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Franz-Josef Kretz
Jürgen Schäffer
Tom Terboven
Anästhesie,
Intensivmedizin,
Notfallmedizin,
Schmerztherapie
6., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage
123
Franz-Josef Kretz
Klinikum Stuttgart
Stuttgart, Deutschland
Jürgen Schäffer
DIAKOVERE Henriettenstift
Hannover, Deutschland
Tom Terboven
Universität Mannheim
Mannheim, Deutschland
Springer
© Springer-Verlag Berlin, Heidelberg 1989, 1996, 2001, 2006, Korr. Nachdruck 2007, 2008, 2016
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht aus-
drücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt
insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspei-
cherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berech-
tigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Waren-
zeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt
werden dürften.
Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in
diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die
Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes,
etwaige Fehler oder Äußerungen.
Es war das Jahr 1989, als die erste Auflage des Lehrbuches Anästhesie, Intensivmedizin, Not-
fallmedizin im Springer Verlag erschien. Ziel war es damals, das ganze Fachgebiet mit all
seinen Säulen kurz und prägnant darzustellen.
An diesem Konzept hat sich auch 27 Jahre danach nichts geändert: Erweitert um die vierte
Säule – die Schmerztherapie – stellt das Buch eine Zusammenfassung des aktuellen Basiswis-
sens für Studenten dar. Über jetzt drei Jahrzehnte hat sich auf diesem Wege Studentengenera-
tion um Studentengeneration einen Einblick in unser Fachgebiet erworben.
Um ein Buch auf aktuellem Stand zu publizieren haben sich die bisherigen Autoren – Franz-
Joseph Kretz und Jürgen Schäffer – um die Unterstützung eines jüngeren Kollegen bemüht
und in Tom Terboven einen hervorragenden Kollegen gefunden, der nicht nur auf eine mitt-
lerweile langjährige Facharzttätigkeit zurückblicken kann, sondern auch sehr intensiv in die
Studentenausbildung an seiner Universitätsklinik integriert ist.
Danken wollten wir nicht nur ihm, sondern auch Sabine Haag für die sorgfältige Korrektur
des Lehrbuches. Danksagen wollten wir insbesondere auch dem Springer Verlag, dass er in
Zeiten, in denen die elektronische Wissensvermittlung schon weit verbreitet ist, auch noch
eine sechste Auflage in nennenswertem Umfang druckt. Dank im Besonderen an Corinna
Pracht und Christine Ströhla (Programmplanung), Rose-Marie Doyon (Projektmanagment)
und Martina Kahl-Scholz (Lektorat) für die gute Zusammenarbeit. Wir sind sehr stolz, dass
wir Ihnen die sechste Auflage hiermit präsentieren dürfen.
184
Komplikationen
bei der Narkose
Franz-Josef Kretz, Jürgen Schäffer, Tom Terboven
Einleitung:
Worum geht es in Dieses Kapitel stellt die wesentlichen Komplika-
diesem Kapitel? tionen, auf die der Anästhesist während einer Narkose Pathophysiologie der MH
stoßen kann, dar. Hierzu zählen u. A. die Hypoxie, die 1. Acetylcholin (ACH) wird auf einen elektri-
maligne Hyperthermie und die Aspiration. Ferner schen Impuls hin aus den Vesikeln ausge-
widmet sich ein Abschnitt der Luft- und Lungenem- schüttet.
9 bolie und den Nervenläsionen. 2. ACH reagiert postsynaptisch mit dem
Acetylcholinrezeptor und wird durch die
Acetylcholinesterase abgebaut.
9.1 Hypoxie 3. Aus dem sarkoplastischen Retikulum wird
Ca2+ ausgeschüttet, das die Muskelproteine
Bei Narkosekomplikationen mit letalem Ausgang Aktin und Myosin zum Zusammengehen
wird meist an eine Überdosierung von Narkotika stimuliert, woraus dann eine Muskelbe-
gedacht; das ist extrem selten der Fall. Häufig sind wegung resultiert.
Übersichten:
Grundlegende sie hingegen Folge einer intraoperativen Hypoxie.
Informationen im
Überblick
9.1.1 Ursachen
9.4 · Luftembolie
185 9
9.4.1 Monitoring und Diagnose
. Tab. 9.1 Symptome der Lungenembolie
Praktisches Vorgehen
Franz-Josef Kretz
Ärztlicher Direktor der Klinik für Anästhesiologie und operative Intensiv-
medizin am Olgahospital – Pädiatrisches Zentrum – und der Klinik für
Anästhesiologie und Intensivmedizin am Krankenhaus Bad Cannstatt,
Klinikum Stuttgart.
Jürgen Schäffer
Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin
am DIAKOVERE Henriettenstift, Hannover.
Tom Terboven
Oberarzt an der Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin
der Universitätsmedizin Mannheim.
IX
Inhaltsverzeichnis
2 Narkosesysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
Franz-Josef Kretz, Jürgen Schäffer, Tom Terboven
2.1 Offenes System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
2.2 Halboffenes System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
2.3 Halbgeschlossenes System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
2.4 Geschlossenes Narkosesystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
2.5 Narkosegasdosierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
2.6 Respirator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
2.7 Beatmungsfilter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
2.8 Workstation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
4 Präoperative Vorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
Franz-Josef Kretz, Jürgen Schäffer, Tom Terboven
4.1 Prämedikationsvisite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
4.2 Prämedikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
4.3 Anästhesiologisches Vorgehen beim »Stand by« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
4.4 Maßnahmen zur Vermeidung perioperativer Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . 96
4.5 Präoperatives Check-up . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
19 Schock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305
Franz-Josef Kretz, Jürgen Schäffer, Tom Terboven
19.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305
19.2 Ätiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305
19.3 Pathophysiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306
19.4 Hämodynamische Charakteristika verschiedener Schockformen . . . . . . . . . . . . . . 307
19.5 Organveränderungen im Schock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308
19.6 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309
19.7 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311
19.8 Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313
23 Blutgerinnungsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341
Franz-Josef Kretz, Jürgen Schäffer, Tom Terboven
23.1 Physiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341
23.2 Gerinnungstests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344
23.3 Verstärkte Blutungsneigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346
23.4 Intensivmedizinisch relevante Störungen der Blutgerinnung: Thrombophilie . . . . 350
23.5 Intensivmedizinisch relevante Blutungen nach NOAK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350
25 Sepsis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367
Franz-Josef Kretz, Jürgen Schäffer, Tom Terboven
25.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367
25.2 Inzidenz und Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367
25.3 Ätiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368
25.4 Pathophysiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368
25.5 Symptomatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370
25.6 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370
25.7 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372
XIV Inhaltsverzeichnis
27 Tetanus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383
Franz-Josef Kretz, Jürgen Schäffer, Tom Terboven
27.1 Pathophysiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383
27.2 Klinik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383
27.3 Laborbefunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383
27.4 Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383
27.5 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383
IV Notfallmedizin
39 Traumatologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445
Franz-Josef Kretz, Jürgen Schäffer, Tom Terboven
39.1 Schädelhirntrauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445
39.2 Thoraxtrauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446
39.3 Abdominaltrauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447
39.4 Beckenfraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448
39.5 Wirbelsäulentrauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448
39.6 Extremitätenfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448
39.7 Polytrauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449
40 Kohlenmonoxidvergiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451
Franz-Josef Kretz, Jürgen Schäffer, Tom Terboven
40.1 Ätiologie und Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451
40.2 Symptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451
40.3 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451
V Schmerztherapie
Serviceteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506
Verzeichnis der Praxis-Tipps
Kapitel 12: Praktisches Vorgehen: Praktische Aspekte bei der Tubuswahl . . . . . . . . . . . . . . . 223
XIX
Verzeichnis der Praxis-Tipps
Kapitel 13: Praktisches Vorgehen: Narkoseeinleitung und -führung bei Sectio caesarea . . . . . . 245
Praktisches Vorgehen: Prozedere der Erstversorgung beim Neugeborenen . . . . . . . 246
Praktisches Vorgehen: Praktisches Vorgehen bei Langzeitoperationen
in der HNO- und Kieferchirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255
Praktisches Vorgehen: Praktisches Vorgehen bei der fiberoptischen Intubation . . . . 256
IV Notfallmedizin
Grundlagen
der Anästhesie
Kapitel 1 Pharmakologie – Grundlagen und klinisch-
praktische Details – 3
Pharmakologie – Grundlagen
und klinisch-praktische Details
Franz-Josef Kretz, Jürgen Schäffer, Tom Terboven
F.-J. Kretz et al., Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin, Schmerztherapie,
DOI 10.1007/978-3-662-44771-0_1, © Springer-Verlag Berlin, Heidelberg 2016
Allgemeinanästhesie
1
Präoperativ Intraoperativ Postoperativ
Anxiolyse *1 Bewusstsein Schmerztherapie
● Nichtopioidanalgetika
Regionalanästhesie ● Regional-/Lokalanästhesie
Regionalanästhesie
Sedierung/Anxiolyse *1 Opioide/Nichtopioid-
analgetika (bei Bedarf)
Die Ziele der Allgemeinanästhesie kann man (TIVA), bei der auf Inhalationsnarkotika ganz ver-
mit Monosubstanzen wie z. B. den Inhalationsnar- zichtet wird. »Total« bedeutet in diesem Zusam-
kotika erreichen. Es sind dann allerdings Dosierun- menhang auch der Verzicht auf Lachgas, das früher
gen notwendig, die – da häufig nahe am toxischen häufig noch Teilkomponente des inspiratorischen
Bereich – erhebliche unerwünschte Wirkungen ins- Gasgemisches war.
besondere auf das kardiovaskuläre System haben
können. > Die Eignung eines Narkosemittels kann an
Mit der Kombination mehrerer Arzneimittel den Anforderungen eines idealen Narkose-
lassen sich die unerwünschten Wirkungen der ein- mittels gemessen werden.
zelnen Komponenten vermindern. Deshalb ist die
Kombination mehrerer Arzneimittel – Hypnotika,
Analgetika und Muskelrelaxanzien – klinischer Ein ideales Narkosemittel sollte folgende
Standard, um die Ziele der Allgemeinanästhesie in Eigenschaften haben:
ausreichendem Ausmaß und mit geringstmögli- 5 Geringe Toxizität und eine große thera-
chen Nebenwirkungen zu erreichen. peutische Breite,
5 keine toxischen Metabolite,
> Diese Form der Allgemeinanästhesie nennt
5 rasches An- und Abfluten, gute Steuer-
man Kombinationsnarkose, balancierte
barkeit,
Anästhesie oder Balanced Anaesthesia.
5 gute analgetische und narkotische
Balanced Anaesthesia nennt man im engeren Sinne Wirkung,
die Kombination von Inhalationsnarkotika und 5 möglichst geringe Veränderungen physio-
Opioiden, ergänzt – wenn notwendig – durch Mus- logischer Funktionen wie Kreislauf oder
kelrelaxanzien. Balanced Anaesthesia im weiteren Atmung,
Sinne ist auch eine totale intravenöse Anästhesie
1.1 · Pharmakodynamik
5 1
somatosensorischer Kortex
lateraler Thalamus
limbisches System
medialer Thalamus
aufsteigendes
aktivierendes
retikuläres
System (ARAS)
Tr. spinothalamicus
Hinterwurzel
Vorderseitenstrang
nozizeptive Afferenzen
spinale Reflexe
. Abb. 1.3 Übersicht über typische Neurotransmitter im Rückenmark. Pharmakologisch und histochemisch identifizierte
erregende und hemmende Neurotransmitter und -modulatoren im Hinterhorn, die an der Verarbeitung von Schmerzinfor-
mationen beteiligt sind
– 50 Schwellenpotential
Ruhepotential
0 0,5 1,0 msec
Depolarisation Repolarisation
0,1–0,2 ms 0,1–0,2 ms
+ + Pumpe
Na K
K+
Na+
axonale
Membran K+ Na+
ATP
1.1.3 Molekulare Wirkungsmechanis- nenschicht der Zellmembran ein. Durch die Inter-
men von Anästhetika, Anal- aktion mit den lipophilen Anteilen der Membran-
getika und Muskelrelaxanzien proteine kommt es zu einer Konformationsände-
rung dieser Proteine, sodass der Ioneninflux in die
jHemmung der Erregbarkeit von neuronalen Zelle reduziert wird. Auf diese Weise wird dann die
Membranen Erregungsweiterleitung gehemmt.
Nervenzellen (Neuronen) bestehen aus einem
> Diese unspezifische Hemmwirkung kommt
Zellleib (Perikaryon) mit Zellfortsätzen (Axone
auch in der Meyer-Overton-Regel zum Aus-
und Dendriten) (. Abb. 1.4). Die Impulsweiterlei-
druck, nach der eine enge Korrelation zwi-
tung an der axonalen Membran erfolgt über eine
schen der Lipophilie und der anästhetischen
rasche Veränderung der Ionenkonzentration in-
Potenz einer Substanz besteht: Je höher die
nerhalb und außerhalb der Nervenzelle: In die Ner-
Lipophilie, desto stärker die anästhetische
venzellmembran (Phospholipiddoppelmembran)
Wirkung einer Substanz.
sind Membranmoleküle integriert, die den Ionen-
fluss in die Zelle und aus der Zelle steuern. Die Lokalanästhetika wirken, indem sie den schnellen
Konstellation dieser Membranproteine wird durch Natriumeinstrom in die Zellen hemmen. Sie lagern
einen elektrischen Impuls so verändert, dass der sich in die Membranproteine ein und verhindern
Natriuminflux in die Zellen zunimmt. Dadurch durch eine Konformationsänderung des Kanals den
verändert sich das Membranpotential im Sinne Natriuminflux (. Abb. 1.5).
einer Erregung, wodurch der Impuls weitergeleitet
wird. jBeeinflussung von Rezeptorsystemen
Inhalationsnarkotika und Barbiturate lagern Die Funktionsanpassung von Zellen kann durch ex-
sich aufgrund ihrer Lipophilie in die lipophile In- trazelluläre Botenstoffe gesteuert werden. Deren
8 Kapitel 1 · Pharmakologie – Grundlagen und klinisch-praktische Details
apolar
amphiphiles dem Rezeptor reagiert. Diese endogenen Liganden
+
Lokal-
+
+ + +
anästhetikum wirken über G-Proteine (. Abb. 1.6). Die endoge-
+ +
Agonist
+
K
Adenylat- Phospho-
Membran G-Protein zyklase lipase C
Rezeptor 1.
2. Ca2+
ATP cAMP
3.
4.
. Abb. 1.6 Wirkungsmechanismen G-Protein-gekoppelter Rezeptoren: Der Agonist reagiert mit dem Rezeptor. Daraufhin
wird das G-Protein an den Rezeptor gebunden und GDP durch GTP ausgetauscht und der Effektor (Enzym, Ionenkanal)
aktiviert oder gehemmt
β-Endorphin Tyr - Gly - Gly - Phe - Met - Thr - Ser - Glu - Lys - Ser- Gin - Thr
Pro - Leu - Val - Thr - Leu - Phe - Lys
Asn - Ala - Ile - Ile - Lys - Asn - Ala
Tyr - Lys - Lys - Gly -Glu
Dynorphin A (1-17) Tyr - Gly - Gly - Phe - Leu - Arg - Arg - Ile - Arg - Pro - Lys - Leu
Lys - Trp - Asp - Asn - Gln
Dynorphin B Tyr - Gly - Gly - Phe - Leu - Arg - Arg - Gin - Phe - Lys - Val - Val
Thr
β-Neoendorphin Tyr - Gly - Gly - Phe - Leu - Arg - Lys - Tyr - Pro
und über die δ-Rezeptoren Die natürlichen und synthetischen klinisch be-
4 supraspinale Analgesie und deutsamen Opioide wirken über den μ-Rezeptor:
4 gastrointesinale Wirkungen 4 Morphin,
(Obstipation) 4 Fentanyl,
4 Alfentanil (Rapifen),
vermittelt. 4 Sufentanil (Sufenta),
10 Kapitel 1 · Pharmakologie – Grundlagen und klinisch-praktische Details
4 Remifentanil (Ultiva),
1 4 Pethidin (Dolantin), Trennung
4 Piritramid (Dipidolor), des Nerven
Knie,
4 Tramadol (Tramal) entzündet
GABA GABA
Ca2+
GABA
Cl-
Ca2+
K+
G-Protein
GABAA- GABAB-
Rezeptor Rezeptor
jAcetylcholinrezeptoren
> Eine Reihe von Medikamenten, die der Anäs-
Die cholinerge Informationsübertragung erfolgt im
thesist benutzt, hat Bindungsstellen am GABA-
Wesentlichen:
Rezeptor: Benzodiazepine, Etomidat, Propofol,
4 präganglionär,
Barbiturate in niedriger Dosierung, aber auch
4 postganglionär-parasympathisch,
Alkohol. Sie verstärken die GABA-Wirkung an
4 an der motorischen Endplatte,
diesem Rezeptor. GABA wirkt wie eine Bremse
4 zentral im Corpus striatum.
über den Rezeptoren, die Benzodiazepine,
Propofol etc. als Bremskraft verstärken.
Die cholinerge Signaltransduktion erfolgt über:
GABA wird von dem Enzym GABA-Transferase zu 4 Muskarinrezeptoren (Parasympathikus),
Succinatsemialdehyd abgebaut. 4 Nikotinrezeptoren (motorische Endplatte;
. Abb. 1.10).
jN-Methyl-D-Aspartat-Rezeptoren
(NMDA-Rezeptoren) Nach Reaktion mit dem postsynaptischen Rezeptor
Der NMDA-Rezeptor hat Glutamat als endogenen wird Acetylcholin sofort von der membranständi-
Liganden. Glutamat ist exzitatorisch wirksam und gen Acetylcholinesterase zu Cholin und Acetat ab-
wahrscheinlich im Gehirn für höhere Gehirnfunk- gebaut. Diese Abbauprodukte werden für den Auf-
tionen (Denken, Lernen etc.) von Bedeutung. Glu- bau von neuem Acetylcholin verwendet.
tamat wird aus dem Glutaminzyklus gewonnen. Von diesem als Acetylcholinesterase (Typ-
Glutamat wirkt über den NMDA-Rezeptor und 1-Cholinesterase) bezeichneten membranständigen
öffnet den Na+-, K+- und Ca2+-Kanal. Enzym ist die Typ-2-Cholinesterase (auch Pseudo-
Von den Medikamenten, die der Anästhesist be- cholinesterase genannt) zu unterscheiden. Dieses
nutzt, wirkt Ketamin über den NMDA-Rezeptor. Es Enzym wird in der Leber synthetisiert und im Se-
wirkt als nichtkompetitiver Antagonist. Dadurch rum, Darm und Pankreas vorgefunden. Während
sind jedoch nicht alle Wirkungen von Ketamin er- die Acetylcholinesterase für den Abbau des Neuro-
klärbar (7 Abschn. 1.9). transmitters Acetylcholin von Bedeutung ist, baut
12 Kapitel 1 · Pharmakologie – Grundlagen und klinisch-praktische Details
1
Nerv
Impuls
Vesikel
präsynaptische
Membran
Neurotransmitter
Acetylcholin
postsynaptische
Membran
❍
1 ❍
2
❍
3
Muskelzelle
Rezeptor
. Abb. 1.10 Wirkungsweisen der Muskelrelaxanzien. 1. Acetylcholin wird durch einen Impuls aus den Vesikeln freigesetzt
und führt zur Depolarisation. 2. Nichtdepolarisierende Muskelrelaxanzien blockieren den Rezeptor, ohne zu depolarisieren.
3. Depolarisierende Muskelrelaxanzien blockieren den Rezeptor, nachdem sie depolarisiert haben
jHistaminrezeptoren
Die Histaminrezeptoren werden durch Histamin
aktiviert. Gebildet wird Histamin durch die L-His- α2-Rezeptoren
tidin-Decarboxylase aus der Aminosäure Histidin.
Man unterscheidet vier Rezeptorsubtypen, von
denen zwei pharmakologisch große Bedeutung
haben:
. Abb. 1.11 Wirkung von α2-Agonisten: Clonidin reagiert
4 H1-Rezeptoren: Sie vermitteln die allergische 1. präsynaptisch mit dem α2-Rezeptor: Folge ist eine Hem-
Reaktion mit Juckreiz, Gefäßweitstellung mung der Freisetzung von Noradrenalin und ein Blut-
(Vasodilatation), Hautrötung und Gefäß- druckabfall. 2. postsynaptisch mit dem α2-Rezeptor: Folge
permeabilitätsstörung (Urtikaria) sowie ist ein kurzfristiger Blutdruckanstieg, bis die zentrale Sympa-
Bronchokonstriktion. thikolyse überwiegt und der Blutdruck konstant abfällt.
1 Membranphospholipide
Phospholipase A2 Glukokortikoide
freie
Arachidonsäure Lipoxide
zyklische 5-Hydroperoxy-
Endoperoxide eicosatetraensäure
5-Hydroxy-
eicosatetraensäure
Hemmung der Enzyme
. Abb. 1.12 Biosynthese von Prostaglandinen, Thromboxanen, Prostazyklinen und Leukotrienen. o Hemmung der
Enzyme; NSAID = nichtsteroidale Antirheumatika
jHemmung der Prostaglandinsynthese chidonsäure, die nun vermehrt einem anderen Stoff-
Der Schmerz entsteht in der Peripherie durch wechselweg zur Verfügung steht. Über die Lipoxyge-
Zellzerstörung und Mediatorfreisetzung. Zu den nasen entstehen so Leukotriene, die eine Kontraktion
freigesetzten Mediatoren zählen auch Prostagland- der glatten Muskulatur (z. B. der Bronchien) triggern
inderivate. Prostaglandine werden aus der Arachi- können. Bei entsprechend sensiblen Patienten kann
donsäure gebildet, die wiederum aus Membran- die ASS- und NSAR-Therapie auf diese Weise einen
phospholipiden entsteht. Bronchospasmus hervorrufen (. Abb. 1.12).
An der Prostaglandinsynthese ist die Cyclooxy-
genase beteiligt, die durch Acetylsalicylsäure (ASS)
und nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) ge- 1.2 Pharmakokinetik
hemmt wird. ASS und NSAR hemmen auch die
Thromboxansynthetase, sodass es zu einem Abfall Die Pharmakokinetik beschreibt die Freisetzung,
von Thromboxan A kommt. Aufnahme, Verteilung, Verstoffwechselung und
Ausscheidung von Medikamenten im Körper.
> ASS und NSAR hemmen die Thrombozytenag-
gregation. Dies macht man sich bei ASS in der
Herzinfarkt- und Schlaganfallprophylaxe (nied- 1.2.1 Inhalationsanästhetika
rige Dosis von ASS [50–100 mg/d]) zunutze. In
der operativen Medizin ist dies insofern ein jWie kommt das Inhalationsnarkotikum
Problem, als dadurch das Nachblutungsrisiko vom Narkosegerät in die Gehirnzelle?
erhöht werden kann (7 Abschn. 1.13.2). Von den gebräuchlichen Narkosegasen liegt nur
N2O als Gas vor, alle anderen – Isofluran, Sevoflu-
Durch die Hemmung von Cyclooxygenase und ran und Desfluran sowie die älteren Narkosegase
Thromboxansynthetase entsteht im Überschuss Ara- Halothan und Ethrane – liegen als Flüssigkeiten vor,
1.2 · Pharmakokinetik
15 1
1 Vaporeingang 7 Ventil
8 2 Verdunsterkammer- 8 Handrad
Bypass 9 Docht
3 Bypass 10 Temperatur-
7c 4 Dosierkonus kompensation
3 5 Vaporausgang 11 Druck-
1 5 6 Verdunsterkammer kompensation
4
11 Handrad auf größer gleich »ON« (eingeschaltet).
Das Frischgas ( ) wird durch das mit dem Handrad
10 8 gekoppelte Ventil 7 a, 7 b durch die Verdunster-
2 7b kammer 6 geleitet. Der zusätzliche Bypass 3 wird mit
7a Ventil 7c geschlossen.
10 Ein Teil des Frischgases wird in dem vollgesaugten
Docht 9 mit Anästhesiemitteldampf ( ) gesättigt.
Der Rest des Frischgases wird durch den Verdunster-
kammer-Bypass 2 an der Verdunsterkammer 6
vorbeigeleitet.
9 Beide Teilströme werden hinter den zwei Dosierspal-
ten gemischt und zum Vaporausgang 5 geleitet. Die
Konzentration ergibt sich durch die Aufteilung des
Gases und die Sättigungskonzentration des Anästhe-
siemittels.
Die Aufteilung wird zusätzlich durch die Temperatur-
kompensation 10 beeinflusst, die mittels thermischer
Ausdehnung unterschiedlicher Materialien den Ver-
dunsterkammer-Bypass 2 bei Erwärmung weiter
6 öffnet und bei Abkühlung verengt. Damit wird der
Temperatureinfluss auf die Sättigungskonzentration
kompensiert.
Die Druckkompensation 11 reduziert wirksam den
Pumping-Effekt.
. Abb. 1.13 Schematische Darstellung der Funktion eines Narkosegasverdampfers. (Vapor, mit freundlicher Genehmigung
der Fa. Dräger Medizintechnik, Lübeck)
die leicht verdunsten. Sie werden deshalb auch als kSchritt 1: Narkosegerät o Alveole
volatile Anästhetika bezeichnet. Im Narkosegasverdampfer (. Abb. 1.13) geht ein
> Motor des Transports des Gases vom Narkose-
volatiles Inhalationsnarkotikum vom flüssigen in
gerät bis in die Gehirnzelle ist der Partialdruck
den gasförmigen Zustand über. Wird Narkosegas in
des Gases.
das Kreissystem abgegeben, so reduziert sich der
Dampfdruck über dem flüssigen Narkotikum, wei-
Partialdrücke eines Gases in den verschiedenen teres Narkosemittel geht in die Gasphase über.
Räumen werden angeglichen. Der Partialdruck (P) Jedes Inhalationsnarkotikum hat einen speziel-
ist abhängig von der Anzahl der Moleküle (n), einer len Dampfdruck. Die Narkosegasverdampfer kön-
Gaskonstanten (R), der Temperatur (T) und dem nen nur mit dem Anästhetikum betrieben werden,
Volumen (V), in dem sich das Gas befindet. Diese für das sie konstruiert sind.
Abhängigkeit gibt die Formel (sogenannte ideale
Gasgleichung) > Die Verteilung des Narkosegases im Kreis-
system und seine Konzentration in der
n ¥ R ¥T Alveole sind abhängig vom Frischgasfluss,
P=
V dem Volumen des Kreissystems und der
alveolären Ventilation:
wieder. 5 Je schneller der Frischgasfluss (7 Kap. 2),
desto schneller die Aufsättigung des
Kreissystems mit Inhalationsnarkotikum.
16 Kapitel 1 · Pharmakologie – Grundlagen und klinisch-praktische Details
Am Ende der Narkose kommt es nach Abstellen der 1.2.2 Intravenöse Narkotika
Narkosegase zum umgekehrten Effekt: Lachgas flu-
tet rasch ab, in der Alveole sammelt sich viel Lach- jWie kommt das Injektionsnarkotikum aus
gas an. Dadurch wird der Anteil von O2 in der Al- der Spritze in die Gehirnzelle?
veolarluft geringer. Aufgrund des dann geringeren kSchritt 1: Lipophile Medikamente injizierbar
O2-Partialdruckgradienten wird weniger O2 aufge- machen
nommen: Es entsteht somit eine Diffusionshypoxie. Intravenöse Hypnotika und Analgetika sind über-
Wird Lachgas noch benutzt (7 Abschn. 1.12), muss wiegend stark lipophil. Mit der Aufnahme dieser
dem Patienten in der postoperativen Phase Sauer- lipophilen Substanzen in einer Fettemulsion (z. B.
10
9,1
9 9,4 8,6
MAC
Desfluran
8
7
6,0
6
5,0
5
4
3,3
3,2
3 Sevofluran 2,6
2,0
2 1,6 1,85 Isofluran 1,6 1,5
1,16
1 0,8
1,2 Halothan
0,9 0,9 0,76 0,5
0
NG SG K GR
. Abb. 1.14 MAC-Werte (Minimale alveoläre, [anästhetische] Konzentration) in Abhängigkeit vom Lebensalter
18 Kapitel 1 · Pharmakologie – Grundlagen und klinisch-praktische Details
Wirkstoffkonzentration
kSchritt 2: Applikation ins Blut und Verteilung Fettgewebe
im Körper
Die Pharmakokinetik eines intravenös zu applizie-
renden Medikamentes kann modellfrei, aber auch
mit einem Kompartimentmodell beschrieben wer-
den. Darunter versteht man mathematisch definier-
te, virtuelle Räume (Kompartimente, die nicht einer
anatomisch definierten Struktur entsprechen müs-
a V1 V2 V3
sen) im menschlichen Organismus, in denen sich
ein Medikament verteilt. Für die Beschreibung der V1: Gehirn, Lunge, Herz V2: Muskeln
Pharmakokinetik der intravenösen Hypnotika und V3: Fettgewebe
Mitochondrium
kontraktiles ATP
Element sarko-
O2-Angebot O2-Bedarf plasmatisches
Retikulum
koronare
Kontraktilität [Ca++]
Durchblutung zytoplasmatisch
Ca++
O2-Gehalt
des Blutes Herzfrequenz
. Abb. 1.18 Myokardiale O2-Bilanz . Abb. 1.19 Hemmung des Kalziuminfluxes in das kontrak-
tile Element durch Inhalationsnarkotika (z. B. Halothan)
4. Relaxation peripherer Gefäße (Verminderung > Diese koronare Vasodilatation geht allerdings
des peripheren Gefäßwiderstandes: SVR pp) häufig auf Kosten von Gefäßregionen, die
bei hinter einer Gefäßstenose liegen: Coronary-
5 Inhalationsnarkotika Steal-Phänomen mit möglichen ischämischen
5 Barbituraten Folgen für dieses Gefäßgebiet. Deshalb: Cave
5 Propofol bei Patienten mit koronaren Stenosen.
5 (Opioiden)
5 (Benzodiazepinen) 8. Myokardiale Sauerstoffbilanz
5 Zunahme des myokardialen Sauerstoffver-
> Die Abnahme des peripheren Gefäßwider- brauchs bei: Ketamin
standes führt zu einem Blutdruckabfall, der 5 Abnahme des myokardialen Sauerstoffver-
bei Hypovolämie klinisch relevant sein kann. brauchs bei: Isofluran, Sevofluran, Desflu-
ran, Halothan, Enfluran
5. Vasokonstriktion: Anstieg des peripheren
Gefäßwiderstandes (SVR nn o RR nn) bei:
5 Ketamin 1.3.2 Atmung
6. Negative Inotropie: Sie entsteht durch eine
Hemmung des Ca2+-Ioneninfluxes in die Myo- Die Atmung wird durch nahezu alle vom Anästhe-
kardzelle (. Abb. 1.19) bei sisten benutzten Medikamente beeinträchtigt. Die
5 Halothan, Enfluran, Isofluran > Sevofluran Mechanismen dafür sind:
> Desfluran 4 die direkte Einflussnahme auf das Atem-
5 Ketamin (die dem Ketamin eigene negativ zentrum mit einer Verminderung der CO2-
inotrope Wirkung wird durch seine sympa- Antwort durch Opioide, Hypnotika, Inhala-
thikusstimulierende Wirkung meist kom- tionsnarkotika,
pensiert) 4 eine Atemwegwiderstandserhöhung: Bron-
5 Propofol chokonstriktion, bedingt durch Opioide
7. Koronare Durchblutung: Sie nimmt zu durch (Histaminfreisetzung),
Vasodilatation im koronaren Gefäßgebiet bei 4 eine Thoraxrigidität bedingt durch Opioide;
5 Isofluran dadurch wird die Maskenbeatmung erheblich
1.3 · Unerwünschte Wirkungen von Anästhetika und Muskelrelaxanzien
23 1
erschwert. Hier sind besonders Fentanyl,
Alfentanil, Sufentanil und Remifentanil zu
nennen. Der zugrunde liegende Mechanismus
ist aktuell ungeklärt. Möglicherweise liegt eine
Aktivierung cholinerger Neurone in den
ICP (mmHg)
Stammganglien vor, was zu einer Tonus-
zunahme der quergestreiften Muskulatur füh-
ren könnte. Ebenso diskutiert werden zentrale
antidopaminerge Effekte der Opioide. Eine
vorherige Atropingabe bietet keinen sicheren
Schutz, ebenso wenig das langsame Spritzen
des Opioids. Die Rigidität betrifft, wie der
Name fälschlicherweise nahelegt, nicht allein Intrakranielles Volumen (ml)
den Thoraxbereich, sondern die gesamte Mus-
kulatur. . Abb. 1.20 Intrakranielle Compliance (ICP = intrakranieller
4 die Relaxation der Atemmuskeln durch Gabe Druck)
von Muskelrelaxanzien (7 Abschn. 1.13);
4 die Stimulation der Produktion von Sekret Deshalb muss der Anästhesist bei Patienten mit er-
mit der möglichen Verlegung der Atemwege. höhtem intrakraniellen Druck besonders darauf
achten, dass die von ihm benutzten Medikamente
> Durch die opioidbedingte Thoraxrigidität nicht zu einem ICP-Anstieg führen.
kann die Maskenbeatmung bei der Narkose- Medikamente, die den zerebralen Blutfluss er-
einleitung, besonders bei Kindern, stark höhen:
beeinträchtigt werden. Um eine Hypoxie zu 4 Inhalationsnarkotika,
vermeiden, muss man in dieser Situation den 4 Lachgas,
Patienten relaxieren. Aufgrund ihrer schnel- 4 Ketamin.
len Anschlagszeit bietet sich Rocuronium an.
Medikamente, die den zerebralen Metabolismus er-
höhen:
1.3.3 Gehirn 4 Ketamin.
Der intrakranielle Raum besteht aus drei Kompar- Medikamente, die deshalb bei erhöhtem intrakrani-
timenten (. Abb. 1.20): ellen Druck kontraindiziert sind:
4 Nervengewebe, 4 Lachgas,
4 Liquor, 4 Inhalationsnarkotika,
4 Blutvolumen. 4 Ketamin (sofern der Patient kontrolliert venti-
liert wird [7 Abschn. 13.8], ist Ketamin an-
Die Zunahme der einzelnen Komponenten kann wendbar).
