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Anwendung quantenchemischer Methoden in der

Thermodynamik der Stofftrennung

Der Technischen Fakultät der


Universität Erlangen-Nürnberg
zur Erlangung des Grades

DOKTOR - INGENIEUR

vorgelegt von

Oliver Spuhl

Erlangen 2006
Als Dissertation genehmigt von
der Technischen Fakultät der
Universität Erlangen-Nürnberg

Tag der Einreichung: 18.09.2006


Tag der Promotion: 13.10.2006
Dekan: Prof. Dr.-Ing. Alfred Leipertz
1. Berichterstatter: Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Arlt
2. Berichterstatter Prof. Dr.-Ing. Stephan Kabelac
Danksagung

Diese Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet
Thermodynamik und Thermische Verfahrenstechnik der TU Berlin sowie am Lehrstuhl für
Thermische Verfahrenstechnik der Friedrich-Aleander-Universität Erlangen-Nürnberg.

Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Wolfgang Arlt. Er hat mich während allen Phasen meiner
Arbeit jederzeit großzügig und zuverlässig unterstützt und gefördert. Nicht zuletzt die von seiner Seite
übertragene Verantwortung und das schier endlose Vertrauen in meine Fähigkeiten war für mich ein
großer Antrieb und hat zum erfolgreichen Gelingen dieser Arbeit beigetragen.

Herrn Prof. Kableac der Universität der Bundeswehr Hamburg danke ich herzlich für die Übernahme
der Berichterstattung, Herrn Prof. König für die Übernahme des Vorsitzes im Promotionsausschuss
und Herrn Prof. Hartmaier für die Teilnahme als fachfremder Prüfer an der Promotionsprüfung.

Der Mannschaft der Firma COSMOlogic und allen voran natürlich Herrn Dr. Andreas Klamt bin ich
für die stete Bereitschaft zu Diskussionen und der schnellen Hilfe bei allen Fragen rund um COSMO-
RS sehr verbunden.

Meine Diplomarbeiter Stefanie Herzog und Matthias Buggert sowie meine studentischen Mitarbeiter
Jörg Warneke, Florian Enzenberger und Alexander Buchele haben einen großen Anteil am Entstehen
dieser Arbeit. Ihrem großen Engagement und ihren herausfordernden Diskussionen verdanke ich
wichtige Impulse.

Ein ganz besonderer Dank gebührt meinen lieben Kolleginnen und Kollegen. Das offene,
freundschaftliche und hilfsbereite Klima sowohl in Berlin als auch in Erlangen ist unübertroffen.
Feelly, Andreas, Marko, Carsten, Tobias, Matthias, Irina, Steffi, Alexander, Katharina, Mitja – der
Spaß and die angenehme Zusammenarbeit wird mir immer in Erinnerung bleiben.

Durch Dr. Joachim Groß habe ich die Freude an den theoretischen Problemen der Thermodynamik
entdeckt. Er hat mich begleitet von den Anfängen als studentische Hilfskraft über die Diplomarbeit bis
hin zur Doktorarbeit. Joachim Du bist ein wertvoller Freund geworden.

Das größte Dankeschön gebührt aber meinen Eltern, die mich auf jedem Schritt meines Lebensweges
begleitet, unterstützt und gefördert haben. Euer unermüdlicher Rückhalt hat mich hierher gebracht –
Danke.
Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis..................................................................................................................... IV
Symbolverzeichnis ..................................................................................................................VII
Kurzfassung.............................................................................................................................. XI
Abstract ...................................................................................................................................XII
1 Einleitung und Zielsetzung dieser Arbeit........................................................................... 1
1.1 Einleitung ................................................................................................................... 1
1.2 Zielsetzung ................................................................................................................. 2
2 Grundlagen der Thermodynamik und der Quantenchemie ................................................ 4
2.1 Vorbemerkung zu den betrachteten Modellen und Methoden ................................... 4
2.2 Grundlagen der Quantenchemie................................................................................. 6
2.2.1 Ab-initio und semi-empirische Methoden.......................................................... 7
2.2.2 Dichtefunktionaltheorie...................................................................................... 8
2.2.3 Kontinuumsmodelle – Moleküle in Lösung..................................................... 11
2.3 Das COSMO-RS Modell.......................................................................................... 14
2.4 Phasengleichgewichtsbeziehungen .......................................................................... 20
2.4.1 Aktivität und Aktivitätskoeffizient................................................................... 21
2.4.2 Phasengleichgewichtsbeziehung ...................................................................... 21
2.5 Eigenschaften und Phasenverhalten von hyperverzweigten Polymeren .................. 23
2.5.1 Struktureller Aufbau und Eigenschaften hyperverzweigter Polymere............. 23
2.5.2 Phasenverhalten von hyperverzweigten Polymerlösungen .............................. 25
2.5.3 Flüssig – Flüssig – Gleichgewicht ................................................................... 27
2.5.4 Erweiterung des COSMO-RS Modells um einen Term für die Erfassung des
Free-Volume-Effektes ...................................................................................................... 31
2.6 Zustandsgleichungen und Mischungsregeln ............................................................ 33
3 Anwendbarkeit des COSMO-RS Modells zur Vorhersage von thermodynamischen
Stoffdaten in Mischungen ........................................................................................................ 40
3.1 Vorhersage von Dampf-Flüssig und Flüssig-Flüssig Phasengleichgewichten ........ 40
V

3.1.1 Vorgehen und betrachtete Systeme .................................................................. 40


3.1.2 Erstellung der Molekülgeometrien, Geometrieoptimierung und Berechnung der
Abschirmungsladungen .................................................................................................... 42
3.1.3 Dampf-Flüssig Phasengleichgewichte ............................................................. 43
3.1.4 Flüssig-Flüssig Phasengleichgewichte ............................................................. 53
4 Erweiterung des COSMO-RS Modells zur Vorhersage von Reinstoffeigenschaften und
der Identifizierung von relevanten Strukturkonformationen.................................................... 56
4.1 Die Scaled-Particle-Theorie (SPT)........................................................................... 56
4.1.1 Grundlagen zur Scaled-Particle-Theorie .......................................................... 56
4.1.2 Kritikpunkte an der Scaled-Particle-Theorie und Aspekte ihrer Anwendung . 58
4.1.3 Dampfdruck aus der Freien Enthalpie des Lösungsvorganges ........................ 59
4.1.4 Effektive Harte-Kugel-Durchmesser aus COSMO-RS.................................... 61
5 Darstellung der Ergebnisse............................................................................................... 63
5.1 Einfluss der Konformation von Molekülen auf die Berechnung der
thermodynamischen Eigenschaften...................................................................................... 63
5.1.1 Konformeranalyse ............................................................................................ 63
5.1.2 Konformeranalyse und Phasengleichgewichtsberechnungen am Beispiel des 2-
Butanols 65
5.2 Vorhersage des Phasenverhaltens von hyperverzweigten Polymeren ..................... 72
5.2.1 Einfluss der Verzweigung bzw. der Kettenlänge auf das Phasenverhalten ..... 73
5.2.2 Einfluss der Anzahl der funktionellen Gruppen auf das Phasenverhalten ....... 78
5.2.3 Abbildung der molekularen Struktur der hyperverzweigten Polymere mit
quantenchemischen Methoden ......................................................................................... 82
5.2.4 Binäre Gemische mit hyperverzweigtem Polyglycerin.................................... 88
5.2.5 Das ternäre System Ethanol/Wasser/hyperverzweigtes Polyglycerin.............. 90
5.2.6 Zusammenfassende Bemerkungen ................................................................... 91
5.3 Verknüpfung des COSMO-RS-Modells mit Zustandsgleichungen ......................... 95
5.4 Vorhersage von Reinstoffeigenschaften mit dem erweiterten COSMO-RS-Modell
102
5.4.1 Harte-Kugel-Durchmesser ............................................................................. 102
5.4.2 Dampfdrücke am Normalsiedepunkt ............................................................. 104
5.4.3 Temperaturabhängigkeit................................................................................. 108
5.4.4 Einfluss der Konformationen der Moleküle auf das Vorhersageergebnis ..... 109
5.4.5 Auswahl von Konformationen auf Basis von Dampfdrücken am
VI

Normalsiedepunkt .......................................................................................................... 111


6 Zusammenfassung .......................................................................................................... 118
7 Anhang ........................................................................................................................... 122
7.1 Übersicht der untersuchten Systeme zur Anwendbarkeit des COSMO-RS-Modells
zur Vorhersage von Dampf-Flüssig-Phasengleichgewichten ............................................ 122
7.2 Harte-Kugel-Durchmesser aus COSMO-Volumina, Dampfdrücke am
Normalsiedepunkt .............................................................................................................. 128
7.3 Ergebnisse der Konformationsanalyse, Dampfdruck am Normalsiedepunkt, Harte-
Kugel-Durchmesser von 2-Pentanol, 1-Hexanol, 1-Octanol.............................................. 141
Literaturverzeichnis................................................................................................................ 144
Symbolverzeichnis

