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Gastroduodenale Ulkuskrankheit

(Gastroduodenale Ulzera, Ulcus ventriculi, Ulcus duodeni)


Letzte Aktualisierung: 03.03.2021
FRAGEN
KLINIK

ARZT

GELERNT

Abstract
Die gastroduodenale Ulkuskrankheit beschreibt einen ulzerierenden Gewebedefekt im
Bereich der Wand des Magens bzw. des Duodenums. Klinisch kommt es meist zu
epigastrischen Schmerzen, jedoch können Ulzera auch asymptomatisch sein und erst
durch Komplikationen wie Blutungen oder Perforation klinisch manifest werden. Die
häufigste Ursache ist eine Helicobacter-pylori-Infektion, weitere mögliche Gründe
können in der Einnahme von NSAR, anderen Noxen oder Stress liegen. Diagnostisch
wegweisend sind insbesondere der makroskopische Befund in der Endoskopie sowie
ggf. der Nachweis von Helicobacter pylori.

Therapeutisch erfolgt in der Regel eine medikamentöse Senkung der Säureproduktion


(z.B. mittels Protonenpumpeninhibitoren), je nach Ätiologie erfolgen weitere
Maßnahmen wie beispielsweise eine Helicobacter-pylori-(HP)-Eradikationstherapie oder
die Karenz der entsprechenden Noxen. In seltenen Fällen – vor allem bei Vorliegen von
Komplikationen wie Perforation oder starker Blutung – kann eine chirurgische
Intervention notwendig werden. Differentialdiagnostisch muss beim Magenulkus auch
immer an ein Magenkarzinom gedacht und dies sicher ausgeschlossen werden.
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Definition
Ulkus: Gewebedefekt, der die Lamina muscularis mucosae überschreitet und
auch tiefere Wandschichten betrifft. 
Erosion: Oberflächlicher Gewebedefekt mit noch intakter Muscularis mucosae

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Epidemiologie
Inzidenz in Deutschland: ca. 200/100.000 Einwohner pro Jahr
o Ulcus duodeni 2–3× häufiger als Ulcus ventriculi
o Ulcus duodeni: ♂ > ♀ 
Insgesamt durch verbreitete PPI-Einnahme rückläufige Inzidenz
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf
Deutschland.
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Ätiologie
Helicobacter-pylori-(HP-)positive Ulkuskrankheit
o Chronische HP-Gastritis
o Bei >90% der Patienten mit duodenalem Ulkus und bei ca. 75% der
Patienten mit Magenulkus ist die Magenschleimhaut mit HP besiedelt
HP-negative Ulkuskrankheit
o Risikofaktoren
 Einnahme nichtsteroidaler Antirheumatika
(NSAR), insbesondere in Kombination mit Glucocorticoiden
 Unter NSAR-Gabe ist je nach Dosierung das
Ulkusrisiko etwa 5-fach erhöht 
 Bei gleichzeitiger Gabe von Glucocorticoiden sogar
um den Faktor 10–15!
 Einnahme von SSRI 
 Rauchen, Alkohol
 Alter >65 Jahre
 Chronische Niereninsuffizienz mit Urämie
 Positive Ulkusanamnese
o Selten: Hyperparathyreoidismus, Zollinger-Ellison-Syndrom 
(Gastrinom)
Chronische Gastritis anderer Genese: → siehe: ABC-Klassifikation der
chronischen Gastritis
Akutes Stressulkus 
o Ursachen: Polytrauma, große Operationen, SIRS, Nierenversagen etc.
o Therapie: Stressulkusprophylaxe
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Klassifikation
Ulcus ventriculi
o Lokalisation: Meist kleine Kurvatur oder Antrum 
Ulcus duodeni
o Lokalisation: Meist im Bulbus duodeni, gehäuft bei Menschen mit
der Blutgruppe 0 
Eine atypische Lage ist immer karzinomverdächtig!
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Pathophysiologie
Anatomie des Magens
Magenabschnitte 
Pars cardiaca 
Fundus gastricus 
Corpus gastricum 
Pars pylorica
o Antrum pyloricum 
o Canalis pyloricus 

Gefäßversorgung
Arterien 
o Kleine Kurvatur 
 A. gastrica sinistra 
 A. gastrica dextra 
o Große Kurvatur 
 A. gastroomentalis dextra 
 A. gastroomentalis sinistra 
o Magenfundus
 Aa. gastricae breves 
o Magenhinterwand
 A. gastrica posterior 
Venen
o Verlaufen größtenteils wie die Arterien
o Venöser Abfluss in die V. portae

