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DOKTOR - INGENIEUR
vorgelegt von
Oliver Spuhl
Erlangen 2006
Als Dissertation genehmigt von
der Technischen Fakultät der
Universität Erlangen-Nürnberg
Diese Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet
Thermodynamik und Thermische Verfahrenstechnik der TU Berlin sowie am Lehrstuhl für
Thermische Verfahrenstechnik der Friedrich-Aleander-Universität Erlangen-Nürnberg.
Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Wolfgang Arlt. Er hat mich während allen Phasen meiner
Arbeit jederzeit großzügig und zuverlässig unterstützt und gefördert. Nicht zuletzt die von seiner Seite
übertragene Verantwortung und das schier endlose Vertrauen in meine Fähigkeiten war für mich ein
großer Antrieb und hat zum erfolgreichen Gelingen dieser Arbeit beigetragen.
Herrn Prof. Kableac der Universität der Bundeswehr Hamburg danke ich herzlich für die Übernahme
der Berichterstattung, Herrn Prof. König für die Übernahme des Vorsitzes im Promotionsausschuss
und Herrn Prof. Hartmaier für die Teilnahme als fachfremder Prüfer an der Promotionsprüfung.
Der Mannschaft der Firma COSMOlogic und allen voran natürlich Herrn Dr. Andreas Klamt bin ich
für die stete Bereitschaft zu Diskussionen und der schnellen Hilfe bei allen Fragen rund um COSMO-
RS sehr verbunden.
Meine Diplomarbeiter Stefanie Herzog und Matthias Buggert sowie meine studentischen Mitarbeiter
Jörg Warneke, Florian Enzenberger und Alexander Buchele haben einen großen Anteil am Entstehen
dieser Arbeit. Ihrem großen Engagement und ihren herausfordernden Diskussionen verdanke ich
wichtige Impulse.
Ein ganz besonderer Dank gebührt meinen lieben Kolleginnen und Kollegen. Das offene,
freundschaftliche und hilfsbereite Klima sowohl in Berlin als auch in Erlangen ist unübertroffen.
Feelly, Andreas, Marko, Carsten, Tobias, Matthias, Irina, Steffi, Alexander, Katharina, Mitja – der
Spaß and die angenehme Zusammenarbeit wird mir immer in Erinnerung bleiben.
Durch Dr. Joachim Groß habe ich die Freude an den theoretischen Problemen der Thermodynamik
entdeckt. Er hat mich begleitet von den Anfängen als studentische Hilfskraft über die Diplomarbeit bis
hin zur Doktorarbeit. Joachim Du bist ein wertvoller Freund geworden.
Das größte Dankeschön gebührt aber meinen Eltern, die mich auf jedem Schritt meines Lebensweges
begleitet, unterstützt und gefördert haben. Euer unermüdlicher Rückhalt hat mich hierher gebracht –
Danke.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis..................................................................................................................... IV
Symbolverzeichnis ..................................................................................................................VII
Kurzfassung.............................................................................................................................. XI
Abstract ...................................................................................................................................XII
1 Einleitung und Zielsetzung dieser Arbeit........................................................................... 1
1.1 Einleitung ................................................................................................................... 1
1.2 Zielsetzung ................................................................................................................. 2
2 Grundlagen der Thermodynamik und der Quantenchemie ................................................ 4
2.1 Vorbemerkung zu den betrachteten Modellen und Methoden ................................... 4
2.2 Grundlagen der Quantenchemie................................................................................. 6
2.2.1 Ab-initio und semi-empirische Methoden.......................................................... 7
2.2.2 Dichtefunktionaltheorie...................................................................................... 8
2.2.3 Kontinuumsmodelle – Moleküle in Lösung..................................................... 11
2.3 Das COSMO-RS Modell.......................................................................................... 14
2.4 Phasengleichgewichtsbeziehungen .......................................................................... 20
2.4.1 Aktivität und Aktivitätskoeffizient................................................................... 21
2.4.2 Phasengleichgewichtsbeziehung ...................................................................... 21
2.5 Eigenschaften und Phasenverhalten von hyperverzweigten Polymeren .................. 23
2.5.1 Struktureller Aufbau und Eigenschaften hyperverzweigter Polymere............. 23
2.5.2 Phasenverhalten von hyperverzweigten Polymerlösungen .............................. 25
2.5.3 Flüssig – Flüssig – Gleichgewicht ................................................................... 27
2.5.4 Erweiterung des COSMO-RS Modells um einen Term für die Erfassung des
Free-Volume-Effektes ...................................................................................................... 31
2.6 Zustandsgleichungen und Mischungsregeln ............................................................ 33
3 Anwendbarkeit des COSMO-RS Modells zur Vorhersage von thermodynamischen
Stoffdaten in Mischungen ........................................................................................................ 40
3.1 Vorhersage von Dampf-Flüssig und Flüssig-Flüssig Phasengleichgewichten ........ 40
V
Ĥ Hamilton Operator -
h molare Enthalpie J/mol
L Anteil linearer Einheiten -
l binärer Mischungsparameter -
k binärer Mischungsparameter -
M Molmasse g/mol
m Masse kg
n Normalenvektor -
n Stoffmenge mol
P Druck Pa
p Häufigkeitsverteilung
q molekulare Oberfläche m2
q molekulare Oberfläche der Mischung m2
VIII
Griechische Symbole
α Parameter im NRTL Modell -
∆ Abschirmungsenergie J/mol
∆ Differenz -
γ Aktivitätskoeffizient -
δ dispersiver Anteil der Energie J/mol
ε Dielektrizitätskonstante C2 /(J m)
ε Energie J
η reduzierte Segmentzahldichte -
Θ Oberflächenanteil -
λ kombinatorischer Parameter des COSMO-RS-Modells -
Λ de-Broglie Wellenlänge m
κ Zustandsgleichungsparameter -
µ chemisches Potenzial J/mol
Π Pointing - Faktor -
IX
ρ Dichte kg/m3
ρ Elektronendichte e/Å3
σ Ladungsdichte e /Å2
σ Durchmesser m
ϕ Free-Volume Anteil -
ϕ Fugazitätskoeffizient -
ψ Wellenfunktion -
τ Parameter der lokalen zusammensetzung -
ω azentrischer Faktor
Indizes hochgestellt
COSMO-RS COSMO-RS
COSMO COSMO
cav Kavität
disp dispersiv
E Exzess
el eletrisch
fv Free-Volume
hs Harte Kugel
komb kombinatorisch
L flüssige Phase
LV Phasenübergang dampfförmig - flüssig
res residuell
rep repulsiv
sol solvation
ueg homogenes Elektronengas (uniform electron gas)
V Dampfphase
I,II,III Phasenbezeichnungen
∞ unendliche Verdünnung
* ideal
, auf die Masse bezogen
___
partiell molare Größe
0 Standardzustand
0i Reinsstoff
Indizes tiefgestellt
C kritisch
X
R reduziert
Konstanten
e Elementarladung e = 1,602177*10-19 C
R allgemeine Gaskonstante R = 8,3144 J/(mol1 K1)
k Boltzmann-Kkonstante 1,3806505*10-23 J/K
NA Avogadro-Zahl 6,0221415*1023 1/mol
h Plancksches Wirkungsquantum 6,6260693*10-34 Js
π Kreiszahl 3,14159265
Abkürzungen
COSMO Conductor-like Screening Model
COSMO-RS Conductor-like Screening Model for Real Solvents
CSM Kontinuumsolvensmodell
DFT Dichtefunktionaltheorie
LLE Flüssig – Flüssig – Gleichgewicht
MO Molekülorbital
SCRF Self Consistent Reaction Field
TZVP Triple Zeta Valence Polarization
UNIFAC UNIQUAC Functional-group Activity Coefficients
UNIFAC-FV UNIFAC – Free Volume
VLE Dampf – Flüssig – Gleichgewicht
ZGL Zustandsgleichung
Kurzfassung
In dieser Arbeit wurden die vorhandenen Methoden der Verknüpfung von Quantenchemie
und statistischer Thermodynamik als Vorhersagemethode für die Phasengleichgewichts-
thermodynamik betrachtet. Der Schwerpunkt der Arbeit lag auf der Untersuchung und
Weiterentwicklung des COSMO-RS-Modells.
Existent methods which connect quantum chemistry and statistical thermodynamics to predict
phase equilibria were investigated in this work. The main focus of this work laid particularly
on the application and further development of the COSMO-RS model.
Five groups of topics were studied and new solutions were presented:
1. Validation of the COSMO-RS model regarding the relevant components in chemical
engineering and their binary mixtures. The validation showed that predictions of the
binary vapour-liquid-equilibria of 136 systems were in good agreement with the
experimental data.
2. The influence of the different conformers of a molecule on the prediction of the phase
behaviour was investigated. By the example of the 2-butanol/water mixture it was shown
that the conformer with the lowest energy not necessarily gives the best results. In fact it
was essential to include all structures in the calculation that were found in a conformer
search.
3. Highly branched molecules with a large molecular weight show a specific phase
behaviour. An algorithm was developed to treat hyperbranched macromolecules quantum
chemically by cutting the molecules into subunits. Furthermore the COSMO-RS model
was extended by a Free-Volume term following the UNIFAC-Free-Volume model to
account for volume effects. By the example of a polyglycerin macromolecule having 20
hydroxyl-groups and a molecular weight of 1400 g/mol the phase behaviour of the ternary
mixture polyglycerin/ethanol/water could be modelled in good agreement with the
experimental data.
4. The COSMO-RS model was combined with the Peng-Robinson equation of state by
applying the Wong-Sandler mixing rules. The results demonstrated that predictions on the
basis of the atomic structure of the molecules and the critical data can be carried out up to
the supercritical region.
5. The energy concept of the COSMO-RS model was extended by a term including the
change in Gibbs free energy explicitly, when a cavity in a solvent is created. A concept
was developed which makes it possible to use the results of quantum chemical
calculations to derive a hard-sphere-diameter of any molecule. Vapour pressures of
different components of alkanes, alkenes, alcohols, aromatic compounds, ethers, ketones,
and aldehydes were calculated with the extended COSMO-RS model and compared to
experimental data at the normal boiling point. The deviations for alcohols were in the
range of 20%. For the other classes of components those deviations were notably larger.
The calculated vapour pressure sensitively responded to the different conformers of a
component. Thus the vapour pressure would be a sensor which enables the identification
of the relevant conformer of a molecule for calculations of the phase behaviour. Results
for the 2-pentanol, 1-hexanol, and 1-octanol, showed that conformers which deliver a
good description of the vapour pressure not in any case result in a good description of the
phase behaviour. It can be pointed out that all conformers found in a conformer search
should be used. Additionally it is recommended that conformers should be retrieved from
a molecular dynamics calculation which includes the presence of the surrounding media.
1 Einleitung und Zielsetzung dieser Arbeit
1.1 Einleitung
Durch die fortschreitende Entwicklung der Rechentechnik ist es in den letzten Jahren möglich
geworden, physikalische Eigenschaften von komplexen Molekülen mit quantenchemischen
Methoden immer genauer zu beschreiben. Für die thermodynamischen Eigenschaften sind
insbesondere Modelle interessant, die die Wechselwirkungseigenschaften erfassen und
berechnen. Hier gab und gibt es große Fortschritte auf dem Gebiet der Kontinuumsmodelle
für Lösungen. Bei diesen Modellen liegt der Fokus auf dem gelösten Molekül. Das
umgebende Lösungsmittel betrachtet man als Kontinuum. Kontinuumsmodelle liefern vor
allem eine genaue Beschreibung der elektrostatischen Wechselwirkungen, indem die
2
1.2 Zielsetzung
Das Ziel dieser Arbeit ist es, die vorhandenen Methoden der Verknüpfung von
Quantenchemie und statistischer Thermodynamik als Vorhersagemethode für die benötigten
Größen der Phasengleichgewichtsthermodynamik zu untersuchen und zu erweitern. Hierbei
liegt das Hauptaugenmerk auf dem COSMO-RS-Modell [KLAMT, 1995b]. Dieses Modell
verbindet die Ergebnisse quantenchemischer Rechnungen von molekularen Strukturen mit der
statistischen Thermodynamik und ermöglicht aus der atomaren Struktur von Molekülen auf
ihr Wechselwirkungsverhalten in Lösung zu schließen. In verschiedenen Publikationen ist die
Anwendung auf verschiedene Fragestellungen der chemischen Industrie untersucht worden
[DIEDENHOFEN, 2003; ECKERT, 2002; ECKERT, 2003; FRANKE, 2002; JORK, 2005].
In der vorliegenden Arbeit wird das COSMO-RS-Modell auf die Anwendbarkeit hinsichtlich
der Vorausberechnung von Dampf-Flüssig- und Flüssig-Flüssig-Phasengleichgewichten
untersucht. Hierbei wird eine große Anzahl an Komponenten und ihrer binären Mischungen
über einen weiten Temperatur- und Druckbereich betrachtet.
Aufbauend auf diesen Ergebnissen soll überprüft werden, inwieweit das Modell auch für die
Vorhersage von Wechselwirkungen stark verzweigter und mit einer großen Anzahl an
funktionellen Gruppen behafteter molekularer Strukturen, den hyperverzweigten Polymeren,
geeignet ist. Dafür ist zunächst eine Methode zu entwickeln, die es erlaubt, die
quantenchemischen Rechnungen von Polymeren durchzuführen. Eine komplette
quantenchemische Geometrieoptimierung der betrachteten Strukturen ist aufgrund der Größe
der Moleküle gegenwärtig nicht möglich. Weiterhin soll das COSMO-RS-Modell für die
Betrachtung der Polymer/Lösungsmittelsysteme um einen Einflussterm erweitert werden, der
es ermöglicht, die unterschiedliche Dichteänderung von Polymer und Lösungsmittel zu
3
Eine wichtige Einflussgröße bei der Berechnung von physikalischen Stoffeigenschaften aus
der molekularen Struktur stellt die Konformation eines Moleküls dar. In der vorliegenden
Arbeit soll untersucht werden, wie sich die verschiedenen Konformationen einer
Molekülstruktur auf den Aktivitätskoeffizienten in der Mischung auswirken und mit welchen
Methoden dem Anwender diese Konformationen zugänglich sind.
Ein weiterer Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf der Erweiterung des Energiekonzeptes des
COSMO-RS-Modells um einen Term, der die Änderung der freien Enthalpie der Lösung
durch die Bildung einer Kavität im Lösungsmittel explizit enthält. Hierbei wird auf die
Arbeiten von Reiss [REISS, 1965] zurückgegriffen. Mit der von ihm entwickelten Scaled-
Particle-Theorie (SPT) lässt sich die Arbeit ermitteln, die notwendig ist, eine harte Kugel in
ein Fluid harter Kugeln einzufügen. Es wird dargelegt, wie sich aus dieser Arbeit die
Änderung der freien Enthalpie der Lösung darstellen lässt. Mit dem erweiterten
Energiekonzept sollen dann Reinstoffeigenschaften wie der Dampfdruck einer Komponente
abgeleitet werden. Weiterhin soll untersucht werden, ob sich aus den Ergebnissen für die
Reinstoffeigenschaften Regeln ableiten lassen, die zur Auswahl einer geeigneten
Molekülkonformation für die Mehrkomponentenphasengleichgewichte führen.
2 Grundlagen der Thermodynamik und der Quantenchemie
Vorhersage synonym verwendet, wobei ersterer impliziert, dass er sich auf beobachtete bzw.
gemessene Daten stützt und das Ergebnis möglicherweise nur annähernd richtig sein kann.
Eine Vorhersage impliziert in jedem Fall, dass es sich um eine Berechnung bzw. Ableitung
handelt, die sich nicht auf bekannte Daten stützt.
Mit der fortschreitenden Entwicklung der Rechenkapazität ist es in den letzten Jahren
gelungen, das reale Verhalten von Reinstoffdaten und Mischungseigenschaften durch
Molekularsimulationen abzubilden und komplexe Wechselwirkungseffekte zu
berücksichtigen. Eine wichtige Stellung nimmt hierbei die Quantenmechanik ein, die
mögliche Energiezustände von mikroskopischen Systemen liefert. Sie wird in Zukunft zum
Bindeglied zwischen den molekularen Modellen und den beobachtbaren Größen werden und
sowohl in der statistischen wie auch in der phänomenologischen Thermodynamik
Modellparameter liefern. Mit ihr können für Molekularsimulationen notwendige Parameter
für Dipsersion, Kugeldurchmesser, Dipol- oder Quadrupolwechselwirkung sowie die
Positionen der Atomkerne berechnet werden [VRABEC, 2002]. In der phänomenologischen
Thermodynamik bietet die Quantenmechanik die Möglichkeit, Parameter für Modelle wie
UNIQUAC vorherzusagen [SANDLER, 2002; SUM, 1999].
Die Vorhersage von Phasengleichgewichten in Mischungen kann auf mehreren Wegen
erfolgen: Für Systeme bei moderaten Drücken und unterhalb der kritischen Punkte der
beteiligten Reinstoffe haben sich zur Berechnung Aktivitätskoeffizientenmodelle etabliert.
Mit der Entwicklung des UNIFAC Modells [FREDENSLUND, 1975a; FREDENSLUND,
1989] zur Vorhersage des Aktivitätskoeffizienten einer Komponente in einer Mischung ist es
möglich geworden, das reale Verhalten unbekannter Substanzen in der flüssigen Phase
vorherzusagen. Dies gelingt allerdings nur, wenn die Substanz aus den Strukturgruppen der
UNIFAC Matrix [WITTIG, 2003] zusammengesetzt werden kann. Bei hohen Drücken und
bei Überschreiten des kritischen Punktes der Komponenten finden Zustandsgleichungen
Anwendung. Die als thermische Zustandsgleichungen bezeichneten, liefern einen
mathematischen Zusammenhang zwischen dem Druck P, der Temperatur T und dem
bezogenen Volumen v bei vorgegebener Zusammensetzung. Ihre Zahl liegt seit der ersten
Veröffentlichung von van der Waals im Jahre 1873 heute bei mehr als Tausend. Bis es Mitte
der fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts zur Anwendung von leistungsfähigen Fluidtheorien
kam, waren es insbesondere semiempirisch entwickelte, kubische Zustandsgleichungen, die
bei der Modellierung des Phasenverhaltens von Mischungen angewendet wurden [PENG,
1976; SOAVE, 1972]. Insbesondere zur Beschreibung des Verhaltens von assoziierenden
Komponenten und Makromolekülen waren diese Gleichungen nicht ausreichend
6
Unter dem Begriff Quantenchemie fasst man die die Anwendung der Quantenmechanik auf
chemische Probleme zusammen. Im Gegensatz zur klassischen Mechanik, in der Funktionen
beobachtbare Größen abbilden, werden in der Quantenmechanik die beobachtbaren Größen
durch Operatoren repräsentiert. Operatoren sind Anweisungen, eine bestimmte Aktion an
einer Funktion durchzuführen, beispielsweise eine Multiplikation oder eine Differentiation.
Die Quantenmechanik beruht auf einer Reihe von Postulaten, von denen das wichtigste
besagt, dass die vollständige Zustandsinformation in einer Funktion Ψ (r1 , r2 ,..., rn , t ) , der
Wellenfunktion, enthalten ist. Hierbei sind ri die Ortsvektoren der N Teilchen eines Systems
und t die Zeit. Ist die Wellenfunktion Eigenfunktion des Hamiltonoperators, dem Operator für
die Gesamtenergie des Systems, ist der dazugehörige Eigenwert die Energie des Zustandes, in
dem sich das System befindet. Das Quadrat der Wellenfunktion kann als Wahrscheinlichkeit
aufgefasst werden, dass sich Teilchen in einem differentiellen Volumenelement aufhalten.