Zeichen Bedeutung Einheit


A Oberfläche m2
a Kontaktfläche m2
a Parameter in Zustandsgleichungen -
b Parameter in Zustandsgleichungen -
b Parameter (Free Volume Modell) -
B 2. Virialkoeffizient cm3/mol
c Parameter (Free Volume Modell) -
C 3. Virialkoeffizient (cm3)2/mol2
E elektrische Feldstärke V/m
E Energiefunktional J/mol
f Fugazität -
F freie Energie J
f freie molare Energie J/mol
g partielle freie molare Enthalpie J/mol
g freie molare Enthalpie J/mol
G freie Enthalpie J
G radiale Verteilungsfunktion -
H Enthalpie J

Ĥ Hamilton Operator -
h molare Enthalpie J/mol
L Anteil linearer Einheiten -
l binärer Mischungsparameter -
k binärer Mischungsparameter -
M Molmasse g/mol
m Masse kg
n Normalenvektor -
n Stoffmenge mol
P Druck Pa
p Häufigkeitsverteilung
q molekulare Oberfläche m2
q molekulare Oberfläche der Mischung m2
VIII

R relatives van-der-Waals Gruppenvolumen -


r Molekülradius m
r molekulares Volumen m3
r molekulares Volumen der Mischung m3
r Ortsvektor -
T Energiefunktional J/mol
T Temperatur K
U Uneinheitlichkeit -
V externes Potenzial V
V Volumen m3
v molares Volumen cm3/g
v% reduziertes Volumen -
w Massenbruch -
W Wahrscheinlichkeitsfunktion -
X binärer Parameter -
x Molenbruch -
Z Zustandssumme
z Realgasfaktor

Griechische Symbole
α Parameter im NRTL Modell -
∆ Abschirmungsenergie J/mol
∆ Differenz -
γ Aktivitätskoeffizient -
δ dispersiver Anteil der Energie J/mol
ε Dielektrizitätskonstante C2 /(J m)
ε Energie J
η reduzierte Segmentzahldichte -
Θ Oberflächenanteil -
λ kombinatorischer Parameter des COSMO-RS-Modells -
Λ de-Broglie Wellenlänge m
κ Zustandsgleichungsparameter -
µ chemisches Potenzial J/mol
Π Pointing - Faktor -
IX

ρ Dichte kg/m3
ρ Elektronendichte e/Å3
σ Ladungsdichte e /Å2
σ Durchmesser m
ϕ Free-Volume Anteil -
ϕ Fugazitätskoeffizient -
ψ Wellenfunktion -
τ Parameter der lokalen zusammensetzung -
ω azentrischer Faktor

Indizes hochgestellt
COSMO-RS COSMO-RS
COSMO COSMO
cav Kavität
disp dispersiv
E Exzess
el eletrisch
fv Free-Volume
hs Harte Kugel
komb kombinatorisch
L flüssige Phase
LV Phasenübergang dampfförmig - flüssig
res residuell
rep repulsiv
sol solvation
ueg homogenes Elektronengas (uniform electron gas)
V Dampfphase
I,II,III Phasenbezeichnungen
∞ unendliche Verdünnung
* ideal
, auf die Masse bezogen
___
partiell molare Größe
0 Standardzustand
0i Reinsstoff

Indizes tiefgestellt
C kritisch
X

R reduziert

Konstanten
e Elementarladung e = 1,602177*10-19 C
R allgemeine Gaskonstante R = 8,3144 J/(mol1 K1)
k Boltzmann-Kkonstante 1,3806505*10-23 J/K
NA Avogadro-Zahl 6,0221415*1023 1/mol
h Plancksches Wirkungsquantum 6,6260693*10-34 Js
π Kreiszahl 3,14159265

Abkürzungen
COSMO Conductor-like Screening Model
COSMO-RS Conductor-like Screening Model for Real Solvents
CSM Kontinuumsolvensmodell
DFT Dichtefunktionaltheorie
LLE Flüssig – Flüssig – Gleichgewicht
MO Molekülorbital
SCRF Self Consistent Reaction Field
TZVP Triple Zeta Valence Polarization
UNIFAC UNIQUAC Functional-group Activity Coefficients
UNIFAC-FV UNIFAC – Free Volume
VLE Dampf – Flüssig – Gleichgewicht
ZGL Zustandsgleichung
Kurzfassung

In dieser Arbeit wurden die vorhandenen Methoden der Verknüpfung von Quantenchemie
und statistischer Thermodynamik als Vorhersagemethode für die Phasengleichgewichts-
thermodynamik betrachtet. Der Schwerpunkt der Arbeit lag auf der Untersuchung und
Weiterentwicklung des COSMO-RS-Modells.

Es wurden fünf Themenkomplexe behandelt und neue Lösungsmethoden vorgestellt:


1. Validierung des COSMO-RS-Modells hinsichtlich in der chemischen Verfahrenstechnik
relevanter Komponenten und ihrer binären Mischungen. Die Validierung von 136
Systemen ergab, dass COSMO-RS experimentelle Daten von Dampf-Flüssig-
Phasengleichgewichten unterschiedlicher Stoffklassen in guter Übereinstimmung
vorhersagen konnte.
2. Die Untersuchung des Einflusses der verschiedenen Konformationen einer
Molekülstruktur auf die Vorhersagen des Phasengleichgewichtes mit dem COSMO-RS-
Modell wurde am Beispiel des 2-Butanol Moleküls exemplarisch dargestellt. Für das 2-
Butanol/Wasser-System wurde gezeigt, dass die Konformation mit der niedrigsten
Energie nicht die besten Ergebnisse bei der Vorhersage lieferte. Vielmehr war es
notwendig alle Konformationen in die Berechnung einzubeziehen.
3. Stark verzweigte Moleküle mit großer Molmasse zeigen ein spezifisches Phasenverhalten.
Ein Algorithmus wurde entwickelt, der die Berechnung hyperverzweigter Makromoleküle
durch Zerschneiden in Subeinheiten mit quantenchemischen Methoden zulässt. Weiterhin
wurde das COSMO-RS-Modell um einen Free-Volume Term in Anlehnung an das
UNIFAC-Free-Volume-Modell erweitert. Am Beispiel eines hyperverzweigten
Polyglyzerinmoleküls mit 20 Hydroxylgruppen und etwa 1400g/mol wurde das
Phasenverhalten im ternären System Polymer/Ethanol/Wasser vorhergesagt.
4. Für die Berechnung von Hochdruckphasengleichgewichten wurde das COSMO-RS-
Modell mit der Peng-Robinson-Zustandsgleichung unter Anwendung der Wong-Sandler-
Mischungsregeln kombiniert. Die Ergebnisse belegten, dass Vorhersagen auf Basis der
Atomstruktur der Moleküle und der kritischen Daten bis weit in den überkritischen
Bereich möglich waren.
5. Das Energiekonzept des COSMO-RS-Modells wurde um einen Term erweitert, der die
Änderung der freien Enthalpie durch die Bildung einer Kavität im Lösungsmittel enthält.
Es wurde ein Konzept entwickelt, dass es ermöglicht, die quantenchemischen Rechnungen
zu verwenden, um einen Harte-Kugel-Durchmesser beliebiger Moleküle zu berechnen.
Mit dem erweiterten Energiekonzept wurden Dampfdrücke von Komponenten der Alkane,
der Alkene, der Alkohole, der Aromaten, der Ether, der Ketone, der Aldehyde und der
Polyole berechnet. Die Abweichungen, verglichen mit experimentellen Daten am
Normalsiedepunkt, zeigten für Alkohole eine Abweichung von durchschnittlich ca. 20
Prozent, für die anderen Stoffklassen deutlich höhere Abweichungen. Der vorhergesagte
Wert des Dampfdruckes reagierte sehr sensibel auf die unterschiedlichen Konformationen
einer Komponente. Er wäre somit ein Sensor, der es ermöglicht, relevante
Konformationen eines Moleküls für eine Phasengleichgewichtsberechnung zu
identifizieren. Berechnungen für die Stoffe 2-Pentanol, 1-Hexanol und 1-Octanol ergaben,
dass Konformationen die eine gute Beschreibung des Dampfdruckes lieferten, nicht in
jedem Fall auch eine gute Beschreibung in Mehrkomponentengemischen ergaben.
Insgesamt kann festgehalten werden, dass alle in der Konformationsanalyse ermittelten
Konformationen verwendet werden sollten. Zusätzlich ist es empfehlenswert,
Konformationen mittels molekulardynamischer Rechnungen in Anwesenheit des eine
Komponente umgebenden Mediums zu ermitteln.
Abstract

Existent methods which connect quantum chemistry and statistical thermodynamics to predict
phase equilibria were investigated in this work. The main focus of this work laid particularly
on the application and further development of the COSMO-RS model.

