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(Schilddrüsenunterfunktion)
Abstract
Bei der Hypothyreose handelt es sich um eine Unterversorgung des Körpers mit
den Schilddrüsenhormonen T und T . Es wird zwischen einer kongenitalen
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(angeborenen) und einer erworbenen Form unterschieden, wobei die kongenitale Form
als pädiatrisches Krankheitsbild in einer eigenen Sektion behandelt wird. Die im
Erwachsenenalter auftretende Hypothyreose ist fast immer erworben und beruht
zumeist auf einer autoimmunen Genese (Hashimoto-Thyreoiditis) oder extremem
Iodmangel. Sie äußert sich in einer allgemeinen Verringerung des Grundumsatzes mit
multiplen klinischen Folgen, die bis zum Myxödemkoma führen können.
Epidemiologie
Erworbene Hypothyreose
o ♀ > ♂ (4:1)
o Prävalenz: ca. 1% der Bevölkerung [1]
Ätiologie
Erworbene Hypothyreose [2]
Primäre Hypothyreose
o Häufigste Ursache: Autoimmune Genese (i.d.R. Hashimoto-
Thyreoiditis)
o Iatrogen
o Extremer Iod- oder Selenmangel
Sekundäre Hypothyreose
o Hypophysenvorderlappeninsuffizienz → Mangel an Thyreoidea-
stimulierendem Hormon (TSH)
Tertiäre Hypothyreose
o Hypothalamische Insuffizienz (TRH-Mangel)
Amiodaron kann sowohl eine Hypo- als auch eine Hyperthyreose auslösen!
Medikamenten-induzierte Schilddrüsenfunktionsstörungen
Amiodaron-induzierte Hypothyreose
Häufigkeit: 5–15% der mit Amiodaron behandelten Patienten
Pathophysiologie: Iodid in hoher Dosis (>5 mg) senkt die Iodaufnahme in
die Schilddrüse und die Hormonsynthese (Iod-Plummerung)
Labor: Wie bei anderen Formen der Hypothyreose
o Laborphänomene zu Therapiebeginn: In den ersten Wochen
der Amiodaron-Therapie finden sich häufig passagere, nicht-
behandlungsbedürftige Laborphänomene
Gesamt-T und fT ↓ (unterer Grenzbereich), Gesamt-
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TSH leicht↓
Therapie: L-Thyroxin-Substitution, indiziert bei manifester Hypothyreose bzw.
relevanter latenter Hypothyreose (TSH >10 mU/L)
o Zielbereich: fT im oberen Normbereich bei normwertigen TSH
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Amiodaron-induzierte Hyperthyreose
Häufigkeit: 2–12% der mit Amiodaron behandelten Patienten
Klinik: Einige Wochen bis Monate nach Therapiebeginn
auftretende Hyperthyreose
Verlaufsformen
Typ-I-Hyperthyreose: Beruht auf gesteigerter Hormonsynthese, hoher
Iodbelastung, typischerweise bei vorbestehender Schilddrüsenpathologie
o Verlauf: Eher Wochen als Monate nach Therapiebeginn auftretend,
häufig schwere Verläufe
Typ-II-Hyperthyreose: Beruht auf einer gesteigerten Hormonfreisetzung bei
Destruktion von Schilddrüsengewebe, typischerweise keine vorbestehende
Schilddrüsenpathologie
o Verlauf: Eher Monate als Wochen nach Therapiebeginn auftretend,
häufig selbstlimitierende Verläufe, ggf. Übergang in eine
Hypothyreose
Differentialdiagnostik
VOLLBILDTABELLEN-QUIZ
Häufig Struma nodosa
Sonographie Farbduplex: Durchblutung↓
Farbduplex: Durchblutung↑
Thyreoglobulin i.S. ↑↑↑ ↑
Interleukin-6 i.S. ↔︎ ↑
Therapeutisches Vorgehen
Therapiebeginn: Bei diagnostisch unklarer Form in der Praxis initiale
Kombination aus Thiamazol
und Glucocorticoiden
sowie Absetzen von Amiodaron (nach kardiologischer Rücksprache)
Nach Differentialdiagnostik:
o Typ-I-Hyperthyreose: Thyreostatika sind effektiv
o Typ-II-Hyperthyreose: Glucocorticoide sind effektiv
Bei thyreotoxischer Krise: Sofortige entspr. Therapieeinleitung
