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Mitteilungsblatt der Schützen der Alpenregion
45. Jahrgang • erscheint zweimonatlich • N° 1 | Februar 2021 • Bozen · Innsbruck · Kron
metz
 · Kochel am See
BEEINDRUCKEN-DES LEBEN:
Freiheitskämpfer Sepp Mitterhofer im Portrait
Nach vorneschauen!
Die Diskussionen über das Rap-Video „Mamma Tirol“ haben vieles offen-bart: Einerseits, dass wir uns häufig in Spannungsfeldern und auf schmalen Graten der Auseinandersetzung bewe-gen müssen. Denn es gilt, Geschichte und Tradition mit Gegenwart und Zeitgeist zu verbinden, ebenso unsere Identität und Kultur mit der heutigen Wertehaltung zu verknüpfen. Und von den Bestrebungen zur Landeseinheit bleiben oft nur ernüchternde Alternati- ven. Ja, und andererseits die Versuche, unsere Schützen und Marketende-rinnen vor den „parteipolitischen Karren“ spannen zu wollen. Da ist es gut, sich überparteilich, unabhängig und eindeutig gesellschaftspolitisch zu positionieren. Da haben wir viel vor. Lasst uns das gemeinsam anpacken. In einem ehrlichen Dialog, in aller Ruhe, aber für unsere gemeinsame Heimat,
meint euer LandeskommandantThomas Saurer
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BEWEGTE GESCHICHTE:
75 JahreTiroler Landtag
Holt sie endlich heim!
 von Egon Zemmer
Die Vorweihnachtszeit ist immer eine der stillsten Zeiten im Jahr. Das vergangene Jahr war sie stiller als sonst. Weniger Trubel, viel Abstand und jede Menge Sorgenfal-ten. Auch die Sepp-Kerschbaumer-Gedenkfeier war, verglichen mit den vergangenen Jahren, ein stilles Gedenken an Sepp Kerschbaumer und seine Freiheitskämpfer.Trotzdem ließen es sich der Südtiroler Heimatbund und der Südtiroler Schützenbund nicht nehmen, am 8. Dezember 2020 eine kleine, würdige Gedenkfeier am Friedhof von St. Pauls zu organisieren. Die Feier begann pünktlich um 10 Uhr mit derBegrüßung des Obmannes des Südtiroler Heimatbundes Roland Lang.
Anschließend zelebrierte Pater Benedikt Sperl einen Wortgottesdienst. Die Gedenkrede hielt der Landeskommandant-Stellvertreter des Südtiroler Schützenbundes Mjr. Renato des Dorides. Er unterstütze in den 60er Jahren tatkräftig die Familien der gefangenen Freiheitskämpfer mit finanziellen Mitteln: „Wir gedenken heute auch der aktiven Freiheitskämpfer der 60er Jahre, die noch im Exil fern der Heimat leben und immer noch vom italienischen Staat verfolgt werden. Ihre Sehnsucht, die Heimat wiederzusehen, für die sie gekämpft und ihr Leben riskiert haben, ihre Freunde und Nachbarn zu besuchen, an den Gräbern der Eltern und Familienangehöri-
Kranzniederlegung am ehemaligen Grab von Sepp Kerschbaumer. Fotos: © Südtiroler Schützenbund / Egon Zemmer 
BESCHNITTENEEIGENSTÄNDIG-KEIT:
wie Bayern 1871 unter diePickelhaube kam
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Österreichische Post AGMZ 03Z012345 MBund der Tiroler Schützenkompanien, Brixner Straße 2, A-6020 Innsbruck
 