Five groups of topics were studied and new solutions were presented:
1. Validation of the COSMO-RS model regarding the relevant components in chemical
engineering and their binary mixtures. The validation showed that predictions of the
binary vapour-liquid-equilibria of 136 systems were in good agreement with the
experimental data.
2. The influence of the different conformers of a molecule on the prediction of the phase
behaviour was investigated. By the example of the 2-butanol/water mixture it was shown
that the conformer with the lowest energy not necessarily gives the best results. In fact it
was essential to include all structures in the calculation that were found in a conformer
search.
3. Highly branched molecules with a large molecular weight show a specific phase
behaviour. An algorithm was developed to treat hyperbranched macromolecules quantum
chemically by cutting the molecules into subunits. Furthermore the COSMO-RS model
was extended by a Free-Volume term following the UNIFAC-Free-Volume model to
account for volume effects. By the example of a polyglycerin macromolecule having 20
hydroxyl-groups and a molecular weight of 1400 g/mol the phase behaviour of the ternary
mixture polyglycerin/ethanol/water could be modelled in good agreement with the
experimental data.
4. The COSMO-RS model was combined with the Peng-Robinson equation of state by
applying the Wong-Sandler mixing rules. The results demonstrated that predictions on the
basis of the atomic structure of the molecules and the critical data can be carried out up to
the supercritical region.
5. The energy concept of the COSMO-RS model was extended by a term including the
change in Gibbs free energy explicitly, when a cavity in a solvent is created. A concept
was developed which makes it possible to use the results of quantum chemical
calculations to derive a hard-sphere-diameter of any molecule. Vapour pressures of
different components of alkanes, alkenes, alcohols, aromatic compounds, ethers, ketones,
and aldehydes were calculated with the extended COSMO-RS model and compared to
experimental data at the normal boiling point. The deviations for alcohols were in the
range of 20%. For the other classes of components those deviations were notably larger.
The calculated vapour pressure sensitively responded to the different conformers of a
component. Thus the vapour pressure would be a sensor which enables the identification
of the relevant conformer of a molecule for calculations of the phase behaviour. Results
for the 2-pentanol, 1-hexanol, and 1-octanol, showed that conformers which deliver a
good description of the vapour pressure not in any case result in a good description of the
phase behaviour. It can be pointed out that all conformers found in a conformer search
should be used. Additionally it is recommended that conformers should be retrieved from
a molecular dynamics calculation which includes the presence of the surrounding media.
1 Einleitung und Zielsetzung dieser Arbeit

1.1 Einleitung

Die Vorhersage thermodynamischer Eigenschaften ist noch immer eine große


Herausforderung für den Verfahrensingenieur. In der chemischen und pharmazeutischen
Industrie nimmt die Vorhersage der physikalischen Eigenschaften eine stetig wachsende
Bedeutung ein, da Produktzyklen immer kürzer werden und die systematische Suche nach
innovativen Stoffen und Substanzen allein mit experimentellen Methoden nicht wirtschaftlich
ist.
Gegenwärtig haben sich zwei verschiedene Methoden zur Vorausberechnung etabliert, die es
nach der Anpassung von Reinstoff- und binären Wechselwirkungsparametern anhand
experimenteller Daten gestatten, thermodynamische Eigenschaften im allgemeinen und
Phasengleichgewichte im besonderen zu berechnen bzw. vorherzusagen. Zustandsgleichungen
haben in den letzten Jahren mit der Entwicklung leistungsfähiger Fluidmodelle eine große
Weiterentwicklung erfahren [CHAPMAN, 1989; GROSS, 2001a] und ermöglichen die
zuverlässige Beschreibung dichter Fluide. Zustandsgleichungen versagen allerdings, wenn
keine Reinstoffparameter angepasst werden können. Auf der anderen Seite steht die Gruppe
der gE-Modelle, die seit der Entwicklung der Gruppenbeitragsmethode [FREDENSLUND,
1975b] die Extrapolation auf Stoffe und Stoffgruppen ermöglicht, für die es keine oder nur
begrenzte experimentelle Daten gibt. Alle Methoden setzen eine umfangreiche Datenbasis
voraus, um die Parameter auf ein extrapolationsfähiges Level zu heben, so dass komplizierte
und zugleich wenig untersuchte Stoffe und Stoffgruppen nicht oder nur mit begrenzter
Zuverlässigkeit berechnet werden können. Gruppenbeitragsmethoden versagen, wenn keine
entsprechenden Gruppen existieren. Sie erfassen weiterhin nicht die physikalischen
Eigenschaften von Strukturisomeren nicht.

Durch die fortschreitende Entwicklung der Rechentechnik ist es in den letzten Jahren möglich
geworden, physikalische Eigenschaften von komplexen Molekülen mit quantenchemischen
Methoden immer genauer zu beschreiben. Für die thermodynamischen Eigenschaften sind
insbesondere Modelle interessant, die die Wechselwirkungseigenschaften erfassen und
berechnen. Hier gab und gibt es große Fortschritte auf dem Gebiet der Kontinuumsmodelle
für Lösungen. Bei diesen Modellen liegt der Fokus auf dem gelösten Molekül. Das
umgebende Lösungsmittel betrachtet man als Kontinuum. Kontinuumsmodelle liefern vor
allem eine genaue Beschreibung der elektrostatischen Wechselwirkungen, indem die
2

elektrostatische Abschirmung ermittelt wird. Dispersive Wechselwirkungen werden über


einen oberflächenproportionalen Ansatz erfasst. Da die Molekülgeometrie bei diesen
quantenchemischen Methoden zwangsläufig ermittelt wird, fällt die Moleküloberfläche quasi
automatisch an und ermöglicht die Berechnung der dispersiven Wechselwirkungen.
Kontinuumsmodelle haben gegenüber den herkömmlichen Methoden zur Ermittlung von
Molekülwechselwirkungen den enormen Vorteil, dass die in ihnen enthaltenen Parameter
atombasiert sind und nur einmalig an thermophysikalische Messdaten angepasst werden
müssen. Sie werden in den Modellen zu Konstanten.

1.2 Zielsetzung

Das Ziel dieser Arbeit ist es, die vorhandenen Methoden der Verknüpfung von
Quantenchemie und statistischer Thermodynamik als Vorhersagemethode für die benötigten
Größen der Phasengleichgewichtsthermodynamik zu untersuchen und zu erweitern. Hierbei
liegt das Hauptaugenmerk auf dem COSMO-RS-Modell [KLAMT, 1995b]. Dieses Modell
verbindet die Ergebnisse quantenchemischer Rechnungen von molekularen Strukturen mit der
statistischen Thermodynamik und ermöglicht aus der atomaren Struktur von Molekülen auf
ihr Wechselwirkungsverhalten in Lösung zu schließen. In verschiedenen Publikationen ist die
Anwendung auf verschiedene Fragestellungen der chemischen Industrie untersucht worden
[DIEDENHOFEN, 2003; ECKERT, 2002; ECKERT, 2003; FRANKE, 2002; JORK, 2005].

In der vorliegenden Arbeit wird das COSMO-RS-Modell auf die Anwendbarkeit hinsichtlich
der Vorausberechnung von Dampf-Flüssig- und Flüssig-Flüssig-Phasengleichgewichten
untersucht. Hierbei wird eine große Anzahl an Komponenten und ihrer binären Mischungen
über einen weiten Temperatur- und Druckbereich betrachtet.

Aufbauend auf diesen Ergebnissen soll überprüft werden, inwieweit das Modell auch für die
Vorhersage von Wechselwirkungen stark verzweigter und mit einer großen Anzahl an
funktionellen Gruppen behafteter molekularer Strukturen, den hyperverzweigten Polymeren,
geeignet ist. Dafür ist zunächst eine Methode zu entwickeln, die es erlaubt, die
quantenchemischen Rechnungen von Polymeren durchzuführen. Eine komplette
quantenchemische Geometrieoptimierung der betrachteten Strukturen ist aufgrund der Größe
der Moleküle gegenwärtig nicht möglich. Weiterhin soll das COSMO-RS-Modell für die
Betrachtung der Polymer/Lösungsmittelsysteme um einen Einflussterm erweitert werden, der
es ermöglicht, die unterschiedliche Dichteänderung von Polymer und Lösungsmittel zu
3

erfassen. Hier wird in Anlehnung an das UNIFAC-Free-Volume-Modell [OISHI, 1978] der


Free-Volume-Anteil zusätzlich zu den enthalpischen und entropischen Anteilen des
Aktivitätskoeffizienten im COSMO-RS-Modell implementiert.

Eine wichtige Einflussgröße bei der Berechnung von physikalischen Stoffeigenschaften aus
der molekularen Struktur stellt die Konformation eines Moleküls dar. In der vorliegenden
Arbeit soll untersucht werden, wie sich die verschiedenen Konformationen einer
Molekülstruktur auf den Aktivitätskoeffizienten in der Mischung auswirken und mit welchen
Methoden dem Anwender diese Konformationen zugänglich sind.

Das COSMO-RS-Modell liefert den Aktivitätskoeffizienten einer Komponente in der


Mischung. Damit sind der Anwendung bei der Berechnung von Phasengleichgewichten
Grenzen gesetzt, die sich aus den Phasengleichgewichtsbeziehungen ergeben. Die
Modellierung von Hochdruckphasengleichgewichten, wenn eine oder mehrere Komponenten
der Mischung überkritisch sind, ist mit dieser Methode nicht möglich, da es schwierig ist,
einen Standardzustand für überkritische Komponenten zu definieren. In dieser Arbeit soll auf
der Grundlage von Mischungsregeln für Parameter von Zustandsgleichungen, die auf der
Gleichheit von freien Exzessenthalpien der Zustandsgleichung und einem GE-Modell
aufbauen, das COSMO-RS-Modell verwendet werden, mit dem Ziel Mischungsparameter für
eine kubische Zustandsgleichung vorherzusagen.

