Der Weg wird nicht zufällig gefunden, sondern ist durch einen Kanal (Processus
vaginalis testis) vorgegeben. Dieser Kanal verklebt und schließt sich, sobald der
Hoden durchs Leistenband gewandert ist. Geschieht das nicht, bildet sich häufiger
schon beim Kleinkind eine Leistenhernie.
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Hodenhochstand
Der Hoden kann sich befinden:
Hodenektopie
Der Hoden weicht beim Abstieg vom vorgegebenen Pfad ab und befindet sich z.B.
unter der Haut des Oberschenkels, im Bereich des Dammes, im Penis oder im
Skrotum der anderen Seite.
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Verbleibt ein Hoden im Bauchraum oder Leistenkanal (Hodenhochstand,
Maldescensus testis) führt das zu Fertilitätsstörungen und erhöhter
Hodenkrebsgefahr. (Bei 3-6% der reifen Neugeborenen und bei 30 % der
Frühgeborenen). Beim 1. Geburtstag noch bei 0,7% der Jungen.
Man beginnt vor den 2. Geburtstag mit einer hormonellen 2-fach Therapie, bei
Misserfolg entweder Orchidopexie oder Orchiektomie.
Der Hoden ist von einer derben Bindegewebskapsel umgeben (Tunica albuginea)
und wird durch bindegewebige Septen in ca. 200 Kammern (Hodenläppchen)
unterteilt.
In den Kammern befinden sich verschlungenen Hodenkanälchen, die in ein System
von Ausführungsgängen münden. Dieses System wird Hodennetz genannt.
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Zwischen den Hodenkanälchen befinden sich die Leydig-Zwischenzellen die das
Testosteron produzieren.
Mit Eintritt der Pubertät werden im Hoden täglich ca.200 Mio. Spermien gebildet.
Spermatogenese.
Die im Keimepithel gebildeten unreifen Vorstufen (diploider Chromosomensatz)
benötigen 2 Monate um sich zu reifen Spermien (haploider Chromosomensatz) zu
entwickeln.
Die Entwicklungsschritte werden hormonell gesteuert.
Hodentorsion
Der am Funiculus spermaticus hängende Hoden dreht sich um seine Längsachse
(Stieldrehung) und klemmt sich damit selbst die Blutversorgung ab. Es kommt zur
hämorrhagischen Infarzierung und damit Hodennekrose
Symptomatik:
In der Hälfte der Fälle akut einsetzender einseitiger (manchmal auch beidseitiger)
Skrotalschmerz mit starkem lokalem Druckschmerz, in Leistenkanal und Unterbauch
ausstrahlend. Vegetative Begleitsymptomatik möglich mit Übelkeit, Erbrechen,
Tachykardie, Blutdruckabfall. Im Verlauf Schwellung und geringe Rötung des durch
die Torsion höherstehenden Hoden im Vergleich zur Gegenseite.
In jedem 2. Fall ist der Verlauf protrahiert und weniger dramatisch, es kommt zu
Fehldiagnosen, die Torsion wird dann oft übersehen.
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Therapie:
Spätestens nach 4-6 h ist das Gewebe irreversibel nekrotisch.
Orchitis (Hodenentzündung)
Entsteht als Folge einer Infektionskrankheit (Mumps im Erwachsenenalter führt bei
1/3 der Fälle zur Mumpsorchitis, Virusorchitis auch bei Mononucleose, HIV, Zoster)
oder organübergreifend als Folge einer Epididymitis, dann bakteriell.
Autoimmune granulomatöse Orchitis sehr selten, Altersgipfel 60-70
Symptomatik:
Schmerzhafte Schwellung des Hodens mit Rötung der Skrotalregion und
Allgemeinem Krankheitsgefühl mit Fieber
Eine beidseitige Orchitis (10-15 % der Fälle) kann zur Infertilität führen
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Epididymitis (Nebenhodenentzündung)
Fast immer erst nach der Pubertät, häufigste Nebenhodenerkrankung. Entsteht
bakteriell durch Keimverschleppung aus Entzündungen der Harnwege besonders
häufig bei Blasenentleerungsstörungen.
Symptomatik:
Diagnostik:
Sonographie mit Duplex- oder Doppler zum Nachweis einer Perfusion (DD zur
Hodentorsion) und Ausschluss einer Abszedierung sowie Übergreifen auf den
Hoden.
Therapie:
Akut: Antibiotische Therapie nach Antibiogramm über ca 10 Tage (Fluochinolone =
Gyrasehemmer z.B. Ciprofloxacin), Bettruhe, Hodenhochlagerung und lokale
Kühlung. Erst wenn der Hoden deutlich abschwillt darf der Pat. wieder aufstehen.
Hydrozele (Wasserbruch)
Flüssigkeitsansammlung im Skrotum, nicht zu verwechseln mit Skrotalhernie
(Leistenbruch).
Angeboren bei fehlender Obliteration des Processus vaginalis testis, dann indirekter
Leistenbruch, der mittels Herniotomie verschlossen wird.
Nach Entzündungen, Verletzungen, bei Aszites.
Therapie der Grundkrankheit, kann punktiert werden, läuft wieder nach, ggf
operativer Verschluss.
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Varikozele (Krampfaderbruch)
Erweiterung von Venen im Skrotum (Plexus pampiniformis) meist links zwischen dem
15. und 25 Lj. auftretend
Vena testikularis mündet links ungünstig in die Nierenvene (rechts in die V.cava) was
zur Abflussbehinderung führt, ggf. mit Bindegewebsschwäche der Venenwand und
insuffizientem Venenklappenschluss.
