erscheint viertel- Kurt Zweifel paul ott photografiert s. 12, 13*
Lektorat
jährlich, Auflage 12.200 Stk. A-1030 Wien Fördernde Mitglieder Atelier Hermann Czech s. 14 li.
Esther Pirchner, Innsbruck
Einzelheft euro 8 Am Heumarkt 12 Präsidentenkonferenz der Harald Schönfellinger s. 14 re.
Preis inkl. USt., exkl. Versand T +43 (0)1 ⁄ 712 04 74 Landwirtschaftskammern Fachliche Beratung Gabriele Kaiser s. 15
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www.proholz.at Bundesinnung der Zimmer- Peter Schober, Martin Wieser bsf-swissphoto, 2011 s. 24
meister, der Tischler und Ben Buschfeld s. 25
Gestaltung
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Atelier Gassner, Schlins;
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Die Zeitschrift und alle in Bildrecht, Wien⁄ Ryan Thayer⁄
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ihr enthaltenen Beiträge Courtesy of the artists s. 28
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Themenschwerpunkt Seite 10 – 11 Seite 14 – 15 Seite 18 – 21 Seite 26 – 27
Multifunktionstüren Im Gespräch „Das Phänomen Türen im Denkmalschutz Zwischen Tür und Angel
Seite 6 – 7 Zielkonflikte bei Planung Tür hat an gestalterischer Neu, nachgebaut und Nette Redensarten und un-
Holztüren Eine Systemüber- und Ausführung Bedeutung verloren“ restauriert freundliche Betrachtungen
sicht Text Peter Schober Hermann Czech und Arno Text Franziska Leeb Text Gabriele Kaiser
Ritter diskutieren über
Seite 8 – 9 Renovierung eines Rathauses die Tür Seite 22 – 23 Seite 28
aussentür in teilgeschützter Text Anne Isopp Text Anne Isopp aussentür in geschützter Holz(an)stoß
Lage Vom Öffnen und Ver- Lage Der feine Unterschied Elmgreen & Dragset

Editorial
Inhalt
bergen Türen im Dorfhaus Seite 12 – 13 Seite 16 – 17 Türen im Kindergarten Text Stefan Tasch
Text Tina Mott innentür Zimmertür innentür Wohnungsein- Text Hubertus Adam
Von Türen, die gesehen gangstür Holz im Rampen-
werden wollen, und solchen, licht Türen im Wohnbau Seite 24 – 25

2
3
die lieber unerkannt bleiben Text Esther Pirchner Täglich durch die bunte Tür
Türen im Pflegeheim Wie Bruno Taut Identität

zuschnitt 68.2017
Text Anne Isopp stiftet
Text Kerstin Kuhnekath

Editorial

Anne Isopp

Kaum jemand denkt länger über Türen nach, bis zu Wir wollen mit diesem Zuschnitt sowohl das Augen-
dem Zeitpunkt, an dem sie nicht so funktionieren merk auf die technischen Anforderungen an mo-
wie erwartet. Gerade bei Türen, durch die viele derne Türen legen als auch auf das gestalterische
Menschen gehen und deren Bedienung sich nicht Potenzial. Denn Türen aus Holz bieten Nutzer und
sofort erschließt, kann man immer wieder amüsante Architekt einen großen Gestaltungsspielraum und
Szenen beobachten: Drücken geht nicht, ziehen Nutzungskomfort. Natürlich kann die Oberfläche
geht nicht, erst durch Schieben öffnet sich die Tür. einer Holztür individuell gewählt werden. Die meist-
In den Bauten, die wir in diesem Zuschnitt zeigen, verkaufte Innentür in Österreich ist denn auch eine
haben die Türen je nach Bedeutung, Funktion und weiße, mit Schichtstoff belegte Holztür. Dass es
Lage eine ihnen eigene Gestalt bekommen: Dort wo auch anders geht, zeigt ein Besuch in der Wohnan-
Transparenz gefragt ist, findet sich eine verglaste lage Fürstenweg 49 in Innsbruck. Hier wurden die
Tür, dort wo Privatheit gefragt ist, eine geschlossene, Wohnungseingangstüren aus Holz mit einem Eichen-
dort wo Diskretion gefragt ist, eine mit der Wand furnier belegt, was den Türen eine hohe Wertigkeit
flächenbündig eingesetzte Tür. Wenn die Funktion verleiht. Wie Architekt Johannes Wiesflecker den
mit der Gestaltung übereinstimmt, gibt es auch Bauherrn schlussendlich doch von dieser höher-
keine Irritation – zumindest keine ungewollte. wertigen Oberfläche überzeugen konnte und viele
Dann denkt der Besucher nicht über die Tür nach, andere Türgeschichten lesen Sie auf den folgenden
die er gerade öffnet, sondern eher darüber, was ihn Seiten.
hinter der Tür erwartet. Wie selbstverständlich
erfüllen alle diese Innen- und Außentüren je nach
Funktion und Lage zudem zahlreiche technische
Anforderungen.
Neue Seminarreihe „Mehrgeschossiger Holzbau“ von proHolz Austria
in Kooperation mit Arch+Ing Akademie

Ab Ende März 2018 bietet proHolz Austria in Kooperation mit der Arch+Ing
Akademie eine modular aufgebaute Seminarreihe an. In diesen Seminaren
wird fundiertes Wissen zu Planung und Umsetzung von mehr geschossigen
Holzbauten vermittelt, von Holzbau-Ausschreibung und Kosten, Planungs-
prozessen, Brand- und Schallschutz bis hin zur Gebäudetechnik.
Diese Seminare richten sich primär an Architekten, Statiker und Bauherren
und sind integraler Bestandteil einer Offensive zur Verbreiterung des Wissens
zum Thema Holzbau.

Weitere Infos im beiliegenden Folder bzw. Anmeldung ab Mitte Januar 2018


unter: www.proholz.at
Essay Kultur des Übergangs

Wolfgang Pehnt

Der Augenblick, in dem man eine Türschwelle überschreitet, wurde immer als Sogar die bescheidensten Nebenaufgaben wurden nach Möglich-
ein Moment von Bedeutung empfunden. Als Grenze zwischen drinnen und keit von der Tür entfernt. Den Türklopfer ersetzte die Klingel an
draußen, als Trennung und Öffnung war die Schwelle in allen Kulturen mit der Seite, den Postschlitz der frei stehende Hausbriefkasten oder
Zauber, Opferzwängen und Ritualen belegt.1 Zeitungshalter.
Noch mehr als ihr Teilstück, die Schwelle, erforderte die Tür als Ganzes die Die zeitgenössische Fachliteratur zum Thema diskutiert, was von
Vorsorge dessen, der sie passierte. Tür und Tor sind aufrecht stehende, unüber- der Kunst des Türenbauens übrig geblieben ist. Sie stellt die
sehbare, den Eintretenden wie Abschiednehmenden vollständig umfassende zuständigen din-Normen dar; die Richtmaße für Breite und Höhe;
Rahmen, die den Übertritt aus dem einen in den anderen Bereich markieren. die Arten des Anschlags; die heute üblichen Werkstoffe wie Holz
Eine Schwelle kann man versehentlich übertreten, die Türöffnung dagegen nicht („gesund, trocken, ast- und harzfrei“), eloxiertes Leichtmetall,
unwissentlich durchschreiten. Stahl, die unterschiedlichen Glassorten; die Türbeschläge; die
Da die Tür mit ihrer Außenseite an der Öffentlichkeit von Straße und Markt Konstruktionsarten für Rahmen, Türfutter und -verkleidung, Tür-
teilnimmt, war sie zugleich Ort juristischer Handlungen. In manchen Kultur- flügel. Sie zählt die Bauweisen der Türblätter auf: „gestemmte“,
kreisen fanden Gottesurteile an oder vor der Tür statt, wurden Eide abgelegt, das heißt auf Rahmen und Füllung gearbeitete Blätter, massive
während die Hand des Schwörenden auf der Tür lag. Vor allem die Kirchentür Furnier- oder Verbundplatten, Latten- oder Brettertüren, einfach
war mit öffentlichen Handlungen und Rechtsgeschäften verbunden. Sie ver- oder aufgedoppelt, gedübelt, überfälzt, gespundet, Jalousietüren.
hieß Asyl, war aber auch der Ort, an dem die geistlichen Hochgerichte tagten, Was die Autoren aussparen, sind jene architektonischen Eingriffe,
an dem kirchliche und weltliche Territorialherren Recht sprachen.2 die zwischen drinnen und draußen angemessene Verhaltens-
Auch sozialer Rang entschied sich an der Tür. Wer als Erster passieren darf, ist formen ermöglicht hatten. Denn mit den rites de passage 3, mit
der Höhergestellte. Das Recht des Vortritts hat die Zeremonienmeister aller der Emanzipation von alten Zwängen, ist auch jene Kultur des
Jahrhunderte beschäftigt, bis hin zu den Benimmbüchern unserer Tage. Im Übergangs geschwunden, der einst die Aufmerksamkeit des Bau-
Nibelungenepos spitzt sich der Konflikt in jener Szene zu, in der die Königinnen meisters galt.
um das Recht streiten, als Erste das Wormser Münsterportal zu durchschreiten. Viollet-le-Duc, den die Begriffsbildung der französischen Sprache
Dienstboteneingänge sind noch bei Le Corbusiers frühen Villen von den Herr- zwang, vieles Unterschiedliche unter porte abhandeln zu müssen,
schaftseingängen getrennt und als untergeordnete Einlässe charakterisiert. stellte in seinem Dictionnaire unter den Stichwörtern porche,
Wo die Tür ihrer Bestimmung als Öffnung und Verschluss nachkommt, besteht portail und portique noch zahlreiche Möglichkeiten dar, dem
sie, ihrer Doppelrolle entsprechend, aus zwei Elementen: der Türöffnung, die Übergang eigene räumliche und bauliche Zonen, ja sogar eigene
meist durch einen Rahmen gefasst ist, und dem Türverschluss. Gebäude einzurichten.4 Die Zweckbestimmung dieser Vor- und
Dass Pforten, Türen und Portale noch heute Orte größerer Formendichte dar- Torhallen reichte von kultischen Aufgaben bis zu jener schlichten
stellen, hat eine Vielzahl von Gründen. Es hängt mit dem Verhältnis der relativ mitmenschlichen Rücksicht auf Ankömmlinge, die vor der noch
kleinen Öffnungs- zur relativ großen Wandfläche zusammen: Die kleine Fläche geschlossenen Tür auf die Begrüßung warten müssen. Traditionelle
lädt zur intensiveren Bearbeitung ein. Das ist durch die Wahrnehmungsbedin- Architektur kannte viele solche Angebote
gungen an der Tür beeinflusst: Wer wartet, bis man ihm auftut, wird aus nächs- Es ist ein Verdienst einiger nachmoderner Architekten, verges-
ter Nähe betrachten, was ihm vorläufig noch den Zutritt verwehrt. Hinter sene Wahrheiten der Tür ins Gedächtnis zurückgerufen zu haben.
der Formendichte des Eingangsbereichs steckt aber auch die gesamte Über- In Christopher Alexanders Pattern Language findet sich ein gan-
lieferung an magisch-mythischen Bedeutungen, die sich mit Ein- und Ausgang zer Katalog von Kriterien, die zu erfüllen sind, wenn sich das
verbinden – in wie verblasster Form auch immer. Gefühl des Ankommens mitteilen soll.5 Es ist sowohl auf optische
Je größer Offenheit und Transparenz, desto mehr verloren Tür und Tor ihre als auch akustische, taktile oder Wärme-Empfindungen angewie-
klassischen Funktionen. Neuzeitliche Ingeniosität gilt der anstrengungslosen sen. Differenzierte Bodenbeläge, Niveausprünge, Wechsel des
Abwicklung von Bewegungsvorgängen. Stufen und Schwellen werden unter Gesichtsfeldes, der Übergang von Licht zu Halbschatten und
dem Vorwand der Unfallgefahr beseitigt. Die teilweise oder – seit Erfindung Schatten sollen den Eindruck von Dichte, Präsenz und Ankunft
des bruchfesten und splitterfreien Sicherheitsglases – ganz verglaste Tür trägt erzeugen, ebenso wie sie in umgekehrter Folge auf den Weg
zur Gleichbehandlung von innen und außen bei. Der ungehinderte Blick erfasst hinaus ins Offene und Öffentliche vorbereiten. Die ehrwürdige
das jeweils hinter der Tür liegende andere, bevor der Fuß es betritt. Erwartung, magisch-symbolische Tradition der Eingangs- und Ausgangsritua-
Neugier und Furcht werden auf ein Minimum reduziert. Warmluftschleusen le ist damit nicht zu beleben, wohl aber der Sinn für frühere
oder Schiebetüren, die dienstfertig vor dem Eintretenden auseinanderspringen, Qualitäten, die sich mit Ein- und Ausgang verbanden.
entheben den Besucher auch noch der letzten Anstrengung.
Die Behauptung, außen und innen, der allgemein verfügbare und der verschlos- Dies ist ein Auszug aus einem Essay von Wolfgang Pehnt, erschienen in: Die Re-
gel und die Ausnahme. Essays zu Bauen, Planen und Ähnlichem, Ostfildern 2011.
sene individuelle Teil des Raumes, würden auf diese Weise sozusagen demo-
kratisch behandelt, als ein und dasselbe, leuchtet nicht ein. Ist es demokratisch,
die Menschen der Abweichungen und Besonderheiten zu berauben, ihnen
Wolfgang Pehnt
die Unterschiede zwischen Preisgegebenheit und Geborgensein, Offenheit geb. 1931 in Kassel, ist Architekturhistoriker und -kritiker. Mitglied der
und Schutz zu nehmen? Die archaische Tür wurde zum modernen Eingang, Kunst akademien Berlin, München und Düsseldorf. Zahlreiche Auszeichnungen
der nichts anderem dient als der zweckmäßigen Erschließung des Bauwerks. und Bücher.