Ein weiterer Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf der Erweiterung des Energiekonzeptes des
COSMO-RS-Modells um einen Term, der die Änderung der freien Enthalpie der Lösung
durch die Bildung einer Kavität im Lösungsmittel explizit enthält. Hierbei wird auf die
Arbeiten von Reiss [REISS, 1965] zurückgegriffen. Mit der von ihm entwickelten Scaled-
Particle-Theorie (SPT) lässt sich die Arbeit ermitteln, die notwendig ist, eine harte Kugel in
ein Fluid harter Kugeln einzufügen. Es wird dargelegt, wie sich aus dieser Arbeit die
Änderung der freien Enthalpie der Lösung darstellen lässt. Mit dem erweiterten
Energiekonzept sollen dann Reinstoffeigenschaften wie der Dampfdruck einer Komponente
abgeleitet werden. Weiterhin soll untersucht werden, ob sich aus den Ergebnissen für die
Reinstoffeigenschaften Regeln ableiten lassen, die zur Auswahl einer geeigneten
Molekülkonformation für die Mehrkomponentenphasengleichgewichte führen.
2 Grundlagen der Thermodynamik und der Quantenchemie

Thermodynamische Modelle für die zuverlässige Berechnung von Stoffeigenschaften stehen


dem Verfahrensingenieur heute zur Verfügung, wenn für die betrachteten Komponenten eine
breite Datenbasis vorhanden ist. Für die Vorhersage, insbesondere des
Wechselwirkungsverhaltens von Komponenten in Mischungen, bei geringer oder nicht
vorhandener Datenbasis bedarf es Methoden, die von der Struktur der Moleküle auf ihr
Wechselwirkungspotenzial schließen lassen. In diesem Kapitel wird das COSMO-RS Modell
[KLAMT, 1995a; KLAMT, 1998; KLAMT, 2000] vorgestellt, welches quantenchemische
Methoden in Kombination mit Ansätzen der statistischen Thermodynamik verwendet, um das
chemische Potenzial einer Komponente aus ihrer atomaren Struktur vorherzusagen. Im ersten
Unterkapitel 2.1 werden die betrachteten Methoden eingeordnet und von anderen
Entwicklungssträngen zur Vorausberechnung von Stoffeigenschaften abgegrenzt.
Unterkapitel 2.2 führt in die später benötigten Ansätze aus der Quantenchemie ein. Die
Verknüpfung von statistischen Methoden der Thermodynamik und der Quantenchemie wird
im Unterkapitel 2.3 am Beispiel des COSMO-RS Modells erläutert. Unterkapitel 2.4
diskutiert, wie Anzahl und Zustände koexistierender Phasen erfasst werden. Da sich ein Teil
der vorliegenden Arbeit mit dem Phasenverhalten am Beispiel von hyperverzweigten
Polymeren beschäftigt, werden deren Besonderheiten im Phasenverhalten in Unterkapitel 2.5
dargestellt. In Unterkapitel 2.6 werden die Grundlagen zur Verknüpfung von
Zustandsgleichungen mit Modellen für die Gibbssche Exzessenthalpie (GE-Modelle)
dargelegt.

2.1 Vorbemerkung zu den betrachteten Modellen und Methoden

Unter der Vorausberechnung von Stoffeigenschaften hat man in der phänomenologischen


Thermodynamik bis vor wenigen Jahren vor allem deren Abschätzung durch Korrelationen
erweiterter Theorien verstanden. Beispiele dafür sind Mischungsregeln für
Zustandsgleichungen oder die Anwendung von Gruppenbeitragsmethoden.
Gruppenbeitragsmethoden bilden eine große Anzahl von Molekülen auf eine kleine Anzahl
von Strukturgruppen ab. Vor allem das UNIFAC Modell [FREDENSLUND, 1975a;
FREDENSLUND, 1989] für die Berechnung der Aktivitätskoeffizienten von Komponenten in
Mischungen liefert zur Abschätzung und Vorhersage des realen Verhaltens der flüssigen
Phase für unterschiedlichste Stoffe gute Ergebnisse. Oft wird der Begriff Abschätzung und
5

Vorhersage synonym verwendet, wobei ersterer impliziert, dass er sich auf beobachtete bzw.
gemessene Daten stützt und das Ergebnis möglicherweise nur annähernd richtig sein kann.
Eine Vorhersage impliziert in jedem Fall, dass es sich um eine Berechnung bzw. Ableitung
handelt, die sich nicht auf bekannte Daten stützt.
Mit der fortschreitenden Entwicklung der Rechenkapazität ist es in den letzten Jahren
gelungen, das reale Verhalten von Reinstoffdaten und Mischungseigenschaften durch
Molekularsimulationen abzubilden und komplexe Wechselwirkungseffekte zu
berücksichtigen. Eine wichtige Stellung nimmt hierbei die Quantenmechanik ein, die
mögliche Energiezustände von mikroskopischen Systemen liefert. Sie wird in Zukunft zum
Bindeglied zwischen den molekularen Modellen und den beobachtbaren Größen werden und
sowohl in der statistischen wie auch in der phänomenologischen Thermodynamik
Modellparameter liefern. Mit ihr können für Molekularsimulationen notwendige Parameter
für Dipsersion, Kugeldurchmesser, Dipol- oder Quadrupolwechselwirkung sowie die
Positionen der Atomkerne berechnet werden [VRABEC, 2002]. In der phänomenologischen
Thermodynamik bietet die Quantenmechanik die Möglichkeit, Parameter für Modelle wie
UNIQUAC vorherzusagen [SANDLER, 2002; SUM, 1999].
Die Vorhersage von Phasengleichgewichten in Mischungen kann auf mehreren Wegen
erfolgen: Für Systeme bei moderaten Drücken und unterhalb der kritischen Punkte der
beteiligten Reinstoffe haben sich zur Berechnung Aktivitätskoeffizientenmodelle etabliert.
Mit der Entwicklung des UNIFAC Modells [FREDENSLUND, 1975a; FREDENSLUND,
1989] zur Vorhersage des Aktivitätskoeffizienten einer Komponente in einer Mischung ist es
möglich geworden, das reale Verhalten unbekannter Substanzen in der flüssigen Phase
vorherzusagen. Dies gelingt allerdings nur, wenn die Substanz aus den Strukturgruppen der
UNIFAC Matrix [WITTIG, 2003] zusammengesetzt werden kann. Bei hohen Drücken und
bei Überschreiten des kritischen Punktes der Komponenten finden Zustandsgleichungen
Anwendung. Die als thermische Zustandsgleichungen bezeichneten, liefern einen
mathematischen Zusammenhang zwischen dem Druck P, der Temperatur T und dem
bezogenen Volumen v bei vorgegebener Zusammensetzung. Ihre Zahl liegt seit der ersten
Veröffentlichung von van der Waals im Jahre 1873 heute bei mehr als Tausend. Bis es Mitte
der fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts zur Anwendung von leistungsfähigen Fluidtheorien
kam, waren es insbesondere semiempirisch entwickelte, kubische Zustandsgleichungen, die
bei der Modellierung des Phasenverhaltens von Mischungen angewendet wurden [PENG,
1976; SOAVE, 1972]. Insbesondere zur Beschreibung des Verhaltens von assoziierenden
Komponenten und Makromolekülen waren diese Gleichungen nicht ausreichend
6

leistungsfähig [DOHRN, 1994]. Der Ansatz, Mischungsregeln für Zustandsgleichungen auf


der Basis von Aktivitätskoeffizientenmodellen vorherzusagen und die Zustandsgleichung
damit zu einem Vorhersagemodelle für Mischungen weiterzuentwickeln [[HURON, 1979;
MICHELSEN, 1990b; VIDAL, 1978; WONG, 1992b], konnte diesen Nachteil größtenteils
aufheben.

2.2 Grundlagen der Quantenchemie

Unter dem Begriff Quantenchemie fasst man die die Anwendung der Quantenmechanik auf
chemische Probleme zusammen. Im Gegensatz zur klassischen Mechanik, in der Funktionen
beobachtbare Größen abbilden, werden in der Quantenmechanik die beobachtbaren Größen
durch Operatoren repräsentiert. Operatoren sind Anweisungen, eine bestimmte Aktion an
einer Funktion durchzuführen, beispielsweise eine Multiplikation oder eine Differentiation.
Die Quantenmechanik beruht auf einer Reihe von Postulaten, von denen das wichtigste
besagt, dass die vollständige Zustandsinformation in einer Funktion Ψ (r1 , r2 ,..., rn , t ) , der
Wellenfunktion, enthalten ist. Hierbei sind ri die Ortsvektoren der N Teilchen eines Systems
und t die Zeit. Ist die Wellenfunktion Eigenfunktion des Hamiltonoperators, dem Operator für
die Gesamtenergie des Systems, ist der dazugehörige Eigenwert die Energie des Zustandes, in
dem sich das System befindet. Das Quadrat der Wellenfunktion kann als Wahrscheinlichkeit
aufgefasst werden, dass sich Teilchen in einem differentiellen Volumenelement aufhalten.
Das Hauptaugenmerk der Quantenchemie richtet sich auf die Lösung der zeitunabhängigen
Schrödingergleichung und dabei insbesondere auf die Berechnung der Struktur von Atomen
und Molekülen. Die zeitunabhängige Lösung ist insofern ausreichend, da es sich in aller
Regel um stationäre Zustände der beschriebenen Moleküle handelt (z.B. Kernkonfiguration,
Bildungsenergie, Dipolmoment). Bei Vernachlässigung relativistischer Effekte ist die
zeitunabhängige Form der Schrödingergleichung [SCHRÖDINGER, 1926] durch folgenden
Zusammenhang gegeben:
ĤΨ = EΨ 2.1
Neben der Vernachlässigung relativistischer Effekte macht die Vernachlässigung von
Wechselwirkungen, welche mit dem Spin der Teilchen zusammenhängen, die
Schrödingergleichung zu einer Näherung. Vergleicht man Berechnungen, die auf dieser
Näherung beruhen, mit experimentellen Daten, kann sie im Rahmen der Untersuchung von
Molekülstrukturen als genau angenommen werden. Gleichung 2.1 enthält auf der linken Seite
den Hamilton Operator mit zwei Anweisungen:
7