über eine gewisse Zeit kompensiert werden.
tiver Stoffwechselweg mit der Folge, dass von Leberversagen auch nach Sevoflurannarkosen;
1 Sauerstoffradikale entstehen, der Mechanismus ist unbekannt.
4 autoimmunologische Prozesse (. Abb. 1.21);
diese Vorstellung ist aufgrund der Tatsache
entstanden, dass das schwere halothanbedingte 1.3.5 Niere
Leberversagen häufig nach Wiederholungs-
narkosen auftritt. Man geht davon aus, dass das Zu einer verminderten Urinproduktion können In-
Abbauprodukt von Halothan, die Trifluoressig- halationsnarkotika, Hypnotika und Analgetika füh-
säure (TFA) beim Erstkontakt mit der Leber- ren über eine
zellmembran zu einer Veränderung der Leber- 4 verminderte Nierendurchblutung: Isofluran
zellmembranproteine führt. TFA wirkt dem- 10–40% p, TIVA, Spinalanästhesie 10–20% p,
nach wie ein Hapten, gegen das die Lympho- oder
zyten des Patienten Antikörper bilden, weil sie 4 Stimulierung der Ausschüttung von antidiure-
die veränderten Membranproteine als fremd tischem Hormon (ADH).
erkennen.
Auch die positive Druckbeatmung intraoperativ
> Bei einem erneuten Kontakt kann es zu einer
kann über die intrathorakale Druckerhöhung, den
fulminanten autoimmunologischen Reaktion
dadurch bedingten verminderten venösen Rück-
kommen: Trifluoressigsäure ist erneut das
fluss und das dadurch verminderte HZV zu einer
Hapten der Membranproteine, gegen das
verminderten Nierendurchblutung mit einer redu-
nun massiv Antikörper gebildet werden. Dies
zierten Urinproduktion führen.
führt zu einer autoimmunologischen Zerstö-
Eine direkte Schädigung der Niere ist möglich
rung der Leberzellen.
durch Fluoride, die beim Abbau von Enfluran und
Dieses fulminante halothanbedingte Leberversagen Sevofluran entstehen. Toxische Spiegel, die zu ei-
hat eine hohe Letalität. Einzige Therapiemöglich- nem Nierenversagen führen, werden jedoch in der
keit ist die Lebertransplantation. Regel nicht erreicht.
Die Inzidenz dieses halothanbedingten autoim-
munologischen Leberversagens beträgt 1:20.000
beim Erwachsenen, bei Kindern 1:80.000. Da bei 1.3.6 Allergien/Anaphylaxie
Enfluran, Isofluran und Desfluran die gleichen
Metabolite entstehen, sind auch hier tödliche Leber- Dies sind bei Narkotika seltene Ereignisse. Histamin-
zellnekrosen beschrieben worden. Aufgrund einer ausschüttung findet man nach Applikation von Suc-
möglichen Kreuzallergie sollte man deshalb bei ei- cinylcholin, Mivacurium, Atracurium und Opio-
nem Verdacht auf einen halothanbedingten Leber- iden (v.a. Morphin).
schaden auch auf die anderen Inhalationsnarkotika
verzichten und eine TIVA durchführen. Hinweise
auf eine Allergisierung nach einer Halothannarkose 1.3.7 Maligne Hyperthermie
können ein unerklärliches Fieber, eine unerklärli-
che Leukozytose mit Eosinophilie oder ein passage- 7 Abschn. 9.2.
rer Ikterus in der postoperativen Phase nach einer
Halothannarkose sein.
1.3.8 Reaktion mit dem CO2-Absorber
> Mit diesem Problem wird man in Deutsch-
land nicht mehr konfrontiert werden, da
Der ins Kreisteil eingebaute CO2-Absorber ist nicht
Halothan und Enfluran nicht mehr zuge-
inert. CO2 reagiert mit dem Atemkalk in verschiede-
lassen sind.
nen exothermen Reaktionen: Neben Wasser entsteht
Sevofluran wird nicht zum Metaboliten TFA abge- demnach auch Wärme. Damit wird das Inspirations-
baut. Dennoch gibt es Berichte über einzelne Fälle gas sozusagen von selbst »klimatisiert«, sodass im
1.3 · Unerwünschte Wirkungen von Anästhetika und Muskelrelaxanzien
25 1
H H H H
F O F F O F O F F O F
F C C Br H C O C C Cl H C O C C F H C O C C F
F Cl F F F F Cl F F F F
F O F F O O F O F
F C C NH Prot. H C O C C NH Prot. Prot. NH C C F Prot. NH C C F
F F F F F
a
Hepatozyten
TFA aus ZK
oxidativem
Metabolismus
Kreisteil (7 Kap. 2) keine zusätzlichen Maßnahmen (KOH) getriggert werden, kommen heute nur noch
zur Atemwegsklimatisierung notwendig sind. Da die kaliumfreie Natriumkalke zur Anwendung.
chemischen Zersetzungsreaktionen der Inhalations- Der CO2-Absorber hat einen bestimmten Was-
narkotika im Wesentlichen durch Kaliumhydroxid sergehalt (12–15%).
26 Kapitel 1 · Pharmakologie – Grundlagen und klinisch-praktische Details
> Trocknet der CO2-Absorber aus (z. B. bei län- brauch bei Früh- und Neugeborenen sowie im
1 gerem O2-Durchfluss – cave: Montagmorgen- Säuglings- und Kleinkindesalter sind viele Medika-
narkosen, wenn über das ganze Wochenende mente nicht zugelassen, sondern werden deshalb
der Sauerstoff-Flow nicht abgestellt war, den außerhalb der Zulassungsbedingungen verwendet.
CO2-Absorber durchfloss und ihn austrock- Dies wird als Off-Label-Gebrauch bezeichnet.
nete!), so können im trockenen CO2-Absorber Dieses Problem ist von politischer Seite aus er-
(Wassergehalt <5%) »pathologische« Abbau- kannt worden, und Nachzulassungsverfahren wer-
prozesse von Sevofluran stattfinden: Es wird den von staatlicher Seite unterstützt.
in hohem Maße im CO2-Absorber zu Com-
pound A sowie B, C, D, E abgebaut. Dies ist
eine stark exotherme Reaktion: Der CO2-Ab- 1.5 Benzodiazepine
sorber »kocht« (Temperatur bis 150°C).
1.5.1 Chemie und Wirkungsweise
Die Folge sind Schleimhaut reizende Abbauproduk-
te, der Patient hustet und kann im Extremfall auch Die einzelnen Benzodiazepine entstehen durch die
ein ARDS (Adult Respiratory Distress Syndrome, Substitution des Benzodiazepingrundgerüstes, ei-
7 Abschn. 17.2.1) entwickeln. Da Sevofluran im nem Siebenring. Die meisten Substanzen leiten sich
CO2-Absorber abgebaut wird und deshalb in die- vom Diazepam ab. Benzodiazepine wirken über
sem Fall nicht beim Patienten ankommt, wird die GABA (γ-Aminobuttersäure)-Rezeptoren (. Abb.
Narkose sehr flach sein, d. h. der Anästhesist wird 1.9). GABA ist der wichtigste inhibitorische Neuro-
Probleme haben, den Patienten in Narkose zu brin- transmitter und kommt in ca. 40% der Neuronen
gen bzw. der Patient wacht möglicherweise wieder des ZNS vor. Benzodiazepine verstärken die Wir-
auf. Deshalb: Vorsicht mit trockenem CO2-Absor- kung von GABA durch Erhöhung der Öffnungs-
ber, vor allem bei Sevofluran! wahrscheinlichkeit des GABAA-Subrezeptortyps.
Über die Compound-A-Produktion bei Sevo-
fluran hinaus finden im CO2-Absorber weitere che-
mische Reaktionen statt. Von Bedeutung ist die CO- 1.5.2 Klinische Wirkung
Bildung, die bei trockenem Atemkalk bei Desfluran
(8000 ppm) und Enfluran (4000 ppm) beträchtliche Benzodiazepine wirken:
Werte erreichen kann (Isofluran 600 ppm, Halo- 4 anxiolytisch (Angst reduzierend),
than und Sevofluran keine CO-Bildung). 4 sedativ-hypnotisch (konzentrationsabhängig
Die Fähigkeit, CO2 zu binden, ist nur begrenzt führen sie zur Sedation bis hin zur Schlaf-
möglich. Das inspiratorische CO2 steigt durch die induktion),
fehlende Elimination im Kreissystem an. Der CO2- 4 anterograd amnestisch (sie nehmen dem
Absorber zeigt durch einen blauen Indikator an, dass Patienten die Erinnerungsfähigkeit; der Patient
er verbraucht ist und muss dann erneuert werden. ist wach, reagiert und beantwortet Fragen adä-
quat, erinnert sich jedoch nicht mehr an das
Gesagte; erklärt wird diese amnestische Wir-
1.4 Arzneimittelrechtliche Probleme kung damit, dass der Patient die Informationen
unter einem Benzodiazepin nicht mehr ins
Nur zugelassene Medikamente, die innerhalb der Kurzzeitgedächtnis abspeichern kann;)
definierten Zulassungskriterien verwendet werden, 4 antikonvulsiv,
sind durch die Gefährdungshaftung des Herstellers 4 muskelrelaxierend auf Rückenmarksebene.
gedeckt. Zulassung bedeutet, die Wirkungen und
Nebenwirkungen eines Arzneimittels wurden für Der REM-Schlaf wird von Benzodiazepinen in rela-
die zugelassenen Kriterien geprüft, z. B. eine be- tiv geringem Umfang unterdrückt, was im Vergleich
stimmte Altersklasse von Patienten, Dosierungen, mit z. B. Propofol zu einem erholsameren Schlaf
galenische Zubereitung, Indikation. Für den Ge- führt.
1.5 · Benzodiazepine
27 1
Zu den anästhesiologisch gebräuchlichen Ben- jNarkoseeinleitung
zodiazepinen zählen (. Tab. 1.1): Midazolam: Diese Indikation ist seit der Einfüh-
4 Midazolam (z. B. Dormicum, Midazolam rung von Propofol sehr selten geworden. Ausnah-
ratiopharm), me: Ketanest wird häufig mit Midazolam kombi-
4 Lorazepam (Tavor) niert, damit der Patient die ketaminbedingten Alp-
4 Flunitrazepam (z. B. Rohypnol), träume (7 Abschn. 1.9) nicht bewusst wahrnimmt.
4 Diazepam (z. B. Valium, Diazepam ratiopharm),
4 Dikaliumclorazepat (z. B. Tranxilium). Dika- jNarkoseführung
liumclorazepat ist ein Prodrug, das heißt es Zur Narkoseführung werden Midazolam und
wird im Körper in das wirksame Diazepam Flunitrazepam selten eingesetzt. Ausnahmen: Mida-
umgebaut. zolam/Ketamin-Narkosen, z. T. Flunitrazepam bei
kardiochirurgischen Eingriffen, immer in Kombi-
nation mit einer hohen Opioiddosierung.
1.5.3 Anästhesiologische Indikationen
für Benzodiazepine jSedation bei diagnostischen Maßnahmen
Midazolam: Wegen seiner anxiolytischen und am-
jPrämedikation nestischen Wirkung wird es noch bei Endoskopien
Hier finden vor allem folgende Medikamente An- im internistischen Bereich eingesetzt, häufig aber
wendung: durch Propofol ersetzt oder mit ihm kombiniert,
4 Midazolam: Die orale Applikation von 7,5 mg sodass die Dosierung der beiden Medikamente re-
führt zu einer Anxiolyse, selten zu einer Seda- duziert werden kann!
tion oder gar Schlafinduktion. Zur speziellen
> Altersabhängige Dosierung beachten!
Situation bei Kindern (7 Abschn. 12.1).
Nach der Einführung von Midazolam zu Beginn der
! Ältere Patienten benötigen eine deutlich
80er-Jahre gab es zahlreiche Tote durch inadäquat
geringere Dosierung! Dosierung halbieren!
hohe Midazolam-Dosierungen bei Endoskopien!
4 Flunitrazepam: Die orale Applikation von Klassischer Fall: Eine 80-jährige Patientin (70 kg)
1–2 mg beim Erwachsenen führt zu einer aus- mit hypovolämischem Schockzustand in Folge einer
geprägten Anxiolyse, Amnesie und Schlaf- Blutung im oberen Gastrointestinaltrakt. 10 mg Mi-
induktion. Der Patient schläft häufig bereits dazolam zur Endoskopie i.v. führten zu Atmungs-
durch die Prämedikation tief ein und wacht und Herzkreislaufstillstand; notwendig zum Errei-
erst nach der Operation wieder auf. Eine chen der Zielsymptomatik (Sedation, Amnesie,
Stunde vor der Operation applizieren! Stressreduktion) wären 1–2 mg i.v. gewesen!
Dosierung Prämedikation Narkoseeinleitung Narkose- Sedation bei Langzeit- Antikonvulsive HWZ nach
(per os) i.v. führung i v. Regionalanäs- sedierung Therapie i v. Bolusapplika-
thesie i v. tion
Midazolam 3,75–7,5 mg 0,05–0,15 mg/kg 0,05 mg/kg 0,03–0,1 mg/kg 0,1–0,3 mg/kg/h 0,1–0,2 mg/kg 2,5 h
(Dormicum)
Dikaliumclorazepat 10–30 mg – – – – – 18 h
(Tranxilium)
Dosierungen für Cave: Alte Patienten Repetitionsdosen Titrierende Metabolite bis
Erwachsene (70 kg) nach ca. 1 h bei Dosierung, bis 96 h wirksam
Midazolam, ca. 2 h Zielsymptom
Cave: Alte Patienten
bei Flunitrazepem erreicht ist
Niedrige Dosis: ältere
Erwachsene
gere Erwachsene
Spezielle Situation
bei Kindern 7 Ab-
schn. 12.1
1.6 · Barbiturate
29 1
jAntikonvulsive Therapie 4 Paradoxe Wirkungen (akute Erregung, Dys-
Mittel der Wahl zur Beendigung generalisierter phorie, Schlafstörungen, Verhaltensstörungen
Krampfanfälle ist heutzutage Lorazepam. Es zeich- mit Aggression, Hyperaktivität) können bei
net sich durch eine hohe Erfolgsrate und eine gerin- Kleinkindern und älteren Patienten auftreten
gere Rate an erneuten Krampfanfällen innerhalb (Diazepam > Flunitrazepam > Midazolam).
der ersten 24 Stunden aus. Die Dosierung beträgt 4 Toleranzentwicklung und Entzugssymptoma-
1–2 mg i.v. oder buccal. tik (bei Langzeitsedierung),
4 Niedrigdosisabhängigkeit bei Langzeit-
behandlung,
1.5.4 Pharmakokinetik 4 anterograde Amnesie (sie ist nicht von jedem
Patienten erwünscht).
Rasche Resorption nach oraler oder rektaler Appli-
kation; die Resorption aus dem muskulären Depot
nach i.m.-Applikation ist etwas verzögert. Benzo- 1.5.6 Kontraindikationen
diazepine unterliegen z. T. einem erheblichen First-
Pass-Effekt, der die Bioverfügbarkeit vermindert. 4 Myasthenia gravis, Muskelhypotonien
Die Metabolisierung erfolgt in der Leber durch 4 Sectio caesarea (vor der Entwicklung des
Demethylierung, Dealkylierung, Hydroxylierung Kindes)
und Glucuronidierung. Die Metabolite von Mida- ! Bei Myasthenia gravis und Muskelhypotonien
zolam und Flunitrazepam sind pharmakologisch kommt es zur Verstärkung der Muskelschwäche!
nicht wirksam, diejenigen z. B. von Diazepam sind
jedoch langanhaltend wirksam. Wegen der eigenen
langen Wirksamkeit und der erheblich längeren 1.6 Barbiturate
Wirksamkeit der Metabolite hat Diazepam in der
Anästhesie, insbesondere in der ambulanten Anäs- 1.6.1 Chemie und Wirkungsweise
thesie, keinen Platz mehr.
Insofern ist es überraschend, dass Dikaliumclo- Barbiturate führen durch Angriff am GABA-Barbi-
razepat noch eine Indikation in der Prämedikation turat-Chloridkanal-Rezeptor-Komplex (andere
besitzt: Es ist ein Prodrug für Diazepam, das im Kör- Bindungsstellen als die Benzodiazepine!) zu einem
per aus Dikaliumclorazepat entsteht. Überzeugend verstärkten Einstrom von Chloridionen und damit
sind das langsame »Anfluten« der Wirkung des Me- zu einer Hyperpolarisation von Nervenzellen. In
dikaments und seine sanfte, schlafanstoßende Wir- höherer Dosierung führen sie unselektiv zur Unter-
kung, was zu seiner weiten Verbreitung im stationä- drückung zentralnervöser Prozesse. Barbiturate
ren Bereich als Prämedikationsmittel geführt hat. heben die Krampfschwelle an (antikonvulsive Wir-
Aufgrund der hepatischen Metabolisierung der kung) und senken im subnarkotischen Bereich die
Benzodiazepine kann es zur Kumulation von akti- Schmerzschwelle (hyperalgetische Wirkung).
ver Substanz und Wirkungsverlängerung bei Leber-
zirrhose kommen.
1.6.2 Klinische Wirkung
Thiopental
Greise 3 mg/kg – –
Methohexital
Greise 1 mg/kg – –
Phenobarbital
folgt), schwere Nieren- oder Leberfunktions- rechterhaltung benutzt wird, kontinuierlich über
1 störung. eine Spritzenpumpe zuzuführen (5–10 mg/kg/h; ab-
hängig von der Zugabe von Opioiden und Lachgas).
Die Plasmaproteinbindung von Propofol be-
1.7 Propofol trägt 98%. Es wird in der Leber teilweise hydroxy-
liert oder konjugiert und vorwiegend als Sulfat oder
1.7.1 Darreichungsformen Glukuronid renal ausgeschieden.
1.7.4 Pharmakokinetik
1.7.7 Unerwünschte Wirkungen
Die Wirkung tritt innerhalb von 10–30 s ein; die
Wirkdauer beträgt 4–6 min. Diese kurze Wirkdauer Unerwünschte Wirkungen können sein:
macht es notwendig, Propofol, wenn es nicht nur zur 4 Herzkreislaufsystem: Hypovoläme und greise
Narkoseeinleitung, sondern auch zur Narkoseauf- Patienten reagieren auf Propofol häufig mit
1.7 · Propofol
33 1
einem starken Blutdruckabfall, der nicht von 4 Petitesse am Rande: Fast alle Patienten wachen
einer kompensatorischen Tachykardie begleitet nach Propofolnarkosen auf und haben einen
ist (Barorezeptor ist gehemmt). Es kommt viel- Juckreiz in der Nase.
mehr häufig zu einer Bradykardie. Ursache des
Blutdruckabfalls ist eine periphere Vasodilata- Nach der Verabreichung von Propofol soll der Pa-
tion. Darüber hinaus wirkt Propofol auch noch tient über einen angemessenen Zeitraum (1–2 h)
negativ inotrop. überwacht werden, er darf wie nach anderen Nar-
4 Atmung: Nach rascher i.v.-Applikation von kosen auch nicht am Straßenverkehr teilnehmen
Propofol ist mit einer Apnoe zu rechnen, des- und Maschinen führen. Er darf nur in Begleitung
halb muss eine Beatmungsmöglichkeit gegeben nach Hause gehen und keinen Alkohol trinken.
sein. Selten Husten, selten Bronchospasmen. > Bakterien vermehren sich in der lipidhaltigen
4 Venenreizung: Schmerzen an der Injektions- Propofollösung sehr rasch. Deshalb darf die
stelle. Die Vorweggabe von Lidocain mindert Lösung nur kurz vor dem Gebrauch aufgezo-
diesen Injektionsschmerz. Dazu wird in die gen werden.
Propofolspritze unmittelbar vor der Injektion
Lidocain aufgezogen. Das im Spritzenkonus Es kam bereits zu schweren Septikämien und septi-
befindliche Lidocain lindert den Schmerz. schem Schock mit Todesfolge, als Propofol ange-
Alternativ kann auch Lidocain vorweg in die wandt wurde, das erst längere Zeit nach dem Auf-
Vene injiziert (Xylocain 0,5 bis 1% 1 ml) und ziehen appliziert wurde. Die Lagerung im Kühl-
dann Propofol nachinjiziert werden. Bei para- schrank ist keine Prophylaxe! Reste von Propofol
venöser Applikation sind schwere Gewebe- müssen verworfen werden und dürfen nicht für den
reaktionen möglich. Die beste Lösung ist die nächsten Patienten benutzt werden!
Vorweggabe der Opioide (z. B. Sufentanil). So-
bald der Patient die Wirkung des Opioids ver-
spürt, tritt kein Injektionsschmerz mehr auf. 1.7.8 Propofol-Infusionssyndrom
> Bei Verwendung von Propofol 0,5% sind
Schmerzen bei der Injektion sehr selten. Aus
Wird Propofol zur Langzeitsedierung angewandt,
diesem Grund hat sich Propofol 0,5% in der
so kann es zum Propofol-Infusionssyndrom kom-
Kinderanästhesie zur Einleitung fest etabliert.
men. Die Symptome sind metabolische Azidose
(Laktatazidose), Hypertriglyzeridämie und Herz-
4 Myoklonien: Die i.v.-Applikation von Propofol kreislaufversagen, Rhabdomyolyse, Hepatomegalie,
führt häufig (1–10%) zu leichten exzitato- sowie Hyperkaliämie. Dieses Syndrom wurde vor
rischen Phänomenen (Spontanbewegungen, allen Dingen bei Kindern beschrieben, die Propofol
Muskelzuckungen). Diesem Phänomen kann zur Langzeitsedierung erhalten hatten, kann jedoch
durch die Vorweggabe von Fentanyl, Sufentanil auch bei Erwachsenen auftreten. Bei einer Langzeit-
oder Alfentanil vorgebeugt werden. infusion von Propofol ist daher immer erhöhte
4 Krampfanfälle: Propofol wirkt antikonvulsiv Wachsamkeit erforderlich (7 Abschn. 18.2.1).
und wird im Status epilepticus eingesetzt.
Selten kann Propofol jedoch wie alle anderen
zentralwirksamen Substanzen auch epilepti- 1.7.9 Kontraindikationen
forme Krämpfe auslösen. Wegen seiner guten
Steuerbarkeit wird Propofol aber dennoch bei 4 Low-Cardiac-Output-Syndrom,
Kindern oder Erwachsenen mit Epilepsie zur 4 Bei Kindern unter 1 Monat zur Narkose,
Narkose eingesetzt. 4 Langzeitsedierung von Kindern in der Inten-
4 Aufwachphase: selten Übelkeit, Erbrechen, sivbehandlung,
Kopfschmerzen. 4 Sojaallergie, Erdnuss- und Eiweißallergie
4 Anaphylaktische Reaktionen auf Propofol (Heutzutage zunehmend umstrittene Kontra-
sind extrem selten. indikationen).
34 Kapitel 1 · Pharmakologie – Grundlagen und klinisch-praktische Details
. Tab. 1.3 Opioide: Klinische Indikationen, Wirkbeginn und -dauer, relative Wirkungsstärke
4 das Lungenödem: Die morphinbedingte Hista- 4 Konstriktion der Sphinkter im Bereich der
1 minausschüttung führt zu einer Vorlastver- Gallenwege,
minderung und damit zu einer akuten Ent- 4 Harnretention durch Tonuserhöhung der
lastung im Lungenödem, gleichzeitig führt die Harnblasenmuskulatur und des Blasenschließ-
Sedation zu einer subjektiven Linderung der muskels,
Atemnot. 4 Thoraxrigidität/Anstieg des Bronchialwider-
standes: Bronchokonstriktion.
jPharmakokinetik
Morphin ist schlecht lipidlöslich. Sein hoher First- jKontraindikationen
Pass-Effekt (30–50%) vermindert seine Bioverfüg- 4 Absolut
barkeit nach oraler Applikation und macht ca. eine 5 Gallenkolik, Ileus, akutes Abdomen
Verdreifachung der oralen Dosis notwendig, um 4 Relativ
den gleichen Effekt wie nach einer entsprechenden 5 Hypothyreose (Myxödem), Gallenwegs-
intravenösen Dosierung zu erreichen. erkrankungen, Prostatahyperplasie
Morphin wird in der Leber glucuronidiert; die 5 Colitis ulcerosa, Phäochromozytom
Metabolite können eine Eigenwirkung haben, ab- 5 Pankreatitis.
hängig von ihrer sterischen Konformation. Das
Morphin-6-Glukuronid hat agonistische Wirkung
wie das Morphin selbst. Bei Niereninsuffizienz 1.11.2 Fentanyl
kann die Akkumulation von Morphin-6-Glukuro-
nid zu morphinartigen unerwünschten Wirkungen jKlinische Wirkungsweise
führen. Hochpotentes Opioid, das 100-mal stärker wirkt als
Morphin.
jApplikationsformen
4 i.v., epidural für postoperative Analgesie, jIndikationen
4 p. o., s. c., epidural und intrathekal in der 4 die Balanced Anaesthesia als Ergänzung der
Schmerztherapie. Inhalationsnarkotika, die nur eine schwach
ausgeprägte analgetische Potenz besitzen,
jDosierung 4 die TIVA als Ergänzung zu Propofol,
. Tab. 1.4 4 die Langzeitanalgosedierung als Ergänzung zu
Midazolam oder Propofol.
jUnerwünschte Wirkungen
4 Übelkeit, Erbrechen, Müdigkeit nur inital, Fentanyl kann eingesetzt werden:
4 Atemdepression (auch bei epiduraler und 4 i.v. zu Anästhesiezwecken und zur Langzeit-
intrathekaler Gabe ist eine Atemdepression zu sedierung,
befürchten! Frühe Atemdepression nach 4 peridural zur postoperativen Schmerztherapie
30 min), und
! Nach epiduraler Gabe späte Atemdepression
4 transdermal zur chronischen Schmerztherapie
bis zu 24 h (!) möglich!
(. Tab. 1.3 und . Tab. 1.4).
Dosierung Balanced i.v. TIVA i.v. Kardio- Postoperative Analgosedierung Peridural Spinal u. p.o. Trans-
anaesthesia chirurgie Schmerztherapie Intensivstation intrathekal dermal
i.v.
1.11 · Opioidanalgetika
Fentanyl 1–5 μg/kg 1–5 μg/kg 5–10 μg/kg – 5 μg/kg/h 0,05– – – 7 Kap. 43
0,1 mg
Tramadol – – – 1 mg/kg – – – – –
Buprenophin – – – 3 μg/kg – – – – –
1 39
40 Kapitel 1 · Pharmakologie – Grundlagen und klinisch-praktische Details
jPharmakokinetik und unerwünschte handen, auf die nur noch ein »top up« im
1 Wirkungen Sinne einer erneuten, dann niedrigeren Piritra-
Die Halbwertzeit von Pethidin beträgt 3–7 h. Pethi- midgabe notwendig ist.
din wird hauptsächlich hepatisch zu Norpethidin
abgebaut, das konvulsive Eigenschaften besitzt. Piritramid ist in Deutschland das meistgebrauchte
Norpethidin wird über die Nieren ausgeschieden. Opioid in der postoperativen Phase (in allen ande-
Eine Niereninsuffizienz kann zu einer Kumula- ren Ländern ist das Medikament nicht zugelassen
tion von Norpethidin führen: Dadurch können und deshalb leider unbekannt).
Krämpfe, Tremor und Muskelzuckungen ausgelöst
werden. Ähnliche Symptome können nach hohen jPharmakokinetik
Dosen beim Entzug vorkommen. Bei gleichzeitiger Piritramid wird überwiegend in der Leber abgebaut,
Gabe von Serotonin-Reuptake-Inhibitoren kann die seine Metabolite werden über den Urin ausgeschie-
Gabe von Pethidin ein Serotonin-Syndrom mit den.
zum Teil deletären Konsequenzen auslösen.
Die übrigen unerwünschten Wirkungen glei- jUnerwünschte Wirkungen
chen denen anderer Opioide; auffällig ist die hohe Die Atemdepression – besonders eine Apnoe – tritt,
Rate an hypotensiven Kreislaufreaktionen und Ta- wenn überhaupt, meist kurz nach der Applikation
chykardie, aber auch an Bradykardie und Erbre- auf; danach sind leicht erhöhte PaCO2-Werte noch
chen. Zeichen der Atemdepression. Übelkeit und Erbre-
chen sind seltener als nach Morphin.
Atmung Augen Muskel- Stufe 3 des Stadiums III notwendig. Stadium III ist
1 tonus auf eine zunehmende Lähmung der Mittelhirnzen-
Reflexe tren zurückzuführen.
Abdominal-M.
Stadien
Stadium IV der Inhalationsnarkose ist gekenn-
Zwerchfell
Bindehaut
Skelett-M.
Schlucken
Sekretion
Hornhaut
Glatte M.
Pupillen
Husten
Thorax
Licht
Lid
laufdepression und maximal geweitete Pupillen. Es
entspricht symptomatologisch dem Bulbärhirnsyn-
I Analgesie
drom (7 Kap. 24); alle vegetativen Zentren sind aus-
geschaltet.
II Exzitation
2. Stufe
Diese Stadienabfolge der Inhalationsnarkose wurde
III
Toleranz von Guedel für die Äthernarkose beschrieben und
3. Stufe gilt streng genommen auch nur für diese Narkose-
form. Im Zeitalter der Balanced Anaesthesia sieht
4. Stufe man diese klassische Abfolge nur noch selten (z. B.
bei der Maskennarkoseeinleitung nicht prämedi-
IV Asphyxie zierter Säuglinge).
. Abb. 1.23 Stadien der Inhalationsnarkose > Die Inhalationsnarkose muss symptomatolo-
gisch als eine unspezifische reversible Unter-
drückung der Hirnfunktionsleistungen
die kortikale Enthemmung und auf die dann un- gewertet werden, die zuerst Großhirn, dann
kontrollierte Aktivität von Reflexzentren im Mittel- Basalganglien, Kleinhirn, Rückenmark und
hirn zurückzuführen. Muskeltonus und Herzfre- schließlich vegetative Zentren (Atem- und
quenz steigen an. Vasomotorenzentrum in der Medulla oblon-
Mit zunehmender Narkosetiefe wird Stadium gata) betrifft.
III erreicht. Dieses ist gekennzeichnet durch stufen-
weise Abnahme der Reflextätigkeit, des Muskelto- Beim Abfluten des Narkotikums werden die einzel-
nus und der Atemtätigkeit sowie durch Zunahme nen Zentren in der umgekehrten Reihenfolge wie-
der Pupillenweite. Ab Stufe 1 des Stadiums III tole- der aktiv.
riert der Patient kleinere Eingriffe. Für größere Ein-
griffe (Eröffnung des Abdomens, des Thorax,
schmerzhafte Eingriffe an den Extremitäten) ist
insofern eignet sich auch Sevofluran nicht zur 4 Postoperative Unruhezustände: Nach Sevo-
1 Anästhesie bei Patienten mit erhöhtem intra- flurannarkosen kommt es insbesondere bei
kraniellem Druck. Kleinkindern gehäuft zu Unruhe. Die intra-
4 CO2-Absorber: Sevofluran reagiert mit dem operative Gabe von Clonidin hilft, diesen
CO2-Absorber, wobei Compound A entsteht. Unruhezuständen vorzubeugen.
Dieses Degradationsprodukt wird ins Blut 4 Maligne Hyperthermie: Auch Sevofluran ist
aufgenommen und zur Niere transportiert, wo eine Triggersubstanz für eine maligne Hyper-
es im Tierversuch zu Nierenfunktionsstörun- thermie (7 Abschn. 9.2).
gen führt. Erhöhte Compound-A-Werte
wurden zwar auch nach Sevoflurannarkosen
beim Mensch gemessen, Nierenschäden wur- 1.12.4 Desfluran (Suprane)
den jedoch selbst mit differenzierten Funk-
tionstests nicht festgestellt. Möglicherweise jPhysikalisch-chemische Charakteristika
schützt ein in den Nierenzellen des Menschen . Tab. 1.5 und . Abb. 1.24:
vorhandenes Enzym, die Betalyase, die 4 Fluorierter Methyläther (ähnlich dem Iso-
menschliche Niere vor einer Schädigung durch fluran, ein Chloridion ist gegen ein Fluoridion
Compound A, in dem es diese Substanz ab- ausgetauscht),
baut. Dennoch sollte man bei Patienten mit 4 stechender, unangenehmer Geruch,
Nierenschädigung die notwendige Vorsicht bei 4 farblose, klare Flüssigkeit,
der Anwendung von Sevofluran walten lassen. 4 nicht explosiv und nicht entflammbar.
! Trockener Atemkalk bei Sevoflurananästhesien!
jWirkungsprofil
5 Bei trockenem CO2-Absorber kommt es zu 4 Gute hypnotische Wirksamkeit,
einer exzessiven Degradation von Sevofluran 4 schwache analgetische Wirkung,
im CO2-Absorber: Hohe Compound-A-, 4 geringe muskelrelaxierende Wirkung.
aber auch -B-, -C-, -D- und -E-Werte kön-
nen entstehen, die Absorbertemperatur steigt jPharmakokinetik
rapide bis auf Werte von 150°C, den Patien- Desfluran flutet aufgrund seines niedrigen Blut-
ten erreicht dann nur wenig Sevofluran, er Gas-Verteilungskoeffizienten (ähnlich wie Lachgas)
schläft schlecht ein oder wacht schnell wie- rasch an und ab. Dadurch ist Desfluran besser
der auf. Berichte über ein thermisches Inha- steuerbar als alle bisher besprochenen Inhalations-
lationstrauma und eine starke Atemreizung narkotika.
sind erschienen (7 Abschn. 1.3). Desfluran ist das am schwächsten wirkende In-
> Die Reaktion von Sevofluran mit dem Atem-
halationsnarkotikum. Deshalb liegt der MAC-Wert
kalk ist stark abhängig vom Frischgasfluss
bei 6,5%, bei Kindern gar bei 9–12 Vol%. Aufgrund
und dem Wassergehalt des Absorbers. Je
seiner physikalischen Eigenschaften ist Desfluran
niedriger der Frischgasfluss, desto stärker ist
über herkömmliche Verdampfer nicht ausreichend
die Reaktion von Sevofluran mit dem CO2-
kontrollierbar zu verabreichen. Es wird deshalb in
Absorber. Deshalb sind in den USA Niedrig-
einem speziellen Verdampfer auf deutlich über
flussnarkosen unter 1 l/min mit Sevofluran
Raumtemperatur erwärmt und dann dem inspirato-
nicht gestattet. Abhängig ist die Compound-
rischen Gasgemisch hinzu gefügt. Desfluran wird
A-Bildung von dem Wassergehalt des CO2-
praktisch nicht metabolisiert (. Tab. 1.5).
