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Abstract
Die gastroduodenale Ulkuskrankheit beschreibt einen ulzerierenden Gewebedefekt im
Bereich der Wand des Magens bzw. des Duodenums. Klinisch kommt es meist zu
epigastrischen Schmerzen, jedoch können Ulzera auch asymptomatisch sein und erst
durch Komplikationen wie Blutungen oder Perforation klinisch manifest werden. Die
häufigste Ursache ist eine Helicobacter-pylori-Infektion, weitere mögliche Gründe
können in der Einnahme von NSAR, anderen Noxen oder Stress liegen. Diagnostisch
wegweisend sind insbesondere der makroskopische Befund in der Endoskopie sowie
ggf. der Nachweis von Helicobacter pylori.
Definition
Ulkus: Gewebedefekt, der die Lamina muscularis mucosae überschreitet und
auch tiefere Wandschichten betrifft.
Erosion: Oberflächlicher Gewebedefekt mit noch intakter Muscularis mucosae
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Epidemiologie
Inzidenz in Deutschland: ca. 200/100.000 Einwohner pro Jahr
o Ulcus duodeni 2–3× häufiger als Ulcus ventriculi
o Ulcus duodeni: ♂ > ♀
Insgesamt durch verbreitete PPI-Einnahme rückläufige Inzidenz
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf
Deutschland.
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Ätiologie
Helicobacter-pylori-(HP-)positive Ulkuskrankheit
o Chronische HP-Gastritis
o Bei >90% der Patienten mit duodenalem Ulkus und bei ca. 75% der
Patienten mit Magenulkus ist die Magenschleimhaut mit HP besiedelt
HP-negative Ulkuskrankheit
o Risikofaktoren
Einnahme nichtsteroidaler Antirheumatika
(NSAR), insbesondere in Kombination mit Glucocorticoiden
Unter NSAR-Gabe ist je nach Dosierung das
Ulkusrisiko etwa 5-fach erhöht
Bei gleichzeitiger Gabe von Glucocorticoiden sogar
um den Faktor 10–15!
Einnahme von SSRI
Rauchen, Alkohol
Alter >65 Jahre
Chronische Niereninsuffizienz mit Urämie
Positive Ulkusanamnese
o Selten: Hyperparathyreoidismus, Zollinger-Ellison-Syndrom
(Gastrinom)
Chronische Gastritis anderer Genese: → siehe: ABC-Klassifikation der
chronischen Gastritis
Akutes Stressulkus
o Ursachen: Polytrauma, große Operationen, SIRS, Nierenversagen etc.
o Therapie: Stressulkusprophylaxe
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Klassifikation
Ulcus ventriculi
o Lokalisation: Meist kleine Kurvatur oder Antrum
Ulcus duodeni
o Lokalisation: Meist im Bulbus duodeni, gehäuft bei Menschen mit
der Blutgruppe 0
Eine atypische Lage ist immer karzinomverdächtig!
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Pathophysiologie
Anatomie des Magens
Magenabschnitte
Pars cardiaca
Fundus gastricus
Corpus gastricum
Pars pylorica
o Antrum pyloricum
o Canalis pyloricus
Gefäßversorgung
Arterien
o Kleine Kurvatur
A. gastrica sinistra
A. gastrica dextra
o Große Kurvatur
A. gastroomentalis dextra
A. gastroomentalis sinistra
o Magenfundus
Aa. gastricae breves
o Magenhinterwand
A. gastrica posterior
Venen
o Verlaufen größtenteils wie die Arterien
o Venöser Abfluss in die V. portae
Physiologischer Magensaft
Belegzellen
: Bildung von Salzsäure (HCl) und Intrinsic-Faktor
Nebenzellen und Antrumdrüsen: Bildung von protektivem Schleim
Hauptzellen: Bildung von Pepsinogen
Merkspruch zur Zusammensetzung des Magensaftes: „Die Belegschaft ist sauer und
intrigiert, weil die Hauptmänner Pepsi trinken und die Nebenmänner rumschleimen.“
Schädigende Einflüsse
Helicobacter pylori-Gastritis: Säuresekretion↑, schützende
Faktoren/Schleimbildung↓
Einnahme von NSAR: Protektive Prostaglandine↓
Das klassische („peptische“) Ulkus beruht wesentlich auf der aggressiven Wirkung
der Magensäure zusammen mit weiteren Einflüssen wie H. pylori-Besiedlung, die die
Aggression (Säure) verstärken und defensive Faktoren vermindern!
