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Die Christengemeinschaft

der Gegen-
Diese Zeitschrift dient der religiösen Erneuerung
tentums, das
wart aus dem Geist eines sakramentalen Chris
eint am
durch die Christengemeinschaft vertreten wird. Sie ersch
geben von
Anfang jedes Monats in Stuttgart und wird herausge
Dr. Friedrich Rittelmeyer
November 1937
14. Jahrgang 8

Einer Toten
Aenne Bäuerle

Bist du bei mir und hast nicht aufgehört


Mit deiner Liebe Kraft mich zu umfassen?
Hat Sternenbruderschaft dich ziehen lassen,
Und hat kein Hüter dir den Weg verwehrt?
ßt
Dort, wo im Zwielicht Erdenraum zerfie
Und Himmelssph ären heimli ch anbegi nnen,
Schaut’ ich in einer Flamme heil’gem Innen
Ein Nahesein, als ob ein Engel grüßt.

Du bist’s! So kann nicht Geisterspott, nicht Trug


Unsterbliches zur Offenbarung breiten.
Willst du zu großem Tun mich weise leiten,
Zu steter Wandlung endlichem Vollzug?

Von der Welt der Toten


Richard Karutz

war sehr glücklich. Auch heute war ein


oft an mich, doch ja mit Heiterkeit. Ich
„Denkt recht Ein-
Höchste. Bald werde ich bei der Mutter sein und
schöner Tag für mich. Denn die Liebe ist das lm von Hum-
die letzte Bitte des sterbenden Wilhe
sicht haben in eine höhere Weltordnung“: es war verneinender Gleich-
keit.“ Gleich weit entfernt von stumpf
boldt an seine Familie. „Doch ja mit Deiter überstei-
er Verzweiflung und anklagender Bitterkeit
giltigkeit und von zugespitzter, zu wehklagend erung an die irdisc hen
e Mittelmaß dankbarer Erinn
gerter Schmerzbejahung hält der Weise das golden und Wissen s.
Erwartung eines höheren Lebens
Werte von Glück und Liebe und zuversichtlicher
eit des Horaz, seine bürgerliche Ängstlichkeit, die den Sturm
Das ist nicht die goldene Mittelmäßigk
, um gegen die Neider seines behaglichen Wohl-
meidet, um gegen den Sturz, und das Ufer meidet gläubigen Herzens, das mit
ist vielmehr die innere Stimme eines gütigen,
standes gefeit zu sein. Es in
dienen und ihrem Gefühl zu einem richtigen Maß
seiner Lebenserfahrung den Hinterbleibenden
der Trauer um den Toten verhelfen möchte.
197
Die gleiche Sorge um ein Zuviel und Zuwenig der Trauer trennt die Menschen, wo sie weniger
dem eigenen Gefühlsbedürfnis folgen, als ihr Leid der berufenen geistigen Führung anvertrauen.
Die protestantische Kirche kümmert sich einzig um die Hinterbliebenen, denen sie Trost spendet,
nicht um den Verstorbenen, den sie nur der Gnade Jesu „empfiehlt“. Die katholische Kirche begleitet
den Verstorbenen in das Seelenland, liest ihm Totenmessen und pflegt so die Gewißheit von einem
nachtodlichen Dasein, das den Toten die Wirkungen seines verflossenen Erdendaseins erleben und er-
leiden läßt. Aber dieser Weg der Seele verliert sich für den Blick des Gläubigen in dem verschwim-
menden Nebelschleier einer ewigen Verdammnis bzw. einer göttlichen Gnade am Ende der Zeiten,
Es ist der Weg eines von außen abhängigen Geschickes mehr als eines selbstgewählten, selbstverschul-
deten, selbst — bei aller Notwendigkeit von Guade — zurechtrückbaren Schicksals; der Weg für
Seelen, die in unbestimmten Gefühlen schwingen und sich widerstandslos leidend ein für alle Male
dem göttlichen Willen wartend hingeben. Es ist nicht der wirkliche Weg, den die Seele tatsächlich
nach dem Tode gehen muß. Der ist nicht so einheitlich; er geht durch sehr verschiedene Sphären mit
sehr verschiedenen Erlebnissen und ist vor allem ein Weg tätigen Willens zu Schicksalsausgleich und
Läuterung. —
So bewahrt die katholische Totenmesse die Gewißheit von einer jenseitigen Welt und eine gefühls-
mäßige Verbindung der Lebenden mit den Verstorbenen, aber sie weist keine Wege zu höherer Er-
kenntnis des Schicksals und der Entwicklung der Toten. Es fehlt die lebendige Anschauung.
Ursprünglich war es natürlich anders. Da war urweisheitsvolles Schauen der Tatsachen der gei-
stigen Welt, ein Gewahrwerden geistigen Geschehens, das sich zu Bildern verdichtete, wenn seine
Wellen an die Organisation des Menschen anschlugen.
Dieses schauende Wissen quillt aus den Unbewußtheitstiefen der seelischen Natur empor. Traum-
haft also. Von einem Traume sprechen darum frühe Völker, in denen sich ein altes Schauen, zum min-
desten die Überlieferung alter Schauungen erhalten hat, wenn sie ihre Toten lebendig erleben:

„Warum weißt du nicht mehr, daß ich noch da bin?“,

hörte ein Zulu im Südosten Afrikas im Traume einen Verstorbenen ihn mahnen. Da ist. Geistnähe
und Wissen. In späteren Zeiten der Geistferne konnten es dichterische Ahnungen noch zu einem
letzten Ausdruck bringen, etwa durch die erschütternden Hebbel-Worte:
„seele, vergiß sie nicht,
Seele, vergiß nicht die Toten

Und in den heiligen Gluten,


Die den Armen die Liebe schürt,
Atmen sie auf und erwarmen

Und wenn du dich erkaltend


Ihnen verschließest, erstarren sie
Bis kinein in das Tiefste...“

Aber in früheren Zeiten war es ein anschauendes Wissen wirklicher Tatsachen, das als eine Selbst-
verständlichkeit in den allgemeinen Bräuchen der Sippensitten sichtbar wurde. Es war nicht schuld
daran, daß es von dem wissenentfremdeten Europäer mißverstanden wurde. Der dachte z.B. beim
Ahnenkult immer nur an sich selbst, an sein eigenes Wohlbefinden, seine eigenen Wünsche und
Sorgen, Fürchte und Hoffnungen und übertrug seine Denkart auf die Eingeborenen, die er „studierte“.
Er sah nicht, daß sie zuerst und vor allem die andere Seite, den Toten, meinten. Das alte Chinesentum
weiß, daß die Fülle der Gedanken und Kräfte, die in den Ahnen aufgespeichert ist und dauernd
weiter aufgehäuft wird, den Lebenden nutzbar gemacht werden kann; es weiß aber auch, daß
„jeder gute Gedanke, der an den Hingegangenen entsandt wird, ihm eine Kraft gibt und ihn
vor dem Zerflattern ins Nichts bewahrt.“ (Richard Wilhelm)

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Der Ahnenkult und Totenkult dient dem Toten. Es ist eben nicht wahr — und die Moralische
Völkerkunde* belegt es hundertfach —, daß der Totenkult aus der Furcht und der Sehnsucht der
Hinterbliebenen entstanden ist; es ist vielmehr wahr, daß er aus dem Wissen um das Schicksal des
Toten selbst sich von selbst ergab und auf die Weisung der geistigen Führer hin allgemein wurde.
nn enge

Für den Toten! Darum gab ein Neger auf die Frage, warum er auf dem Grabe seines Vaters Speise
niederlege, zur Antwort:
„Damit ihn mein Mitleid erreicht“;

darum ist für den Indianer die richtige Bestattung nach altem Brauch (mit den richtigen Gedanken
aus altem richtigem Wissen) die Bedingung dafür, daß

die Seele nicht im großen Wasser ertrinkt,


das sie nach dem Tode überqueren muß;

darum ist Opfer zurückerstattende Hingabe geistiger Kraft im geistentwandelten Stoff an die geistige
Welt, damit die abgeschiedene Seele stark werde, das schwere Erlebnis der Loslösung von der Erde
zu durchkämpfen; Tieropfer sind nicht neue Tötungen des Vaters, wie eine Psychoanalyse sich das
ausgegrübelt hat, sie sind Hingabe von Leben an die von Todeskräften bedrängte Seele.
„Bitte wach auf und nimm dieses Geschenk deiner Nachkommen und iß es, gebrauche den Reis und
die Zukost als Wegzehrung auf deiner Reise nach der großen Stadt“, so wendet sich der Malaie am
dritten Tage nach dem Begräbnis an den Verstorbenen beim Opfer.
Darum empfängt der Seelenfährmann Charon im Obolus nicht einen Arbeitslohn, sondern Stär-
kung des Lebens jenseits der Schwelle des Styx, wie in China noch gewußt worden ist;
darum weisen die Feuer, die man der Seele drei bis sieben Tage lang nach dem Tode anzündet,
nicht den Weg zum Grabe — den weiß sie schon selbst zu finden —, sondern bringen ihr Feuerkräfte
der geistigen Substanz zur Überwindung der Todeskräfte, die sie an die Erde fesseln wollen; zum
gleichen Zweck hat der tibetische Buddhismus in seinem Totenbuche Bardo Thödol, d.i. Befreiung
ng !

durch Hören im Zwischenreich, ein ganzes System der Belehrung des Toten durch die Lebenden aus-
gearbeitet, um ihn durch Erkennen der geistigen Wirklichkeit von den Täuschungen seines Erden-
hewußtseins zu befreien, ihn zum Eintritt in die höheren Sphären des kosmischen Bewußtseins und
zur späteren Rückkehr in die Erdenverkörperung vorzubereiten. Ein gleiches steckt in der geheim.
nisvollen Lehre der Pythagoreischen Mysterien, daß von den Erinnyen erfaßt werde, wer beim Ver-
lassen der Heimat sich umschaue. Welche Heimat? Eine dreifache ist sie, und dreifach ist die Deutung
im Spiegel der pythagoreischen Zahl. Zum ersten ist es die Erde, über die der Mensch während seines
Lebens wandelt: er soll auf seinem Wege mutig und wollend vorausschauen und unahlässig vorwärts-
schreiten; allzuviel Sehusucht nach Vergangenem, allzuviel Jammern um Verfehltes liefert ihn den
Erinnyen aus. Zum zweiten ist es die geistige Welt, die die Seele verläßt, um auf der Erde eine Zeit-
lang zu wohnen; sich allzuviel nach ihr umschauen, allzuviel um ihren Verlust klagen und nach ihr
sich sehnen, überliefert die Seele dem materielosen Geiste, in dem sie nicht wahrer Mensch sein kann.
Zum dritten ist es die Erde, die die Seele im Tode verläßt; allzuviel auf diesem Wege in die geistige
Welt sich nach der Erde umschauen, allzu sehnsüchtig und jammmernd sich an die Erdensinneswelt
binden, fesselt die Seele an die geistlose Materie, in der sie ihre Zukunft verliert; in der sie, wie der
-

Chinese es ausdrückt, ein unerlöstes Gespenst bleibt, wenn sie sich nicht vom Stofflichen befreit, das
_.

als unrein und als Qual nach dem Tode auf sie wirkt.
Alle Trauer ist und soll sein Hilfe für den Toten. Weiße Trauerfarbe wird mißverstanden, wenn
man sie als Absonderlichkeit lächelnd vermerkt oder als Gefühllosigkeit einschätzt; ganz im Gegen-
teil spiegelt sie ein Bewußtsein, das in der geistigen Heimat und Lichtwelt, zu der die Seele zurück-
kebrt, schauend oder doch wissend lebt, den Toten heiter begleitet und ihm mit guten Gedanken
hilft, sich von der dunklen Erde zu lösen. Mißverstanden werden alle Trauergebräuche, wenn man
.* „Moralisch“ im Sinne meiner „Vorlesungen über Moralische Völkerkunde“ gleich: mit der Wirklichkeit der
geistigen Welt im Bewußtsein verbunden.

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sie auf Angst und Abwehr, statt auf Liebe und Hilfe bezieht. Selbst eine Sitte, wie das Anspucken
der Leiche, will nicht böse Geister vertreiben, sie will der Seele Lebenskräfte mitgeben*.
Die Trauer um den Verstorbenen wurzelt ursprünglich in dem schauenden Wissen von dem Stufen-
gang der Seele durch das nachtodliche Leben und hält dadurch von selbst das richtige Maß zwischen
Zuviel und Zuwenig. Daß hier Stufen sind, hört man von den frühen Völkern. Der dunkle Südsee-
mensch, der Melanesier, sagt:
„Der Tote bleibt schwach, solange die Leiche noch Verwesung zeigt, nachher wird er wieder stark.“
In der ersten Zeit nach dem Ableben bedarf also die Seele der Hilfe der Hinterbliebenen, weil die
Qualen der Trennung von der Erdenwelt, der Erinnerungen an die genossenen Freuden wie der ver-
übten Leiden, der Erkenntnis nichterfüllter Aufgaben sie bestürmen. Materialistischer bewegen sich
die Gedanken des Westafrikaners:
„Je größer die Trauer, desto größer die Ehren, die der Tote an seinem neuen Orte empfängt.“
Auch diese Trauer ist im Grunde Hilfe, denn sie besteht in der Pflege der Leiche, des Grabes, der
Felder und Wirtschaft des Verstorbenen, und sie hält sich an Stufen, denn jener neue Ort ist eine
Jahreswanderung entfernt; er liegt also jenseits des Landes der Seelenqualen und des Ringens um
die Erdenfessel, wo nicht viel Trauern viel nützt, sondern im Gegenteil dem Schicksal der Seele im
Wege steht. Hilfe fordert die Seele. Die Forschung Rudolf Steiners lehrte, daß wir dem Toten helfen,
wenn wir in Gedanken an ihn leben, und daß in unserem Bewußtsein Unbefriedigtheiten entstehen
als Wirkungen der Toten, denen wir Schwierigkeiten machen, wenn wir uns nicht oder wenig oder
lieblos mit ihnen beschäftigen. .
Aber die Trauer halte das Maß. Aus Wissen davon, daß die Seele sich nach dem Tode von der
Erdensphäre lösen möchte und durch allzuviel Trauern eines einsichtlosen Schmerzes, mag er noch
so tief und ehrlich gefühlt sein, nur daran gehindert wird. Urweisheit wußte es immer, und weisheit-
verbundenes Volkstum weiß es noch heute. Das schwedische Volkslied singt:
Jede Träne, die deinem Auge entquillt,
Macht, daß sich mein Herz mit Blut erfüllt.
Jedes Glück, das dir dein Herz bewegt,
Den Sarg voll duft’ger Rosen mir legt,
und
Doch jedesmal, wenn du dich grämst,
Im Aug’ der Tränen Flut,
Füllt sich der Sarg, in dem ich ruh’,
Sogleich mit schwarzem Blut.

„Mit schwarzem Blut“, das heißt: mit den Todeskräften der Erde statt mit Lebenskräften lichter
Geisisubstanz, deren die Seele für ihr weiteres Schicksal bedarf, damit sie, wie der Bakwili-Neger
sagt, den weißen riesengestaltigen Mukassi-Geist, der ihm den Eintritt in die andere Welt verwehren
will, bestehen kann, und, wie der tibetische Buddhist es lehrt, eine gute Wiederverkörperung hat.
Das schon genannte tibetische Bardo Thödol schreibt vor, daß während des Lesens des Totenbuches
für den Verstorbenen kein Verwandter oder Ehegatte weinen oder klagen darf, da es nicht gut für
den Hingegangenen ist, weil er sich nicht aus Liebe oder Schwäche an dieses Leben klammern, sich
nicht vom Pfad der angehäuften Neigungen von Egoismus anziehen lassen soll, um nicht den Pfad
der Befreiung zu unterbrechen.
Die Eskimo haben das Sprichwort: Ein Toter, der zuviel beweint wird, friert!
Von den Odjibwa-Indianern gibt es folgende Geschichte:
Es verfiel jemand in einen todähnlichen Schlaf. Am zweiten Tage wieder erwacht. erzählte er das

* Ich halte es für möglich, daß die berüchtigte — wenigstens von den Gegnern behauptete — Ordensregel der
Templer, die im Schandprozeß des französischen Königs gegen sie eine Rolle spielte. dzs Anspeien des Crucifixus,
eine uralte Form der Kommunion gewesen sein könnte, eine lebenssymbolische Vereimizumg der Lebenssäfte und
-kräfte des hingebungsvollen Bruders mit der lebendigen Weltensubstzmz. m weicher der Erlsser lebt.

