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ÖAGG

Österreichischer Arbeitskreis für Gruppentherapie und Gruppendynamik


________________________________________
ÖAGG- Akademie
Psychotherapeutisches Propädeutikum
A-1080 Wien, Lenaugasse 3
Tel.: 01/405 39 95, Fax: DW 20
Homepage: www.oeagg.at
E-Mail: propaedeutikum@oeagg.at
Wissenschaftliche Leitung: Dr. Ursula Margreiter

Konzentrative
Bewegungstherapie
(K B T)

Markus Hochgerner MMSc

Wien
22.3.2007

V 76

© Markus Hochgerner MMSc Konzentrative Bewegungstherapie (KBT) - Propädeutikum 1


ÖAKBT
Österreichischer Arbeitskreis für Konzentrative
Bewegungstherapie
Fürstenbrunnstraße 4 , 5020 Salzburg, Tel: 0664 - 911 81 79
www.kbt.at Email: info@kbt.at

Schwerpunkte des Information

• Ursprünge der Konzentrativen Bewegungstherapie (KBT)


• Ist – Stand des Verfahrens
• Anwendungsschwerpunkte
• Ein KBT – Experiment (Praxis)
• Reflexion &Theorie der Anwendung
• Fallbeispiele (Dias)
• Information zur Ausbildung

Eine Einführung zum Psychotherapieverfahren

Konzentrative Bewegungstherapie (KBT)


Kurzbeschreibung
Die Konzentrative Bewegungstherapie (KBT) ist eine psychotherapeutische Methode für
Gruppen- und Einzelpsychotherapie auf der Basis entwicklungspsychologischer und
tiefenpsychologischer Denkmodelle und wurde im Jahr 2000 als eigenständiges
Psychotherapieverfahren in Österreich anerkannt.
Ausgehend von der Theorie, dass sich Wahrnehmung aus Sinnesempfindung und Erfahrung
zusammensetzt (V. v. Weizsäcker), geht die KBT den Weg der bewussten
Körperwahrnehmung im „Hier und Jetzt“ (insbesondere Arbeit am Körperbild,
Körperliches Erleben im Umgang mit sich und anderen Menschen) – auf dem Hintergrund der
individuellen Lebens- und Lerngeschichte.
In der therapeutischen Praxis ist die Akzentuierung von sensorischer Wahrnehmung und
motorisch-emotionaler Bewegung Angelpunkt für Erfahren, Handeln und Erinnern.
Leibliches Erleben ist somit das Beziehungsfeld für individuell-eigengesetzliche,
physiologische, psychosomatische und psychische Abläufe.

Durch die konzentrative Beschäftigung mit frühen Erfahrungsebenen (einfühlend und


handelnd) werden Erinnerungen belebt, die im körperlichen Ausdruck als Haltung, Bewegung
und Verhalten erscheinen, und die bis in die vorverbale Zeit zurückreichen können. Dem
Erleben nicht mehr zugängliche Gefühle und die dahinter liegenden Konflikte können wieder
belebt, im aktuellen Beziehungsgeschehen wiederholt und verbal durchgearbeitet werden.

© Markus Hochgerner MMSc Konzentrative Bewegungstherapie (KBT) - Propädeutikum 2


Der therapeutische Prozess gestaltet sich als Beziehungsgeschehen im Sinne des
dialogischen Prinzips (M. Buber), wobei dem Körperdialog (sinnlich – emotionale Ebene)
vermehrte Bedeutung zukommt.
Die primärprozesshafte Erlebnisebene und die sekundärprozesshafte Ebene des sprachlichen
Ausdrucks bilden eine Einheit. Dem Sprechen kommt dabei folgende Bedeutung zu: Das
Erlebte wird durch Versprachlichung begrifflich erfasst und somit den Ebenen des Denkens,
der Assoziation, der Reflexion und der Kommunikation zugeführt. So wird das Sinnlich-
emotionale mit dem Sprachlich-kognitiven verbunden.

