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Über die
Wasserversorgung und
die römischen Bäder
Die Lebensqualität in einer antiken Stadt war - wie auch in heutigen Städten - stark von den
materiellen Möglichkeiten des Einzelnen abhängig: War man reich, so konnte man in der Stadt
in einem komfortablen Haus (= domus) wohnen.1
http://www.foundation3d.com/forums/attachment.php?s=281d31f1d5ac31e6700b34d1fe9c3642&attachmentid=57781&d=1336599181 (04.08.2016).
1
ANGELA, Ein Tag S. 25 – 33.
Sainitzer 01, 2021
3
Dem Getümmel auf den Straßen Roms konnten Reiche entgehen, indem sie sich in einer
Sänfte tragen ließen, und sie hatten schließlich auch die Möglichkeit, sich immer auf ihre
Landgüter zurückzuziehen, wenn sie des Stadtlebens überdrüssig waren, oder wenn im
Sommer die Hitze in der Stadt unerträglich wurde.
So kennen wir von vielen reichen bzw. prominenten Römern deren Landgüter: Cicero hatte
ein Anwesen in Tusculum, Catull in Sirmio, Horaz in den Sabinerbergen etc. 2
Plinius (epist. 2,17) beschreibt uns sein Laurentinum, sein Anwesen auf dem Lande, im
heutigen Castel Fusano am Meer - in der Nähe von Ostia. Kleine Auszüge aus dieser
Beschreibung:
Annectitur cubiculum in hapsida9 curvatum, quod ambitum solis fenestris omnibus sequitur.
Parieti eius in bibliothecae speciem armarium insertum est, quod non legendos libros sed
lectitandos capit.
In der Folge schildert Plinius weitere Aufenthalts- und Schlafräume, sein Privatbad, seinen
Gymnastikraum, den Garten und weitere Annehmlichkeiten seines Landgutes und schließt
den Brief mit einer Einladung an den Adressaten.
War man aber ärmer, so musste man mit viel schlechteren Lebensbedingungen in der Stadt
zurechtkommen und man konnte diesen nicht einfach auf ein Landgut entfliehen: Das Leben
in den Miethäusern, sogenannten insulae, war recht unbequem, manchmal sogar gefährlich.
Oft musste man damit rechnen, dass die schlecht gebauten Häuser einstürzen, Brände
brachen sehr leicht aus.3
Reichere Leute wohnten aber auch in einer insula nicht ohne Komfort: Die unteren Stockwerke
eines solchen Miethauses waren für gut ausgestattete cenacula (= Wohnungen) reserviert –
vergleichbar mit der Beletage in unseren gründerzeitlichen Häusern.4
Je weniger an materiellen Möglichkeiten man hatte, desto weiter oben musste man in der
insula wohnen: Solche Gebäude durften bis zu 20m, unter Nero, der nach dem katastrophalen
Brand in Rom im Jahre 64 schnell viel Wohnraum für obdachlos gewordene Menschen
schaffen musste, sogar bis zu 29m hoch gebaut werden (was ca. sieben bis acht Stockwerke
bedeutet). Kaiser Trajan beschränkte die Höhe wegen zu häufiger Hauseinstürze dann auf
18m.5
2
GIEBEL, Treffpunkt Tusculum passim.
3
STÜTZER, Rom S. 206 - 208.
4
ANGELA, Ein Tag S. 91 – 97.
5
STÜTZER, Rom S. 208.
Sainitzer 01, 2021
4
Der Großteil der Bevölkerung Roms lebte in insulae: In der Spätantike wurden ca. 46 600
insulae gezählt, aber nur ca. 1800 domus.6
Zum Leben in einer insula gibt es in der Folge einige Texte. Dabei müssen wir aber im Augen
behalten, dass die Texte von Iuvenal und Martial satirische Texte sind, die Übelstände des
Alltagslebens des Durchschnittsbürgers in Rom also übertrieben bzw. überzeichnet sind: Die
Wahrheit wird aber doch sein: In einem cenaculum in einem oberen Stockwerk einer insula
lebte man unbequem, eng, gefährdet und auch laut.7
Wollte man der Stadt entfliehen, so musste man, wenn man kein Wochenendhäuschen auf
dem Lande hatte, gleich mit Sack und Pack übersiedeln.
Die dritte Satire des Dichters Iuvenal beschreibt satirisch überzeichnet den Gedankengang
eines solchen Übersiedlers: Sie gibt nämlich die Klage eines gewissen Umbricius wieder, der
die unangenehmen Lebensumstände in Rom nicht länger dulden will und beschlossen hat,
aufs Land (nach Cumae) zu ziehen. Er schildert einem Freund, warum er endlich aufs Land
ziehen will.
Decimus Iunius Iuvenalis lebte wahrscheinlich von 60 bis ca. 130 n. Chr.. Von seinem
Leben ist so gut wie nichts bekannt. Als Dichter tritt er uns in 16 hexametrischen
Satiren, in denen er oft sehr spitzzüngig über das Leben in Rom und die römische
Gesellschaft herzieht, entgegen. Wenn der Satiriker auch in vielem oft stark
überzeichnet, erhalten wir doch von Iuvenal ein anschauliches, buntes Bild des Lebens
im damaligen Rom.
Zwar ist Iuvenal erschüttert (confusus) über die Abreise seines Freunds, er möchte wohl auch
aus Rom weg - aber am Schluss bleibt er doch. Hier der Beginn der dritten Satire:
Quamvis digressu veteris confusus amici 1 sedem figere: seinen Wohnsitz fixieren
laudo tamen, vacuis quod sedem1 figere Cumis2 2 Cumis: in Cumae; der Heimat der Sybille
destinet et unum civem donare Sibyllae2. 3 vel: sogar
4 Prochyta: kleine Insel vor Misenum. Dort ist
..... Ego vel3 Prochytam4 praepono5 Suburae6; auch nur ein sehr ärmliches Leben möglich:
nam quid tam miserum, tam solum vidimus, ut non Er bezeichnet Prochyta im folgenden Vers
deterius7 credas horrere8 incendia, lapsus als miserum und solum.
5 praepono 3: vorziehen
tectorum adsiduos ac mille pericula saevae 6 Subura: der dichtest besiedelte, recht
urbis ... chaotische und sehr ärmliche Teil Roms
Iuvenal 3,1 – 9. 7 deterius credas: man es für schlechter hält
8 horreo 2 + Akk.: sich fürchten vor
6
KÖNIG, Vita Romana S. 75.
7
ANGELA, Ein Tag S. 98 – 108.
Sainitzer 01, 2021
5
Iuvenal schreibt über die Angst der Bewohner einer insula vor Hauseinstürzen:
1 Praeneste, Volsinii, Gabii und Tibur (=
Quis timet aut timuit gelida Praeneste1 ruinam heute Tivoli) waren kleinere Städte in der
aut positis2 nemorosa inter iuga Volsiniis1 aut Umgebung Roms, typisch für erholsames
simplicibus Gabiis1 aut proni3 Tiburis1 arce? Landleben.
2 positis = sitis (gelegen)
3 pronus 3: hier: hoch in den Bergen liegend
Nos urbem colimus tenui tibicine4 fultam5 4 tibicen,-inis n.: dünner Pfeiler
magna parte sui: Nam sic labentibus6 obstat 5 fulcio 4, fulsi, fultus.: stützen
6
labentibus = labibus (von labes, -is f.)
vilicus7 et, veteris rimae8 cum texit9 hiatum, 7 vilicus, -i m.: Vermieter
securos pendente10 iubet dormire ruina. 8 rimae hiatum: den klaffenden Riss
9 tego 3: hier: nur zuschmieren
Iuvenal 3, 190 - 196.
10 pendente ruina (Abl. abs.): obwohl der
Einsturz bevorsteht
tegere = „zuschmieren“: Die
Wohnungsvermieter waren, wie leider
auch heute noch oft, aus Profitgier
keineswegs daran interessiert, die
Schäden in den Häusern wirklich zu
reparieren. Es wurde nur "Kosmetik"
betrieben, auch wenn es für die
Hausbewohner dadurch oft recht
gefährlich wurde.
Grundeigentümern angewendet
wurde, um Häuser mit möglichst vielen Stockwerken mit möglichst geringem Aufwand zu
bauen, damit sie einen möglichst großen Gewinn aus ihren Häusern abschöpfen konnten. Man
benutzte beim Bauen der mehrstöckigen Mietskasernen eine Art Betonbauweise (opus
caementicium): Zwischen dünne Steinplatten füllte man eine Mischung aus Mörtel und
Bruchstein, wobei aber der Mörtel - bekanntlich ein Gemisch aus Kalk und Sand - oft mit viel
mehr Sand als Kalk zubereitet wurde, da man Kalk aus Kostengründen sparen wollte. Die
Folgen dieser Sparmaßnahmen waren oft fatal! Zuerst zeigten sich Risse in den Wänden, dann
begannen sich die Wände zu neigen. Da die nun fälligen Sanierungsmaßnahmen zu teuer
waren, begnügte man sich mit unzureichenden Abstützungen (in der obigen Iuvenalstelle vgl.
die Formulierung tibicine fultam): Der Einsturz war so trotzdem oft nicht mehr aufzuhalten.8
Der berühmte Redner, Staatsmann und Philosoph M. Tullius Cicero war selbst auch Besitzer
mehrerer insulae. In einem Brief an seinen Freund Atticus aus dem April des Jahres 44 v. Chr.
zeigt er die typisch ignorante Haltung vieler Hausbesitzer. Eiskalt rechnend erklärt er, dass der
Einsturz der Häuser (damnum) am Ende durch die Neubauten doch noch ein Gewinn (also
quaestuosum) werden sollte – keine Rede mehr von seiner an anderen Stellen so oft zur Schau
gestellten philosophischen Philanthropie. (Cic., Att. 14, 9).
8
NEUMEISTER, Rom S. 29f.
Sainitzer 01, 2021
6
Quod1 quaeris, quid arcesserim Chrysippum2: tabernae3 1 quod quaeris, quid: was das betrifft, dass
mihi duae corruerunt reliquaeque rimas4 agunt. Itaque du fragst, warum
non solum inquilini5 sed mures5 etiam migraverunt. 2 Chrysippus: ein sonst nicht näher
referam! Di immortales, quam8 mihi ista pro nihilo! Sed 6 cf. Plinius nat. hist. 8, 103 über Mäuse:
gleichgültig!
9 ratio initur: ein Plan wird gefasst
10
aedificare meint hier wohl neu bauen.
11 quaestuosus 3: gewinnbringend
Über geizige Hausbesitzer lesen wir noch öfter. So auch über den unermesslich reichen, aber
seinen Mietern gegenüber knausrigen Crassus9 - er war nicht mehr als ein gieriger
Grundstückspekulant, der von Hauseinstürzen und Bränden profitierte. In der folgenden Stelle
schildert der Autor Plutarch die Gier des Hausbesitzers Crassus (Plut., Crassus 2, 4 - 5; das
Original ist in Altgriechisch verfasst):
Da er (= Crassus) ferner die der Stadt Rom eigenen, in ihr stets anwesenden Plagegeister
bemerkte, Brände und Einstürze von Häusern infolge ihrer Größe und Schwere, so
kaufte er Sklaven, die sich auf alle Zweige des Bauhandwerks verstanden, und als er
deren über fünfhundert zusammen hatte, kaufte er die abgebrannten und die den
abgebrannten benachbarten Gebäude auf, die die Eigentümer aus Furcht und wegen
der Unsicherheit des Kommenden um einen geringen Preis hergaben, sodass der größte
Teil Roms in seine Hand kam. Aber obwohl er so viele Handwerker besaß, baute er
selbst nichts als sein eigenes Wohnhaus und pflegte zu sagen, dass die Baulustigen sich
ohne Zutun ihrer Feinde selber ruinierten.10
Hauseinstürze als eine alltägliche Sache zeigt auch in späteren Zeiten eine kurze Stelle bei
Seneca (benef. 6, 15, 7; ca. 100 Jahre nach Cicero!!). Wir erkennen hier, dass ein Hausbesitzer
nicht selbstverständlich bemüht war, Schäden zu beheben, denn ein solcher wird hier extra
lobend erwähnt.