200
Traumgesicht, das er währenddes gehabt: er war bei den Toten und sah sie schwerbeladen mit Ge-
räten, Gewehren, Kesseln, Körben mit Essen und anderen Sachen daherziehen. Einer von ihnen
redete ihn an, beklagte sich über die Last, die er zu tragen hätte, und bot ihm sein Gewehr an. Ein
anderer wollte ihm den Kessel geben, den er trug, und so jeder die Last, die er schleppte. Seht,
sagte der mit diesem Traum aus dem mehrtägigen Schlafe Heimgekehrte zu seinen Sippengenossen,
die Toten haben an den vielen Grabbeigaben, die sie von uns mitbekommen, allzuschwer zu tragen,
sie brauchen längere Zeit, um Ruhe und Frieden zu erlangen, alle haben sich bei mir darüber be-
klagt, wir wollen von jetzt ab nur das mitgeben, um was sie selbst gebeten haben und alles andere
für unsere Familien behalten.
Es ist der Wahrtraum eines Eingeweihten, der eine Kulturwandlung, wie man sagt, herbeiführt,
im Grunde eine durch Vergessen des Ursprungs entartete Sitte wieder richtigstellt. Zuviel Trauer
schadet dem Toten.
Longfellow hat die gleiche indianische Weisheit in die Verse gekleidet:

Denk an dies, o Hiawatha, Legt nicht also schwere Bürden


Sprich davon zu allem Volke, In die Gräber mehr der Toten,
Daß von nun an und für immer Nicht mehr solche Wucht von Rauchwerk,
Niemand mehr mit eitlem Klagen Nicht mehr solche Wucht von Wampums,
Der Geschiedenen Seelen trübe Nicht mehr soviel Töpf’ und Kessel,
Auf den Inseln der Glücksel’gen. Denn die Seelen nur erdrückt es.
Wir sind Geister der Geschiedenen Ganz allein gebt ihnen Speise,
en Feuer auch, das ihnen leuchte,
Schrei des Jammers der Lebend’gen Daß die Seel’ auf ihrer Reise
Nach den Freunden, die geschieden, Nicht entbehre lust’ges Feuerlicht,
Trübt uns mit unnöt’gem Jammer Tappe nicht umher im Dunkeln.
(Übersetzt von Freiligrath)

Die Speise meint hier natürlich die Geistsubstanz der Materie, das Feuer meint die Lichtsubstanz
des Geistes. Der Tote bittet, von dem Übermaß der Trauer abzulassen, die ihn quält, und die sich im
verschwenderischen Wegwerfen der Habe äußert. Er bittet nur um gute und richtige Gedanken, daß
sie ihm helfen, seinen Weg durch die Irrsale seiner neuen Umwelt zu finden.
Das Maß, das hier eine Inspiration aus der geistigen Welt der indianischen Seele gewiesen hat,
gilt auch für uns und unsere christliche Gedächtnisfeier für die Toten, nur daß wir bestimmter die
Kräfte erkennen, die uns zum Überschwang der Trauer verführen wollen, um die Seele an die Erden-
sphäre zu binden; jene anderen, die uns in die Lichteshöhen entführen wollen, deren Glanz den Blick
für den Sinn des vorgetäuschten Erdenjammertales blendet; jene dritten endlich, die unserem Ich die
Erkenntnis bereithalten und unserer selbsterarbeiteten Wandlung als Gegengabe schenken, so daß es
aus Wissen die Mitte finden kann. Die pythagoreische Drei ist im weltengeistverbundenen Ich erfüllt.
Und noch eines. Diese Erkenntnis hilft nicht nur den Toten, deren Schicksalsweg wir liebend ver-
folgen; sie bereitet uns selbst auf unseren eigenen Weg vor, den wir dereinst zu gehen haben, wenn
unsere Stunde gekommen ist. Erkennen des Nachtodlichen schon während des Lebens auf der Erde
schirmt den Weg, den unser lebendiger Teil nach dem Tode zu gehen hat.
Das tibetische Totenbuch sagt darüber:
„Wenn man über die Schilderung dieser bluttrinkenden Gottheiten meditiert hat, dieweil man
in der Menschenwelt war... gelangt man, so man das Dämmern der Gottheiten auf dieser Stufe ge-
wahrt, zu Erkenntnis und Befreiung.“
Wahre Geist-Erkenntnis lehrt das westliche Bewußtsein die gleiche Notwendigkeit: Nur wer sich
hier auf der Erde mit der geistigen Welt beschäftigt hat, kann nach dem Tode deren Inhalt unter-
scheidend erkennen.
Bier wartet eine Aufgabe der Zeit auf die Menschen, die sie erfüllen wollen.

201
Das Menschenbild in den babylonischen Mysterien
Emma Andrae

ey
Das menschliche Bewußtsein hat im Laufe der Jahrtausende Umwandlungen erfahren und wird sich
noch weiter wandeln. Wenn wir diese Entwicklung und Veränderung des Bewußtseins beobachten,
zeigen sich uns besonders wichtige Epochen, Knotenpunkte, in denen unter mehr oder weniger
schweren Erschütterungen das Neue geboren wird oder neben dem Alten keimhaft sich zeigt. Eine
solche Übergangsperiode .erkennen wir im Laufe des 6. vorchristlichen Jahrhunderts. Bis zu diesem
Zeitabschnitt erlebte die Menschheit in Sinnbildern — Symbolen — seelische Wirklichkeiten. Durch
die Bilder seines Innern fühlte sich der Mensch innig verbunden mit den Vorgängen der Außenwelt,
er war sich keiner Abgetrenntheit von den Naturvorgängen bewußt. Im 6. Jahrhundert aber vollzieht
sich in Griechenland die Geburt einer denkenden Betrachtung der Naturvorgänge. Der Mensch löst
die innere Verbundenheit mit der ihn umgebenden Welt und beginnt sie denkend zu erforschen. Die
Namen der griechischen Philosophen, welche diese Umwandlung einleiteten, sind uns überliefert.
Aber es scheint gerade, als ob die großen Lehrmeister der Menschheit diesen Schritt recht ver-
ständlich machen wollten, indem zu derselben Zeit, da die ersten griechischen Philosophen jene der
sichtbaren Welt zugrunde liegenden Ideen gedanklich zu erfassen strebten, auch das absterbende Bild-
Bewußtsein der älteren Menschheitsepoche noch einmal eine Blüte von unerhörter Eindringlichkeit
und Großartigkeit hervorbrachte.
In den Bauwerken Nebukadnezars II. (604—562) in Babylon stehen solche mächtigen Sinnbilder
vor unseren Augen, und ihnen verdanken wir es, daß uns heute wenigstens einigermaßen die Möglich-
keit gegeben ist, in das Bild-Bewußtsein der Menschen jener Zeiten verstehend einzudringen.
Durch eine Schilderung der Neujahrsprozession im alten Babylon (Augustheft 1936) suchten wir
uns zu vergegenwärtigen, in welcher Weise die in der Prozession schreitenden Menschen die Bilder
des Löwen, des Stieres und des Drachen als seelische Wirklichkeiten erlebten, ehe sie durch das
enge, dunkle Ischtar-Tor den Palastbezirk des Königs betreten durften. Eine innere Läuterung und
Erschütterung der Seelen sollte durch diesen Weg bewirkt werden, eine Vorbereitung für den Ein-
tritt in den Mittel- und Haupthof des königlichen Palastes. Die drei Tore des 56 Meter breiten könig-
lichen Thronsaales öffneten sich nach diesem Hof zu, und wer den Hof betrat, dem leuchtete von den
Wandflächen zwischen den Toren in mächtiger Reihe ein weiteres Sinnbild entgegen, das den Men-.
schen jener Zeit gewiß innig vertraut war. Uns Nachgeborenen hat sich der Sinn gerade dieses Bildes
erst nach langem Forschen erschlossen, denn seine Formen sind für uns nicht so unmittelbar ver-
ständlich wie die Abbilder der Tiere; sie erinnern uns nur entfernt an Naturformen.
Es sind säulenartige Stämme, an denen wir eine dreifache Bindung oder Abschnürung beobachten
können. Aus dem Stamm entstehen oben, gleich Kelchblättern, drei Volutenpaare, und aus dem
obersten Paare erhebt sich wie eine kleine Sonne die Blüte. Zierliche Blütenranken verbinden die
einzelnen Bäume, sie weben sich von einem Volutenpaar zum anderen.
Die Altertumswissenschaft nennt dieses Gebilde „Lebensbaum‘“ und kennt es als eines der ältesten
Symbole der Menschheit, das sich in den verschiedensten Formen und Abwandlungen durch die Jahr-
tausende hindurch bis heute erhalten hat. Immer von neuem wird es in der sogenannten Volkskunst
als „Motiv“ angewandt. Daß wir hier in Babylon diesem „Lebensbaum“ an so wichtiger Stelle be- zii
gegnen, gibt uns wohl ein Recht, nach Sinn und Bedeutung dieser Form zu fragen.
Aber wie können wir dieses Sinnbild bis an seinen Ursprung verfolgen, um als heutige Menschen
seinen Sinn wirklich zu verstehen? Zunächst deuken wir wohl an die Paradiesesbäume, an die Welt-
esche; wir wissen, daß der Baum in den alten Mysterien ein Bild der die Welt durchwebenden
Lebenskräfte war. Das Leben erneuert sich durch den Genuß seiner Früchte, durch die Verbundenheit
zit ihm. Nachdem der Mensch vom Baume der Erkenntnis gegessen hat, darf er nicht mehr von den
Früchten des Lebensbaumes genießen. Die unmittelbare Verbindung mit den die Welt durchweben-
den Leben:kräften hört auf, der Tod tritt ein; zugleich wird der Weg zum eigenen Ich-Bewußtsein an-
zstreten. der Lebensbaum wird Erinnerung. Die Führer der Menschheit stellen ihn den Menschen als
Bild vor die Augen, dessen Betrachtung lebenspendend, lebenerneuernd wirken, den verlorenen Zu-
sammenhang wieder herstellen soll. Wie ein Wegweiser begleitet so dieses Symbol die Menschen
durch die Jahrtausende, und durch die Betrachtung seines Formenwandels scheint es auch uns möglich,
etwas von dem Wandel der menschlichen Lebensformen und inneren Erkenntnisse abzulesen.
Im vierten vorchristlichen Jahrtausend, bei: den südmesopota-
mischen Sumerern, begegnen wir zuerst der Bildform, aus welcher
unser „Lebensbaum“ entstanden ist. Es ist ein Bündel aus Schilf-
rohr, das drei feste Schnürungen zeigt und dessen oberes dünnes
Ende eingerollt und so festgeschnürt wurde, daß ein Volutenring
entsteht. Dieses Gebilde brauchten die Menschen jener Zeit an
einer wichtigen Stelle: Hürden aus Schilfrohr umhegten die Wohn-
stätten, und zwei solcher Ringbündel bildeten die Türpfosten,
welche den Durchgang durch diese Hürde ermöglichten. Ein Stab
wurde durch die oben geschnürten Ringe gelegt, eine Matte an
ihm befestigt, durch deren Auf- oder Abrollung die Tür geöffnet
oder verschlossen werden konnte. Das Bild des Ringbündels be-
gegnet uns aber als Zeichen der Göttin Ischtar, es wird zusammen
wit dem Gotteszeichen „Stern“ das Schriftzeichen für ihren Na-
men. Diese Göttin wurde in jenen frühen Zeiten als höchste Herrin
verehrt, sie ist die Muttergöttin, die Hüterin des Lebens und der
Sitte. Sie herrscht in der Kultstätte, wie die Frau und Mutter in
der Wohnstätte herrscht. Die Frau bestimmt die Lebensformen, sie
verfertigt die Gebrauchsgegenstände, Gewänder, Gefäße, Schilf-
matten, Hürden und wohl auch die Ringbündel der Türpfosten. Sie
ist die Herrin der Tür, der Mann — Jäger und Hirt — darf die
Hürde nicht ohne ihre Zustimmung betreten. (Noch heute ist es
arabischer Brauch, daß jede Braut eine Tür mit in die Ehe be-
kommt.)

Wir denken in diesem Zusammenhang an die Bezeichnung der


Jungfrau Maria als „Himmelstür“ in einem mittelalterlichen
Hymnus:

Ave maris stella (Sei gegrüßt, Meerstern, Großes Alabaster-Kultgefäß


Dei mater alma Gottes nährende Mutter, aus Urouk, um 3200 v. Chr. (Oben Ring-
bündelpaar als Tür und Ringbündel-Sinn-
Atque semper virgo Ewig-Jungfrau, bild der Göttin Ininna) Original in Bagdad,
Felix coeli porta. Glücklike Himmelspforte.) Abguß in den Staatlichen Museen, Berlin

Die Urform unseres Symbols führt uns also in die ältesten Zeiten des Mutterrechts; dieses Sinn-
bild des Ewig-Weiblichen bedeutet Verbiudung mit den Lebenskräften, die es lenkt, :stärkt und
erhält. Doch bald erscheint die Doppelung der Ringe an einem Stamm, die Polarität wird im
Männlich-Weiblichen als Spannung erlebt, die Lebensformen und Kultformen wandeln sich. Im
Laufe der Jahrhunderte wird das einfache Ringbündelpaar verdoppelt und -verdreifacht, so daß
es nun schon unserem babylonischen Thronsaalornament ähnlich sieht. Aber nicht genug damit.
Mannigfaltige Blattbildungen ranken sich um den Stamm, mit ihm verbunden durch fließende
Bänder, so daß das ganze Gebilde wie ein Garten vor uns steht. Vielfältige neue Kräfte scheinen es
zu durchströmen, die wir immer von neuem bei seiner Betrachtung als wundertätig empfinden.
Das „Lebensbild“ des Menschen hat sich gewandelt.
Da steht der Stamm, dreifach gebunden, wie bei den ältesten Darstellungen der Schilfbündel,
aber nach allen Seiten bin bricht aus ihm der Reichtum neuer Gebilde hervor. Zu beiden Seiten
dieses „Lebensbaumes“ breiten Genien mit segnender Gebärde die Hände über ihn oder befruchten

203
ihn mit den Blütenkolben der Dattelpalme. Auf manchen Darstellungen nimmt der König selbst
in aubetender Haltung diese Stelle des Lebensbaumes zwischen den befruchtenden Genien ein.
Daraus ersehen wir deutlich, daß mit dem Bild des Lebensbaumes eine Darstellung des Menschen-

Lebensbaum und Genien


Assyrisches Alabasterrelief aus Kalchu, 9. Jahrh. v. Chr.
Staatliche Museen, Berlin

wesens gemeint ist, dessen Wachstum die Götter betreuen. Sie hüten den Stamm der Leibesorgani-
sation, beleben die ätherischen Kräfteströme, befruchten die mannigfaltigen seelischen Gebilde, die
von unten rings um den Stamm erstehen. Weiterhin gibt-es Darstellungen, auf denen sich oben,

PARD
ER ne

. Die Thronsaalfront Nebukadnezars Il.in Babylon


- Ergänzungsversuch. Staatliche Museen, Berlin

einer weitgeflügelten Sonne gleich, ein blütenähnliches Gebilde herabsenkt. Oft schwebt es über dem
Lebensbaum und nähert sich ihm. Erst von einem bestimmiten Zeitpunkt ab erscheint die Blüte mit
ihm verbunden und blüht dann wie an der Thronsaalfront Nebukadnezars aus den oberen Voluten-
paaren hervor-oder senkt sich auf sie so weit herab, daß sie mit ihnen verbunden erscheint. Diese
letzte Form des großen Symbols in-Babylon erscheint uns also wie der Endpunkt einer langen Ent-

204
wicklung. Wir vermögen ihren Sinn nur zu ahnen und in andeutenden Worten zu beschreiben. Es
ist, als sollte durch diese Bilder den Menschenseelen gezeigt werden, wie aus dem, was der Mensch
als Stamm seines Leibes von der mütterlichen Erde erhält, eine Pforte göttlichen Lebenswirkens
werden soll. Dann entstehen daraus durch Polarität und Metamorphose, die Goethe „die beiden
großen Triebräder aller Entwicklung“ nennt, die mannigfaltigen Wandlungen des menschlichen
Seelenwesens. Durch die Pflege der Götter soll endlich dieses Menschenwesen soweit geführt werden,
+

daß es dazu heranreift, aus der göttlichen Welt die Blüte zu empfangen — das eigene Bewußtsein,
(das Ich. . -

Wie eine mächtige Reihe wachender Menschenwesen standen also -diese farbigen Gebilde an der
Thronsaalwand Nebukadnezars vor dem Beschauer. Eines war mit dem anderen durch zarte, fast
zurückweichende Ranken verbunden, wie geistige Ströme einzelne Generationen verbinden mögen,
oder wie der geheiligte Blutstrom eines Stammes durch die Generationen rinnt. Diese Reihung und
Verbindung scheint noch auf ein weiteres Geheimnis hinzudeuten. Wir können heute wohl nicht
mehr genau sagen, wie viele solcher einzelner Blütenträger in der ganzen ‚Reihe standen, aber
immer wieder regt sich in uns bei der Betrachtung ihrer Reihe die Erinnerung an die Lehren der
alten Mysterienweisheit, die von dem Weg des Göttlichen im Menschen künden. Der
Blutsirom von: vielen Generationen von Menschenwesen ist nötig, um das göttliche Wesen zur
Menschwerdung zu führen. Ein mittelalterlicher Hymnus kommt uns in den Sinn, ein Christ-Geburts-
Hymnus aus alter Zeit:
In Finsternis erglühte
Die Rose aus der Lilie dringt Licht ohne Finsternis, —
Und Blüte bricht aus Blüte, Aus Fleisches Düsternis
Da uns den Sohn die Tochter bringt. Das wahre Licht sich mühte.