Absorbers (Wassergehalt normalerweise
jUnerwünschte Wirkungen
14–18 g/l).
4 Atmung: Wie alle Inhalationsnarkotika wirkt
4 Leber: Leberzellnekrosen sind auch nach Desfluran atemdepressiv. Darüber hinaus führt
Sevoflurannarkosen beschrieben. Der Ent- es zu erheblichen Atemwegsirritationen, wenn
stehungsmechanismus ist ungeklärt. man die Narkose als Maskennarkose mit
1.13 · Muskelrelaxanzien
49 1
Desfluran einleitet: Wegen des stechenden ischämischen Areals. Bereits Mitte der 80er
Geruches entstehen in hoher Inzidenz Laryn- Jahre konnte gezeigt werden, dass eine Serie
gospasmus, Hustenattacken und Zyanose. kurzer Phasen von Ischämie und Reperfusion
Deshalb muss eine Desflurananästhesie immer vor einer längerdauernden Koronarokklusion
intravenös eingeleitet werden. zu einem deutlich verringerten Reperfusions-
4 Herz und Kreislauf: Die Wirkung auf Herz schaden führt. Dieses Phänomen wurde als
und Kreislauf ähneln denen des Isoflurans. »Ischämische Präkonditionierung« bekannt
Pointiert ist allerdings die Herzfrequenz- und wird unter anderem über eine Aktivierung
steigerung unter Desfluran! Leichter Blut- von ATP-abhängigen Kalium-Kanälen vermit-
druckabfall, leichte negativ-inotrope Wirkung, telt. Ende der 90er Jahre konnte gezeigt wer-
Abfall des peripheren Widerstandes und ins- den, dass diese Kanäle ebenfalls durch die
besondere die beträchtliche Herzfrequenz- Gabe von Isofluran in einer Dosis von 0,5
steigerung belasten die myokardiale Sauerstoff- MAC über mehrere Minuten aktiviert werden
bilanz im Sinne einer Verschlechterung. Bei und eine sogenannte anästhetika-induzierte
Patienten mit koronarer Herzerkrankung sollte Präkonditionierung bedingen. Dieser Effekt
Desfluran nie als Mononarkotikum, sondern lässt sich ebenfalls für Sevofluran und Desflu-
nur mit Opioidsupplementation angewandt ran nachweisen. Aktuelle Richtlinien empfeh-
werden. len den Einsatz volatiler Anästhetika demzu-
4 Zentralnervös: Desfluran hat kein exzitato- folge bei nicht-kardiochirurgischen Eingriffen
risches Potential. Es führt über eine Gefäß- bei Patienten mit erhöhtem Risiko einer myo-
dilatation zu einer vermehrten Durchblutung kardialen Ischämie.
des Gehirns bei gleichzeitig reduzierter Stoff-
wechselaktivität. Es sollte, wie alle anderen
Inhalationsnarkotika, deshalb bei neurochirur- 1.13 Muskelrelaxanzien
gischen Operationen mit Vorsicht eingesetzt
werden. jChemie und Wirkungsweise
4 Leber: Da Desfluran zur Trifluoressigsäure An ihrer Reaktion mit dem postsynaptischen Ace-
abgebaut wird, kann es auch zu einem fulmi- tylcholinrezeptor lassen sich depolarisierende und
nanten Leberversagen führen. Fallberichte nichtdepolarisierende Muskelrelaxanzien unter-
darüber liegen vor. scheiden.
4 Uterus: Auch hier unterscheidet sich Desfluran Ein Vertreter der depolarisierenden Muskelrela-
nicht von den Effekten anderer Inhalations- xanzien ist das Succinylcholin (= Suxamethonium).
narkotika: Uterusrelaxation Chemisch gesehen handelt es sich um eine Verbin-
dung von zwei Acetylcholinmolekülen. Succinyl-
! Uterusatonie!
cholin reagiert mit dem Rezeptor und führt, wie
4 Reaktion mit dem CO2-Absorber: Eine Degra- Acetylcholin, zu einer Depolarisation. Diese wird
dation wie bei Sevofluran findet nicht statt. Die auf den Muskel übertragen, was klinisch an Muskel-
CO-Bildung kann jedoch beträchtlich sein faszikulationen am ganzen Körper nachweisbar ist.
(7 Abschn. 1.3). Die Acetylcholinesterase kann aber Succinylcholin
nicht abbauen. Dies bewirken stattdessen die Pseu-
docholinesterasen im Blut, die eine solch hohe Ab-
1.12.5 Organprotektion durch volatile baukapazität besitzen, dass nur 10–15% des injizier-
Anästhetika ten Succinylcholins die motorische Endplatte errei-
chen. Die Wirkung von Succinylcholin an der mo-
4 Ein nicht unerheblicher Anteil des im Rahmen torischen Endplatte wird dann durch Diffusion in
von Ischämien entstehenden Schadens resul- die Extrazellulärflüssigkeit der Muskelfaser been-
tiert aus der Bildung von reaktiven Sauerstoff- det. In der Zeit bis zum Abbau des Succinylcholins
radikalen im Rahmen der Reperfusion des ist der Rezeptor besetzt und kann nicht auf Acetyl-
50 Kapitel 1 · Pharmakologie – Grundlagen und klinisch-praktische Details
cholin reagieren, auch wenn dies weiterhin aus den jBeurteilung des Muskeltonus nach
1 präsynaptischen Vesikeln abgegeben wird: Der Muskelrelaxation und postoperative
Muskel ist gelähmt. Restcurarisierung
Zu den nichtdepolarisierenden Muskelrelaxan- Klinische Kriterien für einen ausreichenden Mus-
zien zählen Tubocurarin, Alcuroniumchlorid, keltonus nach Muskelrelaxation sind:
Pancuronium, Vecuronium, Rocuronium sowie 4 Kopf und Arme für mindestens 10 sec
Atracurium und Mivacurium. Diese nichtdepolari- anheben,
sierenden Muskelrelaxanzien besetzen den postsy- 4 Hände fest drücken können,
naptischen Acetylcholinrezeptor, ohne die Endplat-
tenmembran zu depolarisieren. Durch diese Hem- Nicht ausreichend ist der Muskeltonus, wenn der
mung wird die Erregungsüberleitung verhindert Patient nur die Augen öffnen kann.
(kompetitive Hemmung). Zu einer Erregungsüber- Einen Muskelrelaxanzienüberhang erkennt
tragung kommt es erst wieder, wenn das nichtdepo- man klinisch an:
larisierende Muskelrelaxans abgebaut ist oder durch 4 hochfrequentem, flachem Atem,
eine hohe Acetylcholinkonzentration aus der Re- 4 Tachykardie und Hypertonus (Stress),
zeptorverbindung verdrängt wird. Eine Antagoni- 4 Atemnotgefühl und
sierung der nichtdepolarisierenden Muskelrelaxan- 4 Unruhe des erwachenden Patienten.
zien kann erfolgen, indem durch Acetylcholineste-
rasehemmung die Konzentration von Acetylcholin Die postoperative Restcurarisierung (PORC)
am Rezeptor erhöht und dadurch das Muskelrela- 4 beinträchtigt die Schutzreflexe (Husten, Schlu-
xans verdrängt wird. cken),
Während nichtdepolarisierende Muskelrela- 4 kann zu einer Verlegung der Atemwege führen,
xanzien durch eine Hemmung der Acetylcholines- 4 schwächt die Atemmuskulatur.
terase antagonisierbar sind (7 Abschn. 1.16.3), ge-
lingt dieses bei depolarisierenden Muskelrelaxan- Gefährdet sind die Patienten für postoperative pul-
zien nicht. monale Komplikationen (Atelektasen, Infiltrate auf
der Basis einer Mikroaspiration). Die postoperative
jBesonderheiten Restcurarisierung wird verstärkt durch
Die Muskelrelaxanzien wirken nicht an allen Mus- 4 Inhalationsnarkotika,
keln zur gleichen Zeit: Zuerst werden die kleinen 4 Antibiotika (Aminoglykoside, Tetracycline),
Muskeln von Augen, Fingern, Zehen und Kiefer 4 Betablocker,
gelähmt, danach folgen die Muskeln der Extremitä- 4 Diuretika,
ten, von Hals und Stamm, schließlich die Interkos- 4 Kalziumantagonisten,
talmuskeln und zuletzt das Zwerchfell. 4 Magnesium.
Succinylcholin überwindet in einem minimalen
Prozentsatz die Plazenta, sodass bei der Anwen- Um eine PORC auszuschließen, ist deshalb ein neu-
dung bei einer Entbindung keine negativen Auswir- romuskuläres Monitoring zwingend erforderlich
kungen auf das Neugeborenen beobachtet wurden. (7 Abschn. 6.4).
Die nichtdepolarisierenden Muskelrelaxanzien pas- Lassen sich die Relaxanzien nicht antagonisie-
sieren ebenfalls auch nur in Spuren die Plazenta und ren oder besteht dafür eine Kontraindikation, dann
führen deshalb ebenfalls nicht zu einer Muskelrela- besteht eine Indikation zur Nachbeatmung, bis die
xation beim Neugeborenen. Nebenbei: Es sind bei Wirkung des Relaxanz abgeklungen ist.
der Sectio auch nur sehr geringe Dosierungen an
Muskelrelaxanzien erforderlich. jPharmakokinetik
Bei Succinylcholin wie auch beim Mivacurium
spielt die Metabolisierung die ausschlaggebende
Rolle. Sie ist abhängig vom Enzym Pseudocholines-
terase, das genetisch bedingte Varianten hat. Kli-
1.13 · Muskelrelaxanzien
51 1
nisch relevant sind homozygote Erbträger (Häufig- Phase der Membranstabilisierung (Phase II) abge-
keit < 1:2000). Bei dieser Personengruppe kann die löst, in der diese Substanz wie ein nicht-depolarisie-
Wirkung von Suxamethonium und Mivacurium rendes Muskelrelanxans wirkt.
mehrere Stunden anhalten.
Bei den nichtdepolarisierenden Muskelrelaxan- jUnerwünschte Wirkungen
zien steht Sie betreffen vor allem die Atmung (wenn Succinyl-
4 bei Pancuronium, Alcuroniumchlorid die re- cholin nicht abgebaut werden kann), das Reizlei-
nale Ausscheidung und tungssystem des Herzens, den Kaliumhaushalt (Hy-
4 beim Vecuronium und Rocuroniumbromid die perkaliämie), die Muskulatur sowie die Steigerung
biliäre Exkretion im Vordergrund. des intraokulären und intragastralen Druckes.
. Tab. 1.6 Inzidenz atypischer Cholinesterasen vom Typ 2 (Pseudocholinesterasen), Dibucain-Zahl und Wirkdauer
von Succinycholin und Mivacurium
. Tab. 1.7 Nichtdepolarisierende Muskelrelaxanzien: Dosierung, Onset time, klinische Wirkdauer (Duration 25%),
Erholungsindex
streng auf den Indikationsbereich (starke Schmerzen, ten Jahren wurde ASS im perioperativen
1 Koliken, therapieresistentes Fieber) zu achten! Nicht Bereich großzügig weiter verabreicht, um das
angewendet werden darf es bei Patienten mit Gluco- Risiko kardiovaskulärer Komplikationen zu
se-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel. In seltenen verringern. Die Zunahme des Blutungsrisikos
Fällen kann es auch zu einer schweren anaphylakti- unter 100 mg ASS/Tag wurde allgemein als
schen Reaktion kommen! Die Applikation sollte niedrig eingeschätzt. Ein Absetzen erfolgte
langsam i.v. oder am besten über eine Kurzinfusion nur noch bei Operationen mit hohem Blu-
(20 min) erfolgen; und dies bedeutet jedoch keine tungsrisiko. Aktuelle Daten legen jedoch ent-
Sicherheit, dass eine Anaphylaxie vermieden wird. gegen der bisherigen Annahme eine erhöhte
Inzidenz schwerer Blutungen nahe! Eine
abschließende Beurteilung des Sachverhalts
1.14.3 Acetylsalicylsäure steht momentan noch aus!
(Aspirin, ASS ratiopharm)
Kann wegen eines Notfalleingriffes nicht 5 Tage ge-
jWirkungsweise und Indikation wartet werden, so steht mit Desmopressin (Minirin)
ASS ist ein saures antiphlogistisches und antipyreti- ein Antidot zur Verfügung. Es mobilisiert alle noch
sches Analgetikum und wirkt über eine Hemmung vorhandenen Thrombozyten aus dem Knochen-
der Prostaglandinsynthese. Die analgetische Wir- mark!
kung hilft nur bei schwachen bis mittelstarken ASS hemmt, wie in . Abb. 1.12 dargestellt, die
Schmerzen. Darüber hinaus liegt eine antipyreti- Cyclooxygenase mit der Folge einer verminderten
sche und antiinflammatorische Wirkung vor. Prostaglandinsynthese. Die Arachidonsäure kann
Hauptindikationsfeld ist die ambulante Schmerz- nun in die Leukotrienproduktion umgeleitet wer-
therapie (Zahn- und Kopfschmerzen etc.). In der den. Leukotriene erhöhen den Tonus der Bronchial-
chronischen Schmerz- und Tumorschmerztherapie muskulatur.
wird es seltener adjuvant eingesetzt. > Die erhöhte Leukotrienproduktion kann bei
Patienten mit entsprechender Disposition
jPharmakokinetik und unerwünschte
einen Asthmaanfall triggern.
Wirkungen
ASS wird im Magen resorbiert. Sie wird in den Ma- Die Gabe von ASS bei Kindern mit Varizelleninfek-
genzellen esterolytisch gespalten. Sie reichert sich tion hat gehäuft zu dem Reye-Syndrom geführt. Das
nicht nur in dem sauren Milieu des entzündlichen Reye-Syndrom ist gekennzeichnet durch ein Leber-
Gewebes an, sondern auch in den Magenzellen und zellversagen und konsekutivem Hirnödem.
in den Zellen der Nierentubuli. Nach ASS-Einnah- Wegen der ungeklärten Zusammenhänge zwi-
me kann es zu Magenbeschwerden bis hin zu Ulzera schen ASS-Gabe und Infektionserkrankungen bei
und Blutungen kommen. Kleinkindern gilt die Gabe von ASS im Kleinkin-
ASS hemmt irreversibel die Thromboxansyn- desalter als kontraindiziert.
thetase der Thrombozyten. Man nützt diese uner-
wünschte Wirkung heute weltweit zur antithrombo-
tischen Prophylaxe nach Herzinfarkt und apoplek- 1.14.4 Diclofenac (Voltaren), Ibuprofen
tischem Insult in niedriger Dosierung von 50– (Nurofen-Saft), Naproxen
100 mg/Tag ASS.
jWirkungsweise und Anwendungsbereiche
> Die Thrombozytenfunktion normalisiert sich Diclofenac, Ibuprofen und Naproxen wirken eben-
nach ASS-Gabe erst dann wieder, wenn alle falls über eine Hemmung der Prostaglandinsynthe-
komplett irreversibel gehemmten Thrombo- se. Die analgetische und entzündungshemmende
zyten durch neue, funktionsfähige Thrombo- Wirkung wird vor allem in der chronischen
zyten ersetzt worden sind. Dies ist erst 5 Tage Schmerztherapie genutzt. In den letzten Jahren hat
nach Absetzen von ASS der Fall. In den letz- sich jedoch auch der Einsatz im perioperativen Be-
1.15 · Antiemetika
57 1
reich bei leicht- bis mittelstarken Schmerzen be- jPharmakokinetik und unerwünschte
währt. Wirkungen
Häufig werden Ibuprofen und Diclofenac adju- Celecoxib wird nach Passage des Magens im Dünn-
vant zur Opioidgabe gegeben (Dosierung: Diclofe- darm resorbiert. Es wird in der Leber vorwiegend
nac 2–3 mg/kg; Ibuprofen 10 mg/kg; Höchstdosis über CYP 2C9 metabolisiert, die Metabolite werden
40 mg/kg/Tag). überwiegend über die Leber ausgeschieden. Die hö-
here Inzidenz von Myokardinfarkten und kardio-
jPharmakokinetik und unerwünschte vaskulärer Mortalität bei längerfristiger Einnahme
Wirkungen ist vermutlich ein Klasseneffekt der Coxibe. Bezüg-
Diclofenac wird nach Passage des Magens im Dünn- lich renaler Nebenwirkungen haben COX-2-Inhibi-
darm resorbiert. Es wird in der Leber metabolisiert, toren keine Vorteile gegenüber konventionellen
die Metabolite werden überwiegend über die Nie- nichtsteroidalen Antirheumatika.
ren ausgeschieden. Weitere nichtsteroidale Antirheumatika mit
Prinzipiell können die gleichen Nebenwirkun- gleichartiger Wirkung sind: Parecoxib (i.v., Dynas-
gen wie bei ASS auftreten (z. B. Nachblutung, Hä- tat), Etoricoxib (p.o., Arcoxia).
matombildung, aber auch Nierenschädigung).
Weitere nichtsteroidale Antirheumatika mit
gleichartiger Wirkung sind: Ibuprofen (z. B. Aktren, 1.15 Antiemetika
Nurofen Saft) 10 mg/kg, Tageshöchstdosis 40 mg/
kg, Naproxen (z. B. Proxen). Postoperative Übelkeit und Erbrechen galten bis vor
Bei Patienten mit bekannter Niereninsuffizienz einigen Jahren als das »big little problem«. Heute
oder stark erhöhtem Risiko für ein postoperatives zählt neben der effektiven postoperativen Schmerz-
Nierenversagen sollte auf die Gabe von NSAR kom- therapie die deutliche Reduktion von postopera-
plett verzichtet werden! Aktuelle Daten legen ein tiver Übelkeit und Erbrechen (PONV, postoperative
erhöhtes kardiovaskuläres Risiko unter Einnahme nausea and vomiting) zu den Zielen einer optimier-
von Diclofenac und hochdosiertem Ibuprofen nahe. ten Narkoseführung.
Folgende Erkrankungen gelten aus diesem Grund Zu postoperativer Übelkeit und Erbrechen tra-
als Kontraindikation für die Einnahme: gen mehrere Rezeptorsysteme bei: Serotonin-, Do-
4 Herzinsuffizienz NYHA II-IV pamin-, Muscarin- und Histamin-Rezeptoren. Des-
4 Ischämische Herzerkrankungen halb basiert die Prophylaxe und Therapie von
4 Zerebrovaskuläre Erkrankungen PONV auf Medikamenten, die diese Rezeptoren
4 pAVK beeinflussen.
. Tab. 1.8 Empfohlene Dosierungen für die intravenöse Gabe von Antiemetika (Dosierungen für Kinder sollten die
1 Gesamtdosis für Erwachsene nicht überschreiten)
Substanz Klasse Dosierung für eine intravenöse Dosierung für eine intravenöse
Prophylaxe bei Erwachsenen Prophylaxe bei Kindern
benwirkung von Setronen ist eine Verlängerung des durch seine antiphlogistischen Eigenschaften im
QT-Intervalls, vor allem bei Bolusgaben! Wundgebiet (z. B. nach Tonsillektomien) auch noch
analgetisch.
Die PONV-Prophylaxe wird auf die Beeinflus-
1.15.2 Antihistaminika sung cerebraler Glycocortikoidrezeptoren im
Brechzentrum in der Medulla oblongata zurückge-
Das klassische Antiemetikum für die postoperative führt.
Phase war bislang das Antihistaminikum Dimenhy- Unerwünschte Wirkungen von klinischer Rele-
drinat (Vomex). Da Dimenhydrinat zu den »dirty vanz zeigen sich bei einer einmaligen Dosierung
drugs« zählt, d. h. nicht nur an einem Rezeptor, dem von 150 μg/kg nicht. Eine Ausnahme stellen Patien-
Histaminrezeptor angreift, sondern auch an musca- ten mit schnell wachsenden Malignomen, vor allem
rinergen-, cholinergen- und dopaminergen Rezep- akuten Leukämien und Lymphomen dar! Hier kann
toren, müsste es eigentlich zu den optimalen Anti- schon die einmalige Gabe von Dexamethason zu
emetika zählen. Hier ist der Kliniker häufig etwas einem Tumorlyse-Syndrom mit fatalen Konsequen-
enttäuscht, sodass nicht selten noch ein weiteres zen führen. Eine Applikation ist hier nur nach
Antiemetikum hinzugegeben werden muss. Die Rücksprache mit der Onkologie erlaubt!
Dosierung ist . Tab. 1.8 zu entnehmen.
Unerwünschte Wirkungen sind Mundtrocken-
heit, Harnverhalt und Sedation. 1.15.4 Scopolamin
Anschlagzeit (bis zum Maximaleffekt) mittel (7–10 min) verzögert (12–16 min)
Wirkdauer 60 90
HF Herzfrequenz, RR arterieller Blutdruck, ZVD zentralvenöser Druck, CO »cardiac output«, SVR peripherer Gefäßwider-
stand, PVR Gefäßwiderstand im Lungenkreislauf
jBetablocker, Kalziumantagonisten
Sie führen zu einer
4 Abnahme der Herzfrequenz,
4 Abnahme der Herzmuskelkontraktilität.
65 2
Narkosesysteme
Franz-Josef Kretz, Jürgen Schäffer, Tom Terboven
F.-J. Kretz et al., Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin, Schmerztherapie,
DOI 10.1007/978-3-662-44771-0_2, © Springer-Verlag Berlin, Heidelberg 2016
. Abb. 2.1a,b a Offenes System: Schimmelbusch-Maske für die Verdampfung von Äther; b halboffenes System
66 Kapitel 2 · Narkosesysteme
die Gase frei in den Raum verdunsten können und braucht. Zudem trocknen die Schleimhäute durch
so eine Belastung für das Personal bedeuten. Außer- die trockenen und kalten Gase aus und die Körper-
dem kann die Atmung und die Gasdosierung nicht temperatur kann bei längerer Anwendung ab-
überwacht werden, und der Patient kann nicht be- sinken. Ein Monitoring der Atmung ist nicht mög-
atmet werden. lich. Wenn keine Gasabsaugung angeschlossen
wird, wird die Luft am Arbeitsplatz des Anästhesis-
ten mit Narkosegasen kontaminiert.
2.2 Halboffenes System Die bekanntesten Modelle sind das Kuhn-
system, das Ayre-T-Stück, das Kuhn- und das Am-
Das Frischgas wird dem Patienten über das System bu-paedi-System. Alle Systeme wurden in der
zugeführt, um bei der Exspiration in den freien Kinderanästhesie eingesetzt, haben aber heute nur
Raum abgeleitet zu werden. Ein an den inspiratori- noch historische Bedeutung, da sie durch modifi-
schen Schenkel angeschlossener Beutel fungiert als zierte Kreissysteme (s. u.) ersetzt wurden.
Reservoir und Beatmungsbeutel. Um eine Rückat-
mung des Exspirationsgemisches zu verhindern,
muss der inspiratorische Gas-Flow dreimal so hoch 2.3 Halbgeschlossenes System
sein wie das Atemminutenvolumen.
Der Vorteil dieses Systems liegt darin, dass der Hier wird das Exspirationsgas rückgeatmet, sodass
Atemwegswiderstand durch Ventile entfällt und so- ein Kreislauf des Gasgemisches entsteht. Über ein
mit die Spontanatmung auch bei sehr kleinen Atem- Inspirations- und Exspirationsventil wird die Rich-
zugvolumina nicht durch systembedingte Atem- tung festgelegt. Beim Druck auf den Beatmungs-
arbeit erschwert wird. Daher wurden diese Systeme beutel wird das inspiratorische Gasgemisch dem
häufig in der Kinderanästhesie angewendet. Patienten zugeführt. Das Exspirationsventil ist ge-
Andererseits werden durch den hohen Frisch- schlossen. Lässt der Druck auf den Beutel nach, ist
gasstrom sehr große Narkosegasmengen ver- der Druck in der Lunge höher, sodass das Gas über
2.6 · Respirator
67 2
das Exspirationsventil in den Beutel zurückströmt. langsam ändern lassen, kann das geschlossene
Das Inspirationsventil ist jetzt geschlossen. System nur im Steady-State einer Narkose angewen-
Die Narkosegase werden über die Frischgaszu- det werden. Während der Ein- und Ausleitung muss
fuhr in das Kreissystem eingeleitet, überschüssige auf ein halbgeschlossenes System übergegangen
Gase über ein Überdruckventil in eine Narkosegas- werden.
absaugung abgeführt. Der Beatmungsdruck und
das Atemminutenvolumen werden mit einem
Manometer und einem Volumeter im Kreissystem 2.5 Narkosegasdosierung
bestimmt. Im Einatemschenkel wird die inspirato-
rische, im Ausatemschenkel die exspiratorische Sauerstoff, Lachgas (N2O) und Luft, die mit hohem
Sauerstoffkonzentration gemessen, die Differenz Druck aus einer zentralen Gasversorgung oder aus
ergibt den Sauerstoffverbrauch des Patienten. Das Gasflaschen kommen, werden zunächst nach
ausgeatmete Kohlendioxid wird an den Atemkalk Druckreduzierung dem Messröhrenblock zuge-
im Absorber gebunden. führt. Diese Messröhren sind senkrecht montierte
Die Frischgaszufuhr konnte mit der Einführung Glaszylinder, deren Lumen sich nach oben hin ko-
der halbgeschlossenen Systeme bereits drastisch re- nisch verbreitert. Im Lumen befindet sich jeweils
duziert werden, sodass gegenüber dem halboffenen ein Schwimmer (aus Aluminium oder Kunststoff),
System eine erhebliche Reduzierung des Narkose- der je nach Flow-Stärke nach oben steigt (höchster
gasverbrauches erreicht werden konnte. Flow bedeutet maximale Höhe des Schwimmers in
Heute sind die Kreissysteme sehr dicht, sodass der Röhre). Die Skalierung der Messröhren ist in l/
der Frischgaszufluss auf bis zu 1 l/min (»low flow«) min angegeben. Jedes Gas mit seiner spezifischen
oder unter 1 l/min (»minimal flow«) gesenkt Dichte und Viskosität hat seinen eigenen Schwim-
werden kann. Voraussetzung dafür ist aber, dass die mer (z. B. Kugel oder Konus). Entsprechend der
inspiratorische Konzentration von Sauerstoff und gewählten Dosierung werden die Gase gemischt
Narkosegasen gemessen wird, da diese durch den und als Frischgas über einen Narkosegasverdamp-
extrem hohen Anteil von rückgeatmetem Gas er- fer in das Narkosesystem geleitet.
heblich von der Konzentration im Frischgas ab- Es setzen sich zunehmend neuere Gerät durch:
weicht. Die Sauerstoffkonzentration sinkt ebenso In ihnen wird auf Messröhren verzichtet, und
wie die der Inhalationsnarkotika. Letztere werden Sauerstoff und Lachgas (sofern es überhaupt noch
bei dem niedrigen Gasfluss nicht mehr in der auf benutzt wird), werden elektrisch gesteuert dem
dem Verdampfer angegebenen Menge abgegeben. Kreissystem zugeführt. Im Verdampfer wird unab-
Durch den hohen Rückatmungsanteil wird die hängig von der Umgebungstemperatur und der
Inspirationsluft angewärmt und befeuchtet, ein Durchflussgeschwindigkeit ein volatiles Anästheti-
Vorteil, der der Trachealschleimhaut, vor allem bei kum zugesetzt (7 Abschn. 1.2.1).
längeren Operationen, zugutekommt. Zudem kann
die Ventilation überwacht und durch die Gasab-
saugung eine Kontamination der Raumluft mit 2.6 Respirator
Narkosegasen vermieden werden. Halbgeschlosse-
ne Systeme sind heutzutage Standard. Um bei einer längeren Narkose eine gleichmäßige
Beatmung mit einem definierten Beatmungsmuster
zu sichern und um den Anästhesisten zu entlasten,
2.4 Geschlossenes Narkosesystem wird der Patient mit einem Respirator über das
Narkosekreisteil beatmet. Dieser ersetzt den Beat-
Dem Narkosekreissystem wird nur so viel Frischgas mungsbeutel. Dabei unterscheidet man, abhängig
zugeführt, wie der Patient verbraucht, also haupt- von der Größe, die die Umschaltung von Inspiration
sächlich Sauerstoff. Das System darf keine Leckagen auf Exspiration bewirkt, druck-, volumen-, flow-
haben, und die Gase müssen genau überwacht und zeitgesteuerte Respiratoren. Je nach Aus-
werden. Da sich die Gaskonzentrationen nur sehr stattung des Respirators kann eine Umkehrung des
68 Kapitel 2 · Narkosesysteme
2.7 Beatmungsfilter
Die Narkose beeinträchtigt in all ihren Variationen Der Sauerstofftransport im Blut erfolgt im We-
Atmung und Kreislauf in vielfältiger Weise. Neben sentlichen über das Hämoglobin; ein kleiner Anteil
der Aufgabe, für eine ausreichende Narkosetiefe zu ist physikalisch gelöst. Die Sättigung des Hämoglo-
sorgen, zählt es zu den wichtigsten Pflichten des bins ist abhängig vom arteriellen paO2. Welcher paO2
Anästhesisten, den Gasaustausch in Lunge und Ge- zu welcher Hämoglobinsättigung führt, wird über
webe zu garantieren. die Sauerstoffbindungskurve beschrieben. Diese S-
förmige Beziehung ist von verschiedenen Faktoren
beeinflussbar: Hämoglobin, pH-Wert-Erhöhung,
3.1 Sauerstoff von A bis Z – von Hypothermie, Verminderung des 2,3-DPG-Gehalts
der Alveole bis zur Zelle führen zu einer Linksverschiebung, pH-Wert-Ver-
minderung, Hyperthermie und Zunahme des
Die treibende Kraft für die Sauerstoffaufnahme von 2,3-DPG-Gehalts führen zu einer Rechtsverschie-
der Lunge ins Blut ist der Sauerstoffpartialdruck- bung der Sauerstoffbindungskurve (. Abb. 3.1).
unterschied zwischen Alveole und Arterie (alveo- Für den Sauerstofftransport im Blut ist der
loarterielle-pO2-Differenz = AaDO2). Der alveoläre Sauerstoffgehalt des arteriellen Blutes von Bedeu-
Sauerstoffpartialdruck ist wiederum abhängig tung. Der Sauerstoffgehalt berechnet sich nach der
von der inspiratorischen O2-Konzentration (FIO2 = Formel:
»fraction of inspired oxygen«). Der alveoläre
Sauerstoffpartialdruck beträgt normalerweise CaO2 = Hb ¥ 1,34 ¥ SaO2 + paO2 ¥ 0,0031
142 mmHg.
Dies errechnet sich wie folgt: Der Luftdruck Hb×1,34×SaO2 = chemisch gebundener Anteil
liegt bei 760 mmHg. Davon sind Wasserdampf- paO2×0,0031 = physikalisch gelöster Anteil
druck (47 mmHg) und alveolärer pCO2 (35 mmHg) (vernachlässigbar)
abzuziehen. So verbleiben 678 mmHg. Der Anteil Somit ist der CaO2 vor allem abhängig vom Hb
des Sauerstoffs in der Einatmungsluft beträgt 21%, (multipliziert mit der Hüfner’schen Zahl [1,34])
sodass der alveoläre Sauerstoffpartialdruck (PalvO2) und seinem Sättigungsgrad. Das Hämoglobin im
142 mmHg beträgt. Die normale alveolär-arterielle Blut, multipliziert mit der Hüfner’schen Zahl ergibt
O2-Partialdruckdifferenz beträgt 40 mmHg, sodass die Menge an Sauerstoff, die von einem Gramm
ein arterieller pO2 von 102 mmHg zu erwarten ist. Hämoglobin transportiert werden kann (1 g Hb ×
Dieser arterielle pO2 setzt jedoch normale Ventila- 1,34 = 1,34 ml O2). Beim Gesunden beträgt deshalb
tions- (Gasverteilung in der Lunge) Perfusions- der Sauerstoffgehalt
(Blutfluss in der Lunge) Verhältnisse voraus. Die
treibende Kraft für die Sauerstoffaufnahme ist die 15 g
CaO2 = ¥ 1,34 ¥ 99% = 20 Vol % oder 20 ml / dl
Diffusion. dl
70 Kapitel 3 · Atmung und Herz-Kreislauf in Narkose
. Abb. 3.1 Sauerstoffbindungskurve und Ursachen für eine Links- bzw. Rechtsverschiebung
Die Fähigkeit des Blutes, diesen Sauerstoffgehalt gern die arterio-gemischtvenöse Sättigungsdiffe-
auch zu transportieren, findet ihren Ausdruck in renz an:
der Sauerstofftransportkapazität:
Sauerstofftransportkapazität = Herzzeitvolu- avSO2 = SaO2 - Sv O2
men × arterieller Sauerstoffgehalt (CaO2).