Quantum nobis1 praestat, qui labentem domum suscipit et 1 nobis praestat: leistet einer für uns
agentem ex imo rimas insulam incredibili arte suspendit2! 2 suspendo 3: abstützen
[...] Levi3 pretio fultura4 conducitur5. 3 levi pretio: um wenig Geld
4 fultura, -ae f.: Mittel zur Abstützung
5 conduco 3: mieten
9
HESBERG, Römische Baukunst S. 195.
10
Crassus renovierte mit seinen Sklaven dann die aufgekauften Häuser sehr billig und schlug Profit aus ihnen.
Übersetzung der Stelle nach: ZIEGLER, Plutarch S. 116.
Sainitzer 01, 2021
7
http://www.skyscraperdictionary.com/wp-content/uploads/2015/07/insula_02.jpg (05.08.2016)
Zu Bränden kam es in Rom wie in anderen antiken Städten sehr häufig.11 Nicht umsonst
werden zu den größten Übel des Lebens in Städten Brände an prominenter Stelle genannt:
Cicero nennt beispielsweise als besondere Unglücksfälle tempestates, naufragia, ruinas,
incendia12 und Horaz nennt als besonders gefährlich fures, incendia, servos … fugientes13.
Das berühmteste Zeugnis über einen Brand in Rom ist wohl der Bericht des Tacitus über die
Brandkatastrophe in Rom des Jahres 64 n.Chr., die bekanntermaßen die erste
Christenverfolgung in Rom und das Ende des julisch-claudischen Kaierhauses auslöste.14
Die Gründe15 für das häufige Auftreten von Bränden in Städten der Antike waren vielfältig. Die
Häuser waren zwar vorwiegend aus diversen Steinmaterialien gebaut, leicht entzündliches
Holz und Fachwerk (opus craticium: im Prinzip verputzte Flechtwerkwände16) dienten aber für
die Errichtung der obersten Stockwerke und für alle Zwischendecken, Trennwände,
Dachstühle etc. In den Wohnungen wurden zum Kochen und Heizen offenes Feuer, zur
Beleuchtung Öllämpchen und Kerzen verwendet. Somit wird das Problem offenbar.
Der berühmte Architekt Vitruv schrieb über die Fachwerkbauweise:
11
BARRETT, Rome is burning S. 27f.
12
Cic., off. 2, 19.
13
Hor., Sat. 1, 1, 77.
14
Tac., Ann. 15, 38 – 44. Dazu ausführlich BARRETT, Rome is burning.
15
NEUMEISTER, Rom 30 - 32.
16
CECH, Technik S. 52.
Sainitzer 01, 2021
8
„Ich wollte man hätte die Fachwerkbauweise nie erfunden. Sie bringt zwar
durch die Schnelligkeit ihrer Ausführung und dadurch, dass sie auf gleicher
Grundfläche mehr Wohnraum ermöglicht, viele Vorteile, aber weit größer und
allgemein ist der fatale Nachteil, dass Fachwerk leichtentzündlich ist wie eine
Fackel.“ (Vitruv 2, 8, 20)17
Zu diesen oben aufgelisteten bautechnischen Gründen kam noch, dass es in den Städten des
Imperium Romanum organisatorisch nicht bewältigt werden konnte, eine effiziente
Feuerwehr einzurichten bzw. Brandvorsorge wirkungsvoll zu betreiben. Augustus richtete
zwar die sog. vigiles, eine Art Feuerwehr, in Rom ein, Claudius in Ostia und Pozzuoli ebenfalls
(Suet., Claudius 25,2). Es wurden Feuermauern, Höhenbeschränkungen der Häuser und
Löscheinrichtungen immer wieder gesetzlich vorgeschrieben, aber eine wirklich einheitliche
effiziente Regelung kam nie zustande.18
Es brennt! Rette sich wer kann! Auch die (noch) Ahnungslosen in den obersten Stockwerken!
Jeder ist auf sich allein gestellt:
1 nulli (Dat. poss.) erg. est
Vivendum est illic, ubi nulla incendia, nulli1 2 frivolus 3: ärmlich; frivola, -orum n.:
nocte metus. Iam poscit aquam, iam frivola2 transfert ärmliche Habe
Ucalegon3. Tabulata4 tibi iam tertia fumant: 3 Ucalegon: Name eines armen
17
Übersetzung NEUMEISTER, Rom S. 32. Dazu auch BARRETT, Rome is burning S. 40f.
18
BARRETT, Rome is burning S. 38 - 56. Über die Einrichtung einer Feuerwehr in der Provinzstadt Nikomedia
siehe Plin., epist. 10, 33 und 34.
Sainitzer 01, 2021
9
Ein erschütterndes Zeugnis über einen verheerenden Brand ist die Schilderung des Brandes in
Lyon durch Seneca (Sen., epist. 91,1 - 2):
firmitatem5 animi sui quaerat, quam videlicet ad6 ea, quae 4 amantissimus 3: sehr liebevoll zugetan
5 firmitatem animi sui: seine Fassung
timeri posse putabat, exercuit. Hoc7 vero tam inopinatum 6 ad ea, quae timeri posse putabat: für die
malum et paene inauditum non miror si sine metu fuit, Dinge, von denen er glaubte, dass man sie
cum esset sine exemplo. fürchten könne
7 Hoc vero ...: Ordne: Si vero (= aber) hoc tam
Terrarum12 quoque vix umquam tam gravis et perniciosus 10 depascor 3 (hier Deponens!): verzehren,
quantum16 ne bello quidem timeri potest, accidit. 16 quantum ... potest = etwas, das in dieser
orbe terrarum diffusa securitas sit, Lugudunum, quod 18 quaeritur: wird vermisst
Über das Leben in den Mietskasernen erfahren wir in den Gedichten Martials sehr viel
Interessantes. z.B. klagt er einmal über seine Wohnung im dritten Stock (Martial 1, 117, 1-7):
Occurris quotiens, Luperce, nobis, 1 puer: hier: Sklave (cf. Amerikanisch: boy)
2
„Vis mittam puerum1“, subinde dicis, ad Pirum: zum Haus der Birne
(Hauszeichen des Hauses, in dem Martial
„cui tradas epigrammaton libellum, wohnte; in der Regel orientierte man sich
lectum quem tibi protinus remittam?“ in Rom an diesen Hauszeichen, nicht an
Non est, quod puerum, Luperce, vexes: Hausnummern.)
3 scalis tribus: im dritten Stock (cf.
longum est, si velit ad2 Pirum venire, Ausdrucksweise v.a. in Deutschland: drei
et scalis3 habito tribus - sed altis. Treppen hoch)
Die Ausstattung der Wohnungen ließ meist zu wünschen übrig. Hier die Klage Martials über
undichte Fenster, die schlechter sind als die Fenster im Glashaus (Martial 8,14).
in qua nec Boreas6 ipse manere velit. 6 Boreas, -ae m.: Nordwind
7 crudelis = Anrede
Sic habitare iubes veterem, crudelis7, amicum? 8 arboris hospes: als Gast deiner
Arboris8 ergo tuae tutior hospes ero. Pflanzungen
Die Anonymität in den Mietshäusern war genauso groß wie in einer heutigen Großstadt,
wobei die Enge noch erheblich größer gewesen sein dürfte (Martial 1,86):
quisquam est tam prope tam proculque nobis. oder er weiter wegziehen
10 inquilinus, -i m.: Mieter, hier:
Migrandum9 est mihi longius vel illi.
Hausgenosse
Vicinus Novio vel inquilinus10
sit, si quis Novium videre non vult
Für diesen niedrigen Wohnungsstandard musste man aber hohe Mieten in Kauf nehmen.
Wenn man sich von den Attraktionen der Stadt losreißen könne, so rät Iuvenal, solle man sich
doch ein Häuschen am Lande kaufen, denn ein kleines Haus dort ist viel billiger als eine
schlechte Wohnung in Rom:
1 Die kleinen Orte Sora, Frusinone und
1
Si potes avelli circensibus, optima Sorae Fabrateria existieren noch heute in der
Umgebung Roms. Hier werden sie als
aut Fabrateriae domus aut Frusinone paratur, Beispiele für typische kleine „Kaffs“
quanti2 nunc tenebras unum conducis3 in annum. genannt.
2 quanti = Gen. pretii
3 conduco 3: mieten
Iuvenal 3, 223 - 225.
Aber nicht nur die Mieten waren in der Stadt Rom sehr hoch. Das Leben war insgesamt teuer.
Denn wollte man in der Gesellschaft der Stadt halbwegs bestehen, musste man einen
gewissen Lebenswandel pflegen - zumindest in einer etwas gehobenen gesellschaftlichen
Schicht. Iuvenal beklagt immer wieder den starken Gegensatz zwischen arm und reich, der in
Rom stark spürbar war. Besonders die hohen Lebenserhaltungskosten machten es vielen nicht
so betuchten Menschen schwer, ein sorgenfreies Leben in der Stadt führen zu können:
1
Haud facile emergunt1, quorum virtutibus obstat emergo 3: einen sozialen Aufstieg erleben;
Subj.: ii ordne: emergunt ii, quorum ....
res angusta domi2, sed Romae durior illis3 2 domi: zu Hause
cum pretio. Quid das, ut Cossum8 aliquando salutes, 8 Cossus, Veientus: Namen typischer,
Der arme Klient muss die Türhüter bestechen (omnia cum pretio), um überhaupt zu seinem
Patron zur sogenannten salutatio vorgelassen zu werden. Diese salutatio fand jeden Morgen
im Haus des Patrons statt; die Klienten mussten erscheinen, um dann von ihrem Patron
eventuelle Aufträge oder Geschäfte zugeteilt zu bekommen. Die Klienten mussten sehr früh
schon quer durch die Stadt zum Haus ihres Patrons eilen, damit sie rechtzeitig bei dessen
Erwachen anwesend sein konnten.19
19
Über diese Beschwerlichkeiten, um zur salutatio zu kommen siehe z.B. Mart., 10, 70; 9, 92; 12, 29. und
NEUMEISTER, Rom S. 49.
Sainitzer 01, 2021
12
Der Verkehr Roms war vorwiegend durch Fußgänger geprägt.20 Dazwischen Sänften, in denen
sich die, die es sich leisten konnten, durch die Straßen tragen ließen.
Lasten mussten zu Fuß transportiert werden, da jeglicher Fahrzeugverkehr unter Tags
untersagt war, außer für Transportwagen, die im Dienste öffentlicher Bauvorhaben standen.21
So muss also zwischen eiligen Fußgängern, Lastenträgern, Sänften und Schwertransporten ein
erhebliches Gedränge entstanden sein.
Dazu kam noch, dass die Straßen in Rom um Christi Geburt noch keineswegs durchgehend
gepflastert waren: Bald war man also als Fußgänger mit Schmutz und Staub bedeckt. Zu
beachten ist hierbei die lex Iulia aus dem Jahre 44 v. Chr., die bestimmte, dass Anwohner für
die Pflasterung der Fußwege, die öffentliche Hand aber 1 vehetur: er lässt sich tragen
für die der Fahrbahnen zu sorgen hätten.22 2 ora = capita hominum
3 Liburna (navis): kleines wendiges Schiff
der römischen Kriegsmarine; die
Si vocat officium, turba cedente vehetur1 Bewegung auf der Straße bekommt so auch
dives et ingenti curret super ora2 Liburna3 einen martialischen Anstrich!
4 obiter: unterdessen
atque obiter4 leget aut scribet vel dormiet intus - 5 clausa lectica fenestra (Subjekt): das
(namque facit somnum clausa5 lectica fenestra). geschlossene Fenster der Sänfte
Ante6 tamen veniet: nobis properantibus obstat 6 ante: früher (als der Fußgänger – obwohl
alter, at hic tignum11 capiti incutit, ille metretam12. 9 cubitum,-i n.: Ellenbogen
10 asser,-eris m.: Stange (einer Sänfte)
Pinguia13 crura luto, planta14 mox undique magna 11 tignum,-i n.: Pflock
calcor, et in digito clavus15 mihi militis haeret. 12 metreta,-ae f.: Tonne, Fass
13 pinguis,-e: hier: voll von; ergänze sunt
Iuvenal, 3, 239 - 248. 14 planta, -ae f.: Fuß(sohle)
15 digitus,-i m.: hier: Zehe
16 clavus,-i m.: Nagel (der Sohle eines
Militärstiefels)
20
Zu den Umweltproblemen der Stadt Rom insgesamt siehe WEEBER, Smog über Attika. S. 85 - 130.