a) die Wellenfunktion bezüglich der Raumkoordinaten zweimal in jede der


Raumrichtungen zu differenzieren und somit den Impuls der Teilchen – ihre kinetische
Energie – zu berücksichtigen
b) die Wellenfunktion mit der potenziellen Energie zu multiplizieren.

h2  ∂2 ∂2 ∂2 
2 2.2
Hˆ = −  2 + 2 + 2  + u ( x, y, z )
2m  ∂x ∂y ∂z 

Auf der rechten Seite der Gleichung 2.1 steht der zugehörige Eigenwert E der Funktion Ψ . Er
kennzeichnet die Energie des Systems beschrieben durch Ψ . Löst man Gleichung 2.1 unter
Berücksichtigung von 2.2, erhält man als Lösung die Eigenfunktionen Ψi (Quantenzustand

des Systems) und die Eigenwerte Ei (Energieniveaus dieses Zustandes i) des Operators Ĥ .
Es ist nahezu unmöglich eine exakte Formulierung für die Wellenfunktionen zu finden. Kein
Teilchen führt Bewegungen aus, die unabhängig von anderen Teilchen sind. Eine
geringfügige, aber wesentliche Vereinfachung der Schrödingergleichung konnte mit
Anwendung der Born-Oppenheimer Approximation eingeführt werden [BORN, 1927]. Dabei
werden die Bewegungen von Kernen und Elektronen in Molekülen entkoppelt. Dies kann
geschehen, da die Masse eines Atomkerns erheblich größer ist als die der Elektronen. Beim
Wasserstoffproton, dem leichtesten aller Kerne, liegt ein Faktor von 1800 vor; bei einem
Kohlenstoffkern liegt das Verhältnis bei etwa 20000.
Mit guter Näherung können die Bewegungen der Kerne vernachlässigt werden, ihre
kinetische Energie ist Null – sie befinden sich an fixierten Positionen, und nur ihre repulsive
Wechselwirkung trägt zur Energie des Systems als additive Konstante bei. Die Anwendung
der Born-Oppenheimer Approximation führt zur elektronischen Schrödingergleichung. Diese
kann für Systeme mit 2 Teilchen exakt berechnet werden. Für Mehrteilchen- bzw. für
Mehrelektronensysteme müssen Näherungsverfahren angewendet werden, die die
Bestimmung der Wellenfunktion und der Lösung der elektronischen Schrödingergleichung
ermöglichen.

2.2.1 Ab-initio und semi-empirische Methoden

Je nach Tiefe der Näherung unterscheidet man zwischen ab-initio und semiempirischen
Verfahren. Ab-initio Verfahren verwenden zur Lösung der Schrödingergleichung keine
andere Information als die Werte der Fundamentalkonstanten und die Kernladungen der
beteiligten Atome. Semiempirische Verfahren beziehen experimentelle Informationen in die
Lösungsverfahren ein. Ein Beispiel für ein ab-initio Verfahren ist die so genannte Hartree-
8

Fock-Näherung (HF) [SZABO, 1989]. Hier wird die Schrödingergleichung mit Hilfe von
genäherten Wellenfunktionen (Slaterdeterminanten) iterativ gelöst, um die Energie des
Systems zu bestimmen. Näherungsweise lässt sich ein herausgegriffenes Elektron so
behandeln, als würde es sich in einem Feld der positiven Kerne und der negativen
Ladungswolke der übrigen Elektronen bewegen, wobei die Bewegungen der übrigen
Elektronen ohne Einfluss auf die Bewegung des betreffenden Elektrons sind. Die
Mehrelektronenwellenfunktion wird in Einelektronenwellenfunktionen separiert. Die
entstehenden Einelektronenwellenfunktionen werden (Spin-)Orbitale genannt. Die
Molekülorbitale werden als Linearkombinationen der Atomorbitale gebildet. Die einzelnen
linear unabhängigen Funktionen werden als Basissatz bezeichnet. Für eine korrekte
Repräsentation der Molekülorbitale ist eine unendliche Anzahl an Funktionen erforderlich.
Mit einer endlichen Anzahl erreicht man eine näherungsweise Beschreibung der
Wellenfunktion.
In der HF-Näherung wird die Korrelationsbewegung der Elektronen vernachlässigt. Die so
genannten post-HF Modelle besitzen nachgeschaltete Korrekturalgorithmen, die z.B. eine
Linearkombination aus Slaterdeterminaten verwenden [ROOS, 1992] oder die Wellenfunktion
als exponentiell entwickelte Reihe darstellen (Coupled Cluster) [BARTLETT, 1989].
Die Anwendung der HF-Näherung bedeutet noch immer einen großen Rechenaufwand. Mit
den so genannten semiempirischen Methoden, die auf demselben Grundgerüst wie die ab-
initio Methoden basieren, werden Näherungen eingeführt, die den Rechenaufwand erheblich
reduzieren. Die wird zum einen erreicht, indem ausschließlich Valenzelektronen in die
Berechnungen einbezogen werden und für diese dann ein minimaler Basissatz verwendet
wird. Zum anderen besteht ein zentraler Ansatz semiempirischer Verfahren in der
Vernachlässigung differenzieller Überlappungen. Hier wird das Produkt zweier Atomorbitale
zu Null gesetzt, wenn sie verschiedenen Atomen angehören. Die Verfahren unterscheiden sich
in der kompletten oder teilweisen Vernachlässigung der Überlappungen. Verbleibende
Überlappungsintegrale werden aus experimentellen Daten wie Bildungsenthalpien oder
Molekülgeometrien abgeschätzt. Die bekanntesten Vertreter sind MNDO [DEWAR, 1977],
AM1 [DEWAR, 1985] und PM3 [DYMEK, Jr., 1989].

2.2.2 Dichtefunktionaltheorie

Quantenmechanische Berechnungen basieren zu allererst auf der Wellenfunktion. Wenn


allerdings nach einer beobachtbaren Größe gefragt wird, dann erscheint die Wellenfunktion in
den Berechnungen in Form ihres Quadrats, einem Erwartungswert bzw. einer
9

Wahrscheinlichkeitsdichte. Die Elektronendichte wird direkt durch das Quadrat der


Wellenfunktion ausgedrückt. Diese Eigenschaft wird in der Dichtefunktionaltheorie (DFT)
angewendet. Die Dichtefunktionaltheorie beschreibt die Energie eines Atoms oder Moleküls
durch die Elektronendichte ρe(r), genauer durch ein Energiefunktional E(ρe(r)), das
ausschließlich von der Elektronendichte abhängig ist. Die DFT bietet den Vorteil, dass die
verwendete Elektronendichte eine Funktion im dreidimensionalen Raum ist, während die
Wellenfunktion der Schrödingergleichung 3n dimensional ist.
Die Grundlage der heute bekannten und angewendeten zeitunabhängigen
Dichtefunktionaltheorie (DFT) bilden die beiden Hohenberg-Kohn Theoreme (1964) [KOCH,
2002]. Das erste Hohenberg-Kohn Theorem rechtfertigt den Einsatz der Elektronendichte als
Basisvariable der DFT. Hohenberg und Kohn haben bewiesen, dass die Energie eines
quantenchemischen Systems exakt aus der Elektronendichte im Grundzustand des Atoms oder
Moleküls berechnet bzw. als Funktional der Elektronendichte ausgedrückt werden kann. Der
Grundzustand, gekennzeichnet durch die geringste Gesamtenergie, ist vom externen Potenzial
Vext, d.h. von den positiven Kernladungen, abhängig. Daraus folgt, dass die kinetische Energie
der Elektronen, die Elektron-Elektron Wechselwirkungen und die Elektronendichte ρe(r)
durch das externe Potenzial festgelegt werden bzw. dass sie sich in einem externen Potenzial
so „einstellen“, dass das Gesamtsystem im Zustand der geringsten Energie ist. Koch et al.
[KOCH, 2002] und Parr et al. [PARR, 1989] bewiesen dieses Theorem und zeigten, dass es
keine verschiedenen externen Potenziale gibt, die zur gleichen Elektronendichte des
Grundzustandes führen. Die Gesamtenergie des Systems kann in einen systemabhängigen und
einen universal gültigen Anteil, das Hohenberg – Kohn Funktional FHK, zerlegt werden:
E0 [ ρ 0 ] = ENe [ ρ 0 ] + T [ ρ0 ] + Eee [ ρ0 ] 2.3
1
424 3 1442443
systemabhängig = FHK [ ρ0 ],
systemunabhängig