Der Sauerstoffaustausch vom Blut zur Zelle Der gemischtvenöse Sauerstoffgehalt
wird wiederum vom Diffusionsgradienten zwi- 4 nimmt ab bei
schen Blut und Zelle bestimmt. Der pO2 in der Zelle 5 Abnahme des O2-Angebotes,
liegt bei 10 mmHg, sodass zwischen arteriellem 5 Abnahme des HZV (HF p, SVp),
pO2 und der Zelle ein großes Partialdruckgefälle 5 Abnahme des CaO2 (paO2 p, SaO2 p, Hb p),
besteht. 5 Zunahme des O2-Verbrauchs,
Das Blut wird im Gewebe entsättigt. Das venöse 5 Mikrozirkulation n,
Blut hat einen pvO2 von 38 mmHg, was einer Sätti- 5 Zellstoffwechsel n;
gung von etwa 75% entspricht. Der Sauerstoffgehalt 4 nimmt zu bei:
beträgt demnach im venösen Blut 15 ml/dl. 5 Zunahme des O2-Angebotes,
Die Differenz von arteriellem und gemischtve- 5 Zunahme des HZV (HF n, SV n),
nösem Sauerstoffgehalt (A-vDO2 = CaO2 – C vO - 2) 5 Zunahme der CaO2 (paO2 n, SaO2 n, Hb n),
beträgt demnach 5 ml/dl. 5 Abnahme des O2-Verbrauches,
Da man den Sauerstoffgehalt des Blutes nicht 5 Mikrozirkulation p,
kontinuierlich messen kann, dafür aber eine konti- 5 periphere Shunts n,
nuierliche Messung der gemischtvenösen Sättigung 5 Zellstoffwechsel p.
in der A. pulmonalis möglich ist, gibt man auch
3.3 · Beeinflussung des Gasaustausches durch die Anästhesie und Operation
71 3
Die Entsättigung ist stark organspezifisch. Die 5 Fehlintubation in den Ösophagus,
arteriovenöse Sauerstoffgehaltsdifferenz eines 5 Verlegte Atemwege etc.
Organs ist nach dem Fick-Prinzip abhängig von 4 Inhalationsnarkotika: Sie haben einen zentral
dem Sauerstoffverbrauch und dem Blutvolumen, atemdepressiven Effekt (7 Kap. 1.3), und sie
das das Organ/Zeiteinheit durchfließt: verändern über eine Verminderung des
Muskeltonus die funktionelle Residualkapazi-
VO2 = (CaO2 - CvO2 ) ¥ Q tät (FRC).
4 Opioide: Sie vermindern ebenso die funk-
wobei VO2 der Sauerstoffverbrauch ist und Q die tionelle Residualkapazität und haben einen
Organdurchblutung. zentralen atemdepressiven Effekt bis hin zur
So kommt es im Herzen zu einer Entsättigung Apnoe (7 Abschn. 1.11).
des Blutes um 70%(SvO2 = 30%), im Gehirn um 4 Muskelrelaxanzien: Unter dem Einwirken der
40%(SvO2 = 60%), in der Niere um 10%(SvO2 = 90%) Muskelrelaxanzien sistiert nicht nur die
und im Gastrointestinaltrakt um 25%(SvO2 = 75%). Atmung, es schiebt sich auch das Zwerchfell
Der Sättigungswert in der V. cava superior liegt des- nach kranial; dies hat eine Verminderung der
halb bei 60%, in der V. cava inferior bei 80%. FRC zur Folge. Außerdem kommt es zu Venti-
lations-/Perfusionsstörungen: Der bei Rücken-
lagerung oben liegende Lungenanteil wird
3.2 Elimination des CO2 physiologischerweise schon besser belüftet,
aber schlecht perfundiert, unter Muskelrelaxa-
Das Kohlendioxid (CO2) als ein Stoffwechsel- tion und positiver Druckbeatmung wird diese
produkt der Zelle erhöht den pCO2 des arteriellen schon bessere Belüftung nochmals verbessert.
Blutes (Pa CO2 = 5,3 kpa = 40 mmHg) auf den venö- Die unten liegenden Lungenpartien – in
sen Wert des pvCO2 von 6,27 kpa = 47 mmHg. Der Rückenlage bereits schlechter belüftet, aber
Hauptanteil des CO2 gelangt in die Erythrozyten, besser perfundiert – werden unter Muskel-
wird dort physikalisch gelöst und chemisch ge- relaxation noch schlechter belüftet, sodass die
bunden (CO2 + H2O wird zu HCO3– + H+). Im Ventilations-/Perfusionsstörungen verstärkt
Austausch mit Cl– verlässt dann das HCO3– die werden.
Erythrozyten. Die entstehenden H+-Ionen werden 4 Lagerung: In Rückenlage wird das Zwerchfell
über das Hämoglobin abgepuffert. In den Lungen- etwa 5 cm durch die Eingeweide nach oben
kapillaren verläuft die Reaktion in die Gegenrich- verschoben. Dies reduziert die FRC und führt
tung. zu den oben genannten Ventilations-/
Perfusionsstörungen. In Seitenlage wird die
obere Lunge gut ventiliert, aber schlecht
3.3 Beeinflussung des Gasaus- perfundiert. Bei der unteren Lunge ist es um-
tausches durch die Anästhesie gekehrt: gute Perfusion, schlechte Ventilation.
und Operation Folge: oben vermehrte Totraumventilation, un-
ten vermehrte Shunt-Durchblutung; dies führt
3.3.1 Sauerstoffaufnahme zur Verminderung der Sauerstoffaufnahme.
von einer Hypoxämie. Während der Narkose kann transportiert; bei unveränderter Respiratorein-
es zu erheblichen Störungen des Sauerstofftrans- stellung kommt es zu einer Abnahme des
ports kommen. paCO2),
4 Hyperventilation des Patienten bei zu flacher
jUrsachen Narkose,
4 Hb-Abfall durch Blutverluste, 4 Abnahme der CO2-Produktion bei langen
3 4 Sättigungsabfall durch mangelhaftes Sauer- Inhalationsnarkosen.
stoffangebot,
4 Beeinflussung der Sauerstoffbindungskurve jFolgen der Hypokapnie (paCO2 p)
durch 4 respiratorische Alkalose,
5 Hypoventilation (PaCO2 n→ pH p→ Rechts- 4 Linksverschiebung der Sauerstoffbindungs-
verschiebung der Sauerstoffbindungskurve) kurve,
oder 4 zerebrale Vasokonstriktion mit Minderdurch-
5 Hyperventilation (PaCO2 p→ pH n→ Links- blutung,
verschiebung). 4 koronare Vasokonstriktion mit Minderdurch-
4 Herzminutenvolumenabfall durch blutung,
5 narkotikabedingte Herzinsuffizienz, 4 vermindertes Herzminutenvolumen,
5 Blutverluste, 4 Hypokaliämie durch Kalium-Verschiebung
5 ischämisch oder septisch bedingte Herz- nach intrazellulär.
insuffizienz.
jUrsachen einer paCO2-Erhöhung
4 atemdepressive Wirkung der Inhalations-
3.3.3 Sauerstoffverbrauch narkotika (Stadium III 1–4, IV),
4 atemdepressive Wirkung der Opioide (Hypo-
Die Inhalationsnarkotika vermindern den Sauer- ventilation; niedrige Atemfrequenz, niedriges
stoffverbrauch des gesamten Körpers. Insbesondere Atemminutenvolumen),
der Sauerstoffverbrauch des Gehirns nimmt ab. 4 Wirkung der Muskelrelaxanzien; insbesondere
Dies ist auch nachgewiesen bei den Barbituraten auch in der abklingenden Phase: Tachypnoe →
und bei Propofol. Totraumventilation; ineffektiver Gasaustausch
führt zu paCO2-Anstieg,
4 falsche Einstellungen des Respirators (Atem-
3.3.4 CO2-Elimination frequenz zu niedrig und/oder Atemzug-
volumen zu niedrig),
Die Störungen der CO2-Elimination können sowohl 4 Anstieg der CO2-Produktion (z. B. bei ma-
als Hyperventilation wie auch als Hypoventilation ligner Hyperthermie, bei Fieber, beim Kälte-
erheblichen Einfluss auf das Herz-Kreislauf-System zittern),
wie auch den Säure-Basen-Haushalt ausüben. 4 bei verbrauchtem CO2-Absorber im Kreis-
system.
jUrsachen einer paCO2-Veminderung
4 Fehleinstellungen des Respirators (zu hohe jFolgen der Hyperkapnie (paCO2 n)
Atemfrequenz und/oder Atemzugvolumen), 4 respiratorische Azidose,
4 Hypotension und vermindertes Herzzeitvolu- 4 Hyperkaliämie durch Kaliumverschiebung
men (Mechanismus: geringerer CO2-Transport nach extrazellulär,
von der Peripherie zur Lunge, wo das wenige 4 Rechtsverschiebung der Sauerstoffbindungs-
CO2 dann bei unveränderter Respiratorein- kurve,
stellung abgeatmet wird), 4 zerebrale und koronare Vasodilatation,
4 Hypothermie (Mechanismus: weniger CO2 4 gesteigertes Herzzeitvolumen.
wird produziert; weniger CO2 wird zur Lunge
3.4 · Herz-Kreislauf-Funktion
73 3
Narkoseeinleitungsmittel
Thiopental n + p p p (p) n
Methohexital n – p p p (p) n
Etomidat –a –a –a – – – –
Ketamin nn – nn pb n nn nn
Inhalationsnarkotika
Isofluran n – p (p) p p p
Neuroleptika n – p – – p n
Muskelrelaxanzien
Vecuronium – – – – – – –
Pancuronium n – – – – – –
Lokalanästhetika p – p – – p –
a bei der Intubation kann es ohne die vorherige Gabe von Fentanyl zu HF, RR-Anstieg und Rhythmusstörungen
kommen;
b wird durch sympathoadrenerge Effekte überspielt
Präoperative Vorbereitung
Franz-Josef Kretz, Jürgen Schäffer, Tom Terboven
F.-J. Kretz et al., Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin, Schmerztherapie,
DOI 10.1007/978-3-662-44771-0_4, © Springer-Verlag Berlin, Heidelberg 2016
Die präoperative Vorbereitung umfasst die Präme- 4 nach der Narkose starke Schmerzen aushalten
dikation und das präoperative Check-up im Opera- und möglicherweise erbrechen zu müssen.
tionssaal.
Häufig bestehen bei der Prämedikationsvisite Ängs-
te bezüglich der Phase danach und dies insbeson-
4.1 Prämedikationsvisite dere bei bösartigen Erkrankungen: Habe ich Krebs?
Wie weit ist er fortgeschritten?
4.1.1 Ziel der Prämedikationsvisite Der Anästhesist sollte sich ausreichend Zeit
nehmen, auf diese Ängste einzugehen. Dies ist in
Der Anästhesist möchte Zeiten enger Personalbudgets häufig nicht mehr
4 den Patienten und seine psychische und möglich. Ein weit größeres Problem entsteht daraus,
physische Belastbarkeit kennen lernen, dass ein Großteil der Patienten ambulant in einer
4 eine vertrauensvolle Beziehung zu ihm auf- Patientensprechstunde gesehen wird. Es ist zwar
bauen und auf seine Ängste eingehen von großem Vorteil, wenn in ausreichendem zeitli-
können, chem Abstand zur Operation die notwendigen Be-
4 Informationen über die Art des operativen funde bzw. früheren Arztbriefe noch angefordert
Eingriffs und die Vorerkrankungen werden können. Nachteilig ist jedoch, dass man
erhalten, sehr selten die Chance hat, seinen Patienten, den
4 den Patienten untersuchen, man narkotisieren soll, vorher zu sehen.
4 das Narkoserisiko abschätzen können, Umso wichtiger ist es, dass die Kommunika-
4 den Patienten über das Narkoseverfahren und tionsstrukturen in der Klinik stimmen, damit
seine Risiken aufklären sowie keine wesentlichen Informationen über den Patien-
4 eine adäquate Prämedikation verordnen, ten verlorengehen. Im Übrigen: Wenn immer es
4 schmerztherapeutische Maßnahmen für die möglich ist, sollte man versuchen, den Patienten
postoperative Phase vorstellen. noch vorher zu sehen und nicht erst im grünen OP-
Anzug.
Inhaltlich steht bei den Ängsten des Patienten vor > Der Patient interessiert sich nicht dafür, ob
allem im Vordergrund, der Blutdruck während der Operation, wenn
4 nicht mehr aus der Narkose aufzuwachen, auch mit Mühen, im Normbereich gehalten
4 vor dem Erreichen einer ausreichenden werden konnte, sondern wie der Anästhesist
Narkosetiefe bereits operiert zu werden, ihm als Mensch begegnet und ob er ihm den
4 die Narkose wegen des »schwachen Herzens Weg zu Narkose und Operation erleichtert.
oder Kreislaufs« nicht zu überstehen,
4 während der Narkose zu erwachen bzw.
unkontrolliert Dinge zu tun oder unbewusst
Aussagen zu machen, die niemanden etwas
angehen, sowie
78 Kapitel 4 · Präoperative Vorbereitung
. Abb. 4.1a,b a Aufklärung Erwachsene und Jugendliche. (Mit freundlicher Genehmigung der DIOmed in Thieme Compli-
ance GmbH) b Anästhesie-Ausweis (mit freundlicher Genehmigung der DGAI)
80 Kapitel 4 · Präoperative Vorbereitung
b1
b2
Eine Endokarditisprophylaxe erfolgt nach aktuellen Leitlinien nur noch bei Hochrisiko-Patienten und gleichzeitigem
Hochrisiko-Eingriff
Hochrisiko- - Zahnbehandlungen, bei denen es zu Blutungen der Gingiva oder Mukosa kommen kann;
Eingriffe - invasive Prozeduren am Respirationstrakt bei bestehender Infektion
- alle gastrointestinalen oder urogenitalen Eingriffe, bei denen perioperativ eine Antibiotikagabe
indiziert ist;
- dermatologische oder muskuloskelettale Eingriffe mit begleitender Infektion;
- kardio- oder gefäßchirurgische Eingriffe mit Implantation von Fremdmaterial.
Antibiotika zur - Ampicillin oder Amoxicillin 50 mg/kg KG i.v. (max. 2 g) 30-60 Minuten präoperativ.
Endokarditis- - Alternativ Cephalexin (Kinder) 50 mg/kg (max. 2 g) oder Cefazolin bzw. Ceftriaxon 50mg/kg
prophylaxe (max. 1 g)
- bei Penicillinallergie: Clindamycin 50 mg/kg (max. 600 mg)
- bei multiresistenten Keimen Rücksprache mit einem Mikrobiologien
Wird perioperativ beim Diabetes so empfiehlt sich als einfache Insu- ven Operation abgesetzt werden
mellitus Typ I Glukose und Normalin- lindosierung: muss. Aufgrund neuerer Daten
sulin infundiert, so ergeben sich 5 BZ <200 mg/dl 8–12 E Normal- erscheint die perioperative Weiter-
stabilere Stoffwechselverhältnisse. insulin führung einer Metformin-Therapie
Bewährt hat sich folgendes Vorge- 5 BZ <300 mg/dl 12–16 E Normal- allerdings weitaus weniger riskant
hen: Der Patient erhält perioperativ insulin als bisher angenommen. Viele Anäs-
Glukose 10%, präoperativ wird die 5 BZ >300 mg/dl 16–20 E Normal- thesisten bestehen daher aktuell
4 Hälfte der Tagesdosis an Insulin s.c. insulin nicht mehr auf ein perioperatives
injiziert. Als Alternative bieten sich Pausieren der Therapie. Liegen aller-
2 bis 4 Einheiten Normalinsulin i.v. Die Einnahme von Metformin geht dings Risikofaktoren für das Auf-
pro Stunde über einen Perfusor an. prinzipiell mit einem erhöhten treten einer Laktatazidose unter
Wichtig ist selbstverständlich die in- Risiko für schwere Laktatazidosen Metformin vor, (schwere Nierenin-
termittierende (stdl.) perioperative einher. Aus diesem Grund galt bis suffizienz, Leberinsuffizienz) sollte
Blutzuckerkontrolle. Steigt der Blut- vor einigen Jahren die Lehrmeinung das Medikament weiterhin 48h
zuckerwert über den Normwert an, das Metformin 48h vor einer elekti- präoperativ pausiert werden.
und die Neigung zu Hypersalivation und Sekret- 4 die intensivierte konventionelle Insulintherapie
bildung in der Trachea. Besonders die Intubation (ICT): der Basisbedarf wird über ein Lang-
kann bei diesen Patienten Traumen setzen, die – zeitinsulin abgedeckt, die Mahlzeiten mit
selbst bei regelhaftem, schonendem Vorgehen – zu Normalinsulin;
einer Läsion der Trachealschleimhaut, postoperati- 4 die kontinuierliche subkutane Insulininfusion
vem Stridor und Laryngospasmus führen sowie im über Pumpen mit intermittierender pumpen-
schlimmsten Fall zur Tracheotomie zwingen kön- gesteuerter Bolusapplikation ist ein neues
nen (extrem selten). patientenfreundliches Konzept.
Ausgenommen von dieser Kontraindikation
sind Kinder mit andauernder chronischer Bronchi- Darüber hinaus gibt es den diätetisch und medika-
tis. Häufige Ursache dafür ist eine hyperplastische mentös eingestellten Diabetes mellitus Typ II.
Rachenmandel; hier ist eine Operation notwendig, Beim Diabetes mellitus Typ II müssen nur eng-
damit das Kind infektfrei wird; deshalb ist der maschig perioperativ (2 h) der BZ gemessen und
chronische Infekt keine Kontraindikation für eine BZ-Spitzen mit Normalinsulin abgefangen werden.
Narkose. Sie sollte aber von einem erfahrenen An- Postoperativ wird nach Nahrungsaufbau wieder die
ästhesisten durchgeführt werden. medikamentös oder diätetisch pointierte Therapie
fortgesetzt.
jStoffwechsel Beim Diabetes mellitus Typ I ist ein spezielles
Wichtig ist vor allem, einen möglichen Diabetes Vorgehen angezeigt. (Details siehe Praxisbox).
mellitus, seine Folgeerkrankungen und die Art und Der Diabetiker sollte prinzipiell an 1. Stelle im
die Dauer der Behandlung zu erfragen. OP-Programm stehen, um die Zeit der Nahrungs-
Die Therapie des Diabetes, insbesondere des karenz möglichst kurz zu halten. Hat er einen Infekt
Diabetes Typ I hat mit Verzögerungs-, Intermediär-, bzw. Abszess aufgrund der beeinträchtigenden pe-
Langzeit- und Kombinationsinsulinen eine derarti- ripheren Durchblutung z. B. am Fuß, so muss er
ge Differenzierung erfahren, dass es für den Anäs- freilich an die letzte Stelle im OP-Programm. Hier
thesisten als Nichtfachmann schwierig ist, den ist dann eine engmaschige BZ-Kontrolle schon prä-
Überblick zu wahren. Prinzipiell gibt es bei Diabe- operativ notwendig.
tes mellitus Typ I
4 die konventionelle Insulintherapie (DIT): 2–3 jLeberfunktionsstörungen
Injektionen/Tag mit Intermediär- oder Kombi- Von Bedeutung sind die akute und chronische He-
nationsinsulin und starrem Mahlzeitregime; patitis, die Cholestase und die Zirrhose. Bei einer
4.1 · Prämedikationsvisite
85 4
akuten Hepatitis wird man elektive Eingriffe ver- xanzien wie Rocuronium (anaphylaktischer Schock
schieben und, wenn operative Eingriffe notfall- möglich), bei Atracurium und Mivacurium sind
mäßig notwendig sind, auf Inhalationsnarkotika geringgradige allergische Reaktionen häufig (Haut-
mit Ausnahme von Sevoflurane verzichten. Bei rötung durch Histaminausschüttung, 7 Kap. 1.13.2)
chronischen Leberschäden ist auf eine verlängerte
Wirksamkeit von Medikamenten mit einer großen jMuskelerkrankungen
hepatischen Clearance (z. B. Thiopental, Metho- Zu eruieren ist u. a. das Vorliegen einer dystrophen
hexital) zu achten. Bei all diesen Patienten ist eine Muskelerkrankung (M. Duchenne, M. Becker-
umfassende Leberfunktionsdiagnostik (Enzyme, Kiener).
Gerinnung etc.) notwendig. ! Bei dystrophen Muskelerkrankungen
besteht Gefahr der malignen Hyperthermie
jNiere
und Rhabdomyolyse! Daher sind Trigger-
Patienten mit vorbestehender Niereninsuffizienz substanzen zu vermeiden!! Keine Inhalations-
haben ein deutlich erhöhtes Risiko für perioperative narkotika, kein Succinylcholin!
kardiovaskuläre Komplikationen. Den Anästhesis-
ten interessieren besonders Nierenerkrankungen Auch eine myotone Muskelerkrankung (Myotonie
mit funktionellen Störungen. Dazu zählen die Curschmann-Steinert) muss ausgeschlossen wer-
4 präterminale Niereninsuffizienz: ansteigende den.
Retentionswerte, verminderte Urinaus-
> Maligne Hyperthermie (7 Abschn. 9.2),
scheidung und
Rhabdomyolyse, Cave: Succinylcholin
4 terminale Niereninsuffizienz: Anurie/Oligurie
(7 Abschn. 1.13.1),
mit hohen Retentionswerten oder normaler
Urinfluss mit gestörter Konzentrationsfähig-
keit der Niere. jGerinnungsstörungen
Liegen angeborene Gerinnungsstörungen vor, z. B.
Wichtige anamnestische Fragen Hämophilie A oder B oder das Von-Willebrand-
(bei dialysepflichtigen Patienten) Syndrom? Bestandteil der präoperativen Evaluation
5 der täglichen Flüssigkeitszufuhr sollte auch die Frage nach einer erhöhten Blutungs-
5 der bestehenden Restausscheidung neigung sein (spontane Hämatome, Nasenbluten,
5 der Lage des Dialyse-Shunts (an dieser Zahnfleischbluten, verlängerte Menstruationsblu-
Extremität ist das Messen des Blutdrucks tung, Blutungen bei zurückliegenden Operationen)!
nach Riva-Rocci nicht erlaubt, da der Shunt Die Blutgerinnungsstörungen werden heute anam-
dabei schnell thrombosiert!), nestisch durch einen Fragebogen dezidiert abge-
5 dem Zeitpunkt der letzten Dialyse. klärt (. Abb. 4.2).
Notwendig ist bei Vorliegen einer angeborenen
Gerinnungsstörung die Substitution der fehlenden
Präoperativ müssen Kreatinin, Harnstoff, Kalium Gerinnungsfaktoren vor der Operation!
und die Gerinnung (Quick, PTT) bestimmt werden; Wichtig ist auch die Berücksichtigung medika-
diese Werte dürfen erst 2 h nach der letzten Dialyse mentös induzierter Gerinnungsstörungen:
bestimmt werden, da sich erst zu diesem Zeitpunkt 4 Marcumar: 5–10 Tage vorher absetzen; mit
ein Äquilibrium bei den Laborwerten eingestellt hat. niedermolekularen Heparinen ersetzen, wenn
Quick über 50% »Bridging«);
jAllergien 4 Acetylsalicylsäure (Aspirin): nach aktuellen
Latexallergie: Es sollte eine Latexallergie ausge- Empfehlungen nur bei Eingriffen mit
schlossen werden, da diese aufgrund eines drohen- deutlich erhöhtem Risiko 5 Tage präoperativ
den anaphylaktischen Schocks hochgefährlich ist! pausieren
Allergien auf Narkotika bzw. Muskelrelaxanzi- 4 Clopidogrel (Plavix): 10 Tage präoperativ ab-
en: Ein Beispiel ist eine Allergie gegen Muskelrela- setzen
86 Kapitel 4 · Präoperative Vorbereitung
jAnästhesiologische Komplikationen
bei früheren Narkosen
Über Komplikationen bei früheren Narkosen ist der
Patient meist informiert. Häufig hat der Patient
einen entsprechenden Ausweis oder eine Bescheini-
gung erhalten. Ereignete sich die Komplikation im
eigenen Hause so ist es einfach, sich anhand des
Narkoseprotokolls über diese Komplikation zu in-
formieren. Bei Komplikationen in einem anderen
Krankenhaus muss das Narkoseprotokoll von dort
angefordert werden. . Abb. 4.3 Einteilung der Sichtbarkeit von Oropharyngeal-
Bedeutsame Komplikationen: strukturen nach Mallampati. (Aus Larsen 2007)
4 Intubationsschwierigkeiten!!,
4 allergische Reaktionen,
4 maligne Hyperthermie, Wichtig sind darüber hinaus auch Informa-
4 unzureichende Wirksamkeit einer Lokalanäs- tionen über besondere Reaktionen auf Prämedika-
thesie, tionsmittel (z. B. paradoxe Wirkung).
4 verzögertes Aufwachen,
4 Notwendigkeit zur Nachbeatmung,
4 schwerer Blutdruckabfall, 4.1.3 Untersuchung des Patienten
Rhythmusstörungen,
4 Herzstillstand, Zur Untersuchung im Rahmen der Prämedika-
4 allergische Reaktionen. tionsvisite gehören obligatorisch die Auskultation
> Es sollte heute immer bei schwerwiegenden
von Herz und Lunge und die Inspektion der Mund-
Komplikationen ein Anästhesieausweis aus-
höhle (Überprüfung des Zahnstatus im Hinblick
gestellt werden.
auf eventuelle Zahnschäden bei der Intubation und
Intubationshindernisse sowie der Einführung der
Vordrucke (. Abb. 4.1b) liegen vor und erleichtern Larynxmaske).
diese wichtige Aufgabe. Unterlässt es ein Kollege, Zur Beurteilung der Gefahr von anatomisch be-
nach schwerwiegenden Komplikationen einen sol- dingten Intubationshindernissen dient die Prüfung
chen Anästhesiepass auszufüllen, dann nimmt er in des Zeichens nach Mallampati. Der Anästhesist
Kauf, dass der Patient erneut in Gefahr gerät; außer- blickt dem Patienten in den Mund: Sieht man
dem ist dies auch unfair gegenüber dem Anästhesis- Uvula und Gaumenbogen, so spricht man von
ten, der die nächste Narkose bei dem Patienten Mallampati I, hier sind keine Intubationsschwierig-
durchführt; er könnte sich in Kenntnis der Kompli- keiten zu erwarten. Hingegen sind bei Mallampati
kationsmöglichkeiten besser auf die Narkose vorbe- III und IV häufig schwierige Intubationsbedingun-
reiten. gen anzutreffen (. Abb. 4.3).
4.1 · Prämedikationsvisite
89 4
Fakultativ sind die Palpation von Leber (bei zustand schlecht ist oder die unter starken Schmer-
Vorerkrankungen) und Schilddrüse (bei Verdacht zen leiden, sowie dann, wenn sie ausdrücklich keine
auf Trachealverlagerung durch die Schilddrüse) so- Aufklärung wünschen.
wie die Beurteilung der Wirbelsäule bei geplanten Bei Kindern ist die Unterschriftsleistung eines
rückenmarksnahen Leitungsanästhesien. Elternteils notwendig, bei risikoreichen Eingriffen
sind beide Elternteile in die Entscheidung einzube-
ziehen. Sind die Eltern vor Notfalleingriffen nicht
4.1.4 Aufklärung über das Narkose- erreichbar, so wird im mutmaßlichen Sinne von
verfahren Kind und Eltern gehandelt. Jugendliche im Alter
von 14–18 Jahren können selbst einwilligen, wenn
Die Aufklärung des Patienten ist eine humane sie sich der Tragweite des Eingriffes und der dazu
Pflicht, die ihr juristisches Korrelat in dem notwendigen Narkose bewusst sind.
4 Recht auf körperliche Unversehrtheit (§ 223 Probleme entstehen zunehmend wegen
des Strafgesetzbuches: Jeder Heileingriff erfüllt 4 unserer multikulturellen Gesellschaft: fremd-
den Tatbestand der Körperverletzung) und sprachige Patienten müssen mit Hilfe eines
dem Übersetzers aufgeklärt werden, auch wenn sie
4 Persönlichkeitsrecht des Menschen (§ 2 des nicht einsehen, warum dies notwendig ist; es
Grundgesetzes) gelten die Gesetze der Bundesrepublik
hat. Deutschland, wenn diese Patienten hier
> Anästhesie und Operation sind dann kein
versorgt werden;
Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des
4 der Überalterung der Gesellschaft: Viele
Patienten, wenn dieser rechtskräftig in den
ältere Patienten sind aufgrund der Demenz
Eingriff eingewilligt hat. Voraussetzung für
oder auch aufgrund anderer geronto-psychiat-
die Einwilligung ist die Aufklärung.
rischen Erkrankungen nicht mehr einwilli-
gungsfähig. Häufig müssen zuerst aufwendig
Die Aufklärung erfolgt stufenweise nach dem Be- die Betreuer gesucht werden; hier ist es
dürfnis des Patienten. Der Darstellung der Möglich- wichtig, auch nach einer Patientenverfügung
keiten (Regionalanästhesie, Allgemeinanästhesie, zu fragen. Es ist wichtig, dies vorher zu wissen,
Kombination beider Verfahren etc.) folgt die um nicht erst bei eingetretenen Komplikatio-
Aufklärung über die allgemeinen Risiken (Zahn- nen mit einer solchen Patientenverfügung kon-
schäden, Stimmbandschäden bei der Intubation, frontiert zu werden;
Nervenläsionen bei der Regionalanästhesie), so- 4 hoher Scheidungsrate: einwilligungsbe-
dann die speziellen Risiken in Bezug auf den Pa- rechtigt ist bei Kindern der Elternteil, der das
tienten und das Narkoseverfahren. Wenn das Sorgerecht hat.
Narkoseverfahren vereinbart ist – Wünsche des Pa-
tienten sollten, soweit akzeptabel, berücksichtigt
werden –, willigt der Patient durch Unterschrift in 4.1.5 Einteilung in Risikogruppen
das Narkoseverfahren ein. Hilfreich sind hierbei
Aufklärungsbögen, die von Medizinern und Juris- Über die Bedeutung der Einteilung in Risikogrup-
ten gemeinsam entworfen sind und kommerziell pen für den anästhesiologischen Alltag sind hinrei-
angeboten werden (. Abb. 4.1a). chend Zweifel geäußert worden. Dennoch werden
Eine Aufklärung unterbleibt bei Notfallein- in den meisten Kliniken die Patienten in Risiko-
griffen, bei denen das Leben des Patienten von einer gruppen eingeteilt. Es gibt neben der etablierten
sofortigen operativen Intervention abhängig ist Einteilung der American Society of Anesthesio-
(Geschäftsführung ohne Auftrag, rechtfertigender logists (ASA-Einteilung, . Tab. 4.4), zahlreiche
Notstand nach § 34 StGB). Von einer Aufklärung andere Risikoklassifizierungen, die sich in der klini-
kann man aus juristisch und humanitären Gründen schen Praxis nicht durchgesetzt haben. Aus einer
auch bei allen Patienten absehen, deren Allgemein- solchen Risikogruppenzuteilung eine spezielle
90 Kapitel 4 · Präoperative Vorbereitung
Mittleres Intrathorakale und intraabdominelle Wichtig für den Patienten ist auch zu wissen, ob er
Risiko Eingriffe (auch laparoskopisch/thorako-
nach dem Eingriff auf eine Wach- oder eine Inten-
skopisch)
Karotischirurgie sivstation kommt (Differenzierung 7 Kap. 15). Über
Prostatachirurgie eine beabsichtigte Nachbeatmung sollte der Patient
Orthopädische Operationen aufgeklärt sein.
Operationen im Kopf-Hals-Bereich Es ist für viele Patienten beruhigend, darüber
Niedriges Oberflächliche Eingriffe informiert zu sein, dass sie auch postoperativ
Risiko Endoskopische Eingriffe engmaschig überwacht werden und dass alles un-
Mammachirurgie ternommen wird, um Schmerzen ausreichend zu
Kataraktoperation
lindern sowie Übelkeit und Erbrechen vorzu-
*https://www.bda.de/docman/alle-dokumente-fuer- beugen.
suchindex/oeffentlich/empfehlungen/526-praeopera-
tive-evaluation-erwachsener-patienten-vor-elektiven-
nicht-kardiochirurgischen-eingriffen/file.html 4.1.7 Untersuchungsbefunde
12-Kanal-EKG
Anamnestisch auffällig
oder
kardial symptomatisch
Nein Ja
OP mit hohem
4 kardialem Risiko
Kardial Auffällige Schritt-
Symptome Anamnese macher-
(z. B. Ischämie, (>1 kardialer träger
Kein EKG Ödeme, Rhythmus- Risikofaktor)
störung etc.) und
Schrittmacherkontrollen
ICD-Träger kardialem Risiko
bei regelmäßigen
12-Kanal-EKG
Kein EKG
. Abb. 4.4 Empfehlung zur präoperativen Durchführung eines 12-Kanal-EKG. (Aus: Praeoperative Evaluation erwachsener
Patienten vor elektiven, nicht kardiochirurgischen Eingriffen, Anästh Intensivmed 2010;51:S788-S796)
Anamnese für
Erkrankungen
der Halsgefäße
mit Intervention,
Keine mit erfolgreicher ohne
aber erneuter
Sonographie Intervention Intervention
Symptomatik
. Abb. 4.5 Empfehlung zur präoperativen Durchführung einer Sonographie der Halsgefäße. (Aus: Praeoperative Evaluation
erwachsener Patienten vor elektiven, nicht kardiochirurgischen Eingriffen, Anästh Intensivmed 2010;51:S788-S796)
4.1 · Prämedikationsvisite
93 4
Thoraxröntgen/Lungenfunktion*
Anamnestisch auffällig
oder
pulmonal symptomatisch
Nein Ja
Nein
Thoraxröntgen p. a.
ggf. pulmonale
Keine weitere Funktionsdiagnostik
Thoraxröntgen p.a. Diagnostik
. Abb. 4.6 Empfehlung zur präoperativen Durchführung eines Röntgen-Thorax bzw. einer Lungenfunktionsdiagnostik.
(Aus: Praeoperative Evaluation erwachsener Patienten vor elektiven, nicht kardiochirurgischen Eingriffen, Anästh Intensivmed
2010;51:S788-S796)
Resistance n 0
Diese Parameter können mit einem Lungenfunk-
tionsgerät ermittelt werden. Die mit Hilfe des Lungen-
funktionsgerätes gewonnenen Parameter erlauben
es, Atemvolumina und Atemwegswiderstände des Charakteristisch bei einer Störung der Atemwegs-
Patienten in Relation zu den für ihn typischen widerstände (obstruktive Lungenerkrankung) sind
Normwerten zu setzen. eine
4 Abnahme des in einer Sekunde forciert aus-
> Wichtiger als die Lungenfunktionsprüfung geatmeten Volumens (FEV1) und eine
sind präoperativ die arterielle Blutgasanalyse 4 Zunahme der funktionellen Residualkapazität.
und
die pulsoxymetrische Bestimmung der Hinweis auf eine Abnahme der Gasaustauschflächen
O2-Sättigung. (restriktive Lungenfunktionsstörung) sind eine
94 Kapitel 4 · Präoperative Vorbereitung
4.4 Maßnahmen zur Vermeidung Raucher auf die große Gefährdung quoad
perioperativer Komplikationen vitam hinweisen. Zum Nikotinentzug ist die
perioperative Phase jedoch ein ungünstiger
Die präoperative Vorbereitung dient der Prophylaxe Zeitpunkt.
perioperativer Komplikationen.