Physiologischer Magensaft
Belegzellen 
: Bildung von Salzsäure (HCl) und Intrinsic-Faktor
Nebenzellen und Antrumdrüsen: Bildung von protektivem Schleim
Hauptzellen: Bildung von Pepsinogen
Merkspruch zur Zusammensetzung des Magensaftes: „Die Belegschaft ist sauer und
intrigiert, weil die Hauptmänner Pepsi trinken und die Nebenmänner rumschleimen.“

Regulation der Sekretion


o Stimulation der Belegzellen durch Acetylcholin, Histamin und Gastrin 
 → Produktion und Sekretion von Salzsäure (HCl)
o Prostaglandine → Stimulation der Schleimproduktion und Hemmung
der HCl-Ausschüttung (protektiv)

Schädigende Einflüsse
Helicobacter pylori-Gastritis: Säuresekretion↑, schützende
Faktoren/Schleimbildung↓
Einnahme von NSAR: Protektive Prostaglandine↓
Das klassische („peptische“) Ulkus beruht wesentlich auf der aggressiven Wirkung
der Magensäure zusammen mit weiteren Einflüssen wie H. pylori-Besiedlung, die die
Aggression (Säure) verstärken und defensive Faktoren vermindern!
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Symptome/Klinik
Allgemeine Symptome
o Epigastrische Schmerzen
o Evtl. Blutungszeichen (Anämie, Hämatemesis, Meläna)
o Besserung durch Antazida
o Asymptomatische Verläufe sind möglich
Spezifische Symptome 
o Ulcus ventriculi
 Schmerzen unmittelbar nach Nahrungsaufnahme oder
 Schmerzen unabhängig von Nahrungsaufnahme
o Ulcus duodeni
 Nüchternschmerzen (insbesondere nachts)
 Linderung der Schmerzen durch Nahrungsaufnahme
Durch NSAR-Einnahme verursachte Ulzera verlaufen oftmals asymptomatisch, bis es zur
Blutung oder Perforation kommt!
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Verlaufs- und Sonderformen


Ulcus Dieulafoy
o Kurzbeschreibung: Seltene Erkrankung, bei der es bereits durch eine
geringe Schleimhauterosion aufgrund einer
fehlangelegten, submukös verlaufenden Arterie in der
Magenschleimhaut zu schweren Blutungen kommen kann 
o Lokalisation: Meist im proximalen Magenabschnitt
o Symptomatik: Entspricht einer akuten oberen gastrointestinalen
Blutung mit Blutungszeichen (Hämatemesis, Meläna, Anämie und je
nach Blutverlust hypovolämischer Schock)
o Therapie: Endoskopische Blutstillung (Unterspritzung, Clip,
etc.), Exzision der blutungsgefährdeten Region 
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Diagnostik
Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD) mit Biopsien
o Mehrere Biopsien! → Helicobacter pylori ist fleckförmig verteilt,
größere Sicherheit ein Magenkarzinom zu entdecken
o 2× Magenantrum (präpylorisch an kleiner und großer Kurvatur) und
2× Magenkorpus (kleine und große Kurvatur) 
o Ca. 10% der Ulcera ventriculi >2 cm sind maligne (Magenkarzinom!) –
Biopsien aus dem Randbereich und aus dem Grund eines Ulcus
ventriculi sind daher obligat
o Gastrointestinale Blutung – Bei der gastroduodenalen Ulkuskrankheit
sind Blutungen häufig, diese können diagnostiziert und ggf.
blutstillend behandelt werden 
Ein Ulcus duodeni ist fast nie maligne und muss daher auch nicht zwingend biopsiert
werden!

Helicobacter pylori-Diagnostik
o Vorzugsweise endoskopische Biopsien bei akuten Erkrankungen
(s. Helicobacter-pylori-Diagnostik)
Immer Histologie mit Färbung und direktem

mikroskopischen Nachweis und(!) Urease-Schnelltest mit
Nachweis einer Ammoniakbildung durch Urease
des Helicobacter pylori
Wenn HP-negativ und keine NSAR-Einnahme
o Bestimmung von Gastrin 
: Bei Gastrinom (Zollinger-Ellison-Syndrom) stark erhöht
o Bestimmung von Serumcalcium und Parathormon: Bei
primärem Hyperparathyreoidismus erhöht

Zum Ausschluss eines Magenkarzinoms muss jedes Magenulkus bis zur vollständigen


Abheilung mittels ÖGD und histologischer Untersuchungen kontrolliert werden!