1 Schwelle, in: Handwörterbuch des Deutschen Aberglaubens, Bd. 5, Berlin-Leipzig 1935, Spalte 1509 f.; Tür, in: ebd., Bd. 8, Berlin-Leipzig 1936, Spalte 1185 ff.
2 Adolf Reinle: Zeichensprache der Architektur, Zürich-München 1976, S. 245 ff., besonders S. 278.
3 Den Ausdruck prägte der französische Anthropologe Arnold van Gennep 1909, vgl. Arnold van Gennep: Übergangsriten, Frankfurt am Main 1986.

4 Eugène-Emmanuel Viollet-le-Duc: Dictionnaire raisonné de l’architecture, Bd. 7, Paris 1875, S. 314 ff.

5 Christopher Alexander u. a.: A Pattern Language, New York 1977; dt.: Eine Muster-Sprache, Wien 1995.
Themenschwerpunkt Holztür

An open door says, »Come in«


A shut door says, »Who are you?«
Carl Sandburg (1878 – 1967), Poems
Holztüren Eine Systemübersicht

Zimmertür

INNENTÜR Bürotür

Wohnungseingangstür

AUSSENTÜR
Geschützt Teilgeschützt Ungeschützt

Öffnungsarten
Falzquerschnitte
Drehen Pendeln Schieben
Drehflügeltür Pendeltür Schiebetür

Stumpf

Einfach
gefälzt
Rechts Links
öffnend öffnend
Zweifach
gefälzt

Türblattkonstruktionen Mögliche Oberflächen Gängige Holzarten


Furnier Fichte, Kiefer,
FÜLLUNGSTÜR – aus Massivholz oder verleimtem Holz Beschichtung (Lack, Lasur) Lärche, Eiche, Esche,
Schichtstoffe (hpl) Ulme

VOLLBAUTÜR – aus plattenförmigen Werkstoffen

Türblatt- Flächen- Türblatt- Flächen-


dicke gewicht dicke gewicht

Stegeinlagen 40 mm 12,3 kg⁄ m2 Furnierplatten, 60 mm 20 kg⁄ m2


Mineralfaser

Röhrenspaneinlagen 40 mm 15,4 kg⁄ m2 Furnierplatten, 85 mm 46 kg⁄ m2


Bleiblech und
Mineralwolle
Vollspaneinlagen 40 mm 24,6 kg⁄ m2

Spanplatten, 85 mm 64 kg⁄ m2
Zwei Dreischichtplatten 42 mm 18,0 kg⁄ m2 Promatecplatte,
Mineralwolle und
Drei Strangpressplatten
Weichfaserplatte
(punktverleimt) 41 mm 26,0 kg⁄ m2
(genagelt) 40 mm 26,0 kg⁄ m2
Fünf Strangpressplatten Quelle: Türen und Tore, Baukonstruktionen Band 12,
(genagelt) 68 mm 33,0 kg⁄ m2 Anton Pech (Hg.), Wien-New York 2007, S. 126
Marktanteil Holztüren in Österreich
Innentüren – Konstruktionsart Haustüren
Holz⁄ Röhrenspan 42,3 % Holz 15,9 %
Holz⁄ Kartonwabe 29,7 % Kunststoff 21,9 %
Holz⁄ Andere Typen 22,0 % Aluminium⁄ 62,1 %
Andere Materialien 6,0 % Materialverbund

Holztür
Quelle: Kreutzer Fischer & Partner Consulting GmbH:
Branchenradar Haustüren und Innentüren in Österreich, 2016

Welches Material ist für welche Anforderungen geeignet?

6
7
Ganzglastüren, kein Isolierglas

Ganzglastüren, kein Isolierglas


Aluminiumtüren⁄ Metalltüren

Aluminiumtüren⁄ Metalltüren
Türen aus Holz eignen sich für viele Anforderungen,

zuschnitt 68.2017
die Innen- und Außentüren heutzutage erfüllen
müssen. Diese Liste gibt einen ersten Überblick
darüber, für welche Einsatzbereiche sich
welches Material gut eignet. Sie basiert auf

Kunststofftüren
Holz-Alu-Türen
keinen wissenschaftlichen Erkenntnissen,

Außentüren

Innentüren
Holztüren

Holztüren
sondern auf Einschätzung der Holzforschung.

Anforderungen an eine
Tür laut önormen
Rauchschutz
E 30
Dauerfunktion⁄ Zyklenanzahl
Mechanische Beanspruchung Brandschutz
EI 30
Innentür (it) EI 60
Standardtür (st) 50.000 EI 90
Klima A Büroeingangstür (bt) 200.000 EI 120
Wohnungseingangstür (wt) 100.000
Schallschutz
Klima B
Rw 28 dB
Außentür (at)
Rw 33 dB
Haustür 100.000
Rw 38 dB
Durchgangslichte Öffentlicher Bereich 200.000
Rw ≥ 42 dB
b = min. 800 mm (it) Nebentüren 10.000
b = min. 900 mm (at) Wärmedämmung
Ud ≤ 1,7 W⁄ m2K
Ud ≤ 1,0 W⁄ m2K
Statische Verwindung Ud ≤ 0,8 W⁄ m2K
Vertikale Belastung 200 N (st)
Kondensatfreiheit
400 N (st) 250 N (bt ⁄ wt ⁄ at)
Luftdichte
600 N (bt ⁄ wt ⁄ at) Verwindung durch
Schlagregendichte
Klimabelastung
Dauerfunktion
8 mm (st)
Witterungsbeständigkeit
4 mm (bt ⁄ wt ⁄ at)
Einbruchhemmung
RC 1
Weicher und schwerer Stoß RC 2
25 J (st) RC 3
50 J (bt ⁄ wt ⁄ at) RC 4
RC 5
RC 6
Längskrümmung
Gestaltungsmöglichkeit
durch Klimabelastung
Hoch
8 mm (st)
Flächenbündig
4 mm (bt ⁄ wt ⁄ at)
Haptisch
Reparaturmöglichkeit
Denkmalschutz
Querkrümmung
Türgröße
durch Klimabelastung
bis 2,5 m2
Durchgangslichte 4 mm (st)
bis 3,5 m2
h = min. 2.000 mm 2 mm (bt ⁄ wt ⁄ at)