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Symptome/Klinik
Allgemeine Symptome
o Epigastrische Schmerzen
o Evtl. Blutungszeichen (Anämie, Hämatemesis, Meläna)
o Besserung durch Antazida
o Asymptomatische Verläufe sind möglich
Spezifische Symptome
o Ulcus ventriculi
Schmerzen unmittelbar nach Nahrungsaufnahme oder
Schmerzen unabhängig von Nahrungsaufnahme
o Ulcus duodeni
Nüchternschmerzen (insbesondere nachts)
Linderung der Schmerzen durch Nahrungsaufnahme
Durch NSAR-Einnahme verursachte Ulzera verlaufen oftmals asymptomatisch, bis es zur
Blutung oder Perforation kommt!
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Diagnostik
Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD) mit Biopsien
o Mehrere Biopsien! → Helicobacter pylori ist fleckförmig verteilt,
größere Sicherheit ein Magenkarzinom zu entdecken
o 2× Magenantrum (präpylorisch an kleiner und großer Kurvatur) und
2× Magenkorpus (kleine und große Kurvatur)
o Ca. 10% der Ulcera ventriculi >2 cm sind maligne (Magenkarzinom!) –
Biopsien aus dem Randbereich und aus dem Grund eines Ulcus
ventriculi sind daher obligat
o Gastrointestinale Blutung – Bei der gastroduodenalen Ulkuskrankheit
sind Blutungen häufig, diese können diagnostiziert und ggf.
blutstillend behandelt werden
Ein Ulcus duodeni ist fast nie maligne und muss daher auch nicht zwingend biopsiert
werden!
Helicobacter pylori-Diagnostik
o Vorzugsweise endoskopische Biopsien bei akuten Erkrankungen
(s. Helicobacter-pylori-Diagnostik)
Immer Histologie mit Färbung und direktem
mikroskopischen Nachweis und(!) Urease-Schnelltest mit
Nachweis einer Ammoniakbildung durch Urease
des Helicobacter pylori
Wenn HP-negativ und keine NSAR-Einnahme
o Bestimmung von Gastrin
: Bei Gastrinom (Zollinger-Ellison-Syndrom) stark erhöht
o Bestimmung von Serumcalcium und Parathormon: Bei
primärem Hyperparathyreoidismus erhöht
Therapie
Medikamentös
HP-Eradikationstherapie wenn HP-positiv
o Indikation
Ulcus ventriculi: Eradikation bei zwei positiven HP-Tests
(z.B. Histologie und Urease-Schnelltest)
Ulcus duodeni: Eradikation bei einem positiven HP-Test
o Durchführung: Protonenpumpeninhibitor in doppelter
Standarddosis + 2 Antibiotika über 7 Tage, anschließend weitere
Gabe eines PPI in Standarddosierung (für weitere Informationen:
siehe Helicobacter-pylori-Eradikationstherapie; für Dosierungen und
Praxishinweise: siehe Eradikation von Helicobacter pylori - klinische
Anwendung)
HP-negative Ulzera
o Karenz der Noxen: Keine NSAR, Reduktion von Rauchen, Alkohol und
Stress
o Protonenpumpeninhibitoren
Nach 4-6 Wochen endoskopische Kontrolle des Eradikationserfolges, auch um
übersehene Karzinome auszuschließen! Bei fehlender Indikation zur Kontrollendoskopie
Therapiekontrolle mittels Atemtest und Stuhlantigentest, dann Entscheidung über
Fortführungsmodalitäten der PPI-Therapie!
Interventionell
Endoskopische Blutstillung: Unterspritzung, Clip, Fibrinkleber etc.
o Unterspritzung blutender Läsionen mit verdünnter Adrenalin-Lösung
o Hämoclips in verschiedenen Größen und Variationen zur
mechanischen Blutstillung
Operation bei Komplikationen (endoskopisch nicht beherrschbare Blutung,
Perforation)
o Notfall-OP-Verfahren siehe Komplikationen
Siehe auch: Gastrointestinale Blutung - Therapie
Eine elektive Kontrollendoskopie innerhalb von 72 Stunden nach oberer
gastrointestinaler Blutung soll nicht regelhaft durchgeführt werden. (DGIM - Klug
entscheiden in der Inneren Medizin)
Operativ
Aufgrund der Effektivität der Protonenpumpeninhibitor-Therapie werden operative
Verfahren heutzutage nur noch selten angewandt. Magenteilresektionen sind mitunter
eine Option bei endoskopisch nicht beherrschbarer Ulkusblutung.