Morgenländische Parabel
Übertragen von Powell Spring
Ein Kaufmann von Bagdad schickte seinen Knecht zum Bazar um Lebensmittel einzukaufen, und
plötzlich rannte dieser blaß und zitternd zurück und klagte: „Herr, soeben wurde ich am Markt von
einem aus der Menge angestoßen, und als ich mich umwandte, war es der Tod. Er sah mich an und
machte eine drohende Geste. Leik mir dein schnellstes Pferd, und ich werde nach Samarra fliehen.
Dort wird mich der Tod nicht finden.“
Der Kaufmann gab ihm das Pferd, der Knecht schwang sich darauf und galoppierte in die Weite,
so schnell das Pferd ihn tragen konnte.
Der Kaufmann ging nun selbst zum Bazar und traf seinerseits den Tod, der in der. Menge auf
und ab ging. Er herrschte ihn an: „Warum machtest du eine drohende Gebärde, als du heute meinen
Knecht getroffen hast?“ „Das war keine drohende Gebärde“, antwortete der Tod. „Es. war nur eine
Geste des Erstaunens. Ich wunderte mich, ihn in Bagdad anzutreffen, habe ich doch ein Stelldichein
mit ihm heute Abend in Samarra.“ (S. Maughan)

Über Christentum und Germanentum


Impulse der Gegenwart 2
Friedrich Rittelmeyer
Im Jahr 2000 wird entweder ein größeres Christentum dastehen als heute, oder es wird keines
mehr sein.
Keines mehr? Ein solches Wort muß gewiß wieder eingeschränkt werden. Denn Inseln des Chri-
stentums werden unter allen Umständen bestehen. Aber keine Hochburgen und Bollwerke der
Zukunft.

205
wollen, den ganzen
tum heute verteidigen
denen, die das. Christen stentum zu ver-
Ein solches Wort mag aber , das Chri
brin gen. Es genügt heute eben nicht
der Krise zum Bew ußt sei n die heute das
Ernst Menschen mögen es sein,
ern. Treue und fromme
teidigen, man muß es neu
erob genug, bei weiten nicht.
Aber sie sehe n ihre Aufgabe nicht groß
Christentum verteidigen woll en. cht haben. Es gilt heute,
ob sie sich ihre Aufg abe nicht zu bequem gema
Sie mögen auch zusehen,
nicht bloß es zu verteidigen. ein Dogmen-Christentum
das Christentum zu erobern, ein Staats-Christentum, ehe es
Zeit en, ehe es
Die Christen der erst en ung oft ins Äußer-
an Chr ist us den Kom menden. Mag ihre Erwart ndigere
gab, lebten im Glauben Christentum, eine viel lebe
war doch ein ande rer Geist als irn späteren wart ende , sie
liche geraten sein, es gs bloß als die
Und die chri stli che Gem einde fühlte sich keineswe eng ehe nde : das
‚Grundstimmung. Seinen als Entgeg
die entg egen gehe nde. Chri stus der Kommende, die Chri sten tums
fühlte sich als en
Lebensgrundstimmung echt
müßte eigentlich immer die
war das Urchristentum. Dies egengehe ndes Chri sten tum!
benes, sondern ein- entg er der Meinung:
sein: nicht ein stehengeblie päis chen Welt? Wir waren doch imm
r uns in der euro
Kann es so sein ? Unte und dann wieder in
gekommen. Einst in der Missionszeit
ist schon zu den Germanen
Christus
der Reformationszeit? eine richtige
das Christentum wendet —
heut e so tumu ltua risc h rumort und sich oft gegen mme n. Noch nicht im
Was Germanen angeko
dun g ist doch dari n: Chri stus ist noch nicht bei den
Empfin europäische Welt.
utet etwas für die ganze egoistisch-
vollen Sinn. Und das bede aften. Das braucht nicht
nne sich nur klar zu seinen germanischen Eigensch iste t, wen n sie ganze
Man beke am meisten gele
zu sein. Die Grie chen haben der gesamten Welt sind, war es
nationalisti sch gew ord en
dann keineswegs Griechen
Auch wenn die andern chen Eigenschaften —
Griechen gewesen sind. sich klar zu seinen germanis
n. Man bek enn e
doch für sie der größte
Sege eller als man denkt, dem
tief genu g. Sonst könnte man, schn
eines gewiß, daß sie Met
nsch afte n
aber man suche diese Eige den alten Germanen nur
sagte: Ich weiß von en, Schaffen und Ahnen
Mann ähnlich werden, der gele gen sind, also... - Im Sehn
auf der Bär enh aut sie finden.
getrunken haben und n auf, dort wird man
such e man diese Eigenschafte
der größten Germanen
der Gesc hich te
genug. Ganz gewiß
regt, ist nich t deut sch genug, ist nicht germanish der
Vieles, was heute sich t ein abstraktes Menschen
xideal auf. Es geht mit
den Völkern nich chen
pfropft das Christentum zu seinen besten germanis
lebe ndig en Gesc hich te. Man bekenne sich klar
Geschichte, mit der besteht!
ob dann das Christentum ller Irrtum, daß das,
Anlagen — und sehe, genu g. Es ist ein verhängnisvo
sten tum tief
e auch das Chri en und Schalen
Aber man such e Christentum sei! In Rind
ganz
zu uns gekommen ist, das die Schale, und
was einst von den Römern Jahr taus ende . Aber etwas anderes ist
gewa chse n durc h zwei vangelium
ist das Christen tum ht. Gerade am Joh eseann
ist der Kern , und etwas anderes ist die Fruc t in den großen
etwas anderes erwachen. War nich
in viel er Hins icht zu ganz neuen Zukunftsblicken ecke n ist? In
könnten wir annesevangelium noch einm
al zu entd
efühl, daß das Joh seligen
Deutschen immer ein Vorg Faust, in Fichte in seiner „Anwei
sung zum
k, in Goethe in seinem
Luther in seinem Bibelwer en . - .?
die Stun de gek omm
Leben“? Ist vielleicht jetzt im Christentum heute noch alle drei anderen
hat, kann sehen, daß smus, auch der
Wer seine Augen offen das Judentum, auch der Buddhi
Reli gion en ihr Wes en treiben, nicht mur ht gera de die Germanen
großen für die vielleic
nis mus . Und eine groß e Reinigungstat wäre nötig, sten tum sich selbst ge-
Muhammeda Rein igun gsta t, durch die das Chri
Eine groß e
beste Eigenschaften mitbring
en. emporgeführt wird.
eine r neue n, höhe ren Stufe seiner Entwicklung
geben wird; durch die es
zu ßen auf dem weiten
nich t es selbs t. Es muß kämpfen, nicht nur drau
Das Christentum ist noch
gar en Religionen der Mensch-
in sich selbs t, auch gegen alle anderen groß
Erdenrund, sondern drin nen der Vaterlandsliebe, sondern
selbs t. Und wir rede n keineswegs nur ira Sinn wir heute
heit zunächst in sich stehen im Dienst des Chri
stentums selbst, wenn
s der Gesc hich te, sein er Ver-
stehen im Dienst des Sinn loshelfen von
en Aug en das Chri sten tum erblicken und ihm
ganz mit unsern eign selbst.
größerer Reinheit in sich
gangenheit, zu
*

206
Buddhismus im Christentum? Indertum? Wieso?
In Ägypten ist das Mönchtum entstanden. Das Eremitentum vor allem hat dort seine klassische
Stätte gehabt. Ägypten aber ist die Brücke zum Orient gewesen. Wo Weltflucht im Christentum
ist, besonders im christlichen Mönchtum und Einsiedlertum, da ist Orient, da ist Indien, das klassi-
sche Land der Mönche und Einsiedler, auch wenn ein äußerer geschichtlicher Zusammenhang gar
nicht festzustellen wäre. Aber ist nicht im Neuplatonismus indische Mystik auch geschichtlich nach-
zuweisen?
Geradezu in die Augen springend ist es, wie selbst Franziskus, der größte christliche Heilige
des Mittelalters, nicht rein christliche Züge aufweist. Wenn er zum Beispiel die Armut preist als
die Braut der Seele — so hat Christus nie geredet. Bei einer einzigen Gelegenheit hat er ein Wort
gesprochen wie dieses: „Die Füchse haben Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester,
aber des Menschen Sohn hat nicht, da er sein Haupt hinlege.“ Aber das ist ein ganz andrer
Ton. Und auch in der Aussendungsrede an die Apostel ist der Ton ganz anders. Die Armut ist nicht
Eigenwert, sondern höchstens Mittel zum Zweck. Unmittelbar nach dem Wort von der Heimatlosig-
keit kommen auch die großen Worte vom Reich Gottes. Das ist die „große Hochzeit“!
Selbst Meister Eckehart, der jetzt viel Gefeierte: wenn er auf der Höhe seiner religiösen Rede
manchmal von Gott spricht, als ob er das „Nichts“ ist, das „Nichts“ über allem „Dies und Das“:
wer denkt nicht — über den Neuplatonismus hinweg — an den Buddhismus und sein Nirwana?
Vielleicht hat man von da aus sogar den leichtesten Zugang zum Verständnis des Buddhismus. So
hat aber Christus wieder uicht gesprochen. Er hat gesagt: „Ich bin gekommen, daß sie das Leben
und volle Genüge haben.“ Nicht das Nichts, sondern „die Fülle“: so hat ihn auch sein intimster
Jünger verstanden.
Selbst in den größten Christen der Vergangenheit leben so noch andre Religionen mit.
Eigenart der Germanen ist nun aber die Erdenfreude. Ihre tiefe Naturliebe unterscheidet
sie am meisten von ihren arischen Brüdern, den Indern. Darum gerade hat man in den nordischen
Ländern Luther so wesensverwandt gefühlt in seiner gemütvoll offenen Erdenfreude. Und Eigen-
art der Germanen ist auch die Liebe zum Erdenkampf. Auch der Inder war ein Kämpfer,
ein viel heroischerer Kämpfer, als sich die allermeisten Gegenwartsmenschen auch nur vorstellen
können. Aber der Inder war ein Kämpfer von der Erde weg. Der Germane ist ein Kämpfer in die
Erde hinein. Darum gerade wieder hat Luther so sehr das Herz der Nordläuder gewonnen, weil er
in seinem Reformationstrutzlied ihnen das Christentum mit einem Kämpferherzen vorlebt.
Aber nicht nur, daß die Germanen auf allen Schlachtfeldern der Erde zu finden waren: sie
suchten sich vor allem auch die Schlachtfelder des Geistes. Goethe war ein Erdenkämpfer größten
Stils. wenn er sich, soweit es damals möglich war, die Welt Persiens eroberte, die Welt Indiens, selbst
die Welt Chinas. Erdenkämpfer war er auch, wenn er die Eindrücke der Welt in Gedichte, in
klingenden Geist verwandelte. Hegel wiederum war ein Erdenkämpfer, Erderoberer, wenn er, in
allzu vorwärtsdrängender Kühnheit, die Reiche der Natur, so wie man sie damals eben kannte,
geistig zu durchdringen, zu ordnen, zu beherrschen suchte. Und welche gewaltigen Geisteskämpfe in
unsrer Zeit gekämpft worden sind, wenn in das gesamte Erdenwissen die Geist-durchleuchtung ein-
gedrungen ist in Rudolf Steiner, wenn das Sinnenreich sich einem umfassenden Geistessieg hat
beugen müssen, das wird man auch einmal einsehen.
Das erd-zugewandt Heldische: das ist Germanenart. Und darum können sie auch das Christen-
tum für die Erde erobern — und die Erde für das Christentum. Dies ist gerade der höchste Geistes-
kampf, der überhaupt gekämpft werden kann. Man wird erkennen, daß man die Auferstehung
Christi nicht in orientalischer Weise nur als einen Lohn für ein göttliches Leben zu verstehen
hat und erst recht nicht als einen äußeren Erweis und Beweis göttlicher Macht, sondern vor allem
als die Tat Christi selbst, als ein einzig-großes Kämpfen mit der Todesgewalt, ein Sich-hindurch-
Siegen durch den Tod. Und man wird erkennen und hat schon erkannt, daß das Christusmahl nicht
zu verstehen ist nur als eine Königstafel, bei der die Gäste zu einer besonderen Speisung eingeladen
sind, sondern daß auch hinter der Einsetzung des, Christusmahls ein Kampf steht und ein Sieg, ein

207
Sich-Hingeben und Eindringen in die Erdensubstanzen Brot und Wein, ein geistiges Ergreifen der
gesamten irdischen Welt. .
Das Christentum will kein Klosterideal sein.‘ Auch nicht ein Kirchenstaat. Ein Kampf um den
Menschen bis in den Leib hinein ist jede echte christliche Andacht, jedes echte christliche Gebet. Und
ein Kampf um die Erde ist jeder echte christliche Gottesdienst.
*

Aber Muhammedanismus? Wo ist denn Muhammed, der große Gegenspieler gegen das abendlän-
dische Christentum der späteren Jahrhunderte, in das Christentum selbst eingedrungen?
Wir brauchen nur den Blick zu lenken auf das muhammedanische Zukunftsideal. Kann man
leugnen, daß das mubammedanische „Paradies“ irdisch-sinnlich-egoistischen Charakter hat? Und wo
sich in die‘ christliche Paradiesesvorstellung ähnliche Züge eingeschlichen haben, da ist Muhammed.
Mag sein, daß sich im Christentum. solche egoistisch-sinnliche Art des Jenseitsglaubens selbständig
entwickelt hat, aus. der eignen Ungeistigkeit heraus, ohne daß Muhammed historische Schuld daran
trägt: die charakteristische geschichtliche Ausprägung dieser Geistesart ist eben doch der Islam
gewesen.
Und man sehe und suche ihn auch im Christentum bis in alle Winkel hinein. Nicht nur in mittel-
alterlichen Paradiesesgemälden, nicht nur in protestantischen Kirchenchorälen..— wer in seinem
Zimmer den Spruch hängen hat: Nur selig! der ist Muhammedaner. Dies war gerade nicht die
Gesinnung Christi, daß er „nur selig‘ sein wollte. Das hätte er, nach Paulus, „für einen Raub“
gehalten. Er konnte gar nicht „selig“ sein, wenn er die Menschen auf der Erde zugrunde gehen
sah. Darum ließ er sich zu Tode martern und verband sich für immer mit diesem schwachen, übel-
befleckten Menschengeschlecht. Die Richtung Christi geht nicht von der Erde zum Himmel, sondern
vom Himmel zur Erde.
Was hilft gegen die falsche Christenart? Man könnte ihr gegenüber wieder den heroischen Cha-
rakter des wirklichen Christentums betonen. Aber auch die Muhammedaner sind Helden gewesen
und haben ebenso tapfer gekämpft wie die Rreuzzugsritter — für ihr Muhammedanerparadies. Man
muß begründen, nicht betonen. Man muß daran erinnern, daß Christus nicht gesagt hat: „Ich bin
die Seligkeit!“ sondern: „Ich bin die Wahrheit!“ Daß er nicht gesagt hat: „Ich bin das Paradies
nach diesem Leben!“ sondern: „Ich bin das Licht der Welt!“ Man muß daran erinnern und es
zur Wirklichkeit werden lassen, daß ‘Christus nicht gesagt hat: „Ich bringe euch das Glück!“
sondern: „Ich sende euch den Geist!“ Das Objektive, das Groß-Objektiv-Geistige im Christentum
will heute zur Geltung kommen.
Die Muhammedaner leugnen nicht umsonst den Heiligen Geist. Da kommt ihre ganze Schwäche
heraus. Sie wissen nur von dem einen Gott, der der Herr ist. Die Buddhisten leugnen im Grund
den Vatergott. Sie kennen nur ein allgemein Geistiges. Sie kennen die Erde nur als ein Reich von
Widersachern des Menschen, nicht als eine Stätte göttlicher Schöpfergröße und Wesensoffenbarung.
Sie haben kein Verhältnis zu einem „Vater“. Die Mubammedaner aber wissen nichts von dem „Geist“,
der den Menschen vom Vater durch den Sohn gesandt werden soll.
Das mag verwunderlich sein, wenn man daran denkt, welche erstaunliche Entwicklung der mensch-
liche Verstand gerade bei den Arabern gefunden hat, wie ihre Verstandesarbeit grundlegend ge-
worden ist für die gesamte heutige Naturwissenschaft. Aber dies ist es gerade: durch sie ist vor allem Fr

