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1 Fr meine und andere Kritiken an dieser Bestimmung siehe mehr unten, Kap.
II. 3.4.
sie sind subjektiv genau dann, wenn es ein Individuum gibt, fr welches sie
gegeben sind (vgl. Nagel 1974, 436). Diese Eigenschaft mentaler Zu-
stnde, irgendwie fr ein Individuum gegeben zu sein, ist der vielbe-
schworene ,subjektive‘, ,qualitative‘ bzw. ,phnomenale‘ Erlebnisaspekt
bewusster mentaler Zustnde. Es ist auch diese Eigenschaft des Bewusst-
seins, die unter dem notorisch dehnbaren Sammelbegriff Qualia in der
analytischen Philosophie des Geistes eine eigenwillige, um nicht zu sagen
dubiose Karriere gemacht hat. Mit dem Begriff Qualia – der substanti-
vierten Pluralform des lateinischen Adjektivs quale fr ,wie beschaffen‘2 –
bezeichnet man in der Philosophie des Geistes also den qualitativen Er-
lebnisaspekt mentaler Zustnde, wobei dieser Aspekt per definitionem eine
Eigenschaft von subjektiven Bewusstseinszustnden ist.3 Sofern berhaupt
zwischen Bewusstseinszustnden und deren qualitativem Erlebnisaspekt
konzeptuell oder ontologisch unterschieden wird, meinen auch manche,
dass jede Form von Bewusstsein – also auch etwa nicht-sinnliche Be-
wusstseinszustnde, wie typischerweise die sogenannten propositionalen
Einstellungen – in einem solchen qualitativen Erlebnisgehalt fundiert oder
von diesem abhngig ist.4 Die paradigmatischen Kandidaten, die Philo-
sophen fr Qualia anfhren, sind paradoxerweise mentale Zustnde, die
man gemeinhin nicht automatisch mit der Eigenschaft des Bewusstseins
assoziieren wrde, wie etwa Farbwahrnehmungen, olfaktorische und Ge-
schmackseindrcke oder sonstige kçrperliche Empfindungen, wie
Schmerzen, Orgasmen, Juckreize etc.
2 Weniger bekannt ist, dass der Begriff Quale bereits Ende des 19. Jahrhunderts in
einer praktisch unbeachteten kleinen Schrift (die erst 1935 publiziert wurde) von
Ch. S. Peirce zur Kennzeichnung der Art und Weise bewusstseinsmßiger Gege-
benheit (einfacher und komplexer) sekundrer sinnlicher Qualitten – das sog.
„Quale-Consiousness“ – verwendet wurde, siehe Peirce 1898, 150 – 154; vgl. dazu
Flanagan 1992, 62 ff. und Kind 2008. Der Begriff taucht dann 1929 wieder in
C. I. Lewis’ einflussreichem Werk Mind and the World Order im Kontext der
phnomenalistischen Sinnesdatentheorie auf, siehe Lewis 1929, 60 f. und 124 f.
Seine argumentative Relevanz fr die anti-reduktionistische Philosophie des
Geistes erlangte der Begriff dann insbesondere durch die Arbeiten Jackson 1982
und Levine 1983. Vor diesen Arbeiten war die alternative – und auf Grund seiner
phnomenalistisch-subjektivistischen Konnotationen noch um einiges proble-
matischere – Bezeichnung ,raw feels‘ blicher; siehe etwa Rorty 1979, 24.
3 Autoren, die die Annahme unbewusster Qualia fr sinnvoll halten, sind nicht mehr
als die berhmte Ausnahme, die die Regel besttigt, wie etwa Rosenthal 1990 oder
Burge 1997.