4.5.1 Geräte
4.5.2 Instrumentarium Obligat ist heute auch, dass in einem OP-Trakt eine
Fiberoptik zur bronchoskopischen Intubation oder
jMasken Videolaryngoskope vorhanden sind.
Es sollten Masken aller Größen verfügbar sein
(Nummer 0; 1; 2; 3; 4) (. Abb. 4.7, 5.2). Darüber ji.v.-Zugänge
hinaus sollten Larynxmasken in allen Größen vor- Je nach Alter müssen i.v.-Zugänge unterschiedlichs-
handen sein (Nr. 1; 1,5; 2; 2,5; 3; 4; 5) ter Größe vorgehalten werden.
98 Kapitel 4 · Präoperative Vorbereitung
c
b
b c
Anästhesieverfahren
und Methoden
der Atemwegssicherung
Franz-Josef Kretz, Jürgen Schäffer, Tom Terboven
F.-J. Kretz et al., Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin, Schmerztherapie,
DOI 10.1007/978-3-662-44771-0_5, © Springer-Verlag Berlin, Heidelberg 2016
5
. Abb. 5.2 Verschiedene Gesichtsmasken, ganz rechts . Abb. 5.3 Oropharyngeal (Guedel, links) und Nasopharyn-
Rendell-Baker-Maske für Kinder geal (Wendl, rechts)
saure Mageninhalt zurückströmt, der dann in die > Galt lange Zeit das Dogma, dass Patienten
Trachea aspiriert werden kann. Diese unzureichen- erst relaxiert werden dürfen, wenn eine Mas-
de Trennung von Luftweg und Gastrointestinaltrakt kenbeatmung suffizient möglich ist, ver-
ist der größte Nachteil der Beatmung über eine schiebt sich die Lehrmeinung bei Patienten
Maske und limitiert das Verfahren. ohne antizipierten schwierigen Atemweg
Um einen guten Abschluss der Maske am Ge- aktuell eher hin zu einer unmittelbaren
sicht zu erreichen, sind verschiedene Maskenfor- Relaxierung nach Narkoseeinleitung. Dieses
men in verschiedenen Größen entwickelt worden. Vorgehen erleichtert die Maskenbeatmung in
Speziell für die Kinderanästhesie gibt es Rendell- der Mehrheit der Fälle ungemein!
Baker-Masken, die dem kindlichen Gesicht ange-
passt sind und einen besonders kleinen Totraum Neben der Narkoseeinleitung ist die Maskenbeat-
haben (. Abb. 5.2). mung nur bei sehr kurzen Eingriffen (unter 10 min)
Um den durch den zurückgefallenen Zungen- indiziert, die in Rücken- oder Steinschnittlage
grund verlegten Atemweg frei zu machen, kann ein durchgeführt werden. Sie ist kontraindiziert, wenn
Oropharyngealtubus, der Guedel-Tubus, eingelegt die Patienten nicht nüchtern sind oder eine Mas-
werden. Er wird mit der Krümmung nach kranial in kenbeatmung aufgrund der Lagerung oder der Ana-
den Mund geschoben und erst beim weiteren Vor- tomie (z. B. Adipositas) des Patienten nicht möglich
schieben mit einer Drehung um 180° richtig posi- ist oder hohe Atemwegsdrücke erfordert.
tioniert (. Abb. 5.3). Ein Nasopharyngeltubus Aus der praktischen Anwendung ergibt sich ein
(Wendl-Tubus) eignet sich nicht zum Freimachen weiterer Nachteil bei der Durchführung der Mas-
des Atemweges während der Maskenbeatmung, kennarkose. Der Anästhesist ist während der ge-
sondern wird in der postoperativen Phase bei be- samten Zeit durch die Haltung der Maske und des
hinderter Spontanatmung eingesetzt. Atembeutels gebunden. Er kann weder den Verlauf
Standard ist die Maskenbeatmung während der der Narkose im Protokoll notieren, noch Medika-
Narkoseeinleitung. Nachdem der Patient einge- mente aufziehen oder irgendwelche anderen Tätig-
schlafen ist und durch das Einleitungsnarkotikum keiten durchführen. Das bedeutet, dass während
ein Atemstillstand eingetreten ist, kann der Patient der ganzen Zeit eine Assistenzperson zugegen sein
vor der Intubation mit Sauerstoff beatmet und da- muss. Wichtig ist jedoch, dass die Maskenbeatmung
durch oxygeniert werden. intensiv gelehrt und geübt wird, damit in jeder Not-
fallsituation eine Beatmung über die Gesichtsmaske
möglich ist.
5.1 · Atemwegssicherung
103 5
Praktisches Vorgehen
5.1.2 Larynxmaske
Praktisches Vorgehen
Praktisches Vorgehen
a b
. Abb. 5.7a,b Laryngoskopie. a Einsetzen des Laryngoskopes neben der Zunge und Bewegung der Zunge zur Seite bei
gleichzeitigem Zurückziehen und Überstrecken des Kopfes. b Lage des Laryngoskopes mit der Spitze im Winkel zwischen
Epiglottis und Zungengrund (Aus Larsen 2007)
kAndere Verletzungen
Vor allem bei der nasalen Intubation kann die
Schleimhaut in der Nase und an der Rachenhinter-
wand verletzt werden. Starke Blutungen aus der
Nase mit der Gefahr der Blutaspiration nach der
5 Extubation können die Folge sein. Der nasale Tubus
kann aber auch die Nasenscheidewand und die
. Abb. 5.8 Cuffdruckmesser
Schädelbasis verletzen.
kCuffhernie
gen werden, damit es nicht aspiriert wird. Ist ein Wird der Tubus bei geblocktem Cuff etwa zur Lage-
Zahn luxiert, so sollte er in einem geeigneten Gefäß korrektur zurückgezogen, so kann der Cuff durch
aufbewahrt werden, bis der Zahnarzt ihn gleich die Trachealwand zurückgehalten werden und sich
oder später reponiert. so vor die Öffnung des Tubus legen, dass diese ver-
schlossen wird. Der Patient ist nicht mehr zu beat-
kTrachealschäden men. Das sofortige Entblocken und erneute Blocken
Wird die Blockungsmanschette zu stark aufge- des Tubus behebt die Verlegung. Bei den modernen
blasen, so wird auf die Trachealschleimhaut ein so Tuben und durch die Kontrolle des Cuffdruckes ist
hoher Druck ausgeübt, dass ihre Durchblutung diese Komplikation extrem selten geworden.
unterbrochen ist. Narben, die zu einer Stenose der
Trachea führen, sind die Folge. Diese Stenosen sind kAuslösung von Reflexen
nur sehr schwer und aufwendig operativ zu behan- Vor allem dann, wenn die Narkose bei der Intuba-
deln. Zur Vermeidung solcher Schäden sind die tion nicht tief genug ist, können Reflexe ausgelöst
modernen Endotrachealtuben mit Niederdruck- werden. Durch eine Vagusinnervation kann es
cuffs ausgestattet, die den Atemweg bereits ab einem zu einer zum Teil extremen Bradykardie kommen,
Cuffdruck von 15 bis 30 cm H2O sicher abschlie- die jedoch mit Atropingaben leicht zu behandeln
ßen. Dieser Druck wird mit dem Cuffdruckmesser ist.
(. Abb. 5.8) gemessen. Wird während der Narkose Das Einsetzen des Laryngoskopes und das Vor-
noch Lachgas verwendet, so soll der Cuffdruck kon- schieben des Tubus kann Husten, einen Laryngo-
tinuierlich gemessen werden, da das Lachgas in den oder Bronchospasmus oder Erbrechen auslösen.
Cuff diffundiert und so der Druck erheblich an-
steigt. Der Cuff muss dann entlastet werden. Auf der
anderen Seite diffundiert während der Ausleitung 5.1.4 Intubation beim nicht
das Lachgas aus dem Cuff, sodass dann der Druck nüchternen Patienten
nicht mehr ausreicht.
Da der Flusswiderstand in der Trachea von der Die Aspiration ist eine der schwersten Komplika-
4. Potenz ihres Radius abhängig ist, machen sich tionen bei der Narkoseeinleitung. Besonders Pa-
schon kleine Stenosen bei Kindern besonders stark tienten, die nicht nüchtern sind oder eine verzöger-
bemerkbar. Klinisches Symptom ist dann ein inspi- te Magen-Darm-Passage wie beim Ileus haben, sind
ratorischer Stridor. Vor allem bei der Benutzung besonders gefährdet. Erwachsene sollten 6 Stunden
eines Führungsstabes kann die Trachealwand vor der Narkoseeinleitung keine Nahrung mehr zu
verletzt werden. Ein Führungsstab sollte daher sich nehmen. Klare Flüssigkeiten sind bis 2 Stunden
möglichst nicht aus der Tubusspitze herausragen. Ist vor der Operation erlaubt. Kinder unter 1 Jahr
5.1 · Atemwegssicherung
109 5
Praktisches Vorgehen
zur Larynxmaske blind in den Pharynx eingeführt. herzustellen und droht der Patient hypoxisch zu
Eine Markierung im Bereich des Schafts zeigt die werden, so muss der Atemweg über eine Konioto-
richtige Einführtiefe an. Der Larynxtubus hat einen mie geschaffen werden.
distalen Cuff, der im Hypopharynx am Eingang des Das genaue Vorgehen in dieser Situation wird
Ösophagus zu liegen kommt, und einen proximalen im Algorithmus »Die schwierige Intubation«
Cuff, der den Pharynx nach oben abdichtet. Zwi- (. Abb. 5.10) beschrieben.
schen den beiden Cuffs sind mehrere Öffnungen, die
bei korrekter Lage vor der Stimmritze zu liegen
kommen. Über diese Öffnungen erfolgt die Beat- 5.2 Allgemeinanästhesie
mung. Die Vorteile des Larynxtubus im Vergleich
5 zur Larynxmaske sind die beschriebene einfachere An ein modernes Allgemeinanästhesieverfahren
Platzierung und die Möglichkeit der Beatmung mit werden folgende Anforderungen gestellt:
etwas höheren Spitzendrücken. Zusätzlich bietet er 1. Erzeugung von
aufgrund des Cuffs im Bereich des Ösophagusein- 5 Narkose
gangs einen etwas besseren, jedoch keinen absoluten 5 Analgesie
Aspirationsschutz. 5 Ggf. Relaxation
2. Geringe Beeinträchtigung der vegetativen
jVideolaryngoskopie Funktionen des Patienten wie Atmung und
Hilfreich sind heute auch Videolaryngoskopie-Ge- Kreislauf
räte (Glidescope; C-Mac etc.), die den schwierigen 3. Technische Sicherheit (z. B. keine Verwendung
Atemweg videoskopisch besser sichtbar machen. explosiver Gasgemische und keine Gefährdung
Man kann mit diesen Geräten quasi »um die Ecke« von Patient und Personal).
sehen.
Moderne Allgemeinanästhesien sind Kombina-
jIntubationslarynxmaske tionsnarkosen: Verschiedene Anästhetika werden
Über diese spezielle Larynxmaske kann ein speziel- für die einzelnen Anforderungen kombiniert und
ler Endotrachealtubus in die Trachea vorgeschoben potenzieren sich in ihren Wirkungen, ohne dass die
werden. Die Larynxmaske kann danach im Rachen Nebenwirkungen zunehmen.
verbleiben oder über den sicher platzierten Tubus
zurückgezogen werden.
5.2.1 Balanced Anaesthesia
jFiberoptische Intubation
Dieses Verfahren ist kein Notfallverfahren. Auf ein Eine Kombination von Inhalationsnarkotika mit
Bronchoskop wird ein Endotrachealtubus aufge- Opioiden wird heute als Balanced Anaesthesia be-
fädelt. Das Bronchoskop wird unter permanenter zeichnet. Durch die Opioide wird die mangelnde
Sicht in der Regel durch die Nase, ggf. aber auch analgetische Wirkung der Inhalationsanästhetika
durch den Mund in die Trachea eingeführt. Dann kompensiert. Dieses ist vor allem dann wichtig,
wird über das Bronchoskop der Tubus in die Trachea wenn auf eine Beatmung mit Lachgas, das eine ge-
vorgeschoben. Meist kommt die fiberoptische Intu- ringe, aber nicht zu vernachlässigende analgetische
bation dann zum Einsatz, wenn von vorneherein Potenz hat, verzichtet wird.
mit einer Situation zu rechnen ist, bei der eine Intu- Zum Einsatz kommen alle lang, mittellang und
bation unmöglich ist. Das praktische Vorgehen ist kurz wirkenden Opioide: Fentanyl, Sufentanil,
daher im 7 Abschn. 13.10 über die Anästhesie für Alfentanil, aber auch zunehmend Remifentanil. In-
die HNO- und MKG-Chirurgie beschrieben. folge der narkotisch wirkenden Komponente der
Opioide kann die Dosierung der Inhalationsnarko-
jKoniotomie tika reduziert werden.
Ist keine Zeit über einen längeren Zeitraum hinweg Die sich gegenseitig potenzierende Wirkung
einen Atemweg mit den zuvor genannten Methoden hält aber auch bis in die postoperative Phase an. Die
5.2 · Allgemeinanästhesie
111 5
Inhalationsnarkotika reduzieren die Leberdurch- ran und Desfluran und dem sehr kurz wirkenden
blutung, sodass der Abbau der Opioide verzögert Remifentanil ist ein sehr gut steuerbares balancier-
wird und ihre Wirkung daher postoperativ anhält. tes Anästhesieverfahren entwickelt worden.
Ein geringerer Analgetikabedarf unmittelbar post-
operativ ist die Folge. Lediglich Remifentanil wird jEinleitungsnarkotikum
unabhängig von der Leber im Blut durch Esterasen Da auch die modernen schnell anflutenden Inhala-
abgebaut. Aufgrund seiner kurzen Halbwertszeit tionsnarkotika eine gewisse Zeit brauchen, bis sie in
muss schon intraoperativ mit einer Schmerzthera- narkotisch wirkender Konzentration im Gehirn an-
pie mit nicht opioidhaltigen Analgetika und lang gelangt sind, wird die Einleitung der Narkose durch
wirkenden Opioiden (z. B. Piritramid) begonnen die Injektion eines kurz wirkenden intravenösen
werden. Narkotikums wie Propofol oder Thiopental abge-
Aber gerade in der Kombination der schnell an- kürzt. Beide Substanzen wirken während der ersten
und abflutendenden Inhalationsnarkotika Sevoflu- Kreislaufzeit. Ihre Wirkung lässt durch Umver-
112 Kapitel 5 · Anästhesieverfahren und Methoden der Atemwegssicherung
Fallbeispiele
Fallbeispiele
verlust und wählen daher eine Regionalanästhesie; dieren entsprechend dem elektrischen Gradienten
andere hingegen entscheiden sich für die Allge- und Konzentrationsgradienten in das Zellinnere.
meinanästhesie nach dem Motto »Nichts hören, Die Kaliumdiffusion aus der Zelle heraus wird zwar
nichts sehen«, aber auch aus Bedenken, im Rahmen durch den Konzentrationsgradienten begünstigt,
einer Spinal- oder Periduralanästhesie eine Injek- jedoch durch die elektrostatischen Kräfte ver-
tion in die Nähe des Rückenmarkes zu bekommen. hindert. Die energieabhängige Natrium-Kalium-
Pumpe gleicht diese Ionenwanderung wieder aus
und hält somit den Konzentrationsgradienten auf-
5.3.1 Physiologie recht (. Abb. 5.11).
der Regionalanästhesie Im Einzelnen heißt dies: Bei der Depolarisation
wird die Membranpermeabilität geändert, indem
Durch die Eigenschaft, Membranpotentiale zu Acetylcholin von einem Speicherprotein freigesetzt
verändern, ist die Nervenzelle darauf spezialisiert, wird, das wiederum Kalziumionen aktiviert und
elektrische Impulse fortzuleiten. Das Ruhepotential diese von einem Rezeptorprotein verdrängt. Da-
wird durch eine hohe intrazelluläre Konzentration durch werden Kanäle in der Zellmembran geöffnet,
von Kaliumionen sowie durch extrazelluläre Natri- durch die Natriumionen in die Zelle ein- und
umionen bestimmt. Diese Natriumionen diffun- Kaliumionen herausströmen. Durch diese Ionen-
5.3 · Regionalanästhesie
115 5
. Abb. 5.11 Das Ruhepotential wird durch den passiven Aus- und Einstrom der Kalium- bzw. Natriumionen und die gegen-
läufige Wirkung der Natrium-Kalium-Pumpe bestimmt
. Abb. 5.12 Bindung der Lokalanästhetika an die Zellmembran der Nervenzelle. (Nach Schmidt 1978)
die Moleküle an die Membran der Nervenzelle Durch Abdiffusion des Kohlendioxids verläuft
fixiert (. Abb. 5.12) und verursachen eine Änderung die Gleichung nach rechts, das Lokalanästhetikum
der Stereometrie der Wandmoleküle, sodass die geht in die nichtionisierte, lipidlösliche Form über
Durchlässigkeit der Ionenkanäle aufgehoben ist. und kann damit durch die aus Lipiden bestehende
Die Lokalanästhetika sind schwach basische Zellmembran diffundieren, um innerhalb der Zelle
Moleküle, die gut lipidlöslich sind und nur als Salze in der Gegenwart von Bikarbonat wieder in die akti-
in wässriger Lösung gehalten werden können. ve Form überzugehen, d. h. die Gleichung läuft hier
Dabei stehen die ionisierte und pharmakologisch nach links. Dies erklärt, warum die Lokalanästhetika
aktive Form und die nichtionisierte im Gleich- in infiziertem, also saurem Gewebe, schlecht wirken,
gewicht: die Wirkung aber, wenn das Milieu etwa durch Zu-
satz von Bikarbonat alkalisiert ist, besser wird. Die-
LA-H+ + HCO3- ප LA + H2CO3 ප LA + ser Effekt wird dadurch verstärkt, dass das CO2 sehr
H2O + CO2 (LA = Lokalanästhetikum) schnell in die Zelle diffundiert und damit auf das
Lokalanästhetikum einen gewissen Sogeffekt ausübt.
Bestimmt wird dieses Gleichgewicht von der Disso-
ziationskonstante Ka, einer substanzspezifischen jMetabolismus
Größe. Ist der negative dekadische Logarithmus Die Wirkdauer der Lokalanästhetika wird zum
dieser Konstante, der pKa-Wert, gleich dem pH- einen durch die Diffusion in die umliegenden Ge-
Wert, so liegen ionisierte und nichtionisierte Form fäße und zum anderen durch die Metabolisierung
in gleicher Konzentration vor (Henderson-Hassel- bestimmt. Die Esterverbindungen werden durch
balch-Gleichung). Dieser pH liegt bei den meisten die Esterasen des Plasmas gespalten, die Amide in
Lokalanästhetika zwischen 7,5 und 9. der Leber abgebaut.
5.3 · Regionalanästhesie
117 5
len AV-Block. Gleichzeitig kommt es zu einer Vaso- medikamentösen (Notfallmedikamente) und per-
dilatation. Im Bereich des zentralen Nervensystems sonellen (Anästhesist und Assistent) Voraussetzun-
führt eine Hemmung der inhibitorischen Neurone gen wie bei der Durchführung einer Allgemeinan-
über motorische Unruhe, Logorrhö, Euphorie, ästhesie vorhanden sein. Die Patienten müssen
Angstzustände bis hin zu klonischen Krämpfen und voruntersucht und prämediziert werden; es gilt das
einer Depression des Atemzentrums. Nüchternheitsgebot.
> Im Falle einer Intoxikation mit Lokalanästhe-
tika sollte, neben der symptomatischen
Therapie (Atemwegssicherung, Kreislauf-
5.3.4 Wichtige Lokalanästhetika
stabilisierung, Behandlung von Krampfan-
jEster
5 fällen), die Gabe einer Lipid-Emulsion
erfolgen. Diese ist in der Lage die lipophilen
Sie haben an der Kette zwischen dem aromatischen
Lokalanästhetika zu binden und damit
Teil und der Aminogruppe eine Estergruppe. Ester
»unschädlich« zu machen. Zusätzlich werden
sind in Lösung wenig stabil und führen häufig zu
weitere Effekte im Bereich der Zellmembran
allergischen Nebenwirkungen. Sie werden deshalb
und intrazellulär vermutet. Dosierung:
heute nicht mehr in der Anästhesie eingesetzt. Bei-
20% Lipid Emulsion,
spiele:
5 initial 1,5 ml/kg (ideales Körpergewicht) 4 Procain (Novocain): schlechtes Penetrations-
5 dann 0,25 ml/kg/min kontinuierlich vermögen ins Gewebe,
5 ggf. Bolus wiederholen 4 Tetracain (Pantocain): schnelle Resorption
5 ggf. Laufrate der Infusion verdoppeln auf Schleimhäuten, Gefahr toxischer Neben-
5 mindestens 10 min nach Erreichen einer wirkungen.
Kreislaufstabilisierung weitergeben
jAmide
Diese haben anstelle der Estergruppe an gleicher
jVerfahrensbedingte Komplikationen Stelle eine Amidgruppe. Sie zeichnen sich durch
Verfahrensbedingte Komplikationen beim Anlegen eine gute Stabilität aus. Allergische Reaktionen sind
der Regionalanästhesie können zu Verletzungen bedeutend seltener als bei Estern.
von Gefäßen oder der Nerven selbst führen. Dane- 4 Lidocain: gutes Penetrationsvermögen, am
ben können Angst und Schmerzen bei unzu- weitesten verbreitetes Lokalanästhetikum.
reichend sedierten Patienten das Verfahren in Miss- Maximale Dosierung: 300 mg ohne bis 500 mg
kredit bringen und in seltenen Fällen eine Hyper- mit Adrenalin (die Maximaldosierungen be-
ventilationstetanie oder Stenokardie hervorrufen. ziehen sich auf ein Körpergewicht von 70 kg).
Eine vagale Reaktion kann auftreten, wenn die 4 Prilocain: wird langsamer resorbiert als
Regionalanästhesie in aufrechter Körperhaltung Lidocain, geringere zentralnervöse Toxizität.
durchgeführt wird. Darüber hinaus kann vor allem Nebenwirkung: Methämoglobinämie bei Über-
bei rückenmarksnahen Leitungsanästhesien eine dosierung. Maximale Dosierung: 400 mg ohne
Sympathikusblockade zu schweren Blutdruckab- bis 600 mg mit Adrenalin.
fällen führen. Als verfahrensbedingte Komplika- 4 Mepivacain: schwächere Wirkung als
tion muss auch die Möglichkeit des in Abhängig- Lidocain, die durch langsameren Abbau und
keit von der Art des Verfahrens unterschiedlich langsamere Resorption kompensiert wird.
häufige Versagen der Regionalanästhesie angeführt Maximale Dosierung: 300 mg mit und ohne
werden. Adrenalin.
Um die vitale Bedrohung des Patienten durch 4 Bupivacain: stärker und länger wirksam als
die Nebenwirkungen im Rahmen einer Regionalan- Lidocain, höhere Toxizität, starke analgetische
ästhesie so gering wie möglich zu halten, müssen bei Komponente, schwache muskuläre Blockade.
der Durchführung der Regionalanästhesie die glei- Maximale Dosierung: 150 mg mit und ohne
chen technischen (Narkose- bzw. Beatmungsgerät), Adrenalin.
5.3 · Regionalanästhesie
119 5
4 Ropivacain: geringere Toxizität als Bupivacain scheiden zu erreichen (axilläre oder interskalenäre
und geringere motorische Blockade. Max. Plexusblockade, N.-femoralis-Block). Leicht wer-
Dosierung: 220 mg mit und ohne Adrenalin. den hier die angegebenen Maximaldosierungen
Wirkdauer wie Bupivacain, ebenso gleiche überschritten. Durch Verwendung weniger toxi-
Wirkstärke. scher Medikamente wie Prilocain oder Ropivacain
kann ein größeres Volumen verwendet werden.
Allerdings ist beim Prilocain die Methämoglobin-
5.3.5 Prämedikation bildung zu beachten.
Ein differenzierter Block lässt sich mit Bupiva-
Zunächst führt der Anästhesist die Prämedikations- cain und Ropivacain erreichen. In Konzentrationen
visite durch und stellt in Abhängigkeit vom Opera- unter 0,5% steht die sensorische Blockade im Vor-
tionsgebiet die Indikation zur Regionalanästhesie. dergrund; je niedriger die Konzentration, desto ge-
Der Patient wird dann über das ausgewählte Ver- ringer ist die motorische Blockade. Dieses macht
fahren informiert. Die Regionalanästhesie ist kon- man sich vor allem in der geburtshilflichen Anäs-
traindiziert, wenn der Patient dieses Verfahren ab- thesie, bei der postoperativen Analgesie, der chro-
lehnt. Auch bei einem Schockzustand (Gefahr nischen Schmerztherapie und bei der Durchfüh-
durch die Sympathikusblockade), bei einer Blut- rung einer Sympathikolyse zunutze. Die Verwen-
ungsneigung (lokales Hämatom) oder bei lokaler dung von iso- oder hyperbarem Lokalanästhetikum
Infektion (Infektionsgefahr und fragliche Wirksam- bei der Spinalanästhesie ist von der individuellen
keit) soll die Regionalanästhesie nicht durchgeführt Vorliebe des Anästhesisten abhängig. Allerdings
werden. Vor allem bei der Durchführung von rücken- muss ein hyperbares Lokalanästhetikum beim Sat-
marksnahen Leitungsanästhesien muss das Gerin- telblock und bei der einseitigen Spinalanästhesie
nungssystem intakt sein. Führend ist die Anamnese angewendet werden; dieses hat seinen Grund darin,
zur Blutungsneigung. Häufig wird jedoch auch ein dass hyperbares Lokalanästhetikum rasch in jene
Gerinnungsstatus mit Quickwert, PTT und Throm- Bereiche »sinkt«, wo es seine Wirkung entfalten soll.
bozytenzahl als Vorbefund verlangt.
5.3.7 Lokalanästhesie
5.3.6 Auswahl des Lokalanästheti-
kums Zur Oberflächenanästhesie stehen Lokalanästhe-
tika als Spray oder Gel zur Verfügung. Sie werden
In Abhängigkeit von der geplanten Operationsdau- z. B. bei der Intubation des wachen Patienten, zur
er und der gewünschten Länge der postoperativen Anästhesie des Mund- und Nasen-Rachen-Raums
Wirksamkeit (z. B. für die postoperative Analgesie) als Spray, bei der Endoskopie oder der Katheterisie-
wird ein kurz oder lang wirksames Lokalanästheti- rung der Blase (in Gelform) eingesetzt. Weit ver-
kum gewählt. Zu den kürzer wirkenden gehören breitet ist auch die topische Lokalanästhesie mit
Lidocain, Mepivacain und Prilocain, zu den lang EMLA, einer Mischung aus Prilocain und Lidocain
wirkenden Bupivacain und Ropivacain. Die Dauer zur schmerzfreien Venenpunktion (u.a. bei Kindern;
der Wirkung kann durch den Zusatz von Adrenalin Cave: Methämoglobinämie!).
verlängert werden, das die Durchblutung des Ge- Bei der intrakutanen Anästhesie wird mit einer
webes drosselt und damit die Abflutung des Lokal- sehr feinen Kanüle oder einer Impfpistole eine
anästhetikums verzögert. Hautquaddel gesetzt. Hiermit soll eine schmerzfreie
Adrenalin darf nicht in Endstrombahngebieten Punktion mit größeren Punktionsnadeln gewähr-
wie bei der Oberst-Leitungsanästhesie am Finger leistet werden. Dieses Verfahren ist die Voraus-
und bei der Peniswurzelblockade eingesetzt werden. setzung für jede schonende Regionalanästhesie.
Bei der Blockade peripherer Nerven müssen Demgegenüber wird bei der Infiltrationsanästhesie
zum Teil sehr große Volumina eingesetzt werden, das Lokalanästhetikum fächerförmig in das Opera-
um ein ausreichendes Auffüllen der Gefäßnerven- tionsgebiet eingespritzt, z. B. Bruchspaltanästhesie,
120 Kapitel 5 · Anästhesieverfahren und Methoden der Atemwegssicherung
Praktisches Vorgehen
Praktisches Vorgehen bei der intravenösen Regionalanästhesie nach Bier (. Abb. 5.13)
5 Vorbereitung, Aufklärung und 5 Anlegen der Blutleere Druck durch die Manschette ver-
Prämedikation wie bei Allge- 5 Ein großer Bolus eines niedrig mindert werden.
meinanästhesie. Venöser Zugang konzentrierten, wenig toxischen 5 Öffnen der Blutsperre erst nach
an der nicht zu operierenden Lokalanästhetikums, z. B. 30–45 min, um eine systemische
Extremität, um eine systemische Prilocain (30 bis 60 ml beim Wirkung des Lokalanästhesti-
Wirkung des Lokalanästhetikums Erwachsenen) wird injiziert kums zu vermeiden.
zu vermeiden. 5 Aufblasen einer zweiten
5 Richten des Equipments Manschette distal der ersten im
5 kleinlumiger venöser Zugang an anästhesierten Gebiet, danach
5 der zu operierenden Extremität, Entlasten der ersten. So kann der
aber nicht im Operationsgebiet für den Patienten unangenehme
Praktisches Vorgehen
Alternativ kann die Punktion unter alleiniger Ver- Zielstruktur im Ultraschallbild dargestellt, kann die
wendung eines Nervenstimulators erfolgen. Diese Punktion erfolgen.
Technik ist in den letzten Jahren aber weitgehend Hierbei gibt es zwei Möglichkeiten der Nadel-
von der Ultraschall-gesteuerten Punktion verdrängt führung: Die sogenannte »in-plane-Punktion«, das
worden. Um eine intraneurale Injektion und damit heißt die Nadel wird in der Längsachse des Ultra-
eine Verletzung des Nervens sowie eine Gefäßpunk- schallkopfs geführt, und die sogenannte »out-of-
tion zu vermeiden, wird eine stumpfe Nadel ver- plane-Punktion«, das heißt die Nadel wird senk-
wendet. recht zur Bildebene geführt (. Abb. 5.14). Vorteil
Wichtig für die Durchführung der peripheren der »in-plane-Technik« ist eine gute Darstellbarkeit
Leitungsanästhesien sind genaue Kenntnisse der der gesamten Nadel, dies ist jedoch technisch mit-
anatomischen Verhältnisse, insbesondere die Lage- unter schwierig und erfordert Übung. In der »out-
beziehungen der verschiedenen Leitstrukturen. Die of-plane-Technik« ist die Darstellung der Nadel-
Leitstrukturen und die Injektionsstelle können mit spitze schwieriger, jedoch ist die Punktion im Ge-
einem Faserstift markiert werden, bevor die Region samten technisch einfacher. Welches der beiden
desinfiziert und abgedeckt wird. Verfahren Verwendung findet, obliegt letzten Endes
dem jeweiligen Anwender. Zur Erhöhung der
Sicherheit kann zusätzlich die Technik der soge-
5.3.10 Ultraschall-gesteuerte nannten »dual-guidance« verwendet werden. Hier-
Regionalanästhesie bei führt man zeitgleich zum Ultraschall über die
Nadel eine Nervenstimulation (s. u.) mit 0,5 mA
Mithilfe eines geeigneten Ultraschallgeräts lassen durch. Ziel ist es hierbei, bei sonographisch korrek-
sich alle zu blockierenden Nerven und Begleitstruk- ter Nadellage KEINE Stimulation des Nerven zu
turen ausreichend gut darstellen. In der Regel ver- erzielen. Damit ist ein ausreichender Sicherheits-
wendet man, aufgrund der höheren Auflösung, abstand zum Nerven gewährleistet und intraneurale
einen Linearschallkopf. Bei tief gelegenen Struktu- Injektionen werden vermieden.
ren ist unter Umständen die Verwendung einer
konvexen Schallsonde hilfreich bzw. notwendig jNervenstimulator (. Abb. 5.15)
(größere Eindringtiefe). Nach Desinfektion der Wenn kein Ultraschall verwendet wird, wird die
Haut erfolgen das sterile Abdecken des Punktions- Treffsicherheit durch den Einsatz eines Nerven-
gebiets und das sterile Beziehen der Ultraschallson- stimulators erhöht. Dabei wird eine Spezialinjek-
de. Bei Anlage eines Katheters ist das Tragen eines tionskanüle über ein Kabel an eine Stromquelle
sterilen Kittels erforderlich. Ist die entsprechende angeschlossen, die mit Frequenz von 1 oder 2 Hertz
122 Kapitel 5 · Anästhesieverfahren und Methoden der Atemwegssicherung
5
a b
. Abb. 5.14a,b Nadelführung in-plane (a) und out-of-plane (b) am Beispiel des Zuganges zum axillären Plexus
jKathetertechniken
Durch den Einsatz von Kathetern kann bei der An-
ästhesie aller großen Nerven eine dauerhafte Blo-
ckade erreicht werden. Hierzu wird wie beim Single
Shot der Nerv mit einer stumpfen Kanüle aufge-
sucht und das Lokalanästhetikum injiziert. Durch
das große Volumen von 30 ml wird das Gewebe so
aufgelockert, dass durch die Kanüle mühelos ein
Katheter an den Nerven vorgeschoben werden
kann. Mit dieser Technik lässt sich über lange Zeit
. Abb. 5.15 Nervenstimulator mit isolierter Spezialkanüle
eine suffiziente Schmerztherapie erreichen, ohne
und Neutralelektrode
dass zentral wirkende Analgetika eingesetzt werden
müssen.
in der Stärke variierbare Impulse abgibt. Die Kanü-
le ist bis zur Spitze mit einer Kunststoffschicht über- kStimulierbare Katheter
zogen, durch die eine Reizung des umliegenden Die Wirkung der kontinuierlichen Verfahren kann
Gewebes vermieden werden soll. Als zweite Elekt- verbessert werden, wenn Katheter benutzt werden,
rode wird eine EKG-Elektrode aufgeklebt. Man be- über die der Nerv stimuliert werden kann. Wichtig
ginnt mit einer Stromstärke von 1,0 mA und sucht ist, dass nach Aufsuchen des Nervens mit der Kanü-
die entsprechende Reizantwort des jeweiligen Ner- le nicht ein Lokalanästhetikum eingespritzt wird,
vens auf. Im Anschluss wird die Stromstärke konti- sondern das Gewebe mit physiologischer Kochsalz-
nuierlich verringert. Lässt sich mit einer niedrigen lösung, besser aber mit Glukose 5%-Lösung aufge-
Stromstärke (0,4 bis 0,5 mA) eine Muskelkontrak- dehnt wird, um den Nerv nun über den Katheter
tion im Zielgebiet des gesuchten Nervens auslösen, stimulieren zu können. Entsprechend der resultie-
so liegt die Nadel ausreichend nahe am Nerven. renden Reizantwort wird die Lage des Katheters am
Unter der Injektion des Lokalanästhetikums müs- Nerven optimiert. Im weiteren Verlauf kann die
sen die Kontraktionen verschwinden, andernfalls richtige Lage des Katheters auch nach Tagen über-
ist davon auszugehen, dass das Lokalanästhetikum prüft werden, wenn bei einer Stimulation über den
abfließt, weil wahrscheinlich die Injektionskanüle Katheter eine Reizantwort des Nervs erreicht
5.3 · Regionalanästhesie
123 5
Praktisches Vorgehen
werden kann. Allerdings ist das nur möglich, wenn An anderer Stelle wird empfohlen, die Faszikel
keine Restwirkung eines Lokalanästhetikums wirk- des Plexus axillaris einzeln aufzusuchen. Zumindest
sam ist. sollte der N. radialis hinter der A. axillaris und der
N. ulnaris oder der N. medianus einzeln stimuliert
jPeriphere Blockaden und mit einem eigenen Lokalanästhetikumdepot
Das jeweilige Vorgehen wird anhand der ent- umspritzt werden.
sprechenden Abbildungen und Videosequenzen Im Ultraschallbild wird in der Axilla die A. radi-
beschrieben. alis dargestellt. Daneben befindet sich die durch den
Schallkopf komprimierbare Vene. Um die Arterie
jKomplikationen liegen oberflächlich der N. ulnaris, seitlich der
Generell bei allen peripheren Blockaden mögliche N. medianus und in der Tiefe zum Humerus hin der
Komplikationen sind: N. radialis. Der N. musculoctanaeus liegt oberhalb
Nervenschäden, Gefäßläsionen, Intoxikationen, des N. medianus am M. coracobrachialis.