Das Hauptaugenmerk der Quantenchemie richtet sich auf die Lösung der zeitunabhängigen
Schrödingergleichung und dabei insbesondere auf die Berechnung der Struktur von Atomen
und Molekülen. Die zeitunabhängige Lösung ist insofern ausreichend, da es sich in aller
Regel um stationäre Zustände der beschriebenen Moleküle handelt (z.B. Kernkonfiguration,
Bildungsenergie, Dipolmoment). Bei Vernachlässigung relativistischer Effekte ist die
zeitunabhängige Form der Schrödingergleichung [SCHRÖDINGER, 1926] durch folgenden
Zusammenhang gegeben:
ĤΨ = EΨ 2.1
Neben der Vernachlässigung relativistischer Effekte macht die Vernachlässigung von
Wechselwirkungen, welche mit dem Spin der Teilchen zusammenhängen, die
Schrödingergleichung zu einer Näherung. Vergleicht man Berechnungen, die auf dieser
Näherung beruhen, mit experimentellen Daten, kann sie im Rahmen der Untersuchung von
Molekülstrukturen als genau angenommen werden. Gleichung 2.1 enthält auf der linken Seite
den Hamilton Operator mit zwei Anweisungen:
7
h2 ∂2 ∂2 ∂2
2 2.2
Hˆ = − 2 + 2 + 2 + u ( x, y, z )
2m ∂x ∂y ∂z
Auf der rechten Seite der Gleichung 2.1 steht der zugehörige Eigenwert E der Funktion Ψ . Er
kennzeichnet die Energie des Systems beschrieben durch Ψ . Löst man Gleichung 2.1 unter
Berücksichtigung von 2.2, erhält man als Lösung die Eigenfunktionen Ψi (Quantenzustand
des Systems) und die Eigenwerte Ei (Energieniveaus dieses Zustandes i) des Operators Ĥ .
Es ist nahezu unmöglich eine exakte Formulierung für die Wellenfunktionen zu finden. Kein
Teilchen führt Bewegungen aus, die unabhängig von anderen Teilchen sind. Eine
geringfügige, aber wesentliche Vereinfachung der Schrödingergleichung konnte mit
Anwendung der Born-Oppenheimer Approximation eingeführt werden [BORN, 1927]. Dabei
werden die Bewegungen von Kernen und Elektronen in Molekülen entkoppelt. Dies kann
geschehen, da die Masse eines Atomkerns erheblich größer ist als die der Elektronen. Beim
Wasserstoffproton, dem leichtesten aller Kerne, liegt ein Faktor von 1800 vor; bei einem
Kohlenstoffkern liegt das Verhältnis bei etwa 20000.
Mit guter Näherung können die Bewegungen der Kerne vernachlässigt werden, ihre
kinetische Energie ist Null – sie befinden sich an fixierten Positionen, und nur ihre repulsive
Wechselwirkung trägt zur Energie des Systems als additive Konstante bei. Die Anwendung
der Born-Oppenheimer Approximation führt zur elektronischen Schrödingergleichung. Diese
kann für Systeme mit 2 Teilchen exakt berechnet werden. Für Mehrteilchen- bzw. für
Mehrelektronensysteme müssen Näherungsverfahren angewendet werden, die die
Bestimmung der Wellenfunktion und der Lösung der elektronischen Schrödingergleichung
ermöglichen.
Je nach Tiefe der Näherung unterscheidet man zwischen ab-initio und semiempirischen
Verfahren. Ab-initio Verfahren verwenden zur Lösung der Schrödingergleichung keine
andere Information als die Werte der Fundamentalkonstanten und die Kernladungen der
beteiligten Atome. Semiempirische Verfahren beziehen experimentelle Informationen in die
Lösungsverfahren ein. Ein Beispiel für ein ab-initio Verfahren ist die so genannte Hartree-
8
Fock-Näherung (HF) [SZABO, 1989]. Hier wird die Schrödingergleichung mit Hilfe von
genäherten Wellenfunktionen (Slaterdeterminanten) iterativ gelöst, um die Energie des
Systems zu bestimmen. Näherungsweise lässt sich ein herausgegriffenes Elektron so
behandeln, als würde es sich in einem Feld der positiven Kerne und der negativen
Ladungswolke der übrigen Elektronen bewegen, wobei die Bewegungen der übrigen
Elektronen ohne Einfluss auf die Bewegung des betreffenden Elektrons sind. Die
Mehrelektronenwellenfunktion wird in Einelektronenwellenfunktionen separiert. Die
entstehenden Einelektronenwellenfunktionen werden (Spin-)Orbitale genannt. Die
Molekülorbitale werden als Linearkombinationen der Atomorbitale gebildet. Die einzelnen
linear unabhängigen Funktionen werden als Basissatz bezeichnet. Für eine korrekte
Repräsentation der Molekülorbitale ist eine unendliche Anzahl an Funktionen erforderlich.
Mit einer endlichen Anzahl erreicht man eine näherungsweise Beschreibung der
Wellenfunktion.
In der HF-Näherung wird die Korrelationsbewegung der Elektronen vernachlässigt. Die so
genannten post-HF Modelle besitzen nachgeschaltete Korrekturalgorithmen, die z.B. eine
Linearkombination aus Slaterdeterminaten verwenden [ROOS, 1992] oder die Wellenfunktion
als exponentiell entwickelte Reihe darstellen (Coupled Cluster) [BARTLETT, 1989].
Die Anwendung der HF-Näherung bedeutet noch immer einen großen Rechenaufwand. Mit
den so genannten semiempirischen Methoden, die auf demselben Grundgerüst wie die ab-
initio Methoden basieren, werden Näherungen eingeführt, die den Rechenaufwand erheblich
reduzieren. Die wird zum einen erreicht, indem ausschließlich Valenzelektronen in die
Berechnungen einbezogen werden und für diese dann ein minimaler Basissatz verwendet
wird. Zum anderen besteht ein zentraler Ansatz semiempirischer Verfahren in der
Vernachlässigung differenzieller Überlappungen. Hier wird das Produkt zweier Atomorbitale
zu Null gesetzt, wenn sie verschiedenen Atomen angehören. Die Verfahren unterscheiden sich
in der kompletten oder teilweisen Vernachlässigung der Überlappungen. Verbleibende
Überlappungsintegrale werden aus experimentellen Daten wie Bildungsenthalpien oder
Molekülgeometrien abgeschätzt. Die bekanntesten Vertreter sind MNDO [DEWAR, 1977],
AM1 [DEWAR, 1985] und PM3 [DYMEK, Jr., 1989].
2.2.2 Dichtefunktionaltheorie
Das zweite Hohenberg-Kohn Theorem besagt, dass die Elektronendichte des Grundzustandes
mittels Variationsrechnung exakt berechnet werden kann. Für jede Elektronendichte ρ’(r)
eines n-Elektronensystems in einem externen Potenzial Vext gilt:
E0 ≤ E [ρ ' (r )] = E Ne [ρ ' (r )] + T [ρ ' (r )] + Eee [ρ ' (r )] 2.4
Hierbei sind ENe die elektrostatischen attraktiven Kern – Elektron Wechselwirkungen und Eee
die repulsiven Elektron – Elektron Wechselwirkungen.
1965 stellten Kohn und Sham [KOCH, 2002] einen Weg vor, mit dem eine Annäherung an
das unbekannte universelle Funktional möglich wird. Mit der Erkenntnis, dass die
Beschreibung der kinetischen Energie nicht durch ein explizites Dichtefunktional möglich ist,
10
schlugen Kohn und Sham die Verwendung eines nicht wechselwirkenden Referenzsystems
vor. Die kinetische Energie des realen Systems wird durch die kinetische Energie eines nicht
wechselwirkenden Ein-Teilchensystems TS(ρ), das durch Orbitalfunktionale beschrieben
werden kann, und einen Korrekturterm, der die Unterschiede zwischen der realen kinetischen
Energie T und dem Ein-Teilchensystems TS umfasst, ersetzt.
T [ρ (r )] = TS [ρ (r )] + TC [ρ (r )] 2.5
und Einsetzen von Gl. 2.5 und Gl. 2.6 in das erste Hohenberg-Kohn Theorem (Gl. 2.3) ergibt
sich
E = TS + EV + EJ + E XC 2.8
Der erste Term TS repräsentiert die kinetische Energie der Elektronen, der Zweite EV die
Wechselwirkungsenergie zwischen Elektronen und dem Atomkern. Der dritte Term EJ
berücksichtigt die Wechselwirkungen zwischen den Elektronen, unter der Annahme, dass sie
sich im elektrischen Feld des Atomkerns unabhängig voneinander bewegen. Der vierte Term
EXC stellt einen Korrekturterm dar, weil sich Elektronen im Ladungsfeld des Atomkerns
abhängig voneinander bewegen und abstoßende Effekte der Elektronen untereinander zur
Änderung der kinetischen Energie führen. Der bisher unbekannte Anteil der kinetischen
Energie TS wird mit Hilfe der HF-Theorie berechnet. Für den hier unbekannten Korrekturterm
EXC sind in der Literatur verschiedene Näherungen beschrieben [KOCH, 2002].
Die DFT hat sie sich als Standardmethode zur Berechnung von Molekülgeometrien und
Elektronendichten von Molekülen durchgesetzt. Für weiterführende Informationen zur DFT
und der enthaltenen Näherungen sei auf die Veröffentlichungen von Koch und Holthausen
[KOCH, 2002], Parr und Yang [PARR, 1989], Dreizler und Gross [DREIZLER, 1990]
hingewiesen.
11
Mit den in den Kapiteln 2.3.1 und 2.2.2 vorgestellten Methoden betrachtet man in aller Regel
ein einzelnes Molekül in der Gasphase. Dies ist zwar ausreichend für die Berechnung der
Molekülstruktur, Wechselwirkungen in kondensierten Medien können so aber nicht
beschrieben werden. Hierfür bietet sich das Konzept der impliziten Berücksichtigung von
Molekülen an, die ein gelöstes Molekül umgeben. Diese umgebenden Molekülen werden als
Kontinuum aufgefasst und die Reaktion des gelösten Moleküls auf das umgebende
Kontinuum modelliert. Die fundamentale Größe zur Beschreibung des Lösungsvorganges ist
die Freie Enthalpie des Lösungsvorganges ∆Gsolv. Sie drückt den Unterschied der Freien
Enthalpie eines Moleküls aus, das aus der Gasphase in eine kondensierte Phase übergeht.
Ben-Naim [BEN NAIM, 1987] definiert den Lösungsvorgang wie folgt: Geht ein Molekül bei
konstanter Temperatur und konstantem Druck von einer festen Position aus der Gasphase an
eine feste Position in der fluiden oder flüssigen Phase, so nennt man diesen Vorgang
Solvation. Für theoretische Betrachtungen kann es sinnvoll sein, den Vorgang bei konstantem
Volumen anstatt bei konstantem Druck zu betrachten. Nach Ben-Naim gibt es bezüglich der
Konzentration der gelösten Substanz keine Beschränkungen. Diese kann von unendlicher
Verdünnung bis zur stark konzentrierten Lösung reichen, selbst das Lösen einer Komponente
i in sich selbst wird abgedeckt. Darüber hinaus werden keine Annahmen bezüglich der
Struktur der flüssigen Phase gemacht. Damit unterscheidet sich die Definition des
Lösungsvorganges von der in der Chemie üblichen, die nur den Bereich der stark verdünnten
Lösung abdeckt, da dort von der vollständigen Abschirmung des gelösten Moleküls vom
Lösungsmittel ausgegangen wird.
Die Änderung der freien Enthalpie G setzt sich aus zwei Anteilen zusammen:
1. Einfügen von Teilchen in das System an eine feste Position (Lösungsvorgang nach Ben-
Naim)
2. Aufheben der Beschränkung der festen Position
Das chemische Potential der Komponente i für den Lösungsvorgang kann danach formuliert
werden als:
µ i = µ i* + kT ln ρ i Λ3i (2.9)
h3
Λ3i = (2.10)
(2πmkT ) 2 / 3
Hier ist h das Plancksche Wirkungsquantum. Λ hat die Dimension einer Länge und wird auch
als de-Broglie Wellenlänge oder thermische Wellenlänge bezeichnet.
Diese Definition des Lösungsvorganges und der damit verbundenen Energieänderung des
Systems hat sich in der Thermodynamik von Lösungsvorgängen durchgesetzt [TOMASI,
1994].
Für den oben definierten Prozess kann die Änderung der freien Enthalpie des
Lösungsprozesses ∆G*sol wie folgt definiert werden:
∆G *sol = ∆G *cav + ∆G *rep + ∆G *disp + ∆G *el (2.11)
Dabei haben die einzelnen Terme folgende Bedeutung:
1. ∆G*cav ist die Änderung der freien Enthalpie, die durch das Schaffen eines Hohlraumes
(Kavität) im Lösungsmittel für die gelöste Substanz entsteht.
2. ∆G*rep ist die Änderung der freien Enthalpie aufgrund repulsiver Wechselwirkungen.
3. ∆G*disp ist die Änderung der freien Enthalpie aufgrund von ungerichteten, dispersiven
Wechselwirkungen.
4. ∆G*el ist die Änderung der freien Enthalpie aufgrund von elektrostatischen
Wechselwirkungen.
Kontinuumsolvensmodelle beschreiben den letzten Term ∆G*el explizit. Das Kontinuum ist
ein homogenes, isotropes elektrisches Feld, charakterisiert durch eine einzige skalare Größe,
der Dielektrizitätskonstante ε . Die Grundlagen für diese Klasse von Modellen wurden von
Born [BORN, 1920], Onsager [ONSAGER, 1936] und Kirkwoord [KIRKWOOD, 1939]
gelegt. Die Wechselwirkung eines gelösten Teilchens mit dem Lösungsmittel hängt
signifikant von seiner Ladungsverteilung und Polarisierbarkeit ab. Die Ladungsdichte des
gelösten Teilchens wird in aller Regel mit quantenmechanischen Methoden ermittelt. Das
Kontinuum wird oft auch „Reaktionsfeld“ genannt, da es eine Reaktion auf das gelöste
Teilchen hervorruft. Dieses Reaktionsfeld wird im Hamilton-Operator des gelösten Teilchens
eingebunden und ändert damit die elektronische Struktur. Dies wiederum ändert die
Polarisierung des Lösungsmittels. Die elektronische und geometrische Struktur des gelösten
Teilchens wird durch eine Iteration bis zur Selbstkonsistenz ermittelt (self consistent reaction
field, SCRF). Als Starwerte für die Iteration werden Punktladungen auf der Oberfläche des
13
Moleküls definiert. Das daraus resultierende Potenzial des Moleküls und des Reaktionsfeldes
werden in den Hamiltonoperator eingebunden. Aus der Wellenfunktion werden damit neue
Werte für die Oberflächenladungen bis zur Selbstkonsistenz berechnet.
Alle Kontinuumsmodelle definieren eine Kavität, in der sich das Teilchen befindet. Das
Volumen und Form dieser Kavität ist eine entscheidende Größe. Ist sie zu groß, wird der
Effekt des Kontinuums gedämpft, ist sie zu klein, treten Fehler in der Bestimmung der
Elektronendichte für Atome nahe der Kavitätsgrenze auf. Ist Größe und Form der Kavität
bestimmt, kann das elektrostatische Problem gelöst werden. Relativ einfach ist dies für
sphärische Kavitäten, bei denen man mit der Poisson-Gleichung der klassischen Elektrostatik
das elektrostatische Potenzial mit einer geschlossenen Funktion angeben kann. Die
Polarisationsenergie, die proportional zur Freien Enthalpie ist, erhält man aus dem
Volumenintegral über der Ladungsdichte und dem elektrostatischen Potenzial. Bei den
bekanntesten Kontinuumsmodellen, dem Polarized Continuum Model (PCM) [MIERTUS,
1981] und dem Conductor-like Screening Model (COSMO) [KLAMT, 1993] hat sich ein
Weg etabliert, der eine frei geformte Kavität konstruiert, indem überlappende Sphären um die
Atome des Moleküls gelegt werden, die einen etwa 20% größeren Durchmesser haben als die
van-der-Waals-Radien der entsprechenden Atome. Bei dieser Art von Kavitäten hat sich ein
anderes Vorgehen zur Lösung des elektrostatischen Problems etabliert. Die Poisson-
Gleichung, bzw. die Poisson-Boltzmann-Gleichung im Falle von Elektrolyten, wird nicht im
dreidimensionalen Gitter der Kavität gelöst, sondern das Problem auf die Grenzfläche
Kavität-Kontinuum abgebildet. Aus der Volumenladungsdichte wird eine
Oberflächenladungsdichte. Sowohl das oben angesprochene PCM-Modell, als auch das
COSMO-Modell basieren auf diesem Ansatz. Da das umgebende dielektrische Kontinuum als
unendlich ausgedehnt betrachtet wird, ist für die Wechselwirkung zwischen gelöstem
Teilchen und Kontinuum nur die Ladungsdichte an der Grenzfläche relevant, wiedergegeben
durch die Oberflächenladungsdichte σ(r). Die Genauigkeit der Berechnungen hängt von der
Feinheit der Einteilung der Oberfläche in Segmente ab. Die Ladungsdichte σ(r), am Punkt r
auf der Kontaktoberfläche ist eine Funktion des Normalenvektors n(r) auf der Oberfläche und
der dort herrschenden Feldstärke E(r) sowie der Dielektrizitätskonstante ε des Kontinuums
(dielektrische Randbedingung).
4πεσ (r) = (ε − 1) n(r) E (r) (2.12)
Im COSMO-Modell haben Klamt und Schüürmann das Kontinuum als perfekten Leiter mit
der Dielektrizitätskonstante ε=∞ betrachtet. Jedes Segment der Kontaktoberfläche wird einem
14
Atom explizit zugewiesen. Dem realen Lösungsmittel, bzw. seinem dielektrischen Ersatz,
wird durch Skalierung der Abschirmungsladungen des perfekten elektrischen Leiters
Rechnung getragen. Diese Skalierung beruht auf der von Kirkwood [KIRKWOOD, 1939] für
Dipole abgeleiteten Skalierungsfunktion:
ε −1
f l (ε ) =
1 (2.13)
ε+
2
Der Vorteil des COSMO Ansatzes liegt in der mathematischen Vereinfachung, die eine
direkte Integration des abschirmenden Kontinuums in den Hamilton Operator, bzw. bei DFT
Rechnungen in das Energiefunktional, erlaubt. Damit ist es möglich, die Geometrie und die
Abschirmungsladungen eines Moleküls auf quantenchemisch hohem Niveau zu ermitteln.
Eine COSMO-Rechnung liefert in Anwesenheit des abschirmenden Lösungsmittels die
selbstkonsistente Geometrie einer Molekülstruktur, die dielektrische Abschirmungsenergie ∆ ,
die Ladungsdichten der in Segmente eingeteilten Teilchenoberfläche und die molekulare
Oberfläche A. Die dielektrische Abschirmungsenergie wird berechnet als Differenz des
Energiegehalts des Solvatmoleküs im perfekten elektrischen Leiter und im Vakuum und ist
ein Maß für die elektrostatischen Wechselwirkungen während des Solvatationsvorganges.
Über die Oberfläche lassen sich dispersive Wechselwirkungen beschreiben.
Eine Erweiterung des COSMO-Modells durch Klamt [KLAMT, 1995a] ermöglicht die
Berechnung des chemischen Potenzials einer Komponente zu beliebig vielen anderen
Komponenten, d.h. in Mischungen. In dieser Erweiterung – COSMO-RS (Conductor-like
Screening Model for Real Solvents) werden Moleküle als Ansammlung von paarweise
wechselwirkenden Oberflächensegmenten behandelt. Die Wechselwirkungen der
Oberflächensegmente, die aus den COSMO-Rechnungen stammen, gehen in einem
selbstkonsistenten Ausdruck für das chemische Potenzial ein, der aus der statistischen
Thermodynamik abgeleitet ist, und ermöglichen so z.B. die Berechnung des
Aktivitätskoeffizienten einer Komponente. Zunächst werden alle beteiligten Komponenten
einer Mischung durch die auf ihrer Oberfläche ausgebildeten Abschirmungsladungsdichten,
die sich bei Einbettung in einen idealen Leiter einstellen würden, charakterisiert. Die
Häufigkeitsverteilung p(σ) der auf der Moleküloberfläche vorhandenen Ladungsdichten σ
charakterisiert jede Komponente eindeutig.