Einige Arbeitskonzepte:
Therapeutische Wirkweisen
Die durch den therapeutischen Prozess differenzierte Selbst- und Fremdwahrnehmung
ermöglicht ein Vergleichen eigener Einstellungen und eigenen Verhaltens zu verschiedenen
Zeiten, in verschiedenen Situationen, im Umgang mit verschiedenen Bezugsgruppen. Durch
vielschichtiges Erfahren, konkretes Handeln als Mittel schöpferischer Gestaltungsprozesse
und wiederholtes Erinnern (Körpergedächtnis, szenische Erinnerung) kommt es zu einer
Erweiterung, Differenzierung und damit Veränderung der Selbst- und Fremdwahrnehmung,
des Erlebens und zur Aktivierung von Ressourcen.
Fixierungen im Körperlichen, Emotionalen und Kognitiven werden erfahrbar und damit
bearbeitbar. Dies geschieht durch Auseinandersetzung mit der Körpererfahrung im Hier und
Jetzt und durch verbale Interpretation der aus bewusster und unbewusster Lebensgeschichte
aufgetauchten Inhalte. Sowohl vom Körpererleben, als auch von der verbalen Bearbeitung
ausgehend, wird Behandlung im Sinne einer Änderung von gestörten Verhaltensweisen und
Einstellungen möglich. Die möglich gewordene Neuorganisation von Selbst- und
Fremderleben und deren praktische Erprobung erschließt erweiterte Entscheidungsfähigkeiten
und schafft zusätzliche Handlungskompetenz.

Arbeitsmodell „Gestaltkreis“
Das Modell des Gestaltkreises (V. v. Weizsäcker) sieht hier in der therapeutischen
Beziehung den Patienten im Kontakt mit dem Therapeuten über zwei parallele Subkreisläufe:
Der Therapeut kann durch Prozesse von Wahrnehmen und Bewegungen („sensomotorischer
Kreislauf“) auch im direkten Körperdialog Differenzierungs- und Nachreifungsschritte
anregen. Ebenso wird im verbalen Dialog („kognitiver Kreislauf“: Denken und Sprechen)
spiegelnd, klärend, stützend oder konfrontierend im Sinne einer korrigierenden
Beziehungserfahrung interveniert. Dadurch wird unter Beachtung der Abstinenz, Übertragung
und Gegenübertragung eine verbesserte Interaktion der sinnlich-emotionalen und der
sprachlich-kognitiven Ebene, verbessertes Verstehen von Erleben und Verhalten und
Korrekturen pathologischer Objektbeziehungen möglich.

Arbeit mit Gegenständen


Ein weiteres Element der Methode ist die Arbeit mit Gegenständen unter den Aspekten:
Sinneswahrnehmung und Realerfahrung am Gegenstand / Differenzierung des Selbsterlebens
des Körpers mit Hilfe von Gegenständen / Der Gegenstand als intermediäres Objekt in der
szenischen Beziehungsgestaltung / Der Gegenstand als Symbol.

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Therapeutisches Selbstverständnis:

a) Interaktion zwischen Behandelndem und Behandeltem


Im Sinne einer begegnungsorientierten, interaktionellen therapeutischen Grundhaltung
begreift sich der Therapeut in der KBT als Begleiter des Patienten auf dessen ganz
persönlichem Weg auf der Basis zwischenmenschlicher Achtung, Wertschätzung Empathie.
(Im Folgenden steht die Formulierung „ der Therapeut“, „der Patient“ immer für beide
Geschlechter).
Die Beziehung Therapeut – Patient im bewussten und unbewussten Gestalten der
therapeutischen Situation ist ein wichtiger Wirkfaktor der Methode. Die Interaktion ist
mitbestimmt durch die tiefenpsychologischen und entwicklungspsychologischen Grundlagen
der Methode. Sie geht aus von der Anerkennung des Unbewussten als einer psychischen
Realität, der psychodynamischen Gegebenheiten von Übertragung, Gegenübertragung,
Widerstand und Abwehr. Wesentlich ist dabei, dass Leibliches die Grundlage und
Beziehungsfeld für individuell-eigengesetzliche physische, psychosomatische und psychische
Abläufe bildet.