21
NEUMEISTER, Rom S. 25 - 27.
22
NEUMEISTER, Rom S. 27.
Sainitzer 01, 2021
13
Sich in den römischen Straßen zu bewegen wurde nicht 1 institor, -oris m.: Krämer
2
nur durch den Verkehr erschwert: Auch Handwerker limen,-inis n.: Schwelle (der Geschäfte zur
Straße hin)
und Krämer, Barbiere und Fleischhauer, Köche und 3 Gemeint ist hier Domitian, der mittels eines
Unter Tags war das Leben auf den Straßen sehr turbulent. Zum Verkehr und dem
Geschäftsleben kam noch ein anderes Hindernis: Oft wurde in Gassenlokalen bzw. auf den
Gehsteigen unter den Portiken auch Unterricht (ludus = Grundschule) abgehalten, und zwar
schon ab den frühesten Morgenstunden, kurz nach dem Hahnenschrei, wodurch so manchem
Stadtbewohner sein Schlaf geraubt wurde.
Quid1 tibi nobiscum est, ludi scelerate magister, 1 quid tibi nobiscum est: was haben wir mit
invisum pueris virginibusque caput2? dir zu tun
Nondum cristati3 rupere silentia galli: 2 caput, -itis n.: hier: Geschöpf
3 crisitatus 3: mit einem Kamm versehen
murmure iam saevo verberibusque tonas. 4 incus, -cudis f.: Amboss
Tam grave percussis incudibus4 aera resultant, 5
causidicus, -i m.: Anwalt
causidicum5 medio cum faber6 aptat equo: 6 faber, -i m.: Schmied
7 mitis, -e: schwach, hier: leise
Mitior7 in magno clamor furit amphitheatro, 8 parma, -ae m.: Gladiator mit einem kleinen
vincenti parmae8 cum sua turba favet. Schild
9 vicini: wir als Nachbarn
10 leve = facile factu
Vicini9 somnum - non tota nocte - rogamus: 11 gravis, -e: beschwerlich, unangenehm
nam vigilare leve10 est, pervigilare grave11 est. 12 garrulus, -i m.: Schwätzer
War das Vorwärtskommen unter Tags schwierig, so war es in der Nacht auf den Straßen der
Stadt oft gefährlich. Es wird nicht nur alles Mögliche aus den Fenstern geworfen oder
geschüttet, auch „halbstarke“ Stänkerer trifft man oft: Hilfe erfährt man dann aber keine. (Die
folgenden Abschnitte aus: Iuvenal 3, 268 - 308)
Ebrius ac petulans, qui nullum forte cecidit1, 1 cecidit von caedere: schlagen, verhauen
dat poenas, noctem patitur2 (...) 2 patior, -i, passus sum: hier: durchleiden
3 somnum rixa facit = erst eine Rauferei
Somnum3 rixa facit.
bringt Schlaf. = Er kann erst nach einer
Rauferei einschlafen. rixa, -ae f.: Streiterei
(…) Miserae cognosce prohoemia4 rixae3 4 prohoemium,-i n.: Vorspiel
5 vapulo 1: = geschlagen werden (!)
(Si rixa est, ubi tu pulsas, ego vapulo5 tantum): 6 stat: Subjekt: der Schläger
Stat6 contra starique iubet. Parere necesse est; 7 conchis,-is f.: Bohnengericht
nam quid agas, cum te furiosus cogat et idem 8 Quis ... comedit: Welcher Schuster hat mir
fortior? "Unde venis," exclamat, "cuius aceto, dir Schnittlauch und das Maul eines
gesottetnen Hammels gegessen? (Beispiel
cuius conche7 tumes? Quis8 tecum sectile porrum für eine möglichst sinnlose und dumme
sutor et elixi vervecis labra comedit? Schimpftirade!)
9 ede: sag jetzt!
Nil mihi respondes? Aut dic aut accipe calcem! 10 consisto 1: hier: seinen Standplatz haben
Ede9, ubi consistas10: in qua te quaero proseucha11?" (als Strichjunge)
11 proseucha,-ae f.: Synagoge
irati faciunt. Libertas pauperis haec est: 14 vadimonium facere: bei Gericht anzeigen
In all dem Trubel, der die Stadt so gut wie nie ruhen ließ, stellte sich für den Römer ein großes
Problem: die Schlaflosigkeit. Auch in der Nacht kann ein armer Mensch Ruhe finden!
1
Plurimus1 hic aeger moritur vigilando (sed ipsum 2
plurimus aeger: die meisten Kranken
languor,-oris m.: Krankheit
languorem2 peperit cibus inperfectus et haerens3 3 haerens + Dat. : im Dt.: „liegenbleiben in
vicorum in flexu et stantis convicia7 mandrae8 6 in arto flexu vicorum: in den engen
Es eröffnet sich nun eine Frage: Warum denn sollten Menschen nach Rom kommen, wenn es
hier nur schrecklich zu leben wäre??
Rom bot natürlich neben der Möglichkeit, Bildung zu erlangen und in den Kunst- und
Literaturbetrieb einzusteigen, auch für den ärmeren, sog. „Mann von der Straße“, viele
Möglichkeiten wirtschaftlicher Natur, aber auch Attraktionen und Verlockungen des
Freizeitbetriebes. So schreibt Iuvenal (3, 223 – siehe oben), man könne doch aus Rom
weggehen, si potes avelli circensibus!!
Bericht über die Hoffnungen eines „Idealisten“ gibt uns Martial. Ein wahrer Kern über die
Anziehungskraft Roms liegt in diesem Text sicher, auch wenn die Hoffnungen des
Neuankömmlings gleich wieder zunichte gemacht werden (Martial, 3, 38):
Quae te causa trahit vel quae fiducia Romam, 1 in triplici foro = auf den drei Foren Roms;
Sexte? Quid aut speras aut petis inde? Refer!! für Rechtsfälle bestimmte Foren waren:
das forum Iulium, das forum Romanum
und das forum Augusti.
"Causas" inquis "agam Cicerone disertior ipso 2 Atestinus, Civis: Namen von kleinen
Mund
"Atria magna colam8." Vix tres aut quattuor ista
res aluit; pallet cetera turba fame.
In einem seiner philosophischen Briefe23 resoniert Senca während eines Besuchs des sehr
einfach eingerichteten Landhauses des Scipio Africanus24 über die üppige Lebensweise der
verwöhnten Zeitgenossen im Gegensatz zur einfachen Lebensart der Vorfahren und im
Speziellen des großen Helden der römischen Vergangenheit Scipio. Seneca nimmt dabei Bezug
auf die Sitte der Körperpflege in der früheren Gesellschaft Roms:
Quantae nunc aliqui rusticitatis damnant Scipionem, 1 latis specularibus diem admiserat: durch
quod non in caldarium suum latis1 specularibus diem große Fensterscheiben das Tageslicht …
hereinließ
admiserat, quod non in multa luce decoquebatur2 et 2 decoquor 3: sich aufwärmen
ceterum10 toti nundinis lavabantur. Hoc loco dicet Übrigen nahm man ein Vollbad (toti) an
den Markttagen (nundinae, -arum f.)
aliquis: „Liquet11 mihi inmundissimos fuisse.“ Quid12 11 liquet mihi + AcI: mit ist klar, dass
putas illos oluisse? militiam, laborem, virum. 12 Quid putas illos oluisse?: Was glaubst
Postquam munda balnea inventa sunt, spurciores13 du: Wonach haben diese gerochen?
13 spurcus 3: schmutzig (auch im
sunt. moralischen Sinn!)
Wie jede Zivilisation hatte natürlich auch die römische von Beginn an eine hygienische Kultur.
Aus der obigen Seneca-Stelle wird ersichtlich, dass es dabei sehr einfach zuging - noch keine
Rede von der hochentwickelten Badekultur späterer Zeiten.
Die Entwicklung einer luxuriöseren Badekultur geschah vor allem zuerst im privaten Bereich
und war natürlich nur wohlhabenden Römern vorbehalten. In diesem privaten Bereich
entwickelten sich ab dem letzten Jahrhundert vor Christus das Warmbad und Badeanlagen,
die aus mehreren Räumen bestanden.25
Als öffentliche Bademöglichkeit kennen wir konkret aus dem Jahr 215 v. Chr. einen „als
öffentliches Bad eingerichteten Stadtweiher“ 26 (ad Piscinam publicam27). Bis dahin hat man
vorwiegend im Tiber gebadet oder in den wenigen, wahrscheinlich ab dem 3 Jahrhundert vor
Christus entstehenden öffentlichen Badeanstalten. Diese dürften recht primitiv gewesen sein
23
Sen., epist. 86,11f. Weitere Stellen zur Körperpflege in der römischen Frühzeit bei MEUSEL, Verwaltung und
Finanzierung S. 6.
24
Der Sieger über Hannibal; gestorben 183 v. Chr.
25
MEUSEL, Verwaltung und Finanzierung S. 8f.
26
MEUSEL, Verwaltung und Finanzierung S. 12.
27
Liv. 23,32,4. Dazu BARIVIERA, Regione XII S. 378. Zur Bedeutung der Piscina Publica als Kultstätte für
Fruchtbarkeit siehe BARIVIERA, Regione XI S. 426 und 431.
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und kosteten nicht viel. Seneca sagt dazu: Pauca erant balnea nec ullo cultu exornata: Cur
enim exornaretur res quadrantaria et in usum, non in oblectamentum reperta?28
Wir wissen, dass man sich aber auch schon in der Zeit des Plautus in Badeanlagen nicht nur
reinigte, sondern auch essen und trinken konnte: In der Komödie Trinummus wird der Sklave
Stasimus gefragt, wo denn eine eben erst gewonnene Geldsumme hingekommen sei. Er
antwortet: Comessum, expotum, exunctum, elotum in balineis.29 Es wurde also „verfressen,
versoffen, für Salben ausgegeben und völlig verzehrt30 in Bädern.“
Ab der späten Republik und der frühen Kaiserzeit wurde das römische Badewesen weiter
perfektioniert und wurde zu der luxuriösen und oft auch prachtvoll ausgestatteten Badekultur
in privaten oder öffentlichen Badeanstalten. Großen Einfluss auf die technischen
Möglichkeiten und die Ausstattung mit diversen Sport- und Unterhaltungsmöglichkeiten hatte
dabei das Vorbild der Griechen.31
Dieses römische Badewesen war ein für das Alltagsleben in Städten des Imperium Romanum
der Antike dann durch Jahrhunderte typisches Element. Keine Stadt, kein Militärlager32 wollte
auf die Vorteile einer Badeanlage verzichten: „Im römischen Reich gab es keine Stadt ohne ein
Badegebäude.“33 Diese Badekultur war integrierender Bestandteil der antiken Kultur34. Die
Bedeutung des Badewesens lag nicht nur auf dem Gebiet der Hygiene, sondern hatte auch
Einfluss auf die „geistige und seelische Bildung“35 der Bevölkerung durch ausgestellte
Kunstwerke, Bibliotheken und Kulträume verschiedenster Gottheiten in den Badekomplexen.
Natürlich gewährleistete das Badewesen einen sehr hohen hygienischen Standard, womit das
Entstehen auch großer Städte erst ermöglicht wurde.36 Es war schon den Menschen in der
Antike die heilsame therapeutische Wirkung von Bädern bekannt.37
Tacitus beschreibt das Badewesen als einen typischen Teil der römischen Kultur, der von den
unterworfenen Britanniern gern angenommen wurde. Durch die Vorzüge der römischen
Zivilisation bemerken sie aber nicht, welche Gefahr von dieser Verlockung für sie ausgeht
(servitus). Vornehme Britannier beginnen sich nämlich während der römischen Okkupation an
die römische Kultur zu gewöhnen.38 Welche Aspekte nennt Tacitus (Agr. 21,2)39?
28
Sen., epist. 86, 9. quadrantarius 3: für wenig Geld zu haben. MEUSEL, Verwaltung und Finanzierung S. 12f.