Mischungen können dargestellt werden, wenn die Verteilungsfunktion der Ladungsdichten
15
p (σ ) = ∑ xi pi (σ ) (2.14)
i
Das Integral von pi (σ ) über den gesamten σ-Bereich ist die Gesamtoberfläche Ai der
Ausgehend vom Zustand des im idealen Leiter gelösten Moleküls, das als Ensemble von
Oberflächensegmenten vorliegt, kann das chemische Potenzial einer Komponente i abgeleitet
werden. In diesem Zustand hat die Komponente i die Energie des Systems S schon um die
Beiträge des Transportes aus der idealen Gasphase und – teilweisen – Etablierung in der
flüssigen Phase geändert. Diese Beiträge sind ∆G*cav, ∆G*rep und ∆G*disp.
Das chemische Potenzial der Oberflächensegmente einer Komponente wird von Klamt aus
der Zustandssumme des Ensembles von N elektrisch geladenen Oberflächensegmenten
hergeleitet [KLAMT, 1995a].
µ (σ ' ) − aeff e(σ , σ ' )
µ (σ ) = − RT ln ∫ dσ ' p(σ ' ) exp (2.16)
RT
Der Ausdruck µ (σ ) erscheint auf beiden Seiten der Gleichung, weshalb diese iterativ gelöst
werden muss. Mit dem Startwert µ (σ ) ≡ 0 konvergiert sie schnell.
Zusammenfassend kann für das chemische Potenzial einer Komponente i folgende Gleichung
angegeben werden:
µ iS = ∆i − δAi + µ i (σ ) + µ icomb (2.17)
Ein Vergleich mit Gleichung 2.11 zeigt, dass mit dem COSMO-RS Modell zwei Terme der
freien Enthalpie des Lösungsvorganges explizit erfasst sind, zum einen der
oberflächenproportionale Dispersionsanteil und zum anderen der elektrostatische Anteil. Der
in Gleichung 2.17 als µ comb bezeichnete kombinatorische Anteil nach Staverman-Guggenheim
berücksichtigt die verschiedene Größe und Gestalt der Moleküle. Klamt et al. haben für die
Methode Parameter mit konkreter physikalischer Bedeutung durch Anpassung an
experimentell bestimmte Gleichgewichtsdaten bestimmt. Die ausgewählten Stoffe decken
einen großen Bereich der häufigsten funktionellen Gruppen bestehend aus den Elementen H,
16
die Einteilung der Oberfläche der Kavität in Segmente kann jedem Segment eine
Ladungsdichte zugeordnet werden (c,d), die in einer Häufigkeitsverteilung, dem Sigma-Profil,
resultiert.
Die Degeneration eines Ensembles von Segmenten ist 2N/2(N/2)!, d.h. die Degeneration des
Originalensembles ist um den Faktor N größer als die des Ensembles, aus dem zwei Segmente
entfernt wurden.
Die Wahrscheinlichkeit p(0,i) eine Paarung 0,i im Originalensemble zu finden, ist gegeben
18
durch die Boltzmann gewichtete „Misfit-Energie“ von Paar 0,i, der Zustandssumme von
Ensemble ohne 0 und i und der Zunahme der Degeneration vom Startensemble verglichen mit
dem verkleinerten Ensemble:
− 1 / 2a eff α ' (σ 0 + σ i ) 2
p (0, i ) = N ⋅ exp ⋅ Z ⋅ exp µ (σ 0 ) + µ (σ i ) (2.21)
kT kT
Degeneration Misfit Wegnahme von 0 und i
Segment 0 wird nun mit allen N-1 Segmenten gepaart. Die Zustandssumme vom
Ausgangssystem ist die Summe aller N-1 Wahrscheinlichkeiten, Segment 0 in einem Paar 0,i
zu finden:
− 1 / 2a eff α ' (σ 0 + σ i ) 2
⋅ Z ⋅ exp µ (σ 0 ) + µ (σ i )
N −1 N −1
Z = ∑ p(0, i ) = ∑ N ⋅ exp (2.22)
kT kT
i =1 i =1
Das Auflösen dieser Gleichung nach µ(σ) und gleichzeitiges Dividieren durch Z*exp(-
µ(σ0)/kT) sowie Logarithmieren führt zu:
N −1 (1 / 2a eff α ' (σ 0 + σ i ) 2 − µ (σ i ))
µ (σ 0 ) = −kT ln N ⋅ ∑ exp − (2.23)
i =1 kT
Für große N kann die Summe statt bis N-1 bis N ersetzt werden. Statt der Summe wird das
Integral N ∫ p (σ ' )dσ ' geschrieben und weiterhin µ(σ0) durch µ(σ) ersetzt
Durch die Normalisierung hebt sich die Anzahl der Segmente N und damit auch das Quadrat
von N aus Gleichung 2.24 auf.
19
p’(σ’) bezeichnet hier die Wahrscheinlichkeit, den Wert der Ladungsdichte σ’ („’“ ist eine
allgemeine Bezeichnung für das andere ursprünglich als „i“ bezeichnete Segment.) im
normalisierten Ensemble zu finden, ausgedrückt durch „’“ in der Bezeichnung des
normalisierten Sigmaprofils:
p (σ ) p (σ )
p' (σ ) = = (2.27)
AS ∑x A
i
i i
2.4 Phasengleichgewichtsbeziehungen
Ein Reinstoff oder eine Mischung mehrerer Komponenten in einem geschlossen System
befindet sich im Zustand des Gleichgewichts, wenn die innere Energie U des Systems als
Funktion seiner Fundamentalvariablen das Minimum erreicht hat, d.h. wenn es keine
Zustandsänderung gibt, die zu einer weiteren Abnahme der inneren Energie führt. Das System
kann dabei eine homogene Phase bilden oder in mehreren koexistierenden Phasen vorliegen.
Die Gleichgewichtsthermodynamik gibt Auskunft über die Zusammensetzung der
auftretenden Phasen und deren Anzahl bei vorgegebener Temperatur und vorgegeben Druck.
Aus dem Minimum der inneren Energie, bei konstantem Volumen V, konstanter Entropie S
und konstanter Gesamtstoffmenge können Gleichgewichtsbedingungen abgeleitet werden
(z.B. [PRAUSNITZ, 1999]). Danach definiert sich der Zustand des Gleichgewichts über die
Gleichheit der Temperaturen T ϕ , der Drücke P ϕ und der chemischen Potenziale µ ϕ aller
Komponenten i in allen Phasen ϕ .
In einem aus π Phasen und k Komponenten bestehenden System lauten die die Beziehungen
wie folgt:
T I = T II = ... = T ϕ = T π (2.29a)
P I = P II = ... = P ϕ = P π (2.29b)
Daraus ergibt sich das Isofugazitätskriterium (Gl. 2.31), welches den vereinfachten
Ausgangspunkt für die Berechnung von Phasengleichgewichten bildet.
f i I = f i II = ... = f iϕ = f i n (2.31)
Bei Mischungen, die in π Phasen und k Komponenten vorliegen, legt die Gibbssche
Phasenregel die Zahl der vorzugebenden Größen fest:
F = 2 −π + k (2.32)
F Zahl der Freiheitsgrade
21
Der dimensionslose Aktivitätskoeffizient γi wird durch das Verhältnis aus Aktivität ai und
einem beliebigen Konzentrationsmaß, hier dem Molenbruch xi, beschrieben.
ai
γi = (2.34)
xi
Als Bezugszustand für die Mischung realer Flüssigkeiten wird der Zustand des reinen Stoffes
bei Systemtemperatur und Systemdruck verwendet. Unter diesen Bedingungen kann das
chemische Potenzial als Funktion des chemischen Potenzials des reinen realen Stoffes, der
Konzentration und des Aktivitätskoeffizienten dargestellt werden.
µ i = µ 0i (T , P ) + RT ln xi + RT ln γ i (2.35)
2.4.2 Phasengleichgewichtsbeziehung
Ausgangspunkt für die Phasengleichgewichtsberechnung ist das Isofugazitätskriterium (Gl.
2.31). Unter Verwendung des Fugazitätskoeffizienten ϕi, der als Quotient aus der Fugazität fi
und dem Partialdruck Pi der Komponente i definiert ist, wird die Fugazität f iV einer
Komponente i in der Dampfphase wie folgt beschrieben:
f iV = xiV ϕ iV P (2.36)
Für die Beschreibung einer Komponente in der flüssigen Phase wird der Aktivitätskoeffizient
γi sowie die Standardfugazität f0i verwendet, die mit Hilfe des Dampfdruckes P0LV
i , dem
Fugazitätskoeffizienten ϕ 0LVi des reinen Stoffes und dem Pointing-Faktor Π0i ausgedrückt
wird.
f i L = xiLγ i f 0i = xi γ i P0LV (2.37)
LV
i ϕ 0 i Π 0i
Wenn zwei Phasen im Gleichgewicht stehen, von denen die eine dampfförmig (V) und die
andere flüssig (F) ist, lautet die Phasengleichgewichtsbeziehung:
xiV ϕ iV P = xiLγ i P0LV (2.38)
LV
i ϕ 0i Π 0 i
22
Unter der Annahme gleicher Fugazitätskoeffizienten in der Mischung und im reinen Stoff und
einer Entfernung des Systemdrucks vom Dampfdruck von kleiner als 10bar vereinfacht sich
Gl. 2.38 zu
xiV P = xiL γ i P0LV
i (2.39)
Das Phasengleichgewicht eines Systems kann berechnet werden, wenn die
Aktivitätskoeffizienten und die Reinstoffdampfdrücke der beteiligten Komponenten bekannt
sind. Für Gemische, die über ausgeprägte Wechselwirkungen in der Dampfphase verfügen
wie zum Beispiel Systeme mit Säuren, muss der Fugazitätskoeffizient mit einer
Zustandsgleichung berechnet werden.
Stehen zwei flüssige Phasen I und II im Gleichgewicht, folgt aus Gl. 2.31 und Gl. 2.37 für die
Phasengleichgewichtsbeziehung:
xiI γ iI = xiII γ iII (2.40)
23
Dendritische Polymere sind im Gegensatz zu linearen Polymeren stark verzweigte, mehr oder
weniger kugelförmige Makromoleküle, die sich entsprechend ihrer molekularen Struktur in
Dendrimere und hyperverzweigte Polymere unterscheiden lassen. Als Dendrimere werden
monodisperse Polymere bezeichnet, die eine perfekt verzweigte, kugelförmige Struktur mit
einer großen Anzahl funktioneller Gruppen an der Moleküloberfläche aufweisen. Im
Gegensatz dazu weisen hyperverzweigte Polymere in der dreidimensionale Molekülstruktur
Unregelmäßigkeiten auf, die durch den Syntheseprozess bedingt sind (siehe folgendes
Kapitel). Einen umfangreichen Überblick über stark verzweigte Polymere, deren molekularen
Aufbau und ihre Synthese geben Tomalia et al. [TOMALIA, 1990], Hult et al. [HULT, 1999]
und Seiler [SEILER, 2002b].
Für die Modellierung des Phasenverhaltens solcher hyperverzweigten Polymere existieren
gegenwärtig nur wenige Ansätze. Diese beruhen auf Molekularsimulationen [MANSFIELD,
1993] [LESCANEC, 1990; NAYLOR, 1989], wobei hier vor allem die regelmäßigen
Dendrimere untersucht werden, auf Gittermodellen [BAWENDI, 1987; DUDOWICZ, 1990;
FREED, 1989; FREED, 1992; FREED, 1996; JANG, 1999; JANG, 2002b; JANG, 2002a]
und auf Free-Volume Aktivitätskoeffizientenmodellen [KOUSKOUMVEKAKI, 2002;
SEILER, 2004c]. Aufgrund der komplexen dreidimensionalen Molekularstruktur der
hyperverzweigten Moleküle haben die aktuellen Ansätze zur Beschreibung
thermodynamischer Eigenschaften Struktureigenschaften noch nicht die gewünschte Güte und
Vorhersagekraft, insbesondere fehlt bei Molekularsimulationen von komplexen
dreidimensionalen Molekülen die Vorhersage des Phasengleichgewichts, bei Gittermodellen
sind viele experimentelle Daten zur Phasengleichgewichtsberechnung notwendig. In dieser
Arbeit wird der Ansatz verfolgt das COSMO-RS-Modell um einen Free-Volume-Term zu
erweitern und durch diese Kombination den Einfluss der verzweigten Struktur und der
funktionellen Gruppen auf das Phasengleichgewicht zu beschreiben. Damit ist es möglich
direkt aus der molekularen Struktur das Phasenverhalten vorherzusagen.
Zunächst werden in diesem Kapitel die Eigenschaften hyperverzweigter Polymere erläutert
und anschließend der Ansatz zur Modellierung des Phasenverhaltens vorgestellt.
Dendrimere und hyperverzweigte Polymere werden durch Polymerisation aus Monomeren der
Struktur AnB (n ≥ 2) hergestellt. Dabei reagieren ausschließlich die Funktionalitäten A und B
miteinander. Die entstehende, hochverzweigte Polymerstruktur besitzt eine funktionelle
24
A A
Polymerisation A
B A
B
A A
A
A
lineare Einheit (L)
Abb. 2.2 Schematische Darstellung der Herstellung von hyperverzweigten Polymeren aus A2B -
Monomeren und der im Polymer vorliegenden dendritischen, linearen und terminalen Einheiten [HULT,
1999].
Der Verzweigungsgrad (engl.: Degree of Branching DB) sagt aus, wie stark verzweigt das
hyperverzweigte Polymer im Vergleich zu einem ideal verzweigten Dendrimer ist.
2D
DB = (2.41)
2D + L
D stellt den Anteil der dendritischen und L den Anteil der linearen Einheiten am
Polymermolekül dar. Beide Anteile können mittels NMR – Spektroskopie bestimmt werden
[BURGATH, 1998; HOELTER, 1997]. Der Verzweigungsgrad von Dendrimeren beträgt 1,
während lineare Moleküle einen Verzweigungsgrad von 0 besitzen. Hyperverzweigte
Polymere nehmen eine Stellung zwischen diesen beiden Grenzfällen ein.
Das Lösungsverhalten hyperverzweigter Polymere hängt sehr stark von der Art, der Anzahl
und der Orientierung der funktionellen Gruppen ab. Die Löslichkeit kann gezielt durch die
Auswahl der funktionellen Gruppen (z.B. hydrophob oder hydrophil) eingestellt werden.
Dabei ergibt sich die Orientierung der Endgruppen aus den Wechselwirkungen zwischen den
Endgruppen der Polymerketten und den Lösungsmittelmolekülen [SEILER, 2002b].
Insbesondere diese Eigenschaft macht hyperverzweigte Polymere zu interessanten
Zusatzstoffen in der thermischen Trenntechnik. Sie können einem engsiedenden oder
azeotropen Gemisch hinzu gegeben werden, um spezifische Wechselwirkungen mit einer der
Komponenten einzugehen [SEILER, 2002a].
25
k k k
M w = ∑ mi M i ∑ mi = ∑ wi M i Massenmittel (2.43)
i =1 i =1 i =1
0.16
Mn
0.14
Mw
0.12
0.1 Mz
Häufigkeit
0.08
0.06
0.04
0.02
0
0 5000 10000 15000 20000 25000 30000
Molmasse Polymer
U = −1
Mw
M n (2.44)
Aufgrund der strukturellen Eigenschaften der Polymere ergibt sich ein von niedermolekularen
Substanzen abweichendes Verhalten im Phasengleichgewicht. Zunächst wird ein
monodisperses Polymer betrachtet. Da Polymere ein gegenüber dem Lösungsmittel hohes
Molekulargewicht haben, wird in den Phasendiagrammen statt des Molenbruchs der
Massenbruch einer Komponente i aufgetragen. Er ist definiert als:
mi (2.45)
wi =
∑ mi
P P
L
L
LV LV
P1 PLM
LV
LV
P2
LV V
LV
PPolymer
0 w1 1 0 wPolymer 1
(a) (b)
Abb. 2.4: Dampf-Flüssig-Gleichgewicht eines niedermolekularen (a) und eines hochmolekularen Stoffes (b) mit
einem Lösungsmittel im P-w-Diagramm (schematisch)
Die Löslichkeit von Polymeren in Lösungsmitteln wird sowohl durch die chemische Struktur
des Polymers, als auch durch die chemische Struktur des Lösungsmittels bestimmt. Für die
Charakterisierung des Phasenverhaltens von Polymerlösungen müssen folgende drei
Einflussfaktoren betrachtet werden [RASMUSSEN, 1989]:
1. Wechselwirkungen zwischen den Gemischkomponenten:
Hier wird zwischen gerichteten und ungerichteten Wechselwirkungen
unterschieden. Dipolkräfte und Wasserstoffbrückenbindungen sind gerichtete
Wechselwirkungen, die über große Molekülabstände hinweg wirken. Ungerichtete
Wechselwirkungen beruhen auf Dispersionskräften. Diese Kräfte werden auch als
van-der-Waals Kräfte bezeichnet.
2. Molmasse der Polymere:
Kleine Moleküle lösen sich besser als große Moleküle, so dass eine Erhöhung der
Molmasse bei konstantem Polymergehalt und konstanter Temperatur zunächst zur
Entmischung der Lösung in zwei flüssige Phasen führt.
3. Unterschiede in den freien Volumina
Durch eine unterschiedliche, temperaturabhängige Dichteänderung von Polymer
und Lösungsmittel tritt bei hohen Temperaturen (und Drücken) eine Flüssig-
Flüssig Entmischung auf [PRAUSNITZ, 1999]. Allerdings konnte gezeigt werden,
29
dass die Berücksichtigung des Effekts, der auch als Free-Volume Effekt bezeichnet
bezeichnet wird. Bei Dampf-Flüssig-Phasengleichgewichten führt ein
entsprechender Term in der Modellierung zu einer spürbaren Verbesserung in der
Modellierung [IWAI, 1981; KOUSKOUMVEKAKI, 2002; SEILER, 2004c].
Free-Volume Term für die Erfassung der Unterschiede in den freie Volumina
Die bekanntesten Aktivitätskoeffizientenmodelle zur Berücksichtigung des Free-Volume
Effektes sind das von Oishi und Prausnitz [OISHI, 1978] vorgestellte UNIFAC-FV und das
durch Elbro [ELBRO, 1990] vorgeschlagene Entropic-FV Modell. Die Aktivitätskoeffizienten
für die Lösungsmittel in einem Polymer-Lösungsmittel System werden in diesen beiden
Modellen durch Terme beschrieben, die die enthalpischen und entropischen Effekte bei der
Mischung von unterschiedlichen Komponenten berücksichtigen.
Die Beschreibung der enthalpischen Effekte erfolgt durch den residuellen Term des
UNIQUAC Modells [ABRAMS, 1975; KIKIC, 1980]. Die entropischen Effekte werden durch
zwei Terme beschrieben, wobei der kombinatorische Term aus dem ursprünglichen UNIFAC
Modell [FREDENSLUND, 1975a; FREDENSLUND, 1989] übernommen wird. Der zweite
Term zur Beschreibung des „Free-Volume“- Effektes wurde von Oishi und Prausnitz aus der
Flory-Zustandsgleichung abgeleitet.
ln γ i = ln γ ires + ln γ ikomb + ln γ iFV (2.47)
In der Flory-Zustandsgleichung beschreibt der binäre Parameter χ12 die Unterschiede in den
Wechselwirkungen, die im UNIFAC Modell durch den residuellen Term berücksichtigt
werden. Mit χ12 = 0 ergibt sich der gesuchte Beitrag zum Lösungsmittelaktivitäts-
koeffizienten [OISHI, 1978].
v~i1 / 3 − 1 v~ 1
−1
ln γ i
FV
= 3ci ln ~1 / 3 − ci ~ − 11 − ~1 / 3
i
(2.48)
vm − 1 vm vi
Das reduzierte Volumen eines Lösungsmittels v%i wird aus dem spezifischen Volumen vi des
Lösungsmittels und dem van-der-Waals-Volumen vi,vdW des Lösungsmittels bestimmt.
vi
v~m = (2.49)
bvi ,vdW
Das reduzierte Volumen der Mischung ergibt sich unter Verwendung der Massenbrüche zu:
30
∑w v i i
v~m = i
(2.50)
b∑ w v i i ,vdW
i
Das van-der-Waals Volumen einer Komponente i berechnet sich aus einem von Abrams et al.