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gen zu verweilen – diese große Sehnsucht berührt uns alle tief im Herzen.Es ist Zeit, dass dieser sogenannte „demo-kratische italienische Staat“, in dem immer wieder Verbrecher, politische Attentäter und Mörder großmütig begnadigt wer-den, die noch wenigen im Exil lebenden Südtiroler Freiheitskämpfer nach über 50 Jahren Entbehrungen ohne weitere Verfol-gung zurück in die Heimat lässt. Es wäre ein menschlicher Akt der Versöhnung von einem Staat, der sich vor aller Welt rühmt,  vorbildlich für Freiheit, Demokratie, Völ-kerrecht und Menschlichkeit zu stehen.“Im Anschluss an die Gedenkrede spielten zwei Musikanten aus Frangart das „Lied  vom guten Kameraden. Am ehemaligen Grab von Sepp Kerschbaumer, dessen sterb-liche Überreste nach der Errichtung des Friedhofs von Frangart in seinen Heimatort umgebettet wurden, wurden Kränze nieder-gelegt. Mit eingebunden in die Gedenkfeier wurden dabei auch die Mitstreiter Sepp Kerschbaumers Franz Höfler, Anton Gost-ner, Luis Amplatz, Jörg Klotz, Kurt Welser und all jene Kameraden, die eine Strecke des Weges mit ihnen gegangen sind. Die Ehrensalve feuerte die Schützenkompanie Sepp Kerschbaumer Eppan ab. „Wir Südti-roler durften in diesem Jahr für ungefähr 70 Tage unser Heim nicht verlassen. Dann gibt es da noch drei Männer, die seit 19.000 Tagen ihr Heim nicht mehr betreten dürfen. Geschätzte Landesvertreter! Zeigt uns, dass ihr kein Rückgrat aus Gummi habt, und holt Heinrich Oberleiter, Josef Forer und Sieg-fried Steger endlich heim. Viel Zeit habt ihr nicht mehr!“, mahnte LKdt. Jürgen Wirth Anderlan in seinen abschließenden Dankes-worten. Abgeschlossen wurde die würdige Gedenkfeier mit der Tiroler Landeshymne und der österreichischen Bundeshymne.
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Die Gedenkfeier stand unter dem Kommando von LKdt. Jürgen Wirth Anderlan.
Die Gedenkrede von Mjr. Renato des Dorides zur Kerschbaumer-Feier 
 „Der Südtiroler Schützenbund gedenkt  jährlich hier am Friedhof von St. Pauls  gemeinsam mit dem Südtiroler Heimatbund an Sepp Kerschbaumer – und aller Freiheits-kämpfer der 1950er und 1960er Jahre. Sepp Kerschbaumer kämpfte unermüdlich gegen Ungerechtigkeiten im besetzten Tiroler Lan-desteil. Unter großer Gefahr setzte er Zeichen des Widerstands gegen Ungerechtigkeiten und war immer Vorbild für Mut und Tap- ferkeit. Er sammelte Gleichgesinnte um sich – im BAS, dem Befreiungsausschuss Südtirol – und wurde aktiver Freiheitskämpfer.Bei der Großkundgebung in Sigmunds-kron am 17. November 1957 verteilte Sepp Kerschbaumer Flugblätter, in denen er ein  freies Südtirol forderte mit der Begründung:  „Deutsch wollen wir bleiben und keine Sklaven eines Volkes werden, welches durch Verrat und Betrug unser Land kampflos be-setzt hat.“ Kerschbaumer wurde nach der At-tentatswelle der Feuernacht mit weiteren 150  Aktivisten verhaftet und schwer misshandelt.  Als Führer der Freiheitskämpfer wurde er zu 15 Jahren und 11 Monaten verurteilt. Er verstarb am 7. Dezember 1964 mit 51 Jahren im Gefängnis von Verona. Über die Schick-sale unserer verstorbenen Freiheitskämpfer und über ihre erlittenen unmenschlichen Fol-terungen durch Carabinieri wurde vor dieser Gedenkstätte in St. Pauls in den vergange-nen Jahren wiederholt berichtet. Ich werde daher heute in meiner kurzen Gedenkrede nicht näher darauf eingehen – obwohl diese tragischen Ereignisse niemals in Vergessen-heit geraten sollten. Weil sie Teil unserer leidvollen Geschichte im Kampf um Freiheit und Gerechtigkeit sind. Aber Pandemie und Corona-Krise können uns nicht davon abhal-ten, Sepp Kerschbaumer, Franz Höfler, Anton Gostner, Luis Amplatz, Kurt Welser und Jörg Klotz die Ehre zu erweisen. Ihnen zu danken – und an ihren Einsatz für unsere Heimat zu erinnern – ist unsere Pflicht.Und sie waren nicht die einzigen, die – zum richtigen Zeitpunkt – Mut bewiesen und sich  für das Unrecht in unserem Land eingesetzt haben.Durch die Teilnahme an dieser Feier denken wir alljährlich mit Respekt und Achtung an alle, die mit selbstlosem und uneigennützi- gem Einsatz selbst einen Opfertod für Volk und die Heimat in Kauf nahmen. Denn leider sind viele – auf dieser Tafel nicht aufgeführte Freiheitskämpfer – ebenfalls