auch der Zwiespalt zwischen Wissen und Glauben, der die abendländische Kultur zerrissen hat,
hereingetragen worden oder doch wesentlich verstärkt: weil sie nur vom Verstand wußten, den sie
glänzend übten, aber nicht vom Heiligen Geist. -
Wenn das Christentum erlebt wird nicht nur als eine Rettungstat, die irgendwann einmal wunder-
haft von oben in die verderbte Erdenwelt eintrat, sondern als die geistige Erhellung des gesamten
Weltenwerdens; wenn es erfahren wird nicht nur als Seelenhilfe, sondern als Geisteslicht, als all-
durchdringendes Geisteslicht, dann muß der Muhammedanismus im Christentum sterben.
*
Leugnet der Buddhist den Vater und der Muhammedaner den Geist, so leugnet der Jude immer
und überall, soweit er eben Jude geblieben ist, den Sohn. Auch das Judentum, das heute im Christen-
tum weiterlebt — und es lebt noch stark im Christentum der Gegenwart — steht wider den Sohn.
Nicht schlimme Eigenschaften der Juden haben wir dabei im Auge, sondern eben ihre besten.
Die Gesetzesstrenge, durch die sich gerade die unverfälschten Juden heute noch auszeichnen, hat
dies Volk gesund und stark gemacht. Iu dem Buch „Deutschtum“ haben wir schon vor Jahren dar-
gelegt, wie in dem Luther-Erlebnis, das die religiöse Seele des Protestantismus ist, noch die jüdische
Gesetzlichkeit nachwirkt, die durch das Römertum ins Christentum hineingetragen worden ist. Groß-
artig ist es, mitanzusehen, wie Luther diese Welt zerbricht. Sein innerster christlicher Instinkt sucht
eine neue Welt. Aber die Gedankenformen, in denen er seine Tat vollbringt, sind noch israelitisch.
So vollzieht sich die Befreiung in dem Erlebnisgang: Gesetzesschuld — Gnade — Rechtfertigung.
‚Hat man sich in protestantischen Kreisen je. völlig klar gemacht, was es bedeutet, daß das Wort
Rechtfertigung im Mund Christi gar nicht vorkommt? Oder doch nur einmal, und da charakteristischer-
weise dort, wo er sich in die Welt der Pharisäer versetzt: im Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner.
Selbst das Wort Gnade kommt im Mund Christi nur dort vor. Christus redet — das muß man in
seiner vollen Bedeutung ermessen — von der Liebe und vom Leben. °
Weil aber Luther geschichtlich doch noch in den alten Gedankenformen steckte, darum konnte
das Gesetzeswesen im Protestantismus wieder die Oberhand gewinnen: in der Knechtschaft gegen-
über dem Bibelbuchstaben, in dem Fanatismus gegen jede Irrlehre, in der Äußerlichkeit der Bekennt-
.nisverpflichtung, in der Gesetzestafel-Moraäl.
Auf dem Berg der Freiheit und Innerlichkeit stand Luther, als er selbst der Bibel gegenüber
kühngeistig die Losung ausgab: „Was Christum treibt“, soll gelten. Und dies „was Christum treibt“
war im Grund nicht nur seine Dogmatik, sondern auch seine Ethik.
Damit war er in das Herz des Christentums vorgedrungen. Aber er konnte dort noch nicht seine
Kirche bauen. Irgendwann einmal muß es jedoch gewagt werden, die Innerlichkeit des Christentums
rein zur Geltung zu bringen, den Zugang, den das menschliche Ich in seinem Innersten zu Christus
hat, völlig frei zu machen und frei zu halten. Das letzte Wort, das Christus beim Abschied zu seinen
Jüngeru sprach, deutet empor zu dieser Tempelhöhe: „Damit die Liebe, mit der du mich liebst, sei
in ihnen und ich in ihnen!“
Und wo sollte man stärker dahin drängen als unter den germanischen Völkern? Luther, Goethe,
Fichte sind die Rlassiker des deutschen Ich-Strebens. Jeder von ihnen ist, auf seine Weise, auf dem
Weg gewesen. Luther ging den Weg des Wollens, Goethe den Weg des Fühlens, Fichte den Weg
des Denkens — hin zu dem Gott, der „im Innern wohnt“, der vom Ich aus den Menschen regiert.
Und das ist Christus. „Ich in ihnen!“
Auch die Juden hatten gewiß in ihren besten und höchsten Vertretern ihre Art von Innerlichkeit.
Aber sie ist noch vom Gesetz zusammengehalten und lebt noch in der Gesetzessphäre, noch nicht in
der Sphäre einer neuen Schöpfung.
Es ist nur ein Punkt, den wir hier berühren in bezug auf die Nachwirkung des Judentums im
Christentum. Aber vielleicht der zentral wichtigste.
*

Auf drei Eigenschaften hatten wir hinzuweisen, die in dieser Stunde des Christentums 'ge-
A:

fordert werden:
Heldenhaftigkeit, Geistigkeit, Innerlichkeit. -
Ihrer bedarf die Zeit. Denn die Gegner des Menschheitsfortschritts sind heute: Maäterialismus,
Intellektualismus, Egoismus. °
Im Materialismus will sich die Erde unsrer bemächtigen. Wir aber sollen uns der Erde bemächtigen.
Aber nicht als Tiere höherer Ordnung, sondern als Menschen, die sie den Geisteszielen dienstbar
machen, die sie aus der Innerlichkeit heraus sich selber geben. or
Der Intellektualismus will alles Höhere im Menschen zersetzen und nur übrig lassen, was vor dem

209
dürren Erdenverstand besteht. Wir aber sollen uns erinnern, daß wir mit dem göttlichen Geist
wesensverwandt sind und mit ihm sein Leben teilen können.
Der Egoismus will die Menschen auflösen in Personen und Gruppen, die nur sich selbst wichtig

nk"
nehmen und dadurch untergehen, äußerlich und innerlich. Wir aber sollen gerade in dem Ich den Gott
finden, der uns alle, trotz der Fülle der gottgewollten Verschiedenheiten, miteinander verbindet.
Heute handelt es sich nicht um ein „deutsches Christentum“. Das wäre dann allerdings kein Export-

m
Artikel. Oder, wenn es so auftritt, würde es als eine neue, besonders unerwünschte Form eines
deutschen Imperialismus von den andern Völkern abgelehnt werden. Heute handelt es sich um die
Frage: Wer löst die Not der Zeit? Nicht nur, weil wir unser Volk lieb haben, sondern weil wir
den Sinn der Zeit verstehen und die Erfordernisse des Christentums erfüllen, rufen wir nach diesen
drei Eigenschaften. Wer sie am lebensstärksten hat, ist zur Erfüllung vorbestimmt.
Und in diesen drei Wesenszügen erkennen wir den Erzengel Michael. So haben ihn unsre Vor-
fahren erschaut — aber vielleicht noch niemals bis ins Innerste wirklich ernst genommen. Gerade
durch solche Geistesart hindurch will heute Christus neu erschaut werden.
Darum droht eine so unausdenkliche Tragik, wenn man heute den Deutschen Christus vernebelt
und verleidet. Nicht nur die deutsche Zukunft steht hier auf dem Spiel, viel mehr noch: der rechte
Fortgang der Erdengeschichte selbst.
Eine erhabene Aufgabe ruft nach uns. Gelingt es uns, ihr einigermaßen gerecht zu werden, gelingt
es uns, aus dem Geist des Erzengels Michael das Christentum neu zu erringen, dann wird im
Jahr 2000 das größere Christentum dastehen, das zukünftigen Geschlechtern zum Segen werden kann.

Hochmoor im Erzgebirge
Harry Frommelt

Hier bist du bei der Stille Ein Nebel kommt gegangen,


so wundersam zu (Gast, hüllt Moor und Dickicht ein,
daß dich ein fremder Wille du sollst von ihm umfangen,
ganz wie im Traum erfaßt. von ihm geborgen sein;

Es hat geheime Mahnung Und wandelst mit im Reigen


des Gottes dich berührt, der Stille wie im Traum,
du wirst von dunkler Ahnung der Gottheit ganz zu eigen —
ins Geisterland geführt ... ein Busch — ein Fels — ein Baum.

Von den apokalyptischen Reitern


Hans Feddersen

Immer wieder haben die apokalyptischen Reiter der Offenbarung des Johannes die Phantasie der
\
kn

Menschen angeregt und beschäftigt. Mehr oder weniger stark wird iu dem Bild der Offenbarung eine
im Weltgeschehen wirkende Geistigkeit gespürt. Sei es, daß Albrecht Dürer sie in seinem Holzschnitt
u

gestaltet oder Arnold Böcklin sie über die in Brand aufgehende Erde dahinreiten läßt.
Das Faszinierende und fast magisch Wirkende des apokalyptischen Bildes ist wohl doch dies, daß
in ihm nicht ein einzeln faßbares Ereignis der Weltgeschichte, sondern die Macht gespürt wird, die
inspirierend hinter den Tatsachen der äußeren Geschichte auftaucht.
Franz Marc, der im Kriege gefallene Maler, hat im Jahre 1913 ein Bild gemalt, in dem sich für
ihn das Weltgeschehen verdichtete. Er naunte dieses Bild: „Wölfe“. In dem Bild hasten rote, blau-

210
graue und gelbgraue Wölfe in unheimlicher Wildheit über die Erde, deren Blüten und Knospen sie
zertreten und vernichten. Todbringende Gier lodert in ihren Augen und sucht nach Beute. Wir
brauchten hier nicht von diesem Bild zu sprechen, wenn Franz Mare es nicht im Untertitel „Balkan-
wi:

krieg“ genannt hätte. Die furchtbare Gewalt, die gegen den Willen der Völker zum Kriege geführt
hat, faßt sich für ihn in dem Bild der Wölfe zusammen. Natürlich sind die Bilder der Apokalypse von
einer höheren Wirklichkeit erfüllt und noch von einer ganz anderen Warte aus gesehen. Aber eines
können wir von Franz Marc leruen, nämlich wie die Bilder der Offenbarung zu lesen sind. Die im
Zeitgeschehen verborgen wirkenden Kräfte offenbaren sich im Bild.
Da wird im 5. Kapitel beschrieben, wie Johannes in der Hand dessen, der auf dem Throne sitzt,
ein Buch sieht, versiegelt mit sieben Siegeln. Bei der Öffnung des ersten Siegels kommt ein weißes
Pferd hervor, und der darauf sitzt, hat einen Bogen in der Hand, auf dem Haupt eine Krone, und
der Sieg ist ihm gegeben. Kaum ist dieses Bild erstanden, wird schon das zweite Siegel geöffnet, und
heraus kommt ein rotes Pferd, und dem, der darauf sitzt, wird gegeben, den Frieden zu nehmen
von der Erde. Beim Öffnen des dritten Siegels schaut der Seher ein schwarzes Pferd, und der Reiter
trägt in seiner Hand eine Waage. Beim vierten Siegel heißt es: „Ich sah, und siehe ein fahles Pferd;
und der darauf saß, hieß der Tod, und die Hölle folgte ihm nach.“ Diesem letzten Reiter wird die
Macht gegeben, den vierten Teil auf Erden zu töten. Dies ist, in wenigen Zügen wiedergegeben, das
Öffnen der vier Siegel aus dem 6. Kapitel der Offenbarung des Johannes.
Was ist das für ein Buch, so müssen wir fragen, aus dem beim Öffnen der Siegel die Bilder vor die
Augen des Sehers treten? Es muß das Buch sein, in dem der Weg und die Geschichte des Menschen
geschrieben ist. Die Geschichte des Menschengeistes, aufgezeichnet nicht nach äußeren Geschehnissen
und Taten. Von der Erde her sehen wir den Gang der Geschichte Schritt für Schritt in ihrem äußeren
Verlauf sich abspielen. Johannes, dem die Siegel eröffnet werden, schaut die in dem äußeren Verlauf
sich offenbarenden Kräfte. In dem Weiß, Rot und Schwarz der Pferde wird ein Abstieg aus dem
Licht in die Finsternis aufgezeigt, und erst aus dieser Dunkelheit tritt der vierte Reiter hervor, der
an sich trägt die Farbe der Verwesung und der den Tod bringt.
Wenn es das Buch der Geistesgeschichte der Menschheit ist, aus dem die Pferde hervortreten, dann
müssen wir fragen: Wo beginnt denn dieses Buch? In der Sprache der Sagen und Märchen deutet das
Pferd hin auf die Intelligenzkräfte im Menschen. Wo haben wir die Kraft des weißen Pferdes zu suchen?
Wir müssen den Anfang des Buches dort suchen, wo die Geschichte im eigentlichen Sinne erst be-
ginnt — wo die Göttergeschichte in die Menschengeschichte übergeht. Dieser Augenblick ist die
Geburt des Gedankens innerhalb der griechischen Philosophie. Dort beginnt die Geschichte des
Menschen, denn was vorher war, gehörte mehr den Göttern an, als den Menschen.
Wie schaut der Seher diese Geburt des Gedankens? Ein weißes Pferd kommt hervor, der Reiter
hat einen Bogen und trägt eine Krone auf dem Haupt. Die Gedanken der großen Philosophen sind
noch umweht von dem reinen Hauch einer Lichtwelt, der sie entstammen. Ist es uns nicht, wenn
wir uns in die Werke der großen Denker vertiefen, wie wenn sie in weißen Gewändern philoso-
phierten? Ihre Gedanken sind wie Pfeile, die, von der Sehne eines Bogens geschleudert, das Ziel
treffen, das sie suchen. „...und er zog aus sieghaft und daß er siegte.“ Von hier aus hebt ein
Siegeszug an, wie er seinesgleichen in der Geschichte nicht hat: Der Siegeszug des Gedankens.
Aber mit diesem Siegeszug ist notwendig eine Verdunkelung des Bewußtseins verbunden. Wie
die weiß strahlende Sonne ihr Licht verliert, wenn sie sich dem Dunstkreis der Erde zuneigt und rot
erglüht, so verliert auch der Gedanke seine ursprüngliche Leuchtkraft und trübt sich im Vermischen
mit dem Dunstkreis der Erde. Der Seher schaut das rote Pferd und „dem, der darauf saß, wird ge-
geben, den Frieden zu nehmen von der Erde“. Schon im Römertum beginnt es, daß das Denken der
Menschen sich durchsetzt mit Egoität. Man entdeckte im Gedanken ein Instrument, mit dem man
alles erreichen kann, was man erreichen will. Rot lodern im Mittelalter die Scheiterhaufen der
Inquisition auf, nachdem die Opfer in den Ketzergerichten durch eine entgötterte Logik ihrer ver-
meintlichen Untaten überführt wurden. Selbstverständlich wird in den großen Denkern die Reinheit
des Gedankens bewahrt und kristallisiert sich immer klarer heraus, aber der Apokalyptiker will die