Gut geeignet Geeignet Schwierig Nicht möglich


Vom Öffnen und Verbergen
Türen im Dorfhaus

Lageplan 25 m

Tina Mott

Das Dorfhaus von Bernardo Bader schenkt der alpinen Streusied- verbindet den Gastraum mit dem Sitzbereich auf der Terrasse, vom
lung Steinberg am Rofan wieder eine Mitte. Mit Kirche und Ge- Saal führt neben fixverglasten bodentiefen Fenstern eine weitere
meindeamt bildet der Baukörper ein lineares Ensemble und defi- Fluchttüre ins Freie.
niert einen zentralen Außenraum. Der kompakte Holzelementbau Während die Öffnungen der Frontfassade weit und licht ausgebil-
wird von einem schlichten Satteldach bedeckt, der Sichtbeton- det sind, wurden die beiden Nebeneingänge an der Rückseite des
sockel verspringt dem Geländeverlauf entsprechend. Großflächig, Gebäudes im deutlichen Gegensatz dazu konzipiert. Sie sind als
aber sparsam gesetzt, entwickeln sich die Öffnungen aus der integraler Teil der Fassade gedacht und mit der vertikalen Holz-
Struktur und richten das Gebäude zum Dorfplatz aus. Auf der Wet- schalung der Gebäudehülle übertäfert.
terseite zeigt die unbehandelte vertikale Brettschalung bereits Auch bei den Türelementen im Inneren des Bauwerks findet sich
einen feinen Silberglanz. diese Dualität der sichtbaren Holztüren und der verborgenen Ta-
Das Bauholz für das Gemeinschaftshaus stammt zu einem großen petentür. Die Zugänge, die den massiven Gebäudekern perforie-
Teil aus den Lärchenwäldern des Hochtals und konnte auch gleich ren, sind als flächenbündige, raumhohe Holztüren ausgeführt und
vom Sägewerk im Dorf verarbeitet werden. Nur für die Ausbildung kontrastieren so das samtige Grau des Sichtbetons mit ihrer ho-
der Fenster- und Türelemente wurde auf sibirische Lärche zurück- nigfarbenen Oberfläche. Dagegen verbergen sich die Öffnungen
gegriffen, weil durch ihren feinen Wuchs stabilere Holzeigenschaf- der verblendeten Wandelemente als rahmenlose Tapetentüren in
ten und ein geringerer Verzug gewährleistet werden konnten. Im der lebhaft gezeichneten Täfelung. Einzig die beiden Hauptver-
Inneren gliedert sich der leicht gestreckte Baukörper in drei klar bindungstüren vom Foyer in den Saal und in die Gaststube bilden
voneinander getrennte Bereiche. eine Ausnahme. Sie präsentieren
Der zentrale Foyertrakt ist als zwei- sich als große verglaste Durchgän-
geschossiger Sichtbetonkern ausge- ge mit Geh- und Feststellflügel, die
führt und verbindet den hangseitig eine flüssige Besucherzirkulation
gesetzten Mehrzwecksaal mit der und direkte Sichtverbindungen ge-
Gaststube der kleinen Dorfrestau- währleisten.
ration. Eine einläufige Treppe führt
zu den Toilettenanlagen und einem
Tina Mott
Technikraum im Obergeschoss.
hat Fotografie, Architektur und Kulturpu-
Die Haupterschließung des Hauses blizistik studiert und mehrere Jahre in
erfolgt vom kunstvoll gepflasterten der Schweiz als Architektin gearbeitet.
Vorplatz ins Foyer. Die zweiflügelige Sie lebt in Tirol, lehrt an der Hochschule
Glastüre wird von einem feinen Holz- Luzern und beschäftigt sich mit Text-,
rahmen gefasst und ist als Flucht- Film- und Theaterprojekten.

türe konstruiert. Sie nimmt fast die


gesamte Breite der Erschließungs-
zone ein und sitzt innenbündig. Da-
durch bildet sich ein kleiner über-
dachter Unterstand im Außenraum.
Zu beiden Seiten des Eingangsbe-
reichs schließen sich die großzügig
verglasten Öffnungen des Multi-
funktionsraums und der Gaststube
an. Eine große Hebe-Schiebetüre
aussentür in teilgeschützter Lage

Holztür
Funktion Eingangstür

9
8
Öffnungsart Drehflügeltür
Flügelanzahl Zweiflügelig

zuschnitt 68.2017
Durchgangslichte gesamt 200 x 243 cm
Durchgangslichte Gehflügel 100 x 243 cm
Türblattdicke 88 mm
Falzquerschnitt Zweifach gefälzt
Türblattkonstruktion Massivholzrahmen mit Glas
Verglasung Dreifachverglasung, esg
Türzarge Pfostenstock Massivholz in Lärche
Wärmedämmung Passivhausqualität
Sonstige Funktionen Fluchttür mit integriertem Tür-
schließer mit Schließfolgeregelung, im Stock unsichtbar
eingebaut, Sicherheitsschloss mit Mehrfachverriegelung
und Panikfunktion, elektronisches Türschloss

Standort Steinberg 29, Steinberg am Rofan⁄ A


Bauherr Gemeinde Steinberg, Steinberg am Rofan⁄ A, www.steinberg.tirol.gv.at
Planung bernardo bader architekten, Dornbirn⁄ A, www.bernardobader.com
Statik Merz Kley Partner, Dornbirn⁄ A, www.mkp-ing.com
Holzbau ⁄ Innentüren Rieder Gmbh & Co kg, Ried im Zillertal⁄ A,
www.rieder-zillertal.at
Fenster ⁄ Außentüren Tischlerei Jaud GmbH, Achenkirch⁄ A,
www.jaudachenkirch.at
Fertigstellung 2016
Multifunktionstüren Zielkonflikte bei
Planung und Ausführung

Holztür
Peter Schober

An moderne Türen werden heute sehr hohe Flucht ⁄Panik < > Einbruchhemmung

10
11
Anforderungen gestellt. In vielen Fällen müssen In einem Museum sollen beispielsweise die Außentüren einerseits von innen die
sie echte Multifunktionstalente sein. Dann müs- Fähigkeit zur Freigabe (Flucht- und Panikfunktion) besitzen, andererseits von außen

zuschnitt 68.2017
sen sie mehrere Anforderungen zugleich erfüllen eine hohe Widerstandsklasse in Bezug auf die Einbruchhemmung aufweisen.
wie leichte Bedienbarkeit, Schutz vor Rauch, Das heißt, die Tür soll von innen leicht zu öffnen sein, von außen aber gar nicht
Feuer, Einbruch. Das kann zu Zielkonflikten oder nur schwer – eigentlich ein Widerspruch in sich. Jede der beiden Anforderun-
führen. Damit die gewünschten technischen gen bedingt für sich spezielle Konstruktionselemente und Beschlagkomponenten.
Leistungskombinationen sich nicht gegenseitig Für den Planer bedeutet dies, dass nicht alle aus gestalterischer Sicht gewünschten
beeinträchtigen, bedarf es einer entsprechenden Beschlagausführungen möglich und zulässig sind. Um diese Leistungskombination
Planung und Ausführung. Um ein Bewusstsein erfüllen zu können, bedarf es für beide Funktionen Prüfungen an ein und dersel-
für diese im Grunde widersprüchlichen Anforde- ben Türkonstruktion und Ausführende mit spezifisch hohem Know-how beim Bau
rungen an die Tür zu schaffen, sind im Folgen- und der Montage der Türen.
den einige der gängigsten Zielkonflikte aufge-
listet. In solchen Fällen gilt es, die technische Barrierefreiheit < > Regendichtheit
Machbarkeit zu überprüfen und diese in Einklang Ein alter Spruch in der Branche lautet: „Barrierefreie Türen sind auch für (Regen-)
mit den Anforderungen zu bringen oder auch Wasser barrierefrei!“ Von der konstruktiven Seite gesehen sind Türen mit geringer
das Anforderungsprofil zu hinterfragen. Schwellenhöhe (≤ 3 cm) oder gar schwellenlose Türen kaum regendicht zu bekom-
men. Hier gilt es, bereits in der Planung entsprechende Vorkehrungen zu treffen,
etwa durch eine geschützte Einbaulage (Vordächer, Nischen, tiefe Leibungen
und dergleichen), einen ausreichend raschen Wasserablauf durch entsprechende
Rigolen und eine Neigung des Bodenbelags weg von der Tür.

Brandschutz < > leichtes Öffnen (in Verbindung mit Barrierefreiheit)


Feuerschutztüren müssen eine Selbstschließeinrichtung aufweisen, die in der Lage
ist, im Brandfall die Tür sicher zu schließen und geschlossen zu halten. Durch das
Temperaturgefälle vor und hinter der Tür entsteht ein Differenzdruck, der dabei zu
überbrücken ist. Entsprechend den geltenden Regelwerken darf die zulässige
Öffnungskraft für die Tür maximal 100 N betragen. Zugleich soll die Tür aber auch
von Menschen mit Behinderung oder Menschen mit eingeschränkter Mobilität leicht
bedient werden können. Ist die önorm b 1600 vereinbart, so ist eine Öffnungs-
kraft von 25 N einzuhalten. Hierzu eine Lösung zu finden, gestaltet sich schwierig,
Renovierung eines Rathauses
vor allem vor dem Hintergrund, dass oft kostengünstig gebaut werden soll. Ein
Lösungsansatz geht in Richtung automatisierte Türen, deren Herstellung jedoch
Anne Isopp
ebenfalls kostenintensiv ist.
Erfrischend unkonventionell sind
die Architekten Jan De Vylder, Inge Denkmalschutz < > Multifunktionstür
Vinck und Jo Taillieu im Zuge der Eine der herausforderndsten Aufgaben ist es, die Wünsche an moderne Multifunk-
Renovierung des Rathauses im Genter tionstüren mit denen des Denkmalschutzes in Einklang zu bringen. In einem denk-
Stadtteil Ledeberg mit der historischen malgeschützten Gebäude, aktuell z. B. bei der Sanierung des Parlaments in Wien,
Bausubstanz umgegangen: Dort wo sind Brandschutz, Flucht- und Panikfunktion sowie Einbruchhemmung zu erfüllen,
neue Decken eingezogen werden die historischen Türen zugleich aber weitestgehend zu erhalten. Hier sind wahre
mussten, haben sie neue Stützen direkt Spezialisten gefordert, und es gibt nur eine Handvoll Firmen, die in der Lage sind,
neben die alten gestellt. Für eine an- diese Aufgabe einwandfrei lösen zu können.
genehmere Handhabung haben sie in
die altehrwürdigen hohen Holzportale Geringes Gewicht < > hohe Anforderungen
Türen im herkömmlichen Format ein- Türen werden immer schwerer, und dies ist in der Regel den gestellten hohen
geschnitten. So haben sie ein Neben- Anforderungen geschuldet. Schallschutz heißt auch Masse, Einbruchhemmung
einander von Alt und Neu geschaffen, heißt auch hohes Gewicht und so weiter. Schwere Türen bedeuten aber auch hohe
Normen und Konventionen infrage Anforderungen an die Beschläge (Stichwort Dauerfunktion) und die Montage –
gestellt und dem Gebäude ihre eigene nicht zu vergessen die Belastungen für das Montagepersonal beim Transport einer
Geschichte eingeschrieben. z. B. 130 kg schweren Tür durch die Baustelle und die exakte, verzugsfreie Montage,
www.architectendvvt.com bei der alle Spaltmaße auf den Millimeter genau einzuhalten sind.