b) Symptomlinderung und Beseitigung

Um dies zu erzielen, beachtet die Methode auf der Basis ihres theoretischen Hintergrundes die
Zusammenhänge von Biographie (Entwicklung) und Symptom und die Notwendigkeit einer
Durcharbeitung des psychophysischen Materials.
Wirkprinzipien sind insbesondere: Nachreifen der Persönlichkeit im Kognitions-
Symbolisierungs-, Abstrahierungs- und damit Trennungs- und Individuationsprozess.
Korrigierende Erfahrungen im Bereich von Basisdefiziten, Ich-Stärkung aufgrund vertiefter
Wahrnehmung (Selbst- und Fremdwahrnehmung), Aktivierung zur Problembewältigung.

c) Veränderungen von Einstellungen und Verhaltensweisen


Über Veränderung von Wahrnehmung und Bewegung kommt es zu einer
Bewusstseinsveränderung im Sinne neuer Selbst- und Fremdkonzepte, neuer Einstellungen.
Verhaltensweisen, die in Haltung und Gebärde Ausdruck finden, werden durch leibliches
Erleben und Handeln in der therapeutischen Situation bewusster (Problemaktualisierung), in
ihrer Emotionalität erlebbar und kognitiv bearbeitbar, und in weiteren Schritten, auch über
Probehandeln im geschützten Raum der therapeutischen Situation, veränderbar. Die Fähigkeit
zu wählen und zu entscheiden wird wieder gewonnen und weiterentwickelt.

d) Förderung der Reifung, Entwicklung und Gesundheit der Behandelten

Konzentrative Bewegungstherapie fördert Reifung und Entwicklung durch die unter Punkt
a) - c) genannten Wirkfaktoren. Durch vielschichtiges Erfahren, konkretes Handeln und
wiederholendes Erinnern kommt es zu einer Differenzierung und Erweiterung der Selbst- und
Fremdwahrnehmung sowie des Erlebens und zu einer Aktivierung der Ressourcen.
Dies fördert Gesundheit im Sinne größerer Belastbarkeit und im Sinne tieferer Einsicht in die
individuellen Lebensbezüge und ihrer Veränderbarkeit.

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Wirkfaktoren der KBT
1. Inter- und intraindividuelle Konflikte konstellieren sich in der Konzentrativen
Bewegungstherapie in recht kurzer Zeit in Form von Schlüsselerlebnissen.

2. Die Erlebnisqualität im konkreten Handeln und leib-seelischen Ausdruck fördern


die Erinnerung an genetisches Material.

3. Auftretende Abwehrformen wie Spaltung, Projektion, Verleugnung, Konformität


und Symptomfixierung sind im konkret Wahrnehmbaren (vom ich- syntonen zum
ich- dystonen) besonders gut zu bearbeiten.

4. Wo sich im mehr verbalen Bereich die Abwehr und der Triebwunsch mehr ich- synton
zeigen, kommt es im mehr nonverbalen oft erstmals zum ich- dystonen Erleben. Dabei
stellt sich im Nonverbalen oft die Trieb- und Affektseite erstmals dar, wo sich im
Verbalen noch die Abwehrseite darstellt.

5. Der nonverbale und insbesondere präverbale Bereich scheint mehr affektiv besetzt,
dem Unbewussten primärprozesshaft näher, unterliegt weniger der Zensur.

6. Unterschiedliche soziale Schichtzugehörigkeit zwischen Mitpatienten oder zwischen


Patienten und Therapeuten führen im präverbalen und averbalen Bereich gerade in der
Anfangsphase einer Therapie zu deutlich weniger Kommunikationsschwierigkeiten
als im verbalen Bereich.

7. Das Wiedergewinnen und die Reintegration primärprozesshaften Denkens und


Fühlens sind unabdingbar für den Gesundungsprozess verbunden.

8. Patienten mit einer ausgeprägten Körperschemastörung unterschiedlicher Genese


finden über dieses modifizierte Psychotherapieangebot oft erstmals einen Zugang zu
ihrer Störung.