29
Plaut., Trin. 406. Dazu MEUSEL, Verwaltung und Finanzierung S. 15f.
30
Das Wort elotum kommt von elavare: elotus bedeutet also wörtlich „ausgewaschen“ kann aber auch „durch
Verschwendung zugrunde gerichtet“ bedeuten. Das sich daraus ergebende, vor dem Hintergrund eines Bades
besonders passende, Wortspiel, das Geld sei „ausgewaschen bzw. vernichtet“ worden, ist auf Deutsch kaum
wiedergebbar. Vielleicht mit der Wortschöpfung „verbadet“; LUDWIG schlägt „im Bad vertan“ vor. (Antike
Komödien. Plautus – Terenz. Üs. von Walther LUDWIG, Bd. 2 (München 1966) S. 957.)
31
MEUSEL, Verwaltung und Finanzierung S. 14f.
32
Beispiel eines Militärbades: GUGL, DONEUS, Wasserversorgung.
33
HESBERG, Römische Baukunst S. 169. Zu Anlagen in Wien: Vindobona S. 64.
34
BUSCH, Versus S. 515.
35
MEUSEL, Verwaltung und Finanzierung S. 16.
36
Zur Bedeutung für die Hygiene z.B.: Vindobona S. 79.
37
GATTI, Sport S. 67.
38
BUSCH, Versus S. 516.
39
Zur Analyse dieser Stelle siehe auch BEARD, SPQR S. 530f.
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19
Auch ein Distichon auf dem Grabstein des Ti. Claudius Secundus aus dem 1. Jhdt. n. Chr.40
weist auf die wichtige Rolle hin, die das Baden im Alltag der Römer spielte:
Dabei dürfen wir aber aufgrund des leicht spöttischen Untertons nicht glauben, dass die
Römer nur dem Müßiggang der Badefreuden gefrönt haben – der (möglichst tägliche) Besuch
eines Balneums oder einer Therme war wichtiger Bestandteil im Tagesablauf der meisten
Römerinnen und Römer.41 Wir wissen, dass die großen Thermen zur Zeit Hadrians von ca.
14:00 Uhr bis zum Einbruch der Dunkelheit geöffnet waren.42
Die Abfolge der Badegänge in diesen Bädern hing von der Größe der Anlagen ab. Von kleinen
balnea mit nur einem Becken bis zu großen Thermen mit mehreren Becken verschiedener
Temperatur. Man konnte in großen, luxuriösen Anlagen warm, lauwarm und kalt baden.
Die ausgefeilte Badekultur der Antike wurde in der Spätantike im Osten des Reiches auch von
Christen weitergeführt: Wir kennen etliche Quellen, die belegen, dass es für Kleriker
bestimmte Bäder gab, oder dass Klöster mit Bädern ausgestattet wurden. Päpste traten als
Stifter von Bädern bis ins sechste Jahrhundert auf.43
Wichtigster Weiterträger der Badekultur der Antike war aber die arabisch-islamische Welt:
Das Bad im Warmwasserbereich (caldarium) muss man sich wie ein Bad in einem heutigen
türkischen Bad vorstellen.44
Im Okzident ging aufgrund geänderter Moralvorstellungen und aufgrund eines geänderten
Körpergefühls v.a. in nachkonstantinischer Zeit - besonders durch den Einfluss von asketischen
Strömungen im Christentum - viel davon verloren.45
40
CIL 6, 15258; siehe BUSCH, Versus S. 520.
41
ANGELA, Ein Tag S. 293 – 313; zu den Thermen im Tagesablauf NEUMEISTER, Rom S. 49 – 52 und S. 51f.
42
STÜTZER, Rom S. 217. Zu den Badezeiten sehr detailgenau: MEUSEL, Verwaltung und Finanzierung S. 147 – 157.
43
MEUSEL, Verwaltung und Finanzierung S. 88f.
44
BUSCH, Versus S. 23 und ebd. Anm. 42 mit Literatur zum Weiterleben der antiken Badekultur im arabisch-
islamischen Bereich.
45
BUSCH, Versus S. 26f. und S. 535 – 541.
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20
Zur Wasserversorgung
Voraussetzung für die hoch entwickelte Badekultur in Rom war die hervorragende
Wasserbautechnik der römischen Ingenieure, die es ermöglichte, dass in Rom im ersten
Jahrhundert nach Christus mit den damals existierenden neun Aquädukten täglich ungefähr
560 720 m3 frisches Wasser nach Rom gebracht werden konnten.46 Von dieser Menge wurde
ein Teil in die Anlagen der Kaiser, ein Teil in die Bäder - der tägliche Bedarf der großen Thermen
der späten Kaiserzeit wird auf ca. 750 000 m3 geschätzt47 - und immerhin noch 176 040 m3 in
die öffentlichen Brunnen gespeist. Damit hatte ein Bewohner der Stadt Rom - unter der
Annahme von 1 Million Bewohner Roms in dieser Zeit - pro Kopf und Tag ca. 176 Liter aus
öffentlicher Wasserversorgung zu Verfügung.48 Dies ist eine beeindruckende Zahl, wenn man
bedenkt, dass im Jahr 2016 jeder Bewohner Wiens ca. 130 Liter zu Verfügung hat.49
Die Bedeutung der Versorgung mit Frischwasser für die Hygiene und das relativ hohe
Gesundheitsniveau in römischen Städten und in Rom selbst darf als sehr hoch eingeschätzt
werden, Die Aquädukte waren für die römische Zivilisation so die „wichtigste Ressource, was
die Gesundheit betraf“50.
Eine hervorragende Leistung der römischen Kultur ist die äußerst geschickte und effiziente
Anlage von Wasserleitungen. Man stelle sich vor, dass die römischen Ingenieure im Stande
waren, nicht nur ertragreiche Quellen von ausreichender Wasserqualität ausfindig zu machen
und zu fassen51, sondern auch Aquädukte von bis zu fast 100 km Länge anzulegen, das
bedeutet Berge, Täler und Ebenen mit Brücken und Tunneln52 zu überwinden und dabei
konstante Gefälle von durchschnittlich 1,5 bis 3m pro km durchzuhalten. 53 Wir können die
Fähigkeiten der planenden Ingenieure und der Arbeiter, die diese beeindruckenden Bauwerke
errichteten, kaum hoch genug einschätzen: Um solche technische Hochleistungen zu
vollbringen, muss man im Stande sein, das Gelände perfekt zu vermessen und zu nivellieren,
man muss perfekte Tunnel graben können, mit Brückenbau sehr gut vertraut sein, die
richtigen Verputztechniken kennen und ein ausgeklügeltes Verteilungssystem in den
Zielstädten entwickeln können. All dies leisteten römische Ingenieure hervorragend.54
Die römische Technik hatte das von den Griechen entwickelte Wissen um Wasserbautechnik
als Grundlage. Die erste Wasserleitung in Rom wurde im Jahre 312 v. Chr. von Appius Claudius
(er ist auch der Erbauer der berühmten Via Appia) begonnen, da in dieser Zeit der Bedarf an
frischem (Trink-)Wasser in Rom nicht mehr mit Brunnen gedeckt werden konnte. In der Folge
wurden dann weitere Leitungen gebaut.
46
Die Berechnung der Wassermengen erfolgt durch Feststellten der Wasserhöhe in den Leitungen (Sinterung
an den Wänden in den Leitungen mit freiem Gerinne) und dem Gefälle: SAKL-OBERTHALER, RANSEDER, Wasser S.
17. Sehr skeptisch zu dieser Art von Berechnung und Schätzung äußert sich TÖLLE-KASTENBEIN, Wasserkultur S.
149f.: Man könne nur ungefähre Schätzungen, keine Berechnungen, anstellen.
47
MEUSEL, Verwaltung und Finanzierung S. 116.
48
CECH, Technik S. 138.
49
https://www.wien.gv.at/wienwasser/verbrauch.html (28.07.2016).
50
HARPER, Fatum S. 127.
51
CECH, Technik S. 112f.
52
Zu Wasserleitungstunneln siehe CECH, Technik S. 42 – 44.
53
Die im Jahre 1873 eröffnete erste Wiener Hochquellwasserleitung hat im Vergleich dazu ein
durchschnittliches Gefälle von 3,1m pro km. Diese Zahlen alle bei CECH, Technik S. 118.
54
Zu diesen technischen Fähigkeiten siehe CECH, Technik S. 32 und S. 111 - 144.
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21
Zum Beginn der römischen Aquädukte schreibt Frontin im ersten Jahrhundert nach Christus:
Die Verteilung des in die Städte geleiteten Wassers erfolgte in den sog. castella58: Meist gab
es drei Hauptäste, deren erster der „Sozialwasserversorgung“ diente.59 Damit waren die
öffentlichen Brunnen mit Trinkwasser versorgt, die auch bei niedrigem Wasserstand Wasser
hatten, da dieser Hauptast ganz am Grund des jeweiligen castellum abzweigte. Etwas weiter
oben zweigten die Äste für weitere öffentliche Einrichtungen (z.B.: Thermen, öffentliche Parks
und Theater) ab. Ganz am oberen Rand des castellum schließlich gingen die Privatanschlüsse
ab: So war gewährleistet, dass die öffentlichen Einrichtungen auch bei niedrigstem
Wasserstand versorgt wurden, die Privaten aber nur Wasser bekamen, wenn wirklich genug
55
SCHNEIDER, Geschichte S. 91f.
56
SAKL-OBERTHALER, RANSEDER, Wasser S. 15 - 17; Vindobona S. 47.
57
GUGL, DONEUS, Wasserversorgung; und STIGLITZ, Wasserversorgung der Zivilstadt.
58
TÖLLE-KASTENBEIN, Wasserkultur S. 143 – 48; http://www.romanaqueducts.info/castella/lijntek.htm
(28.07.2016).
59
Zur Wasserzuteilung siehe MEUSEL, Verwaltung und Finanzierung S. 120.
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22
vorhanden war.60 Es wurde so erreicht, dass beispielsweise kein Bewohner der Stadt Pompeji
mehr als 50 Meter gehen musste, um frisches Trinkwasser aus einem öffentlichen Brunnen
schöpfen zu können61 - in anderen römisches Städten verhielt es sich wohl nicht sehr anders.
Die Römer selbst waren stolz auf die großartige Ingenieurleistung, die die Errichtung der
Wasserversorgungssysteme bedeutete. Plinius der Ältere beschreibt kurz in einem Satz die
wichtigsten technischen Aspekte des Wasserleitungsbaus:
Frontin vergleicht die so nutzbringenden Wasserbauten mit anderen Weltwundern, wobei der
für die Römer so typische Sinn fürs Praktische deutlich zu spüren ist:
Tot aquarum tam multis necessariis molibus1 1 moles, -is f.: Bauwerk; aquarum moles:
pyramidas videlicet otiosas2 compares3 aut cetera wassertechnische Bauwerke
2 otiosus 3 / iners, -ertis: hier: nutzlos
inertia2 sed fama celebrata opera Graecorum. 3 compares (Konj.Pr.) + Akk + Dat.: vergleiche
60
BRÖDNER, Thermen S. 149f. Dieses gestaffelte System wird in neuerer Zeit in Zweifel gezogen: OHLIG, De Aquis
S. 35.
61
OHLIG, Wasser S. 31.
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23
https://www.jw.org/de/publikationen/zeitschriften/g201411/baukunst-roemische-aquaedukte/
Die folgende Tabelle gibt einen kleinen Überblick über die technischen Details der Aquädukte,
die nach Rom führten62:
62
COARELLI, Roma S. 36 - 41 und Urbs Roma S. 36. Eine genauere Tabelle findet sich bei TÖLLE-KASTENBEIN,
Wasserkultur S. 83: Dort sind auch die Längen der ober- bzw. unterirdischen Streckenabschnitte, die
Abzweigungen und die in Rom versorgten Bezirke genau verzeichnet.
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24
Die Aquädukte als Voraussetzung für die wunderbaren Thermen stellt Cassiodor dar.