Peter Schober
Abteilungsleiter Bautechnik und Bereichsleiter Fenster der Holzforschung Austria
Von Türen, die gesehen werden wollen,
und solchen, die lieber unerkannt bleiben
Türen im Pflegeheim

Lageplan 25 m

Anne Isopp

Gerade bei alten Menschen ist das Bedürfnis nach Normalität Laut Architekt Dietger Wissounig sollten die Zimmertüren so aus-
groß. Wie man bei der Planung eines Altenheims trotz anderer sehen, wie die Bewohner es von zu Hause her kennen, zugleich
Rahmenbedingungen dennoch eine Stimmung der Vertrautheit müssen die Türen mindestens so breit sein, dass ein Bett hindurch-
und Geborgenheit schaffen kann, zeigt ein Besuch in dem von Ar- geschoben werden kann. Wissounig hat deshalb die Zimmertüren
chitekt Dietger Wissounig geplanten Pflegewohnheim Erika Horn zweiflügelig angelegt, mit einem Gehflügel und einem Stand-
in Graz-Andritz. Die Atmosphäre lebt von der großzügigen Belich- flügel: Der Gehflügel ist mit einer weißen Schichtstoffplatte belegt
tung durch die Gebäudeeinschnitte und Atrien, die Materialität, in und hebt sich deutlich von der mit Eichenfurnier verkleideten
der Holz innen wie außen dominiert, und den schön angelegten Wandnische ab. Der Standflügel, der nur vom Pflegepersonal geöff-
Gärten, die das Haus wie eine grüne Achse durchziehen. Hier in net wird, ist hingegen mit dem gleichen Holzfurnier wie die Wand-
Graz-Andritz leben die Bewohner in Wohngemeinschaften, immer nische belegt und auf den ersten Blick kaum sichtbar. Im Grunde
höchstens 15 Personen pro Einheit. ist es das altbekannte Prinzip der
Von einem zentralen Atrium aus Tapetentür, das hier neu interpre-
gelangt man wie bei einem vier- tiert wurde. Wissenschaftlich un-
blättrigen Kleeblatt zu den zweige- termauert ist das Prinzip der Farb-
schossigen Kuben, die pro Geschoss gestaltung von Türen in Häusern
jeweils eine Wohngemeinschaft be- für demente Menschen ebenfalls.
herbergen. Experten des Bauens für demente
Die Orientierung in diesen Wohn- Menschen wie die Amerikaner Victor
gruppen ist einfach: Die Zimmer sind Regnier, Benyamin Schwarz und
um einen Gemeinschaftsraum und Ruth Brent Tofle betonen unisono,
ein Atrium angeordnet. Die Türen, dass Türen in Einheiten für Men-
die für die Bewohner von Relevanz schen mit Demenz in gut sicht-
sind, heben sich dabei immer kon- baren Farben gestaltet sein sollen,
trastreich von der Wandfläche ab. wenn sie für die Bewohner nützlich
Die Türen, die hingegen für Mitar- sind. Alle anderen Türen sollen im
beiter gedacht sind oder hinter de- gleichen Farbton wie die umge-
nen sich Sonderfunktionen befin- bende Wand gehalten sein. In die-
den, sind in derselben Farbe oder sem Sinne hat Dietger Wissounig
Materialität wie die Wand. gehandelt, auch wenn er statt der
Am Beispiel der Türgestaltung zeigt Farbe unterschiedliche Materialien
sich, wie Materialität, Farbgebung verwendet. Das dient demselben
und Gestaltung den alten und teils Zweck, sorgt aber zugleich für eine
dementen Bewohnern die räumli- wohnliche Atmosphäre.
che Orientierung erleichtern können.
innentür Zimmertür
Funktion Tür zu den Bewohnerzimmern
Öffnungsart Drehflügeltür
Flügelanzahl Zweiflügelig
Durchgangslichte gesamt 120 x 200 cm
Durchgangslichte Gehflügel 85 x 200 cm
Türblattdicke 70 mm
Falzquerschnitt Einfach gefälzt, flächenbündig

Holztür
Türblattkonstruktion Vollbautür
Oberfläche Gehflügel Schichtstoff in Sanitärweiß
Oberfläche Standflügel Eichenfurnier, lackiert
Türzarge Pfostenstock Massivholz in Eiche
Schallschutz R w ≥ 36 dB

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Brandschutz EI2 30 (eg), EI2 30-C (og)
Sonstige Funktionen Türöffnungsbegrenzer, Freilauftürschließer
mit Öffnungsbegrenzer, im Türblatt integriert, Absenkdichtung

zuschnitt 68.2017

Standort Statteggerstraße 100, Graz⁄ A


Bauherr enw – Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft m.b.H, Graz⁄ A, www.wohnbaugruppe.at
Planung Dietger Wissounig Architekten, Graz⁄ A, www.wissounig.com
Statik Josef Koppelhuber, Rottenmann⁄ A, www.koppelhuber.at
Holzbau Strobl Bau – Holzbau GmbH, Weiz⁄ A, www.strobl.at
Außentüren ⁄ Fenster Tischlerei Loidhammer, Bad Ischl⁄ A, loidhammer.at
Innentüren Gleichweit Objekttischlerei GmbH, Hartberg⁄ A, www.objekttischlerei.at
Fertigstellung 2015
Im Gespräch „Das Phänomen Tür hat an
gestalterischer Bedeutung verloren“
fremde Leute zum ersten Mal kommen,
Hermann Czech und Arno Ritter diskutieren über die Tür,
probiert die Hälfte von ihnen, die Tür
ihre Funktion, Gestaltung und Bedeutung in der Architektur
verkehrt aufzumachen.
Diese Unsicherheit, in welche Richtung eine
Tür aufgeht, kann man oft beobachten.
Hermann Czech Das ist der Fall, wenn ich
zwischen einer Gestaltungsidee und einer
Nutzungsidee trenne.
Arno Ritter Früher wusste man nicht sel-
ten schon vor der Tür, was hinter ihr ist.
Heute gibt es in der Regel nur mehr einen
Typus von Tür, egal, was dahinter vorhan-
den ist – ob es das Putzkammerl oder
das Schlafzimmer ist. Das Phänomen Tür
hat eine gewisse gestalterische Bedeu-
tung verloren, denn früher gab es öfter
eine symbolische Dramaturgie von Türen.
Hermann Czech Es spielt auch eine Rolle,
was ich durch die Türe sehe, wenn sie
mak-Café in Wien mit geschlossener … … und offener Tür. (1993) offen steht. Josef Frank argumentierte,
dass eine Schlafzimmertür nicht so aufge-
hen sollte, dass man gleich das ganze
Zimmer überblicken kann. Wenn einer
Arno Ritter Im Zuge der Vorbereitung auf Hermann Czech Das lassen wir mit Ab- beim Schlafzimmer nicht anklopft und die
unser Gespräch habe ich im Internet nur sicht. Damit wir auch im hinteren Arbeits- Türe nur einen Spalt aufmacht, sieht er
Technisches, Funktionales und Normatives raum hören, wenn jemand reinkommt. sofort aufs Bett; das muss ja nicht sein.
über die Tür gefunden, über die Bedeutung Wenn wir diese Tür schmieren, dann müs- Das heißt, die Türe sollte in die andere
der Tür in der Architektur, ihre Symbolik sen wir eine Klingel einbauen. Richtung aufgehen, damit die Person im
und Proportion im Bezug zum Gebäude Bett zumindest eine Weile geschützt ist.
Arno Ritter Beim ehemaligen Lokal vom
aber gar nichts. Die Tür wird scheinbar nur
mak hast du eine eigenwillige Tür geplant. Arno Ritter Da sind wir beim Anschlag
mehr technisch und normativ gedacht.
Warum? der Tür: rechts oder links, nach innen oder
Oder siehst du das anders, Hermann?
nach außen aufgehend.
Hermann Czech Das Problem dort war,
Hermann Czech Ich sehe eine Verarmung
dass das Tor, hätte man es ganz aufge- Hermann Czech In Restaurants gibt es oft
im Einsatz von Türen. Man darf zum Beispiel
macht, bei der Stiege nicht ganz vorbeige- zur Küche hin eine Pendeltüre mit einer
keine Türen mehr unter 80 Zentimetern
gangen wäre. Deswegen habe ich unten Öffnung, damit man sehen kann, ob jemand
Breite machen, das heißt, dass auch alle
am Tor an der äußersten Ecke eine Klappe kommt. Die Öffnung ist normalerweise
Klotüren 80 Zentimeter breit sein müssen.
gemacht, die separat zu öffnen war. in Augenhöhe eines Erwachsenen, meist
Arno Ritter Du hast ja relativ viele Türen So ging das Tor am Stiegenantritt vorbei. kreisrund. Wenn aber ein Kind vor der Türe
in deinem Büro, warum eigentlich? Die Klappe ist noch immer da, aber sie steht, sieht man es nicht. Im Restaurant
wird nicht mehr geöffnet, auch die Stiege im Palais Schwarzenberg haben wir Service-
Hermann Czech Wenig Platz, aber viele
ist jetzt anders. Ursprünglich war die Tür türen zwischen Gasträumen mit Öffnun-
Türen.
zum Restaurant vom mak am Montag, gen gleich neben dem Griff gemacht.
Arno Ritter Weil jede Tür eine unter- wenn das Lokal geschlossen war, zu. Da Man sieht nicht, wer kommt, sondern bloß,
schiedliche Funktion oder Bedeutung hat? stand nichts drauf. Das heißt, wo vorher ob jemand von der anderen Seite andrückt.
ein riesiger Eingang war mit einer Stiege, Auch dabei sind Funktions- und Gestal-
Hermann Czech Ich würde das nicht mit
fand man, wenn man sich dort für Montag tungsüberlegung nicht voneinander zu
Bedeutung aufladen. Es sind sehr enge
verabredet hatte, kein Lokal. Es war weg. trennen.
Räume, in die gerade ein großer Tisch
hineingeht und rundum Sessel. Wenn Ist für Sie, Herr Czech, die Tür denn eher ein Arno Ritter Hermann, du sagst, der irre-
einer hinaus- oder hineingehen will, dann funk tionales oder ein Gestaltungselement? führendste Begriff in der Architekturtheorie
muss er sich nicht hinter irgendeinem ist die Funktion. Wie meinst du das?
Hermann Czech: Das ist nicht trennbar.
Sessel vorbeizwängen, weil ja in dem
Das Funktionale, also wie die Tür funktio- Hermann Czech Mit dem Begriff Funktion
Raum vier Türen sind, manche viel kleiner,
niert, ist ja ein Gestaltungselement. Einige verbindet man die Idee, dass die Funktion
50⁄ 180 cm zum Beispiel. Man kann überall
Architekten wollen noch immer aus jeder schon vorher da ist und man ihr folgen
zumindest aus einer Tür hinaus.
Tür eine Tapetentür machen, das heißt, muss. Die Funktion ist aber vorher nicht da,
(Die Eingangstür zum Büro von Hermann die Tür schließt bündig an und niemand genauso wenig wie die Konstruktion oder
Czech wird geöffnet. Es knarrt.) weiß mehr, wie die Tür aufgeht. In einer das Licht. Die Funktion ist erst mit dem
Wohnung lernt man es mit der Zeit, aber ausgeführten Entwurf da. Sie wird erst
Arno Ritter Deine Türen knarren, ihr
in öffentlichen Gebäuden, in die viele durch den Entwurf geschaffen.
solltet sie einmal ölen!
Eine Tür im Atelier von Hermann Czech schließt jeweils einen der Besprechungsräume und gibt den anderen zum Durchgang frei. Erfunden hat das Marcel Duchamp.