Das zweite Hohenberg-Kohn Theorem besagt, dass die Elektronendichte des Grundzustandes
mittels Variationsrechnung exakt berechnet werden kann. Für jede Elektronendichte ρ’(r)
eines n-Elektronensystems in einem externen Potenzial Vext gilt:
E0 ≤ E [ρ ' (r )] = E Ne [ρ ' (r )] + T [ρ ' (r )] + Eee [ρ ' (r )] 2.4

Hierbei sind ENe die elektrostatischen attraktiven Kern – Elektron Wechselwirkungen und Eee
die repulsiven Elektron – Elektron Wechselwirkungen.
1965 stellten Kohn und Sham [KOCH, 2002] einen Weg vor, mit dem eine Annäherung an
das unbekannte universelle Funktional möglich wird. Mit der Erkenntnis, dass die
Beschreibung der kinetischen Energie nicht durch ein explizites Dichtefunktional möglich ist,
10

schlugen Kohn und Sham die Verwendung eines nicht wechselwirkenden Referenzsystems
vor. Die kinetische Energie des realen Systems wird durch die kinetische Energie eines nicht
wechselwirkenden Ein-Teilchensystems TS(ρ), das durch Orbitalfunktionale beschrieben
werden kann, und einen Korrekturterm, der die Unterschiede zwischen der realen kinetischen
Energie T und dem Ein-Teilchensystems TS umfasst, ersetzt.
T [ρ (r )] = TS [ρ (r )] + TC [ρ (r )] 2.5

Der unbekannte Term der Elektron-Elektron Wechselwirkungen des Hohenberg-Kohn


Funktionals kann ebenfalls in bekannte und unbekannte Anteile zerlegt werden. Er setzt sich
zusammen aus dem Term der klassischen Wechselwirkungen zwischen zwei Elektronen EJ
und einem Korrekturterm EX, der alle nichtklassischen Anteile beinhaltet.
E ee [ρ (r )] = E J [ρ (r )] + E X [ρ (r )] 2.6

Durch Zusammenfassen der beiden Korrekturterme TC und EX zu


E XC [ρ (r )] = TC [ρ (r )] + E X [ρ (r )] 2.7

und Einsetzen von Gl. 2.5 und Gl. 2.6 in das erste Hohenberg-Kohn Theorem (Gl. 2.3) ergibt
sich
E = TS + EV + EJ + E XC 2.8

Der erste Term TS repräsentiert die kinetische Energie der Elektronen, der Zweite EV die
Wechselwirkungsenergie zwischen Elektronen und dem Atomkern. Der dritte Term EJ
berücksichtigt die Wechselwirkungen zwischen den Elektronen, unter der Annahme, dass sie
sich im elektrischen Feld des Atomkerns unabhängig voneinander bewegen. Der vierte Term
EXC stellt einen Korrekturterm dar, weil sich Elektronen im Ladungsfeld des Atomkerns
abhängig voneinander bewegen und abstoßende Effekte der Elektronen untereinander zur
Änderung der kinetischen Energie führen. Der bisher unbekannte Anteil der kinetischen
Energie TS wird mit Hilfe der HF-Theorie berechnet. Für den hier unbekannten Korrekturterm
EXC sind in der Literatur verschiedene Näherungen beschrieben [KOCH, 2002].
Die DFT hat sie sich als Standardmethode zur Berechnung von Molekülgeometrien und
Elektronendichten von Molekülen durchgesetzt. Für weiterführende Informationen zur DFT
und der enthaltenen Näherungen sei auf die Veröffentlichungen von Koch und Holthausen
[KOCH, 2002], Parr und Yang [PARR, 1989], Dreizler und Gross [DREIZLER, 1990]
hingewiesen.
11

2.2.3 Kontinuumsmodelle – Moleküle in Lösung

Mit den in den Kapiteln 2.3.1 und 2.2.2 vorgestellten Methoden betrachtet man in aller Regel
ein einzelnes Molekül in der Gasphase. Dies ist zwar ausreichend für die Berechnung der
Molekülstruktur, Wechselwirkungen in kondensierten Medien können so aber nicht
beschrieben werden. Hierfür bietet sich das Konzept der impliziten Berücksichtigung von
Molekülen an, die ein gelöstes Molekül umgeben. Diese umgebenden Molekülen werden als
Kontinuum aufgefasst und die Reaktion des gelösten Moleküls auf das umgebende
Kontinuum modelliert. Die fundamentale Größe zur Beschreibung des Lösungsvorganges ist
die Freie Enthalpie des Lösungsvorganges ∆Gsolv. Sie drückt den Unterschied der Freien
Enthalpie eines Moleküls aus, das aus der Gasphase in eine kondensierte Phase übergeht.
Ben-Naim [BEN NAIM, 1987] definiert den Lösungsvorgang wie folgt: Geht ein Molekül bei
konstanter Temperatur und konstantem Druck von einer festen Position aus der Gasphase an
eine feste Position in der fluiden oder flüssigen Phase, so nennt man diesen Vorgang
Solvation. Für theoretische Betrachtungen kann es sinnvoll sein, den Vorgang bei konstantem
Volumen anstatt bei konstantem Druck zu betrachten. Nach Ben-Naim gibt es bezüglich der
Konzentration der gelösten Substanz keine Beschränkungen. Diese kann von unendlicher
Verdünnung bis zur stark konzentrierten Lösung reichen, selbst das Lösen einer Komponente
i in sich selbst wird abgedeckt. Darüber hinaus werden keine Annahmen bezüglich der
Struktur der flüssigen Phase gemacht. Damit unterscheidet sich die Definition des
Lösungsvorganges von der in der Chemie üblichen, die nur den Bereich der stark verdünnten
Lösung abdeckt, da dort von der vollständigen Abschirmung des gelösten Moleküls vom
Lösungsmittel ausgegangen wird.
Die Änderung der freien Enthalpie G setzt sich aus zwei Anteilen zusammen:
1. Einfügen von Teilchen in das System an eine feste Position (Lösungsvorgang nach Ben-
Naim)
2. Aufheben der Beschränkung der festen Position
Das chemische Potential der Komponente i für den Lösungsvorgang kann danach formuliert
werden als:
µ i = µ i* + kT ln ρ i Λ3i (2.9)

wobei µ i* das pseudochemische Potential der Komponente i ist, welches dadurch


gekennzeichnet ist, dass die Teilchen in ihrer Position fixiert sind. Der zweite Term auf der
rechten Seite der Gleichung stammt aus der klassischen statistischen Mechanik und beschreibt
die Differenz des chemischen Potentials von fixierten und „freien“ Teilchen. Er enthält die
12

Teilchenzahldichte ρi der Komponente i, die Boltzmann-Konstante k, die absolute Temperatur


T und Λ3i ist die Zustandssumme des Impulses. Λ3i ist definiert als:

h3
Λ3i = (2.10)
(2πmkT ) 2 / 3
Hier ist h das Plancksche Wirkungsquantum. Λ hat die Dimension einer Länge und wird auch
als de-Broglie Wellenlänge oder thermische Wellenlänge bezeichnet.
Diese Definition des Lösungsvorganges und der damit verbundenen Energieänderung des
Systems hat sich in der Thermodynamik von Lösungsvorgängen durchgesetzt [TOMASI,
1994].
Für den oben definierten Prozess kann die Änderung der freien Enthalpie des
Lösungsprozesses ∆G*sol wie folgt definiert werden:
∆G *sol = ∆G *cav + ∆G *rep + ∆G *disp + ∆G *el (2.11)
Dabei haben die einzelnen Terme folgende Bedeutung:
1. ∆G*cav ist die Änderung der freien Enthalpie, die durch das Schaffen eines Hohlraumes
(Kavität) im Lösungsmittel für die gelöste Substanz entsteht.
2. ∆G*rep ist die Änderung der freien Enthalpie aufgrund repulsiver Wechselwirkungen.
3. ∆G*disp ist die Änderung der freien Enthalpie aufgrund von ungerichteten, dispersiven
Wechselwirkungen.
4. ∆G*el ist die Änderung der freien Enthalpie aufgrund von elektrostatischen
Wechselwirkungen.
Kontinuumsolvensmodelle beschreiben den letzten Term ∆G*el explizit. Das Kontinuum ist
ein homogenes, isotropes elektrisches Feld, charakterisiert durch eine einzige skalare Größe,
der Dielektrizitätskonstante ε . Die Grundlagen für diese Klasse von Modellen wurden von
Born [BORN, 1920], Onsager [ONSAGER, 1936] und Kirkwoord [KIRKWOOD, 1939]
gelegt. Die Wechselwirkung eines gelösten Teilchens mit dem Lösungsmittel hängt
signifikant von seiner Ladungsverteilung und Polarisierbarkeit ab. Die Ladungsdichte des
gelösten Teilchens wird in aller Regel mit quantenmechanischen Methoden ermittelt. Das
Kontinuum wird oft auch „Reaktionsfeld“ genannt, da es eine Reaktion auf das gelöste
Teilchen hervorruft. Dieses Reaktionsfeld wird im Hamilton-Operator des gelösten Teilchens
eingebunden und ändert damit die elektronische Struktur. Dies wiederum ändert die
Polarisierung des Lösungsmittels. Die elektronische und geometrische Struktur des gelösten
Teilchens wird durch eine Iteration bis zur Selbstkonsistenz ermittelt (self consistent reaction
field, SCRF). Als Starwerte für die Iteration werden Punktladungen auf der Oberfläche des
13