[ABRAMS, 1975] hergeleiteten Faktor und dem Molekülvolumen ri’.
vi ,vdW = 15,17ri' (2.51)
Das Molekülvolumen ergibt sich im UNIFAC Modell aus der Addition der relativen van-der-
Waals Gruppenvolumina Rk’ multipliziert mit der Häufigkeit der funktionellen Gruppe νk.
Hierbei steht der Index i für die betrachtete Komponente i und der Index k für funktionelle
Gruppen aus denen die Moleküle der Komponente i zusammengesetzt werden.
ri' = ∑ vk Rk' (2.52)
k
Die physikalischen Bedeutungen der Parameter b und c des UNIFAC-FV Modells werden in
der Literatur diskutiert. Der geometrische Faktor b ist von Oishi und Prausnitz [OISHI, 1978]
an experimentelle Daten angepasst worden und zu b =1,28 gesetzt. Tande et al. [TANDE,
2002] verwenden für den b Parameter Werte zwischen 1,28 und 1,66 für die Modellierung
von Polymer - Lösungsmittel Systemen. Sie schlagen vor, den b-Parameter als die Fähigkeit
der Lösungsmittelmoleküle anzusehen, in das Volumen des Polymermoleküls eindringen zu
können.
Der Parameter ci wird von Beret und Prausnitz [BERET, 1975] als die Anzahl der
Freiheitsgrade eines Moleküls beschrieben, die sich durch Rotation, Translation und Vibration
ergeben. Im UNIFAC-FV Modell wird er von Oishi et al. [OISHI, 1978] für verschiedene
Lösungsmittel zu ci =1,1 gesetzt. Zur Abschätzung von physikalisch sinnvollen ci-Parametern
wird von Kontogeorgis et al. [KONTOGEORGIS, 1993] der Quotient aus UNIFAC Volumen
ri und UNIFAC Oberfläche qi des Lösungsmittels vorgeschlagen:
ri
ci = (2.53)
qi
Eine Ausnahme stellt das technisch wichtige Lösungsmittel Wasser dar. Lindvig [LINDVIG,
2002] beschreibt, dass der „Free-Volume“-Effekt in Polymer-Wasser-Systemen klein ist, da
sich Wasser und Polymere bezüglich ihres freien Volumens ähnlich verhalten. Um den
zusätzlichen entropischen Anteil, der sich aus dem „Free-Volume“-Term ergibt, zu
vernachlässigen, wird der ci Parameter für Wasser auch in dieser Arbeit zu cWasser = 0 gesetzt.
31
2.5.4 Erweiterung des COSMO-RS Modells um einen Term für die Erfassung des Free-
Volume-Effektes
∑w v i i
v~m = i
(2.55)
b∑ w v i i ,COSMO
i
Dieses Vorgehen ist möglich, da das COSMO-Volumen der Moleküle dem mit dem
geometrischen Faktor b multiplizierten van-der-Waals-Volumen aus dem UNIFAC-Modell
entspricht.
vCOSMO ≈ bvvdW (2.56)
Die Ergebnisse in Tab. 2.1 zeigen, dass dieser Zusammenhang für die betrachteten Polymere
gültig ist. Für die kleineren Moleküle Ethanol und Wasser stimmt dieser Zusammenhang
näherungsweise. Aufgrund der von Tande et al. [TANDE, 2002] vorgeschlagenen Werte des
b-Parameters, für die dieser Zusammenhang nicht gilt, wird nur das van-der-Waals-Volumen
durch das COSMO-Volumen ersetzt.
1
Das Integral des Sigmaprofils ergibt die Oberfläche des Moleküls.
32
Tab. 2.1: Vergleich der COSMO- Volumina und der van-der-Waals-Volumina mit b = 1,28
Ähnliche Ergebnisse beschreiben Klamt und Eckert [KLAMT, 2000]. Ihre Vergleiche zeigen,
dass mit Ausnahme des Wasserstoffs der COSMO-Radius eines Elements etwa 17% größer
ist als der van-der-Waals-Radius desselben Elements. Dieses Ergebnis stimmt gut mit der
Beobachtung überein, dass die Radien in dielektrischen Kontinuumsolvensmodellen (CSM)
ebenfalls 20% größer sind als die van-der-Waals-Radien [KLAMT, 2000]. Die Unterschiede
ergeben sich daraus, dass van-der-Waals-Radien das Molekül beschreiben, während COSMO
und die Kontinuumsolvensmodelle den Radius einer Hülle im Dielektrikum benutzen. Diese
Differenz im Radius entspricht einem Volumenunterschied von ca. 30%, um den der b-
Parameter im COSMO-RS Modell im Vergleich zu den vorgeschlagenen Werten reduziert
wird [OISHI, 1978; TANDE, 2002].
33
B = ∑∑ xi x j Bij
i j
(2.58)
C = ∑∑∑ xi x j xk Cijk
i j k
folgen muss. Dies gilt für alle zweiparametrigen Zustandsgleichungen der van-der-Waals-
Familie.
Im Allgemeinen haben sich die so genannten van-der-Waals Ein-Fluid-Mischungsregeln
Regeln durchgesetzt:
a = ∑∑ xi x j aij
i j
(2.62)
b = ∑∑ xi x j bij
i j
Um die Kreuzkoeffizienten aij und bij zu erhalten, werden die Reinstoffparameter wie folgt
kombiniert:
aij = aii a jj (1 − k ij )
(2.63a)
bii + b jj
bij = (1 − lij ) (2.63b)
2
Die Parameter kij und lij sind binäre Wechselwirkungsparameter und werden allgemein an
experimentelle Daten binärer VLE angepasst. Der Parameter lij wird üblicherweise zu Null
gesetzt, womit sich Gleichung 2.63b zu
b = ∑ xi bi (2.64)
i
vereinfacht. Der kij-Parameter ist für nahezu ideale Mischungen, wie z.B. Alkanmischungen
nahe Null, wohingegen er bei nichtidealen Mischungen größere Abweichungen von Null zeigt
und sich ebenfalls in Abhängigkeit von der Temperatur ändert. Zeigt eine Mischung ein
35
deutliches Abweichen vom idealen Mischungsverhalten, kann diese mit den van-der-Waals
Ein-Fluid Mischungsregeln nicht mehr beschrieben werden.
Abbildung 2.6 zeigt dieses stark nichtideale Verhalten für das System Aceton-Wasser bei
333.15K, berechnet mit der nach Stryjek und Vera modifizierten Zustandsgleichung
[STRYJEK, 1986a; STRYJEK, 1986b; STRYJEK, 1986c; STRYJEK, 1986d].
1.4
1.2
0.8
P / bar
0.6
0.4
0.2
0
0 0.2 0.4 0.6 0.8 1
x,yAceton
Eine erfolgreiche Änderung der Mischungsregeln konnte erstmals durch Vidal [VIDAL,
1978] und später Huron und Vidal [HURON, 1979] vorgeschlagen werden. Die Beobachtung
zeigt, dass Aktivitätskoeffizientenmodelle eine gute Wiedergabe der Gibbsschen
Exzessenthalpie, also der Nichtidealität des Mischungsverhaltens, liefern. Dies gilt auch für
höhere Dichten, d.h. für hohe Drücke. Eine Grenzbedingung für das Limit für P → ∞ lautet
demzufolge:
g γE (T , P = ∞, x) = g ZGL
E
(T , P = ∞, x) (2.65)
gγE (T , P = ∞, x) und E
g ZGL (T , P = ∞, x) sind die Gibbsschen Exzessenthalpien des
Mit der zusätzlichen Annahme, dass das Exzessvolumen vE bei unendlichem Druck gleich
Null ist, d.h. v E = 0 = b − ∑ xi bi , konnte folgende Mischungsregel abgeleitet werden:
a a
g ∞E = − − ∑ xi ii (2.66)
b i bii
b = ∑ xi bi (2.67)
i
Damit gelang die Berechnung von nichtidealen Systemen wie Aceton-Wasser mit der Peng-
Robinson Zustandsgleichung [PENG, 1976]. Nachteilig wirkt sich die Bedingung des
unendlichen Druckes aus. Die Gibbssche Exzessenthalpie ist eine Funktion des Druckes und
nimmt bei unendlichem Druck einen anderen Wert an als bei niedrigen Drücken. Das ist der
Grund, weshalb es unmöglich ist, Parametertabellen von GE-Modellen, die bei niedrigen
Drücken angepasst worden sind zu verwenden. Da durch die Nebenbedingung des
verschwindenden Exzessvolumens, Gleichung 2.67 angewendet werden muss, kann kein lij-
Parameter herangezogen werden, um die Mischungsgrößen zu korrigieren. Darüber hinaus
wird die quadratische Mischungsgleichung für den zweiten Virialkoeffizienten als
Grenzbedingung für niedrige Dichten nicht erreicht. Diese Grenzbedingung ist zwar zunächst
eher von theoretischem Interesse, weil sie thermodynamische Inkonsistenzen widerspiegelt.
Betrachtet man die Berechnungsgleichung für den Fugazitätskoeffizienten an,
1 RT ∂P
V
RT ∞∫ V ∂ni T ,V ,n
ln ϕ i = − dV − ln z (2.68)
j
so fällt auf, dass die Konzentrationsabhängigkeit des Druckes bei allen Dichten – auch im
Grenzfall – den Fugazitätskoeffizienten beeinflusst. Diese Einschränkungen haben zur
Weiterentwicklung dieser so genannten GE-Mischungsregeln geführt, sowohl am unteren
Limit (P->0) als auch am oberen (P->∞) [HOLDERBAUM, 1991; MICHELSEN, 1990a;
MICHELSEN, 1990b; ORBEY, 1995a; PENELOUX, 1989; WONG, 1992b].
Wong und Sandler [WONG, 1992b; WONG, 1992a] haben eine Mischungsregel entwickelt,
die sowohl bei hohen als auch niedrigen Dichten das gewünschte Verhalten der
Zustandsgleichung ermöglicht und bestehende Parametertabellen von GE-Modellen nutzbar
macht. Sie gehen wie Huron und Vidal ebenfalls von der Gleichheit der Exzessenthalpien bei
unendlichem Druck aus, vermeiden aber deren Inkonsistenzen, indem sie ihre
Mischungsregeln zunächst in der freien Exzessenergie f E
formulieren und mit folgenden
Annahmen die Verknüpfung zur freien Exzessenthalpie gelangen:
Mit
37
g E = f E + Pv E (2.69)
kann man für kleine Drücke erkennen, dass:
g E (T , P1bar , x) ≈ f E (T , P1bar , x) (2.70)
f E (T , P → ∞, x) 1 a a
= − ∑ xi ii . (2.73)
RT RT b i bii
g E (T , P → ∞, x) 1 a a P
= − ∑ xi ii + ∑ x (b − b ) .
i ii (2.74)
RT RT b i bii RT i
sieht man, dass die Annahme des verschwindenden Exzessvolumens im Falle der freien
Exzessenergie nicht getroffen werden muss und demzufolge auch der Freiheitsgrad in
Gleichung .6a erhalten bleibt. Für eine zweiparametrige kubische Zustandsgleichung ergibt
sich aus der Grenzbedingung für den zweiten Virialkoeffizienten (siehe Gleichung 2.61):
a a
b− = ∑ ∑ xi x j b − (2.75)
RT i j RT ij
a 1 aii a jj
b − = bii −
RT ij 2
+ b jj − 1 − kij
RT
( ) (2.76)
RT
GγE a a
= − ∑ xi i (2.77)
CRT bRT i bi RT
38
a 1 ai a j
b − = (bi + bi ) − (1 − kij ) (2.78)
RT ij 2 RT
Zur Berechnung der Gibbsschen Exzessenthalpie verwenden sie das von Huron und Vidal
[HURON, 1979] modifizierte NRTL-Model:
∑ x j G jiτ ji
GγE j
= ∑ xi
RT i ∑ xk Gki
k (2.79)
und
G ji = b j exp(−ατ ji )
Der Unterschied zum ursprünglichen NRTL-Modell liegt in der Definition der lokalen
Zusammensetzung, welche zu der Einführung des Volumenparameters bj in der Berechnung
von Gij führt. bj ist der Volumenparameter der reinen Komponente j aus der verwendeten
kubischen Zustandsgleichung. Orbey und Sandler fanden, dass das Phasengleichgewicht mit
folgenden Annahmen und der Kenntnis des Aktivitätskoeffizienten bei unendlicher
Verdünnung vorhergesagt werden kann:
− der Parameter α wird mit einem konstanten Wert vorgegeben
− der binäre Wechselwirkungsparameter kij sei Null.
Damit ergibt sich folgende Bestimmungsgleichung für den Parameter der lokalen
Zusammensetzung τij:
b1
τ 21 = ln γ 12∞ − τ 12 exp(−ατ 12 ) (2.80)
b2
α (T ) = [1 + κ (1 − Tr0.5 )]
2
(2.83b)
TC ist die kritische Temperatur, PC der kritische Druck, ω der azentrische Faktor, κ1 ein
stoffspezifische Konstante und TR die reduzierte Temperatur.
die Ermittlung der Mischungsparameter a und b nach Gleichungen Gl. 2.78 - 2.80
Hier wird der Wert des α-Parameters des modifizierten NRTL-Modells vorgegeben –
für die Breite der hier untersuchten Werte hat sich heraus gestellt, dass α =0.45 die
experimentellen Daten am besten wiedergibt. Der binäre Wechselwirkungsparameter
kij wird bei diesem Vorgehen zu Null gesetzt (kij =0)
3 Anwendbarkeit des COSMO-RS Modells zur Vorhersage von
thermodynamischen Stoffdaten in Mischungen
Wie in Kapitel 2.1 erläutert, existiert gegenwärtig eine große Anzahl an thermodynamischen
Modellen, die Interpolation und Extrapolation von experimentellen
Phasengleichgewichtsdaten erlauben und dem Prozessingenieur eine sichere Auslegung von
Verfahren ermöglichen und es gestatten, Abschätzungen im Vorfeld vorzunehmen. Sind keine
experimentellen Daten bekannt oder handelt es sich um Screening-Versuche im Vorfeld einer
Auslegung, bietet das COSMO-RS Modell eine geeignete Methode, um beispielsweise den
Einfluss von Zusatzstoffen auf das Phasengleichgewicht und die Trennoperation
vorherzusagen.
Das folgende Kapitel gibt einen Überblick über die Möglichkeiten der Vorhersage von
Dampf-Flüssig-Phasengleichgewichten und deren Genauigkeit.
In die Untersuchung der Einsetzbarkeit wurde ein breites Spektrum an Gemischen von
Komponenten betrachtet, die vor allem in der chemischen Verfahrenstechnik von Interesse
sind und einen Vergleich mit herkömmlichen Methoden zulassen. Das Hauptaugenmerk liegt
auf Mischungen der folgenden Stoffe:
• Alkane
• Alkene
• cyklische Alkane
• Alkohole
• Aromaten
• Ketone
• Ether
Thermodynamische Konsistenztests wurden für alle experimentellen Daten durchgeführt. Die
Methoden von Redlich und Kister [REDLICH, 1948] und Herrington [HERRINGTON, 1947]
sind dafür eingesetzt worden. Systeme, die diesen Konsistenztest nicht bestehen, sind nicht in
die Untersuchungen einbezogen. Die Reinstoffe sind nach Vorgabe einer Startstruktur mit der
Software HyperChem unter Anwendung der COSMO-Randbedingung mit der DFT-Methode
in der Software TURBOMOLE geometrieoptimiert (siehe auch Kapitel 3.1.2) worden.
Obwohl es möglich ist, mit dem COSMO-RS-Modell Dampfdrücke vorherzusagen, ist dieses
Vorgehen momentan noch zu ungenau und Gegenstandstand der Forschung (siehe Kapitel 1).
Da bei der Bewertung der Genauigkeit des COSMO-RS-Modells vor allem untersucht werden
soll, wie die Realität der flüssigen Phase beschrieben wird, werden für die Dampfdrücke der
reinen Komponenten sowohl experimentelle Daten als auch Korrelationen verwendet.
Experimentelle Daten werden immer dann verwendet, wenn sie durch die experimentellen
Daten vorgegeben sind und Korrelationen, falls keine experimentellen Daten vorliegen.
Tabelle 7.1 im Anhang 7.1 gibt einen Überblick über die verwendeten Systeme; die letzte
Spalte gibt Auskunft über das Vorhandensein von experimentellen Dampfdrücken.
Die Abweichung zwischen experimentellen und berechneten Drücken in Abhängigkeit von
Temperatur und Zusammensetzung, sowie die Abweichung zwischen experimentellem und
berechnetem K-Faktor wurde eingesetzt, um die Genauigkeit von COSMO-RS zu evaluieren.
Die Abweichungen sind dabei wie folgt gegeben:
P exp − P ber
ABW P [%] = ⋅100 (3.1)
P exp
42
K1exp − K1ber
ABW [%] =
K
⋅100 (3.2)
K1exp
Alle in dieser Arbeit betrachteten Molekülstrukturen sind ausgehend von Startgeometrie unter
Nutzung der DFT Methode vollständig optimiert. Für das Erstellen der Startgeometrie wurde
die Molekülmodellierungssoftware HyperChem® Version 7 der Firma Hypercube Inc.
verwendet. Diese Software ermöglicht anhand einer zweidimensionalen Skizzenvorlage die
dreidimensionale Anordnung der Atome eines Moleküls mit Standardvorgaben für die
entsprechenden Atome von Bindungslänge, Bindungswinkel und Drehwinkel. So entsteht
zunächst eine angenäherte Geometrie, die mittels Geometrieoptimierung verfeinert wird. Für
die Geometrieoptimierung der angenäherten Struktur wurde in dieser Arbeit die
semiempirische Methode PM3 angewendet [STEWART, 1989a; STEWART, 1989b;
STEWART, 1991], die innerhalb von HyperChem arbeitet. Abb. 3.1 verdeutlicht dieses
Vorgehen.
Abb. 3.1 Erstellung von Molekülgeometrien mit HyperChem – links: zweidimensionale Skizzenvorlage, rechts:
PM3 optimierte dreidimensionale Struktur
43
Das Ergebnis der Molekülmodellierung mit HyperChem ist eine Koordinatentabelle, die die
Raumkoordinaten des betrachteten Moleküls enthält. Sie bilden die Grundlage für die
anschließende Geometrieoptimierung mit DFT. Die DFT Rechnungen wurden unter Nutzung
des Programmpakets TURBOMOLE [AHLRICHS, 1989] durchgeführt. Hierbei wurde die
die Coulomb-Wechselwirkungen berücksichtigende RI-DFT Variante [EICHKORN, 1995a;
EICHKORN, 1995b] verwendet. Eine Kombination des Austauschfunktionals von Becke
[BECKE, 1988] und dem Korrelationsfunktional nach Perdew [PERDEW, 1986],
üblicherweise als B-P Funktional bezeichnet, sind in allen Rechnungen zugrunde gelegt. Um
die Geometrien auf einem quantenmechanisch hohen Niveau zu optimieren, kam das Triple-
Zeta-Valence Potenzial (TZVP) [EICHKORN, 1997; SCHAFER, 1994] zum Einsatz. Die
Randbedingung des idealen Leiters wurde in der in TURBOMOLE implementierten Variante
von COSMO berücksichtigt [SCHAFER, 2000]. Damit werden simultan die
Abschirmungsladungen auf der Oberfläche des Moleküls zum Kontinuum, dem idealen
Leiter, berechnet.