211
Schatten des Erdenabstieges zeigen, und diese Schatten verdichten sich für ihn zum Bild des schwarzen
Pferdes, das beim Öffnen des dritten Siegels hervorkommt.
Der Reiter des schwarzen Pferdes trägt in seiner-Hand eine Waage, mit der die Welt gewogen
werden soll. Und alles Lebende muß sich diesem Maß unterziehen. Was sich nicht messen läßt,
existiert für diesen Reiter nicht. Für diese Zeit rationalistischen Denkens gewinnt das Novaliswort
erst volle Bedeutung: „Einsam und leblos stand die Natur. Mit eiserner Kette band sie die dürre
Zahl und das strenge Maß: Wie in Staub und Lüfte zerfel in dunkle Worte die unermeßliche Blüte
des Lebens.“
Wenn wir in dem Öffnen des dritten Siegels die hinter uns liegende Zeit der materialistischen
Denkgesinnung erkennen, dann sind wir mit dem Eröffnen des vierten Siegels mitten in die Gegen-
wart eingetreten. Was vorher Denkgesinnung war, soll nun Lebenspraxis werden. Vom Reiter des
fahlen Pferdes heißt es, daß ihm Macht gegeben wird, zu töten den vierten Teil auf Erden. Sicher
muß dieses Bild nach vielen Seiten hin verstanden werden. Der Todesreiter reitet über die Erde,
aber dringt nicht sein Todeshauch bis in die Tiefen des Menschenwesens? Es geht in diesem Kampf
auch um den Wesenskern des Menschen selbst. Rudolf Steiner schildert die Gliederung des Menschen-
wesens bekanntlich so, daß der Mensch nicht nur seinen äußeren Leib trägt, sondern dieser Leib ist
durchpulst und belebt von Kräften, die der Bildekräfteleib genannt werden. Aber der Mensch besteht
nicht nur aus Lebensvorgängen; er ist darüber hinaus ein empfindendes Wesen. Dies verdankt er dem
dritten -Glied seines Wesens, seinem Seelenleib. Jetzt erst kommen wir zu dem Wesenskern des
Menschen, zu seinem Ich, das ihm die Menschenwürde gibt. Wenn durch den Todesreiter der vierte
Teil auf Erden vernichtet werden soll, dann kann das auch heißen, daß ‘das Ich des Menschen 'aus-
gelöscht werden wird;' dann sehen wir den Todesreiter überall dort am Werke, wo in der Blindheit
des Materialismus dieses Ich zunächst geleugnet, dann aber ausgeschaltet werden soll. Denken wir
nur an Rußland, wo dieser dämonische Wille weithin über die Menschen herrscht und das Eigenwesen
vernichtet. % '

Was so in.der Gegenwart Wirklichkeit zu werden droht, hat sich lange vorbereitet. Tiefer fühlende
Geister sahen, wohin die Entwicklung des materialistischen Denkens führen mußte. Wir dürfen hier
noch auf ein andres Bild Franz Marc’s hinweisen, das uns heute wie eine Beschwörung der Sehnsucht
gegenüber der Zeitentwicklung anmutet. Es ist der auch 1913 gemalte Turm der blauen Pferde. Sie
sind ein lebendiger Ausdruck der aus den Tiefen der Seele aufsteigenden Sehnsucht nach dem Geist.
Aus dunklem Grunde erheben sich blaue Pferdeleiber, sie türmen sich zur Höhe, die gelb über ihnen
leuchtet. Über die Sichel des Mondes hinüber trägt sie das Blau ihres Sehnens, hin zu dem Farben-
bogen, der oben erglüht. Er spiegelt das Licht nicht nur, wie der Mond, in ihm lebt das Licht als
schaffende Kraft. Im Anschauen der sich zum Licht türmenden blauen Pferde will es uns. scheinen,
wie wenn in ihrem Emporstreben der Glaube das Denken emporträgt zur Erfassung einer höheren
Wirklichkeit.
Noch vor dem Kriege schreibt Franz Marc: „...der Taumel über unsre Klugbeit wird sich bald
legen, und die Kunst wird wieder zum großen Gott, ja die Begriffe Gott, Kunst und Religion werden
wiederkommen; neue Symbole und Legenden werden in unsere erschütterten Herzen einziehen.“
Dieses Abnen des Geistes nahm. Franz Marc mit in den großen Krieg. Dort, unter den Erschütterungen
des Kriegsgewitters, läutert es sich, und nun entringen sich seiner Seele Sätze von wahrhaft visionärer
Kraft: x

Wir werden im 20. Jahrhundert zwischen fremden Gesichtern, neuen Bildern und unerhörten
Klängen leben. %

Im großen Krieg stand in irgendeiner Stunde und Sekunde jedes Herz einmal, ein kleines einziges
Mal ganz still, um dann mit leisem Pochen wieder langsam aufzuhämmern der Zukunft entgegen.
Das war die heimliche Todesstunde der alten Zeit:

212
Was ist uns heute von allem, was in unserem Rücken liegt, noch heili=?
Niemand, niemand kann von nun an über die Biutlache des Krieges hinweg nach rückwärts und
aus dem Rückwärts leben. *

Wie schön, wie einzig tröstlich zu wissen, daß der Geist nicht sterben kann, unter keinen Qualen,
durch keine Verfolgungen, in keinen Wüsten. .
Dies zu wissen macht das Fortgehen leicht. * %

Franz Marc fiel im Kriege. Er und viele andere ahnten das Kommende, das allein imstande ist,
dem Todesreiter entgegenzutreten. Die Offenbarung selbst stellt dem in die Menschheit eingezogenen
Materialismus eine lichte Kraft entgegen in der Gestalt des weißen Reiters im 19. Kapitel.
Johannes sieht den Himmel aufgetan, und hervor kommt auf weißem Pferde ein Reiter, dem das
Heer des Himmels folgt. Die Kraft des Guten tritt hier unter demselben Bilde auf, in dem wir auch
die finsteren Mächte in die Menschheit einziehen sahen. Dasselbe Bild, dort nach der finsteren 'Seite
hin gemalt, hier nach der lichten. Was der Reiter.des fahlen Pferdes dem Menschen nehmen will,
wird ihm von dem lichten Kämpfer erst wahrhaft gegeben. Überall dort, wo Menschen sich mit ihrem
Denken mutvoll dem Übersinnlichen zuwenden, kämpfen von nun an die Scharen des weißen Rei- . -
ters mit. "

Die Mutter
Hanns Schmitz

Du standst in deinem Zimmer still Er strahlte bald und gab sich hin
und schautest nach mir aus, an deine Einsamkeit:
ein Herz, das langsam scheiden will du nahrmst dich tief voraus, dein Sinn
von seinem Leibeshaus. trat licht aus aller Zeit \

Ich kam wohl nicht und war dir fern, und war schon in dem Wesen all’,
da lehntest du dich sacht das jetzt erst ganz dich hüllt.
ans Fensterkreuz, auf einen Stern, Des Leibes äußerer Zerfall
der tröstete, bedacht. zerstörte nicht dein Bild.

Gestorben — wie erscheinst du mir


verklärt und makellos!
Ein Gärtner, trat der Tod zu dir:
nun blühst du rein und groß.

Eindrücke eines Japaners im Elsaß*


Im Frühling dieses Jahres war es, daß ich in Frei- zeit in Japan gedachte ich, wo wir durch unseren jungen
burg im Breisgau eines Abends am Fenster stand. Im deutschen Obergymnasiallehrer der deutschen Sprache
Westen, fern am Horizont, erhob sich unscharf in der viel vom Elsaß gehört hatten. Doch schon viel früher
Abenddämmerung eine große Gebirgskette. Ich fragte hatte sich der Name „Elsaß“ meinem Gedächtnis fest
meinen deutschen Freund neben mir, wie jenes Ge- eingeprägt. Als ich noch zur Volksschule ging, plauderte
birge heiße. Leise antwortete er: „Wasgenwald“. Bei ich mit meinen Kameraden über Politik. Und aus jener
dem Klange dieses Namens fühlte ich plötzlich eine un-
* Unsern Lesern mögen beim Lesen des folgenden Aufsatzes
überwindliche Sehnsucht nach dem elsässischen Lande. wohl manchmal starke Zweifel kommen, ob er wirklich von einem
Meine Gedanken weilten bei „Walther“ aus dem Wal- Japaner geschrieben ist, und von ihm allein. Wir können ihnen
versichern, daß wir den jungen Verfasser selbst kennen, daß er ein
thari-Liede und bei „Hagen von Tronje“, Heldengestalten
ganz echter Japaner ist, und daß wir keinen Buchstaben des Auf-
der deutschen Sagen und Mythen. Auch meiner Schul- satzes geändert haben. R.

213.
Zeit, in der ich eine kindlich naive Begeisterung für eine Gestalt religiöser Verzückung, eine Vorläuferin
die große Leistung Deutschlands im Weltkriege fühlte, künftiger deutscher Romantik.
rührt auch meine erste Bekanntschaft mit dem Namen Die wirklichkeitsnahe Nüchternheit mit seelenvollem
„ulsaß“ her. Später, als ich mich als Student der Lite- Ausdruck zusammen in der „Kreuzigung“ zeugen von
ratur wit deutschen Sagen und Mythen beschäftigte, einer starken Entscheidungs- und Willenskraft Grüne-
bildete dies Land wegen vieler deutscher Dichter wie walds. Sie ist mehr als nur Mittel seiner Technik. Was
„Gottfried von Straßburg“, „Herder“ oder „Goethe“ Kleist in seinen Dramen und Novellen in dämonisch in-
immer einen besonderen Schatz in meinem Herzen. — brünstiger Wirklichkeit schilderte, hatte in der Malerei
Da lag nun das geliebte Land vor meinen Blicken! Grünewald in seinem „Kruzifix“ schon vollendet. Aber
Und so beschloß ich denn, gleich am nächsten Tage in damit nicht genug; auch die andere Seite der deutschen
aller Frühe, voll der Erinnerungen und Erwartungen, Romantik, die höchste Begeisterung und Verklärung,
über Breisach mitten in das schöne Land hinein zu kat er in seiner „Menschwerdung“ gezeigt. In der
fahren. Grundhaltung ist Grünewald bereits in unerreichter Voll-
Eine kleine Skizze meiner Reise möchte ich folgen kommenheit viele Jahrhunderte vorausgeeilt; ich möchte
lassen. ihn daher auch als überzeitlich bezeichnen.
Das Erregendste war aber jene „Auferstehung
DerIsenheimer Altar und die deutsche
Christi“. Auf die unbeimliche Verzückung der „Mensch-
Kunst
werdung“ und die Grausamkeit der „Kreuzigung“ folgt
In Japan war bisher im Gegensatz zur siegreichen plötzlich diese helle und lichte „Auferstehung“. Ohne
Stellung der deutschen Musik die deutsche Malerei ziem- sianbildliche Bedeutung, ist sie doch kein einfaches
lich unbekannt geblieben. Wohl kannte jeder Japaner Sehnsuchtsbild, sondern die wirkliche Auferstehung.
die Namen Beethoven und Mozart, aber Grünewald? Nach der langen Erwartung der „Menschwerdung“ und
Er war nur ein Forschungsgegenstand unserer Kunst- dann der Grausamkeit der „Kreuzigung“ steht über-
kritiker oder Liebhaber. Raffael, Michelangelo oder irdische Verklärung. Diese Erlösung wächst aus Grüne-
Murillo konnte man wie in den Schaufenstern der Ge- walds Grundhaltung: „Ich kann nicht irren.“
schäfte auch in den Häusern finden; aber als Ver- Hier hat der Maler die Sehnsucht eines Volkes er-
treter der deutschen Malerei war wohl nur Dürer be- füllt. Dies lichteste Bild in der ganzen Welt zeigt das
kannter. Wer sprach von Grünewald, und wer kannte große Schaffen des Volkes, das als das schwermütigste
gar seinen „Isenheimer Altar“? gilt. Nur ein Mann, der in der Tiefe ahnen und im
Ich hatte immer den festen Glauben, daß ein so großes Herzensgrunde Leid erleben kann, vermochte diese
Volk, welches auf vielen Gebieten der Kunst so Bedeu- hellste Verklärung in solcher Vollenduug wiederzu-
tendes geleistet hat, auch in der Malerei groß sein geben. Ich erkannte in dem Bilde die Weisheit und die
müsse. In dieser Erwartung fuhr ich, den „Isenheimer Klarbeit des deutschen Volkes; denn auch nur dies
Altar“ anzusehen. schwerblütigste und tiefsinnigste aller Völker allein
Und wirklich war dieser Altar das gewaltigste und konnte eine solche Erlösung und echte Verklärung in
bedeutendste Kunsterlebnis meines ganzen Lebens. So dieser Vollkommenheit finden. Niemals bis jetzt habe
gering auch meine Kunsterkenntnisse sind, kann ich ich ein Bild gesehen, weiches so kraftvoll und wirk-
meine Begeisterung aber nicht leugnen. Doch muß ich lichkeitsnah die Auferstehung des Menschensohnes dar-
gestehen, daß nicht nur die Ästhetik sie hervor- gestellt hat.
gerufen hat. Das wahre Wesen des deutschen Volkes erkannte ich
Welch sonderbare Einheit von nackter und doch aus- bier am „Isenheimer Altar“, in seiner höchsten Begei-
drucksvoller Wirklichkeit im Kruzifixe; über die mensch- sterung, zugleich seinem tiefsten Erfassen des Wirk-
lich tief erschütternden Gestalten des „Johannes“, der lichen und seinem eindeutigen, klaren Bekennermnt.
„Maria“ und der „Maria Magdalena“ hinaus hat die Die große Tragik eines Volkes, das tief leiden, viel
regungslose Gestalt „Johannes des Täufers“ etwas Über- ahnen und lang erwarten muß, sah ich. Aber diese lange
sinnliches. Erwartung und Ahnung in der deutschen Kunst wurden
Gegenüber dieser grausamen Unwirklichkeit ist die oft von herzlosen Leuten als unentwirrbares Labyrinth
„Menschwerdung“ aufs höchste poetisch. empfunden.
Der linke Teil der Tafel ist besonders ergreifend. Einstmals sah ich sehr gern romanische Maler, aber
Hier musizieren unter dem Dache eines gotischen Altars nachdem mich die deutsche Klarheit in der „Aufersteh-
in einer mehr dunklen als dämmerigen Umwelt Engel ung Christi“ in ihrer Tiefe und Wahrheit ergriffen hat,
mit unheimlichen Gesichtern. Da ist kein Himmel, kein liebe ich jene leichte Klarheit nicht mehr. Goethes Worte
Paradies, wo Sonne und Licht herrschen; nachts spre- des Lebenssinnes im Schlüsse seines „Faust“, I. Teil,
chen heilige Geister die Worte der Liebe. „Maria“ mit der siegreiche Chorgesang in der „Neunten Symphonie“
dem goldenen Scheine und der lammenden Krone ist Beethovens und die sich steigernde Verklärung in der