Moleküls definiert. Das daraus resultierende Potenzial des Moleküls und des Reaktionsfeldes
werden in den Hamiltonoperator eingebunden. Aus der Wellenfunktion werden damit neue
Werte für die Oberflächenladungen bis zur Selbstkonsistenz berechnet.
Alle Kontinuumsmodelle definieren eine Kavität, in der sich das Teilchen befindet. Das
Volumen und Form dieser Kavität ist eine entscheidende Größe. Ist sie zu groß, wird der
Effekt des Kontinuums gedämpft, ist sie zu klein, treten Fehler in der Bestimmung der
Elektronendichte für Atome nahe der Kavitätsgrenze auf. Ist Größe und Form der Kavität
bestimmt, kann das elektrostatische Problem gelöst werden. Relativ einfach ist dies für
sphärische Kavitäten, bei denen man mit der Poisson-Gleichung der klassischen Elektrostatik
das elektrostatische Potenzial mit einer geschlossenen Funktion angeben kann. Die
Polarisationsenergie, die proportional zur Freien Enthalpie ist, erhält man aus dem
Volumenintegral über der Ladungsdichte und dem elektrostatischen Potenzial. Bei den
bekanntesten Kontinuumsmodellen, dem Polarized Continuum Model (PCM) [MIERTUS,
1981] und dem Conductor-like Screening Model (COSMO) [KLAMT, 1993] hat sich ein
Weg etabliert, der eine frei geformte Kavität konstruiert, indem überlappende Sphären um die
Atome des Moleküls gelegt werden, die einen etwa 20% größeren Durchmesser haben als die
van-der-Waals-Radien der entsprechenden Atome. Bei dieser Art von Kavitäten hat sich ein
anderes Vorgehen zur Lösung des elektrostatischen Problems etabliert. Die Poisson-
Gleichung, bzw. die Poisson-Boltzmann-Gleichung im Falle von Elektrolyten, wird nicht im
dreidimensionalen Gitter der Kavität gelöst, sondern das Problem auf die Grenzfläche
Kavität-Kontinuum abgebildet. Aus der Volumenladungsdichte wird eine
Oberflächenladungsdichte. Sowohl das oben angesprochene PCM-Modell, als auch das
COSMO-Modell basieren auf diesem Ansatz. Da das umgebende dielektrische Kontinuum als
unendlich ausgedehnt betrachtet wird, ist für die Wechselwirkung zwischen gelöstem
Teilchen und Kontinuum nur die Ladungsdichte an der Grenzfläche relevant, wiedergegeben
durch die Oberflächenladungsdichte σ(r). Die Genauigkeit der Berechnungen hängt von der
Feinheit der Einteilung der Oberfläche in Segmente ab. Die Ladungsdichte σ(r), am Punkt r
auf der Kontaktoberfläche ist eine Funktion des Normalenvektors n(r) auf der Oberfläche und
der dort herrschenden Feldstärke E(r) sowie der Dielektrizitätskonstante ε des Kontinuums
(dielektrische Randbedingung).
4πεσ (r) = (ε − 1) n(r) E (r) (2.12)

Im COSMO-Modell haben Klamt und Schüürmann das Kontinuum als perfekten Leiter mit
der Dielektrizitätskonstante ε=∞ betrachtet. Jedes Segment der Kontaktoberfläche wird einem
14

Atom explizit zugewiesen. Dem realen Lösungsmittel, bzw. seinem dielektrischen Ersatz,
wird durch Skalierung der Abschirmungsladungen des perfekten elektrischen Leiters
Rechnung getragen. Diese Skalierung beruht auf der von Kirkwood [KIRKWOOD, 1939] für
Dipole abgeleiteten Skalierungsfunktion:
ε −1
f l (ε ) =
1 (2.13)
ε+
2
Der Vorteil des COSMO Ansatzes liegt in der mathematischen Vereinfachung, die eine
direkte Integration des abschirmenden Kontinuums in den Hamilton Operator, bzw. bei DFT
Rechnungen in das Energiefunktional, erlaubt. Damit ist es möglich, die Geometrie und die
Abschirmungsladungen eines Moleküls auf quantenchemisch hohem Niveau zu ermitteln.
Eine COSMO-Rechnung liefert in Anwesenheit des abschirmenden Lösungsmittels die
selbstkonsistente Geometrie einer Molekülstruktur, die dielektrische Abschirmungsenergie ∆ ,
die Ladungsdichten der in Segmente eingeteilten Teilchenoberfläche und die molekulare
Oberfläche A. Die dielektrische Abschirmungsenergie wird berechnet als Differenz des
Energiegehalts des Solvatmoleküs im perfekten elektrischen Leiter und im Vakuum und ist
ein Maß für die elektrostatischen Wechselwirkungen während des Solvatationsvorganges.
Über die Oberfläche lassen sich dispersive Wechselwirkungen beschreiben.

2.3 Das COSMO-RS Modell

Eine Erweiterung des COSMO-Modells durch Klamt [KLAMT, 1995a] ermöglicht die
Berechnung des chemischen Potenzials einer Komponente zu beliebig vielen anderen
Komponenten, d.h. in Mischungen. In dieser Erweiterung – COSMO-RS (Conductor-like
Screening Model for Real Solvents) werden Moleküle als Ansammlung von paarweise
wechselwirkenden Oberflächensegmenten behandelt. Die Wechselwirkungen der
Oberflächensegmente, die aus den COSMO-Rechnungen stammen, gehen in einem
selbstkonsistenten Ausdruck für das chemische Potenzial ein, der aus der statistischen
Thermodynamik abgeleitet ist, und ermöglichen so z.B. die Berechnung des
Aktivitätskoeffizienten einer Komponente. Zunächst werden alle beteiligten Komponenten
einer Mischung durch die auf ihrer Oberfläche ausgebildeten Abschirmungsladungsdichten,
die sich bei Einbettung in einen idealen Leiter einstellen würden, charakterisiert. Die
Häufigkeitsverteilung p(σ) der auf der Moleküloberfläche vorhandenen Ladungsdichten σ
charakterisiert jede Komponente eindeutig.
Mischungen können dargestellt werden, wenn die Verteilungsfunktion der Ladungsdichten
15

entsprechend der Zusammensetzung der Mischung gewichtet wird.

p (σ ) = ∑ xi pi (σ ) (2.14)
i

Das Integral von pi (σ ) über den gesamten σ-Bereich ist die Gesamtoberfläche Ai der

Komponente i. Damit lässt sich ein normalisiertes σ –Profil angeben:


p (σ ) p (σ )
p' (σ ) = =
(2.15)
A ∑ xi Ai
i

Ausgehend vom Zustand des im idealen Leiter gelösten Moleküls, das als Ensemble von
Oberflächensegmenten vorliegt, kann das chemische Potenzial einer Komponente i abgeleitet
werden. In diesem Zustand hat die Komponente i die Energie des Systems S schon um die
Beiträge des Transportes aus der idealen Gasphase und – teilweisen – Etablierung in der
flüssigen Phase geändert. Diese Beiträge sind ∆G*cav, ∆G*rep und ∆G*disp.
Das chemische Potenzial der Oberflächensegmente einer Komponente wird von Klamt aus
der Zustandssumme des Ensembles von N elektrisch geladenen Oberflächensegmenten
hergeleitet [KLAMT, 1995a].
  µ (σ ' ) − aeff e(σ , σ ' ) 
µ (σ ) = − RT ln  ∫ dσ ' p(σ ' ) exp  (2.16)
  RT 
Der Ausdruck µ (σ ) erscheint auf beiden Seiten der Gleichung, weshalb diese iterativ gelöst
werden muss. Mit dem Startwert µ (σ ) ≡ 0 konvergiert sie schnell.
Zusammenfassend kann für das chemische Potenzial einer Komponente i folgende Gleichung
angegeben werden:
µ iS = ∆i − δAi + µ i (σ ) + µ icomb (2.17)
Ein Vergleich mit Gleichung 2.11 zeigt, dass mit dem COSMO-RS Modell zwei Terme der
freien Enthalpie des Lösungsvorganges explizit erfasst sind, zum einen der
oberflächenproportionale Dispersionsanteil und zum anderen der elektrostatische Anteil. Der
in Gleichung 2.17 als µ comb bezeichnete kombinatorische Anteil nach Staverman-Guggenheim
berücksichtigt die verschiedene Größe und Gestalt der Moleküle. Klamt et al. haben für die
Methode Parameter mit konkreter physikalischer Bedeutung durch Anpassung an
experimentell bestimmte Gleichgewichtsdaten bestimmt. Die ausgewählten Stoffe decken
einen großen Bereich der häufigsten funktionellen Gruppen bestehend aus den Elementen H,
16