Tabelle 3.1 Vergleich der Abweichungen von Vorhersagen von Dampf-Flüssig-Phasengleichgewichten mit
COSMO-RS zu experimentellen Daten
Mittl. Mittl.
Abweichung K Abweichung P
System Anzahl der System [%] [%] Anzahl Datenpunkte
Nicht assoziierend
Alkane-Alkane 6 1.70 1.20 77
Alkane-Alkene 4 1.22 1.16 48
Alkane-Aromaten 11 3.16 4.52 342
Cycloalkane-Alkane 3 0.95 0.90 41
Cycloalkane-Aromaten 3 3.04 3.39 97
Alkane-Ketone 3 3.64 6.74 77
Alkane-Ether 2 0.50 3.99 81
Alkan-Aldehyde 3 4.14 4.02 78
Cycloalkane-Ether 2 1.53 0.91 94
Cycloalkane-Ketone 4 3.26 5.69 98
Cycloalkane-Aldehyde 1 6.58 4.33 17
Ketone- Aromaten 6 2.70 3.35 310
Ketone-Ether 1 4.19 5.21 30
Alkene-Ether 1 0.61 0.78 23
Aldehyde-Aromaten 1 0.72 0.86 12
Ketone-Aldehyde 1 1.21 0.51 14
Cycloalkane-Alkene 1 0.31 1.13 12
selbst- assoziierend
Alkane-Alkohole 29 4.14 7.39 1005
Cycloalkane-Alkohole 5 4.42 5.22 123
Alkohole- Aromaten 14 2.87 5.87 414
Alkohole-Ether 12 8.98 9.25 608
kreuz- assoziierend
Alkohole-Ketone 6 6.46 8.74 188
Alkohole-Alkohole 17 2.25 2.25 368
10
9 K-Faktor
8 Druck
7
Abweichung [%]
0
n
yd
at
n
at
at
l
er
on
ol
n
at
l
n
ho
ka
ke
ho
to
ka
to
om
oh
m
th
om
et
ko
Ke
Al
Al
ko
Ke
de
ro
ro
Al
-E
lk
l-K
Ar
n-
n-
Ar
Al
A
Al
n-
l-A
Al
n-
l-A
n-
ho
n-
n-
ho
ka
ka
n-
n-
ka
n-
n-
lka
lka
ho
ho
ka
ko
to
ka
ko
Al
Al
lka
ka
lka
Al
a
ko
Ke
a
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Al
Al
Al
Al
lo
Al
a
lo
Al
Al
lo
yc
lo
yc
yc
yc
C
C
C
15
n-Pentan
n-Hexan
Abweichung im Druck [%]
n-Heptan
10
n-Octan
n-Decan
0
Benzol Toluol p-Xylol Ethylbenzol
Abb. 3.3 Abweichungen im Druck für Mischungen aus n-Alkanen und Aromaten
Benzol
n-Heptan
2.5
COSMO-RS
γ 1,2
1.5
1
0 0.2 0.4 0.6 0.8 1
xBe nzol
Abb. 3.4 Aktivitätskoeffizienten im System Benzol/n-Heptan bei 313,15 K (exp. Daten Ref. 40, Tab. 7.1,)
In der Klasse der Keton-Aromaten Mischungen weisen die Ketone eine polare Region
innerhalb des Moleküls auf. Abb. 3.5 zeigt die Ergebnisse der Untersuchung für vier
verschiedene Ketone und drei Aromaten. In Mischung mit Toluol wächst die Abweichung,
wenn der Alkylrest des Ketons steigt. Am Beispiel des Methylethylketons lässt sich erkennen,
dass die Abweichungen für verschiedene Aromaten im Bereich von 5% liegen. Die
Aktivitätskoeffizienten bei endlicher Verdünnung werden von COSMO-RS innerhalb einer
48
6
Aceton
2-Butanon
5
2-pentanone
Abweichung im Druck [%]
4-Methyl-2-Pentanon
4
0
Benzol Toluol Ethylbenzol
Abb. 3.5 Abweichungen im Druck für Mischungen von Ketonen mit Aromaten
Selbst-assoziierende Mischungen
Alkohole in Mischung mit Alkanen zeigen ein stark nichtideales Verhalten. Die mittlere
Abweichung über alle betrachteten Systeme liegt bei 7,4% im Druck. Abb. 3.6 zeigt die
Ergebnisse für die verschiedenen Systeme. Die Unsicherheit in der Vorhersage des
Phasenverhaltens kann nicht generalisiert werden im Hinblick auf steigende oder fallende
Kettenlänge weder des Alkohols noch der Alkane. Einen besseren Einblick in das
Vorhersageverhalten von COSMO-RS bietet der Blick auf die Aktivitätskoeffizienten bei
unendlicher Verdünnung. Abb. 3.7 zeigt experimentelle und vorhergesagte Werte für fünf n-
Alkane in drei verschiedenen Alkoholen. Die Vorhersagen liegen durchgängig unterhalb der
experimentellen Werte. Der mittlere Fehler liegt bei 23%. Dieses Verhalten konnte in allen
49
20
18 Isobutan
n-Pentan
16
n-Hexan
14
n-Heptan
12 n-Oktan
∆P / %
10 2,2,4-Trimethylpentan
8
6
4
2
0
l
ol
ol
l
H ol
l
ol
ol
ol
ol
l
no
no
no
no
no
no
no
an
an
an
an
an
an
an
ha
ha
ta
ta
ta
pa
ta
ut
ex
nt
nt
nt
ut
op
u
Bu
Bu
Bu
et
Et
ro
ob
-b
-b
Pe
Pe
Pe
Pr
M
op
n-
2-
rt-
n-
l-1
l-1
Is
n-
2-
3-
n-
te
Is
hy
hy
et
et
M
M
2-
3-
Abb. 3.6 Abweichungen im Druck für Mischungen von Alkoholen mit Alkanen
50
20
Ethanol 322.15 K
16 1-Octanol 298.15 K
1-Butanol 293.15 K
γ ∞ Alkan 12
∞
0
n-Pentan n-Hexan n-Heptan n-Octan n-Nonan
gelöster Stoff
Abb. 3.7 Aktivitätskoeffizienten bei unendlicher Verdünnung von Alkoholen in Alkanen; ausgefüllte Symbole:
experimentelle Daten (DECHEMA Chemistry Data Series Vol. 9, Activity Coefficients at infinite dilution, D.
Tiegs et al., Frankfurt a. Main, 1986), offene Symbole: Vorhersagen mit COSMO-RS
40
35
30
25
γ ∞ Ethanol
20
∞
15
10
Ethanol (exp. Daten)
5 COSMO-RS
0
n-Hexan n-Heptan n-Nonan n-Decan
(333.95K) (333.15K) (333.85K) (338.65K)
Lösungsmittel
Abb. 3.8 Aktivitätskoeffizienten von Ethanol bei unendlicher Verdünnung in verschiedenen Alkanen; ausgefüllte
Symbole: experimentelle Daten (DECHEMA Chemistry Data Series Vol. 9, Activity Coefficients at infinite
dilution, D. Tiegs et al., Frankfurt a. Main, 1986), offene Symbole COSMO-RS
wird, ist der der Aromaten zu klein vorhergesagt. Die Genauigkeit der
Phasengleichgewichtsberechnungen ergibt sich hier zu einer Abweichung von 3% im Druck
und beinhaltet bei allen Systemen das Erfassen des azeotropen Verhaltens sowie die Lage des
azeotropen Punktes. In Alkohol/Ether Systemen zeigt sich ein anderes Bild der Qualität der
Vorhersagen. Abb. 3.9 zeigt die Abweichungen im Druck bei der Berechnung aufgetragen
über den Etherverbindungen, wobei die Anzahl der C-Atome innerhalb der Etherverbindung
ansteigt. Di-Isopropylether und Methyl-tertbytylether (MTBE) sind Ether mit verzweigten
Ketten; alle anderen untersuchten Ether weisen eine lineare Struktur auf.
25
Methanol
Ethanol
20
n-Propanol
15 Isopropanol
∆ P [%]
2-Propanol
10 tert-Butanol
0
Diethyl- Methyl-n- n-butyl- Di-n-propyl- Di-n-butyl- Diisopropyl- MTBE (C5)
ether (C4) butyl-ether ethyl-ether ether (C6) ether (C8) ether (C6)
(C5) (C6)
Die Abweichungen zwischen Experiment und Voraussage sinken mit steigender Kettenlänge
der linearen Ether. Die Aktivitätskoeffizienten bei unendlicher Verdünnung zeigen, dass
COSMO-RS im Vergleich zu den experimentellen Daten durchgängig zu niedrige Werte
sowohl für den Alkohol als auch für die Etherverbindungen vorhersagt.
Kreuz-assoziierende Mischungen
Wie bereits erwähnt, sagt COSMO-RS das Dampf-Flüssig Verhalten in Alkohol/Alkohol
Mischungen mit einem mittleren Fehler von 2% voraus. Abb. 3.10 gibt einen detaillierten
Überblick über die untersuchten Systeme. Im Allgemeinen streut die Abweichung bei der
Berechnung des Druckes um 3%. Es ist kein Trend in Abhängigkeit von der unterschiedlichen
Gestalt und Größe der Moleküle beobachtbar. Das Wechselwirkungsverhalten wird im
52
Rahmen der experimentellen Unsicherheit wiedergegeben und es kann gefolgert werden, dass
für diese Klasse von Mischungen zusammen mit dem bekannten Dampfdruck der Reinstoffe
COSMO-RS ein akkurates Phasenverhalten vorhersagt.
7 Ethanol 2-Propanol
2-Butanol tert-Butanol
6 2-Methyl-1-Propanol 3-Methyl-1-Butanol
5
∆P /%
0
l n ol l l l ol
a no a pa
no tan
o
tan
o
tan ta n ol
e th Et h Pr o - Bu - Bu u
-Bu
M n- n 2 te rt- B l - 1
et hy
3-M
Aceton
Methanol
COSMO-RS
γ Aceton, Methanol
1.5
1
0 0.2 0.4 0.6 0.8 1
x Ace ton
Abb. 3.11 Aktivitätskoeffizienten im System Aceton-Methanol bei 308,15K(Exp. Daten Ref. 25, Tab. 7.1)
Wie in Kapitel 2.4 erläutert, trägt bei der Berechnung von Flüssig-Flüssig
Phasengleichgewichten und der Verwendung eines Aktivitätskoeffizientenmodells der
Aktivitätskoeffizient die gesamte thermodynamische Information. Eine genaue Beschreibung
der Gibbsschen Exzessenthalpie bzw. des chemischen Potenzials der Komponenten in der
Mischung ist damit Grundvoraussetzung für das erfolgreiche Modellieren des Auftretens
zweier flüssiger Phasen. Am Beispiel der gut untersuchten 1-Octanol-Wasser Mischungslücke
[ABABI, 1960; BUTLER, 1933; MAASSEN, 1996; SOMASUNDARA, 1961;
ZHURAVLEVA, 1977] soll die Vorhersagekraft des COSMO-RS Modells hier aufgezeigt
werden. Für das Molekül des 1-Octanols wurden 14 Konformationen berücksichtigt. Abb.
3.12 zeigt das Ergebnis der Vorhersage des Phasengleichgewichtes berechnet mit COSMO-
RS. Es ist zu erkennen, dass bei niedrigen Temperaturen die experimentellen bis auf die
Werte von Zhuravleva et al. [ZHURAVLEVA, 1977] gut wiedergegeben werden. Die
Verengung der Mischungslücke bei höheren Temperaturen wird von COSMO-RS nicht so
wiedergegeben, wie es die experimentellen Daten darstellen.
54
310
270
0 0.2 0.4 0.6 0.8 1
x Wasse r
COSMO-RS Konformerenraum
COSMO-RS Einzelkonformere
310
270
0 0.2 0.4 0.6 0.8 1
x W a sser
Zusammenfassende Betrachtungen
Die Validierung von 136 Systemen hat gezeigt, dass COSMO-RS experimentelle Daten von
Dampf-Flüssig-Phasengleichgewichtsdaten unterschiedlicher Stoffklassen in guter
Übereinstimmung vorhersagen kann, wenn der Dampfdruck der Reinstoffe bekannt ist und
das Modell als Aktivitätskoeffizientenmodell verwendet wird. Die Abweichungen zwischen
den Vorhersagen und den gemessenen Daten liegen im Vergleich zu den experimentellen
Daten für viele Systeme bei 5%. Mischungen nicht-assoziierender Komponenten werden
nahezu exakt beschrieben. Mischungen, die ein spezifischeres Wechselwirkungsverhalten
aufweisen, können nicht mit der gleichen Genauigkeit vorhergesagt werden, jedoch wird das
nichtideale Verhalten gut reproduziert; auftretende azeotrope Punkte oder heteroazeotropes
Verhalten werden erfasst.
Die Vorhersage von Flüssig-Flüssig-Phasengleichgewichten zeigt, dass es möglich ist, auf
Basis der Molekülstruktur mit COSMO-RS eine Entmischung zu modellieren. Die Güte der
Vorhersage hängt stark von der verwendeten Konformation des Moleküls ab. Aufgrund der
modellbedingten Unsicherheiten bei der Vorhersage der Aktivitätskoeffizienten der
Komponenten in der Mischung, ist eine exakte Wiedergabe der experimentellen Daten nicht
möglich.
4 Erweiterung des COSMO-RS Modells zur Vorhersage von
Reinstoffeigenschaften und der Identifizierung von relevanten
Strukturkonformationen
In Kapitel 2.3 wird gezeigt, dass im gegenwärtigen Energiekonzept von COSMO-RS die
Änderung der freien Enthalpie der Lösung durch die Bildung einer Kavität im Lösungsmittel
nicht explizit enthalten ist. Größeneffekte, bzw. entropische Effekte werden durch einen
kombinatorischen Anteil im chemischen Potential modelliert, bei dem der Staverman-
Guggenheim-Term Verwendung findet [KLAMT, 2000]. Im Folgenden wird vorgestellt, wie
dieser kombinatorische Anteil durch ein Fluidmodell für harte Kugeln ersetzt wird. Dieser
Anteil wird in der vorliegenden Arbeit mit der Scaled-Particle-Theorie (SPT) [REISS, 1965]
berechnet. Die dieser Theorie zugrunde liegenden Annahmen, beruhen auf der Ermittlung der
notwendigen Arbeit des Einfügens einer harten Kugel in ein Fluid harter Kugeln. Es wird
zunächst kurz erläutert, wie die SPT genutzt werden kann, um die Terme ∆G*cav und ∆G*rep
zu beschreiben.
Die Scaled-Particle-Theorie für Harte Kugeln [PIEROTTI, 1976; REISS, 1959; REISS, 1971;
REISS, 1965; TULLY-SMITH, 1970] wird angewendet, um einen Ausdruck für die Terme
∆G*cav und ∆G*rep in das COSMO-RS-Modell zu implementieren. Mit diesen Änderungen
werden Dampfdrücke bei der Normalsiedetemperatur verschiedener Substanzen vorhergesagt.
Zusätzlich werden die Vorhersagen über den Reinstoff genutzt, die relevanten
Konformationen für Phasengleichgewichtsberechnungen in Mehrstoffsystemen zu
identifizieren.
In einer Reihe von Artikeln haben Reiss, Frisch, Lebowitz und Tully-Smith eine Fluid-
Theorie [HARRIS, 1971; LEBOWITZ, 1965; REISS, 1959; REISS, 1961; REISS, 1971;
REISS, 1960; REISS, 1965] entwickelt, die auf den Eigenschaften einer exakten radialen
Verteilungsfunktion beruht. Diese Theorie führt zu einem Näherungsausdruck für die
reversible Arbeit, die notwendig ist, um ein sphärisches Teilchen in ein Fluid aus sphärischen
Teilchen einzubringen. Es wird dort ein System aus N Teilchen mit paarweise
wechselwirkendem Potential betrachtet, in das ein Teilchen mit demselben Potential eingefügt
wird.
57
Der Grundgedanke der SPT liegt darin, dass Arbeit erforderlich ist, um Mittelpunkte von
Molekülen von einem spezifizierten Bereich im Fluid auszuschließen. Es sei angenommen,
das betrachtete Fluid bestehe aus N sphärischen, symmetrischen Molekülen mit einem
Durchmesser σ1 und einem Harte-Kugel-Potential. Weiterhin wird angenommen, dass die
Mittelpunkte aller N Moleküle von einem sphärischen Bereich des Durchmessers r im
Volumen V ausgeschlossen seien. Dieser Bereich stellt die zu betrachtende Kavität dar. Die
Wahrscheinlichkeit, dass die Kavität existiert, wird mit p0(r,ρ) bezeichnet, wobei ρ die
Anzahldichte des Fluids (N/V) ist. Die Kavität wird durch statistische Schwankungen gebildet
und kann durch die Wahrscheinlichkeit des Auftretens solcher Schwankungen durch einen
Boltzmann-Term ausgedrückt werden:
p 0 (r , ρ ) = exp(−W (r , ρ ) / kT ) (4.1)
In diesem Ausdruck (Gl. 4.1) ist W(r,ρ) die reversible Arbeit, die notwendig ist, eine Kavität
vom Radius r im Fluid zu etablieren. Das chemische Potential der in das Fluid eingebrachten
sphärischen Teilchen ist gegeben durch:
µ
= − ln( p 0 (r , ρ )) (4.2)
kT
Mit der SPT wird p0(r,ρ) auf der Grundlage der statistischen Mechanik und geometrischen
Überlegungen bestimmt. Der Grundgedanke zielt darauf ab, mit einer Kavität vom
Durchmesser r=0 zu starten und auf den Radius r=rKavität zu skalieren.
Zur Berechnung von W(r,ρ) ist es instruktiv, die Wahrscheinlichkeit zu betrachten, mit der
man den Mittelpunkt eines Moleküls innerhalb einer „Fluid-Schale“ zwischen r und r+dr
findet. Diese Wahrscheinlichkeit ist durch 4πr²ρG(r,ρ)dr gegeben. Die Wahrscheinlichkeit,
keinen Molekülmittelpunkt in dieser Schale anzutreffen, ist durch 1-4πr²ρG(r,ρ)dr gegeben.
Die Größe G(r,ρ) kennzeichnet den Wert der radialen Verteilungsfunktion des Fluids am
Kontaktpunkt von Kavität und Molekül. Vergleicht man die Wahrscheinlichkeit, keinen
Molekülmittelpunkt im Bereich von r=0 bis r und von r bis r+dr anzutreffen, mit dem
Ausdruck für die Wahrscheinlichkeit der Bildung der Kavität durch statistische
Schwankungen, erhält man folgenden Beziehung zwischen der reversiblen Arbeit zur
Schaffung der Kavität und der Struktur des Fluids. Sie ist gegeben durch die radiale
Verteilungsfunktion:
r
W (r , ρ ) / kT = 4πρ ∫ r 2 G (r , ρ )dr (4.3)
0
Reiss, Frisch, Lebowitz und Tully-Smith haben gezeigt [REISS, 1959; TULLY-SMITH,
1970], dass der Ausdruck G(r,ρ) durch eine Summe in 1/r repräsentiert werden kann:
58
G (r , ρ ) = ∑ Gi ( ρ )(1 / r ) i (4.4)
i
Die Faktoren Gi(ρ) müssen an exakten Ausdrücken für G(r,ρ) bestimmt werden. Aus einer
Vielzahl solcher exakten Ausdrücke für verschiedene r haben Tully-Smith und Reiss
[TULLY-SMITH, 1970] die Faktoren bis einschließlich G5 bestimmt. Es hat sich gezeigt,
dass eine Entwicklung der Art
W (r , ρ ) = K 0 + K1 r + K 2 r 2 + K 3 r 3 (4.5)
eine gute Näherung für W(r,ρ) ist. Genau wie die Faktoren Gi können mit exakten
Ausdrücken die Faktoren Ki in Gleichung 4.15 ermittelt werden, was zu folgender Form der
reversiblen Arbeit führt, die für die Schaffung der Kavität erforderlich ist [BEN AMOTZ,
1993a; BEN AMOTZ, 1993b; BEN AMOTZ, 1993c; DE SOUZA, 1994]:
9 3
2 3 ηR 2 (2ηR + ) ηR (3 − R)
W(R, ρ) 2η R 2 + 2 (4.6)
= + + ηR 3 − ln(1 − η )
kt (1 − η ) 3 (1 − η ) 2
(1 − η )
wobei η=πρσ13/6 und R=σ2/σ1 ausdrückt. σ2 ist der Harte-Kugel-Durchmesser des gelösten
Moleküls und (σ1+σ2)/2 der Radius der Kavität. Die Größe W(r,ρ) ist gleich der partiellen
molaren freien Enthalpie g cav bzw. dem chemischen Potential der Komponente i im
Lösungsmittel S X
µ combS (siehe Gleichung 2.17). Damit kann nach Entfernen des
kombinatorischen Anteils, die Gleichung um diesen Term erweitert werden und wird zu
µ iS = ∆i − δAi + µ i (σ ) + g icav, SPT (4.7)
Die SPT ist in der Vergangenheit oft zur Berechnung von freien Lösungsenthalpien ∆G*sol
angewendet worden [BEN NAIM, 1989a; BEN NAIM, 1989b; CROVETTO, 1982; LUCAS,
1976; MOREL-DESROSIERS, 1981; PIEROTTI, 1976; POSTMA, 1982; WILHELM, 1972].