4 Vgl. etwa Lormand 1996.
5 Eine rezentere und klarere Version seiner Theorie findet sich in Rosenthal 2002.
haben, nicht alle mentalen Zustnde eines bewussten Wesens sind jedoch
Bewusstseinszustnde (vgl. Rosenthal 1990, 729 ff.). Gemß dieser Un-
terscheidung gibt es auch zwei voneinander unabhngige Fragen, die man
bei der Erklrung der Eigenschaft des Bewusstseins stellen kann. Die eine
Frage ist hnlich jener, die bei Nagel & Co. prominent fungiert, nmlich,
was es heißt, dass Wesen Bewusstsein haben bzw. wie es fr jemanden ist,
bewusste mentale Zustnde zu haben. Die entscheidende Frage fr Ro-
senthal ist allerdings eine andere, und zwar jene, wie man den Unterschied
zwischen bewussten und nicht-bewussten mentalen Zustnden eines be-
wusstseinsbegabten Wesens (d. i. eines Wesens mit kreatrlichem Be-
wusstsein) festlegen kann. Die entscheidende Frage, die durch Antworten
auf Wie-es-ist-Fragen fr Rosenthal prinzipiell nicht beantwortet werden,
ist also, was es heißt, dass mentale Zustnde bewusst sind (wenn sie bewusst
sind) – und nicht, was es heißt, dass Wesen bewusste mentale Zustnde
haben (kçnnen) oder wie es fr Wesen (mit kreatrlichem Bewusstsein) ist,
Bewusstseinszustnde zu haben. Rosenthals These ist nun, dass man auf
diese Frage nur dann eine informative Antwort erhalten wird und mithin
nur dann eine nicht-triviale Erklrung der Eigenschaft des (Zustands-)
Bewusstseins wird liefern kçnnen, wenn man die Eigenschaft des Be-
wusstseins nicht allen mentalen Zustnden zuschreibt und/oder sie als eine
intrinsische Eigenschaft dieser Zustnde auffasst. Wenn man sie nmlich
allen mentalen Zustnden zuschriebe, so msste man trivialerweise an-
nehmen, dass ,mentaler Zustand‘ und ,Bewusstseinszustand‘ koextensive
Terme sind. Wenn sie aber koextensiv sind, schließt jede (extensionale)
Bestimmung von Bewusstsein eo ipso eine Bestimmung mentaler Zustnde
ein. Eine Erklrung dessen, was es heißt, dass mentale Zustnde bewusst
sind, kann auf diese Art und Weise nicht nicht-zirkulr erfolgen. Dass wir
normalerweise und wohl auch zu Recht die Extension des Attributs
,mental‘ durch Rekurs auf bewusste mentale Zustnde festlegen, heißt
Rosenthal zufolge nicht, dass mentale Zustnde an und fr sich bzw. dass
alle mentalen Zustnde notwendigerweise bewusst sind. Die Erklrung
wre Rosenthal zufolge auch dann uninformativ und zirkulr, wenn man –
wie einige prominente Autoren in der Philosophie des Geistes – (inten-
tionales oder phnomenales) Bewusstsein als eine intrinsische Eigenschaft
zumindest einiger mentaler Zustnde (wie etwa Erfahrungen, kçrperliche
Empfindungen etc.) auffassen wrde.6 Doch was wrde es berhaupt
6 Vgl. etwa Searle 1992, 96 ff.; Chalmers 1996, 153 f.; siehe dazu mehr unten, Kap.
I. 4. und I. 5.
die Eigenschaft eines mentalen Zustands, bewusst zu sein („a state’s being a
conscious state“), durch das Bewusstsein von einem solchen Zustand („our
being conscious of that state“) zu erklren (vgl. Rosenthal 2002, 406; 1990,
734 f.). Das positive Erklrungsmodell Rosenthals besteht im Wesentli-
chen darin, dass Wesen bewusste mentale Zustnde genau dann haben,
wenn sie mentale Zustnde haben, die sich auf mentale Zustnde beziehen.
Mentale Zustnde, die sich auf etwas beziehen oder Zustnde von/ber
etwas sind, sind sogenannte transitive (Bewusstseins-)Zustnde. Bewusste
mentale Zustnde sind demgegenber intransitiv, wenn sie kein direktes
(Bezugs-)Objekt („direct object“) haben (vgl. Rosenthal 1990, 737). Sie
haben kein Objekt, sondern lediglich, so kçnnte man sagen, eine be-
stimmte Eigenschaft, nmlich bewusst zu sein. Ein mentaler Zustand ist
diesem Modell zufolge genau dann (intransitiv) bewusst, wenn es ein
Wesen (mit einem kreatrlichen Bewusstsein) gibt, das einen transitiven
mentalen Zustand hat, der sich auf jenen Zustand bezieht. Mehr noch,
Rosenthal zufolge ist das transitive Bewusstsein von einem mentalen Zu-
stand konstitutiv dafr, dass ein mentaler Zustand (intransitiv) bewusst ist.
Die Eigenschaft eines mentalen Zustands, bewusst zu sein, besteht in nichts
anderem als darin, dass es jemanden gibt, der sich seiner (d. i. dieses
Zustands) bewusst ist (vgl. Rosenthal 1990, 739). Die Eigenschaft des
transitiven Bewusstseins, sich auf etwas zu beziehen, und die Eigenschaft
eines mentalen Zustands, bewusst zu sein, d. i. die Eigenschaft des Zu-
standsbewusstseins, sind zwei unabhngige Eigenschaften mentaler Zu-
stnde. Entsprechend ist fr Rosenthal die Erklrung dessen, was es heißt,
dass mentale Zustnde bewusste Zustnde sind, und die Erklrung dessen,
wie sich ein mentaler Zustand auf etwas bezieht bzw. einen Bewusst-
seinsinhalt hat, voneinander unabhngig (vgl. Rosenthal 2002, 407).