Infektionen, Allergien. Spezielle Komplikationen Die Ausbreitung des injizierten Loaklanästheti-
werden bei den entsprechenden Blockaden geson- kums kann durch ein Abdrücken der Gefäßnerven-
dert erwähnt. scheide nach distal während der Injektion verbes-
sert werden. Dennoch liegt die Versagerquote bei
jObere Extremität – Plexus brachialis der axillären Plexusblockade bei etwa 5%. Durch
kAxillär den Einsatz von Ultraschall konnte sie wesentlich
Beim Aufsuchen der Gefäßscheide mit einer stump- reduziert werden.
fen Nadel spürt man bei der Punktion durch die 4 Indikationen: Eingriffe am Unterarm und der
bindegewebige Hülle einen deutlichen Ruck. Das Hand.
Lokalanästhetikum lässt sich dann bei richtiger 4 Kontraindikationen: neurologische Erkran-
Lage ganz leicht injizieren, da es sich in der lockeren kungen distal der Blockade, Ablehnung durch
Gefäßnervenscheide ausbreitet. Dieses hat man sich den Patienten, sprachliche Verständigungs-
auch bei der »Loss-of-resistance-Methode« zu schwierigkeiten.
Nutze gemacht, bei der während des Vorschiebens 4 Komplikationen: ohne Verwendung von
der Kanüle wie bei der Periduralanästhesie (7 Ab- Ultraschall relativ häufig Versager vor allem im
schn. 5.3.12) Kochsalzlösung injiziert wird. In der Bereich des N. musculocutaneus. Dieser lässt
Gefäßnervenscheide kommt es dann zum Wider- sich durch eine Injektion von Lokalanästhe-
standsverlust. Das gezielte Auslösen von Parästhe- tikum in den M. coracobrachialis nachblockie-
sien zur Lagekontrolle sollte vermieden werden, um ren (bei der Nachinjektion muss die Gesamt-
eine Verletzung des Nervens zu vermeiden. Am lokalanästhesiemenge beachtet werden). Der
besten ist die Verwendung eines Nervstimulators. N. radialis kann bei unzureichender Blockade
Um ausreichende Wirkung vor allem am N. muscu- im Bereich des proximalen Humerus nach
locutaneus zu erzielen, muss das Injektionsvolumen Aufsuchen mit dem Nervstimulator oder
groß sein, d. h. es müssen beim normalgewichtigen Ultraschall an der Unterkannte des Knochens
Erwachsenen mindestens 50 ml injiziert werden. nachblockiert werden.
124 Kapitel 5 · Anästhesieverfahren und Methoden der Atemwegssicherung
5
. Abb. 5.16 Axilläre Plexusblockade. Punktionstechnik:
Palpation des Unterrandes des M. coracobrachialis mit dem
Zeige- und Mittelfinger der linken Hand und Fixierung der . Abb. 5.17 Die den Arm versorgenden Nerven (NM =
A. brachialis gegen den Humerus. Die Kanüle wird mit der N. medianus, NR = N. radialis, NU = N. ulnaris und NMC =
rechten Hand unmittelbar oberhalb der pulsierenden N. musculocutaneus) liegen in der Axilla um die A. radialis
Arterie (rot dargestellt) in die Gefäßnervenscheide vor- (rot) herum und werden unter Ultraschallkontrolle aufge-
geschoben. Nach Erreichen einer ausreichenden Reizant- sucht. An jedem Nerven wird ein kleines Depot eines Lokal-
wort Reduktion der Stromstärke wie beschrieben, Injektion anästhetikums gespritzt. Blau sind die axillären Venen dar-
des Lokalanästhetikums gestellt (MBB = M. biceps brachii)
Praktisches Vorgehen
Praktisches Vorgehen
Praktisches Vorgehen bei der interskalenären Blockade (. Abb. 5.19, . Abb. 5.20)
5 Vorbereitung, Aufklärung und den Mm. scaleni. Alternativ kann 5 Alternativ kann die Punktion auf
Prämedikation wie bei Allge- der Schallkopf oberhalb des Höhe des Schlüsselbeines
meinanästhesie. Schlüsselbeines aufgesetzt und zwischen den beiden M. scaleni
5 Richten des Equipments in den Thorax hinein geschallt nach lateral in Richtung der
5 Voruntersuchung der Region werden. Dort schneidet man die Axilla erfolgen. Bei einer Reizant-
mittels Ultraschall A. radialis an, neben der sich wort unter Elektrostimulation im
5 Hausdesinfektion und sterile lateral der Plexus befindet. Der M. deltoideus oder im Oberarm
Abdeckung wird nach kranial verfolgt, bis liegt die Nadel an der richtigen
5 Lateralbewegung des Schall- man in der idealen Position auf Stelle
kopfes auf der Höhe des der Höhe des Schlüsselbeines 5 Injektion von 20 bis 30 ml Lokal-
Schlüsselbeines, bis die laterale ist. anästhetikum
Kante des M. sternocleidomasto- 5 Lokalanästhesie 5 ggf. Vorschieben eines Katheters.
ideus dargestellt wird. Darunter 5 Vorschieben der Nadel in out-of-
liegen perlschnurartig die plane-Technik, bis die Nadel am
Faszilkel des Plexus zwischen Plexus liegt.
126 Kapitel 5 · Anästhesieverfahren und Methoden der Atemwegssicherung
Praktisches Vorgehen
. Abb. 5.21 Peniswurzelblock. Zur Blockade des N. dorsalis penis wird die Nadel in einem Winkel von 30° über den unteren
Symphysenrand unter die Buck-Faszie (Fascia penis profunda) vorgeschoben und 1–4 ml Lokalanästhetikum eingespritzt.
Alternativ Vorschieben der Kanüle nach 30° lateral und getrennte Injektion auf beiden Seiten. Keine Nervenstimulation
kN.-femoralis-Blockade (. Abb. 5.22) kann eine Betäubung des ganzen Beins erreicht
Die Blockade des N. femoralis ist sehr einfach werden
durchzuführen und hat eine hohe Treffsicherheit 4 Indikationen: Operation an der ventralen Seite
mit einer geringen Gefahr von Nebenwirkungen. des Oberschenkels, Ausschaltung von Reflex-
Der Nerv liegt zusammen mit der A. femoralis bewegungen des Beins bei transurethralen
und der V. femoralis in einer Gefäß-Nerven- Tumorresektionen der Blase (selten), akute
Scheide (IVAN: Innen Vene, Arterie, Nerv). Gele- Schmerztherapie bei Oberschenkelhals-
gentlich kann auch der N. cutaneus femoris lateralis frakturen.
und der N. obturatorius mitblockiert werden, 4 Kontraindikationen: Infektion im Bereich der
weswegen auch vom 3-in-1-Block gesprochen wird. Punktionsstelle, Nervenläsion distal der Punk-
Zusammen mit der Blockade des N. ischiadicus tionsstelle. Ablehnung durch den Patienten.
128 Kapitel 5 · Anästhesieverfahren und Methoden der Atemwegssicherung
Praktisches Vorgehen
. Abb. 5.26 N.-ischiadicus-Blockade, lateraler Zugang in . Abb. 5.27 Distale Ischiadicus-Blockade in Rückenlage.
Rückenlage. Punktion an der lateralen Seite des M. quadri- Oberhalb der Verbindungslinie der beiden Femurkondylen
ceps femoris in der Mitte des Oberschenkels. Stichrichtung wird ein gleichschenkliges Dreieck gezogen. 8 cm proximal
etwa 20° nach oben und kaudal. Im Vergleich zur distalen der Verbindungslinie wird die A. poplitea getastet und late-
Blockade von dorsal geringeres Risiko einer Gefäßpunktion. ral davon punktiert. Nach Erreichen einer ausreichenden
Nach Erreichen einer ausreichenden Reizantwort Reduktion Reizantwort Reduktion der Stromstärke wie beschrieben, In-
der Stromstärke wie beschrieben, Injektion des Lokalanäs- jektion des Lokalanästhetikums.
thetikums
Praktisches Vorgehen
5 Bei Stimulation mit 1 mA mittels 5 ventrale Zugang mit konvexem abgewaschen werden muss.
Nervstimulator Kontraktion der Schallkopf und niedriger Schall- Hierzu wird der Patient entweder
Fußmuskulatur frequenz (5 MHz) wegen der in Bauchlage gebracht. Hier lässt
5 Reduktion der Stromstärke auf tiefen Lage des Nervens mit sich der N. ischiadicus in ganzer
0,3 mA gleicher Stichrichtung wie oben Länge darstellen. Oder das Bein
beschrieben mittels out-of-plane- wird im Hüft- und Kniegelenk in
Bei weiter bestehender Reizantwort Technik oder von medial mit in- jeweils 90°-Flektion gelagert. Der
nach mehrmaliger Aspiration Injek- plane-Technik (. Abb. 5.28). Nerv kann dann in- oder out-of-
tion von 20 bis 30 ml Ropivacain Alternativ bietet sich der plane aufgesucht werden.
0,75% ultraschallgesteuert: auch 5 dorsale Zugang an vor allem
hier gibt es verschiedene Zugangs- dann, wenn der ventrale Ober-
wege. Bewährt hat sich der: schenkel für die Operation mit
5
. Abb. 5.28 Darstellung des distalen N. ischiadicus ober- . Abb. 5.29a,b Fußblock. a Subkutane Infiltration (Pfeil) im
halb des Knies. Dargestellt ist die Höhe, in der er sich in N. Bereich des N. fibularis superficialis und des N. suralis sowie
peronaeus (NP) und N. tibialis (NT) aufteilt. Daneben verlau- zu beiden Seiten der A. dorsalis pedis (rot) b Subkutane Infil-
fen die A. poplitea und die V. poplitea. Mit MBF ist das Caput tration (Pfeil) im Bereich des N. saphenus und Infiltration zu
longum des M. biceps femoris und mit MSM der M. semi- beiden Seiten der A. tibialiis posterior (rot) an der Hinterkan-
membranosus bezeichnet te des Innenknöchels. Keine Nervenstimulation
5.3 · Regionalanästhesie
131 5
Praktisches Vorgehen
. Abb. 5.30 Dermatome zur Beurteilung der Ausbreitung einer Spinal- oder Epiduralanästhesie
5.3 · Regionalanästhesie
133 5
jAuswahl des Lokalanästhetikums
Die Dauer einer Spinalanästhesie ist individuell
sehr unterschiedlich, hängt aber auch von dem ver-
wendeten Lokalanästhetikum ab.
Von den kürzer wirkenden Lokalanästhetika ist
Lidocain nicht geeignet, da es starke radikuläre . Abb. 5.31 Atraumatische Nadel (z. B. nach Sprotte) für
die Spinalanästhesie mit vorn konischer Nadel und seitlicher
Beschwerden hervorrufen kann. Am häufigsten
Öffnung
werden Mepivacain und Prilocain verwendet.
Prilocain ruft weniger radikuläre Symptome als
Mepivacain hervor und setzt sich allmählich für N. accelerantes (Th1-4) ebenfalls eine Bradykardie
kurz dauernde Eingriffe durch. Häufig werden lang auslösen.
wirkende Lokalanästhetika verwendet wie Carbos-
tesin, seltener Ropivacain, die eine Wirkung von kKopfschmerzen
3-4 h haben. Durch die Duraperforation tritt Liquor aus. Es
Im Rückenmark wird die Schmerzverarbeitung kommt zu einem intrathekalen Unterdruck des
durch Opioidrezeptoren beeinflusst. Durch den Liquors, der sich bis in den Kopf fortleitet und dort
Zusatz eines Opioids, vor allem Sufentanil oder zu einer Reizung der Meningen mit extremen mig-
Morphin, kann daher die Menge des Lokalanästhe- räneartigen Kopfschmerzen führt. Dieses Liquor-
tikums reduziert werden, ohne dass die analgetische verlustsyndrom ist bei jungen Menschen häufiger
Qualität abnimmt. Die motorische Blockade wird als bei alten. Außerdem hängt es von der Dicke und
jedoch bei der Verwendung einer solchen Kombi- der Art der Punktionsnadel ab. Je dicker die Nadel
nation aus Lokalanästhetikum und Opioid redu- ist, umso größer ist das Loch in der Dura und umso
ziert. Auch die Sympathikolyse und der damit ausgeprägter die Symptomatik. Einfache Nadeln
verbundene Blutdruckabfall sind geringer. Insbe- mit einem Faszettenschliff (Quincke-Nadeln)
sondere die Zugabe von Sufentanil zum Lokalanäs- können ein Loch in die Dura stanzen. Um das zu
thetikum bei Spinalanästhesie hat die Anästhesie vermeiden, wurden atraumatische Nadeln ent-
sehr bereichert! Bei Zugabe von Morphinen zum wickelt, deren Spitze vorn verschlossen ist und
Lokalanästhetikum stört die hohe Inzidenz an konisch zuläuft wie ein Kugelschreiber. Die Öff-
Übelkeit und Erbrechen. nung ist an der Seite (Pencil-Point-Nadel, Sprotte-
Nadel, Whitacre-Nadel, . Abb. 5.31).
jUnerwünschte Wirkungen der Spinalanäs- Die Anordnung von Bettruhe zur Prophylaxe
thesie und Therapie des postspinalen Kopfschmerzes hat
kBlutdruckabfall sich nicht bewährt, ebenso nicht die Empfehlung,
Durch die Blockade auch der sympathischen Effe- nicht mit erhöhtem Oberkörper zu liegen und viel
renzen in der unteren Köperhälfte kommt es zu ei- zu trinken. Bei der Verwendung von atrauma-
ner Sympathikolyse mit einem Blutdruckabfall. tischen, sehr dünnen 25- oder 27-Gauge-Nadeln ist
Diesem kann durch die Infusion von kristalloiden das Liquorverlustsyndrom jedoch selten geworden,
Volumenersatzmitteln vorgebeugt werden. Verhin- sodass kaum noch Vorsichtsmaßnahmen empfoh-
dern lässt er sich hiermit aber nicht sicher. Bei der len werden.
Verwendung von Opioiden zur Spinalanästhesie ist Tritt es dennoch auf – auch bei der akzidentellen
dieser Blutdruckabfall geringer. Erstes Anzeichen Duraperforation beim Anlegen einer Peridural-
eines Blutdruckabfalls ist meist ein Abfall der Herz- anästhesie –, werden die Patienten mit peripher
frequenz. Diese wird bei Ausbreitung der Anästhe- wirkenden Analgetika und Coffein- oder Ergota-
sie unterhalb Th10 in erster Linie durch einen ver- minpräparaten behandelt. Begleitend wird eine aus-
minderten venösen Rückstrom hervorgerufen. Die reichende Flüssigkeitsaufnahme empfohlen. Da
Therapie besteht dementsprechend aus einer Volu- diese Therapie häufig nicht zum Erfolg führt, sollte
mengabe plus Vasopressoren (Akrinor). Bei hoch bei Persistenz der Beschwerden nach 2-3 Tagen ein
thorakaler Ausbreitung kann eine Blockade der Blutpatch angelegt werden. Dazu wird dem Patien-
134 Kapitel 5 · Anästhesieverfahren und Methoden der Atemwegssicherung
ten unter sterilen Bedingungen Eigenblut entnom- darmstörungen sowie Lähmungen ein. Auch wenn
men und dieses im Bereich der ersten Punktion diese Komplikation sehr selten ist, müssen die Pa-
peridural injiziert. Das gerinnende Blut verschließt tienten darüber (bis zur Querschnittslähmung) auf-
das Leck in der Dura und setzt vor allen Dingen geklärt werden.
auch einen Reiz, dass die Dura proliferiert und das Da die Nervenläsionen irreversibel sind, muss
Leck verschließt. Hiermit lässt sich meist eine suffi- bei den ersten Zeichen sofort mit einem bildgeben-
ziente Symptomlinderung erzielen. Zu beachten ist den Verfahren (Computertomographie, ggf. auch
hierbei aber in jedem Fall ein streng aseptisches Kernspintomographie) eine solche Raumforderung
Vorgehen! ausgeschlossen werden. Wenn sie denn aufgetreten
ist, muss sie innerhalb von Stunden neurochirur-
kHarnverhalt gisch ausgeräumt werden.
5
Beim Nachlassen der Spinalanästhesie kann es zu Um diese schwere Komplikation auszuschlie-
einem Ungleichgewicht der Innervierung der Harn- ßen, muss vor der Durchführung einer rücken-
blase kommen. Ein Harnverhalt ist die Folge. Die marksnahen Leitungsanästhesie (Spinal- oder Peri-
Patienten haben einen starken Harndrang, können duralanästhesie) eine Störung der Blutgerinnung
aber kein Wasser lassen. Cave: Sehr schmerzhaft: ausgeschlossen sein. Im Allgemeinen reicht eine
RR nn, Puls nn. Sie müssen in dieser Situation entsprechende gezielte Anamnese. In vielen Klini-
katheterisiert werden. ken wird jedoch weiterhin die Erhebung eines Ge-
rinnungsstatus mit der Bestimmung des Quick-
kHohe oder totale Spinalanästhesie Wertes (>50%), der Partiellen Thromboplastinzeit
Breitet sich die Wirkung des Lokalanästhetikums zu (<50 sec) und der Thrombozytenzahl (>50.000/
weit nach kranial aus, so werden bei einer Blockade mm3) verlangt. Zudem muss eine Vorbehandlung
ab Th 4 die Nn. accelerantes und damit die sympa- mit gerinnungshemmenden Medikamenten beach-
thischen Afferenzen des Herzens betroffen. Eine tet werden. Hier sind genaue Angaben darüber ge-
Bradykardie mit einem starken Blutdruckabfall ist macht worden, wie lange nach der letzten Gabe und
die Folge. Bis zum Nachlassen der Wirkung des Lo- vor einer weiteren Gabe eine rückenmarksnahe
kalanästhetikums müssen Katecholamine kontinu- Leitungsanästhesie durchgeführt werden darf
ierlich gegeben werden, um den Kreislauf zu stabi- (. Tab. 5.2). Diese Regeln müssen auch eingehalten
lisieren. werden, wenn ein Periduralkatheter gezogen wird.
Steigt die Wirkung des Lokalanästhetikums
weiter auf, so kann der Hirnstamm mit dem Kreis- kHirnnervenstörungen
lauf- und dem Atemzentrum, aber auch das Groß- Hirnnervenstörungen nach einer Spinalanästhesie
hirn betroffen sein. Die Patienten erleiden zu dem sind selten. Sie äußern sich selten als Tieftonschwer-
Kreislaufversagen einen Atemstillstand und werden hörigkeit. Als Ursache muss man einen Mechanis-
bewusstlos. Sie müssen bis zum Nachlassen der mus ähnlich dem Liquorverlustsyndrom anneh-
Wirkung des Lokalanästhetikums beatmet und se- men.
diert werden.
jIndikationen der Spinalanästhesie
kSpinale Raumforderung Die Spinalanästhesie ist eine Alternative zur Allge-
Raumforderungen, die im Spinalkanal infolge einer meinanästhesie bei allen Eingriffen an der unteren
spinalen, aber auch periduralen Punktion entstan- Körperhälfte, vor allem bei Eingriffen im Urogeni-
den sind, können Hämatome oder Abszesse sein. talbereich und an den unteren Extremitäten. Ein
Sie können sich aufgrund der knöchernen Um- Vorteil des einen (Spinalanästhesie) oder anderen
gebung nicht ausbreiten, sondern drücken auf das Verfahrens (Allgemeinanästhesie) ist wissenschaft-
Rückenmark oder die Cauda equina. Radikuläre lich nicht nachgewiesen. Allerdings hat die Spinal-
Schmerzen, aber auch Sensibilitätsverluste in den anästhesie sicher Vorteile bei Patienten mit Lungen-
entsprechenden Dermatomen sind erste Zeichen. erkrankungen wie z. B. einer chronisch obstruk-
Bei weiterer Ausprägung treten Blasen- und Mast- tiven Lungenerkrankung, bei denen eine Beatmung
5.3 · Regionalanästhesie
135 5
Direkte FXa-Inhibitoren
Rivaroxaban 24 h 3h
Apixaban 24 h 4-6 h (anti-Xa)
Fondaparinux 36 h 6–h
Direkte Thrombininhibitoren
Hirudine (Lepirudin, 5h + aPTT im Referenz- 4h aPTT, ECT
Desirudin) bereich
Bivalirudin 1 h + aPTT im 4h
Referenzbereich
Dabigatran 1-4 Tage (je nach 4h
Nierenfunktion)
Acetylsalicylsäure(100 mg) keine Keine
Mono-Therapie***
ADP-Rezeptorantagonisten
Clopidogrel 7 Tage Nach Katheterentfernung
GpIIb/IIIa-Inhibitoren
Abciximab 48 h 6h
Tirofiban 8h 6h
Eptifibatid 4h 6h
UFH unfraktionierte Heparine, NMH niedermolekulare Heparine, ASS Azetylsalizylsäure, NSAIDs nichtsteroidale
Antiphlogistika.
* alle Zeitangaben beziehen sich auf Patienten mit normaler Nierenfunktion
** verlängertes Zeitintervall bei Leberinsuffizienz
*** NMH einmalig pausieren, kein NMH 36–42 h vor der Punktion oder der geplanten Katheterentfernung
**** https://www.bda.de/docman/alle-dokumente-fuer-suchindex/oeffentlich/empfehlungen/574-rueckenmarks-
nahe-regionalanaesthesien-und-thromboembolieprophylaxe-anti-thrombotische-medikation/file.html
136 Kapitel 5 · Anästhesieverfahren und Methoden der Atemwegssicherung
Praktisches Vorgehen
schwierig sein kann. Häufig ist der Wunsch des injiziert, das durch die Dura mater in den Liquor
Patienten ausschlaggebend für die Wahl des Ver- und durch die Foramina intervertebralia an die
fahrens. paravertebralen Nerven diffundiert. Der Vorteil ge-
genüber der Spinalanästhesie liegt darin, dass in den
jKontraindikationen der Spinalanästhesie Periduralraum ein Katheter gelegt werden kann,
Die Kontraindikationen ergeben sich aus den sodass die Anästhesie und postoperativ die Analge-
Nebenwirkungen. So kann sie nicht bei Gerinnungs- sie über lange Zeit fortgeführt werden kann.
störungen und instabilem Kreislauf durchgeführt Die Periduralanästhesie wird am wachen Pa-
werden. Eine lokale Infektion ist ebenso eine Kon- tienten gelegt, um eventuelle Fehllagen erkennen
traindikation wie anatomische Veränderungen der zu können (Kontakte mit Nerven führen zu ein-
Wirbelsäule, die eine Lumbalpunktion erschweren schießenden Schmerzen!).
oder nicht zulassen. Eine relative Kontraindikation
sind neurologische Erkrankungen, da in der Folge jTechnik
häufig Veränderungen wie zunehmende Schmerzen Zum Aufsuchen des Periduralraums wird eine rela-
oder Nervenausfälle nicht auf die Grunderkran- tiv dicke Nadel, eine 14- bis 18-Gauge Tuohy-Nadel
kung, sondern auf die Spinalanästhesie geschoben in der Mitte zwischen den Wirbelkörpern vorge-
werden. Überempfindlichkeiten auf die verwende- schoben. Diese Nadel hat die Öffnung auf der Seite.
ten Lokalanästhetika verbieten die Durchführung Auf die Nadel wird eine mit physiologischer Koch-
einer Spinalanästhesie. Auch wenn der Patient un- salzlösung gefüllte Spritze aufgesetzt, auf deren
kooperativ ist oder die Spinalanästhesie ablehnt, Stempel ein leichter Druck ausgeübt wird. Durch-
muss davon abgesehen werden, selbstverständlich dringt die Nadel festes Gewebe wie das zwischen den
auch bei sprachlichen Verständigungsproblemen. Wirbeln verlaufende Lig. flavum, so lässt sich keine
Flüssigkeit aus der Spritze drücken. Sobald der Peri-
duralraum aber erreicht ist, lässt der Widerstand
5.3.12 Periduralanästhesie nach und die Spritze entleert sich unter dem leichten
Druck (»loss of resistance«). Alternativ kann die Na-
Der Periduralraum liegt zwischen dem Ligamen- del mit Kochsalzlösung so gefüllt werden, dass ein
tum flavum und der Dura mater und ist mit locke- Tropfen am Konus hängt. Sobald die Spitze im Peri-
rem Bindegewebe, Fett und venösen Plexus gefüllt. duralraum liegt, wird dieser in die Kanüle eingezo-
Bei der Periduralanästhesie, die im angloamerikani- gen, da im Periduralraum ein Unterdruck herrscht
schen Raum auch als Epiduralanästhesie bezeichnet (»Hängender Tropfen«). Diese Technik ist jedoch
wird, wird in diesen Raum ein Lokalanästhetikum nur in den thorakalen Segmenten möglich!
5.3 · Regionalanästhesie
137 5
a b
c d
. Abb. 5.32a-d a Punktionsstelle: Verbindungslinie zwischen den Darmbeinschaufeln auf Dornfortsatz L 4; Lokalanästhesie
zwischen Dornfortsatz L 3 und L 4; b Punktion mit einer 25-G-Spinalnadel durch eine Einführungskanüle (introducer); c Rück-
fluss des Liquors zeigt die intraspinale Lage der Kanüle; d Injektion des Lokalanästhetikums
Der Katheter wird nun durch die Nadel nur 3 bis die Periduralanästhesie in der Höhe angelegt wer-
5 cm weit über die Spitze vorgeschoben, um Fehl- den, in deren Dermatom das Operationsgebiet liegt.
lagen oder gar ein Verknoten zu vermeiden. Bevor
die ganze Menge des Lokalanästhetikums gespritzt Thorakale Periduralanästhesie Für eine Thorakoto-
wird, kann eine Testdosis eines Lokalanästhetikums mie wird bei Th 5 bis Th 6, für einen Oberbauch-
injiziert werden, um eine intrathekale Wirkung eingriff bei Th 6 bis Th 9 und für eine Dickdarm-
sicher auszuschließen. Der Zusatz von Adrenalin operation bei Th 8 bis Th 12 die Periduralanästhesie
zur Testdosis, um anhand einer dadurch auftreten- gelegt. In diesem Bereich ist der Zugang zum Peri-
den Tachykardie eine intravasale Lage nachzu- duralraum technisch schwieriger, da die Dornfort-
weisen, hat sich nicht bewährt. sätze länger sind. Wird die Nadel zu weit vorgescho-
ben, so können die Folgen groß sein, da dann das
jPunktionshöhe Rückenmark verletzt wird.
Die Periduralanästhesie kann an der ganzen Wir- Der Vorteil der thorakalen Periduralanästhesie
belsäule durchgeführt werden. Entsprechend der ist, dass bei richtiger Dosierung die Extremitäten
Punktionshöhe und der Menge des injizierten nicht betäubt und die Motorik nicht beeinträchtigt
Lokalanästhetikums breitet sich die Betäubung über ist, sodass die Patienten – wenn auch in Begleitung
die erreichten Segmente aus. Nach Möglichkeit soll – aufstehen können.
138 Kapitel 5 · Anästhesieverfahren und Methoden der Atemwegssicherung
Lumbale Periduralanästhesie Für Eingriffe am un- Wird die Periduralanästhesie mit einer Allge-
teren Abdomen kann ebenso wie bei Eingriffen an meinanästhesie kombiniert oder wird sie postope-
den Extremitäten ein lumbaler Zugang gewählt rativ zur Analgesie verwendet, so wird Ropivacain
werden. Der Zugang ist leichter als der thorakale. 0,2% verwendet. Hier ist eine motorische Blockade
Bei einer Duraperforation kommt die Nadel zwi- unerwünscht. Durch eine zusätzliche Gabe eines
schen den einzelnen Nerven der Cauda equina zu Opioids – Sufentanil! – peridural kann die Lokal-
liegen. Neurologische Schäden sind unwahrschein- anästhetikumdosierung gesenkt werden, ohne dass
lich. die Analgesie nachlässt. In der geburtshilflichen
Häufig wird eine lumbale Periduralanästhesie Analgesie wird die Konzentration von Ropivacain
zur Analgesie oder zur Sympathikolyse bei Durch- auf 0,15% (10–15 ml) oder niedriger gesenkt, wenn
5 blutungsstörungen angelegt. Im Rahmen der ge- gleichzeitig Sufentanil gegeben wird. So haben die
burtshilflichen Analgesie ist sie das Verfahren der werdenden Mütter keinen motorischen Block und
Wahl (7 Abschn. 13.6). können während der Eröffnungsperiode umher-
gehen (»Walking epidural«) und während der Aus-
Kaudalanästhesie Eine besondere Form der Peri- treibung aktiv pressen.
duralanästhesie ist die Kaudalanästhesie, bei der Eine besondere Form der kontinuierlichen Peri-
Periduralraum vom Kaudalkanal aufgesucht wird. duralanästhesie ist die PCEA.
Sie eignet sich für Eingriffe im Analbereich, an den
unteren Extremitäten und bei ausreichendem Volu- jPatient controlled epidural analgesia (PCEA)
men des Lokalanästhetikums auch für Eingriffe im Die Spritzenpumpe gibt je nach dem eingestellten
unteren Abdomen. Am meisten hat sie sich für die Programm eine kontinuierliche Rate des Lokal-
postoperative Schmerztherapie bei Kindern be- anästhetikums in den Periduralkatheter ab. Hat der
währt. Die Anlage ist in Narkose möglich und auch Patient dennoch Schmerzen, so kann er über einen
erlaubt. Druckknopf einen vorgewählten Bolus abrufen. Zur
Sicherheit läuft nach verabreichter Bolusinjektion
jWahl des Lokalanästhetikums eine einprogrammierte Sperrzeit ab, in der der Pa-
Da die Periduralanästhesie in der Regel angelegt tient zwar den Druckknopf bedienen kann, die
wird, um über eine längere Zeit eine Anästhesie Spritze aber keinen Bolus abgibt. Manche Pumpen
oder eine Analgesie herbeizuführen, wird in der lassen auch nur die Injektion einer limitierten
Regel das lang wirkende Lokalanästhetikum Ropi- Gesamtmenge in einer vorgegebenen Zeit zu. In der
vacain verwendet. Es wird als Einzelboli in be- Geburtshilfe scheint die bolusweise Gabe der Lokal-
stimmten Zeitabständen oder kontinuierlich mit- anästhetika der kontinuierlichen Verabreichung
tels einer Spritzenpumpe über den Katheter zuge- hinsichtlich der motorischen Blockade überlegen
führt. zu sein.
Vom Volumen des Lokalanästhetikums hängt
die Ausbreitung um die Injektionsstelle ab. Pro jUnerwünschte Wirkungen
Segment rechnet man im Alter zwischen 20 und Die Nebenwirkungen ähneln zum großen Teil
40 Jahren mit 1–1,6 ml Lokalanästhetikum. Bei denen der Spinalanästhesie und sind im vorigen
60-Jährigen soll die Dosis um ein Drittel, bei 90-Jäh- Kapitel im Einzelnen aufgeführt:
rigen um die Hälfte reduziert werden. Große Pa- 4 Sympathikolyse. Sie ist weniger ausgeprägt als
tienten brauchen eher die höhere der angegebenen bei einer Spinalanästhesie
Dosierungen. 4 Kopfschmerzen mit Liquorverlustsyndrom
Die Qualität der Anästhesie und das Ausmaß nach versehentlicher Durapunktion. Der durch
der motorischen Blockade hängen von der Konzen- eine Tuohy-Nadel hervorgerufene Defekt in
tration des Lokalanästhetikums ab. Wird die Ope- der Dura ist größer als der nach einer Spinal-
ration nur in der Periduralanästhesie durchgeführt, nadelpunktion.
so wird bei jungen gesunden Patienten zu Beginn 4 Hohe oder totale Spinalanästhesie nach ver-
ein Bolus von 10 ml Ropivacain 0,75% injiziert. sehentlicher Duraperforation oder Durch-
5.3 · Regionalanästhesie
139 5
Praktisches Vorgehen
wanderung des Katheters durch die Dura im Operation, z. B. nach einem Dickdarmeingriff,
Verlauf der Behandlung leichte Speisen zu sich nehmen können. Die Peridu-
4 Intraspinale Raumforderung durch Hämatom ralanästhesie ist damit ein fester Bestandteil des
oder Abszess mit entsprechenden neurolo- »Fast-Track-Konzeptes«.
gischen Ausfällen. Die Punktion des Peridural- In der geburtshilflichen Analgesie ist die Kathe-
raumes ist wegen der dickeren Nadel und des terperiduralanästhesie das effektivste Analgesie-
Einführens des Katheters traumatischer als die verfahren. Bei richtiger Dosierung der Lokal-
Punktion mit einer Spinalnadel anästhetika bleiben die Frauen weitestgehend mobil
und haben ein natürliches Geburtserlebnis
jIndikationen der Periduralanästhesie (7 Abschn. 13.6).