214.
„Auferstehung Christi“ Grünewalds — sie bilden die meiner Schulzeit in Japan Mühe gegeben, Goethes Ge-
sroße Trilogie der klaren Lebenshaltung des deutschen dichte auswendig zu lernen. „Wie herrlich leuchtet mir
Volkes. die Natur!“ oder „Nach Sesenheim“ sind mir jetzt noch
An dem Bilde der „Auferstehung“ ahnte ich die große als wertvoller Schatz lebendig. Wie mühselig war es
Schwierigkeit der deutschen Kultur und zugleich auch doch für uns Japaner, die furchtbar schwere deutsche
ihre Überlegenheit. Ich meine aber, die Zeit wird doch Grammatik zu erlernen; da waren Goethes Jugend-
kommen, in der wir Japaner, die wir Goethe und Kant gedichte mir schon ein wahrer Trost.
zu den Vorbildern unseres eigenen Schaffens und Den- Als ich nun in Sesenheim in der Mitte des Dorfes
kens machen konnten, Grünewald als einen der Naler stand, konnte ich mein Herzklopfen kaum bezwingen.
schätzen werden, die uns am liebsten sind. Wurde nicht Lange betrachtete ich in großer Erregung die Häuser um
auch bei uns in Japan oft über dem Siege der deutschen mich. Zu meiner Linken sah ich eines, welches seiner
Philosophie und der deutschen Wissenschaft die deutsche Bauart und den klassischen Säulen nach zu urteilen,
Literatur und Musik verbannt? Hölderlin und Novalis sicherlich zu Goethes Zeit erbaut worden war; zu meiner
werden gelesen; so wird auch Grünewald nicht lange Rechten dort das große Gebäude war gewiß das Pfarr-
unbekannt bleiben. haus. Während ich noch stand und schaute, kam ein
Als ich, halb im Traum, von dem weltberühmten ärmlich gekleideter Bauer auf wich zu und fragte in
Gemälde in die Stadt 2itüdkckehrte, sah ich an einem deutschem Dialekte, ob ich etwas suche. Nachdem ich
großen Brunnen arme Frauen für ihre Familie waschen. geantwortet, zeigte er mir eine Scheune, die noch aus
Unwillkürlich stand ich still und dachte bei mir, dieser jener Zeit stammte und wirklich noch ganz wie in Goe-
Brunnen sei wohl ein kleines Bild des deutschen Kultur- thes Zeichnung aussah. Darauf führte er mich zum
schicksals. Und lange noch stand ich so und hörte das Museum.
Murmeln des Wassers. Am Tore stand zu lesen: „Goethe-Friederiken“-
Museum. Ein kleines zweistöckiges Haus war es. Eine
Straßburg und Sesenheim alte Frau öffnete mir die Türe mit einem so fröhlichen
Gesichte, als habe sie mich schon lange erwartet. Im
Straßburg ist der Inbegriff einer deutschen Kultur- Erdgeschoß des Hauses war eine Schenke und im ersten
stadt, meine ich. Solange ich durch die Straßen ging: Stock das Museum; es bestand aus drei Zimmerchen.
alles, was ich sah, war deutsch. Die Stadt begeisterte Die alte Frau nun erklärte ausführlich all diese kleinen
mich. Gegenstände, die Bilder von Goethe und seinen Freun-
Von der Vollkommenheit der deutschen gotischen den, Schiller und vielen anderen. In Glaskästen lagen
Baukunst sprach die gewaltige Rose des Münsters, und Handschriften oder Unterschriften von Goethe, Friede-
die vielen herrlichen Bildwerke wie „Mariä Tod“, „Eccle- rike oder ihrem Vater. Meistens aber handelte es sich
sia“ oder „Musizierende Engel“ zeigten die Majestät um Nachbildungen. Das einzig Wertvolle war vielleicht
der deutschen Plastik. Ich habe die Kathedralen in Friederikens Spinnrad, an welchem noch jetzt die Fäden
Frankreich gesehen, sie haben mich nicht ergriffen, Wer hingen. .
aber solche Kunstschätze wie in Straßburg mit innerer Doch wer war diese Frau? Liebevoll erklärte sie alle
Freude sehen kann, muß für das Volk, das sie ge- die kleinen Sachen so, als handele es sich um ihre eige- -
schaffen hat, Tränen vergießen. nen Hausschätze. Aber nicht nur den Gegenständen galt
Ich fragte dann einfache Leute nach Sesenheim, sie ihre Liebe und Zärtlichkeit, nein, mehr noch dem großen
antworteten alle in alemannischem Dialekt. So fuhr ich deutschen Dichter und seiner Geliebten. Ja, sie schien
denn im Wagen nach Sesenheim. Es hatte geregnet, und sie, fast wie eine Mutter ihren Sohn und ihre Tochter,
die Fahrt durch die exfrischte Natur war wirklich fein. zu lieben. In ihrem Herzen ließ sie dies Liebespaar
„Heiden“ mit Buchen oder Eichen wechselten mit heiraten; denn oft nannte sie den Vater Friederikens
Weizenfeldern oder Eichenbuschwerk ab. Pappeln oder „Goethes Schwiegervater“ und deren Geschwister „Goe-
Obstbäume standen frei in den Feldern. Mitten in sol- thes Schwager“. In Wirklichkeit aber waren ihre Kennt-
cher Landschaft liegen die Dörfer, alle mit echt deut- nisse über Goethe erstaunlich. Sie erzählte, sie habe
schen. Namen. Die Häuser — blaue Wände und grüne selbst die Goethe-Stätten in Weimar und Frankfurt
Türe haben sie meist — sind zweifellos im alemanni- besucht. „Vor dem Kriege habe ich hier viele Gäste
schen Baustil errichtet; ebenso wie die Leute, blau- gehabt, aber jetzt kommen sehr wenige“, meinte sie
%
äugig und mit hellen Haaren, zu diesem Volksstamm wehmütig. Und dann zeigte sie mir das Gästebuch. Ich
gehören. fand viele berühmte Namen darin. Erst kürzlich war
Sesenheim, ein kleines, einsames Dörflein, dreißig ein Landsmann, Professor Takahashi, hier gewesen,
Kilometer von Straßburg, war mir durch Goethes „Sesen- dessen Name mir durch seine Übersetzung von „Dich-
heimer Idylle“ zur brennenden Sehnsucht geworden, tung und Wahrheit“ bekannt war. Auch ich trug mich
eine geistige Heimat. Wie oft habe ich mir während ein mit den Worten: „Aus innerem Drange besuchte ich

215
heute diesen Ort. Daß ich in meiner Jugendzeit hier Als ich dann wieder in meinen Wagen stieg, hörte ich
weilen konnte, ist für mich eines der feinsten Erleb- laute Gespräche der Bauern um mich in alemannischem
nisse.“ Meine alte Führerin nickte befriedigt und zeigte Dialekte. Und während ich nach Straßburg zurückfuhr,
mir dann die alte Pfarrorgel aus der Zeit Goethes. Als war ich noch ganz und gar erfüllt von den Eindrücken,
ich mich ‘dann endlich anschickte zu gehen, begleitete die das Pfarrhaus, jene alte Scheune, das’ kleine
sie mich bis zum Tore und bat beim Abschied: „Wenn Museum auf mich gemacht hatten, und vor wir stand
Sie noch lange in Deutschland bleiben, bitte, so kommen immer noch das lächelnde Gesicht jener geistreichen,
Sie noch einmal hierher!“ kerndeutschen Frau. Mizuyo Ashiya, stud. germ.

. Aus meinem Leben*


HermannBeckhf

1. Das Kind und die Naturreiche

Die frühesten Erinnerungen meines Lebens verbinden Eindruckes, den ich als ganz junges Kind empfing, wenn
sich nicht mit der fränkischen Stadt, in die mich im ich in dem ganz mit Kies beschotterten Garten des Dorf-
Beginn des letzten Viertels des neunzehuten Jahrhun- häuschens, in dem wir wohnten (es steht heute noch
derts der Zauber der ersten Maientage aus geistigen als ein beliebtes Caf& am Ufer des Egerer Sees), bei
Welten herunterlockte, sondern mit dem bayrischen der Ankunft zum erstenmal über den Kiesweg schritt.
Hochland, wohin mich von meinem ersten Lebensjahre Ich empfand, wie schon in dem Boden dieser Gebirgs-
an meine Eltern alljährlich in der Erholungszeit mit- gegend ganz andere Daseinswesenheiten lebten, als in
nahmen. Für dieses, wie für vieles andere, bin ich dem dürren Sandboden meiner Geburtsstadt.
ihnen und dem Schicksal dauernd dankbar. Eben als Mehr noch als Eindrücke des Auges und des Tast-
der Gedanke in-mir erwachte, diese Erinnerungen auf- empfindens bleiben Düfte in der Erinnerung haften,
zuzeichnen, führte mich der Weg wieder in jene Gegen- verbinden sie sich selbst mit dem Wesen des Erinnerns.
den zurück, und es war, wie wenn sich mein Leben zu (Auch Richard Wagner beobachtet das in seinen Briefen
einem Kreis geschlossen hätte, Ende und Ausgangspunkt an Mathilde Wesendonk: „Auffallend, wie Düfte Ver-
sich wieder berührten. gangenes stark vergegenwärtigen.‘) So prägte sich be-
Mit den Bergen, mit der Welt des Hochgebirgs hat sonders tief meiner Erinnerung ein der Duft jener
sich immer etwas wie Gebetsstimmung für mich ver- Bauernsträuße, die uns die freundlichen Gebirgsbewoh-
bunden, und es war diese Stimmung noch viel stärker ner bei der Abreise zum Abschied mitgaben, jene
in früher Jugendzeit als in späteren Lebensjahren, wo Sträuße, in denen Reseden und Levkojen eine Hanpt-
auf anderen Wegen Geistiges an meine Seele herankam. rolle spielten. Nirgendwo sonst in der Welt, so dachte
Viel gewaltiger, viel unmittelbarer empfand ich dort ich damals, gibt es solche Sträuße. Und eindringlich
diese Gebetsstimmung als in unseren christlichen Kir- verwob sich ihr Duft mit dem tiefen Abschiedsschmerz,
chen, so wie ich sie andererseits in einer Dorfkirche den ich immer empfand, wenn ich die Hochlandwelt,
oder gar einer einsamen Bergkapelle wiederum viel die mir wie eine geisjlge Heimat war, vertauschen
stärker erlebte als in großen städtischen Domen. Und mußte mit der flachen Niederung meiner irdischen
mit der Gebetsstimmung verband sich mir ein wunder- Heimat.
bares Gefühl einer inneren Freiheit, die ich zu dem Weil die geschilderten Erlebnisse sich im Jahresrhyth-
Druck des Alltagslebens als einen entschiedenen Gegen- mus wiederholten, kann ich nicht mehr genau angeben,
satz empfand. Diese innere Freiheit war. es immer, was
ich über alles suchte und liebte. Allen Zwang und alle
* Als unser Freund, unsägliche Schmerzen erduldend, aber doch
Unterordnung, auch wenn ich mich ihr aus irgendwelchen noch im Besitz überquellender Lebenskräfte, dem sicheren Tode
äußeren Verhältnissen heraus willig unterwarf, empfand entgegenging, und wir auf alle Art bemüht waren, seine Leiden zu
ich stets als etwas meinem innersten Wesen durchaus lindern, erinnerte ich ihn. einmal an die etwa vor zehn Jahren ge-
schriebenen Aufzeichnungen aus seinem Leben, die Skizze und
Widersprechendes und letzten Endes Unwirkliches und Fragment geblieben waren. Ich hoffte, ihm dadurch eine Anregung
Unwahrhaftiges. zu verschaffen, und dachte, er würde vielleicht imstande sein, noch
einige Fortsetzungen dazu zu diktieren, und so seine Schmerzen
Nicht nur steht das Befreiende, Beglückende und In- wenigstens zeitweise zu vergessen. Leider setzte aber gerade damals
spirierende der Hochgebirgswelt im allgemeinen als eine ein schneller Kräfteverfall ein. Er kam nur noch dazu, die Blätter,
die ich'ihm aus seinen Schränken hatte hervorsuchen müssen, noch
der frühesten Erinnerungen der Kindheit vor meiner einmal durchzulesen. Und so bat er mich, nach seinem Tode einiges
Seele, sondern gerade auch kleine Einzelheiten sind es, Geeignete für die Veröffentlichung auszuwählen und fertigzumachen.
die die Lebenserinnerung festhält, und an denen sie Ich bin froh, durch einige Hefte unserer Zeitschrift, getreu den
Richtlinien, die mir der verstorbene Freund noch dafür gab, seinem
einen Stützpunkt findet. So erinnere ich mich des tiefen Wunsch nachkommen zu können. Emil Bock

216
in welches Lebensjahr die früheste dieser Erinnerungen der Blumen und Pflanzen, wenn es in den Winter-
fällt, doch muß es wohl mindestens das dritte Lebens- monaten am Wachsen und Sprießen der Hyazinthen
jahr gewesen sein. Damals lebte noch meine Großmutter amFenster verfolgt werden konnte — meine Mutter liebte
väterlicherseits, an die ich mich noch erinnere; wenig- Zimmerpflanzen und Blum n gediehen immer gut unter
stens ein bestimmter Augenblick des Zusammenseins mit ihrer Hand. Wenn im Blumentopf die Hyazinthenknolle
ihr steht noch schattenhaft vor. meiner Seele. Etwas die ersten Triebe entwickelte, aus denen allmählich die
länger als sie lebte mein Urgroßvater, der Vater meines länglichken Blätter, dann geheimnisvoll die ersten
Großvaters von mütterlicher Seite. An ihn habe ich ein traubenförmig zusammengedrängten Blütenknospen her-
ganz klares Erinnern. Ich sehe ibn noch deutlich, vorwuchsen, die sich dann zu der in mannigfachen Far-
wie er vor mir stand an einem ganz bestimmten ben herrlich leuchtenden Blumenkerze entwickelten, so
Punkt eines der Räume meines elterlich-großelterlichen lebte etwas von allen diesen Vorgängen auch in der
Hauses. Er war ein schlichter und einfacher Mann von Seele, die in andächtigem Staunen daran teilnahm. Die
heiterem Wesen, Geistlicher, doch freigerichtet im geheimnisvoll treibende und wachsende und sprießende
Denken. Mit der Erinnerung an den Ahnherrn verbindet Hyazinthe war dem Kinde eine Wirklichkeit, die es
sich mir noch heute etwas Ehrwürdiges und Heiliges. gegenüber der Welt, in der es unmittelbar selber lebte,
Zu den frühesten Erinnerungen meiner Kinderzeit — als eine „höhere Welt‘ empfand. Etwas von dem, was
nunmehr des Lebens im Elternhaus — gehört auch der Steffen den „heiligen Äther der Pflanzenwelt“ nennt,
Laternanzünder, der in jener im Vergleich zu heute noch wurde daran erlebt. Auch jenes Eigentümliche des Hya-
patriarchalischen Zeit allabendlich die Gaslaternen in zinthenduftes, das Steffen „moralisch“ nennt, das er mit
unserer Straße anzündete, und den ich, aus einer kind- Tod und Grab und der Verwandlung der Verwesung in
lichen Ursprache heraus, den „Uftemann“ nannte. Heim- Licht in Beziehung bringt. (Pilgerfahrt zum Lebens-
licher als jene Welt der Straße, die ich auf der einen baum, $.35.) Und wenn im späteren Leben von „höhe-
Seite unserer Wohnung durchs Fenster erblickte, war ren Welten“ die Rede war, stellte sich vor die Seele
wir die Welt unserer Innenräume und die Welt unseres noch immer gern jenes Bild der allwinterlich am Fenster
Gartens, der auf der andern Seite des Hauses sich keimenden und sprossenden und blühenden Hyazinthe.
abwärts zu dem kleinen Flusse erstreckte, der unten Dazu die glitzernuden Eisblumen an den Fensterscheiben,
vorbeifloß, und über den hinaus der Blick auf ferne an denen das Kinderauge mit Entzücken haftete. Sind
niedere Höhenzüge des fränkischen Hügellands schweifte. nicht auch sie wie Offenbarungen einer höheren Welt,
Mit einer tiefen Glückseligkeit, die etwas Andachtsvolles in der sich Mineralisch-Wesenhaftes geheimnisvoll mit
in sich hatte, ergriff mich die Morgensoune des ersten Formen des Pfanzenreiches, Formen des Lebenden mit
Frühlingstages, wenn ich frühmorgens die Schritte nach dem Wesen der Toten, berühren und verbinden?
dem Garten lenkte, wo die ersten Frühlingsblumen in Auch das Mineralische gehörte, in einer späteren, aber
der belebenden Wärme entsproßten. Besonders die immer noch frühen Zeit meiner Jugend zu dem, was
Gänseblumen, Schlüsselblumen, Vergißmeinnicht waren besonders stark zu meiner Seele sprach. Ich hatte Freude
meine Freunde. In der Welt der Pflanzen, besonders der an Kristallen, ja etwas wie Liebe zu ihnen und zu Mine-
Blumen, empfand ich eine ganz unmittelbare starke Ver- ralien überhaupt, zu denen ich so stand, als ob sie
wandtschaft. Doch machte ich hier schon frühzeitig irgend etwas von Weltzusammenhängen und Welten-
Unterschiede. Wenn, nach jenen ersten schönen Tagen geheimnissen meiner Seele offenbaren könnten, und
der Gänseblümchen und Schlüsselblumen, plötzlich der liebte es, schöne Steine zu sammeln und zu besitzen.
gelbe Löwenzahn aufdringlich die Wiesen bedeckte, An schönen Muschelschalen und Meerschneckenhörnern
empfand ich mich wie von etwas Fremdem zurück- hatte ich eine ähnliche Freude wie an Mineralien, und
gestoßen, eine Empfindung, die sich erst milderte, wenn das meerhafte Rauschen der ans Ohr gehaltenen Muschel
die verblühten Blumen ihre sonderbare Metamorphose oder Meerschnecke weckte in mir ein kosmisches Emp-
in „Laternen“ durchmachten. Auch die reine Freude am finden.
Sonnenschein erfuhr eine Wandlung, als jenen ersten Auch Blumen, besonders Gräser mit ihren mannig-
Frühlingstagen mit ihrer belebenden Wärme die Zeit fachen Rispen — zu ihnen hatte ich eine besondere
folgte, wo die Sonnenwärme schon überging in schwüle, Liebe — trocknete und sammelte ich gerne in der
stechende Hitze. Andere Wesen, so empfand ich dunkel, späteren Jugend. Hingegen war mir das Sammeln von
leben in dieser Hitze des Mittags und des Sommers als Schmetterlingen, wie alles, was mit Töten, mit Vernich-
in dem belebenden Hauch des Morgens und des ersten tung des Lebens verbunden war, in innerster Seele zu-
Frühlings. Es wird dieses darum hier erwähnt, weil die wider, es war mir immer etwas, worauf ich für mich
geschilderte ganz bestimmte Differenzierung des Wärme- selbst nie hätte verfallen können. Ebensowenig konnte
empfindens tatsächlich zu meinen frühesten Kindheits- ich mit dem Sammeln von Briefmarken, als eines bloßen
erinnerungen gehört. Erzeugnisses des Menschen-Intellekts, irgend etwas an-
Ein noch intimerer war der Eindruck des Wachstums fangen. \