Dies liegt nicht zuletzt an ihrem vergleichsweise einfachen Aufbau, der sich dadurch
auszeichnet, dass einzig die Radien der als harte Kugeln betrachteten Spezies und deren
Konzentration bekannt sein müssen. Obwohl die Ergebnisse in der Literatur für Vorhersagen
auf Basis der Molekülgröße sehr gute Ergebnisse liefern, gibt es Einschränkungen derer man
sich bewusst sein muss.
Die Güte der Beschreibung hängt von zwei Einflussgrößen ab: Zum einen vom Hart-Kugel-
Durchmesser der betrachteten Spezies und zum anderen von der Dichte des Lösungsmittels.
Dabei ist insbesondere zu beachten, dass die aus der SPT resultierende freie Lösungsenthalpie
59
∆G*sol sehr sensitiv auf den Radius reagiert [TANG, 2000] und gleichzeitig die Bestimmung
eines Harte-Kugel-Durchmessers für reale Moleküle nicht trivial ist [BEN AMOTZ, 1990;
BEN AMOTZ, 1993c; GOGONEA, 1998; PIEROTTI, 1965]. Harte-Kugel-Durchmesser für
reale Moleküle, die aus experimentellen Daten wie Gaslöslichkeiten [PIEROTTI, 1965],
Oberflächenspannungen [MAYER, 1963], Verdampfungsenthalpien [PIEROTTI, 1976] oder
Virialkoeffizienten und Viskositäten [HIRSCHFELDER, 1964] bestimmt werden, stellen
effektive Radien dar. Sie enthalten Wechselwirkungen zwischen Lösungsmittel und gelöstem
Stoff. Andere Methoden, die van der Waals-Radien berechnen, betrachten ein Molekül ohne
die Wechselwirkung mit einem umgebenden Lösungsmittel [BONDI, 1964; EDWARD, 1970;
GOGONEA, 1998]. Tabelle 4.1 listet für das Molekül Benzol die Werte des Harte-Kugel-
Durchmessers für die unterschiedlichen Bestimmungsverfahren auf.
In dieser Arbeit wird die Erweiterung des Energiekonzeptes von COSMO-RS um einen
expliziten Kavitätsterm dazu verwendet, Dampfdrücke reiner Stoffe vorherzusagen. Es gibt
viele Ansätze die den Dampfdruck einer Komponente auf Basis von experimentellen Daten
interpolieren oder vorhersagen. Methoden wie die Clausius-Clapeyron-Gleichung oder
Gruppenbeitragsmethoden [POLING, 2001] benötigen in aller Regel zusätzliche Daten wie
den kritischen Druck, die kritische Temperatur oder den azentrischen Faktor und haben daher
einen limitierten Anwendungsbereich. Daneben existieren empirische Ansätze, die auf Basis
der Struktur eines Moleküls eine Beziehung zu den physikalischen Eigenschaften herstellen
(Quantitative Structure Property Relationship – QSPR). Dabei werden Dampfdrücke mittels
60
∂G
µ = (4.8)
∂N T , P
Der Dampfdruck des Stoffes kann aus der Gleichheit der chemischen Potenziale in der
Gasphase und in der Flüssigphase bei konstanter Temperatur dargestellt werden:
µ iV (T , P0LV
i ) = µ i (T , P0 i )
L LV
(4.9)
Entsprechend der Lösungstheorie nach Ben-Naim [BEN NAIM, 1987] konnte das chemische
Potenzial eines Stoffes i formuliert werden als:
µ i = µ i* + kt ln ρ i Λ3i (2.9)
Ben-Naim definiert die freie Enthalpie des Lösungsvorganges als Differenz der
pseudochemischen Potenziale in Gas- und Flüssigphase:
Zieht man auf beiden Seiten von Gleichung 4.9 den idealen Gasanteil des chemischen
Potenzials ab und setzt die Definition des chemischen Potenzials ein (Gleichung 2.9) erhält
man:
ρ iL
µ iV − µ iV ,iG = µ i*, L − µ i*, IG + kT ln iG
(4.12)
ρi
Einsetzen von Gleichung 4.10 ergibt:
61
ρ iL
V
µ −µ
i
V ,iG
i = ∆Gi
solv
+ kT ln iG (4.13)
ρi
Die Differenz des chemischen Potenzials von Gasphase und idealer Gasphase wird als
Fugazitätskoeffizient ausgedrückt:
f (T , P0LV
i )
µ iV − µ iV ,iG = kT ln LV
(4.14)
P 0i
damit folgt aus Gl. 4.13 und Gl. 4.14
f (T , P0LV
i )
P0LV
kT ln LV
= ∆Gi
solv
+ kT ln ρ i
L
− kT ln i (4.15)
P 0i kT
∆Gisolv f (T , P0LV
i )
ln P0LV
i = + ln kTρ iL − kT ln LV
(4.16)
kT P 0i
Der letzte Term auf der rechten Seite von Gleichung 4.16 beschreibt die Nichtidealitäten der
Gasphase. In dieser Arbeit sollen die Dampfdrücke verschiedener Komponenten am
Normalsiedepunkt betrachtet werden. Daher kann dieser Term im Folgenden vernachlässigt
werden. Für die Berechnung des Dampfdruckes sind somit die aus COSMO-RS Rechnungen
unter expliziter Berücksichtung des Kavitätstermes der SPT und Dichten der flüssigen Phase
am Normalsiedepunkt nötig. Die Dichten der betrachteten Stoffe werden aus experimentellen
Daten bezogen [DAUBERT, 1989].
In Kapitel 4.1.2 wurde erläutert, dass der Radius bzw. der Durchmesser eine sensitive Größe
in der Bestimmung der freien Lösungsenthalpie darstellt. In der Literatur finden sich
verschiedene Vorgehensweisen, die Harte-Kugel-Durchmesser aus experimentellen Daten
oder den van-der-Waals-Radien (vdW Radien) der Atome der Moleküle bestimmen. In dieser
Arbeit werden die Harte-Kugel-Durchmesser aus den quantenchemischen Rechnungen
abgeleitet. Bei Anwendung der COSMO-Randbedingung wird um die Atome der Moleküle
eine Kavität konstruiert, die 17% größer ist, als der vdW Radius. Das Volumen der aus den
quantenchemischen Rechnungen wird auf das vdW-Volumen umgerechnet und als
Kugeläquivalent betrachtet. Der Vorteil dieser Methode liegt darin begründet, dass so auch
62
Unterschiede im Volumen der einzelnen Konformationen berücksichtig werden kann, für die
keine der oben erwähnten Methoden geeignet ist.
Abb. 4.1 verdeutlicht das Vorgehen.
σhs=f(σcosmo)
σ
Abb. 4.1 Schema der Umrechnung von COSMO-Volumina in Hart-Kugel-Durchmesser
5.1 Einfluss der Konformation von Molekülen auf die Berechnung der
thermodynamischen Eigenschaften
Die Konformation gibt die exakte räumliche Ausdehnung der Atome eines Moleküls an bei
vorgegebener Konstitution und Konfiguration. Hierbei bedeutet die Konstitution die Vorgabe
der Art und der Anzahl von Atomen eines Moleküls sowie deren Reihenfolge und
Verknüpfung. Auf diese Weise werden das Atomgerüst und alle Valenzbindungen
einschließlich der Bindungsanordnung beschrieben. Die Konfiguration eines Moleküls
definiert bei gegebener Konstitution die räumliche Anordnung von Atomen oder
Atomgruppen innerhalb einer Verbindung. Der Einfluss von Rotationen um
Einfachbindungen wird dabei nicht berücksichtigt. Dieser Einfluss führt zu den
unterschiedlichen Konformationen. In ihrer Gesamtheit bilden sie die Stereoisomere.
Konformationen eines Moleküls können durch Drehung um formale Einfachbindungen
theoretisch in unendlicher Anzahl existieren. Konformationen, die unterschiedlichen
Energieminima zugeordnet werden können, bezeichnet man als Konformere. Für eine
konstante Temperatur stellt sich zwischen den verschiedenen Konformeren ein Gleichgewicht
ein. Für eine gegenseitige Umwandlung ist ein Energieunterschied von etwa 16-20kJ
erforderlich [HOWLETT, 1955; WESTHEIMER, 1946].
5.1.1 Konformeranalyse
Ziel der Konformeranalyse ist die Identifizierung der Konformere die die Eigenschaften eines
Moleküls bestimmen. Die Analyse kann auf zwei grundsätzlich verschiedene Arten erfolgen:
1. Experimentelle Untersuchungen
2. Theoretische Betrachtungen unter Verwendung von quantenchemischen oder
molekular mechanischen Ansätzen
Aufgrund des hohen Aufwandes der experimentellen Techniken verwendet man diese heute
nur noch zur Validierung von theoretischen Ergebnissen. Sie sollen hier nur aufgezählt
werden. In [LAU, 1961] werden die Vor- und Nachteile, das jeweilige Anwendungsgebiet
und die erzielbaren Genauigkeiten erläutert. Hauptsächlich werden spektroskopische
Methoden angewendet wie Mikrowellen-, Infrarot-, Raman-, Ultraviolett- oder
Kernmagnetische Resonanz-Spektroskopie. Daneben werden Röntgenstrukturanalysen,
Elektronenbeugungsuntersuchen, die Bestimmung elektrischer Momente, z.B. das
Dipolmoment, Untersuchungen des optischen Drehvermögens, kalorische oder kinetische
64
Messungen angewendet.
Die deutliche Verbesserung der mathematischen Modelle (vgl. Kapitel 2.2) und die zur
Verfügung stehende Leistungsfähigkeit heutiger Computeranlagen ermöglicht eine Ermittlung
von Konformeren mit theoretischen Methoden. Dabei steht das Absuchen von Minima in der
Energiefläche der Konformationen im Mittelpunkt. Die folgenden Methoden haben sich
etabliert:
1. Systematische Suche innerhalb des Konformerenraumes: Durch Festlegen aller
möglichen Drehwinkel und Drehachsen einer Startstruktur resultieren mögliche
Stereoisomere und Konformere. Alle entstehenden Geometrien müssen
energieoptimiert werden und anschließend bzgl. ihrer Energien bewertet werden. Ein
Nachteil der Methode ist die enorme Anzahl an entstehenden Geometrien. Bei fünf
Bindungen und einem Drehwinkel von 30° liegt die Zahl der Strukturen bei etwa
300000; bei gleichem Drehwinkel und sieben Bindungen bei annähernd 36 Millionen.
Durch Verwendung von Molekülfragmenten kann die Zahl eingeschränkt werden.
2. Zufällige Suchmethoden: Hier werden zufällig neue Strukturen durch Verändern des
Drehwinkels rotierbarer Bindungen oder auch zufällige kartesische Koordinaten
generiert. Dabei springt man von einem Punkt auf der Energiefläche einer
Konstitution zum anderen. Jede neue Struktur wird mittels Energieminimierung
optimiert. Wurde sie in einem vorherigen Schritt noch nicht gefunden, wird sie
gespeichert.
3. Monte-Carlo- und Molekulardynamik-Methoden: Der Vorteil dieser Methoden liegt in
der Möglichkeit, Energiebarrieren zu überspringen, was mit den vorhergehenden
Methoden nicht möglich ist.
Einen ausführlichen Überblick über die unterschiedlichen Methoden und ihre bevorzugten
Anwendungsgebiete gibt Leach [LEACH, 2006].
In dieser Arbeit ist die Konformeranalyse der verwendeten Komponenten bzw.
Molekülstrukturen mit der kommerziellen Software HyperChem durchgeführt worden. Dabei
werden programmintern die folgenden Schritte durchgeführt:
1. Auswählen einer Startgeometrie,
2. Modifikation der Startgeometrie durch Variation von geometrischen Parametern,
3. Geometrieoptimierung der modifizierten Startgeometrie,
4. Vergleichen der aktuellen Geometrie mit denen der vorher gefundenen und Akzeptanz
falls die gefundene Geometrie einzigartig ist und ein bestimmtes Energiekriterium
erfüllt.
65
In Schritt 2., der Variation der Startgeometrie, wird die Geometrie systematisch geändert.
Dabei wird ein weiterentwickelter Monte Carlo Multiple Minimum [CHANG, 1989] Ansatz
angewendet [GOODMAN, 1991], der vor allem die Dimensionalität der systematischen
Suche reduziert, indem anfangs mit kleiner Auflösung die Energiefläche grob abgesucht wird.
Die gefundenen Variationen werden dann durch weitere systematische Geometrieänderungen
mit hoher Auflösung verfeinert. Ausgehend von einer Anfangsstruktur werden vom Benutzer
vorgegebene Drehwinkel geändert. Auf diese Weise neu gewonnene Strukturen werden
geometrieoptimiert und anschließend Auswahlkriterien unterworfen, die entweder zur
Akzeptanz oder zum Verwerfen einer Struktur führen. Dabei werden die zu vergleichenden
Strukturen überlagert und Drehwinkel sowie atomare Abstände verglichen. Ligen die Größen
innerhalb einer vorzugebenden Toleranz, wird die neue Struktur abgewiesen. Als Methode für
die Geometrieoptimierung wurde in dieser Arbeit die semiempirische Methode PM3 gewählt.
Im Folgenden soll am Beispiel des 2-Butanol Moleküls der Einfluss der Konformere auf das
Ergebnis der Modellierung mit COSMO-RS gezeigt werden.
Die Startstruktur des 2-Butanolmoleküls wird mit der HyperChem-Software erstellt und
anschließend geometrieoptimiert. Wie auch bei der Geometrieoptimierung innerhalb der
Konformeranalyse wird hier die semiempirische Methode PM3 gewählt. Für diese optimierte
Struktur müssen alle zu verändernden Diederwinkel explizit definiert werden. Diese Winkel
werden dann der Konformeranalyse übergeben. Innerhalb der Konformeranalyse sind
Vorgabewerte für die Akzeptanzkriterien einer neuen Konformation zu definieren. Die
wichtigsten werden hier kurz erläutert:
• Globale Energiedifferenz: maximaler Wert in kcal/mol, der bestimmt, ob neue
Konformere relativ zum energieniedrigsten Konformer akzeptiert werden,
• Duplizitätstests:
o Minimalwert für Abstand in Angström zwischen ungebundenen Atomen,
o Winkelangabe in Grad zwischen den definierten Drehwinkeln,
o Energiedifferenz zwischen zwei Geometrien in kcal/mol,
o RMS-Fehler übereinandergelegter Atome in den zu vergleichenden
Konformationen in Angström
• Optionen für die Geometrieoptimierung:
o RMS-Energiegradient, Schwelle für Erreichen eines Energieminimums
66
Insbesondere die Werte für die Energiedifferenz und die RMS Fehler innerhalb der
Duplizitätstests bestimmen die Anzahl der gefundenen Konformere.
Im Ergebnis der Konformeranalyse für das 2-Butanol liegen mit den gewählten Optionen die
in Abbildung 5.1 dargestellten zehn Molekülstrukturen vor.
67
Abb. 5.1 Konformere des 2-Butanols aus der Konformeranalyse mit HyperChem in der Fischer-Projektion
1 -233.7717445921
2 -233.7722311095
3 -233.7706253648
4 -233.7722053291
5 -233.7718505132
6 -233.7720673333
7 -233.7709931612
8 -233.7705132890
9 -233.7720608924
10 -233.7722188571
-233.7695
-233.7700
-233.7705
-233.7710
-233.7715
-233.7720
-233.7725
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Konformernummer
2
Die Hartree-Energie (Eh) ist eine physikalische Konstante. In den atomaren Einheiten wird sie als Einheit der Energie benutzt.
Eh=4,359 743 81*10-18J
69
Für die Untersuchung des Einflusses der verschiedenen Konformationen auf die Modellierung
des Phasengleichgewichtes werden zwei verschiedene Systemklassen untersucht. Einerseits
das binäre System 2-Butanol/Wasser bei dem experimentelle Daten bei 298,15K und 323,15K
vorliegen und andererseits die binären Systeme 2-Butanol/n-Pentan und 2-Butanol/n-Hexan.
Das 2-Butanol/Wasser-System bildet bei den gewählten Temperaturen ein Hetereoazeotrop.
Die Güte der Vorhersage wurde durch die Betrachtung der Abweichung des berechneten
Systemdrucks von experimentell ermittelten Daten bewertet. Tabelle 5.3 zeigt für die zehn
Konformationen die Abweichungen im Druck des 2-Butanol/Wasser-Systems. Die
Komponente Wasser besitzt eine Konformation. Man erkennt, dass die Abweichung in diesem
Fall für die Energiemaximum-Konformation und die Energieminimum-Konformation gleich
sind. Die geringsten Abweichungen ergeben sich für die Konformation drei.
Weiterhin erkennt man, dass die Berechnung unter Verwendung der Konformation mit der
niedrigsten Energie und damit mit der höchsten Wahrscheinlichkeit des Auftretens dieser
Konformation nicht die geringsten Abweichungen bei der Phasengleichgewichtsberechnung
liefert. Eine Berechnung des Phasengleichgewichtes unter der Annahme, dass die reine
Komponente 2-Butanol aus einer Mischung der Konformationen dargestellt wird, bietet die
Möglichkeit den gesamten betrachteten Konformerenraum zu berücksichtigen. Die
Konformationen werden dabei hinsichtlich ihrer Energie gewichtet, wobei Konformationen
70
mit niedriger Energie wahrscheinlicher auftreten als Konformationen mit höherer Energie. Bei
Verwendung des COSMO-RS-Modells besteht die Möglichkeit, das Auftreten der
Konformere in folgender Weise zu berücksichtigen:
Die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Konformation wi ist über eine Boltzman-
Verteilung derart gegeben, dass die so genannte Total Free Energy (TFE) der Konformation
in der Mischung berechnet wird und in Relation zur TFE aller, durch die Konformeranalyse
erhaltenen, Konformationen gesetzt wird:
wc exp[−(TFEi − TFE min ) / RT ]
i
wi = Konformationen
(5.1)
∑[ wc
j
j exp[−(TFE j − TFE min ) / RT ]]
Der Faktor wc in Gleichung 5.1 kennzeichnet die Symmetrie, die ausdrückt, wie oft dieselbe
molekulare Struktur durch verschiedene Drehungen innerhalb der Bindung erhalten werden
kann. Die TFE wird auf folgende Weise berechnet:
Wobei ECOSMO die quantenchemische Energie des Moleküls mit der Randbedingung des
idealen Leiters darstellt, ∆E die Korrektur der Abschirmungsladungen und µi das chemische
Potenzial der betrachteten Komponente (Konformation) in der Mischung sind. Die
Wahrscheinlichkeit wi muss für jede Konzentration von i in der Mischung neu berechnet
werden, da sich das chemische Potenzial konzentrationsabhängig ändert. In Abb. 5.3 ist das
Ergebnis der Phasengleichgewichtsberechnung für das System 2-Butanol/Wasser bei einer
Temperatur von 298,15K dargestellt. Neben dem Ergebnis für die Berechnung unter
Berücksichtigung aller Konformationen sind die Ergebnisse für die Konformation mit der
niedrigsten und der höchsten COSMO-Energie aufgezeigt sowie der Konformation, die die
geringste Abweichung von den experimentellen Daten zeigt.