Bemerkenswert ist hier dass dieser Autor im 6. Jhdt. nach Christus schreibt, zu einer Zeit, in
der das Ende der Zeit der Thermen schon nahe bevorsteht. Wir bemerken, dass es in den
Thermen nicht nur ums Baden ging, sondern auch um die prächtige Ausstattung:
Der Bedarf an Wasser in den großen Thermenanlagen Roms war gewaltig. Die
Caracallathermen bieten beispielsweise sehr beeindruckende Zahlen: 20 000 m3 (!) Wasser63
flossen täglich frisch durch den Aquädukt (Aqua Antoniniana – eine Abzweigung der Aqua
Marcia) ein. Dieses Frischwasser wurde je nach Bedarf erwärmt und nach kurzer Verweildauer
durch ein ausgeklügeltes Leitungssystem in die Becken geleitet – Römer badeten nur in
frischem Wasser! Es konnten bis zu 80000 m3 Wasser64 in den 18 Zisternen65 gespeichert
werden.
63
Die Zahlen zu den ungeheuren Wassermengen nach LOMBARDI, Terme di Caracalla S. 52f.
64
COARELLI, Roma S. 327f.
65
PIRANOMONTE, Caracallathermen S. 13.
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25
Abwassertechnik
In römische Städte wurde eine Menge Wasser geleitet. Wie wurde das verwendete,
verschmutzte Wasser abgeleitet? Das verbrauchte Wasser wurde teilweise in Kanälen66 (v.a.
das Wasser aus Latrinen und Thermen), die meist unter den Hauptstraßen verliefen, oder auch
offen auf den Straßen (meist das Nutzwasser der Haushalte) abgeleitet.67 Die Effizienz und
hygienische Bedeutung der Abwassertechnik der antiken Römer sind aber mit modernen
Anlagen nicht zu vergleichen und dürfen nicht zu hoch eingeschätzt werden. Die Kanalisation
Roms war effizient eher im
Ableiten von Regenwasser als in
der Entsorgung von Abwasser.
Auch die hygienische Bedeutung
der öffentlichen Toiletten war
geringer als man auf den ersten
Blick annehmen möchte. Erst
relativ spät in der römischen
Geschichte wurden die von
Wasser durchflossenen
öffentlichen Toiletten
68 Römische Latrine
eingeführt. Sickergruben und http://www.antikefan.de/staetten/deutschland/kempten/bilder/re_latrine.jpg (03.08.2016)
Nachttöpfe waren meist
eher in Benützung. Ein
Großteil der normalen
Stadtbevölkerung war „von
den Ausscheidungen der
Masse umgeben“.69
Kanaldeckel aus Wien
SAKL-OBERTHALER, RANSEDER, Wasser S. 27.
http://static.cosmiq.de/data/de/847/89/84789cc739af07ed063446d96ef86fa
c_1_orig.jpg (03.08.2016).
66
TÖLLE-KASTENBEIN, Wasserkultur S. 173f. und SAKL-OBERTHALER, RANSEDER, Wasser S. 24 - 27.
67
OHLIG, Wasser S. 42 – 47.
68
TÖLLE-KASTENBEIN, Wasserkultur S. 175. Oft wurde nur ein primitives „Plumpsklosett“ verwendet, das man in
Sickergruben entleerte. Oft wurden diese Bedürfnisse auch im „Feldgang“ erledigt, wie viele Inschriften
zeigen, die verbieten an bestimmten Stellen zu defäkieren.
69
HARPER, Fatum S. 127f. Zur immer wieder auftauchenden Frage, wie sich die Menschen nach dem Stuhlgang
gereinigt hätten, siehe als Erwähnung für einen „Klobesen“ die Stelle Sen., epist. 70, 20f. über den
Selbstmord eines verurteilten Germanen. Dort lesen wir von einem am Klosett deponierten lignum …, quod
ad emundanda obscena adhaerente spongia. Diesen Holzstab hätte sich der arme Germane in den Hals
gerammt, um der Schmach der Arena zu entgehen.
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26
Hypokausten
Ein wichtiges Element der Badekultur war die technisch sehr ausgefeilte Heiztechnik der
Römer: die sogenannte Hypokaustenheizung, von den Griechen erfunden, von den Römern
perfektioniert.70
Es wurde mit dieser Technik erreicht, dass der ganze Raum mit einem warmen Luftmantel
umgeben war: Im praefurnium wurde ein Holzfeuer71 entfacht. Die von dort ausgehende
warme Luft wurde unter den Fußboden geleitet. Der dazu notwendige Luftzug wurde mittels
der in die Wand eingelassenen tubuli (Hohlziegel Wandheizkanal) erreicht, die die Luft in
Richtung Dach ableiteten. Der Fußboden wurde so warm, dass man in den dauernd geheizten
Anlagen nicht barfuß gehen konnte, sondern Holzpantoffel verwenden musste. Man kann die
durch eine Hypokaustenheizung entstehende Wärme mit einem Kachelofen gut vergleichen.
http://www.coh-ii-raet.de/geschichte/abusina/bilder/heizung.jpg (27.07.2016)
70
BRÖDNER, Thermen S. 18 – 23 und GROSS, Hypokausten Sp. 1280.
71
Zur Beschaffung und Finanzierung der großen Holzmengen siehe MEUSEL, Verwaltung und Finanzierung S.
123f.
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27
http://www.uni-potsdam.de/u/grundschule/delfin/data/images/roemer2.jpg
In den Caracallathermen wurden für die dauernd warm gehaltene Heizung täglich
durchschnittlich 10 Tonnen Brennholz verbraucht (!) – bis zu 2000 Tonnen (!) Brennholz
konnten in den Gängen unter den Thermen gelagert werden.72
Hier wollen wir darauf hinweisen, dass die unangenehme Arbeit am sog. praefurnium von
Sklaven oder von verurteilten Verbrechern ausgeführt werden musste – siehe dazu den weiter
unten angeführten Textabschnitt über ad balnea verurteilte Verbrecher.
Wenn man in Ostia das noch gut erhaltene praefurnium in den Thermen der sieben Weisen
oder die schönen Rekonstruktionen solcher Anlagen in Carnuntum besucht, kann man sich die
schweren Arbeitsbedingungen für die Heizer in diesen Arbeitsräumen vorstellen.
Zu bemerken ist noch, dass in der Nähe öffentlicher Badeanlagen meist auch Latrinen zu
finden sind, die ja auch durch dauernden Wasserdurchfluss sauber gehalten wurden.
72
PIRANOMONTE, Caracallathermen S. 14f. Der enorme Bedarf an Brennholz für die Thermenanlagen führte in
manchen Teilen des Imperiums zu einem regelrechten Waldsterben: WEEBER, Smog über Attika S. 34f.
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29
Am Anfang des römischen Badewesens stehen die unter griechischem und orientalischem
Einfluss entwickelten, für privaten Gebrauch konzipierten oder von Privatpersonen bzw.
Gemeinden für die Öffentlichkeit betriebenen, kleineren Bäder (balnea).73 So schreibt Seneca
(epist. 86,4) über das einfache, altertümliche Privatbad des Scipio Africanus maior in dessen
Villa: ... (vidi) balneolum angustum, tenebricosum ex consuetudine antiqua.
Für die kleinen, von Privatpersonen oder von Gemeinden betriebenen öffentlich zugänglichen
balnea musste man Eintritt bezahlen – Männer wahrscheinlich weniger als Frauen, Kinder
waren frei.74 In dem Eintrittspreis war die Benützung sämtlicher Bade- und Freizeitanlagen
inkludiert.75
33 v. Chr. gab es in der Stadt Rom ca. 170 balnea, im 4. Jhd. ist in den Quellen die Rede von
ca. 850.76
Über das Einheben von Eintrittsgeldern lesen wir bei 1 loturos (PFA): die, die ins Bad wollen
2 Dasius ist der Kassier vor dem balneum;
Martial (2,52)77: Spatale ein Badegast
3 numero 1: zählen; hier im Sinne von
73
GROSS, Thermen Sp. 741 – 743.
74
MEUSEL, Verwaltung und Finanzierung S. 101 - 103
75
MEUSEL, Verwaltung und Finanzierung S. 105.
76
MEUSEL, Verwaltung und Finanzierung S. 17; HESBERG, Römische Baukunst S. 169; WEBER, Brot und Spiele S.
205.
77
BUSCH, Versus S. 493.
78
Über den weiteren erotisch-obszönen Hintergrund dieses Gedichtes BUSCH, Versus S. 494; zum
Schönheitsideal siehe ebd. S. 493, Anm. 74 und z.B. auch weiter unten Mart. 3, 72.
79
PAVOLINI, Ostia S. 123.
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30
Sogenannte Thermen des Buticosus, Ostia Antica. Man erkennt den Eingang in den Baderaum und zwei Wannen
https://www.bing.com/images/search?q=buticosus&view=detailv2&&id=1FDC4E577EC64368B60D5A1863D9712A5C9B84A7&selectedIndex=39&ccid=3soAXnGQ&simid=607986410363883124&thid=OIP.Mdeca005e71906cefc84e4a8ae28b9b36o0&ajaxhist=0 (29.07.2016)
Lesen wir Martial 2,78 über ein offensichtlich schlecht ausgerüstetes privates balneum (hier
thermae) eines gewissen Caecilianus:
In diesem Epigramm geht es offenbar darum, dass die Heizungsanlage dieses Bades nicht
ausreichend funktionierte. Ein Bad musste heiß sein – wollte man sich abkühlen, badete man
im Tiber oder in anderen freien Gewässern.
Ein Witz liegt in diesem Epigramm auch darin, dass Martial die kleine Anlage des Caecilianus
“thermae” nennt (eigentlich verwendet er sonst balneum): Das Wort Thermae wird ja vom
griechischen “thermos” (= warm) abgeleitet, womit sich aus dieser hier auffallenden
Bennenung der Badeanlage des Caecilianus eine Spitze gegen diesen ergibt.80
80
BUSCH, Versus S. 456f.
Sainitzer 01, 2021
31
Gänzlich luxuriös geht es hingegen beim neureichen Trimalchio zu: Als staunender Genießer
erlebt Enkolpius in den Satyrica des Petronius ein Bad beim reichen Trimalchio. Nach
ausgiebigem Ballspiel wird vor der cena noch ein „Badeprogramm“ im Eiltempo durchlaufen
(28, 1-5):
Aus dem Jahr 122 v. Chr. ist uns eine Episode überliefert, in der geschildert wird, wie eine
vornehme, anspruchsvolle, aber offenbar auch recht verwöhnte Dame in einem für Männer
vorgesehenen balneum einer Kleinstadt in Italien baden wollte. G. Gracchus schildert uns
dies in seiner Rede De legibus promulgatis:81
Nuper Teanum1 Sidicinum consul venit. Uxor eius 1 Teanum Sidicinum: Ein municipium in
dixit se in balneis virilibus lavari velle. Campanien
2 negotium,-i n.: Auftrag
Quaestori Sidicino M. Mario datum est negotium2, 3 exigo 3: hinaustrieben
uti balneis exigerentur3, qui4 lavabantur. 4 qui lavabantur: die gerade badeten
5 viro: ihrem Mann (= dem Konsul)
6 balneas KEIN Druckfehler: hier ist balnea
Uxor renuntiat viro5 parum cito sibi balneas6 traditas feminin nach a-Dekl.!
esse et parum lautas7 fuisse. 7 lautus 3: hier: sauber
Marius: Vestimenta detracta sunt, virgis caesus est. 11 Caleni: Bewohner von Cales (Cales ist ein
81
Zitat nach ALBRECHT, Meister S. 51.
Sainitzer 01, 2021
33
Schon sehr früh wurde es für Beamte und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens ein
willkommenes politisches Instrument, der Bevölkerung durch Stiftungen günstigen, oder
sogar freien Zutritt zu Bädern zu ermöglichen, meist für einen bestimmten Zeitraum oder
manchmal sogar für immer.82 Diese Vergünstigungen galten aber meist nur für Männer; für
Frauen ist nur ein einziges Zeugnis für freies Baden bekannt.83 Zuweilen kamen auch Sklaven
in den Genuss solcher Stiftungen.84 Das Aussprechen eines Badeverbots für einzelne oder auch
ganze Gemeinden wurde als schwere Strafe empfunden.85
Ungefähr ab der Zeitwende nahmen sich Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und dann
besonders die Kaiser immer mehr der Versorgung der Bevölkerung mit Bädern (im größeren
Rahmen nun eher thermae genannt) an. Diese wirkten als "Sponsoren" und ermöglichten
allen Bewohnern der Stadt zu äußerst geringen Eintrittspreisen den Zugang zu Thermen 86. So
war Agrippa, ein Vertrauter des Kaisers Augustus, der erste, der auf seine Kosten eine Therme
für die Öffentlichkeit erbauen ließ (erbaut 25 – 19 v.Chr.).