217
So fern es mir lag, Schmetterlinge zu fangen, um sie zauberte, nur der Schmetterling, den ich wie etwas un-
zu töten und zu sammeln, so groß war meine Freude mittelbar zur Welt der Biumen Hinzugehöriges emp-
am lebenden, an dem im Lichte spielenden, in Freiheit fand, in besonderer Art zu mir, während ich sonst den
flatternden Schmetterling, und eine bestimmte geistige Tieren wesentlich fremder gegenüberstand als der Welt
Impression, die ich in einer ganz frühen Zeit meiner der Pflanzen und Steine. Hunde insbesondere erweckten
Kindheit einmal am Schmetterling hatte, lebt deutlich in mir immer ein gewisses Unbehagen, das ich mir auch
meiner Erinnerung. So sehr für mich auch im späteren den großen Hunden gegenüber, die den großelterlichen
Leben Geistiges immer mit dem Schmetterling verbun- Garten bewachten, nur schwer abgewöhnte, bis — dies
den war — er und die wunderbare Metamorphose, durch war erst in einer späteren Zeit meines Lebens — einer
die er aus dem Raupendasein zum Lichtgeschöpf sich unserer Hunde eine ganz besonders rührende Anhäng-
entwickelt, war mir immer das eigentliche Bild für das lichkeit zu mir zeigte. Er war mein schweifwedelnder
Geheimnis der Unsterblichkeit, des Ewigen im Wandel Begleiter auf vielen Spaziergängen. Stark lebt noch in
der Form — dieses eine ganz bestimmte Erlebnis meiner Erinnerung der Schmerz, den ich hatte, als das
steht immerfort vor meiner Seele. Es war eine der treue Tier starb. An meinem ursprünglichen Empfinden
frühesten Ahnungen leibfreien Bewußtseins in meinem gegenüber dem Hundegeschlecht hat sich auch durch diese
Leben. Auch durch Musik konnten solche Ahnungen — Episode meines Lebens nichts Wesentliches geändert.
vielleicht etwas wie Erinnerung an ein vorgeburtliches So war es mit Steinen, Pflanzen, Tieren. Wie aber
Dasein, in mir ausgelöst werden, besonders wenn meine war es mit den Menschen? Vom „Sündenfall“ konnte
Mutter am Klavier Lohengrin spielte. Die lichten ich in jenen frühen Jahren noch keinen abstrakten Be-
A-Dur-Klänge des Lohengrin-Vorspiels (Gralsmotiv) griff haben; ihn in sich selbst aufzufinden, gelingt doch
schienen wich in die Welt zu versetzen, aus der ich auch unter günstigen Umständen der Selbsterkenntnis
herkam, als ich durch die Pforte der Geburt in dieses erst in einer ganz bestimmten, späteren Lebensepoche,
irdische Leben eintrat. und so berühre ich hier eigentlich so recht den dunkeln
Manches könnte ich dem Erzählten noch hinzufügen, und kritischen Punkt meines kindlichen Lebens. Sicher
insbesondere zeigen, wie in späteren Jugendjahren wie war zunächst nur dieses, daß ich zu der Welt, in die
auch noch in den Jahren des reifen Alters, ja bis in die ich vom Fenster aus nach der Straße zu blickte, also zu
absteigende Lebenshälfte hinein, die Blumeneindrücke den „Menschen draußen“, ein Verhältnis wie zu Blumen
der frühen Kindheit sich in den leuchtenden Farben und Schmetterlingen zunächst nicht finden konnte, daB
der Hochgebirgsblumen wieder belebten. Es waren mir sie mir fremd, wenn auch nicht gleichgiltik waren, denn
diese Blumen, besonders die tiefblauen kleinen Enziane, eben diese Fremdheit kam mir doch schon in frühen
wie sie im Frühling die Wiesen des bayrischen Hochlands Jahren dumpf und wie ein ungelöstes Problem, eine
durchwirken, immer so etwas, als was sie auch Usteri unerfüllte Aufgabe, gleichsam vorwurfsvoll zum Bewußt-
sieht, wenn er blaue Blumen die „Weggenossen der sein. In unterbewußten oder halbbewußten Tiefen mei-
Himmelssucher“ nennt, und vom Frühlingsenzian sagt, ner Seele beschäftigte mich tief die Frage der Ver-
er steige hinunter in die Nacht der Materie und finde, schiedenheit jener beiden Menschheitskreise, des einen
bereichert durch den Schmerz der Erde, den Weg zum kleinen Kreises meiner unmittelbaren Angehörigen,
Himmel. Manches, was in der späteren Lebensentwick- Eltern, Großeltern und nächsten Verwandten, wo ich
lung als ein reines geistiges Bilderleben an mich heran- liebevoll gehegt und umsorgt wurde und zumeist nur
kam, erschien mir dann wie vorgebildet durch die freundliche und zufriedene Gesichter sah, und des ande-
Blumenerlebnisse der Hochgebirgswanderungen. Noch ren großen Kreises aller der vielen Menschen „draußen“,
heute erweckt mir im Frühling der Anblick der ersten wo so viele die Spuren schweren Lebenskampfes und
tiefblauen Enziansterne auf Hochlandswiesen ein Ahnen ernster Lebensschwierigkeiten, viele auch die Spuren
der „höheren Welten“. Ich habe nie begriffen, wenn man von Sünde und Schuld, von kalter Gewinnsucht oder
von der „blauen Blume“ so spricht, als ob sie nur in Genußsucht oder des völligen Aufgehens in den mate-
einem Dichterland der Romantik, nicht auch ganz real riellen und merkantilen Interessen an sich trugen. Un-
auf Erden zu finden wäre. gemein empfänglich und empfindlich war ich schon als
Mit dem Geschilderten ist dargestellt, wie Eindrücke Kind für den Eindruck jeder menschlichen Persönlich-
des Pflanzenreichs, Mineralreichs, Tierreichs auf die keit und Physiognomie, für dasjenige, was man die
Konfiguration meines frühen Kindheitsbewußtseins wirk- menschliche „Aura“ nennt; in stärkstem Maße konnte
ten und welche Rolle sie in den frühesten Lebenserinne- ich jedem Menschen gegenüber sofort Sympathie oder
rungen spielen. Vom Tierreich sprach eigentlich außer Antipathie, in sehr zahlreichen Fällen das letztere, emp-
den Singvögeln, deren Gesang mich im Frühling tief im finden. In tiefster Seele zuwider war mir alles irgend-
Herzen ergriff, und den durch die Lüfte ziehenden wie konventionelle Wesen, wie ich es schon in Kreisen
Schwalben, deren in lichte Weiten verschwebender Ton mir nahestehender Menschen, wenn auch kaum im eige-
im Sommer das Bild ferner Welten vor mich hin- nen Familienkreise antraf. Die Art, wie „Besuche“ sich

218
vielfach gaben und auch von unserer Seite empfangen zu überbietenden Höhe gediehen war. Auch in Kreisen,
wurden, erschien mir als etwas’ Unwahres und Uner- mit denen ich noch als Kind in eine ganz nahe Be-
trägliches. Einem recht konventionell sich spreizenden rührung kam, war man nicht frei davon. Besonders stark
Besucher gegenüber, den ich begrüßen sollte, legte ich empfand ich diese Philisterhaftigkeit nicht nur damals,
ınich einmal einfach auf den Boden und schlug mit den sondern auch noch im spätern Leben, in meiner Vater-
Füßen aus. Als einmal in einem Ort in den bayrischen stadt und fränkischen Heimat, es war etwas in der
Bergen (wohin ich auch in frühen Jahren gelegentlich ganzen Art dieser Heimat, was mir das Finden eines
mitgenommen wurde) ein Landrichter (so lautete damals rechten Verhältnisses zu meinen Mitmenschen nicht er-
der Titel) an einem Königs- oder Kaiser-Geburtstag im leichterte, sondern eher erschwerte. Schon die fränkische
Wirtshaus eine vaterländische Rede hielt, kroch ich vor Mundart, wie sie in Volkskreisen meiner Heimat ge-
Unbehagen und: Scham unter den Tisch, und zwar nur sprochen wurde, war mir schon in Kinderjahren uner-
darum, weil mir der ganze Tonfall der Rede, in Wirk- träglich, und ich war mit bewußtem Willen bestrebt,
lichkeit wohl harmlos und aufrichtig gemeint, als ein nichts von ihr in meine eigene Sprache aufzunehmen.
bis zur Unmöglichkeit gezwungener und unwahrer er- In einer mehr unbewußten Weise wirkte die mittel-
schien. Denn König und Kaiser waren mir damals wie alterliche Schönheit der Geburtsstadt sicherlich ebenfalls
höhere Wesen, und besonders für den romantischen und stark auf das kindliche Gemüt und die Gestaltung des
unglücklichen König Ludwig IL. von Bayern, der dann sich entwickelnden Bewußtseins ein, aber zu einem
später, aber auch noch in einem meiner frühen Jugend- wirklichen Menschheitserleben kam ich in dieser Um-
jahre, so erschütternd tragisch endete, hatte ich eine gebung nicht. So reich mein kindliches Leben war durch
tiefe Liebe und Verehrung. Im Gebiete der bayrischen mein Verhältnis zu den Naturreichen, zu Steinen und
Königsschlösser, wo ich damals öfters weilte, traten Pflanzen, zu Blumen und Kristallen, zu Wäldern und
wir überall die Ausstrahlungen seines Wesens und sei- Bergen, so fehlte doch dasjenige Erleben der Mensch-
ner Wirksamkeit entgegen. Es gehört zu meinen frühen heit, durch welches dieses Verhältnis zu den umgebenden
Kindheitserinnerungen, wie wir einmal in den Bergen Reichen’ erst zum Vollmenschlichen erhoben worden
auf ihn warteten, um ihn an uns vorbeifahren zu schen wäre. Nicht, als ob nicht etwas in mir, das noch nicht
auf der Fahrt nach Schloß Linderhof. voll erwacht war, auch zu jenem Menschheitserleben
Besonders schwer litt ich unter der Philisterhaftigkeit hingewollt hätte, aber in der Umgebung der fränkischen
der Menschen, die besonders in den Jahrzehnten im Heimatstadt war allzuviel, was es zunächst nicht zum
Ausgang des vorigen Jahrhunderts zu einer nicht mehr Durchbruch kommen ließ. "

Neue Bücher zu Weihnachten

Dr. Friedrich Rittelmeyer: Aus meinem führt wird. Da das Leben den Verfasser mit fast allen
Leben. 435 Seiten. Mit einem Bild des Verfassers führenden Persönlichkeiten der evangelischen Kirche
und einer Übersicht über die bisherigen Werke. In zusammengeführt hat, ergibt sich ein religiöses Zeitbild,
Leinen RM. 5.80. Das Buch liegt versandbereit und man sieht die Christengemeiuschaft, die sich ja von
vor. oben gewollt weiß, zugleich hervorwachsen aus den Be-
Da die einzelnen Abschnitte dieses Buchs seit 1934 in strebungen und Bedürfnissen der Zeit.
unsrer Zeitschrift erschienen sind, brauchen wir hier Wenn die Leser der Christengemeinschaft wach und
nieht viel über den Inhalt zu sagen, außer daß alles verantwortungsbewußt mit einem solchen Buch umgehen,
noch einmal durchgearbeitet und namentlich in den spä- können sie, wie ich glaube, vielen Menschen dadurch
teren Teilen da und dort um Wichtiges ergänzt worden den Zugang zur Christengemeinschaft erschließen.
ist. So ist ein Kapitel über Michael Bauer neu hinzu- Friedrich Rittelmeyer
*
gekommen und ein Überblick am Schluß.
Das äußerlich Besondere dieser Lebensdarstellung,
die bis zur Gründung der Christengemeinschaft durch- Lie. Emil Bock: Urchristentum I, Caesaren
geführt ist, besteht darin, daß die starre Kalenderlinie und Apostel. Etwa 270 Seiten, mit zwei Bildern.
des Lebensgangs nicht iunegehalten wird, sondern sozu- In Leinen etwa RM. 6.20, kartoniert etwa RM. 5.20.
sagen die einzelnen Gewebefäden des Schicksals verfolgt Vorausbesteller von drei Bänden des Gesamtwerkes
werden. Dadurch ist Ermüdung vermieden und das Sub- „Urchristentum“ haben Anspruh auf 10 v.H. Ex-
jektive zurückgedrängt. Das innerlich Besondere ist, daß mäßigung. Erscheint im November.
vor allem ins Auge gefaßt wird, wie ein Mensch auf Nachdem das dreibändige Werk von Emil Bock „Das
seine Lebensbestimmung zugleich zugeht und zuge- Alte Testament und die Geistesgeschichte der Mensch-

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ich ibn damit zu trösten versuchte, mit den Verlagen sei und Erlebnisse als wirklich unentbehrlich erweisen wür-
es nun eben manchmal wie mit den Straßen Mannheims, den, woran er ja sicher nicht zweifle, so würde die in
sie zählten und rechneten und begründeten das mit einer notwendig werdenden zweiten Auflage dann sicher
Günstigkeiten für Verkehr und Handel. Auch meinte mögliche farbige Bildlichkeit aus der Gemeinschaft und
ich, im Hinblick auf sein schönes farbiges Leinenkleid Liebe und Farbenseele herauswachsen, die er inzwischen
und manche andere schöne Eigenschaften werde ihm selbst wachgerufen habe, und dies dann dereinst sein
gewiß Ihre und der lieben Leser aufrichtige Liebe er- jetzt nicht ganz befriedigtes Bewußtsein um so mehr
halten bleiben, und wenn sich seine zeitgemäßen Lieder erheben können.“