Arno Ritter Bruno Taut hat eine unglaub- und zu Zielkonflikten in den Funktionen In welche Richtung geht sie auf? Wie hoch
liche farbige Vielfalt bei den Haustüren gekommen. Und plötzlich hat sich diese ist sie und wie breit? Soll ich durchschauen
seiner Wohnbauten geschaffen. Dahinter einfache Tür zu einem komplexen Phäno- können oder nicht? Ist sie versperrbar oder
steckt, vermute ich, der Versuch der Indivi- men entwickelt. Vorher hatte ich nicht viel nicht? Das sind Überlegungen, die mit
dualisierung des Eingangs. über die Tür nachgedacht. Dann sind mir dem jeweiligen Lebenszusammenhang zu
sehr viele Redewendungen eingefallen, in tun haben. Durch das Eingehen auf diese
Hermann Czech Das ist sicher ein Weg.
denen die Tür als Bestandteil der Alltags- Fragen unterscheidet sich eine bestimmte
Mich interessiert aber noch ein anderer
sprache vorkommt. Es gibt eine sprach- Tür von selbst von anderen. Wenn sich
Aspekt der Farbe in der Architektur,
liche Vielfalt rund um die symbolische dann eine konkrete räumliche oder for-
nämlich dass sie verschwindet. Es gibt
Bedeutung und die Metaphorik der Tür. male Assoziation anbietet, kann man sie
ja Farben, die man nicht mehr als Farbe
Wenn ich mir aber heute die Architektur verfolgen, betonen – oder auch vermeiden.
registriert. Am einfachsten kann man
anschaue, sehe ich relativ pragmatische, Man kann aber, so wie ich es sehe, nicht
sich das bei einer Materialfarbe vorstellen,
einfache Systemlösungen, die hauptsäch- mit dieser Ebene beginnen. Sie zu ver-
wie beim Holz. Aber auch eine deckende
lich technischer Natur sind, aber keine nachlässigen oder auszuschließen, wäre
Pigmentfarbe kann eine so gewohnte
Lösungen, die etwas Poetisches oder freilich eine Verarmung.
Erscheinung sein, dass sie nicht mehr
Signaletisches haben. Die Türen müssen
bewusst wahrgenommen wird. Bei Fens- Arno Ritter Deswegen bist du mir auch
funktionieren, that’s it. In meiner Wahr-
tersprossen zum Beispiel gibt es Farben, als Gesprächspartner zum Phänomen Tür
nehmung ist das ein Verlust in der Aus-
die über Jahrzehnte üblich waren, so dass eingefallen. Ich finde, dass du mit Türen
einandersetzung darüber, was eine Tür ist,
man sie als Farbe nicht mehr sieht. sehr bewusst umgehst. Für dich ist die Tür
was eine Tür leisten kann – auch im Zu-
nicht nur eine Tür.
Arno, was muss eine Tür denn für dich als sammenhang mit dem Raum und seiner
Nutzer können? Dramaturgie.
Gesprächsmoderation: Anne Isopp
Arno Ritter Ursprünglich hatte ich das Hermann Czech Um wieder zu dem zu
Gefühl, dass ein Zuschnitt über Türen kommen, was deiner Meinung nach fehlt, Hermann Czech
nicht viel hergibt. Dann erzählte uns beim nämlich eine Bedeutung, muss man wieder Architekt in Wien, ungleichartiges architekto-
Editorialboard Peter Schober von der darauf eingehen, wie man die Tür benützt. nisches und planerisches Werk, zahlreiche kritische
und theoretische Publikationen zur Architektur
Holzforschung sehr viel über Türen. In der Das ist zu spezifizieren. Es geht nicht
Diskussion sind wir dann von der Psycho- darum, verschiedene Formen zu suchen, Arno Ritter
logie über die Signaletik bis hin zu den sondern die konkrete Ausbildung entsteht Leiter des aut. architektur und tirol, Kurator,
Proportionen, zur technischen Ausstattung aus konkreten Überlegungen heraus. Ausstellungsmacher und freier Kulturpublizist
Holz im Rampenlicht
Türen im Wohnbau

Lageplan 25 m

Standort Fürstenweg 49 + 49a–c, Innsbruck⁄ A


Bauherr Weinberg Bauträger und Projektentwicklungs Gmbh, Innsbruck⁄ A, www.weinberg.at;
Rieder Gmbh & Co kg, Ried im Zillertal⁄ A, www.rieder-zillertal.at
Planung wiesflecker-architekten, Innsbruck⁄ A, www.wiesflecker-architekten.com,
Michael Kritzinger Architekt, Innsbruck⁄ A, www.michaelkritzinger.at
Statik Gerhard Neuner, Rum⁄ A, www.nzt.at
Innentüren Johann Huter & Söhne, Innsbruck⁄ A, www.huter.soehne.at
Fertigstellung 2016

Esther Pirchner

Wohnbauten, sagt Johannes Wiesflecker, hätten ab einer gewis- längsfurniert sind und einen eleganten Kontrast zum sie umge-
sen Größe die Eigenschaft, dass man als Architekt städtebaulich benden Sichtbeton bilden. Besonderen Wert legten die Archi-
einen Mehrwert schaffen könne. So ist auch das Projekt am Inns- tekten darauf, dass die Türen als „Entree oder Visitenkarte der
brucker Fürstenweg 49 mit seinen knapp hundert Wohnungen, Wohnung“ Großzügigkeit ausstrahlen und sauber detailliert sind.
das Wiesflecker gemeinsam mit Michael Kritzinger umgesetzt hat, Sie entschieden sich schlußendlich gegen die Idee, die Türen raum-
ein städtebaulicher Beitrag zur Tiroler Landeshauptstadt mit ihren hoch auszuführen, erzielten die gleiche ästhetische Wirkung aber
heiß umkämpften Bauflächen. Den Architekten ging es – wie auch durch einen Kniff: Oberhalb der Türen wurden Nischen im Rohbe-
bei anderen Projekten – jedoch nicht nur um Aussage und Wirkung ton ausgespart, die mit dem gleichen Holz verkleidet sind und in
des urbanen Äußeren, sondern um eine Schichtung vom öffent- ihrem Inneren ein Licht verbergen – ein starker Akzent in dieser
lichen und halböffentlichen Raum Inszenierung der Räume und Mate-
über die Erschließungszonen bis zu rialien, der auch beim privaten Bau-
den Wohnungen. Eine besondere träger großen Anklang fand.
Rolle spielen dabei die Inszenie- Die Zufriedenheit der Auftraggeber
rung der Räume und die Wahl der ist für die Architekten umso erfreu-
Materialien, was am Fürstenweg un- licher, als über den Einsatz von
ter anderem an der Gestaltung der Holztüren aus Kostengründen an-
Türen abzulesen ist. fangs heftig diskutiert worden war.
Während die Hauseingangstüren Dass der Bauherr schließlich den
aus Metall sind – passend zu den Eichenfurniertüren gegenüber den
Metallverkleidungen der Fassade – günstigeren weiß beschichteten
und die Zimmertüren weiß be- den Vorzug gab, bestärkt die Archi-
schichtet, markierten die Archi- tekten darin, auch bei zukünftigen
tekten den Übergang vom Urbanen Wohnbauten weiterhin ungewöhn-
zum Pri vaten durch die Kombina- liche Lösungen zu suchen und um-
tion von Sicht beton und Holz. Als zusetzen.
jenes „Element, das die Wohnung
sinnlicher macht“, zeigt sich das
Esther Pirchner
Holz zuerst in den Handläufen im
freiberufliche Journalistin mit Schwer-
Stiegenhaus, „ein ganz kleines, aber punkt Kultur, Lektorin sowie Autorin für
wichtiges Detail“, wie Johannes Musikfestivals und Ausstellungen
Wiesflecker ausführt. Seinen großen
Auftritt hat das Material dann bei
den Wohnungstüren, die in Eiche
innentür Wohnungseingangstür