Die Bedeutung der Periduralanästhesie als all- In der akuten und chronischen Schmerzthera-
einiges Anästhesieverfahren hat abgenommen. pie kann mit der Periduralanästhesie über lange Zeit
Die Spinalanästhesie ist in der Anästhesiequalität eine ausreichende Analgesie herbeigeführt werden,
überlegen. In der Kombination mit einer All- vor allem dann, wenn andere Applikationsformen
gemeinanästhesie hat sie jedoch immer mehr für Analgetika nicht zur Verfügung stehen.
Bedeutung gewonnen. Auch nach großen (z. B.
Dickdarmeingriffe, Gastrektomie oder Ösophag- jKontraindikationen der
ektomie) operativen Eingriffen brauchen die Pa- Periduralanästhesie
tienten nicht nachbeatmet werden, wenn eine aus- Wie bei der Spinalanästhesie ergeben sich die
reichende Analgesie mit einer Katheterperi- Kontraindikationen aus den Nebenwirkungen. Bei
duralanästhesie eingeleitet worden ist. Aufgrund Blutungsneigungen ist die Periduralanästhesie
der Sympathikolyse kommt die Darmperistaltik ebenso kontraindiziert wie bei der Überempfind-
postoperativ sehr schnell in Gang, sodass die Pa- lichkeit auf Lokalanästhetika und instabilen Kreis-
tienten schon in den ersten Stunden nach der laufverhältnissen. Bei neurologischen Vorerkran-
140 Kapitel 5 · Anästhesieverfahren und Methoden der Atemwegssicherung
5
a b
. Abb. 5.33a,b Punktion des Periduralraumes mit der Widerstandsverlustmethode und Einführen eines Periduralkatheters.
a Die mit einer aufgesetzten Kochsalzspritze versehene Tuohy-Nadel wird durch die Bänder in den Periduralraum vorge-
schoben. Hierbei drückt die rechte Hand auf den Stempel der Spritze. Ein erheblicher Widerstand gegen das Einspritzen der
Kochsalzlösung ist zu verspüren. Hat die Kanüle das Ligamentum flavum passiert, tritt ein schlagartiger Widerstandsverlust
auf, d. h. die Kochsalzlösung lässt sich jetzt »butterweich« injizieren. Beim Abkoppeln der Spritze darf jedoch kein Liquor
abtropfen, denn sonst wurde die Kanüle zu weit vorgeschoben und der Subarachnoidalraum punktiert. b Über die Peridural-
nadel wird ein Katheter ca. 2–4 cm in den Periduralraum geschoben, danach die Kanüle entfernt und der Katheter außen auf
der Haut fixiert
kungen, bei nicht kooperativen und das Verfahren Bei der Wahl des Narkoseverfahrens orientiert man
ablehnenden Patienten muss man von der Peridu- sich an bestimmten Kriterien. Dazu zählen:
ralanästhesie genauso absehen wie von einer Spinal- 4 Nüchternheit des Patienten,
anästhesie. Auch bei Entzündungen im Bereich der 4 Dauer der Operation,
Punktionsstelle und bei anatomischen Veränderun- 4 Lage des Operationsgebietes,
gen, die eine Punktion nicht zulassen, sollte man 4 Notwendigkeit zur Relaxation,
davon absehen. Wenn die Anlage der Periduralan- 4 Vorerkrankungen des Patienten: Risiken,
ästhesie bei einem dringlichen Eingriff zu lange 4 Alter des Patienten: Kinder/Erwachsene/
dauert, sollte eine Spinal- oder Allgemeinanästhesie Greise,
durchgeführt werden. 4 postoperative Phase: stationär/ambulant
4 Wunsch des Patienten
4 Verständigungsmöglichkeit/Kooperations-
5.4 Auswahl des fähigkeit
Narkoseverfahrens
Es wird das Narkoseverfahren gewählt mit der 5.4.1 Nüchternheit des Patienten
4 geringsten Gefährdung für den Patienten,
wobei Wünsche des Patienten, soweit möglich, Eine Narkoseeinleitung ist auch bei einem nicht
berücksichtigt werden sollten. nüchternen Patienten möglich. Die Indikation zur
4 optimale Operationsbedingungen für den dringlichen Operation innerhalb der sogenannten
Operateur. Nüchternheitsgrenzen stellt unter Abwägung der
4 geringsten Belastungen für den Gefahr einer möglichen Aspiration der Chirurg.
Anästhesisten und seine Mitarbeiter
(Narkosegase!)
5.4 · Auswahl des Narkoseverfahrens
141 5
dem Austreten des Narkosegases in den Raum bei
Als nicht nüchtern gelten der Verwendung von volatilen Anästhetika. Da-
5 alle Patienten, die innerhalb der letzten 6 h rüber hinaus ist der Anästhesist allein durch das
feste Nahrung bzw. in den letzten 2 h klare Halten der Maske und des Atembeutels gebunden.
Flüssigkeit aufgenommen haben (Säuglinge: Die Zeit für eine Beatmung über eine Larynx-
4 h vorher noch Muttermilch); Patienten mit maske sollte nicht länger als 2 h sein, da die Pa-
starken Schmerzen gelten auch dann als tienten sonst häufig postoperative Beschwerden im
nicht nüchtern, wenn die letzte Nahrungs- Hypopharynxbereich haben. Bei Narkosen > 2 h
aufnahme länger als 6 h zurückliegt. Dies deshalb endotracheale Intubation.
ist darin begründet, dass Schmerzen und Auch die Durchführung einer Regionalanästhe-
Analgetika die Magen-Darm-Motorik sie hat zeitliche Grenzen (z. B. 2–3 h). Die Patienten
hemmen; können nicht so lange still liegen, auch wenn sie
5 alle Patienten mit einem Ileus, sediert werden. Es kann sein, dass der Verbrauch an
5 alle Schwangeren im letzten Trimenon, Sedativa immer größer wird, sodass der Übergang
während und bis zu 48 h nach der Ent- in eine Allgemeinanästhesie fließend ist.
bindung (hochstehender Uterus, gestörte
Magen-Darm-Passage),
5 alle Patienten mit Stenosen im oberen 5.4.3 Lage des Operationsgebietes
Gastrointestinaltrakt (Ösophagus, Magen,
Duodenum), Eine intraoperative Beatmung über eine Gesichts-
5 alle bewusstlosen Patienten. maske oder eine Larynxmaske ist nur möglich,
wenn der Patient in Rückenlage operiert wird. Jede
andere Lage, aber auch eine Operation am Kopf
Die Frage, ob bei wachen, nicht nüchternen Pa- machen im Zweifel eine Intubation notwendig.
tienten eine Regionalanästhesie zulässig ist, wird
immer wieder diskutiert. Bei Regionalanästhesie-
verfahren bleibt der Patient wach und im Besitz 5.4.4 Notwendigkeit zur Relaxation
seiner Schutzreflexe. Ein Aspirationsschutz ist
somit gewährleistet. Bei Versagen des Regional- Zunächst müssen die Patienten zu Beginn der
verfahrens wäre dann allerdings eine Narkose Narkose für die Intubation relaxiert werden. Bei
beim nicht nüchternen Patienten notwendig. Aus mikrochirurgischen Operationen müssen die Pa-
diesem Grund verbietet sich dieses Vorgehen aus tienten absolut still liegen. Neben einer sehr tiefen
Sicht der Autoren bei Elektiveingriffen! Deshalb Narkose kann dieses durch eine ausreichende
auch bei Regionalanästhesie: Nüchternheitsgebot Relaxierung gewährleistet werden. Darüber hinaus
beachten! ist eine Relaxierung notwendig
Ist eine Regionalanästhesie aus anderen Grün- 4 in der Neurochirurgie gegebenenfalls bei
den nicht möglich, sind nicht nüchterne Patienten intrakraniellen Eingriffen mit Lagerung in der
aus Gründen des Aspirationsschutzes grundsätzlich Mayfield-Klemme. Bei Bandscheibenopera-
zu intubieren. Man geht nach den Regeln der Rapid- tionen kann es durch die Reizung der
Sequence-Induction vor (7 Abschn. 5.1.4 und 9.3). Nervenwurzeln beim nicht relaxierten
Patienten zur Bewegung großer Muskel-
gruppen kommen.
5.4.2 Dauer der Operation 4 in der Ophthalmochirurgie. Der intraokulare
Druck wird durch die Relaxierung gesenkt,
Eine Maskennarkose sollte nicht länger als 10 bis was vor allem dann eine große Rolle spielt,
15 min durchgeführt werden. Das Verfahren bietet wenn der Bulbus weit eröffnet ist.
keinen Aspirationsschutz und aufgrund der man- 4 bei Laparotomien und Laparoskopien in der
gelnden Dichtigkeit der Maske keinen Schutz vor Viszeralchirurgie, der Urologie und der
142 Kapitel 5 · Anästhesieverfahren und Methoden der Atemwegssicherung
Gynäkologie, da die Anspannung der Bauch- 4 Muskelerkrankungen können mit einer er-
decken die Operationsbedingungen ver- höhten Inzidenz von maligner Hyperthermie
schlechtert. einhergehen. Darüber hinaus ist Vorsicht
4 in der Unfallchirurgie und Orthopädie, um beim Einsatz von Muskelrelaxanzien oder
die exakte Reposition von großen Knochen Benzodiazepinen (muskelrelaxierender Effekt)
und Gelenken zu ermöglichen. geboten.
Da auf diese Thematik noch in 7 Kap. 13 näher Gehen die Patienten postoperativ nach Hause, so
eingegangen wird, werden hier nur stichwortartig werden vor allem Anästhesieverfahren mit kurz
einige Punkte angeführt: wirksamen, gut steuerbaren Substanzen (TIVA oder
4 Bei pulmonalen Erkrankungen kann eine Sevofluran/Remifentanil) verwendet. Auch Regio-
Regionalanästhesie vor allem dann von Vorteil nalanästhesieverfahren können meist problemlos
sein, wenn eine Beatmung schwierig und mit durchgeführt werden.
einem hohen Risiko für den Patienten verbun-
den ist. Voraussetzung ist aber, dass die Opera- ! Spinalanästhesien o Harnverhalt
tion an sich, aber auch die Lagerung mühelos
Beispiele für mögliche Anästhesieverfahren bei aus-
eine Regionalanästhesie zulässt. Sonst muss
gewählten Eingriffen zeigt die . Tab. 5.3.
eine Allgemeinanästhesie durchgeführt
werden, wobei die Anwendung volatiler
Anästhetika aufgrund ihrer bronchodilatativen
Wirkung von Vorteil sein kann. 5.5 Besondere Aspekte
4 Bei kardialen Vorerkrankungen ist die kardio-
depressive Wirkung der Anästhetika und 5.5.1 Postoperative Übelkeit
Regionalverfahren (Sympathikolyse) zu beach- und Erbrechen (PONV)
ten.
4 Bei einer Niereninsuffizienz sollten Substan- Übelkeit und Erbrechen nach einer Operation
zen eingesetzt werden, die nicht über die Niere (Postoperative nausea and vomiting, PONV) wur-
ausgeschieden werden. Andernfalls ist eine den häufig als kleines Übel nicht beachtet, erfahren
Dosisreduzierung und eine verlängerte Wir- aber wegen des Patientenkomforts immer größere
kung zu beachten. Bedeutung. Sowohl die Anästhetika, aber auch die
5.5 · Besondere Aspekte
143 5
Allgemeinchirurgie
Kinderchirurgie
HNO-Kieferchirurgie
Neurochirurgie
Gynäkologie
Urologie
Niereneingriffe
Traumatologie
Gefäßchirurgie
periphere Gefäße
Thoraxchirurgie
5.5.2 Wärmemanagement
Monitoring in Narkose
und Intensivmedizin
Franz-Josef Kretz, Jürgen Schäffer, Tom Terboven
F.-J. Kretz et al., Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin, Schmerztherapie,
DOI 10.1007/978-3-662-44771-0_6, © Springer-Verlag Berlin, Heidelberg 2016
Dieses Kapitel geht auf die speziellen Erfordernisse im Neugeborenen- und Säuglingsalter kann man
beim Kreislaufmonitoring und beim respiratorischen den Volumenstatus des Patienten auch dadurch
Monitoring ein. Ferner werden Aspekte wie die semiquantitativ beurteilen, dass man die Fontanelle
Überwachung der Narkosetiefe und das neuro- tastet.
muskuläre Monitoring sowie Sonographie und Echo-
kardiographie näher beleuchtet.
6.1.2 EKG
Praktisches Vorgehen
Praktisches Vorgehen
Praktisches Vorgehen
a b
. Abb. 6.2a,b a Normale arterielle Druckkurve. A Geringer Effekt der Beatmung auf die Druckamplitude; B hoher dikroter
Umschlagpunkt; C Fläche unter der Kurve. b Arterielle Druckkurve bei Hypovolämie. A Starker Effekt der Beatmung auf die
Druckamplitude; B niedriger dikroter Umschlagpunkt; C kleine Fläche unter der Kurve
150 Kapitel 6 · Monitoring in Narkose und Intensivmedizin
. Abb. 6.3a,b a Punktionsstellen für zentralvenöse Zugänge, b Messung des zentralvenösen Druckes
jZentraler Venenkatheter und Messung des bophlebitis in den peripheren Venen führen
zentralvenösen Druckes (ZVD) können,
kIndikationen 4 Injektion von kardial wirksamen Medikamenten,
Für das Platzieren eines Venenkatheters an den 4 Punktion von Venen bei zentralisierten
Übergang von V. cava superior in den rechten Patienten, bei denen peripher keine Vene
Vorhof bestehen folgende diagnostische und thera- punktierbar ist.
peutische Indikationen:
4 Messen des zentralvenösen Druckes (. Abb. 6.3), Heute werden meist 2- oder 3-lumige Katheter
4 Infusion hyperosmolarer Lösungen (hoch- gelegt, um parenterale Ernährung einerseits und
kalorische Infusionen, osmotisch wirksame, Medikamentengabe andererseits über getrennte
hyperosmolare Substanzen), Schenkel applizieren zu können.
4 häufige intravenöse Gabe von Medikamenten
(Antibiotika, Zytostatika), die zu einer Throm-
6.1 · Kreislaufmonitoring
151 6
Praktisches Vorgehen
Praktisches Vorgehen beim Legen eines zentralvenösen Katheters (. Abb. 6.4 und . Abb. 6.5)
Zum Legen zentralvenöser Katheter Unter der Seldinger-Technik ver- liche Katheter (ggf. nach Dilata-
können sowohl periphere als auch steht man folgende Vorgehens- tion des Punktionskanals) vorge-
zentrale Venen punktiert werden. weise: schoben und der Draht entfernt.
In jedem Fall muss steril gearbeitet 5 Zunächst wird mit einer Kanüle
werden, um eine iatrogene die entsprechende Vene (z. B. Die Punktion zentraler Venen kann
Infektion bzw. eine katheterbe- V. jugularis interna, V. subclavia) durch Kopftieflage erleichtert
dingte Sepsis zu vermeiden. Also: punktiert. werden, sofern keine Kontraindika-
sorgfältige Desinfektion und 5 Nach erfolgreicher Punktion wird tionen (Hirnödem, Herzinsuffizienz,
Abdecken der Punktionsstelle mit ein Draht über die Nadel in die respiratorische Insuffizienz) be-
einem Lochtuch. Zur Punktion Vene vorgeschoben und die Na- stehen. Wichtig zur Lagebestim-
muss sich der punktierende Arzt del über diesen Draht entfernt. mung der zu punktierenden Vene ist
steril kleiden, wie bei einem operati- 5 Über den im Gefäßbett liegen- die Sonographie – heute ein »Muss«
ven Eingriff. den Draht wird jetzt der eigent- (7 Abschn. 6.5).
a b
6
c d
. Abb. 6.4a–d Katheterisierung der V. subclavia. a Anatomische Fixpunkte zur Punktion der V. subclavia, b Punktion der
V. subclavia mit der Kanüle, c Vorschieben des Katheters durch die Kunststoffkanüle in die obere Hohlvene, d Fixierung des
Katheters auf der Haut
kMögliche Komplikationen
Katheterfehllage (selten bei rechtsseitiger Vena-
jugularis-interna-Punktion), Pleurapunktion mit
Pneumo- oder Hämathothorax oder Arterienpunk-
tion bei Punktionsversuchen, Perforation (Herz; vor
allem bei Lage des Katheters im rechten Vorhof oder
Ventrikel, selten), Infektionen (häufig Katheter-
septitiden).
. Abb. 6.5 Darstellung der Halsgefäße im Ultraschallbild
auf Höhe des Cricoids, links die A. carotis, rechts davon die
im dem Schallkopf zusammendrückbare V. jugularis, da-
rüber der M. sternocleidomastoideus, darunter der Schall-
schatten der flüssigkeitsgefüllten Blutgefäße
6.1 · Kreislaufmonitoring
153 6
Praktisches Vorgehen
a b
6
. Abb. 6.7a–c Katheterisierung der V. jugularis interna. a Verlauf der V. jugularis interna, b Punktion der Vene mit der
Kanüle, c Vorschieben des Katheters durch die Kunststoffkanüle in die obere Hohlvene
Praktisches Vorgehen
Praktisches Vorgehen beim Legen eines Pulmonalarterienkatheters (. Abb. 6.8, . Abb. 6.9)
Vorschieben des mehrlumigen der dem linken Vorhofdruck element (Thermodilutionsmethode)
Katheters durch die V. cava, Ein- entspricht (Vorlast des linken und die Möglichkeit der Entnahme
schwemmen des Katheters nach Ventrikels). gemischt-venöser Blutgasanalysen
Aufblasen des endständigen Ballons Über ein weiteres Lumen wird der aus der A. pulmonalis.
durch das rechte Herz bis in einen Füllungsdruck im rechten Vorhof Zum Vorschieben des Katheters wird
Zweig der A. pulmonalis, bis es zu gemessen (zentralvenöser Druck; zunächst eine Vene mittels Seldinger-
der klassischen Wedge-Kurve Vorlast des rechten Herzens), sodass Technik mit einem Einführungsbe-
kommt (. Abb. 6.8 bei »Ballon zusammen mit dem direkt gemes- steck kanüliert, durch das der
gefüllt«). senen arteriellen Blutdruck (Nachlast Katheter vorgeschoben wird. Mit-
Über das Lumen lässt sich der Druck des linken Ventrikels) eine konti- hilfe des aufblasbaren endständigen
in einem Zweig der A. pulmonalis nuierliche Überwachung der Ballons wird der Katheter in die
messen (Nachlast des rechten wichtigsten Blutdruckverhältnisse A. pulmonalis bis in die Wedge-
Herzens). Nach Aufblasen des am rechten und linken Herzen Position eingeschwemmt. Die Lage
kleinen Ballons an der Spitze des möglich ist (. Abb. 6.8). der Spitze kann anhand der charak-
Katheters wird ein Zweig der Ergänzt werden diese Informationen teristischen Kurve der verschiede-
A. pulmonalis verschlossen und der durch die Messung des Herzzeit- nen Gefäßabschnitte bestimmt
pulmonal-kapilläre Verschlussdruck volumens über ein an der Spitze des werden (. Abb. 6.9).
(Wedge Pressure, PCWP) gemessen, Katheters angebrachtes Thermo-
6.1 · Kreislaufmonitoring
155 6
. Abb. 6.10 Prinzip der Messung des Herzminutenvolumens mithilfe der Thermodilutionsmethode
6.1 · Kreislaufmonitoring
157 6
Herzindex
CO l/min/m2 3,3–3,7
Cl =
K örperoberfl äche
Schlagvolumenindex
Cl ml/Schlag/m2 40–60
SVI =
HR
Peripherer Gefäßwiderstand
Pulmonaler Gefäßwiderstand
2 ~ HR × SAP
LVVO dimensionslos 7000–12000
HtNN2 45–60
LVSWI =
( AP − PCWP ) × 1, 36 × SVI
100
HtNN2 5–10
RVSWI =
(RAP − RAP ) × 1, 36 × SVI
100
Arteriogemischtvenöse O2-Gehaltsdifferenz
CaO2 – Cv¯O2 = Hb ×1,34 × (SaO2 –Sv¯O2) + (PaO2 – Pv¯O2) × 0,0031 ml/100 ml 4–5
Sauerstofftransportkapazität
Sauerstoffaufnahme
Intrapulmonaler Rechts-Links-Shunt:
QS (PA O2 – PaO2 ) × 0, 0031 % <5
= ( C O – C O ) + (P O – P O ) × 0 , 0031
QT a 2 v 2 A 2 a 2
158 Kapitel 6 · Monitoring in Narkose und Intensivmedizin
. Abb. 6.12a,b Kapnographie a 1 Normales Kapnogramm 2 Diskonnektion und Apnoe 3 Obstruktion in den Atemwegen
4 Abgeknickter (a) oder komplett verlegter Tubus (b) 5 Tubusdislokation in den rechten Hauptbronchus 6 Tubusdislokation
in den Oropharynx und anschließende Repositionierung 7 Patient mit beginnender Spontanatmung, aber noch vorhandener
Restrelaxation b 1 Lungenembolie 2 Hypovolämie 3 Herz-Kreislauf-Stillstand
PaCO2 und endexspiratorischen CO2 wenige mmHg 6.3 Überwachung der Narkosetiefe
bei lungengesunden Patienten. Bei konstanten Stö-
rungen des Ventilations-Perfusions-Verhältnisses 0,1–0,2% der Erwachsenen können sich an Wach-
kann an Hand einer Kontrollmessung ermittelt wer- heitsphasen während der Allgemeinanästhesie
den, um welchen Betrag der PaCO2 höher liegt als erinnern. Möglicherweise liegt die Inzidenz bei
der endexspiratorisch gemessene Wert. Dieser kann Kindern noch höher. Um diesen vorzubeugen, ist
damit rechnerisch korrigiert werden. eine perioperative EEG-Überwachung sinnvoll.
Die in- und exspiratorischen CO2-Werte
können zusätzlich noch auf einem Monitor aufge- jEEG
zeichnet werden. Die so entstehende Kurve gibt Das EEG verändert sich durch die Anästhetikagabe:
wertvolle Hinweise auf akute Ventilationsstörun- Die Frequenz der Signale nimmt ab, die Amplitude
gen. Beispiele für Kapnographiekurven und ihre nimmt zu. Mit steigender Dosis nimmt die Aktivität
Interpretation . Abb. 6.12. im β-Bereich ab, im α- und θ-Bereich nimmt sie zu.
Eine fehlende CO2-Kurve am Kapnometer ist Eine sehr hohe Dosierung schließlich führt zu
das einzige sichere Zeichen dafür, dass der Tubus vermehrter Burst-Suppression und letztendlich zu
nicht in der Trachea platziert ist. Es sei denn, der elektrischer Inaktivität, d. h. Nulllinien-EEG.
Patient hätte kurz zuvor ein CO2-haltiges Getränk Durch Fast-Fourier-Transformation des kom-
zu sich genommen (»Coca-Cola-Syndrom«), was plexen Ruhe-EEGs kann die Verteilung der Leistung
eher selten der Fall sein dürfte. (Power) des EEGs in Bezug auf die Frequenz darge-
stellt werden (Power-Spektrum). Daraus lassen sich
Monoparameter (Medianfrequenz, spektale Eckfre-
6.4 · Neuromuskuläres Monitoring
161 6
β2 β1 α θ δ
Sehr hohe Hohe Frequenzen Mittlere Frequenzen Niedrige Frequenzen Sehr niedrige
Frequenzen Frequenzen
15–50 Hertz 13–15 Hertz 7–13 Hertz 3,5–7 Hertz 0–3,5 Hertz
. Abb. 6.16 Typische Einstellung in einer TEE-Untersuchung aus dem unteren Ösophagus (4-Kammer-Blick)
6.5.2 Echokardiographie
Perioperative
Flüssigkeitstherapie
Franz-Josef Kretz, Jürgen Schäffer, Tom Terboven
F.-J. Kretz et al., Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin, Schmerztherapie,
DOI 10.1007/978-3-662-44771-0_7, © Springer-Verlag Berlin, Heidelberg 2016
Dieses Kapitel geht auf die wesentlichen Aspekte der 7.2 Intraoperativer Wasser- und
perioperativen Flüssigkeitstherapie ein. Wichtige Elektrolytbedarf
Punkte stellen hierbei die physiologischen Grund-
lagen, der Wasser- und Elektrolytbedarf sowie die Man unterscheidet
Basislösungen, die verabreicht werden, dar. Ferner 4 den Basisbedarf (oder Erhaltungsbedarf),
wird auf das Thema Blutverlust (Therapie, Blut- 4 den Korrekturbedarf (oder Nachholbedarf)
komponenten, fremdblutsparende Maßnahmen) und
eingegangen. 4 den Ersatzbedarf.
Ein immunkompetenter Organismus ist zur Elimi- nen mit hohen Dosen an FFP den Serumkalzium-
nation der transfundierten Lymphozyten in der spiegel bestimmen und Kalzium bei Bedarf substi-
Lage, nicht dagegen ein immunsupprimierter Pati- tuieren. Dies besonders auch bei Früh- und Neu-
ent. Die transfundierten Lymphozyten erkennen geborenen, deren Leber noch unreif ist.
die fremden Zellen des Empfängers und die Graft-
versus-Horst-Reaktion nimmt ihren Lauf. kHyperkaliämie
Sie richtet sich vor allem gegen die Epidermis, Je länger eine Konserve gelagert ist, desto mehr geben
das Epithel des Gastrointestinaltraktes, die Leber- die Erythrozyten Kalium nach extrazellulär ab. Dies
zellen sowie die Zellen des Knochenmarks und des kann zum Teil zu beträchtlichen Hyperkaliämien im
lymphatischen Gewebes. Die nach einer Latenzzeit Erythrozytenkonzentrat (bis zu 20 mval/l) führen.
von 8–10 Tagen auftretenden Reaktionen äußern Die zu rasche Transfusion alter Konserven kann des-
sich klinisch in halb zu erheblichen Rhythmusstörungen führen.
4 erythematösem Exanthem,
4 schweren Diarrhoen (mehrere Liter pro Tag), kInfektionsübertragungen
4 Leberfunktionsstörungen mit Ikterus, Darüber hinaus kann es zu Infektionsübertragun-
7 Transaminasenanstieg und Hepatomegalie gen kommen:
4 Lymphozytenverarmung des lymphoiden 4 HIV: ~1:4.000.000; Mortalität 10%,
Gewebes, protrahierter Krankheitsverlauf
4 fieberhaft septischen Krankheitsbildern. 4 HBV: ~1:400.000; Mortalität 5%
4 HCV (früher Non-A-Non-B-Hepatitis):
Eine Graft-versus-Host-Reaktion dürfte heute bei ~1:5.000.000; heute heilbar
den leukozytendepletierten Erythrozytenkonzent-
raten nur noch selten vorkommen. Um sie ganz zu Eine CMV-Infektion kann ebenfalls übertragen
verhindern, ist eine Bestrahlung erforderlich. werden; sie führt beim Erwachsenen nur zu grippe-
ähnlichen Symptomen. Gefährdet sind vor allen
kTransfusionsinduzierte akute Lungen- Dingen Früh- und Neugeborene oder andere im-
insuffizienz (TRALI) muninkompentente Patienten. Dieser Patienten-
Hier kommt es aufgrund von Antikörpern gegen gruppe sollte stets CMV-negatives Blut trans-
die Granulozyten des Spenders zur Leukozytenag- fundiert werden!
gregation mit Verlegung der Lungenstrombahn; der
Gasaustausch ist wie beim ARDS (Acute Respirato-
ry Distress Syndrome, Atemnotsyndrom, 7 Kap. 17) 7.4.2 Vorsorgemaßnahmen zur
gestört; das TRALI ist ein seltenes Phänomen, des- Vermeidung von Bluttrans-
sen Verlauf jedoch häufig deletär ist. Die Therapie fusionskomplikationen
erfolgt symptomatisch, für die Gabe von Glukokor- (7 Abschn. 7.6, Fremdblut-
tikoiden gibt es keine Evidenz. sparende Maßnahmen)
4 Bei Kindern und Jugendlichen sowie Erwach- insgesamt ca. 2/3 des Blutverlustes aufbereitet
senen ohne Vorerkrankungen liegt die Trans- werden können. Insofern ist ein kompletter Ersatz
fusionsgrenze bei 6-8 g/dl, des Blutverlustes über die maschinelle Autotrans-
4 bei Patienten mit kardialen Vorerkrankungen fusion nicht möglich.
wird der Grenzwert bei 8-10 g/dl gesehen. Die maschinelle Autotransfusion wird von den
Zeugen Jehovas als fremdblutsparende Maßnahme
Für Früh- und Neugeborene gelten spezielle Trans- meist akzeptiert.
fusionstrigger. Von extremen Hämodilutionen bei > Kontraindikationen für eine MAT bestehen
Kindern und Jugendlichen bis zu 3 g/dl wurde be- dann, wenn ein Patient im Operationsgebiet
richtet, ohne dass es bei Normovolämie zu einem einen Infekt hat (z. B. Abszess, Osteomyelitis).
Laktatanstieg als Zeichen einer Gesamtkörpersau-
erstoffschuld gekommen wäre. Insofern liegt man Dann können die Bakterien nicht sicher mit dem
mit einer Transfusionsgrenze von 6 g/dl noch im Cell-Saver aus dem Blut eliminiert werden. So bestün-
sicheren Bereich. de, benützte man das Cell-Saver-Blut, die Gefahr, dass
Die Toleranz dieser niedrigen Hämoglobinwer- man dem Patienten die Bakterien in die Blutbahn zu-
7 te trägt bereits erheblich zur Reduktion von Fremd- rückgeben würde. Eine Streuung dieser Bakterien
bluttransfusionen bei. wäre die Folge mit fatalen Konsequenzen einer Sepsis.
Bei Tumorresektionen wurden zwischenzeitlich
mehrere Filter dahingehend überprüft, ob sie in der
7.6.2 Akute normovolämische Lage wären, auch Tumorzellen zurückzuhalten. Ein
Hämodilution (ANH) sicherer Nachweis diesbezüglich ist nicht geführt, so-
dass sich diese Filter in der täglichen Praxis nicht
Bei der ANH wird dem Patienten nach der Narko- durchsetzen konnten. Wenn über die über die ma-
seeinleitung vor Operationsbeginn bis zu 30% des schinelle Autotransfusion gewonnene Konserve je-
Blutvolumens entnommen und durch Infusions- doch bestrahlt wurde, ist eine Retransfusion möglich.
lösungen ersetzt. Intraoperativ geht dann verdünn-
tes Blut verloren. Am Ende des Eingriffes wird das
vor Operationsbeginn gewonnene Blut retransfun- 7.6.4 Eigenblutspende
diert. Trotz des nicht optimalen Nettoeffekts stellt
die ANH eine sehr elegante Form der Eigenblut- Dies gilt auch für die Eigenblutspende: Haben
spende dar. Eltern in der Phase der AIDS-Skandale selbst zur
Das am Ende der Operation zurückgegebene Tonsillektomie ihrer Kinder eine Eigenblutspende
Blut ist noch komplett funktionsfähig, was die Ery- gewünscht, so ist die Eigenblutspende heute selbst
throzyten, Leukozyten, Thrombozyten und die bei großen Eingriffen eine Ausnahme.
Blutgerinnungsfaktoren betrifft. Die Menge des bei der Eigenblutspende ab-
genommenen Blutes liegt beim Erwachsenen bei
500 ml. Diese Blutkonserven sind, je nach Aufbe-
7.6.3 Maschinelle Autotransfusion reitung, etwa 30 Tage haltbar. Die Eigenblutspende-
(MAT) termine werden deshalb in diese Zeitspanne vor der
Operation gelegt. Zwischen den einzelnen Ab-
Bei der intraoperativen maschinellen Autotrans- nahmeterminen sollten mindestens 8 Tage liegen,
fusion (MAT) wird das Blut aus der Wunde abge- damit der Patient und sein Hb-Wert sich erholen
saugt und in einer Maschine gesammelt, die man können. Auf jeden Fall sollte zwischen der letzten
Cell-Saver nennt. Die Erythrozyten werden dort Eigenblutspende und dem Operationstermin eine
gereinigt und dann wieder dem Patienten zurück- Frist von 7 Tagen liegen, damit der Patient mit
gegeben. Bedauerlicherweise gelingt es aber trotz (weitgehend) normalen Hämoglobinwerten zur
aller Anstrengungen nicht, das gesamte Blut, ins- Operation kommen kann. Um die Erythrozyten-
besondere das Sickerblut, abzusaugen, sodass nur produktion zu unterstützen, kann der Patient Eisen-
7.6 · Fremdblutsparende Maßnahmen
177 7
Autologe Voll- 28–49 Tage je nach Stabilisator (erschütte- 170–200 μm Perioperativer Erythrozyten-
blutkonserve rungsfrei +2–6°C im Blutkühlschrank) verlust mit Hb-Abfall
präparate erhalten. Diese Eisenpräparate haben zu schützen, die mit dem Blut des Eigenblutspen-
möglicherweise Effekte im Magen-Darm-Trakt ders umgehen müssen.