Gedenkredner LKdt.-Stv. Mjr. Renatodes Dorides
 
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zwischenzeitlich verstorben – ohne dass sich der Wunsch nach der ersehnten Freiheit des besetzten Tirol erfüllt hätte.Wir gedenken heute ebenso mit viel Respekt der noch wenigen lebenden Freiheitskämpfer – und Aktivisten – die ebenfalls von den Ca-rabinieri Folterungen und Misshandlungen erdulden und lange Haftstrafen in Gefäng-nissen auf sich nehmen mussten.Wir gedenken heute auch der aktiven Freiheitskämpfer der 60er Jahre, die noch im Exil fern der Heimat leben und immer noch vom italienischen Staat verfolgt werden. Ihre Sehnsucht, die Heimat wieder zu sehen,  für die sie gekämpft und ihr Leben riskiert haben, ihre Geschwister, ihre Freunde und Nachbarn zu besuchen, an den Gräbern der Eltern und Familienangehörigen zu verwei-len – diese große Sehnsucht berührt uns alle tief im Herzen.Es ist Zeit, dass dieser sogenannte „demo-kratische italienische Staat“ – in dem immer wieder Verbrecher, politische Attentäter und  Mörder großmütig begnadigt werden, die noch wenigen im Exil lebenden Südtiroler Freiheitskämpfer nach über 50 Jahren Ent-behrungen ohne weitere Verfolgung zurück in die Heimat lässt. Es wäre ein menschli-cher Akt der Versöhnung von einem Staat, der sich vor aller Welt rühmt, vorbildlich  für Freiheit, Demokratie, Völkerrecht und  Menschlichkeit zu stehen.Liebe Teilnehmer dieser Gedenkveranstal-tung! Gedenken ist nicht Nostalgie – sondern Ehrung unserer Freiheitshelden. Gedenken heißt nicht vergessen.Gedenken heißt aber auch, Mut und Tapfer-keit unserer Freiheitskämpfer zum Vorbild nehmen für unsere eigene Zivilcourage.Zivilcourage zeigen, heute, im täglichen Le-ben, wäre nicht nur wünschenswert, sondern eine verpflichtende Aufgabe für jeden gestan-denen und heimatbewussten Tiroler.Zivilcourage zeigen als mutige und selbstbe-wusste Tiroler eines vor 100 Jahren wider-rechtlich – fremd – besetzten und einverleib-ten Landesteils.Zivilcourage zeigen, mit Mut zu legalem Wi-derstand – in jeder Situation – in jeder Lage. Als Vertreter des Südtiroler Schützenbundes rufe ich alle auf, mehr Zivilcourage zu zeigen und den friedlichen Kampf für unsere Hei-mat konsequent fortzuführen.Noch ist der Kampf um unsere Heimat Tirol nicht verloren, wenn wir zusammenhalten – zusammenstehen – und auch bereit sind, mutig für unser Land einzustehen.Liebe Kameraden – geschätzte Tiroler Londsleit! Unsere Helden und Freiheitskämpfer mögen ruhen in Frieden! – Sie sollen stolz sein können auch auf eine neue junge Tiroler Ge-neration, die den Kampf um die Heimat im Herzen trägt und diesen Kampf nie aufgeben wird, solange Tirol geteilt bleibt.Und abschließend möchte ich noch allen in Erinnerung bringen: Vergesst niemals:Unsere Heimat ist Tirol – unser Vaterland ist Österreich! Schützen Heil!“
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Rücktritt des Landeskommandanten Jürgen Wirth Anderlan