Holztür
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Funktion Wohnungseingangstür
Öffnungsart Drehflügeltür
Flügelanzahl Einflügelig

zuschnitt 68.2017
Durchgangslichte 90 x 210 cm
Türblattdicke 70 mm
Falzquerschnitt Zweifach gefälzt
Türblattkonstruktion Vollbautür
Oberfläche Eichenfurnier
Türzarge Pfostenstock Massivholz in Eiche
Wärmedämmung U d < 1,4 W⁄ m2K
Schallschutz R w = 42 dB
Brandschutz EI2 30C-S m (zum Stiegenhaus)
bzw. EI 30 (zum Gang)
Türen im Denkmalschutz
Neu, nachgebaut und restauriert

Holztür
19
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zuschnitt 68.2017
Franziska Leeb

„Palais“ nennen die Fabrikanten gerne jene histori- Füllungstüren nach historischem Vorbild neu ge-
sierenden Türblattmodelle, die sich dann zum Ein- macht – so sämtliche Wohnungseingangstüren –
satz empfehlen, wenn Stil bewiesen werden soll. und die Türprofile auf die Profile der Kastenfenster
Beim Umbau der beiden geschichtsträchtigen Palais abgestimmt. Nachdem Beschläge in Messing nicht
Batthyány-Strattmann und Trauttmansdorff in Wien mehr erhältlich sind, wurden industrielle Standard-
wäre damit kein Staat zu machen gewesen. Wie zahl- beschläge aus Edelstahl, die alle Anforderungen er-
reiche andere Adelspaläste sind sie Zeugen für Bau- füllen, für die historisierend ausgeführten Türen ad-
kunst und Lebensstil ihrer Entstehungszeit, deren aptiert und matt vergoldet, um auch im Detail keine
Glanz zahlreiche Umbauten zwar beeinträchtigen, groben Stilbrüche aufkommen zu lassen. Standard-
aber nicht gänzlich auszulöschen vermochten. Zu- lösungen schieden nicht nur aus denkmalpflege-
letzt war die Redaktion der Tageszeitung „Der Stan- rischen Gründen, sondern auch aus sicherheitstech-
dard“ an der Herrengasse 19 – 21 ansässig, ehe die nischen aus. Bei Durchgangshöhen von 3,5 Metern
neue Besitzerin, die Karl Wlaschek Privatstiftung, die helfen die üblichen Zulassungen für Türrohlinge
Gebäude wieder für Wohnzwecke adaptierte. Hand nicht weiter. Die gibt es nämlich bloß bis 2,6 Meter
in Hand mit einer gründlichen Bauforschung und im Höhe, weshalb hier eine Sonderzulassung durch ei-
engen Austausch mit dem Denkmalamt oblag es Ar- ne akkreditierte Brandschutzstelle vonnöten war.
chitekt Martin Mittermair, dem über die Zeiten ent- Es sei immer wünschenswert, die Dinge möglichst
standenen Wirrwarr Herr und der Qualität der ur- unverändert instand zu setzen, erklärt Peter Kopp,
sprünglichen Substanz gerecht zu werden. Auch bei der sämtliche Holzoberflächen restaurierte und die
den Türen galt es den Spagat zwischen den Zeiten so restauratorische Gesamtleitung in den Prunkräu-
zu bewerkstelligen, dass am Ende ein in sich schlüs- men der Beletage im Palais Trauttmansdorff inne-
siges Ganzes steht. Hunderte davon waren zu restau- hatte. Ähnlich wie der Architekt entwickelt auch der
rieren, zu ersetzen und neu zu integrieren. Restaurator bei solchen Bauaufgaben ein Konzept
Martin Mittermairs Strategie, mit dem Bestand in mit dem Ziel, alles zu bewahren, was möglich ist. In
Dialog zu treten und Räume zu schaffen, in denen den prächtigen ehemaligen fürstlichen Gemächern
das Gebäude in einer architektonischen Kontinuität waren die Türen aus dem 18. Jahrhundert allesamt in
weiterleben kann, die gutem Zustand erhal-
nicht bloß imitiert, ten. Die auserlesen
gilt auch für sie – bis schönen Türver klei -
ins letzte Detail. Für dungen mit auf ge-
neue Wohnungen setzten Profilleisten
bzw. Räume entwi- und Schmuckwerk sind
ckelte er schlichte, zusammen mit der
stumpf einschlagen- Wandverkleidung aus
de Plattentüren mit Holz Teil einer Ge-
nicht sichtbaren Bän- samtkonzeption. Sie
dern. Wo es die Situa- zu verändern ist aus
tion gebot, wurden denkmalpflegerischer
Sicht ein grobes Vergehen. Selbst bei Gründerzeit- arbeiten aus Eisen mit nach wie vor funktionsfähiger
bauten werden, so Peter Kopp, sämtliche Proportio- Mechanik und sichtbaren Teilen aus feuer vergolde-
nen ins Ungleichgewicht gebracht, wenn die typi- tem Messing, wurden einem Service unterzogen und
schen Doppelflügeltüren entfernt werden. einzelne fehlende Teile nachgegossen.
Bei der Befundung wurde mittels Querschliffen fest- Die Entscheidung, die Prunkräume wieder als Woh-
gestellt, zu welcher Zeit welche Beschichtung aufge- nungen zu nutzen, war aus denkmalpflegerischem
tragen wurde, und entschieden, die oberste Schicht Blick ein Segen, denn mit jenen schall- und sicher-
fachgerecht zu reinigen. Das war früher mit umwelt- heitstechnischen Anforderungen, die an öffentliche
und gesundheitsschädlichen Substanzen verbunden; Ämter oder Büros gestellt werden, wären etliche
mittlerweile trennen grüne Technologien den Schmutz Kompromisse bei der Restaurierung einhergegan-
auf unbedenkliche Weise von der Farbe. Die Verzie- gen. Bloß die Wohnungseingangstür zu den Prunk-
rungen bestehen aus einer Polimentvergoldung auf räumen wurde durch eine neue ersetzt, weil es stets
Kreidegrund, eine höchst aufwendige Technik, die in problematisch sei, neue Technik in historische Türen
vielen anderen Palais kurzerhand durch Bronzefarbe einzubringen. Prinzipiell sei es laut Restaurator
ersetzt wurde. Hier wurden sie nach allen Regeln der Kopp schon möglich, die historische Wohnungsein-
Kunst mit Echtgold restauriert. Die noch vorhandenen gangstür zu erhalten, indem man sie mit einer zwei-
originalen Kastenschlösser, großartige Kunstschlosser- ten Verbundtür aufdoppelt und in diese die neue
Technik integriert. Die alte Mechanik ist dann funk-
tionslos, aber im Original erhalten.

Franziska Leeb
geboren 1968, Architekturpublizistin, lebt in Wien

Standort Herrengasse 19 – 21, Wien⁄ A, www.palaispalais.at Literatur


Bauherr Estrella Immobilieninvest ag, Wien⁄ A
Palais Batthyány-Strattmann, Palais
Planung Mittermair Architekten, Wien⁄ A, mittermair.com
Statik Vasko+Partner Ingenieure, Wien⁄ A, www.vasko-partner.at
Trauttmansdorff
Tischler Gottfried Reßl Tischlerei GmbH, Wien⁄ A, www.ressl.at Zwei Wiener Palais, Geschichte
Holzrestaurator Kopp Restauratoren GmbH, Wien⁄ A, und Gegenwart, Gabriele Lenz,
www.holzrestaurierung.at Martin Mittermair, Stefan Oláh (Hg.),
Fertigstellung 2016 Birkhäuser, Basel 2016
Der feine Unterschied
Türen im Kindergarten

Lageplan 25 m

Hubertus Adam

Ein Holzbau inmitten von Lugano? Das mag auf den ersten Blick der Verwaltungsbereich gruppieren. Dieser kann wahlweise als
fragwürdig erscheinen. Denn Lugano, und das betrifft auch den öffentliche Durchwegung oder als gemeinsamer Spielhof fungieren.
östlich der Innenstadt gelegenen Stadtteil Cassarate, wird ge- Ein Betonsockel bildet die Grundlage für die aus Brettsperrholz
prägt durch Apartmentbauten der 1950er- bis 1990er-Jahre, und gefertigten Module. Diese sind innen lasiert und außen sowie zu
der Investorendruck hat sich in der jüngsten Zeit eher noch ver- den inneren Durchgängen und Höfen hin mit Platten aus wärme-
stärkt. Insofern mutet der Kindergarten, den das Architekturbüro behandeltem und mit feinen vertikalen Profilen versehenem Es-
Bruno Fioretti Marquez 2015 nahe dem Luganersee realisiert hat, penholz verkleidet. Entscheidend für die gesamte Logik des Ge-
auf den ersten Blick fast absurd an: eingeschossig, wo in der Nach- bäudes ist eine Fuge, die auf einer Höhe von etwas mehr als zwei
barschaft alles in die Höhe strebt, und aus Holz, obwohl in der Um- Metern das gesamte Bauwerk bestimmt: Sie trennt die oberen und
gebung Beton oder Backstein das Bauen dominieren. unteren Wandelemente und definiert eine Höhenlinie, in die sich
Doch der Holzbau fügt sich auf überzeugende Weise in die beste- alle Ein- und Ausbauelemente einfügen – nicht zuletzt die für die-
hende urbane Struktur ein: Er franst nicht pavillonartig aus, son- ses Gebäude entscheidenden Türen. Schiebetüren im Inneren er-
dern gibt sich als klare Setzung zu lauben es, die einzelnen Kindergär-
erkennen. Basis ist ein trapezoides ten zusammenzuschalten, Türen zu
Grundmodul mit schrägem Dach, den Höfen oder in den zentralen
und dieses wird so repetiert und Erschließungs- und Spielbereich er-
kombiniert, dass ein Geviert von möglichen Zu- oder Ausgänge. Die-
sieben mal acht dieser Elemente se Türen fügen sich nahtlos in die
entsteht. Nach außen, also zur Stadt Wände ein, sind mitunter gar nicht
hin, zeigt sich das Geviert geschlos- als solche zu erkennen: Lediglich
sen, obwohl die Fassade mal vor- und Schließzylinder verweisen auf sie,
mal zurücktritt, mal sich in die Höhe und wo Kinder in der Nähe sein
entwickelt und dann wieder herab- können, befinden sich die Klinken
lässt, sodass sich der vage Eindruck auf Schulterhöhe der Erwachsenen.
von kleinteiligen Giebelstrukturen
einstellt.
Hubertus Adam
Das Gebäude, das die Architekten
ist freier Architekturkritiker, Architektur-
zu Recht als „Stadt in der Stadt“ ver- historiker und Kurator. Nach Jahren als
stehen und das von außen fast her- Redakteur für Bauwelt in Berlin und archi-
metisch wirkt, entwickelt im Inneren these in Zürich leitete er von 2010 bis 2015
eine ungeahnte Vielgestaltigkeit. das s am Schweizerisches Architekturmu-
Von den potenziell 56 Modulen seum in Basel. Er veröffentlichte zahl-
reiche Bücher und ist für diverse Medien
bleiben 21 ausgespart. Sie fungie- im In- und Ausland tätig.
ren als zentraler Erschließungsbe-
reich und als Innenhöfe, um die sich
die fünf Kindergarteneinheiten und
aussentür in geschützter Lage
Funktion Eingangstür
Öffnungsart Drehflügeltür
Flügelanzahl Einflügelig
Durchgangslichte 92 x 212 cm
Türblattdicke 81 mm, mit Fassade 150 mm
Falzquerschnitt Zweifach gefälzt
Türblattkonstruktion Vollbautür