82
MEUSEL, Verwaltung und Finanzierung S. 106f. Es wurde nicht nur freies Baden gewährt: Augustus schenkte
dem Volk im Jahre 13 v. Chr. anlässlich seines Triumphes, in dessen Zuge auch die Ara Pacis eingeweiht wurde
(Res gestae 12,2), einen Tag Gratis-Rasuren: MEUSEL, Verwaltung und Finanzierung S. 107.
83
Agrippa lies 33 v. Chr. Männer UND Frauen für ein Jahr lang gratis baden: MEUSEL, Verwaltung und
Finanzierung S. 107 und 110.
84
MEUSEL, Verwaltung und Finanzierung S. 110.
85
MEUSEL, Verwaltung und Finanzierung S. 167f.
86
Der Stelle Iuv., sat. 6,477 können wir entnehmen, dass Männer einen quadrans (=1/4 As) zu zahlen hatten,
Frauen mussten etwas höhere Preise entrichten. Über das Einheben von Eintrittsgeldern in kleinen Anlagen
siehe oben Mart. 2,52,
Sainitzer 01, 2021
35
In der Kaiserzeit übernahmen die Herrscher die Aufgabe, die Bevölkerung mit luxuriösen
Thermen zu versorgen, sie traten als „Sponsoren“ des Badebetriebs auf und machten damit
Propaganda. Dies wurde in Rom zu einem wichtigen Politikum: Der Kaiser konnte zeigen,
wieviel er für die Bevölkerung aufwenden wollte und welchen Luxus er ihr zugestand. Dass
schon Agrippa mit der Errichtung seiner Thermen an Propaganda für Augustus dachte,
erkennen wir aus der Tatsache, dass er „seine“ Thermen, die am Marsfeld zwischen dem
heutigen Largo di Torre Argentina und dem Pantheon lagen, am Geburtstag des Kaisers
eröffnen ließ.88 Ganz deutlich lassen sich die politischen Ziele zeigen, die der Kaiser Caracalla
mit dem Bau seiner riesenhaft monumentalen Thermen im Auge hatte: Er wollte dem Volk
sein Wohlwollen nicht nur mit der Verleihung des Bürgerrechts an alle Freigeborenen im
ganzen Imperium Romanum zeigen, sondern eben auch mit der Errichtung der sehr
aufwendigen Thermenanlage in Rom.89
Anlagen wie die Caracallathermen waren nicht nur ein Bad wie wir vielleicht heute öffentliche
Bäder (z.B. Stadionbad in Wien) kennen, sondern sind mit Wellness-Anlagen zu vergleichen:
In den Caracallathermen konnten, laut antiken Angaben, bis zu 8000 Leute94 gleichzeitig
baden und die Freizeitangebote wahrnehmen.95 Die Ausdehnung der Diokletiansthermen ist
im heutigen Stadtbild noch deutlich wahrnehmbar, was uns die Dimensionen dieser größten96
der Kaiserthermen noch heute erahnen lässt.
87
CARANDINI, Roma di Augusto S. 295 - 298.
88
CARANDINI, Roma di Augusto S. 295.
89
Caracalla S. 24 und 44.
90
Über die Sportmöglichkeiten in der palaestra und über die dort betriebenen Ballsportarten siehe WEBER, Brot
und Spiele S. 225 - 227. Sport in den Bädern behandelt auch WEILER, Sport S. 261 - 265 (Wassersport) und S.
265 - 268 (Ballspiele). Neuerer dazu: GATTI, Sport S. 67 – 73.
91
WEBER, Brot und Spiele S.228-230.
92
Zur Raumeinteilung siehe bes. BRÖDNER, Thermen S.94-118. und GROSS, Thermen S.741.
93
BARIVIERA, Regione XII S. 382; PIRANOMONTE, Caracallathermen S. 29 - 36;
94
BARIVIERA, Regione XII S. 382.
95
STÜTZER, Rom S. 217f.
96
TAGLIAMONTE, Terme di Diocleziano S. 8.
Sainitzer 01, 2021
36
Wichtig festzuhalten ist, dass die großen Kaiserthermen in Rom völlig axialsymmetrisch gebaut
sind. Man konnte entlang der Mittelachse dieser Anlagen einen Badegang von Warmwasser
(caldarium) über das lauwarme Wasser (tepidarium) bis zum Kaltwasser (frigidarium) und in
die Schwimmhalle (natatio) durchlaufen97. Rund um diese zentralen Baderäume lagen der
Park, die Palaestren, die Biliotheken etc.
Denken wir an den Luxus der Thermen, so müssen wir auch bedenken, dass zur
Aufrechterhaltung des luxuriösen Badebetriebs in den Thermen – insbesondere in den
Kaiserthermen – Hundertschaften von Menschen hart arbeiten mussten: Bedienung der
Heizungsanlagen, der Wasserpumpen, Reinigung etc.
Wir finden balneatores (= Bademeister), der die Badegäste mit Wasser zu übergießen und
rundum z.B. mit Rasuren und Hautbehandlungen etc. zu betreuen hatte 98, unctores oder
aliptae (= Masseure; zum Teil mit medizinischen Kenntnissen)99, capsarii, die gegen ein
Entgeld auf die Kleidung aufpassten100 und technisches Personal mit verschiedensten
Aufgaben.101
Unter diesem Personal finden wir vorwiegend Sklaven102, die meist dem Bad bzw. seinem
Pächter oder Betreiber gehörten103, aber auch verurteilte Verbrecher104, woraus wir
erkennen, wie unangenehm und unbeliebt diese Art von Arbeit gewesen sein muss.
97
Diese Raumabfolge wurde in allen Thermen ziemlich eingehalten, wenn auch nicht so symmetrisch wie in
den großen Thermen.
98
MEUSEL, Verwaltung und Finanzierung S. 138 – 140.
99
MEUSEL, Verwaltung und Finanzierung S. 141.
100
Wohlhabende Badegäste brachten auch eigene Sklaven für diese Aufgabe mit: MEUSEL, Verwaltung und
Finanzierung S. 142f.
101
MEUSEL, Verwaltung und Finanzierung S. 145f.
102
BARIVIERA, Regione XII S. 382.
103
MEUSEL, Verwaltung und Finanzierung S. 139.
104
MEUSEL, Verwaltung und Finanzierung S. 145.
Sainitzer 01, 2021
37
Wir lesen dazu aus dem Brief 31 des Kaisers Trajan an Plinius105: Darin gibt Trajan Anweisung,
wie mit Verurteilten zu verfahren ist, die sich längere Zeit ihrer Strafe entzogen haben:
ad balineum bedeutet hier also die Verurteilung zu den verschiedenen, meist unangenehmen
Arbeiten, durch die der Badebetrieb aufrechterhalten wurde.
https://www.bing.com/images/search?q=caravallathermen&view=detailv2&id=F2D1741F88F0B9D4E7ED73B7378D6BC6C2E58214&selectedindex=29&ccid=%2Bfw%2B%2BVw1&simid=608031670718893687&thid=OIP.Mf9
fc3ef95c35623932af5d0a90b67078o0&mode=overlay&first=1 (28.07.2016).
105
MEUSEL, Verwaltung und Finanzierung S. 145f.
Sainitzer 01, 2021
38
Leben im Bad
Eine sehr farbige Schilderung davon erhalten wir von Seneca, der über einem balneum wohnte
und sich durch die dortigen, vielfältigen Geräusche gestört fühlte (epist. 56, 1-2.):
Peream1, si est tam necessarium quam videtur 1 peream: ich bin verloren! (Ausruf der
silentium in studia seposito2. Ecce undique me varius Verzweiflung)
2 seposito (P.P.P.) ... in ...: für den, der in
clamor3 circumsonat: supra balneum habito! seine Studien vertieft ist
Propone4 nunc tibi omnia genera vocum5, quae in6 3 clamor,-oris m.: Lärm
4 propone tibi: stell dir vor
odium possunt aures adducere: 5 voces,-um f.: Geräusche
cum fortiores7 exercentur et manus plumbo8 graves 6 in ... adducere: Hass auf die eigenen Ohren
clamare cogit; iam biberari22 varias exclamationes et 21 vellere alas: Achselhöhlen auszupfen
22 biberarus,-i m.: Limonadeverkäufer
botularium23 et crustularium24 et omnes popinarum25 23 botularius,-i m.: Wurstverkäufer
institores26 mercem sua quadam et insignita27 24 crustularius,-i m.: Zuckerbäcker
Geschrei
Den Besuch eines Bades kann man sich ungefähr so vorstellen: Zuerst legte man die Kleider
ab, dann konnte man Sport betreiben, etwas ringen oder Ball spielen; hierauf ging man dann
in die entsprechenden Baderäume seiner Wahl.106
106
MEUSEL, Verwaltung und Finanzierung S. 105.
Sainitzer 01, 2021
40
Kosmetik
Ein Besuch in einem Bad wurde nicht nur zum Baden im Wasser, sondern u.a. auch zu sehr
weitgehender Körperpflege genützt, wobei besonders für Frauen Kosmetik eine große Rolle
spielte. Wir wissen, dass in den meisten Badeanlagen eigene Räume für Massagen,
Salbungen und Hautpflege bestanden (unctorium, alipterium für Salbungen und Massagen;
destrictarium für Hautpeeling, wie man heute sagen würde).107
Eine Schönheitsmaske wird zum Beispiel in Martial 1 nigrum medicamen: eine schwarze
3,3 erwähnt – besser als ihr Gesicht zu verbergen Gesichtsmaske
2 non formosus: unschön; hässlich
wäre es, wenn sie ihren Körper versteckt: 3 deam: Gemeint ist hier wohl Venus, die
http://cdn.madame.de/bilder/gesichtsmaske-452366.jpg
1
Kosmetik und Baden gegen schlechten Geruch – Die Tuchwalker (fullones) sammelten Urin
auf den Straßen in Tontöpfen (testa)
ein Erfolg? (Mart. 6, 93): 2 vetus … sed modo fracta: alt - gerade
zerbrochen
3 media via: mitten auf der Straße
Tam male Thais olet14 quam non fullonis1 avari 4 non (quam): wie nicht einmal
testa vetus2 media3 – sed2 modo fracta - via, 5 ab amore recens: der gerade deckte
107
BUSCH, Versus S. 499-502.
Sainitzer 01, 2021
41
Die meisten Bäder hatten Sportplätze angeschlossen (palaestra). Diese wurden meist zum
Ballspielen108, Fechten, Ringen oder auch zum Joggen und gymnastischen Übungen
benutzt.109 Neben Sonnenbädern konnte man in Bädern aber auch Brettspiele spielen oder
sich irgendwie anders entspannen. Bei Seneca lesen wir eine kritische Bemerkung zu diesen
Entspannungsmöglichkeiten: Persequi singulos longum est, quorum aut latrunculi (=
Brettspiele110) aut pila aut excoquendi in sole corporis cura consumpsere vitam. (brev. 13, 1)
Über Sportarten, die wohl auch in Bädern ausgeführt wurden, äußert sich Seneca, wenn
auch nicht besonders freundlich (epist. 15, 2f.):
Adice nunc, quod maiore corporis sarcina5 animus 5 sarcina, -ae f: (Muskel)last
6 circumscribo 3: im Zaum halten
eliditur et minus agilis est. Itaque - quantum potes – 7 animo locum laxa: mach mehr Platz für
circumscribe6 corpus tuum et animo7 locum laxa. deinen Geist
Multa sequuntur incommoda huic deditos8 curae: 8 deditus 3: gewidmet (eig. PPP)
9
spiritus,-us m.: Intellekt
primum exercitationes, quarum labor spiritum9 10 exhaurio 4: schwächen
exhaurit10 et inhabilem11 intentioni12 ac studiis 11 inhabilis,-e: unbrauchbar
schlechtester Qualität
quibus ad votum18 dies actus est, si bene 16 in magisterium: zur Unterweisung (als
desudaverunt19, si in locum eius, quod effluxit, multum Trainer)
potionis altius in ieiuno iturae20 regesserunt. Bibere et 17 occupati inter: die sich nur beschäftigen
mit
sudare vita cardiaci21 est. 18 ad votum: nach Wunsch
19 desudo 1: sich ausschwitzen
20 multum potionis altius in ieiuno iturae:
Sunt exercitationes et faciles et breves, quae corpus et
viel an Trinken, das bei kleinerem
sine mora lassent et tempori parcant, cuius23 praecipua Quantum besser wirken würde
ratio24 habenda est: cursus et cum25 aliquo pondere 21 cardiacus 3: magenkrank
22 exercitatio,-onis f.: Übung,
manus motae et saltus vel ille, qui corpus in altum levat,
Trainingsmöglichkeit
vel ille, qui in longum mittit, vel ille, ut ita dicam, 23 cuius bezieht sich auf tempus!
saliaris26 aut, ut contumeliosius dicam, fullonius27: 24 rationem habere: Rücksicht nehmen
25 cum aliquo pondere manus motae:
quoslibet ex his elige usum rude facile.