(Missempfindungen im Abdomen, Obstipation). Wenn die Eigenblutspender in den letzten
Außerdem muss der Patient darauf hingewiesen 3 Tagen vor der Eigenblutspende eine Infektion der
werden, dass der Stuhl sich in den nächsten Tagen oberen Luftwege (z. B. Tonsillitis, Bronchitis, Pneu-
schwarz färben wird. monie), eine Infektion im Magen-Darm-Trakt oder
In den Blutbanken wird auch die Eigen- im harnableitenden System (Zystitis) oder Pusteln
blutspende wie andere Blutspenden behandelt. Ery- an der Haut hatten, so ist eine Eigenblutspende
throzyten und Plasma werden voneinander sepa- kontraindiziert. Ebenso ist es kontraindiziert, eine
riert. Das Plasma wird auf –30°C eingefroren Eigenblutspende durchzuführen, wenn in den letz-
(Fresh-Frozen-Plasma). Am Operationstag sind ten 3 Tagen vor der Eigenblutspende eine Zahn-
dann, wenn das FFP aufgetaut wird, noch 70% der behandlung, Tätowierung, Piercing stattgefunden
Gerinnungsfaktoren aktiv. Die Erythrozytenkon- hat. In jedem dieser Fälle ist es möglich, dass sich
zentrate werden im Kühlschrank bei 4°C gelagert. Bakterien in der Blutbahn befinden und diese Bak-
Der Gesetzgeber schreibt vor, dass vor jeder terien in die Konserve gelangen. Diese Bakterien
Eigenblutspende auch ein Screening auf Infektions- können sich in der Blutkonserve vermehren und in
erkrankungen des Eigenblutspenders durchgeführt großer Zahl in die Blutbahn kommen, wenn diese
werden muss, da es möglich ist, dass er Infektions- Konserve dem Patienten wieder zurückgegeben
erkrankungen durchgemacht hat, ohne davon zu wird! Septikämien sind beschrieben!
wissen. Da während des klinischen Aufenthaltes Wenn die Eigenblutspende nicht benötigt wird,
ärztliche und pflegerische Mitarbeiter mit den Blut- so muss das Blut nach gesetzlichen Vorschriften
präparaten in Kontakt kommen, ist die Testung des verworfen werden. Hintergrund dieser gesetzlichen
Eigenblutspenders sinnvoll; sie dient dazu, die Anordnung ist die Tatsache, dass die Spendekrite-
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Krankenhaus rien für Eigenblutspender nicht identisch sind mit
178 Kapitel 7 · Perioperative Flüssigkeitstherapie
Gefrorenes Frisch- 1 Jahr ab Spende- 170–200 μm Massivtransfusion (1 GFP/4 EK), globale Gerinnungs-
plasma (GFP) termin (bei –30 °C störung, Notfallsubstitution anderer Gerinnungs-
im Plasmalager- störungen
schrank); verbind-
liches Verfall-
datum auf dem
Etikett
Gerinnungs-
faktoren:
Kryopräzipitat
PPSB Mangel an Faktor II, VII, IX, X
Faktor VIII von Willebrand Typ II
Faktor IX Hämophilie A, B
Fibrinogen Fibrinogenmangel <100 mg/dl
Antithrombin III AT III <80%
Probleme des
anästhesiologischen Alltags
Franz-Josef Kretz, Jürgen Schäffer, Tom Terboven
F.-J. Kretz et al., Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin, Schmerztherapie,
DOI 10.1007/978-3-662-44771-0_8, © Springer-Verlag Berlin, Heidelberg 2016
Praktisches Vorgehen
Liegt präoperativ bereits eine Bradykardie (z. B. AV- Inhalationsnarkotika, z. B. Halothan und Muskel-
Block II oder III. Grades) vor, so ist eine differen- relaxantien (wie z. B. Succinylcholin) können ein
184 Kapitel 8 · Probleme des anästhesiologischen Alltags
buntes Bild von Rhythmusstörungen verursachen: Magensonde, bei Magenresektion) die Ursache. Aus
Tachykardie, Bradykardie, AV-Knoten-Rhythmen. dem Repertoire der leider oft unzureichenden
Zu antiarrhythmischer Therapie zwingen aber erst Therapieversuche:
schwere hämodynamische Veränderungen (Herz- 4 Vertiefung der Narkose,
insuffizienz, Blutdruckabfall). Diese sind selten – 4 stärkere Relaxation,
und da diese Medikamente heute nur noch selten 4 »Kitzeln« der Rachenhinterwand mit einem
gegeben werden, sind Rhythmusstörungen anästhe- Absaugkatheter: Versuch der Beeinflussung
siebedingt insgesamt extrem selten geworden. des N. vagus,
Aufmerksamkeit verdienen alle Herzrhythmus- 4 Blähen der Lunge.
störungen, insbesondere ventrikuläre Extrasysto-
len. Letztere sind oft zu interpretieren als Zeichen
eines myokardialen Sauerstoffmangels nach exzes- 8.2.8 Hypersalivation
siver Sympathikusstimulation des Herzens.
> Sorgen machen akut auftretende ventrikuläre
Als Ursache wird auch hier eine Vagusreizung an-
Extrasystolen beim alten Patienten bzw. bei
genommen. Stimuli sind vor allem Benzodiazepine,
Patienten mit koronarer Herzerkrankung, be-
Barbiturate und Inhalationsnarkotika. Eine prä-
sonders dann, wenn sie multifokal entstehen.
operative Atropin-Gabe kann eine Hypersalivation
ausreichend unterdrücken.
8 Sie müssen als sauerstoffmangelbedingte
gefährliche Vorzeichen einer Kammertachy-
kardie oder von Kammerflattern aufgefasst
werden.
8.2.9 Hypothermien und Shivering
Um bedrohliche Zustände zu verhindern, muss die Das Auskühlen führt postoperativ zum Kältezittern,
Sauerstoffversorgung des Herzens verbessert das auch »Shivering« genannt wird. Mit dem
werden. Dazu tragen von allem die Senkung des Shivering produziert der Patient Energie, um seine
Preloads (Nitrate) und des Afterloads (Blutdruck- Körpertemperatur wieder zu normalisieren.
senkung bei Hypertonus) bei. Das Shivering ist in der postoperativen Phase
höchst unangenehm, weil es unkontrollierbar und
damit nicht unterdrückbar ist. Es bereitet auch bei
8.2.6 Schwitzen größeren Wunden aufgrund der unkontrollierten
Schüttelbewegung Schmerzen. Darüber hinaus
Ursachen können sein: braucht der Körper für das Shivering sehr viel
4 präoperativ: Angst, Schmerzen; Sauerstoff, sodass er nicht selten in ein Sauerstoff-
4 intraoperativ: zu flache Narkose, Hypoxie und defizit kommt, das bei Patienten mit kardiozirkula-
Hyperkapnie, Fieber und Sepsis, maligne torischer Grunderkrankung möglicherweise in eine
Hyperthermie (selten), benigne Hyperthermie Kreislaufdekompensation führt.
(z. B. zu warme Operationstischplatte bei > Deshalb sollte intraoperativ alles unternom-
Tischheizung). men werden, Wärmeverluste zu vermeiden
(Methoden, 7 Abschn. 5.5.2). Patienten, de-
ren Körpertemperatur unter 35°C fällt, sollten
8.2.7 Schluckauf (Singultus) nachbeatmet werden.
Schluckauf kann bei der Narkoseeinleitung, wäh- Mittel der Wahl zur Therapie des Shiverings ist
rend der Operation und danach auftreten. Beson- Clonidin (7 Abschn. 1.10) oder – sofern noch ver-
ders störend wirkt er sich intraoperativ aus. Als fügbar: Pethidin (Dolantin). Auch eine Wärmezu-
Ursache wird eine Vagusreizung angenommen. fuhr von außen ist meist hilfreich. Mitunter sieht
Häufig ist eine Manipulation am Magen, speziell im man postoperatives Shivering auch beim normo-
Kardia-/Fundusbereich (z. B. beim Schieben einer thermen Patienten.
185 9
Komplikationen
bei der Narkose
Franz-Josef Kretz, Jürgen Schäffer, Tom Terboven
F.-J. Kretz et al., Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin, Schmerztherapie,
DOI 10.1007/978-3-662-44771-0_9, © Springer-Verlag Berlin, Heidelberg 2016
Dieses Kapitel stellt die wesentlichen Komplika- deutet eine Unterbrechung der Lachgaszufuhr
tionen, auf die der Anästhesist während einer Narkose bei unzureichendem oder fehlendem O2-Flow.
stoßen kann, dar. Hierzu zählen u. A. die Hypoxie, die Wenn die O2-Zufuhr also unterbrochen wird,
maligne Hyperthermie und die Aspiration. Ferner strömt kein Frischgas mehr in das Kreissystem.
widmet sich ein Abschnitt der Luft- und Lungenem- Dadurch wird verhindert, dass der Patient mit
bolie und den Nervenläsionen. einem Gasgemisch beatmet wird, das keinen
Sauerstoff enthält.
> Der für die Narkose verantwortliche Anästhe- Mögliche Maßnahmen sind, sobald die Sauerstoff-
sist darf den Operationssaal für die Dauer der versorgung wieder hergestellt ist:
Narkose nicht verlassen, es sei denn, ein ande- 4 Osmotherapie,
rer anästhesiologischer Kollege, der bei einer 4 therapeutische Hypothermie (34°C; um den
Übergabe mit dem Patienten, seinen Vorer- Gesamtsauerstoffbedarf zu senken),
krankungen, seiner Operation und Narkoseart 4 Korrektur von Hypo- und Hyperglykämien:
vertraut gemacht worden ist, löst ihn ab. BZ-Spiegel auf Normwerte einstellen!
Überwachungsgeräte sind gesetzlich vorgeschrie- Eine antiödematöse Therapie mit Barbituraten ist
ben, können aber nur unterstützend wirken. Dazu hier nicht wirksam.
zählen Druckalarmmonitore (sie geben einen
Alarmton, wenn kein oder nur ein unzureichender
Beatmungsdruck oder ein zu hoher Beatmungs- 9.2 Maligne Hyperthermie
druck aufgebaut wird) und Sauerstoffmangel-
monitore. Außerdem ist die Messung der Sauer- > Bei der malignen Hyperthermie (MH) handelt
stoffsättigung und bei intubierten Patienten des es sich um eine seltene (Inzidenz 1:30.000),
endexspiratorischen CO2 obligat (7 Abschn. 6.2.2). vererbbare, bis vor wenigen Jahren oft letale
Komplikation in der Anästhesie.
9.1.3 Pathophysiologie
9 9.2.1 Pathophysiologie
Das Gehirn reagiert am sensibelsten auf einen aku-
ten Sauerstoffmangel. Bereits eine 3 min andauern- Das pathophysiologische Substrat ist höchst wahr-
de Hypoxie kann zu einer irreversiblen Schädigung scheinlich ein Defekt der kalziumspeichern-
der Gehirnzellen führen. den Membranen (sarkoplasmatisches Retikulum)
> Eine hypoxische Hirnschädigung tritt schon
der Skelettmuskelzellen. Dieser Defekt liegt bei den
vor einem hypoxischen Herzstillstand auf!
betroffenen Patienten latent vor und erhält erst
durch Triggersubstanzen (Anästhetika, depolarisie-
Der Organismus registriert die Hypoxie als maxi- rende Muskelrelaxanzien) klinische – und dann
male vitale Bedrohung und reagiert mit einer maxi- sogleich auch bedrohliche Bedeutung (. Abb. 9.1).
malen Katecholaminausschüttung. Hierdurch
wird eine Zentralisation induziert, der Körper kon-
zentriert sich nur noch auf die Versorgung lebens- Pathophysiologie der MH
wichtiger Organe, vorrangig auf das Gehirn. Das 1. Acetylcholin (ACH) wird auf einen elektri-
Zerebrum schöpft aus dem vorhandenen Angebot schen Impuls hin aus den Vesikeln ausge-
ein Maximum an Sauerstoff ab. Dieser Kompensa- schüttet.
tionszustand bricht jedoch bei länger andauernder, 2. ACH reagiert postsynaptisch mit dem
profunder Hypoxie zusammen: Bradykardie und Acetylcholinrezeptor und wird durch die
Blutdruckabfall treten auf und münden letztend- Acetylcholinesterase abgebaut.
lich in einen hypoxisch bedingten Herz-Kreislauf- 3. Aus dem sarkoplastischen Retikulum wird
Stillstand. Ca2+ ausgeschüttet, das die Muskelproteine
Aktin und Myosin zum Zusammengehen
stimuliert, woraus dann eine Muskelbe-
9.1.4 Therapie wegung resultiert.
4. Das Ca2+ wird durch den Ryanodinrezeptor
Der Schutz des Gehirns vor einem sekundären wieder ins sarkoplastische Retikulum rück-
Hirnschaden durch ein hypoxisch bedingtes resorbiert.
Hirnödem ist in dieser Situation dringlich geboten.
9.2 · Maligne Hyperthermie
187 9
Als gesichert gilt, dass Inhalationsnarkotika, vor
allem das depolarisierende Muskelrelaxans Succi-
nylcholin, eine MH triggern können.
Gesichert werden kann die Diagnose letztlich nur Bei Dantrolen handelt es sich um ein Pharmakon,
durch eine Muskelbiopsie mit In-vitro-Kontraktur- das in der Lage ist, die Kalziumfreisetzung aus dem
Test oder durch eine genetische Testung. Diese ist sarkoplasmatischen Retikulum zu hemmen. Die
jedoch nur möglich wenn in der Familie bereits Applikation von 2,5 mg/kg KG erfolgt als Infusion
eine die MH verursachende genetische Veränderung über 5 min. Danach sind symptomorientiert weitere
gefunden wurde. Beide Verfahren werden nur in we- Infusionen bis zu einer Gesamtdosis von 10 mg/kg
nigen darauf spezialisierten Zentren angeboten. möglich. Eine anschließende Dauerinfusion bis zu
einer Dosis von 10 mg/kg/Tag gilt als Vorsichts-
maßnahme gegen ein erneutes Aufflackern der MH.
9.2.4 Differentialdiagnose
Praktisches Vorgehen
9.3.6 Diagnose Ohne Nutzen ist auch die Gabe von Korti-
koiden: Sie unterdrücken die Regenerationsfähig-
Zur Diagnose »Aspirationspneumatosis« führen keit des Lungenparenchyms. Die unkritische pro-
4 die Anamnese, phylaktische Anwendung von Antibiotika sollte
4 die Symptome Tachypnoe, Zyanose, Broncho- ebenfalls unterbleiben, um einer Erregerselektion
spasmus, Tachykardie und Hypotension, vorzubeugen. Die klinische Praxis kontrastiert je-
4 die arterielle Blutgasanalyse, doch deutlich mit dieser Aussage: Meist erfolgt nach
4 die Röntgenthoraxaufnahme. Aspirationen eine breite antibiotische Abdeckung,
um eine Aspirationspneumonie zu vermeiden
(7 Kap. 29).
9.3.7 Therapie
9.4.2 Therapie
Praktisches Vorgehen
Praktisches Vorgehen
toren in die Blutbahn bei der Operation, dichte Strukturen erkennbar. Vorteil: bett-
Thrombophilie) und seitige Untersuchung möglich;
4 Verlangsamung des Blutstroms (Lagerung, 4 Röntgendiagnostik: Die Untersuchungstech-
z. B. Steinschnittlagerung in der Gynäkologie nik der Wahl ist heute das Spiral-CT, das in
[Verminderung des Blutflusses in den wenigen Minuten eine Diagnose liefern kann.
peripheren Venen der unteren Extremität]; Der konventionelle Röntgenthorax ist in der
Muskelrelaxation). Akutphase wenig ergiebig, gibt aber später
> Diese drei Faktoren werden auch Virchow-
sichtbare segmentförmige Verschattungen als
9 Trias genannt.
Zeichen stattgehabter Lungeninfarkte wieder;
4 Kompressionssonographie, Doppler-Sono-
graphie: Nachweis von Becken-, Beinvenen-
9.5.2 Risikofaktoren thrombosen;
4 Pulmonalisangiographie: Spezifisches Ver-
Diese bestehen bei fahren, um den Gefäßverschluss angiographisch
4 hohem Alter, darzustellen. Cave: invasiv!! Im akuten
4 Immobilität (Bettlägerigkeit), Zustand oft nicht oder nur unter Risiken
4 Malignomen (Bronchus-, Pankreaskarzinom durchführbar. Patient ist nicht transportfähig!
etc.), Bei fibrinolytischer Therapie Blutungsgefahr
4 Polytraumen, bei der zu der Untersuchung notwendigen
4 oralen Kontrazeptiva und Gefäßpunktion (z. B. V. femoralis, V. basilica)!
4 Eingriffen im kleinen Becken, an der Prostata, Deshalb wird die Untersuchung angesichts
Hüfte sowie den unteren Extremitäten. besserer und risikoärmerer Methoden heute
sehr selten durchgeführt.
4 Lungenszintigraphie: Nachweis von Per-
9.5.3 Diagnose (. Tab. 9.1) fusionsdefekten. Auch hier: Transport in die
nuklearmedizinische Abteilung notwendig, in
4 Labor: arterielle Blutgasanalyse (Hypoxie, der Akutsituation meist nicht durchführbar,
Hyperkapnie; endexspiratorische Hypokapnie, deshalb hat in der Akutmedizin diese Unter-
respiratorische Alkalose, LDH-Erhöhung, suchungsmethode auch an Bedeutung ver-
D-Dimere erhöht [7 Kap. 23]); loren.
4 EKG: typische Zeichen der Rechtsherzbelas-
tung, akute Rechtsdrehung der QRS-Achse, SI/ Die operative Embolektomie im pulmonalen
QIII-Typ, T-Negativierung, kompletter/inkom- Gefäßbett (Trendelenburg-Operation) ist nur bei
pletter Rechtsschenkelblock; Patienten mit therapierefraktärem Schockzustand
4 transösophageale Echokardiographie: akutes aufgrund der gesicherten Diagnose einer fulminan-
Cor pulmonale, z. T. auch Thromben, als echo- ten Lungenembolie indiziert. Den meisten Kran-
9.6 · Nervenläsionen
195 9
Möglichkeit der oralen Einnahme und der
. Tab. 9.1 Symptome der Lungenembolie
fehlenden Notwendigkeit einer laborche-
Dyspnoe, thorakaler Schmerz, (Todes-)Angst mischen Kontrolle ihrer Wirkung.
Zyanose, HF nn, RR p, (PADn), PaO2 p, SaO2 p, PaCO2 nn
Postoperativ ist die Therapie (Stützstrümpfe/NMH)
Kardiogener Schock, Herz-Kreislauf-Stillstand fortzusetzen und für eine möglichst frühe Mobilisa-
tion zu sorgen. Allerdings ist darauf hinzuweisen,
dass nur speziell an die Extremitäten der Patienten
kenhäusern fehlen allerdings die entsprechenden angepasste Stützstrümpfe eine prophylaktische
technischen Voraussetzungen (Herz-Lungen- Wirkung entfalten.
Maschine). Insofern kann nur wenigen Patienten
durch einen notfallmäßigen Eingriff geholfen
werden. 9.6 Nervenläsionen
9
197 10
noch eingeschränkt möglich. Gleichzeitig liegt je- Angst und Schmerz im Rahmen einer Angina pec-
doch oft ein vermehrter Bedarf vor (z. B. erhöhter toris oder eines Infarkts münden unbehandelt in
Afterload bei Hypertonikern). Häufig haben die einen Circulus vitiosus: Sie führen zur Tachykardie
Patienten auch Koronarstenosen. und die Herzfrequenzsteigerung führt über einen
Sauerstoffmehrbedarf bei gleichzeitig ungenügen-
Faktoren, die die Sauerstoffbilanz des dem Angebot zu einer Ventrikeldysfunktion. Diese
Herzens negativ beeinflussen ist gekennzeichnet durch ein erniedrigtes Herz-
1. Abnahme des myokardialen Sauerstoffan- minutenvolumen (Folge: Tachykardie) und einen
gebots: erhöhten linksventrikulären enddiastolischen
– Tachykardie (kürzere Diastole und damit Füllungsdruck (LVEDP). Diese Preloaderhöhung
schlechtere koronare Durchblutung), hat in der Lunge ein interstitielles Ödem mit Hypo-
– Abfall des diastolischen Blutdrucks (ver- xie bei gleichzeitig erhöhtem Sauerstoffbedarf des
minderter koronarer Perfusionsdruck), Herzens zur Folge.
– Zunahme des Preloads (daraus folgt ein Den Circulus vitiosus durchbricht eine adäqua-
verminderter Gradient zwischen linksven- te Therapie. Sie besteht bei Angina pectoris aus
trikulärem enddiastolischem Füllungs- 4 einer Preload-Verminderung (Nitrate),
druck und diastolischem Aortendruck. 4 einer Pulsfrequenzverminderung (Betablocker
Folge: verminderte Koronarperfusion), [Mittel der 1. Wahl] oder Kalziumantago-
– Koronarspasmus, nisten),
– Hyperkapnie (sie erhöht den koronaren 4 einer Afterloaderniedrigung (Behandlung
Widerstand), eines Hypertonus, z. B. mit Diuretika, Beta-
– Anämie, blockern, Angiotensin-Converting-Enzym-
– Hypoxie,
10 – Linksverschiebung der Sauerstoffdis-
[ACE-]Hemmern, AT-II-Antagonisten oder
Kalziumantagonisten).
soziationskurve mit verminderter Sauer-
stoffabgabe an das Gewebe bei pH-Wert-
jPräoperative Maßnahmen
Erhöhung, Temperatursenkung, 2,3-DPG-
Innerhalb von 30 Tagen nach stattgehabtem Myo-
Erniedrigung.
kardinfarkt besteht eine absolute Kontraindikation
2. Zunahme des myokardialen Sauerstoffbe-
darfs:
für alle elektiven operativen Eingriffe. In der Folge-
– Tachykardie, zeit sind vor allem die durchgeführte kardiologische
– Zunahme der Wandspannung bei Intervention (7 Kap. 4), die Erholung des Patienten
Preload- und Afterloaderhöhung, und die jeweilige kardiale Reserve entscheidend. In
3. Zunahme der Kontraktilität (somit führen Abhängigkeit des Risikos des operativen Eingriffs
alle positiv-inotrop wirkenden Substanzen ist dann individuell eine Entscheidung über die
zu einer Erhöhung des Sauerstoffbedarfs). Freigabe des Patienten zur Operation zu treffen.
Alle Patienten mit akut symptomatischen Herz-
erkrankungen sollten in den Wochen vor einer
Zu beachten ist, dass Tachykardie und Preloader- Operation einem Kardiologen zur weiteren Diag-
höhung in zweifacher Weise die myokardiale Sauer- nostik vorgestellt werden. Bei geplanten Operatio-
stoffbilanz negativ beeinflussen. nen mit hohem kardialem Risiko (Eingriffe an gro-
ßen Gefäßen) und dem gleichzeitigen Vorliegen
jKlinische Symptomatik von ≥ 3 klinischen Risikofaktoren (KHK, pAVK,
Klinisch äußert sich die koronare Herzerkrankung Herzinsuffizienz, Niereninsuffizienz, Diabetes
als mellitus, zerebrovaskuläre Insuffizienz) sollte eben-
4 Angina pectoris (Ruhe- und Belastungsangina), falls eine kardiologische Vorstellung erfolgen.
4 Koronarspasmus (Vasospastische Angina Der Patient mit koronarer Herzerkrankung wird
[Prinzmetal-Angina]) angewiesen, seine Medikamente (ungeachtet des
4 Herzinfarkt. Nüchternheitsgebotes) morgens mit einem kleinen
10.1 · Herz-Kreislauf-Erkrankungen
199 10
Schluck Wasser oder Tee einzunehmen. ACE-Hem- Bei Isofluran kommt es zu einer ausgeprägten
mer sollte man wegen möglicher intraoperativer koronaren Gefäßerweiterung; dies führt jedoch
Blutdruckabfälle zeitgerecht absetzen (7 Kap. 4). dazu, dass die schon gut durchblutenden Areale
Ein abruptes Absetzen der Betablocker und noch besser durchblutet, dass aber die von steno-
Nitrate präoperativ führt möglicherweise zu Angi- sierten Koronarien versorgten Areale schlechter
na-pectoris-Anfällen, Blutdruckanstieg und lebens- durchblutet werden (Coronary-Steal-Syndrom).
bedrohlichen Herzrhythmusstörungen. Deshalb sollte Isofluran bei Patienten mit koronarer
Präoperativ muss selbstverständlich ein EKG Herzerkrankung nur mit Vorsicht eingesetzt
vorliegen. Bei einem akuten Schmerzereignis in den werden.
Tagen vor der Operation muss ein akuter Infarkt Die Inhalationsnarkotika Sevofluran und
elektrokardiographisch und laborchemisch aus- Desfluran zeigen keine prinzipiell neuen Kreislauf-
geschlossen werden. wirkungen gegenüber den älteren Inhalations-
narkotika. Auch sie führen über eine Vasodilatation
jPrämedikation zu einem Blutdruckabfall. Bei Desfluran können
Wichtig ist eine ausreichende Sedierung, um angst- ausgeprägte Tachykardien auftreten, sodass bei Pa-
bedingte Tachykardien zu vermeiden. Deshalb muss tienten mit koronarer Herzerkrankung möglicher-
das Medikament adäquat dosiert und rechtzeitig ap- weise ein myokardiales Sauerstoffdefizit entsteht.
pliziert werden. Gerade bei den Patienten mit koro- Deshalb ist bei diesen Patienten Desfluran immer
narer Herzkrankheit haben sich die abendliche Gabe mit einem Opioid zu kombinieren. Diese herzfre-
von Flunitrazepam (1–2 mg p.o.) und die orale Prä- quenzsteigernde Wirkung ist bei Sevofluran nicht
medikation mit Flunitrazepam 1 h vor Operations- zu beobachten. Ein Coronary-steal-Effekt ist weder
beginn (ebenfalls 1–2 mg p.o.) bewährt; im Zeitalter bei Desfluran, noch bei Sevofluran nachzuweisen.
des »fast track« auch in der Kardiochirurgie wird Beide Inhalationsnarkotika wirken in geringem
jedoch immer häufiger das kurzwirkende Benzodi- Ausmaß negativ-inotrop.
azepin Midazolam (7,5 mg p.o.) eingesetzt
> In den letzten Jahren wurde aufgezeigt, dass
jNarkoseeinleitung Sevofluran und auch andere Inhalations-
Herzfrequenzsteigernd wirken mit Ausnahme von narkotika (Desfluran, Isofluran) kardiopro-
Etomidat und Propofol alle intravenösen Einlei- tektive Wirkungen haben.
tungsmittel. Den Blutdruck senken mit Ausnahme
Diese tierexperimentell und beim Menschen im
von Ketanest
laborchemischen Vergleich (Troponin I, CKMB,
4 Thiopental (10% p),
CK) aufgezeigten Vorteile von Inhalationsnarkotika
4 Etomidat (5% p),
im Vergleich zu intravenösen Narkoseformen
4 Methohexital (10% p).
konnten auch in größeren Studien im Hinblick auf
4 Propofol (20% p).
Morbidität und Mortalität Vorteile bei Narkosen
! Propofol kann zu erheblichen Blutdruckab- mit Inhalationsnarkotika bei diesem Patienten-
fällen und zu Bradykardie führen. Vorsichtige klientel zeigen.
Dosierung ist angezeigt! Total intravenöse Anästhesien (TIVA, d. h. ohne
Die Benzodiazepine haben bei Patienten mit koro- Lachgas) sind je nach Komponenten differenziert
narer Herzerkrankung die günstigsten Eigenschaf- zu betrachten.
ten. Bei zurückhaltendender Dosierung ist aber > Die Propofol-Opioid-Anästhesie kann insbe-
auch die Einleitung mit Thiopental oder Propofol sondere dann, wenn als Opioid Remifentanil
meist problemlos möglich. gewählt wird, zu ausgeprägten Bradykardien
führen!
jNarkoseführung
Inhalationsnarkotika haben eine geringgradige Die entsprechende Therapie mit Atropin und
herzfrequenzsteigernde und eine blutdrucksenken- Akrinor bzw. Katecholaminen muss unverzüglich
de Wirkung. eingeleitet werden können. Bei Midazolam-Opioid-
200 Kapitel 10 · Narkose bei Patienten mit Vorerkrankungen
Narkosen sind die hämodynamischen Effekte deut- 5 Normalisierung des arteriellen Blutdrucks:
lich blander, die Steuerbarkeit im Vergleich zu Pro- Volumensubstitution, Noradrenalin
pofol-Opioid-Anästhesien ist hingegen wesentlich (Arterenol; z. B. bei Sepsis),
schlechter. Intraoperativ wird in der Regel ein mitt- 5 Normalisierung der Herzfrequenz
lerer arterieller Blutdruck (MAP) von >65 mmHg (Betablocker, Isoptin),
angestrebt, um die koronare Perfusion sicherzu- 5 Normoventilation,
stellen. Bei Hypertonikern ist unter Umständen 5 Normalisierung des Hämoglobinwertes im
auch ein erhöhter MAP anzustreben. Blut,
5 Korrektur einer Linksverschiebung der
jRegionalanästhesie Sauerstoffdissoziationskurve.
Bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung bietet
eine Regionalanästhesie nicht unbedingt Vorteile. Postoperativ ist eine ausreichende Analgesie
Unabdingbare Voraussetzung für eine Regional- notwendig. Dazu eignen sich PDA-Katheter oder
anästhesie bei diesen Patienten ist eine ausreichen- intravenös applizierte Opioide wie Piritramid oder
de pharmakologische Verminderung der Angst. Morphin.
Benzodiazepine, vor allem Flunitrazepam oder Muskelrelaxanzien- und Opioidüberhang sind
Midazolam, sind die Mittel der Wahl. gerade bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung
eine Indikation zur Nachbeatmung. Gleiches gilt
jPerioperatives Monitoring für die Hypothermie.
Dazu zählen > Der Sauerstoffbedarf ist beim postoperativen
4 das EKG: zusätzlich ist noch die Ableitung V5 Muskelzittern (Shivering) erhöht! Der KHK-
notwendig, um ST-Senkungen linkspräkordial Patient kommt rasch in ein myokardiales
10 sofort erfassen zu können; Sauerstoffdefizit! Perioperative Maßnahmen
4 der direkt gemessene arterielle Druck: die zum Wärmeerhalt sind obligat. Hypothermie
direkte arterielle Druckmessung sollte bei ist deshalb eine Indikation zum Aufwärmen
Hochrisikopatienten bereits vor Narkoseein- unter Nachbeatmung.
leitung in Lokalanästhesie angelegt werden,
um bereits die Einleitungsphase überwachen
zu können;
4 Messung des Herzzeitvolumens und Beur- 10.1.2 Hypertonie
teilung des Flüssigkeitsstaus mittels PICCO;
4 eventuell der Pulmonalarterienkatheter Hypertonie und Arteriosklerose bedingen sich ge-
(7 Abschn. 6.1). genseitig. Nicht nur Teilkreisläufe sind betroffen,
sondern das gesamte Gefäßsystem: Herz, Gehirn,
jMedikamentöse Therapie Niere, Peripherie. Mit eingeschränkter Kompensa-
Die intraoperative Behandlung eines myokardialen tionsfähigkeit des Gefäßsystems muss deshalb ge-
Sauerstoffdefizits besteht in rechnet werden.
1. einer Minderung des Sauerstoffbedarfs durch Für die Hypertoniker gilt das Gleiche wie für die
5 Reduktion der Herzfrequenz (Narkose- Patienten mit KHK: Die medikamentöse Therapie,
vertiefung, Betablocker oder Kalziumanta- hier die Antihypertensiva, werden nicht abgesetzt,
gonisten), sondern am Morgen des Operationstages mit einem
5 Reduktion des Preloads (Nitrate), kleinen Schluck Wasser oder Tee eingenommen.
5 Reduktion des Afterloads (Narkosevertie- Eine Ausnahme bilden ACE-Hemmer und Angio-
fung; Vasodilatation durch volatile Anästhe- tensin-Antagonisten. Diese führen in Kombination
tika; medikamentöse Blutdrucksenkung) mit einer Allgemein- oder Spinalanästhesie zum
und Teil zu profunden Blutdruckabfällen. Hier ist ein
2. der Sicherung eines adäquaten Sauerstoffan- individuell an den Patienten und die vorbestehende
gebotes durch Einstellung des Blutdrucks angepasstes Vorgehen zu
10.1 · Herz-Kreislauf-Erkrankungen
201 10
wählen. Durch die präoperative Gabe der vom Pa- jTherapie
tienten mitgebrachten Antihypertensiva werden Bei allen Patienten mit manifester Herzinsuffizienz
exzessive Blutdruckanstiege während der Opera- ist eine präoperative kardiovaskuläre Therapieopti-
tion verhindert. Mit hypertonen Krisen wäre mierung notwendig und perioperativ fortzusetzen.
nach abruptem Absetzen der Antihypertensiva zu Sie besteht in:
rechnen. 4 Preloadverminderung durch Nitrate und
Anästhesiologische und chirurgische Manipu- Diuretika bei hohen Füllungsdrücken,
lationen, auf die der unbehandelte Hypertoniker 4 Afterloadverminderung bei erhöhtem After-
mit starken Blutdruckanstiegen und sauerstoff- load (ACE-Hemmer),
mangelbedingten Rhythmusstörungen reagiert, 4 Applikation von Katecholaminen
sind (Dobutamin),
4 Laryngoskopie. Prophylaxe: Opioidapplikation 4 Normalisierung des Kaliumhaushalts,
intravenös vor der Laryngoskopie; 4 Frequenzkontrolle, Rhythmisierung (Beta-
4 Intubation. Prophylaxe: z. B. Lokalanästhesie blocker, Digitalis, ggf. Amiodaron).
der Trachealschleimhaut;
4 starke chirurgische Stimuli. Prophylaxe: aus-
reichende Narkosetiefe; 10.1.4 Herzklappenfehler
4 Abklemmen großer Gefäße (z. B. Aorta). Pro-
phylaxe: langsames, schrittweises Abklemmen. Ein an den hämodynamischen Veränderungen
Therapie: Nitrate, Nitroprussid-Natrium. orientiertes Vorgehen ist notwendig.