Holztür
Oberfläche Thermoholz Espe (außen),
Dreischichtplatte, lasiert (innen)
Türzarge Pfostenstock Massivholz
Wärmedämmung U d = 0,9 W⁄ mK
Sonstige Funktionen Fluchttür mit Panik-Beschlag

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zuschnitt 68.2017

Standort Via Concordia 7, Lugano⁄ CH


Bauherr Città di Lugano, Lugano⁄ CH, www.lugano.ch
Planung Bruno Fioretti Marquez Architekten, Lugano⁄ CH, Berlin⁄ D, www.bfm.berlin
Statik Borlini & Zanini sa, Lugano⁄ CH, www.borlini-zanini.ch
Holzbau ⁄Außentüren Veragouth ag, Bedano⁄ CH, www.veragouth.com
Innentüren rwd Schlatter ag, Roggwil⁄ CH, www.rwdschlatter.ch
Fertigstellung 2014
Täglich durch die bunte Tür
Wie Bruno Taut Identität stiftet

Kerstin Kuhnekath

Selten gehen Theorie und Praxis eines Architekten so überzeu- gilt: „Wir sind das Haus mit der roten Tür.“ Als Besucher möchte
gend Hand in Hand wie bei Bruno Taut. Bei einem Besuch der man sofort unterschreiben, dass das Bunte in dieser Gestalt die
Hufeisensiedlung wird schnell klar, warum das Ensemble unesco- Lebensqualität steigert. Zugleich fragt man sich, warum es heut-
Welterbe ist. Die großflächige Siedlung entstand im Berlin der zutage keine bunten Türen mehr gibt oder überhaupt so wenige
1930er Jahre, als der Zeilenbau gerade aufkam. Das riesige Areal Farbkonzepte?
in Berlin-Britz wurde damals für den sozialen Wohnungsbau in Ein Architekturbüro, das heute erfolgreich mit Farbe arbeitet, ist
zwei politische Lager aufgeteilt: Die Nationalkonservativen beauf- Sauerbruch Hutton aus Berlin. Matthias Sauerbruch sagt, es sei
tragten für die eine Seite ein konservatives Büro, die linksnahe kein Widerspruch, sowohl künstlerisch-spielerisch als auch funk-
gehag beauftragte Bruno Taut gemeinsam mit Martin Wagner, um tional-pragmatisch zu sein. Auf das richtige Maß komme es an. Er
einen modernen Baustil umzusetzen. Die Linken wollten sich bau- begründet das Weglassen von Farbe heute damit, dass sie eben
lich eindeutig abgrenzen von der Gegenseite. So entstand die „Ro- doch kein kostengünstiger Faktor sei. Ein Farbkonzept zu entwi-
te Front“ an der Fritz-Reuter-Allee als trennendes, verschlossenes ckeln, sei viel Arbeit, koste viel Zeit und am Ende daher doch mehr
Element und Gegenstück zum offenen „Hufeisen“, das Ben Busch- Geld. Während des Prozesses sei es außerdem schwer, die Farb-
feld bei der Führung als „ikonischen Ausdruck und Speerspitze des Idee zu vermitteln. Denn man müsse über Dinge sprechen, die
neuen Bauens“ bezeichnet. Der Designer engagiert sich für die noch nicht da sind. Weil Architekten die Überzeugungsarbeit
denkmalgerechte Erhaltung der Siedlung und führt regelmäßig scheuten, ließen sie es eben weiß, schwarz oder grau. Es klingt
Besucher durch das Areal, in dem er selbst seit zwanzig Jahren nachvollziehbar, dabei wäre die Hinwendung zum Subjektiven, zur
wohnt. Taut und Wagner hatten den Auftrag, die insgesamt 2.000 „Pointe“ in einer „ansonsten kühlen Welt der Architektur“, wie Bru-
Wohneinheiten kostengünstig zu bauen, was sie nur durch Stan- no Taut es in seiner Architekturlehre formuliert, eine Chance für
dardisierung erreichen konnten. Um Monotonie zu vermeiden, set- Architekten, ihrem Gestaltungswillen Ausdruck zu verleihen. „Ich
zen sie Farbe ein. Bruno Taut, der ursprünglich freier Künstler wer- glaube, Farbe macht einen riesigen Unterschied. Wenn wir nicht
den wollte, verstand es, künstlerische Prinzipien in der Architektur der Meinung wären, dass wir mit physischen Bedingungen, sprich:
anzuwenden. Durch viele kleine Variationen in der farblichen Ge- Räumen, Oberflächen und eben auch Farben, die Stimmung von
staltung der Türen erzeugte er ein vielfältiges Bild sogar an den Menschen heben und deren Lebensumstände verbessern könnten,
langen Fronten der Zeilenbauten. dann sollten wir keine Architekten
Die Genialität des anscheinend ko- sein“, sagt Matthias Sauerbruch.
stengünstigen Gestaltungsmittels
Farbe zeigt sich in der Fülle von
Kerstin Kuhnekath
Variationen, die sich durch ein ein-
geboren 1977, Tischlerlehre in Düsseldorf,
faches Prinzip ergeben: Die Fül- Architekturstudium in Köln und Valencia.
lungstüren mit sieben verschie- Arbeitet als freie Autorin und Beraterin in
denen Füllungen – mal quadratisch, Berlin.
mal rechteckig, mal opak oder
transluzent – werden mit sechs ver-
schiedenen Farbkonzepten variiert.
Das macht 42 verschiedene Varian-
ten, die ein zugleich einheitliches Literatur
und abwechslungsreiches Farbbild
Bruno Tauts Hufeisensiedlung
ergeben. Die bunten Türen sind
Ben Buschfeld (Hg.), Nicolaische Verlags-
nicht nur fröhlich, sie stiften auch buchhandlung GmbH, Berlin 2015
Identität. Denn „das Betreten und
Bruno Taut Architekturlehre
Verlassen der eigenen Wohnung
Arch+, Zeitschrift für Architektur und
durch die bunte Tür ist wie ein täg- Städtebau, Nr. 194, Oktober 2009
liches Vergewissern, wo man
wohnt“, so Ben Buschfeld. Auch für
Die Bewohner der Huf eisensiedlung müssen
Besucher und Kinder gebe die far- ihre Türen genau nach Vorgabe streichen
bige Tür Orientierung und Anhalts- lassen. Es gibt ein Archiv mit Plänen, das
punkte, wenn als Beschreibung vorgibt, wo welche Farbe hingehört.
Holztür
24
25zuschnitt 68.2017

Service
Literatur und Normen
önorm b 5330-1 Innentüren – Teil 1: Allgemeine Maße
Scale. Öffnen und Schließen önorm b 5330-3 Innentüren – Teil 3: Vollbautürblätter aus Holz und⁄ oder Holzwerkstoffen
Fenster, Türen, Tore, Loggien, Filter önorm b 5330-8 Innentüren – Teil 8: Stahlzargen für Massivwände
Alexander Reichel, Kerstin Schultz önorm b 5330-10 Innentüren – Teil 10: Stahlzargen für Ständerwandsysteme mit Gipsplatten
(Hg.), Birkhäuser, Basel 2010 önorm b 5335 Türen – Einbau und Montagen
önorm b 5337 Innentüren – Allgemeine Anforderungen
Türen und Tore, Baukonstruktionen
önorm b 5338 Einbruchhemmende Fenster, Türen und zusätzliche Abschlüsse
Band 12, Anton Pech (Hg.), Springer
önorm b 5339 Außentüren – Anforderungen – Ergänzungen zur önorm en 14351-1
Wien-New York, 2007
önorm en 14351-1 Fenster und Türen – Produktnorm, Leistungseigenschaften – Teil 1: Fenster und Außentüren
Schwellenatlas önorm en 14351-2 Fenster und Türen – Produktnorm, Leistungseigenschaften – Teil 2: Innentüren (Entwurf)
Arch+, Zeitschrift für Architektur önorm b 3850 Feuerschutzabschlüsse – Drehflügeltüren und -tore sowie Pendeltüren
und Städtebau, Nr. 191⁄ 192, önorm en 16034 Türen, Tore und Fenster – Produktnorm, Leistungseigenschaften – Feuer- und⁄ oder Rauchschutzeigenschaften
März 2009 önorm en 12519 Fenster und Türen Terminologie
Zwischen Tür und Angel Nette Redens-
arten und unfreundliche Betrachtungen