Ultima Ratio: Thyreoidektomie bei therapieresistenter Hyperthyreose und
kardiologischer Unverzichtbarkeit der Amiodaron-Therapie
Lithium-induzierte Hypothyreose
Häufigkeit: ca. 20% der mit Lithium behandelten Patienten
Pathophysiologie: Lithium-Anreicherung in den Follikelepithelzellen →
Hemmung der Produktion und Freisetzung von L-Thyroxin, der Iodaufnahme
sowie der TSH-Wirkung
Therapie: L-Thyroxin-Substitution, großzügige Indikationsstellung bereits
ab latenter Hypothyreose
Carbamazepin
Hypothyreose, insb. auch Exazerbation L-Thyroxin-Su
Tyrosinkinaseinhibitoren,
vorbestehender Hypothyreosen bestehenden
insb. Imatinib und Sunitinib
NOTIZEN
FEEDBACK
Pathophysiologie
Physiologisch
o Hypothalamus schüttet TRH aus → TSH-Freisetzung
im Hypophysenvorderlappen → Bildung und Sekretion
der Schilddrüsenhormone T und T 3 4
Rückkopplung)
Hypothyreose
o Primäre Hypothyreose: Periphere Störung (Bildungsstörung oder
Sekretionsstörung) → T /T ↓ (fehlende Bildung)
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→ TSH↑ (kompensatorischer Anstieg)
o Sekundäre Hypothyreose: Hypophysäre Störung → TSH↓ → T /T ↓ 3 4
NOTIZEN
FEEDBACK
Symptome/Klinik
Erworbene Hypothyreose [3]
Allgemeinsymptome
o Gesteigerte Ermüdbarkeit, schnelle Erschöpfung, Verlangsamung
o Antriebsarmut, Teilnahmslosigkeit, Depressivität
o Kälteintoleranz
o Gewichtszunahme
o Obstipation
Haut, Haar und Gesicht
o Kühle, trockene Haut
o Brüchiges, trockenes Haar
o Haarausfall
o Hypohidrose
o Hertoghe-Zeichen
Kardiologisch: Bradykardie, ggf. Herzinsuffizienz
Neurologisch: Neuromuskuläre Erregbarkeit↓
o Hyporeflexie und verlangsamte Erholung der Reflexe
o Gut zu prüfen anhand des Achillessehnenreflexes!
Gynäkologisch: Sekundäre Amenorrhö bzw. Zyklusanomalien
Bei Patienten mit depressiven Symptomen sollte zu Beginn der Abklärung stets die
Schilddrüsenfunktion geprüft werden!
Generalisiertes Myxödem
Klinische Charakteristika
o Teigig geschwollene, trockene Haut
o Manifestation insb. an Augenlidern, Händen, Füßen, Lippen
und Zunge
o Ggf. Heiserkeit durch ödematös verdickte Stimmbänder bzw. raue
Stimme, langsame und mühsame Sprache
o Kardiale Beteiligung: Myxödemherz mit
Herzvergrößerung, Bradykardie, ggf. Herzinsuffizienz
o Myxödemkoma: Seltene, aber lebensbedrohliche Komplikation der
schweren Hypothyreose
Differentialdiagnose Myxödem bei Morbus Basedow
o Manifestation insb. prätibial, meist bilateral
[4]
, seltener Akropachie
o Therapie: Verbände mit steroidhaltigen Salben, Glucocorticoid-
Injektionen in die betroffenen Stellen
NOTIZEN
FEEDBACK
Diagnostik
Erworbene Hypothyreose
VOLLBILDTABELLEN-QUIZ
Zentrale Hormone Periphere Horm
Manifeste Hypothyreose
Sekundäre Hypothyreose
fT ist für den Nachweis einer Hypothyreo
3
TSH↓
NOTIZEN
FEEDBACK
Differentialdiagnosen
Low-T -Syndrom (Euthyroid-Sick-Syndrom, Non-Thyroidal-Illness-
3
Syndrom) [5]
Therapie
Erworbene Hypothyreose [6][7]
TSH Stoffwechsellage T
↑ Hypothyreot Erhöhen
✓ Euthyreot Beibehalten
↓ Hyperthyreot Reduzieren
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Komplikationen
Myxödemkoma [8]
Klinik
o Hypothermie und gleichzeitiges Myxödem (Leitsymptome)
o Hypoventilation mit Hyperkapnie
o Hypotonie und Bradykardie
o Hyporeflexie
o Schocksymptomatik
Therapie: Intensivmedizinische supportive Behandlung mit balancierter Zufuhr
von Flüssigkeit, Elektrolyten und ggf. Ernährungstherapie
o L-Thyroxin i.v.