Kann indirekt auf Nierentumor (Wilms-TU beim Kind oder Hypernephrom beim
Erwachsenen) hinweisen.
Symptomatik:
Je nach Ausprägung kann es zu Schmerzen oder zur lokalen Erwärmung des
Hodens und damit zur eingeschränkten Spermatogenese führen. Durch Valsalva
verstärkt.
Diagnostik:
Ultraschall, auch der Nieren, KM-Darstellung (Phlebographie) Spermiogramm.
Therapie:
Je nach Lokalisation und Ausprägung Verödung, ggf. pelviskopisch.
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Hodencarzinom
Risikofaktoren:
Hodenhochstand:
Risiko um bis 30-fach erhöht, auch nach korrigierender Operation im
Kleinkindesalter. Abhängig von Lokalisation und OP-Zeitpunkt.
Nicht abgestiegene und somit nicht tastbare und überwachbare Hoden sollten
operativ entfernt werden.
Erbliche Faktoren:
Risiko für Brüder von Hodenkrebserkrankten ist höher (10-faches Risiko) als das von
Söhnen (5-faches Risiko), was eine x-chromosomale Assoziation nahelegt.
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Mikroverkalkungen im Hodensono
Weisen auf ein 9-fach erhöhtes Risiko hin, jährliche Sonoverlaufskontrollen sind
empfohlen.
Symptomatik:
Einseitige, langsam entstehende schmerzlose Verhärtung oder Schwellung.
Gelegentlich auch schmerzhaft, (DD Orchitis) unter Antibiotikatherapie keine
Besserung.
Gelegentlich von Hydrocele begleitet.
Schweregefühl oder Ziehen im Hoden oder in der Leiste (DD Leistenhernie)
Anschwellen oder Schmerzhaftigkeit der Brustdrüse ggf. mit Potenzverlust weist auf
hormonproduzierenden Tumor hin.
Rückenschmerzen bei Befall der retroperitonealen Lymphknoten.
Diagnostik:
Bei Verdacht:
Operative Freilegung, ein erfahrener Operateur kann per Blickdiagnostik Dignität
meist bestimmen, exakte Informationen über Zell-Typ (Seminom/Nicht-Seminom)
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liefert der intraoperative Schnellschnitt. Es erfolgt die erweiterte Orchiektomie
mindestens unter Mitentfernung des Samenstranges bis in die Leiste.
Die Metastasierung erfolgt nicht über die Leisten-LK sondern direkt entlang der
Lymphbahnen des Samenstranges (Funiculus spermaticus) in die paraaortalen LK.
D.h. die regionalen LK sind bereits die paraaortalen LK.
Tumormarker:
Seminom:
Lactatdehydrogenase (LDH)
Humanes Choriongonadotropin (HCG)
Nicht-Seminom:
Alpha-Fetoprotein (AFP)
Plazentare alkalische Phosphatase (PIAP)
Stadieneinteilung:
Stad. I
Auf den Hoden innerhalb der Kapsel begrenzt ohne Metastasierung entlang des
Samenstranges nach paraaortal.
Stad. II
Auf den Hoden innerhalb der Kapsel begrenzt mit regionaler Metastasierung entlang
des Samenstranges nach paraaortal.
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Stad. III
Die Kapselhülle des Hodens ist durchbrochen oder Fernmetastasen jenseits der
paraaortalen LK sind nachweisbar (Leber, Lunge)
Im Frühstadium (Stadium I und II) ist der Tumor zu 90 bis 98 % heilbar. Im Stadium
III noch bei 70 %, dazu aber intensive und belastende Therapieregime notwendig.
Therapie:
Generell individuelle Therapie in spezialisierten Zentren abhängig vom
Allgemeinzustand und Alter, histologischem Typ und Tumorstadium.
Vor Therapie ist zu klären, ob bei den meist noch jungen Männern noch
Kinderwunsch besteht. Es erfolgt dann eine Kryokonservierung von Sperma, die
Aufbewahrung ist so einige Jahre möglich, die Kosten werden von der Krankenkasse
in der Regel nicht übernommen.
Bereits bei Diagnosestellung ist die Spermienzahl bei der Hälfte der Patienten
vermindert.
Ist im Frühstadium nur eine Orchiektomie nötig und der andere Hoden intakt, bleibt in
der Regel eine ungestörte Zeugungsfähigkeit erhalten.
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bei Verzicht auf eine Nachbestrahlung engmaschige Kontrollen, rechtzeitig entdeckte
Rezidive können gut therapiert werden.)
Stadium III erfordert nach einer erweiterten Orchiektomie bei beiden Tumoren eine
systemische Polychemotherapie vor/nach/anstelle einer Resektion. Tumorreste
werden entweder beobachtet (residuelles Narbengewebe, PET weist
Stoffwechselaktivität nach) oder reseziert (Nicht-Seminom) oder nachbestrahlt
(Seminom).
Rezidive treten meist in den ersten 2-3 Jahren auf, daher sind in diesem Zeitraum
engmaschige Kontrollen notwendig.
Ausmaß der Folgeuntersuchungen und zeitlicher Abstand werden individuell je nach
Stadium, erfolgter Therapie und histologischem Typ festgelegt.
Aufgrund der guten Heilungschancen und des insgesamt nur seltenen Auftretens (<
5000 Neuerkrankungen pro Jahr in Deutschland) versterben pro Jahr nur ca. 200
Männer an eine Hoden-Ca.
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