Bei gastroduodenaler Ulkusblutung soll bei vertretbarem Risiko bereits in der


Notfallendoskopie eine bioptische Helicobacter-pylori-
Diagnostik mittels Histologie erfolgen. (DGIM - Klug entscheiden in der Inneren
Medizin)
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Therapie
Medikamentös
HP-Eradikationstherapie wenn HP-positiv
o Indikation
 Ulcus ventriculi: Eradikation bei zwei positiven HP-Tests
(z.B. Histologie und Urease-Schnelltest) 
 Ulcus duodeni: Eradikation bei einem positiven HP-Test
o Durchführung: Protonenpumpeninhibitor in doppelter
Standarddosis + 2 Antibiotika über 7 Tage, anschließend weitere
Gabe eines PPI in Standarddosierung (für weitere Informationen:
siehe Helicobacter-pylori-Eradikationstherapie; für Dosierungen und
Praxishinweise: siehe Eradikation von Helicobacter pylori - klinische
Anwendung)
HP-negative Ulzera
o Karenz der Noxen: Keine NSAR, Reduktion von Rauchen, Alkohol und
Stress
o Protonenpumpeninhibitoren
Nach 4-6 Wochen endoskopische Kontrolle des Eradikationserfolges, auch um
übersehene Karzinome auszuschließen! Bei fehlender Indikation zur Kontrollendoskopie
Therapiekontrolle mittels Atemtest und Stuhlantigentest, dann Entscheidung über
Fortführungsmodalitäten der PPI-Therapie!

Interventionell
Endoskopische Blutstillung: Unterspritzung, Clip, Fibrinkleber etc.
o Unterspritzung blutender Läsionen mit verdünnter Adrenalin-Lösung 
o Hämoclips in verschiedenen Größen und Variationen zur
mechanischen Blutstillung
Operation bei Komplikationen (endoskopisch nicht beherrschbare Blutung,
Perforation)
o Notfall-OP-Verfahren siehe Komplikationen
Siehe auch: Gastrointestinale Blutung - Therapie
Eine elektive Kontrollendoskopie innerhalb von 72 Stunden nach oberer
gastrointestinaler Blutung soll nicht regelhaft durchgeführt werden. (DGIM - Klug
entscheiden in der Inneren Medizin)

Operativ
Aufgrund der Effektivität der Protonenpumpeninhibitor-Therapie werden operative
Verfahren heutzutage nur noch selten angewandt. Magenteilresektionen sind mitunter
eine Option bei endoskopisch nicht beherrschbarer Ulkusblutung. 

Indikation
o Ultima ratio bei medikamentös nicht beherrschbarer Ulkuskrankheit
o Karzinomverdacht
Magenteilresektion (nach Billroth)
o Billroth I: Distale Magenteilresektion mit End-zu-End- oder Seit-zu-
End-Gastroduodenostomie 
o Billroth II: Resektion der distalen ⅔ des Magens mit blind
verschlossenem Duodenalstumpf und End-zu-Seit-
Gastrojejunostomie 
 
o Siehe auch Komplikationen nach Magen(teil-)resektion
Vagotomie 
o Trunkuläre Vagotomie: Durchtrennung von Truncus vagalis
anterior und posterior des Nervus vagus (N.X) im Bereich des
distalen Ösophagus
o Selektive proximale Vagotomie: Durchtrennung der den proximalen
Magenanteil innervierenden Fasern des Nervus vagus (N.X)
 Postvagotomiesyndrom
 Definition: Magenentleerungs- und
Passagestörungen nach Vagotomie (ohne
Durchführung einer Pyloroplastik)
 Symptome
 Meist verzögerte Magenentleerung mit
begleitendem frühem Sättigungsgefühl,
Aufstoßen, Inappetenz und
Refluxbeschwerden
 Teilweise intermittierend Diarrhöen 
 Therapie: Symptomatisch (im Falle von Diarrhö:
Therapieversuch mit Colestyramin)