o Glucocorticoide
o Langsame Erwärmung
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
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Kongenitale Hypothyreose
Epidemiologie [9][10]
Formen
Permanente primäre kongenitale Hypothyreose
o Entwicklungsstörung des Schilddrüsengewebes (85% d. Fälle)
Ektopie des Schilddrüsengewebes (mit 70% häufigste
Entwicklungsstörung)
Athyreose
Hypoplasie/Hemiagenesie
o Gendefekte in der Hormonsynthese (15% der Fälle, hier ggf.
Strumabildung möglich)
Transiente primäre kongenitale Hypothyreose
o Häufigste Ursache: Iodmangel während der Schwangerschaft
o Akuter Iodexzess (z.B. Desinfektionsmittel)
o Maternale Schilddrüsen-Autoantikörper
o Maternale Thyreostatikatherapie
Symptomatik
Nach der Geburt: Hypothermie, Apathie, Trinkfaulheit,
verlängerter Neugeborenenikterus, Muskelhypotonie, Obstipation, Nabelhernie
Im weiteren Verlauf: Gedeihstörungen (u.a. Kleinwuchs, verzögerter
Fontanellenschluss, verzögerte Skelettentwicklung), geistige Retardierung,
Hirnschäden, schwere Innenohrhörstörung
Äußere Zeichen: Struppiges Haar, teigige Haut, Makroglossie
Diagnostik
Neugeborenenscreening am 3. Lebenstag: TSH↑
Unverzüglich Bestätigungsdiagnostik bei erhöhten TSH-Werten im Screening
o Serum-TSH, -fT bzw. Gesamt-T
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, ggf. Thyreoglobulin, Schilddrüsen-Autoantikörper
o Schilddrüsen-Sonographie
Bei vorhandener Schilddrüse: Am ehesten transiente Form,
Bestimmung von Schilddrüsen-
Autoantikörpern, Anamnese bzgl. Iodkontamination
DD Hormonsynthesedefekt: Ggf. genetische
Untersuchung
Bei fehlender Schilddrüse: Permanente Form → Bestimmung
von Thyreoglobulin zur Unterscheidung
von Ektopie (Thyreoglobulin↑) vs. Athyreose
(Thyreoglobulin↓)
o Ggf. Schilddrüsenszintigraphie (nur bei unklarem Sonographiebefund
erforderlich)
o Röntgen des Knies: Fehlende Epiphysenfugen als Hinweis auf schwere
intrauterine Hypothyreose beim Termingeborenen
Durch die plazentäre Aufnahme des mütterlichen Schilddrüsenhormons sind die meisten
Kinder bei der Geburt unauffällig. Deshalb hat das Neugeborenenscreening trotz
fehlender Symptomatik eine hohe Relevanz!
der kongenitalen Hypothyreose
o Bei TSH-Anstieg: Lebenslange L-Thyroxin-Substitution
o Bei Z.n. Iodkontamination: Ggf. Auslassversuch bereits nach 3
Monaten möglich
Prävention: Iodsupplementation aller Schwangeren (insb. im 1. Trimenon!) und
stillenden Müttern
Allen Schwangeren soll eine Iodsupplementation angeboten werden!