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Winterreise
Richtig kalt ist es nicht gewesen in diesem Winter. Das
dürfte aber nicht der Grund sein, warum Franz Schuberts
„Winterreise“, 1827, ein Jahr vor seinem frühen Tod, kom-
poniert, sich derzeit so großer Beliebtheit erfreut. „The
Cold Trip“ heißt Anselm Dalferths Anverwandlung am
Staatstheater Mainz ja nicht etwa, weil es dem Publikum
endlich mal schön winterlich kalt werden soll, wenn es auf
Schuberts Spuren durch die Stadt flaniert: „Die Krähe“
oder „Wasserfluth“, in Hauseingängen, von Straßenmusi-
kern und einsamen Nachtwanderern gesungen – am Sams-
tag ist das zum letzten Mal zu erleben. Tim Plegge hat sein
Ballett „Winterreise“ in die Einsamkeit eines Grandhotels
verlegt, das junge Offenbacher Choreographenduo Kateri-
na Vlasova und Amadeus Pawlica widmet sich in seinem
neuen Duett der Depression, mit der sich der arme Wande-
rer herumschlägt, ihre „Winterreise“ ist von Donnerstag
bis Samstag in den Frankfurter Landungsbrücken zu se-
hen. Aus der Mode gekommen sind Schuberts herzzerrei-
ßende Lieder nie, aber das Anderssein, Depression, Margi-
nalisierung, Armut sind es, mehr als die enttäuschte Liebe,
die heute Künstler an der „Winterreise“ interessieren. Am
radikalsten sind die beiden Frankfurter Tonkünstler Mar-
cel Daemgen und Oliver Augst herangegangen. Ein Feature
im Deutschlandfunk über ihre „Winterreise“ ist noch bis 7.
März in der Mediathek des Senders abrufbar, eine CD wird
erscheinen.