71
Für die Systeme 2-Butanol/n-Pentan und 2-Butanol/n-Hexan ergibt sich hinsichtlich der
einzelnen Konformationen im Vergleich zum 2-Butanol/Wasser-System eine andere
Reihenfolge der Abweichungen im Druck. Abb. 5.4 zeigt die gemittelten Abweichungen aller
Messpunkte. Zur besseren Übersicht sind die Daten für 2-Butanol/n-Pentan auf der
Sekundärachse aufgetragen. Man erkennt, dass innerhalb der beiden 2-Butanol/n-Alkan-
Systeme die relativen Abweichungen einer jeden Konformation gleich sind. Konformation 5
zeigt die niedrigste Abweichung und Konformation 4 die höchste. Die
Energieminimumkonformation 2 zeigt eine höhere Abweichung als die
Energiemaximumkonformation. Zusätzlich zur binären Mischung mit Alkanen sind die
Ergebnisse für das 2-Butanol/Wasser-System in das Diagramm eingetragen. Aus diesen
Ergebnissen lässt sich schließen, dass im voraus keine Aussage darüber getroffen werden
kann, welche Konformation sich am Besten eignet, experimentelle Daten wiederzugeben. Es
muss vielmehr der Konformerenraum in der oben beschriebenen Weise analysiert und
berücksichtigt werden.
72
22 16
n-Pentan(Sekundärachse)
20 n-Hexan 14
Abweichungen im Druck / %
18 Wasser
16 12
14 10
12
8
10
8 6
6 4
4
2
2
0 0
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Konformernummer 2-Butanol
Abb. 5.4 Vergleich der Abweichungen im Druck zwischen experimentellen Daten und Berechnungen mit
COSMO-RS für die Systeme 2-Butanol/n-Pentan, 2-Butanol/n-Hexan und 2-Butanol/Wasser in Abhängigkeit
von der verwendeten Konformation (experimentelle Daten: 2-Butanol/Wasser Gaube,J., L.Krenzer, G.Olf and
R.Wendel, Fluid Phase Equilib., 35, 1987, 279; Shakhud, Z.N., Markuzin, N.P., Stroronkin, A.V., Khim., 10,
1972, 85; Fischer,K. and J.Gmehling, J.Chem.Eng.Data, 39, 1994, 309; 2-Butanol/n-Pentan: Ronc,M. and
G.R.Ratcliff, Can.J.Chem.Eng., 54, 1976, 326; Araujo,M.E., M.R.Maciel and A.Z.Francesconi,
J.Chem.Thermodyn., 25, 1993, 129)
Für die Vorhersage des Phasengleichgewichtes von stark verzweigten Molekülen mit vielen
funktionellen Gruppen sind zwei Haupteinflusseingrößen und deren Wiedergabe durch das
gewählte Modell zunächst unabhängig voneinander zu validieren:
1. Einfluss der Verzweigung bzw. der Kettenlänge auf das Phasenverhalten
2. Einfluss der Anzahl der funktionellen Gruppen auf das Phasenverhalten.
In der vorliegenden Arbeit wurde ein verzweigtes Polyglycerin der Molmasse 1400g/mol mit
20 Hydroxylgruppen in der Molekülstruktur als Modellpolymer für die Untersuchungen
gewählt. Referenzdaten dieses Polymers in Lösung mit Wasser und Ethanol wurden der
Dissertation von Seiler entnommen [SEILER, 2004a].
Der Einfluss der Kettenlänge wird an einwertigen Alkoholen mit verschiedener Kettenlänge
und Verzweigungsstruktur untersucht, der Einfluss der Anzahl der funktionellen Gruppen an
Systemen mit ein- und höherwertigen Alkoholen. Die quantenchemische
73
5.2.1 Einfluss der Verzweigung bzw. der Kettenlänge auf das Phasenverhalten
14
12 1-Decanol
1-Nonanol
10
ln γ ο ο Alkohol in Wasser
1 Oktanol
8 1-Heptanol
1-Hexanol
6
1-Pentanol
1-Butanol
4
1-Propanol
2 Ethanol
Methanol
0
290 310 330 350 370 390
T/K
Abb. 5.5 Aktivitätskoeffizienten bei unendlicher Verdünnung von Alkoholen in Wasser bei verschiedenen
Temperaturen (T=298,15K für 1-Pentanol bis 1-Decanol); experimentelle Daten: Kojima, K.; Zhang, S.; Hiaki,
T.; Fluid Phase Equilibria, 1997, 131, 145-179
1.030
1.025
experimentell Ethanol
experimentell 1-Propanol
1.020
COSMO-RS
1.015
γι
1.010
1.005
1.000
0 0.2 0.4 0.6 0.8 1
x Ethanol
10.000
9.000
experimentell Wasser
7.000
COSMO-RS
6.000
γι
5.000
4.000
3.000
2.000
1.000
0 0.2 0.4 0.6 0.8 1
x Ethanol
5.00
experimentell 1-Butanol
COSMO-RS
3.00
ln γ ι
2.00
1.00
0.00
0 0.2 0.4 0.6 0.8 1
x W asser
Abb. 5.8 Aktivitätskoeffizienten im System Wasser/1-Butanol bei T=308,15K. Experimentelle Daten: Lyzlova
R.V et al.,Zh. Prikl. Khim., 52, 551 (1979), Rechnungen COSMO-RS
76
Der Einfluss der Verzweigung auf das Phasenverhalten und seine Beschreibung durch
COSMO-RS eines Moleküls mit konstanter Anzahl an Hydroxylgruppen wurde an
Aktivitätskoeffizienten des Modellmoleküls in einer Mischung Modellmolekül/Wasser
untersucht. Ein hypothetisches Polyol mit vier Hydroxylgruppen innerhalb der Struktur ist in
drei Varianten generiert worden – eine lineare, eine vollständig verzweigte, sternförmige mit
den OH-Gruppen innen angeordnet sowie eine vollständig verzweigte, sternförmige mit den
OH-Gruppen am Rand angeordnet. Die Summenformel des Modellmoleküls lautet
C21H40OH4, sein Molgewicht beträgt 360,58 g/mol. Abb. 5.9 a-c zeigt die chemische Struktur
der drei Varianten. Enstsprechend den Standardbindungslängen und –bindungswinkeln
zwischen den Atomen wurden Startstrukturen generiert und diese unter COSMO-
Randbedingungen mittels TURBOMOLE mit DFT-Rechnungen geometrieoptimiert. Das
Ergebnis der Sigmaprofile zeigt Abb. 5.10.
80
70 OH-Gruppen außen
OH-Gruppen innen
60
Häufigkeit P( σ ) linear
50
40
30
20
10
0
-4 -2 0 2 4
2
σ / e/nm
Abb. 5.10 Sigmaprofile des Modellmoleküls zur Untersuchung des Verzweigungseinflusses auf das
Phasenverhalten
Man erkennt einen deutlichen Einfluss der unterschiedlichen Molekülgeometrien bei gleicher
Summenformel. Das Sigmaprofil des linearen Modellmoleküls zeigt einen deutlichen Peak im
Bereich neutraler Ladungen und zwei definierte Spitzen im Bereich positiver und negativer
Abschirmungsladungen (vgl. Abb. 5.10). Diese Peaks der OH-Gruppen sind, da sie nicht von
anderen Atomen abgeschirmt werden, wesentlich ausgeprägter als bei den sternförmigen
Varianten. Dort ist der Bereich der neutralen Segmente auf der Moleküloberfläche nicht so
stark definiert, sondern weist eine Schulter im Bereich positiver Abschirmungsladungen auf,
was einer negativen Ladung auf der Moleküloberfläche entspricht. Im Unterschied zur
Variante mit den außenliegenden OH-Gruppen, zeigt das Molekül mit den innenliegenden
OH-Gruppen kleinere Abschirmungsladungsdichten im Bereich der Abschirmungsladungen
der OH-Gruppen, da die funktionellen Gruppen hier von anderen Atomen verdeckt werden.
Dies wirkt sich direkt auf die Aktivitätskoeffizienten der Moleküle in Lösung aus. Abb. 5.11
zeigt die theoretischen Verläufe der Aktivitätskoeffizienten von Wasser in einer Mischung
Modellmolekül/Wasser.
78
10
linear
9 OH-Gruppen außen
OH-Gruppen innen
8
6
γ Wasser
1
0 0.2 0.4 0.6 0.8 1
x Polyol
5.2.2 Einfluss der Anzahl der funktionellen Gruppen auf das Phasenverhalten
5
COSMO-RS
1-Propanol
4
1,2-Propandiol
3
ln γ ∞ Alkohol
0
250 300 350 400
T/K
Abb. 5.12 Aktivitätskoeffizienten bei unendlicher Verdünnung von 1-Propanol und 1,2-Propandiol in Wasser in
Abhängigkeit von der Temperatur. Vergleich experimenteller Daten (Kojima, K.; Zhang, S.; Hiaki, T.; Fluid
Phase Equilibria, 1997, 131, 145-179) und Berechnungen
1
333,2K 338,2K
343,2K 348,2K
0.8 353,2K 358,2K
363,2K 368,2K
COSMO-RS
0.6
P [bar]
0.4
0.2
0
0 0.2 0.4 0.6 0.8 1
x,y Was s e r
Abb. 5.13 VLE Wasser/1,4-Butandiol bei Temperaturen zwischen T=333,2K und T=368,2K. Vergleich
experimenteller und berechneter Daten (experimentelle Daten aus Huang R., Zhang, D., Shiyou Huagong, 16
(1987), 497)
Erhöht man die Anzahl der Hydroxylgruppen weiter, so kann man am Beispiel des
Propantriols erkennen, dass im binären System mit Wasser kaum noch eine Abweichung vom
Roultschen Gesetz vorliegt. Die Aktivitätskoeffizienten der Komponenten bewegen sich um
den Wert Eins und führen zu einem nahezu idealen Mischungsverhalten. Der unpolare
Charakter einer C-3-Kette ohne funktionelle Gruppen wird aufgehoben. Die Vorhersagen
gelingen mit dem COSMO-RS Modell erneut mit guter Genauigkeit. Die mittlere
Abweichung zwischen experimentellen Daten der Drücke und den berechneten beträgt 8%.
81
0.5
323,2K
348,2K
0.4
COSMO-RS
0.3
P [ bar]
0.2
0.1
0
0 0.2 0.4 0.6 0.8 1
x,yW asser
Abb. 5.14 VLE Wasser/Propantriol bei Temperaturen von T=323,2K und T=348,2K. Vergleich experimenteller
und berechneter Daten (experimentelle Daten aus Dulitskaya, K.A.; Zh. Obshch. Khim.; 15, 9-21.1945)
In der thermischen Verfahrenstechnik kann zur Erfüllung einer Trennaufgabe das engsiedende
oder azeotrope Phasenverhalten durch Zugabe eines weiteren Stoffes selektiv geändert
werden. Ziel ist beispielsweise bei der Rektifikation, einen Zusatzstoff derart auszuwählen,
dass ein schwersiedendes Gemisch im Sumpf und eine leichtsiedende Komponente am Kopf
der Kolonne auftreten. Im System Ethanol/Wasser hat sich in der chemischen Industrie
Ethandiol als Zusatzstoff etabliert. Diese Komponente bildet mit Wasser ein schwersiedendes
binäres Gemisch. Hinsichtlich der jeweiligen Trennaufgabe sollte es möglich sein, durch
gezielte Anordnung funktioneller Gruppen innerhalb einer molekularen Struktur das
Phasenverhalten so einzustellen, dass die Trennaufgabe innerhalb der Spezifikationen erfüllt
werden kann. Die hyperverzweigten Polymere bieten hier eine hervorragende Basis, da
sowohl die Art und Anzahl der funktionellen Gruppen, als auch ihre Anordnung innerhalb der
molekularen Struktur nahezu beliebig eingestellt werden kann (vgl. [SEILER, 2004a]). Im
Hinblick auf das gewählte Testsystem und die spätere Untersuchung von verschiedenen
Polymerstrukturen gilt die Beschreibung des Systems Ethanol/Wasser/Ethandiol als
grundlegend. In Abb. 5.15 sind experimentelle Daten dieses ternären Systems dargestellt.
Aufgetragen ist die Ethanolkonzentration im Dampf und in der Flüssigkeit bei jeweils
konstanten Zugabekonzentrationen des Ethandiol. Man erkennt, dass eine Erhöhung der
Ethandiolkonzentration eine deutliche Vereinfachung der Trennaufgabe bewirkt, da das
engsiedende Verhalten aufgeweitet wird. Vorhersagen der Aktivitätskoeffizienten in diesem
82
ternären System mit COSMO-RS ergeben eine gute Wiedergabe der Messdaten. Bei hohen
Ethanolkonzentrationen erkennt man eine leichte Überschätzung der Dampfkonzentration. Da
das COSMO-RS-Modell mit seiner gegenwärtigen Genauigkeit allerdings nicht als Ersatz für
experimentelle Untersuchungen dient, sondern vielmehr einer Vorauswahl von möglichen
molekularen Strukturen im Rahmen von Screening-Untersuchungen eingesetzt werden soll,
ist diese Überschätzung der Dampfkonzentration als unproblematisch anzusehen.
1.0
0.8
0.6
y Ethanol
x(3) = 0,1
0.4 x(3) = 0,3
x(3) = 0,5
x(3) = 0,7
0.2 COSMO-RS
x=y
0.0
0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0
x Ethanol
Abb. 5.15 Ternäres VLE Ethanol/Wasser/Ethandiol bei T=363,15K; Abhängigkeit des Phasenverhaltens von der
Ethandiolkonzentration (experimentelle. Daten aus Schneider T., Neuartige Zusatzstoffe für die Trennung
azeotroper Gemische, Diplomarbeit, Berlin 2001)
Eine Geometrieoptimierung von Molekülen mit hohem Molekulargewicht ist mit DFT
Methoden nur begrenzt möglich. Beim gegenwärtigen Stand der Rechenleistung und der
Methoden der Quantenchemie lassen sich Moleküle mit 60 bis 80 Atomen problemlos
berechnen. Das entspricht bei der Beschränkung auf die Elemente Sauerstoff, Wasserstoff und
Kohlenstoff einer Molmasse von 400-800 g/mol. Das hier betrachtete hyperverzweigte
Polyglycerin besitzt ein Molekulargewicht von 1400g/mol. Eine Geometrieoptimierung oder
Konformationsanalyse ist mit vertretbarem Aufwand dafür nicht durchführbar. Abb. 5.16
zeigt eine mögliche Molekülstruktur, abgeleitet aus strukturaufklärenden Untersuchungen
(vgl. Kapitel 2.5 und [SEILER, 2004a])
83
HO OH
OH
OH
HO O
O OH
O O OH
O
O OH
O
OH
H3C O O O
O
O OH
O OH
O
OH O
O OH
HO
OH OH
O
HO
OH
Abb. 5.16 Molekülstruktur des hyperverzweigten Polyglycerins PG1400, abgeleitet aus experimentellen Daten
Mit NMR Untersuchungen ermittelt man den Anteil dendritischer, linearer und terminaler
Struktureinheiten, aus denen unter anderem der Verzweigungsgrad abgeleitet wird. Weiterhin
ist die Art, die Anzahl und die Lage der funktionellen Gruppen bekannt [BURGATH, 1998;
GELADE, 2001; HOELTER, 1997; VAN BENTHEM, 2001]. Die Lage der funktionellen
Gruppen und die Größe der Molekülstruktur wurden in experimentellen Untersuchungen
mittels Small-Angle-Neutron- und X-Ray-Scattering (SAXS, SANS) bestimmt [HEDDEN,
2003; SCHERRENBERG, 1998; TOPP, 1999c; TOPP, 1999a; TOPP, 1999b].
O OH
H2C H2C
CH CH
O C O O C O
H2 H2
OH
H2C OH
CH CH
O C OH O C C O
H2 H2 H2
O
H3C
Starteinheit
Abb. 5.17 chemische Struktur der vier sich wiederholenden Struktureinheiten des untersuchten Polyglyzerins
Anhand der Anteile der verschiedenen Struktureinheiten und dem Molekulargewicht des
hyperverzweigten Polyglycerins kann die Anzahl der Einheiten im Molekül berechnet werden
(Tabelle 5.5). Das Ergebnis wird durch das berechnete Molekulargewicht, die Anzahl der OH-
Gruppen des Moleküls und durch die Anzahl der Bindungen überprüft. Die Anzahl der
Bindungen muss 0 ergeben, damit keine ungesättigten Bindungen im Molekül vorliegen.
Tabelle 5.5 Eigenschaften der vier sich wiederholenden Struktureinheiten des untersuchten
Polyglyzerins
Einheit Anteil Anzahl Molmasse Anzahl Bindungen
[%] [g/mol] OH- Gruppen
Starteinheit 5 1 31,034 0 +1
Dendritisch D 25 5 365,35 0 +5
Linear L13 10 2 148,16 2 0
Linear L14 30 6 444,47 6 0
Terminal T 30 6 450,52 12 -6
gesamt 100 20 1439,53 20 0
HO OH
OH
OH T T
HO O
O OH
L 14 L 13 Sub1
O O OH
O D
O OH Sub2
T
O D L14
OH
Starter D
H 3C O O O L 14 T
O
O OH D D
O OH
O L 14 L14
OH O
OH Sub3 T
O
HO
L 13 Sub4
OH OH
O
A L14
B
HO T
OH
Die Geometrien der vier Subeinheiten werden als vollständige Moleküle optimiert. Bei der
Optimierung muss darauf geachtet werden, dass jede Schnittstelle ausreichend abgesättigt ist.
87
Im Fall des verzweigten Polyglycerins wird diese Forderung erfüllt, indem die Schnittstellen
der Subeinheiten durch OCH2CH2OH-Gruppen oder durch CH2CH2OH-Gruppen abgesättigt
werden. Durch die Verwendung dieser zwei Endgruppen ist sichergestellt, dass jede
Schnittstelle der Subeinheiten durch eine Estergruppe (C-O-C), wie sie im hyperverzweigten
Polyglycerin vorliegt, abgesättigt wird und der Schnitt zur Erstellung der Fragmente trotz der
hohen Polarität an dieser Stelle möglich ist. Nach der Molekülgeometrieoptimierung bilden
die Subeinheiten die Grundlage für die Beschreibung des hyperverzweigten Polyglycerins.
Hierzu werden die für die Geometrieoptimierung zugefügten Gruppen ausgeblendet und
gehen nicht in die Erstellung des Sigmaprofils des hyperverzweigten Polyglycerins ein.
Abb. 5.19 zeigt die drei verschiedenen Sigmaprofile für die unterschiedlichen
Lösungsansätze. Die Sigmaprofile des hyperverzweigten Polyglycerins, erzeugt mit der
Zusammensetzung aus kleinen Einzelfragmenten und aus Subeinheiten, weisen einen hohen
Anteil an schwach positiv geladenen Oberflächensegmenten auf. Der Unterschied liegt in der
Anzahl der stark geladenen Segmente. Der Grund dafür ist, dass sich im Falle der
Einzelfragmente alle funktionellen Gruppen an der Moleküloberfläche befinden. Bei der
Verwendung von Subeinheiten werden einige Hydroxylgruppen abgeschirmt, was zu einer
Verringerung der Oberflächensegmente mit entsprechender Ladung führt. Aus diesem Grund
werden bei der Erstellung des Sigmaprofils des hyperverzweigten Polyglycerins mehr
Ladungen berücksichtigt als im realen Molekül einen Einfluss auf die
Ladungsdichteverteilung auf der Oberfläche haben. Das spiegelt das Sigmaprofil des
Gesamtmoleküls wider. Die Zahl der Oberflächensegmente mit positiver oder negativer
Abschirmungsladung ist deutlich reduziert. Trotz dieses Unterschiedes ist im Rahmen dieser
Arbeit die Entscheidung zugunsten einer Verwendung des Sigmaprofils aus Subeinheiten
gefallen. Die Tastsache, dass es sich um ein nicht vollständig DFT-optimiertes Molekül
handelt und dass die reale, in Lösung auftretende Struktur sich von der im Vakuum mit AM1-
optimierten unterscheiden wird, haben diese Entscheidung herbeigeführt.