Gabriele Kaiser

Robert Musils polemischer Nachruf auf Tür und Tor


Ein höfliches Anklopfen, stilisiert und unzeitgemäß wie ein Handkuss, scheint nur noch selten angebracht.
Unsanft fällt der österreichische Schriftsteller Robert Musil mit der Tür ins Haus, als er in seinen „Unfreund-
lichen Betrachtungen“1 1928 Türen und Tore ins Reich der Vergangenheit verweist.
Während er das Türblatt, jenes „drehbare Brett“, das an einem in die Mauer eingelassenen Holzrahmen
befestigt ist, „zur Not“ noch verstehen könne (als Reminiszenz an eine Zeit, in der man noch an Türen
horchen konnte, um die Geheimnisse hinter dicken Mauern agierender Personen zu erlauschen), habe der
Türrahmen in der aseptischen Architektur der Moderne und der von ihr favorisierten Betonbauweise
jegliche Existenzberechtigung eingebüßt. Der Türrahmen aus Holz, „von nirgendwo kommend, angeklebt,
einsam, sinnlos, nur mit dem Fensterrahmen verschwistert“, friste ein technisch entbehrliches Scheindasein,
ebenso wie die Tür selbst, die in den hellhörigen Wänden heutiger Bauten ja längst kein Geheimnisträger
mehr sei. Die einzige Neuschöpfung von bemerkenswerter Originalität ist für Musil die gläserne Drehtür
des Hotels und des Warenhauses. Alle anderen Vorrichtungen zum Verschließen einer Durchgangsöffnung
erscheinen ihm als beredte Zeugen jener längst verstrichenen Epoche, in der die Tür „Eingang zu einer
Gesellschaft von Bevorzugten“ war, „die sich dem Ankömmling, je nachdem, wer er war, öffnete oder ver-
schloss, was gewöhnlich schon sein Schicksal entschied. Die Tür habe früher als Teil das Ganze des Hauses
vertreten und eine Fülle von Beziehungen zum Leben verkörpert; der Symbolreichtum alltäglicher Rituale
an der Schwelle des Hauses sei nicht zuletzt an der Vielzahl von Redensarten zu ermessen, in denen die
Tür eine Rolle spielt. Musil lässt exemplarisch einige Hausherren in Aktion treten: „Die vornehmen Leute
öffneten oder verschlossen ihre Türen, und der Bürger konnte mit ihnen außerdem ins Haus fallen. Er konnte
sie auch offen einrennen. Er konnte zwischen Tür und Angel seine Geschäfte erledigen. Konnte vor seiner
oder einer fremden Tür kehren. Er konnte jemand die Tür vor der Nase zuschlagen, konnte ihm die Tür
weisen, ja, er konnte ihn sogar bei der Tür hinauswerfen …“
Ein Blick ins Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten2 verdeutlicht die bereits in der Aufzählung Musils
anklingende Ambivalenz der Tür. Jede birgt ein Geheimnis und bei jeder steht die Frage der Aufnahme
und Abweisung auf dem Spiel, wie etwa Franz Kafkas Erzählungen und Romane düster belegen. In Rede-
wendungen, jener „Mischung von Realistik und Symbolik“, die die Sprache laut Musil nur aufbringt, „wenn
uns etwas sehr wichtig ist“, blitzt die Fülle möglicher Beziehungen momenthaft auf: Jemandem, der über-
all gern gesehen ist und der über beste Kontakte verfügt, dem stehen, so sagt man, alle Türen offen;
wer für eine Sache keine Unterstützung findet, steht vor verschlossenen Türen; wer unter Ausschluss der
Öffentlichkeit zusammentritt, verhandelt hinter verschlossener Tür; wer im Dienst einer Sache den müh-
samen Weg einschlägt, geht Klinkenputzen; doch wenn er in einer zweifelsfreien Angelegenheit die Argu-
mente unverdrossen herbetet, kann er plötzlich offene Türen einrennen. Wer nebeneinander wohnt, lebt
Tür an Tür; wer nichts besitzt, zieht, so heißt es, von Tür zu Tür. Wer sich einen Ausweg sichern will, hält
sich stets eine Hintertür offen; um einen ungebetenen Gast loszuwerden, weist man ihm die Tür. Wenn der
Besucherstrom nicht abreißt, dann gibt einer dem anderen die Tür in die Hand; der Letzte, der den Raum
verlässt, ziehe die Tür hinter sich zu. Auch an Tür und Tor versucht die Sprache ihr Glück. Die Zwillings-
formel geht auf historische Hausformen zurück, in denen es beides nebeneinander gab: die Tür für den
Menschen und das Tor für das Großvieh bzw. den Erntewagen oder die Kutsche. Wer sorglos alles hinnimmt,
was vorgebracht wird, kann einer Sache Tür und Tor öffnen, die ihm später nicht geheuer ist. Robert Musil
kommt in seinem kulturkritischen Prosastück, das die Geheimnislosigkeit der funktionalistischen Architek-
tur anhand eines drehbaren Bretts beklagt, zu dem Schluss, dass die großen Zeiten der Türen endgültig
Gabriele Kaiser
vorbei seien und damit auch die Wirkmacht der Redensarten, die sie hervorgebracht haben. Was bleibt,
freie Architekturpublizistin
und Kura torin; sind „freundliche Einbildungen, die uns mit Wehmut beschleichen, wenn wir alte Tore betrachten“1.
2010 – 16 Leiterin des
architekturforum oberöster-
reich (afo); 1 Alle Zitate aus: Robert Musil: Türen und Tore, in: Sport im Bild, Nr. 24⁄ 28.09.1928, S. 1448 – 1450. Der Text der ersten Fassung
seit 2009 Lehrauftrag an der wiederabgedruckt in: Gesammelte Werke, 2. Bd., Reinbek bei Hamburg 1978, S. 608 – 610. Überarbeitete Fassung (1936) wiederab-
Kunstuniversität Linz; gedruckt unter „Unfreundliche Betrachtungen“ in: Gesammelte Werke, 2. Bd., S. 504 – 506.
lebt und arbeitet in Wien 2 Lutz Röhrich, Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten, Herder Verlag, Bielefeld 1991.
Stillgelegte Flügeltür im Österreichischen Parlament
Holz(an)stoß Elmgreen & Dragset

Elmgreen & Dragset


Michael Elmgreen, geboren
1961 in Kopenhagen,
Dänemark
Ingar Dragset, geboren 1969
in Trondheim, Norwegen
leben und arbeiten in Berlin

Einzelausstellungen
(Auswahl)
2017 Die Zugezogenen, Museum
Haus Lange, Krefeld
2016 Van Gogh’s Ear, Public Art
Fund, New York
The Well Fair, Ullens Center
of Contemporary Art (ucca),
Peking „Plus One“ auf der Ausstellung „The Well Fair“, 2015
2015 Stigma, Massimo De Carlo,
London
Aéroport Mille Plateaux, Stefan Tasch
plateau, Samsung Museum
of Art Seoul, Seoul Das dänisch-norwegische Künstlerduo Elmgreen & Art Retrospektive ihres Schaffens der letzten zwan-
2014 ⁄ 15 Biography, Statens Museum Dragset unterwandert mit seinen Skulpturen, zig Jahre. Mit dieser begehbaren Installation the-
for Kunst, Kopenhagen
The Old World, Galerie Em-
Installationen und Performances das Alltägliche matisieren die Künstler nicht nur die strategischen
manuel Perrotin, Hongkong und uns Vertraute mit gesellschaftskritischem Witz Verflechtungen zwischen Institutionen und dem
2013 Tomorrow, Victoria and und subversivem Humor. Zu ihren bekanntesten Kunstmarkt, sondern fordern auch den Besucher
Albert Museum, London Arbeiten zählt die 2005 in der texanischen Wüste heraus, seine Sehgewohnheiten zu hinterfragen:
errichtete Prada-Boutique „Prada Marfa“. Mitten im Der Besucher befindet sich in einer Situation, in der
Gruppenausstellungen
Nirgendwo kann der Besucher durch zwei große zwar vieles an eine normale Kunstmesse erinnert,
(Auswahl)
2017 15 th Istanbul Biennial,
Schaufenster die Herbst⁄ Winterkollektion des Mode- aber nichts so ist, wie es scheint, und institutionelle
Istanbul (Kuratoren) labels sehen, ohne jedoch das Geschäft betreten zu sowie architektonische Parameter ad absurdum
ARoS Triennial, the garden – können. Die Eingangstür ist versiegelt. Das absurde geführt werden.
End of Times; Beginning of Setting von „Prada Marfa“ ist allerdings weniger als Die hier abgebildete Arbeit „Plus One“ von 2015
Times, Aarhus Konsumkritik zu verstehen, sondern setzt sich viel- ist eine Tür, auf der das Akronym vip für very impor-
2016 The Others, curated by
mehr mit dem kunsthistorischen Erbe des Minima- tant person zu lesen ist. Sie verweist auf ironisch-
Elmgreen & Dragset, König
Galerie, Berlin
lismus – in Marfa befindet sich auch die Chinati bissige Weise auf die elitären Auswüchse kommer-
Warten. Zwischen Macht und Foundation, ein dem Künstler Donald Judd gewid- zieller Kunstmessen. Mit jeweils gespiegelten
Möglichkeit, Hamburger metes Museum – und dem »White Cube« als idealty- Türschnallen links und rechts sowie den dazugehö-
Kunsthalle, Hamburg pischen Ort für zeitgenössische Kunst auseinander. rigen Scharnieren auf beiden Seiten ist es allerdings
2015 ⁄ 16 Slip of the Tongue, Punta Die kritische und ironische Hinterfragung zeitge- unmöglich, diese Tür zu öffnen – dem vip und seiner
Della Dogana, Venedig
nössischer Dogmen und deren Präsentationsformen Begleitung (Plus One) ist der Eintritt verwehrt.
Panorama, High Line Art,
New York war auch Gegenstand ihrer letzten großen Einzel- Indem Elmgreen & Dragset diese Kunstmesse,
2014 Attention Economy, Kunst- ausstellungen im Ullens Center for Contemporary auf der man nichts kaufen kann, in einem institu-
halle Wien, Wien Art (ucca) in Peking 2016. Elmgreen & Dragset tionellen Rahmen zeigen, verweisen sie auf die
côté intérieur, Kunstpavillon, konzipierten unter dem Ausstellungstitel „The Well wechselseitigen Abhängigkeiten im Kunstbetrieb
Innsbruck Fair“ eine vermeintlich kommerzielle Verkaufsmesse. zwischen Museen, Kuratoren und Sammlern (vip).
2013 Mom, am I barbarian?, 13 th
Unter Verwendung einer konventionellen Messe-
Istanbul Biennial, Istanbul
auf Zeit. Was hinter dem Putz architektur waren allerdings nicht wie üblich Arbei- Stefan Tasch
steckt, Staatliche Kunsthalle ten unterschiedlicher Künstler zu sehen, sondern Studium der Kunstgeschichte in Wien und Edinburgh,
Baden-Baden, Baden-Baden ausschließlich das Werk des Künstlerduos – eine Arbeit in verschiedenen Museen und Galerien

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