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Komplikationen
Blutung (siehe auch: Gastrointestinale Blutung)
o Klassifikation der Blutungsaktivität nach Forrest 
o Besonders bedrohlich ist ein akut blutendes Duodenalulkus an der
Hinterwand des Duodenums → Möglicherweise Arrosion der A.
gastroduodenalis mit starker Blutung!
o Therapie
Für das Notfallmanagement
bei Schocksymptomatik siehe: Hämorrhagischer Schock -
AMBOSS-SOP
 Versuch der endoskopischen Blutstillung
 Bei Versagen der endoskopischen Blutstillung →
Operation: Ulkusumstechung und Gefäßligatur der
zuführenden Gefäße (von extraluminal)
 Siehe auch: Gastrointestinale Blutung - Therapie
Perforation von Magen/Duodenum
o Klinik
Schlagartig einsetzender, starker stechender Schmerz,

anschließend diffuser Bauchschmerz (beginnende Peritonitis)
 Bei chronischen Ulzera auch symptomarm möglich
o Diagnostik
Tympanitischer Klopfschall
Röntgen-Abdomen: Pneumoperitoneum (bei Perforation
des Duodenums: Pneumoretroperitoneum) 
 Abdomenübersichtsaufnahme im Stehen
→ Subphrenische Luftsichel 
 Abdomenübersichtsaufnahme in Linksseitenlage
→ Freie Luft zwischen Leber und
lateraler Bauchwand/Zwerchfell 
o Therapie: Notfalloperation → Ulkusübernähung mit
vorheriger Exzision des Ulkusrandes
Magenausgangsstenose
Karzinomatöse Entartung beim Ulcus ventriculi

Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.


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Nachsorge
Kontrollendoskopie und -biopsien
Ulcus ventriculi: Immer nach 4–6 Wochen. Unter adäquater Therapie sind nicht
vollständig abgeheilte Ulzerationen hochsuspekt auf ein Magenkarzinom.
o Bei schlechter bzw. unvollständiger Abheilung: Erneut ausgedehnte
Biopsien aus dem Grund- und Randbereich des Ulkus
o Wenn bei der Erstuntersuchung kein HP-Nachweis erfolgte:
Erneute Helicobacter pylori-Diagnostik
Ulcus duodeni: Kontrollendoskopie nach 2–4 Wochen bei folgenden
Risikokonstellationen und Komplikationen:
o Blutung
o Perforation
o Penetration
o HP-Negativität, hierbei dann auch erneute HP-Diagnostik

Ulkusprophylaxe
Bei HP-negativen gastroduodenalen Ulzerationen mit Risikofaktoren für
ein Rezidiv: PPI-Therapie in Standarddosierung zur Prophylaxe (auch nach
Abheilung)
o Die Risikofaktoren entsprechen den Risikofaktoren für HP-negative
Ulzera (s. Ätiologie oben)
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Prävention
Rezidivprophylaxe
Aufgabe des Rauchens und Karenz anderer Noxen wie Alkohol
Kaffeekonsum mäßigen
o Koffein fördert die Säureproduktion, überwindet jedoch die
Säuresuppression durch PPI nicht 
o Kaffee mit Milch verweilt länger im Magen, schwarzer Kaffee ist daher
vorzuziehen 
o Kaffee auf nüchternen Magen kann Symptome triggern 
Möglichst auf Medikamente verzichten, die ein Ulkus begünstigen
o NSAR-Analgetika 
o Glucocorticoide
o SSRI
Ausschluss: Zollinger-Ellison-Syndrom, Hyperparathyreoidismus
Erfolgreiche HP-Eradikationstherapie

Stressulkusprophylaxe (auch Stressläsionsprophylaxe)  [1][2]

Indikation: Kritisch kranke Intensivpatienten mit erheblichem organischen Stress


o Schwere Sepsis, septischer Schock
o Kardiogener Schock
o Invasive Beatmung > 48h
o Koagulopathie
o Akutes Leber- oder Nierenversagen
o Z.n. Polytrauma
o Schwere Verbrennung
o Z.n. Schädel-Hirn-Trauma
o Z.n. ausgedehnten Operationen 
o Z.n. oberer GI-Blutung in letzten 12 Monaten
o Dauertherapie mit NSAR oder hochdosierten Glukokortikoiden
Dauer: Regelmäßige Reevaluation der Indikation und Absetzen auf der
Normalstation
Medikation: Protonenpumpeninhibitoren (PPI) 
 oder H2-Rezeptor-Antagonisten 
Nachteil von langfristiger PPI-Gabe: Hinweise auf erhöhtes Risiko
für Pneumonien 
 und gastrointestinale Infekte! 
[3][4

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