Vor einigen Wochen hat es viel Polemik um den Südtiroler Schüt-zenbund gegeben. Das von LKdt. Jürgen Wirth Anderlan selbst gestaltete, ohne inhaltliche Rücksprache mit der Bundesleitung ins Netz gestellte Video „Mamma Tirol“ wurde von manchen miss- verstanden, brachte Zündstoff für Polemiken und harte Kritik mit sich. Der Landesbeirat für Chancengleichheit für Frauen, einige Landesparteien und eine italienische Partei der extremen Rechten nutzten die Gelegenheit, den Schützen eins auszuwischen und schürten böswillig das Feuer an. Die organisierte Empörungswelle war klar und deutlich zu erkennen. Medien und Presse schlossen sich ebenfalls der offenen Kritik an. Jürgen wurde massiv angefein-det, seine Privatsphäre angegriffen, die Familie bedroht und auf das Übelste beschimpft. Auch in Schützenkreisen stieß er mit dem Vi-deo teils auf Unverständnis. In der Sitzung der Bundesleitung vom 8. Jänner 2021 wurde sachlich darüber diskutiert und klargestellt, dass Alleingänge – ohne Rücksprache mit der Bundesleitung – nicht hingenommen werden können. Jürgen entschuldigte sich für den Alleingang und nahm die volle Verantwortung auf sich. Er erklärte mit Nachdruck, dass er zu seinem Video mit Inhalt und Gestaltung nach wie vor stehe − und dass davon kein Cent von der Bundes-kasse verwendet wurde. Er entschloss sich ohne internen Streit für seinen Rücktritt.Die Bundesleitung hat sich danach zu einer weiteren Sitzung zu-sammengefunden. Dabei wurde das Geschehene analysiert, sachlich darüber diskutiert und über die weitere Vorgehensweise im SSB befunden. „Es wird diesbezüglich sicherlich eine interne Aufar-beitung auf allen Ebenen des Schützenbundes geben“, versichert Mjr. Renato des Dorides, der inzwischen – wie von den Statuten  vorgesehen – die Aufgaben des Landeskommandanten übernom-men hat. Die Bundesleitung verurteilt sämtliche Anfeindungen – in den Online-Medien aber auch außerhalb – gegenüber dem SSB, seinen Kompanien, Schützen und Marketenderinnen aufs Schärfste. Genauso werden die Angriffe und Drohungen gegenüber Jürgen Wirth Anderlan und seinen Familienmitgliedern verurteilt. Auch wenn Jürgen in seiner jüngsten Aktion für viele über das Ziel hin-ausgeschossen und bei vielen Menschen spontanes Unverständnis hervorgerufen hat, bleiben seine Verdienste um den Schützenbund ungeschmälert. Letztendlich hat er, ganz nach seiner Art, für sein Video selbst Verantwortung übernommen.„Für seinen Einsatz als Hauptmann in Kaltern, Adjutant des Lan-deskommandanten, Bundesgeschäftsführer und schließlich Landes-kommandant, gebührt ihm großer Dank und Anerkennung“, betont die Bundesleitung. Mit Leib und Seele ist Jürgen ein Tiroler, ein aufrechter Schütze und Patriot, der die Werte des Schützenwesens ernst nimmt. Er hat seine Freizeit für das Schützenwesen geopfert und ist Tag und Nacht für alle Belange zur Verfügung gestanden. Mit seinen spontanen Aktionen hat er stets versucht, brisante The-men vorzubringen, die Politik wachzurütteln, die Bevölkerung zu motivieren und das Schützenwesen zu stärken.Nun gilt es die Weichen für die Neuwahl eines Nachfolgers zu stel-len. Damit werden sich in den kommenden Wochen die Kompani-en, die Bezirksleitungen, der Bundesausschuss und die Bundeslei-tung befassen.
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Bozen
 von Richard Andergassen

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