Handbewegungen mit einer Hantel
26 saliaris,-e: in der Art der Salier
27 fullonius 3: in der Art der Tuchwalker
108
BUSCH, Versus S. 404ff.
109
Zu diversen sportlichen bzw. gymnastischen Betätigungen siehe besonders Sen., epist. 15, 1-6 und epist. 80,
1-3. BUSCH, Versus S. 405.
110
BUSCH, Versus S. 406, Anm. 43.
Sainitzer 01, 2021
42
Natürlich wurde in den Thermen auch geschwommen: Schwimmen gehörte immer zum Kanon
des römischen (Breiten-)sports.111 Schwimmen wird als ein wichtiger Bestandteil der
Erziehung gesehen und diente auch zur Ertüchtigung der Soldaten: So lesen wir in der
Biographie des Kaisers Augustus, dass er seine Enkel Lesen und Schwimmen als grundlgende
Teile der Erziehung lehrte – Sueton nennt diese beiden Dinge112 in einem Atemzug: Nepotes
et litteras et natare aliaque rudimenta … docuit. (Suet., Aug. 64, 3).
Schwimmtraining für Soldaten verlangt Vegetius – schon die alten Römer haben die
Trainigsstääten der Soldaten nahe am Tiber gehabt, um das Schwimmtraining nicht zu kurz
kommen zu lassen (1, 10):
Natandi usum aestivis mensibus omnis aequaliter debet tiro condiscere. Non
enim semper pontibus flumina transeuntur, sed et cedens et insequens natare
cogitur frequenter exercitus. Saepe repentinis imbribus vel nivibus solent
exundare torrentes, et ignorantia non solum ab hoste, sed etiam ab ipsis aquis
discrimen incurrit. Ideoque Romani veteres, quos tot bella et continuata pericula
ad omnem rei militaris erudiuerant artem, campum Martium vicinum Tiberi
delegerunt, in quo iuventus post exercitium armorum sudorem pulveremque
dilueret ac lassitudinem cursus natandi labore deponeret.
Welche Stile die antiken Schwimmer pflegten, ist aber aus den Quellen nicht zu ersehen.
Nun schwamm man natürlich auch in künstlichen Becken. Wir kennen private Anlagen mit
baptisteria / piscinae zum Schwimmen wie sie zum Beispiel Plinius in ep., 5, 6, 25beschreibt:
Frigidaria, in qua baptisterium amplum atque opacum. Si natare latius aut tepidius
velis, in area piscina est.
Solche privaten Anlagen zum Schwimmen konnten recht beachtliche Ausmaße annehmen
(Plin., ep. 2, 17, 11):
Inde balinei cella frigidaria spatiosa et effusa, cuius in contrariis parietibus duo
baptisteria velut eiecta sinuantur, abunde capacia si mare in proximo cogites.
111
WEILER, Sport S. 263f.
112
Wobei hier die Textkritik nicht verschwiegen werden soll: Es gibt hier auch die Konjektur notare statt natare.
Die Handschriften haben aber natare. WEILER, Sport S. 264.
Sainitzer 01, 2021
43
Natürlich wurden auch die großen Becken (natatio) in den Thermen zum Schwimmen
verwendet113, wobei über das Becken in den Diokletiansthermen festgehalten wird, dass
dort nicht nur geschwommen wurde, sondern vielleicht auch Fische gezüchtet wurden.114
Die Verwendung dieser großen künstlichen Wasserflächen ist oft nicht ganz klar, war aber
sicher sehr vielfältig wie man auch am Beispiel des Stagnum Agrippae in Rom sieht.115
Nackt im Bad
Dieser Flaccus ist offensichtlich von der Natur sehr beachtlich „ausgestattet“116, was Martial
zu diesem Spott bringt. Spottgedichte über männliche Geschlechtsteile sind gerade in diesem
Zusammenhang bei Martial häufig.117
Martial 1,23 macht sich auch über körperliche Unzulänglichkeiten lustig, diesmal aber über
eigene: Martial wird von einem gewissen Cotta nicht zum Bad eingeladen, da dieser wohl,
wenn man zum Bade schreitet, den Anblick des nackten Martial nicht ertragen will:
Bevor man diese Frage beantwortet118, muss man festhalten, dass die in vorliegender
Zusammenstellung zitierten Textstellen - vor allem die von Martial - häufig zotige Satire sind.
Ein realistisches Bild des Lebens in den römischen Badeanlagen geben sie nur indirekt.
Außerdem müssen wir auch sehen, dass der Blick auf die Antike durch die oft moralisierende
Brille von fast 1800 Jahren christlicher Tradition erfolgt: Es verwundert nicht, dass die Sicht
113
WEILER, Sport S. 264.
114
FRIGGERI u.a., Natatio S. 180.
115
CARANDINI, Roma di Augusto S. 299f.
116
Wie auch ein gewisser Titius in 11, 51: columna; siehe BUSCH, Versus S. 471
117
Siehe BUSCH, Versus S. 467 - 487. z.B. Mart. 1, 96; 11, 63.
118
Ausführlich siehe MEUSEL, Verwaltung und Finanzierung S. 158 – 162.
Sainitzer 01, 2021
44
früherer nachantiker, christlich geprägter Epochen auf die römischen Bäder meist unter dem
(auch oft sensationslüsternen) Aspekt „toll trieben es die alten Römer“ erfolgte.119
Nach einer Aussage Quintilians ist am Baden - auch nicht am gemeinsamen Bad von Männern
und Frauen - nichts als Anstößig zu bemängeln (inst. 5,9,14):
Es ist nach dieser Aussage für Quintilian völlig abwegig, bei einem gemeinsamen Bad einer
Frau mit Männern an irgendeinen sittlichen Verstoß zu denken: Wäre gemeinsames Baden
mit Männern ein Kennzeichen für eine unsittliche Dame (adultera), müsste man auch das
gemeinsame Speisen mit jungen Männern oder den freundschaftlichen Umgang mit
irgendwem als unsittlich bezeichnen.
Dieser Blick auf das Badewesen wird auch in einer berührenden Grabinschrift aus dem 3.
Jahrhundert geboten, in dem der Stukkateur Pompeius Catussa aus Lyon seiner 18jährigen
Frau Blandina und sich selbst einen Grabstein setzt, und auf eine von beiden offenbar gern
gesetzte Freizeitaktivität hinweist.120 Der letzte Satz der Inschrift lautet nämlich:
Somit sehen wir, dass die Epigramme Martials ein sehr witziges, zuweilen auch obszönes– und
satirisch überzeichnetes - Bild des Lebens in den Bädern bieten, die Realität des Lebens in den
privaten oder öffentlichen Bädern Roms aber eher so abgelaufen ist, wie wir es im 21.
119
BUSCH, Verse S. 503. Besonders skandalöse Badegeschichten finden sich aber auch schon in der Historia
Augusta: dazu BUSCH, Versus S. 503.
120
CIL 13, 1983; BUSCH, Versus S. 512.
Sainitzer 01, 2021
45
Die Frage nach dem gemeinsamen (nackten) Bad von Männern und Frauen in der Antike lässt
sich nun nicht klar und schon gar nicht für die gesamte Zeit, in der es Bäder im antiken Rom
gab, einheitlich beantworten.122 Wir wissen nicht, zu genau welchen Epochen es in
öffentlichen Bädern erlaubt war, dass Männer und Frauen gemeinsam (nackt) badeten
(balnea mixta123).
Es gibt Hinweise darauf, dass manche Besucherinnen und Besucher von Bädern zuweilen auch
Schurze oder auch Badekleidung trugen.124 Weiter oben haben wir schon Martial 3, 3 gelesen
- der letzte Vers dort lautet ja: Aut aperi faciem, aut tu tunicata lava. Die angesprochene soll
entweder ihr Gesicht zeigen oder in einem Kleid baden.125
Historiker berichten, dass sich Frauen von den sittenstrengen Anfängen Roms bis zur Zeit
Trajans mit balnea zufriedengeben mussten und erst gegen Ende des ersten nachchristlichen
Jahrhunderts auch in die thermae durften.126
Dieser Aussage steht eine Stelle gegenüber, in der Plinius der Ältere (also schon etwas vor
Trajan) kritisiert, dass Frauen und Männer gemeinsam nackt badeten, wobei unklar bleibt, ob
er sich hier auch auf öffentliche Bäder bezieht.127
Gemeinsames Baden von Familienmitgliedern auch in privatem Rahmen – nicht nur beiderlei
Geschlechts sondern auch verschiedener Generationen – ist für Cicero ein Problem, das Baden
steht überhaupt an dieser Stelle ein wenig in Kritik, da es zur Verweichlichung führen könne
(off. 1, 129):
Nostro quidem more cum parentibus puberes filii, cum soceris generi non lavantur.
Retinenda igitur est huius generis verecundia, praesertim natura ipsa magistra et duce.
Die Natur also verlangt eine gewisse Scheu davor, dass verschiedene Generationen
miteinander (nackt) baden – wir nennen das heute das Wirken eines Tabus (verecundia)
innerhalb der Familie.
Wie auch immer: Gegen Ende des ersten Jahrhunderts nach Christus war es offenbar oft
erlaubt, dass Frauen und Männer auch öffentlich gemeinsam badeten.
Als Kaiser Hadrian nach einigen Skandalen das gemeinsame Bad verbot129, wurde es wohl oft
Sitte, dass Männer und Frauen zu verschiedenen Zeiten Zugang zu den Badeanlagen
erhielten.130
Es gab - wenn auch selten131 - öffentliche Bäder, die baulich getrennten Bereiche für Frauen
und Männer hatten.132 So hatten z.B. die Stabianer-Thermen in Pompeji ein Männer- und ein
Frauenbad mit jeweils getrennten Eingängen133. Die sonstigen Freizeitangebote der übrigen
Anlage in den Thermen konnten dort und auch sonst immer gemeinsam benützt werden.134
Bei Behandlung der Frage nach gemeinsamem Bad müssen wir insgesamt auch beachten, dass
natürlich „leichte Mädchen“ (siehe z.B. die Galla im unten gezeigten Gedicht Mart. 3, 51.) in
allen Zeiten anders mit ihren Badegewohnheiten umgingen als ehrbare römische Matronen.
So lesen wir bei Martial auch davon, dass man zuweilen Prostituierte in Bäder mitnahm, um
sich dort dann mit diesen zu vergnügen.136
Martial 3, 51 zeigt, dass gemeinsames, nacktes Baden von Männern und Frauen zu seiner Zeit
(um 100 n.Chr.) üblich war137. Sicherlich stimmt das zumindest für kleinere und auch private
Anlagen.
