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Die Drehung der Erde um ihre Achse innerhalb von 24 Stunden

gleicht einem präzisen Uhrwerk. Der Rhythmus dieses Uhrwerks


bestimmt den immerwährenden Wechsel von Tag und Nacht und
führt so auf weiten Teilen der Erde zu jenem milden Klima, das das
Enstehen von Leben erst ermöglichte. Um zu verstehen, warum
sich die Erde dreht, ist es notwendig, sich die Geburt unseres
Sonnensystems zu veranschaulichen.

Vor fast 5 Milliarden Jahren war unser Sonnensystem nicht mehr


als eine gigantische Wolke aus Staub und Gas. Deren Bestandteile
zogen sich durch die Schwerkraft an, so dass sich die Wolke
verdichtete und schließlich eine riesige flache Scheibe formte, die
immer schneller zu rotieren begann, je kleiner sie durch die
Schwerkraft wurde. Die Geschwindkeit der Rotation erhöhte sich
dabei nach dem gleichen Prinzip, das die Beschleunigung der
Drehung eines Eiskunstläufers bewirkt, der seine Arme während
einer Pirouette anlegt. Die Sonne entstand schließlich im Zentrum
der Scheibe. Der umherschwirrende Rest aus Gas und Staub
klumpte zusammen und formierte sich zu Planeten wie der Erde, zu
Monden, Asteroiden und Kometen. Die Geburt des Sonnensystems
aus einer rotierenden Staubscheibe erklärt die Drehung aller
Planeten um die Sonne.

Die Drehung der Erde um ihre eigene Achse hat jedoch eine andere
Ursache. Während die Planeten entstanden, kollidierten sie sehr
häufig mit anderen großen und kleinen Himmelskörpern. Durch
diese Kollisionen veränderte sich die Rotationsgeschwindigkeit der
Planeten. Wissenschaftler glauben heute, dass ein sehr großes
Objekt, etwa von der Größe des Mars, die noch junge Erde
getroffen hat und große Brocken aus ihr löste, die sich
zusammenfanden und unseren Mond bildeten. Diese Kollision ließ
unsere Erde so schnell um die eigene Achse rotieren, dass ein Tag
damals nur etwa sechs Stunden dauerte! Der Mond war zu diesem
Zeitpunkt der Erde viel näher als heute und füllte fast den gesamten
Himmel aus.

Warum aber ist ein heutiger Tag 24 Stunden lang? Während sich
die Erde dreht, lässt die Schwerkraft des Mondes das Wasser der
Ozeane ständig ansteigen und abfallen. So enstehen Ebbe und
Flut. Die Bewegung des Wassers verursacht Reibung, durch die
sich die Rotation der Erde mit jeder Umdrehung um einen winzigen
Bruchteil verlangsamt. Der Mond entfernt sich dabei jedes Mal ein
kleines Stück von der Erde. Über Milliarden von Jahren machen
sich diese kleinen Änderungen allerdings bemerkbar. Sie haben die
Länge eines Tages auf 24 Stunden anwachsen lassen und die
Entfernung zwischen Mond und Erde vervielfacht.

Wie jedes Uhrwerk, verstellt sich also auch der kosmische


Zeitmesser der Erddrehung und geht immer weiter nach. Das ist
jedoch kein Grund zur Beunruhigung. In hundert Jahren wird ein
Tag nur etwa zwei Tausendstelsekunden länger sein als jetzt. Nun
entsteht jedoch ein Konflikt zwischen der Zeitmessung der
astronomischen Zeit (UT1), die auf der Erdrotation basiert, und der
physikalischen Atomzeit, die durch Cäsium-Atomuhren auf der Erde
bestimmt wird.

Daher wird die Erdrotation heute über ein weltumspannendes Netz


von Radioteleskopen bis auf 3 Millimeter genau vermessen.
Anschließend werden alle Daten am Max-Planck-Institut für
Radioastronomie ausgewertet und zur Weltstandardzeit (UTC)
kombiniert. So endet der Zeitunterschied nicht im Zeitchaos.

Autor
Wolfgang Keil

Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation, Göttingen


Wolfgang Keil (26) hat in Jena und Göttingen Physik studiert. Seit Januar
2007 promoviert er in der AG Theoretische Neurophysik des MPIDS über
Selbstorganisationsprozesse bei der Herausbildung des Sehsystems im
Gehirn.

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