Zusammenfassung
„Die Konzentrative Bewegungstherapie ist eine psychotherapeutische Methode für
Einzeltherapie und Gruppentherapie auf der Basis entwicklungspsychologischer Denkmodelle
und tiefenpsychologischer Theorien. Ausgehend von der Theorie, dass sich Wahrnehmung
zusammensetzt aus Sinnesempfindung und Erfahrung, geht die Konzentrative
Bewegungstherapie den Weg der bewussten Körperwahrnehmung im „Hier und Jetzt“ – auf
dem Hintergrund der individuellen Lebens- und Lerngeschichte. Gesunde Anteile und
Störungen werden erlebbar, in ihrer Bedeutung verstehbar und damit der
psychotherapeutischen Bearbeitung zugänglich.
Die therapeutische Arbeit entsteht im Zusammenwirken von Handeln zur körperlichen
Wahrnehmung, Interaktion und Gespräch, in dem das Erlebte ausgesprochen, seine
Bedeutung reflektiert und durch Assoziationen vertieft wird. Durch den konzentrativen
Umgang mit frühen Erfahrungsebenen (einfühlend und handelnd) werden Erinnerungen
belebt, die im körperlichen Ausdruck als Haltung, Bewegung und Verhalten erscheinen, und
die bis in die präverbale Zeit zurückreichen können. Im Umgang mit Objekten (Materialen
und Personen) wird, neben den realen Erfahrungen, ein symbolisierter Bedeutungsgehalt

© Markus Hochgerner MMSc Konzentrative Bewegungstherapie (KBT) - Propädeutikum 5


erlebbar. Die differenzierte Wahrnehmung ermöglicht ein Vergleichen eigener Einstellungen
und eigenen Verhaltens zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Situationen.
Die aktualisierten Inhalte werden so konkret erfahrbar, die Problematik wird „begreifbar“ und
kann klärend weiter bearbeitet werden. Dies kann durch Auseinandersetzung mit der
Körpererfahrung im „Hier und Jetzt“ und durch verbale Bearbeitung der aus bewusster und
unbewusster Lebensgeschichte aufgetauchten Inhalte geschehen. Beide Wege sind
Vorgangweisen der Veränderung im Sinne einer Persönlichkeitserweiterung“
Jahresprogramm des Deutschen Arbeitskreises für KBT (1995)

Literaturauswahl
Einführende Literatur:

Gräff Ch. (2000) Konzentrative Bewegungstherapie in der Praxis (3. Aufl.) Stuttgart.
Hyppokrates
Pokorny V. Hochgerner M. (2001) Konzentrative Bewegungstherapie (2. Aufl.) Wien.
Facultas
Lehrbücher:

Becker H. (2001) Konzentrative Bewegungstherapie (2. Aufl.) Gießen. Psychosozial


Schmidt E. (2006) Lehrbuch Konzentrative Bewegungstherapie. Stuttgart. Schattauer
Schmitz U. (2004) Konzentrative Bewegungstherapie zur Traumabewältigung. Göttingen
Vandenhoeck & Ruprecht
Stolze H. (2002) Die Konzentrative Bewegungstherapie (3. Aufl.) Berlin. Springer

Weitere Literatur:

Ludwig S. (2002) Elsa Gindler – von ihrem Leben und Wirken. Hamburg. Christians
Weizsäcker V. v. (1986) Der Gestaltkreis (5. Aufl.) Stuttgart. Thieme

Zeitschrift:

Konzentrative Bewegungstherapie (2007; 29. Jahrgang) Hrsg: Deutscher und Österreichischer


Arbeitskreis für Konzentrative Bewegungstherapie. (www.dakbt.de)
Anschrift: KBTzeit@ermin-heinz.de

Zum Referenten:

Markus Hochgerner MMSc; Psychotherapeut, Gesundheitspsychologe, Dipl. Sozialarbeiter.


Master of Science (MSc) / Psychotherapie & Psychosoziale Beratung (Donau Universität
Krems). Lehrtherapeut für Konzentrative Bewegungstherapie im Österreichischen und
Slowakischen Arbeitskreis für KBT, Integrative Gestalttherapie (ÖAGG) und Integrative
Therapie (ÖÄK, FPI). Fortbildung in Psychoanalyse und Systemischer Therapie.
Stellvertretender psychotherapeutischer Leiter der 3. Med. Abteilung für
Innere Medizin und Psychosomatik am Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern, Wien.
Lehrbeauftragter der Donau Universität Krems und Universität Innsbruck. Mitglied des
Psychotherapiebeirates am Bundesministerium f. Gesundheit; Vorsitzender des Ausschusses
für fachspezifische Angelegenheiten. Veröffentlichungen zu den Schwerpunkten: Diagnostik,
Psychosomatik, Strukturelle Störungen, Methodik und Technik der Psychotherapie

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