Cum faciem laudo, cum miror crura1 manusque, 1 crus, cruris n.: Beine
dicere, Galla, soles: „Nuda placebo magis!“ 2 et: hier: und dennoch
3 nobis: nobiscum
Et2 semper vitas communia balnea nobis3. 4 numquid: etwa
Es ist anzunehmen, dass die im Gedicht genannte Galla zweifelhaften moralischen Ruf
genossen hat. Sie ist wohl eine Prostituierte, die sich nicht gänzlich nackt zeigen möchte, um
nicht ihr Geschäft zu gefährden, sollte sie dem Kunden Martial nicht gefallen. Martial ist so
freundlich bzw. spöttisch und gibt dem Gedicht eine unerwartete Wendung: Er lenkt am Ende
des Gedichts das Feststellen etwaiger Körperlicher Mängel auf seinen eigenen Körper.138
129
SHA, Hadrian 18,10: Lavacris pro sexibus separavit. Dazu im Vergleich mit der Schilderung des Verbots bei
Cassius Dio (Epit. 69, 8, 2) siehe BUSCH, Versus S. 510.
130
BUSCH, Versus S. 492.
131
STÜTZER, Rom S. 218.
132
BUSCH, Versus S. 331.
133
COARELLI, Pompeji S. 395 – 403: Über die dortige Männerabteilung siehe ebd. S. 398, die Frauenabteilung
ebd. S. 400.
134
STÜTZER, Rom S. 218.
135
BUSCH, Versus S. 492.
136
Mart. 3, 93; BUSCH, Versus S. 492f. Über schlüpfrige Begegnungen zwischen Männern und Frauen in Bädern
siehe BUSCH, Versus S. 330.
137
NEUMEISTER, Rom S. 164.
138
BUSCH, Versus S. 495.
Sainitzer 01, 2021
47
Lesen wir nun das sehr obszöne und vermeintliche körperliche Schwächen sehr ungustiös
beschreibende Gedicht Mart. 3,72 über die badescheue - obwohl wohlgeformte - Saufeia139:
1 nescio quod magnum nefas: irgendein
Vis futui nec vis mecum, Saufeia, lavari: großes, böses Geheimnis; nescio quod =
Nescio1 quod magnum suspicor esse nefas. aliquod
Aut tibi pannosae2 dependent pectore mammae 2 pannosus 2: hier: schlaff
3 sulcos uteri: Runzeln am Bauch
aut sulcos3 uteri prodere4 nuda times. 4 prodere = monstrare
Aut infinito lacerum5 patet inguen hiatu 5 lacerus 3: zerfetzt; bezieht sich hier wohl
aut aliquid cunni prominet ore6 tui. auf die Folgen häufiger sexueller
Aktivitäten der Saufeia.
Sed nihil est horum, credo: Pulcherrima nuda es. 6 os, oris n.: hier: Öffnung
Si verum est, vitium peius habes: fatua es.
http://www.dlvl.lv/Alles%20Wasser%202009.pdf (01.08.2016)
139
BUSCH, Versus S. 496.
Sainitzer 01, 2021
48
Nec mora, cum1 omnibus2 illis cibariis vasculis raptim 1 Konstruktion: cum-Satz (cum … reformata
remotis2 laciniis3 cunctis suis renudata3 crinibusque4 (esset) + Hauptsatz (paulisper –
obumbrans – tegens – inquit).
dissolutis ad5 hilarem lasciviam in6 speciem Veneris, 2 omnibus … remotis: als alle Speisen und
quae marinos fluctus subit, pulchre5 reformata (esset), Gefäße eilig beiseite geschafft waren
paulisper etiam glabellum7 feminal8 rosea palmula9 3 lacinia, -ae f.: Kleidunsgsstück;
nec enim tibi cedam nec terga12 vertam. Comminus13 in ist ein Topos der römischen erotischen
Dichtung, dass mit Öffnen der Haare
aspectum, si vir es, derige et grassare14 naviter et occide Frauen ihre Bereitschaft zu Sex zeigen.
moriturus. Hodierna pugna non habet missionem15.“ 5 Ordne: ad hilarem lasciviam pulchre
Dativ
7 glabellus 3: glatt
8 feminal, -is n.: (weibliche) Schamgegend
9 palmula, -ae f.: zarte Hand
10 de: wegen
11 proelior 1: kämpfen; Es ist ein Topos der
140
BUSCH, Versus S. 489.
Sainitzer 01, 2021
49
Da die Beiden großen Kaiserthermen am Rande bzw. außerhalb des im Mittelalter bewohnten
Teils der Stadt Rom lagen (abitato148), interessierte man sich nicht mehr sehr für sie – man
wusste oft nicht, was die Funktion dieser Gebäude in der Antike war bzw. was man mit den
großen Baukörpern anfangen sollte. Das riesige Bauvolumen der Thermenbauwerke diente ab
dem sechsten Jahrhundert - wie die meisten großen Bauten der römischen Antike - auch
immer wieder als Lieferant für Baumaterialien.149 Ihre monumentale Größe blieb aber immer
Gegenstand der Bewunderung.
141
BUSCH, Versus S. 23.
142
Während des Kriegs des oströmischen Kaisers Justinian gegen die Goten 535 – 557: HEATHER, Die letzte Blüte
S. 185.
143
WOLFRAM, Das Reich und die Germanen S. 323f.; BUSCH, Versus S. 23.
144
COARELLI, Rom S. 327 (Caracallathermen); BARIVIERA, Regione XII S. 383f. und TOZZI, Terme di Diocleziano S.
212. Die Wasserleitungen wurden erst Ende 8. Jhdt. wiederhergestellt: BUSCH, Versus S. 23, Anm. 41.
145
Dass Christen- v.a. im Osten des Reiches - nicht prinzipiell gegen das Badewesen waren bei MEUSEL,
Verwaltung und Finanzierung S. 88f und 100. Andererseits aber war die Nacktheit beim Bade den
Kirchenmännern schon etwas suspekt – vor allem wenn es um gemeinsames Baden von Männern und Frauen
ging: MEUSEL, Verwaltung und Finanzierung S. 161f.
146
BARIVIERA, Regione XII S. 383f.
147
TAGLIAMONTE, Terme di Diocleziano S. 37.
148
Die Begriffe abitato und disabitato wurden ab dem 16. Jhdt. verwendet: KRAUTHEIMER, Rom S. 81.
149
CIANETTI, Certosa S. 280.
Sainitzer 01, 2021
50
Karte Roma aus dem Jahr 1575. Deutlich sieht man die antike Stadtmauer, die bis heute im Stadtbild zu finden ist und die
im sogenannten Tiberknie (dem Marsfeld) gelegene bewohnte Zone der Stadt (abitato), in deren Mitte das Pantheon
dargestellt ist. Gut zu erkennen: links unten S. Peter, am rechten Rand die Caracallathermen, am oberen Rand die
Diokletiansthermen. (KRAUTHEIMER, Rom S. 82.)
Die erste fassbare Erwähnung der Diokletiansthermen finden wir in einer Art Reiseführer aus
der Mitte des 12. Jhdt. In den sogenannten Mirabilia urbis Romae 5 finden wir eine
Aufzählung der damals bekannten, Thermen150. Dieser Text ist voll mit Irrtümern, da man im
12. Jhdt. nur sehr ungefähre Vorstellungen von der Antike hatte.
1 Antonianae ist in der Handschrift falsch: Es muss Antoninianae
Thermae: Antonianae1, Domitianae2, heißen
2 Domitianae: diese Thermen sind unbekannt – gemeint sind wohl
Maximinianae3, Licinii4, Diocletianae,
die Trajansthermen auf dem Esquilin.
Tiberianae5, Novatianae6, Olimpiadis6, 3 Maximinianae: Irrtum: Diese existierten wohl gar nicht.
150
Mirabilia urbis Romae 5 auf Seite 58.
Sainitzer 01, 2021
51
Die Narratio de mirabilibus urbis Romae des englischen Reisenden Magister Gregorius
(12./13. Jhdt.)151 berichtet über die Thermen, hält sie aber für einen Palast – das Wissen um
die Antike geht verloren152:
lapillum usque ad capitale7 potest proicere. Quarum 7 capitale, -is n.: Spitze
8 a cardinalibus: offenbar wird ihm die
quamlibet, ut a cardinalibus8 accepi, centum viri vix per
mündliche Tradition von
annum secare, polire atque perficere potuerunt. De quibus Würdenträgern der Kirche berichtet.
loqui refuto, quoniam - si verum dixero - veritati obviare9 9 obvio 1: hier: widersprechen
videbor.
151
Tusculum Lexikon S. 308.
152
Text nach: TOZZI, Terme di Diocleziano S. 214.
Sainitzer 01, 2021
52
Das völlige Missverständnis bezüglich der wahren Funktion der Thermen setzt sich im 14.
Jhdt. fort. Im Werk De mirabilibus civitatis Romae von Nicolas Rosell, dem Kardinal von
Aragon (1314 – 1362) lesen wir153:
De termis civitatis Romanae: Thermae dicuntur palatia magna habentia maximas criptas sub
terra, in quibus tempore hiemali fiebat ignis per totum1,
aestivo vero aquis frigidis implebantur, ut curia2 in 1 totum (tempus)
2 curia, -ae f.: hier: Hof des Kaisers
superioribus manens delectaretur. 3 Sancta Susanna in der Nähe; heute
Quod in thermis Diocletiani videri potest ante Sanctam3 Nationalkirche der USA in Rom.
Susannam.
Wie kommt der Autor durch die
Bezeichnung thermas zu seinem
Missverständnis?
Poggio Bracciolini (1380 – 1459)154 wird sich in seinem Werk De veritate Fortunae der
Unwissenheit bewusst. Hier spürt man schon das Bemühen der damaligen Gebildeten um
ein Wiederentdecken der Antike, typisch für die Zeit der Humanisten:
Thermas publicas septem fuisse accepimus. „Lavacra 1 Amm. 16, 10, 14. Die Übersetzung/der
plebis in modum provinciarum exstructa1“ – ut Inhalt dieses Satzes ist unklar. Wohl:
Amminaus Marcellinus refert; quae ita a2 priore facie „Bäder so groß wie ganze Provinzen“
(Üs SEYFARTH 1983)
commutatae sunt, omni decore amisso, ut nihil sit, quod 2 a priore facie: von ihrem
affirmare queas3 alicui certo usui deputatum4. ursprünglichen Aussehen
… Permixta5 vestigia et ceteris incorruptiora maiorem in 3 queas = possis
4 deputatum: vorgesehen für
modum aspicientes movent6 - non sine admiratione7 5 permixta vestigia: verschiedene
quadam, quid8 sibi voluerit ad tam vilem9 usum tanta Überreste
6 moveo 2: hier: (emotional) berühren
aedificiorum moles, tot tantarumque columnarum, tam 7 admiratio, -onis f.: hier:
varii generis marmorum apparatus. Verwunderung
8 quid sibi voluerit: was das bedeuten
soll
9 vilis usus: nutzlose Sache, nutzloser
Gebrauch
153
TOZZI, Terme di Diocleziano S. 215.
154
TOZZI, Terme di Diocleziano S. 218.
Sainitzer 01, 2021
53
Francesco Petrarca (1304 – 1374) besuchte Rom und beschreibt seine Eindrücke seinem
Freund Johannes Colonna. Dabei spielen die Diokletiansthermen eine interessante Rolle (fam.
2, 6):
Flavio Biondo (1392 – 1463) schreibt mir großer Begeisterung in seinem Werk Roma
instaurata (1, 104) über die Thermen des Diokletian155:
1 ordne: credimus Diocletianum
Quam multos … compulisse1 credimus sive honesto natos impertorem quam multos … sive …
loco, sive plebeios et rusticos viros, Diocletianum sive … compulisse, ut
2 Esquilinis: am Esquilin (auf einem der
imperatorem, ut thermas in Esquilinis2 aedificaret. sieben Hügel Roms)
Quas nec barbari victores iratique nec vetustas nec improba 3 asporto 1: wegtragen
4 mille et supra centum: mehr als 1300
manus eorum, qui lapides ac marmorea in alias
Jahre (Hier ist der Autor historisch
sordidissimas exstructiones asportarunt3, ita per annos sehr unexakt!)
mille4 et supra centum post Romani imperii inclinationem5 5 inclinatio, -onis f.: Fall; Untergang
6 demolior 4: zerstören
demoliri6 potuerunt, ut non admirabile etiam nunc exstet
aedificium.
155
TOZZI, Terme di Diocleziano S. 219.
Sainitzer 01, 2021
54
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