Indikation
o Ultima ratio bei medikamentös nicht beherrschbarer Ulkuskrankheit
o Karzinomverdacht
Magenteilresektion (nach Billroth)
o Billroth I: Distale Magenteilresektion mit End-zu-End- oder Seit-zu-
End-Gastroduodenostomie
o Billroth II: Resektion der distalen ⅔ des Magens mit blind
verschlossenem Duodenalstumpf und End-zu-Seit-
Gastrojejunostomie
o Siehe auch Komplikationen nach Magen(teil-)resektion
Vagotomie
o Trunkuläre Vagotomie: Durchtrennung von Truncus vagalis
anterior und posterior des Nervus vagus (N.X) im Bereich des
distalen Ösophagus
o Selektive proximale Vagotomie: Durchtrennung der den proximalen
Magenanteil innervierenden Fasern des Nervus vagus (N.X)
Postvagotomiesyndrom
Definition: Magenentleerungs- und
Passagestörungen nach Vagotomie (ohne
Durchführung einer Pyloroplastik)
Symptome
Meist verzögerte Magenentleerung mit
begleitendem frühem Sättigungsgefühl,
Aufstoßen, Inappetenz und
Refluxbeschwerden
Teilweise intermittierend Diarrhöen
Therapie: Symptomatisch (im Falle von Diarrhö:
Therapieversuch mit Colestyramin)
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Komplikationen
Blutung (siehe auch: Gastrointestinale Blutung)
o Klassifikation der Blutungsaktivität nach Forrest
o Besonders bedrohlich ist ein akut blutendes Duodenalulkus an der
Hinterwand des Duodenums → Möglicherweise Arrosion der A.
gastroduodenalis mit starker Blutung!
o Therapie
Für das Notfallmanagement
bei Schocksymptomatik siehe: Hämorrhagischer Schock -
AMBOSS-SOP
Versuch der endoskopischen Blutstillung
Bei Versagen der endoskopischen Blutstillung →
Operation: Ulkusumstechung und Gefäßligatur der
zuführenden Gefäße (von extraluminal)
Siehe auch: Gastrointestinale Blutung - Therapie
Perforation von Magen/Duodenum
o Klinik
Schlagartig einsetzender, starker stechender Schmerz,
anschließend diffuser Bauchschmerz (beginnende Peritonitis)
Bei chronischen Ulzera auch symptomarm möglich
o Diagnostik
Tympanitischer Klopfschall
Röntgen-Abdomen: Pneumoperitoneum (bei Perforation
des Duodenums: Pneumoretroperitoneum)
Abdomenübersichtsaufnahme im Stehen
→ Subphrenische Luftsichel
Abdomenübersichtsaufnahme in Linksseitenlage
→ Freie Luft zwischen Leber und
lateraler Bauchwand/Zwerchfell
o Therapie: Notfalloperation → Ulkusübernähung mit
vorheriger Exzision des Ulkusrandes
Magenausgangsstenose
Karzinomatöse Entartung beim Ulcus ventriculi
Nachsorge
Kontrollendoskopie und -biopsien
Ulcus ventriculi: Immer nach 4–6 Wochen. Unter adäquater Therapie sind nicht
vollständig abgeheilte Ulzerationen hochsuspekt auf ein Magenkarzinom.
o Bei schlechter bzw. unvollständiger Abheilung: Erneut ausgedehnte
Biopsien aus dem Grund- und Randbereich des Ulkus
o Wenn bei der Erstuntersuchung kein HP-Nachweis erfolgte:
Erneute Helicobacter pylori-Diagnostik
Ulcus duodeni: Kontrollendoskopie nach 2–4 Wochen bei folgenden
Risikokonstellationen und Komplikationen:
o Blutung
o Perforation
o Penetration
o HP-Negativität, hierbei dann auch erneute HP-Diagnostik
Ulkusprophylaxe
Bei HP-negativen gastroduodenalen Ulzerationen mit Risikofaktoren für
ein Rezidiv: PPI-Therapie in Standarddosierung zur Prophylaxe (auch nach
Abheilung)
o Die Risikofaktoren entsprechen den Risikofaktoren für HP-negative
Ulzera (s. Ätiologie oben)
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Prävention
Rezidivprophylaxe
Aufgabe des Rauchens und Karenz anderer Noxen wie Alkohol
Kaffeekonsum mäßigen
o Koffein fördert die Säureproduktion, überwindet jedoch die
Säuresuppression durch PPI nicht
o Kaffee mit Milch verweilt länger im Magen, schwarzer Kaffee ist daher
vorzuziehen
o Kaffee auf nüchternen Magen kann Symptome triggern
Möglichst auf Medikamente verzichten, die ein Ulkus begünstigen
o NSAR-Analgetika
o Glucocorticoide
o SSRI
Ausschluss: Zollinger-Ellison-Syndrom, Hyperparathyreoidismus
Erfolgreiche HP-Eradikationstherapie
Stressulkusprophylaxe (auch Stressläsionsprophylaxe) [1][2]