Transitive Zustnde selbst kçnnen, mssen aber nicht Bewusstseinszu-
stnde sein. Sie sind dann nicht bewusst, wenn sie nicht selbst von einem
transitiven Bewusstsein (das sich nmlich auf sie richtet) begleitet werden.9
Entscheidend ist, dass mentale Zustnde als solche unter keinen Um-
stnden etwas zum Objekt haben kçnnen, das heißt mentale Zustnde
selbst kçnnen nicht etwas bewusst haben, sondern eben nur (intransitiv)
bewusst sein. Etwas (transitiv) bewusst haben kçnnen nur Wesen (die
13 Der Zusatz ,dafr da ist‘, ist insofern wichtig, als nicht alles, was Informationen fr
ein System bermittelt, auch schon die Funktion hat, dies zu tun.
14 Verschiedene brauchbare allgemeine Formulierung der Reprsentationsthese bzw.
des Reprsentationalismus finden sich bei Sterelny 1990, 19 ff.; Kemmerling
1991, 48; Heckmann/Esken 1998; Willaschek 2000b, 484; 2003, 105 f. bzw. in
den kanonischen Arbeiten von J. Fodor (Fodor 1987; 1990); eine gute ber-
blickdarstellung bietet Schumacher 1997; siehe dazu auch Kap. II. 1.1. und II. 1.2.
Doch wo kommt hier Bewusstseins ins Spiel, und was, wenn ber-
haupt, unterscheidet mentale Zustnde von bewussten mentalen Zustn-
den? Fr Reprsentationalisten wie Dretske ist die Eigenschaft des Be-
wusstseins, wenig erstaunlich, nichts anderes als eine reprsentationale
Funktion. Das heißt, die Klasse der reprsentationalen (mentalen) und die
Klasse der bewussten (mentalen) Zustnde sind dem Reprsentationalis-
mus zufolge koextensiv. Die Reprsentationsthese ist dabei in einem ma-
ximalen Sinne zu verstehen, sie erstreckt sich also auf smtliche Bewusst-
seinszustnde und auf smtliche Eigenschaften dieser Zustnde, also auch auf
die sogenannten Qualia. Dretske ist diesbezglich unmissverstndlich, ja
gerade darin besteht die Pointe seines Bewusstseinsmodells (vgl. Dretske
1995, 9): „Die Reprsentationsthese identifiziert die Erfahrungsqualitten
– die Qualia – mit den Eigenschaften, mit denen die Gegenstnde re-
prsentiert werden.“ (Dretske 1995, 73) Die Funktion des Bewusstseins
besteht demnach in nichts anderem, als eben darin, etwas fr ein System,
das diese (funktionale) Eigenschaft hat, zu reprsentieren oder eben, zu
Bewusstsein zu bringen: „Bewusste mentale Zustnde sind diejenigen
Zustnde, die einem etwas zu Bewusstsein bringen“ (Dretske 1995, 121).
Was einen mentalen Zustand bewusst macht, ist also nicht, dass jemand
sich dieses Zustands bewusst ist oder bewusst wird, sondern vielmehr, dass
jemand oder etwas (ein Reprsentationssystem) etwas anderes gewahr wird
als des Zustands selbst oder dessen, was dem Zustand intern ist, gewahr
wird. Das heißt, wie Dretske explizit betont, freilich nicht, dass man seiner
eigenen Bewusstseinszustnde nicht gewahr wre, sondern lediglich, dass
Bewusstsein eben nicht darin besteht, sich seiner eigenen Zustnde, son-
dern vielmehr Eigenschaften und Tatsachen, die diesen Zustnden extern
sind, bewusst zu sein oder dieser gewahr zu werden (vgl. Dretske 1993,
431 ff.).
Neben durchgngig reprsentationalistischen Modellen des Bewusst-
seins ( la Dretske) finden sich auch Autoren, die lediglich einen kognitiven
Teilaspekt des Bewusstseins fr reprsentational halten. So unterscheidet
etwa N. Block – einer der wichtigsten Vertreter und zugleich Kritiker des
Funktionalismus in der Philosophie des Geistes15 – in einem vielzitierten
Artikel (Block 1995) zwei verschiedene Konzeptualisierungen von Be-
wusstsein, denen zwei grundlegend verschiedenen Typen von Bewusst-
seinsinstanzen entsprechen, nmlich: das phnomenale Bewusstsein und das
(nicht-phnomenale) Zugangsbewusstsein (phenomenal bzw. access-cons-
ciousness). Das Zugangsbewusstsein ist jener Bewusstseinstyp, den man
15 Vgl. Block 1978. Siehe dazu mehr unten, Kap. II. 1.2. und II. 1.3.