Blicke in die Zeit


die Kälte in ihren tausendfältigen Manifestationen stu-
Eindrücke von der Pariser Weltausstellung dieren. Und ich mußte denken: wie viel guter Wille
„Du Geist der Erde, bist mir näher... * mußte sich in Bewegung setzen, um dieses zusammen-
An diese Worte in Goethes Faust fühlte ich mich gedrängte Universum menschlichen Seins, menschlichen
erinnert, als ich an einem Oktober-Vormittag von der Könnens und Wissens zustande zu bringen!
Brüstung des Trocadero in Paris zum ersten Male das Aber ist nicht das Ganze vielleicht doch nur ein un-
großartige Panorama der Weltausstellung erblickte. Die geheurer Turmbau zu Babel? Das wäre ein schiefes und
Spitze des Eiffelturmes war von Wolken umzogen, ein ungerechtes Urteil, wenn auch sonst in Paris viel „Baby-
scharfer Wind peitschte sprühenden Regen über Stadt lonisches“ und auch eine Rue Babylone mit gleichnami-
und Gelände und goß lebendige Bewegung darüber aus. gem Untergrund-Bahnhof zu finden ist. Man muß die
Unter mir wogte eine nach Tausenden zählende Men- Ausstellungsleitung bewundern, die es verstanden hat,
schenmenge aus allen Völkern, aus allen Erdteilen, in das ungeheure Ganze sinnvoll zu gliedern und unter
die Pavillons der 52 ausstellenden Staaten ein- und aus- leitende Ideen zu bringen. Ja, man hat sich nicht damit
strömend oder sie von außen besehend. Die Laute der begnügt, eine Unzahl von Schaustücken zur Besichtigung
verschiedensten Nationen drangen an das Ohr. In die- und Bewunderung hinzustellen, man hat auch an die
sem Augenblick fühlte ich die Gegenwart des Erdgeistes, Aktivität der Besucher appelliert und sie daran erin-
wie ihn Goethe im Faust schildert, und dieser Eindruck nert. Am Trocadero-Palast konnte man oben, für jeden
vom Ganzen blieb der stärkste in den folgenden Tagen. sichtbar, die Worte lesen: Es hängt von Dir ab, der Du
Eine solche Weltausstellung ist natürlich ein Wunder- vorübergehst, ob ich Grab bin oder Schatzkammer, ob
werk moderner technischer Organisation schon in ihrer ich rede oder schweige; von Dir hängt das ab, mein
äußeren Anlage. Zahlen marschieren da auf wie Gigan- Freund. Tritt nicht ein ohne Wunsch*. Folgte man frei-
ten. Und wenn man als moderner Mensch nicht schon lich dieser wohlgemeinten Aufforderung und machte
einen angeborenen — vielleicht zu großen — Respekt man in sich das Wunschbild rege: wie müßte das mensch-
vor Zahlen hätte: hier könnte man ihn bekommen. Mehr liche Leben und die menschliche Kultur aussehen, damit
als 20 000 Arbeiter haben in mehrmonatlicher Tag- und man sich auf der Erde als Mensch wohlfühlen
Nachtarbeit auf einem 10 Hektar großen Gelände — könnte, und trug man dann diesen inneren Maßstab an
dem Marsfeld — etwa 250 große und kleine Gebäude das Dargebotene heran, so sah man erst, was alles noch
errichtet, die eine umfassende Schau der menschlichen fehlte zu einer vollmenschlichen Kultur. Man hatte den
Leistung, des Fleißes, der Präzision, der Geschicklich- Eindruck: Ernährung, Kleidung, Wohnungswesen: aus-
keit, ja der Virtuosität auf allen Gebieten des mensch- gezeichnet. Presse, Publizität, Propaganda: kolossal,
lichen Lebens in sich beherbergen. Die Technik, die pyramidal (oder was man sonst für Kraftworte gebrau-
Industrie, sämtliche Gewerbe, ferner die Wissenschaft, chen will). Technik, Industrie, Wirtschaft: großartig
die Kunst, die Religion, der menschliche Gedanke und (wenn es auch mit der Weltwirtschaft in praxi schon
die menschliche Kultur bis in ihre letzten, modernsten bedenklich hapert). Anders wird das Bild aber schon,
Ausstrahlungen hinein, alles war da entweder in der wenn man die Dreiheit: Wissenschaft, Kunst, Religion
Realität oder im Bilde oder trat wenigstens statistisch ins Auge faßt. Da steht nur die Wissenschaft ganz in
auf. Man sah einen gläsernen Menschen und eine glä- der Gegenwart drinnen (und auch das läßt sich nur mit
serne Geige (im deutschen Haus), die Wunder des Stern- starken Vorbehalten sagen). Die Kunst hat ibre besten
himmels und die Wunder des Meeres, man sah alle Leistungen in der Vergangenheit aufzuweisen. Die Hoff-
Länder der Erde mit ihren natürlichen und künstlichen nung der Religion liegt in der Zukuuft. Das heißt aber:
Erzeugnissen, ihren Pflanzen, Tieren und Menschen, je höher es in die geistigen Regionen hinaufgeht, desto
ihren Landschaften, ihren Kulturen; man konnte die
* Im Originaltext: „Il depart de toi qui passe, que je sois tombe
Presse aller Länder und Sprachen, das Kino, das Radio, ou tr&sor, que je parle ou me taise; ceci ne tient qu’ä toi, ami.
die Entdeckungen, das Licht (Elektrizität), die Wärme, N’entre pas sans desir“.

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mehr schwindet das Gefühl selbstsicheren Triumphes, Leute, die das glauben, lächeln vielleicht über den
desto zögernder, tastender werden die Schritte. „Aberglauben‘ der katholischen Kirche, die an wunder-
Es gab da, versteckt unter vielen andern, einen Pavil- tätige Bilder glaubt.
lon Larousse* mit einem Panorama de la Pensee War es am Anfang das oben zitierte Wort aus Goethes
humaine ä travers les äges (Panorama des menschlichen Faust, das mich tief bewegte, so war es am Schluß
Gedankens im Querschnitt durch die Zeitalter). Hier sah meines Pariser Aufenthalts ein andres, uns kultisch ver-
man im Bilde etwa 150 große Persönlichkeiten der trautes Wort, das von der Sorge spricht, daß das
menschlichen Geistesgeschichte von Ramses Il. und Himmelslicht nicht durch das Erdenlicht ausgelöscht
Homer bis Max Planck und Debussy. Unter jedem Bild werden möge. Eine gewaltige Offenbarung des Erden-
5—10 erläuternde Zeilen. Auch die großen Religions- lichtes ist eine solche Weltausstellung. Das kam auch
stifter: Confuzius, Buddha, Mahomet waren berücksich- zum Ausdruck in wunderbaren Lichtfesten, die abends
tigt. Und nun kommt das Überraschende. Bild Nr. 25: auf der Seine stattfanden. Leuchtfontänen, in allen
Jösus Christ. Abgebildet war Le „Beau Dieu“ von der Farben des Regenbogens sprühend, schossen empor.
Kathedrale von Amiens. Und darunter als Text: Der Eiffelturm erglühte in rotem Schein, riesige Schein-
nichts. Ebenso Bild Nr.26: Le christianisme. Dar- werfer überspielten das Ganze. Mit dem Licht ver-
gestellt war ein Triptychon mit der heiligen Dreifaltig- mählte sich der Ton zu einer „voie triomphale de la
keit und den vier Evangelisten aus der Pariser Schule, lumiere et du son“. Darüber aber stand der Sternen-
Ende des 14. Jahrhunderts. Und wiederum als Text: himmel. Und wenn das irdische Feuerwerk verpufft
nichts. Über Confuzius, über den Buddha, über Maho- war, sprachen wieder die himmlischen Lichter, soweit
met wußte man etwas zu sagen. Über den Christus und der rötlicke Dunst der Weltstadt sie sichtbar werden
das Christentum nichts. Oder setzte man sie als bekannte ließ, und soweit die Menschen darauf achteten. Die
Größen voraus? Es gab freilich auch einen Pavillon pon- Hoffnung, daß der Mensch den Weg zu den Sternen wie-
tifical, eine Ausstellung katholischer Kunst und Lebens- der finden möge, eine im Herzen leise keimende Zuver-
gestaltung, die unter dem Motto von Pascals Ausspruch: sicht, daß er ihn finden wird: das nahm man als den
„Läme aime la main“ (die Seele liebt die Hand) den höchsten Eindruck von der Ausstellung mit.
Primat des Geistes, d.h. die Inspiration der Technik Hermann Fackler
durch die Mystik künstlerisch zur Darstellung zu bringen Das „kollektive Unbewußte“
suchte („c’est la mystique, qui anime toutes les tech-
Am 28. und 29. September hielt C.G. Jung zwei Vor-
niques“).F* Dieser Pavillon, der alles zum katholischen
träge in Berlin. Sein Name ist Programm der allent-
Kultus, zur sakramentalen Lebensweihe, zum kirchlichen
halben in Deutschland begründeten „Jung-Gesellschaften
und klösterlichen Leben Zugehörige zeigte, sollte das
für psychische Forschung“, die im Lebenswerk C.CG.
spirituelle Leben (la vie spirituelle) innerhalb der Aus-
Jungs den Schlüssel zum innersten Wesen des Mensch-
stellung darstellen. Es ist nur die Frage, wie weit heute
lichen gefunden zu haben glauben. Und in der Tat hat
noch wirkliches spirituelles Leben auf kirchlich-konfes-
man sofort das Gefühl, einer großen Persönlichkeit
sioneller Grundlage gedeihen kann.
gegenüberzustehen, sobald der wohlgepflegte alte Herr
Wo der Glaube sich zur Schau stellt, fehlt nie auch
mit jugendlicher Elastizität und lebhaft blitzenden
der Aberglaube. £o las man im Programm vom 8. Okto-
Augen zu sprechen beginnt.
ber: „Der Sarkophag einer vor 4000 Jahren verstor-
Dieser Mann, der von sich selber sagt, „es sei ihm
benen Prinzessin kommt auf die Ausstellung.“ Und nun
bis jetzt noch nicht gelungen, etwas zu glauben“, wurde
das Sensationelle: Die Berührung des auf den Sarkophag
schon früh durch den Ausspruch eines Geisteskranken
aufgemalten Bildes der Prinzessin bringt Glück (porte
zur intensiven Beschäftigung mit den religiösen Vorstel-
bonheur). „Der Mann, der den Sarkophag nach Paris
lungen vergangener Kulturen und Mysterien angeregt.
gebracht hat, hat mir gesagt: Ich versichere Sie, daß er
Der Kranke, der eine besondere Vorliebe für den
den Geist der Prinzessin enthält, die einstmals gesagt
jungen Arzt gefaßt hatte, zeigte ihm einmal die Sonne
hat: ich werde Gutes nach meinem Tode tun.“ — „Prä-
und deutete geheimnisvoll an, daß nun der große Augen-
sident Roosevelt, der das Bild der Göttin gelegentlich
blick gekommen sei, da man durch bestimmte Kopf-
der Ausstellung in Chicago berührt hat, versichert, daß
bewegungen die „dreifache Sonne“ sehen könne, und
er dieser Berührung seine Wiederwahl zum Präsidenten
die Stelle, welche „der Ursprung der Winde“ sei. Kopf-
der Vereinigten Staaten verdankt.“ — Und die gleichen
schüttelnd hörte es der Arzt, aber dieser Ausspruch be-
* Larousse ist der französische Brockhaus oder Meyer, Heraus. gleitete ihn. Einige Jahre später fand Jung in einem
geber einer volkstümlichen Enzyklopädie (Toutes les connaissance eben erschienenen Buch über die Mithras-Mysterien die-
humaines en deux volumes).
* Man vergleiche dazu den Ausspruch in L’Ilustration, Ex- selbe Bewegung des Kopfes und dieselbe Schau als eine
position 1937: „La vie est synthäse de technique, d’art, de mystique, bestimmte Stufe der Einweihung beschrieben. Von die-
L’homme est corps et äme“. — Das Leben ist eine Synthese von
Technik, Kunst und Mystik. Der Mensch ist Leib und Seele
sem Zeitpunkt an wurde es das Ziel seiner Forschung,
(Leon de Lap&rouse). festzustellen, ob und in wiefern die Traumverstellungen

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im allgemeinen und die Bildvorstellungen kranker Men- Das alles in einer Reihe mit Zeichnungen von Geistes-
schen im besonderen mit Mysterienbildern und mytho- kranken, um aus der Ähnlichkeit dieser der ganzen
logischen Inhalten zusammenhängen können. Durch Menschheit gemeinsamen Imaginationen den gemein-
Bekanntschaft mit Richard Wilhelm, dem besten Kenner samen Ursprung aller Religionen — um nicht zu sagen
der östlichen Literatur, wurde seine Aufmerksamkeit die Einheit alles Seienden — zu erschließen.
auf die lamaistischen und chinesischen Mandalas gelenkt. Dieser so bewiesene gemeinsame Ursprung aber ist —
(Das sind Bilder, die als Hilfe zur Konzentration in das „kollektive Unbewußte“ der Menschheit, das neben
der Meditation gebraucht werden.) Er hatte schon früher dem in jedem einzelnen Menschen ruhenden „persön-
von seinen Patienten Zeichnungen anfertigen lassen, lichen Unbewußten“ allen Menschen gemeinsam ist und
um ihre inneren Zustände besser als durch Worte beur- nun zum Forschungsgebiet des Psychiaters wird. Aus
teilen zu können. Nun zeigten diese Zeichnungen eine so ihm entspringen alle Gottesvorstellungen der Mensch-
verblüffende Ähnlichkeit mit jenen Mandalas, daß der heit, sie sind „Projektionen des kollektiven Un-
Forschung dadurch unerhörte Einblicke in die innerste bewußten“.
Struktur des menschlichen Wesens erschlossen wurden. So sei es zu erklären, daß ein Neger in USA. orphische
„Archetypen“ nennt Professor Jung die immer wieder- Mysterienbilder träumt, daß ungebildete Menschen Vor-
kehrenden Imaginationen und Symbole und beschreibt stellungen aus den Mithras-Mysterien haben, daß sie
eingehend einige im Lichtbild gezeigte lamaistische Bilder zeichnen, die den chinesischen Mandalas zum
Mandalas. Die meisten dieser Bilder sind von einem Verwechseln ähnlich sehen!
äußeren Feuerkreis umgeben, der die Welt der Begier- Hören wir recht? Hier sind unerhörte Hinweise auf die
den andeuten soll. Innerhalb dieses Kreises werden wir Wirklichkeit einer geistigen Welt, auf die wiederholten
im Geiste durch die Trugbilder des irdischen Lebens Erdenleben, auf den Weg des Christus durch die Zeiten
hindurch zu einem meist quadratischen Innenraum ge- als Ergebnisse einer höchst wichtigen Forschungsarbeit
führt, der, einer Mauer mit vier Toren gleichend, den den Menschen in die Hand gegeben — und man sieht in
göttlichen Weltenkern und seine Ausstrahlungen, wie ihnen nur das Phänomen eines „kollektiven Unbewuß-
ein Tempel das Allerheiligste, umschließt. Der göttliche ten“, man nennt alle Gottesvorstellungen der Mensch-
Weltenkern aber ist männlich-weiblich, ein Punkt ohne heit die Emanationen dieses „kollektiven Unbewußten“?
Ausdehnung, oder ein „Goldfunke“, der von dem Kreis, Die Zeit ist reif, und aus den Seelengründen steigen
der Spirale oder der Blüte, als dem weiblichen Prinzip, uralte Mysterienbilder — die Menschenseelen aber sind
umschlossen wird. Schiva-Schakti ist nur eine der mannig- nicht darauf vorbereitet und erkranken an den aus
fachen Bezeichnungen dafür. Die Ent-zweiung des der Tiefe aufspringenden Quellen. Sie wissen nicht mehr,
Männlich-Weiblichen erst führt zur sichtbaren Schöpfung. daß auch die Quellen aus der Tiefe der Erde richt
Der geeinte Weltenkern ist also Mitte und Ziel der Hießen könnten, wenn nicht vorher der Regen vom
östlichen Meditation. — Ganz anders bei den Bildern, Himmel gekommen wäre. Die Götter steigen nicht nur
welche von westlichen Menschen, eben von jenen Kran- als Konstruktionen aus den Tiefen des „kollektiven Un-
ken, gemacht wurden. Äußerlich oft erstaunlich vollendet bewußten“, sondern „das Wort ward Fleisch und wohnte
und den chinesischen Mandalas ebenbürtig, zeigt sich unter uns“ — „und von seiner Fülle haben wir alle
die Mitte fast immer unheimlich und unharmonisch, die genommen Gnade um Gnade“.
Fünfzahl und die Dreizahl herrscht anstatt der Vier, Professor Jung hat recht mit der Bemerkung, daß der
manchmal ist die Mitte gar ein leerer Ort oder ein von westliche Mensch sein eigenes Ich in den Mittelpunkt
chaotischen Rissen durchzogener Abschnitt. Professor der Betrachtung stellen will. Das muß der heutige
Jung deutete mit einigen Worten darauf hin, daß eben Mensch tun — aber nicht bloße Betrachtung ziemt uns
der westliche Mensch an Stelle des Weltgeheimnisses — mehr, sondern gläubige Gewißheit, daß wir selbst das
sich selbst in den Mittelpunkt stellt! — „hermetische Gefäß“ sind, in dem durch das Feuer der
Nun zogen in rascher Folge die Mysterienbilder der wiederholten Erdenleben der Auferstehungsleib erblühen
Menschheit an uns vorüber, von den chinesischen Man- soll, damit er als bleibender Mittelpunkt und göttlicher
dalas, über orphische und ägyptische Weltschöpfungs- Wesenskern in unserem Ich wohne und wirke. Weun es
Bilder bis zu dem hermetischen Gefäß der Alchimisten, dem heutigen Menschen nicht gelingt, diesen Welten-
das im Feuer steht und glühen muß, damit der Auf- mittelpunkt wieder in sein Seeleninnerstes einzufügen,
erstehungsleib geläutert werde. Eine wundervolle Zeich- dann erkrankt die Menschenseele und wird bald in
nung von Jakob Böhme wurde gezeigt, darstellend die einer Weise zerstört sein, daß kein Psychiater mit dem
„entzweite“ Welt, zusammengehalten nur an einer Stelle Zauberstab des „kollektiven Unbewußten“ sie mehr zu
durch das Herz des Sohnes, „der die Sonne ist“. heilen vermag. Emma Andrae

Bezugspreise und Postscheckkonten nebenstehend. — Für unverlangt eingesandte Manuskripte kann (außer wenn Rück-
porto beiliegt) eine Gewähr nicht übernommen werden. Schrittleiter: Dr. Friedrich Rittelmeyer, Stuttgart 13. Für die
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Druck: Hoffmannsche Buchdruckerei Felix Krais, Stuttgart. Verlag: Verlag Urachhaus, Stuttgart 13.

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