88
200
Subeinheiten
Ges am tm olekül
100
50
0
-3 -2 -1 0 1 2 3
Ladungsdichte σ
Abb. 5.19 Vergleich der Sigmaprofile von PG1400, beruhend auf unterschiedlichen Arten der
Molekülmodellierung
Abb. 5.20 zeigt die Variation der Parameter b und c des Free-Volume-Terms im binären
System Ethanol/hyperverzweigtes Polyglycerin bei T = 393,15K. Die experimentellen Daten
werden gut beschrieben, sofern der Free-Volume-Term (FV-Term) bei der Vorhersage nicht
berücksichtigt wird. Die Variation der Parameter b und c zeigt, dass eine sinnvolle
Vorhersage des Phasenverhaltens mit b = 1 und cEthanol = 1,1 möglich ist, da diese kein
Überschwingverhalten zeigen. Die Verwendung dieser Parameter im FV- Term führt dazu,
dass höhere Drücke größer wiedergegeben werden als experimentell ermittelt.
89
14
exp
ohne FV
12
mit FV : c=1,1; b=1
mit FV : c=2; b=1
10
mit FV : c=1,1; b=1,1
P [bar] 8
0
0.70 0.75 0.80 0.85 0.90 0.95 1.00
whyperv erzw eigtes Polyglyzerin
Abb. 5.20 Binäres VLE Ethanol/verzweigtes PG bei T = 393,15K; Berechnungen mit COSMO-RS (+ FV Term),
Variation der Parameter b und c; cPolymer = 0; experimentelle Daten entnommen aus [SEILER, 2004a]
2.5
1.5
P [bar]
Abb. 5.21 Binäres VLE Wasser/verzweigtes PG bei T = 393,15K; Vergleich der COSMO-RS Berechnungen mit
experimentellen Daten aus [SEILER, 2004a]
90
Abb. 5.22 zeigt das ternäre System Ethanol/Wasser/hyperverzweigtes Polymer bei einer
Temperatur von 363,15K für verschiedene Massenanteile an Polymer. Der Anteil des
Polymers variiert von wPolymer = 0,2 bis wPolymer = 0,7 dargestellt. In Kombination mit dem
Free-Volume und der Parameterkombination b = 1 und cEthanol = 1,1 kann das so erweiterte
COSMO-RS Modell die experimentellen Daten sehr gut wiedergeben. Die Abbildung zeigt
die Dampfkonzentration an Ethanol über der Flüssigkonzentration von Ethanol im System.
Die mit der Konzentration des hyperverzweigten Polyglycerins steigende Abnahme der
Ethanolkonzentration im Dampf bei hohen Wasseranteilen in der flüssigen Phase wird durch
die modellierten Daten sehr gut wiedergegeben, ebenso die Anreichung des Ethanols in der
Dampfphase mit steigendem Ethanolgehalt in der Flüssigkeit. Der Schnittpunkt der drei
Polymerkonzentrationen bei dem die Ethanolabnahme im Dampf in eine Anreicherung
übergeht wird, sehr gut vorhergesagt.
Zu groß gewählte b und c Parameter können dazu führen, dass sich die Kurve abflacht.
1.0
0.8
0.6
y E thanol
0.4 x=y
w_polymer=0.2
0.2 w_polymer=0.6
w_polymer=0.7
COSMO-RS + FV
0.0
0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0
x Ethanol
Abb. 5.22 VLE Ethanol/Wasser/verzweigtes PG bei T = 363,15K; Vergleich von Berechnungen mit COSMO-
RS + FV-Term; cEthanol = 1,1, cWasser = cPolymer = 0, b=1; experimentelle Daten entnommen aus [SEILER, 2004a]
91
deren Größe eine ab initio Rechnung nicht zulässt, wird eine Geometrieoptimierung auf DFT
Niveau durchgeführt. Ein Vergleich der möglichen Genauigkeiten findet sich in [MONEV,
2005]. Aus quantenmechanischen Rechnung werden mittels „restrained electrostatic potential
(RESP)“- Ansatz [BAYLY, 1993; WANG, 2000] die Parameter für die atomzentrierten
Punktladungen zur Beschreibung der Coulombkräfte bestimmt. Die Molekülgeometrien
werden nun mit bekannten Parametern für die Coulomb Atom-Atom-Wechselwirkungen
mittels MM3/MM4 nochmals geometrieoptimiert, um Molekülstrukturen für die
anschließende Konformerensuche bereitzustellen.
Der Konformerenraum wird für die optimierten Startgeometrien mittels statistischer
Methoden („Conformational Space Annealing“ CSA und „Monte Carlo with minimization“
MCM) abgesucht [KIM, 2003; LEE, 1999; LEE, 2004; NAYEEM, 1991; PILLARDY, 2000;
TROSSET, 1998]. Die Suche wird unter Verwendung der zuvor benutzten MM3/MM4
Kraftfelder unter Berücksichtigung der Coulombkräfte mit dem Programmpaket TINKER
[PONDER, 2005] durchgeführt. Die gefundenen Konformationen werden im Anschluss
einem „Energieclustering“ unterzogen, um die Anzahl der Konformationen zu reduzieren und
die Rechnung mit wenigen relevanten Struktur- und Energievertretern fortzuführen. Die
Geometrie dieser Vertreter wird erneut optimiert (MM3/MM4).
Bis zu diesem Punkt sind alle Rechnungen in der Gasphase durchgeführt worden. Um den
Einfluss eines Lösemittels auf die Molekülgeometrien zu untersuchen, werden mit den
gefundenen Konformationen Molekulardynamikrechnungen durchgeführt, die das
Lösungsmittel explizit berücksichtigen. Diese Optimierungen werden ebenfalls mit
Kraftfeldern MM3/MM4 und den entsprechenden Parametersätzen für die Lösungsmittel
ausgeführt. Für die optimierten Strukturen werden die Gyrationsradien und die
hydrodynamischen Radien berechnet und mit den experimentellen Daten verglichen. Abb.
5.23 verdeutlicht das Vorgehen schematisch.
93
zweidimensionale Topologie
Anordnungsmöglichkeiten der
Struktureinheiten ermitteln
Molekularmechanische
Gasphase
quantenmechanische
Geometrieoptimierung (MP2, DFT),
Bestimmung der Parameter für
Punktladungen Parameter für
Coulomb WW
Molekularmechanische
Optimierung der Startgeometrien
Molekülgeometrien, Berücksichtigung
MM3/MM4 (Coulomb Atom-Atom
von allen elektrostatischen Atom-
Wechselwirkungen)
Atomm WW
Konformere in Lösungsmittel
Eine vereinfachte Untersuchung, bei der das hypothetische Molekül aus Kapitel 5.2.1
verwendet worden ist, verdeutlicht den Einfluss des Lösungsmittels auf das Sigmaprofil. Abb.
5.9a zeigt die Sigmaprofile des sternförmigen Moleküls mit vier innen angeordneten OH-
Gruppen. Dabei wurde einerseits die Struktur im mittels DFT-Rechnungen und COSMO-
Randbedingung geometrieoptimiert und andererseits für die gleiche Startstruktur eine
Molekulardynamikrechnung in Anwesenheit von Wasser unter Anwendung des AMBER
Kraftfeldes durchgeführt. Die Rechnungen wurden mit der Simulationssoftware Hyperchem
durchgeführt. Das Sigmaprofil ist in einer Single-Point-Rechnung bestimmt worden.
60
Molekularsimulation
DFT optimiert
Häufigkeit P( σ)
40
20
0
-3 -2 -1 0 1 2 3
Abschirmungsladungsdichte σ
Abb. 5.24 Sigmaprofile eines im idealen Leiter geometrieoptimierten Moleküls und eines in Anwesenheit eines
Lösungsmittels erzeugten Struktur
Man erkennt deutlich, dass die Struktur aus der Molekularsimulation an der Oberfläche mehr
geladene Elemente aufweist. Dies ist auf ein Ausrichten der Hydroxylgruppen nach Außen in
Anwesenheit von Wasser zurückzuführen. Es ist zu erwarten, dass in den anschließenden
Phasengleichgewichtsberechnungen dieser Effekt deutlich zum Tragen kommt.
95
Die Kombination von COSMO-RS mit kubischen Zustandsgleichungen erfolgt auf zwei
Arten. Dabei werden die Mischungsparameter für das Ein-Fluid-Modell durch die
Anwendung der Wong-Sandler Mischungsregeln (siehe Kapitel 2.6) berechnet. Das COSMO-
RS-Modell wird genutzt, um die Gibbssche Exzessenthalpie zu berechnen.
Bei der Methode der Korrelation eines binären Wechselwirkungsparameters wird dieser an
experimentelle Phasengleichgewichtsdaten angepasst. Dabei wird das in Kapitel 2.6
beschriebene, von Huron und Vidal vorgestellte modifizierte NRTL-Modell als GE-Modell
genutzt und der Parameter τij über Gleichung 2.80 durch die Vorhersage des
Aktivitätskoeffizienten bei unendlicher Verdünnung mittels COSMO-RS berechnet.
Für die Untersuchungen zur Güte der Vorhersagbarkeit und der Korrelation bei Verwendung
des COSMO-RS-Modells wurden die in Tabelle 5.7 angegebenen Systeme betrachtet. In der
Tabelle sind weiterhin die angepassten binären Wechselwirkungsparameter für den jeweiligen
Temperaturbereich und der verwendete Alpha-Wert des NRTL-Modells vermerkt.
Tabelle 5.7 Betrachtete Systeme bei der Kombination von Peng-Robinson Zustandsgleichung und COSMO-RS;
Systemübersicht, betrachtete Temperaturbereiche, angepasste binäre Wechselwirkungsparameter und α-Wert
Tabelle 5.8 Verwendete kritische Daten, azentrischer Faktor und stoffspezifische Konstante in der Peng-Robinson
Zustandsgleichung nach Stryjek und Vera
die Gibbssche Exzessenthalpie. Am Beispiel des Systems Aceton/Wasser bei 333,15K zeigt
sich, dass COSMO-RS annähernd die gleichen Werte für die Gibbssche Exzessenthalpie
liefert, wie das NRTL-Modell (vgl. Abb. 5.25). Dieses Verhalten konnte für alle im Rahmen
dieser Arbeit betrachteten Systeme verifiziert werden.
1400
NRTL
1200 COSMO-RS
1000
gE [kJ/mol]
800
600
400
200
0
0.00 0.20 0.40 0.60 0.80 1.00
xAceton
Abb. 5.25 Gibbssche Exzessenthalpie für das System Aceton/Wasser bei einer Temperatur von 333.15K,
berechnet mit dem NRTL-Modell und dem COSMO-RS Modell
97
Abb. 5.26 zeigt das binäre dampf-flüssig Phasengleichgewicht des Systems Methanol/Benzol
bei verschiedenen Temperaturen, wobei keine der beiden Komponenten überkritisch vorliegt.
Für dieses System kann der gesamte Temperaturbereich mit einem konstanten binären
Wechselwirkungsparameter kij=0,2 abgedeckt werden.
3.5
2.5
2 363.15K
P / bar
328.15K
1.5 308.15K
PR + COSMO-RS
0.5
0
0 0.2 0.4 0.6 0.8 1
x Methanol
Abb. 5.26 Flüssig-Dampf Gleichgewicht des Systems Methanol/Benzol bei verschiedenen Temperaturen. Die
Symbole sind experimentelle Daten (J. Gmehling, U. Onken, Vapor-Liquid Equilibrium Data Collection, Vol.I
Part 2a, 1977, Dechema, Frankfurt a.M.). Die gestrichelten Linien sind Berechnungen mit der PR-ZGL der
Wong-Sandler Mischungsregel und COSMO-RS als Modell für die Gibbssche Exzessenthalpie. Der binären
Mischungsparameter kij ist an die experimentellen Daten angepasst (kij =0,2).
Im System Aceton/Wasser (Abb. 5.27) sind neben den unterkritischen auch überkritische
Isothermen betrachtet worden. Hier zeigt sich, dass für eine gute Beschreibung des
Phasenverhaltens der binäre Wechselwirkungsparameter mit steigender Temperatur kleinere
Werte annehmen muss. Er bewegt sich um Werte, die für die klassischen van-der-Waals Ein-
Fluid-Mischungsregeln außergewöhnlich hoch sind. Dem Wert wird hierbei allerdings keine
physikalische Bedeutung beigemessen, er ist vielmehr ein Parameter, der Unzulänglichkeiten
bei der Kombination der Reinstoffparameter korrigiert. In Abbildung 5.27 sind ebenfalls die
Ergebnisse für die Vorhersage des Phasenverhaltens enthalten. Die Vorhersagen auf Basis des
Aktivitätskoeffizienten bei unendlicher Verdünnung aus dem COSMO-RS-Modell gelingen
98
80
70
60
473.15K
50
373.15K
423.15K
523.15K
P / bar
30
20
10
0
0.00 0.20 0.40 0.60 0.80 1.00
x,yAzeton
Abb. 5.27 Flüssig-Dampf Gleichgewicht des Systems Aceton/Wasser bei verschiedenen Temperaturen. Die
Symbole sind experimentelle Daten (Griswold,J.;Wong,S.Y.; Chem. Eng. Progr. Symp. Ser., 40 (1952), 18-34).
Die gestrichelten Linien sind Berechnungen mit der PR-ZGL der Wong-Sandler Mischungsregel und COSMO-
RS als Modell für die Gibbssche Exzessenthalpie. Der binären Mischungsparameter kij ist an die experimentellen
Daten angepasst (kij =0,23 für T=373,15K-473,15K und kij =0,18 für T=523,15K). Die durchgezogenen Linien
sind Vorhersagen auf Grundlage der vorhergesagten Aktivitätskoeffizienten bei unendlicher Verdünnung mit
COSMO-RS.
Für das binäre System Ethanol/Wasser sowie für das System Methanol/Wasser können im
Wesentlichen die gleichen Aussagen getroffen werden, wie schon beim Aceton/Wasser-
System. Die Ergebnisse der Berechnungen finden sich in den Abb 5.28, 5.29 und 5.30. Bei
den berechneten überkritischen Isothermen in den dargestellten Ergebnissen ist die Rechnung
jeweils bei einem maximalen Druck, der den experimentellen Daten entspricht, abgebrochen
worden. Es ist im Falle der Korrelationen ein temperaturabhängiger binärer
Wechselwirkungsparameter kij notwendig, der bei niedrigen Temperaturen nahezu konstant ist
und für höhere Temperaturen kleinere Werte annimmt. Eine Besonderheit gibt es in diesen
99
Systemen zu bemerken. Für die Temperatur von 598,15K im Ethanol/Wasser-System und für
573,15K im Methanol/Wasser-System ergibt sich ein Wert von kij=0. Dies ist bemerkenswert
wenn die Erklärung in einer physikalischen Natur gesucht wird. Wie oben jedoch erwähnt soll
dem binären Wechselwirkungsparameter keine physikalische Bedeutung beigemessen
werden.
1000
100
PR+COSMO-WS
PR+COSMO-inf
P / bar
523.15K
10
598.15K
323.15K
363.15K
343.15K
0.1
0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0
x,yEthanol
Abb. 5.28 Flüssig-Dampf Gleichgewicht des Systems Ethanol/Wasser bei verschiedenen Temperaturen. Die
Symbole sind experimentelle Daten (Hall,D.J. et al., NPL Report Chem (United Kingdom, National Physical
Laboratory, Division of Chemical Standards), 95 (1979), 32; Hall,D.J. et al., NPL-Chem-95,(1979),36;
Kurihara,K. et al., J.Chem.Eng.Data, 40, (1995), 679 ). Die gestrichelten Linien sind Berechnungen mit der PR-
ZGL der Wong-Sandler Mischungsregel und COSMO-RS als Modell für die Gibbssche Exzessenthalpie. Der
binären Mischungsparameter kij ist an die experimentellen Daten angepasst (kij =0,35 für T=323,15K-363,15K;
kij =0,25 für T=523,15K und kij =0 für T=598,15K). Die durchgezogenen Linien sind Vorhersagen auf Grundlage
der vorhergesagten Aktivitätskoeffizienten bei unendlicher Verdünnung mit COSMO-RS.
100
120
100
80
0.6
0.4
0.2
0.0
0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0
xMethanol
Abb. 5.29 Flüssig-Dampf Gleichgewicht des Systems Methanol/Wasser bei verschiedenen Temperaturen. Die
Symbole sind experimentelle Daten (298,15K: Kooner, Z.S., Phutela, R.C., Fenby, D.V., Aust.J.Chem.1980, 33,
9; 313,15K: Wrewsky, M. Z.Phys.Chem.,1913, 81, 1; 333,15K: Kurihara,K., T.Minoura, K.Takeda and
K.Kojima, J.Chem.Eng.Data, 1995, 40, 679; 573,15K: Pryanikova,R.O.;Efremova,G.D., Fiz. Khim. Rastvorov,
1972, 228-233). Die Linien sind Berechnungen mit der PR-ZGL der Wong-Sandler Mischungsregel
und COSMO-RS als Modell für die Gibbssche Exzessenthalpie. Der binären Mischungsparameter kij ist an die
experimentellen Daten angepasst (kij =0,2 für T=298,15K-333,15K und kij =0 für T=573,15K).
101
120
100
0.8
0.6
0.4
0.2
0.0
0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0
xMethanol
Abb. 5.30 Flüssig-Dampf Gleichgewicht des Systems Methanol/Wasser bei verschiedenen Temperaturen. Die
Symbole sind experimentelle Daten (Referenzen siehe Abb. 5.29). Die Linien sind Vorhersagen auf Grundlage
der vorhergesagten Aktivitätskoeffizienten bei unendlicher Verdünnung mit COSMO-RS zusammen mit der PR-
ZGL der Wong-Sandler Mischungsregel.
Zusammenfassende Bemerkungen
Die Ergebnisse zeigen, dass die Kombination der Zustandsgleichung mit COSMO-RS
Vorhersagen auf Basis der Atomstruktur der Moleküle und der kritischen Daten bis weit in
den überkritischen Bereich zulässt. Die Beschreibung des nichtidealen Verhaltens mit Hilfe
der Gibbsschen Exzessenthalpie unter Verwendung des Vorhersagemodells COSMO-RS
erlaubt die Ermittlung von Mischungsgrößen in Systemen, die mit den einfachen van der
Waals Mischungs- und Kombinationsregeln nicht zuverlässig betrachtet werden können. Die
Stärke gerade dieser hier betrachteten Kombination liegt darin begründet, dass das COSMO-
RS-Modell Mischungseigenschaften nichtidealer Systeme vorhersagen kann, ohne dass auf
Parametertabellen von einschlägigen GE-Modellen zurückgegriffen werden muss. Damit ist es
möglich, für Systeme in denen bspw. UNIFAC keine Exzessenthalpie liefern kann, oder nur
durch Bestimmung experimenteller Daten, das Mischungsverhalten auch im
Hochdruckbereich zu modellieren und vorherzusagen. Dazu bedarf es lediglich der Kenntnis
der Reinstoffeigenschaften in Gestalt der kritischen Daten und des azentrischen Faktors.
102
5.4.1 Harte-Kugel-Durchmesser
Wie in Kapitel 4.1.4 beschrieben, werden die Harte-Kugel-Durchmesser aus den Volumina,
die im Ergebnis der quantenchemischen Rechnungen unter der COSMO-Randbedingung