C, N, O und Cl ab. Es sind acht universelle sowie zwei elementspezifische Parameter


angepasst worden, die, einmal festgelegt, für alle beliebigen aus den genannten Elementen
bestehenden Substanzen gültig sind. Nachfolgend werden die Parameter kurz erläutert:
Die in der COSMO-Rechnung bestimmten idealen Abschirmladungsdichten werden über
Teiloberflächen gemittelt, die durch einen Radius rav bestimmt sind. Diese Mittelung ist
notwendig, da im Modell von konstanter Ladungsdichte auf den Flächensegmenten
ausgegangen wird. Die gesamte Oberfläche Ai eines Moleküls wird in n = Ai /Aeff
Kontaktoberflächen unterteilt. Der Segmentradius reff, der die effektive Kontaktfläche Aeff der
unabhängigen Oberflächensegmente bestimmt, ist ebenfalls ein anzupassender Parameter. Mit
der Anpassung eines Misfit-Energiefaktors α' wird die Näherung, ein Lösungsmittel über die
Dielektrizitätskonstante zu skalieren, korrigiert.
Obwohl der elektrostatische Anteil der Wasserstoffbrücken durch COSMO-RS gut
beschrieben wird, ist der Energiegewinn, der mit der gegenseitigen Durchdringung der
Elektronenhüllen von Donator und Akzeptor einhergeht, nicht ausreichend berücksichtigt
worden. Für Substanzen, die Wasserstoffbrücken ausbilden, wurden zwei Parameter, chb und
σhb, eingeführt. Damit wird die Wechselwirkungsenergie E(σ,σ'), die bisher nur die Misfit-
Energie charakterisierte, um den folgenden Term erweitert:
Ehb (σ ,σ ' ) = chb max[0,σ acc − σ hb ] min[0,σ don + σ hb ] (2.18)
σacc und σdon geben dabei den größeren und kleineren Wert von σ bzw. σ' an. Dieser
Wasserstoffbrückenterm wird nur aktiv, wenn Oberflächenladungen von Segmenten die
Werte σacc und σdon überschreiten. Er stellt somit einen Schwellwertterm dar.
Für die Berechnung von chemischen Potenzialen in der Gasphase trägt ein Parameter ω den
an einem Ring im Molekül beteiligten Atomen Rechnung und ein Parameter η beschreibt die
Entropie in der Gasphase bezüglich eines Standardzustandes der flüssigen Phase. Die für die
Atome anzusetzenden Radien Rk bei der Beschreibung der Moleküloberfläche wurden
elementspezifisch angepasst. Ebenso stellte es sich als sinnvoll heraus, die
Dispersionskonstante δ aus Gl. 2.17 für die Elemente separat zu betrachten, so dass sich die
Dispersionskonstante eines aus k Elementen bestehenden Moleküls entsprechend ∑δ k Ak

zusammensetzt, wobei δk die elementspezifischen Konstanten und Ak die korrespondierenden


Oberflächenanteile sind.
Abb. 2.1 gibt einen Überblick über die Schritte zur Ermittlung des Sigma-Profils einer
Komponente. Zunächst wird eine Startmolekülstruktur generiert (a), die in der
quantenmechanischen Rechnung mit der COSMO-Randbedingung optimiert wird (b). Durch
17

die Einteilung der Oberfläche der Kavität in Segmente kann jedem Segment eine
Ladungsdichte zugeordnet werden (c,d), die in einer Häufigkeitsverteilung, dem Sigma-Profil,
resultiert.

Abbildung xx. Prinzip COSMO-RS


Abb. 2.1 Herleitung der selbstkonsistenten Berechnungsgleichung für das chemische Potenzial

Ausgangspunkt ist ein Ensemble mit N Segmenten, die eine Abschirmungsladungsdichte σ


besitzen.
Ein Segment wird mit dem Index 0 bezeichnet, die restlichen mit 1 bis N-1 durchnummeriert.
Die Zustandssumme des Ausgangssystems ist Z. Es wird angenommen, dass das chemische
Potenzial µ(σ) für jeden Wert von σ bekannt ist. Es lautet:
dZ
µ (σ ) = − kT (2.19)
dN (σ )

Für ein System mit großer Anzahl N gilt:


Die Wegnahme von zwei Segmenten i und j ist gegeben durch die alte Zustandssumme,
gewichtet durch den Boltzmann Faktor:
 µ (σ i ) + µ (σ i ) 
Z exp  (2.20)
 kT 

Die Degeneration eines Ensembles von Segmenten ist 2N/2(N/2)!, d.h. die Degeneration des
Originalensembles ist um den Faktor N größer als die des Ensembles, aus dem zwei Segmente
entfernt wurden.
Die Wahrscheinlichkeit p(0,i) eine Paarung 0,i im Originalensemble zu finden, ist gegeben
18

durch die Boltzmann gewichtete „Misfit-Energie“ von Paar 0,i, der Zustandssumme von
Ensemble ohne 0 und i und der Zunahme der Degeneration vom Startensemble verglichen mit
dem verkleinerten Ensemble:
 − 1 / 2a eff α ' (σ 0 + σ i ) 2 
p (0, i ) = N ⋅ exp  ⋅ Z ⋅ exp µ (σ 0 ) + µ (σ i )  (2.21)
 kT   kT 
 
Degeneration Misfit Wegnahme von 0 und i

Segment 0 wird nun mit allen N-1 Segmenten gepaart. Die Zustandssumme vom
Ausgangssystem ist die Summe aller N-1 Wahrscheinlichkeiten, Segment 0 in einem Paar 0,i
zu finden:
 − 1 / 2a eff α ' (σ 0 + σ i ) 2 
 ⋅ Z ⋅ exp µ (σ 0 ) + µ (σ i ) 
N −1 N −1
Z = ∑ p(0, i ) = ∑ N ⋅ exp (2.22)
 kT   kT 
i =1 i =1  

Das Auflösen dieser Gleichung nach µ(σ) und gleichzeitiges Dividieren durch Z*exp(-
µ(σ0)/kT) sowie Logarithmieren führt zu:
 N −1  (1 / 2a eff α ' (σ 0 + σ i ) 2 − µ (σ i )) 
µ (σ 0 ) = −kT ln  N ⋅ ∑ exp −  (2.23)
 
 i =1  kT 

Für große N kann die Summe statt bis N-1 bis N ersetzt werden. Statt der Summe wird das
Integral N ∫ p (σ ' )dσ ' geschrieben und weiterhin µ(σ0) durch µ(σ) ersetzt

 2  (1 / 2aeff α ' (σ + σ ' ) 2 − µ (σ ' ))  


µ (σ ) = −kT ln  N ⋅ ∫ p (σ ' ) exp − dσ ' (2.24)
  kT  
  
Nach der Normalisierung des Ensembles auf 1mol Segmente wird mit
µ (σ ) = −kT ln(n) + µ ' (σ ) und n = N / N mol (2.25)

  (1 / 2aeff α ' (σ + σ ' ) 2 − µ ' (σ ' ))  


µ ' (σ ) = −kT ln  ∫ p' (σ ' ) exp − dσ ' (2.26)
  kT  
  

Durch die Normalisierung hebt sich die Anzahl der Segmente N und damit auch das Quadrat
von N aus Gleichung 2.24 auf.
19

p’(σ’) bezeichnet hier die Wahrscheinlichkeit, den Wert der Ladungsdichte σ’ („’“ ist eine
allgemeine Bezeichnung für das andere ursprünglich als „i“ bezeichnete Segment.) im
normalisierten Ensemble zu finden, ausgedrückt durch „’“ in der Bezeichnung des
normalisierten Sigmaprofils:
p (σ ) p (σ )
p' (σ ) = = (2.27)
AS ∑x A
i
i i

Wahrscheinlichkeit und Sigmaprofil sind Synonyme. Die Einführung des normalisierten


Ensembles erfolgt allein aus Gründen der Übersichtlichkeit.
Als Ergebnis einer COSMO-RS-Rechnung liegt das chemische Potenzial einer Komponente i
in einer Mischung vor. Der Aktivitätskoeffizient kann standardmäßig wie folgt geschrieben
werden:
 µi − µ i0 
γ i = exp 
 (2.28)
 RT 
Hierbei gilt zu beachten, dass der Standardzustand des COSMO-RS Modells das reine
Segmentensemble ist.
20

2.4 Phasengleichgewichtsbeziehungen

Ein Reinstoff oder eine Mischung mehrerer Komponenten in einem geschlossen System
befindet sich im Zustand des Gleichgewichts, wenn die innere Energie U des Systems als
Funktion seiner Fundamentalvariablen das Minimum erreicht hat, d.h. wenn es keine
Zustandsänderung gibt, die zu einer weiteren Abnahme der inneren Energie führt. Das System
kann dabei eine homogene Phase bilden oder in mehreren koexistierenden Phasen vorliegen.
Die Gleichgewichtsthermodynamik gibt Auskunft über die Zusammensetzung der
auftretenden Phasen und deren Anzahl bei vorgegebener Temperatur und vorgegeben Druck.
Aus dem Minimum der inneren Energie, bei konstantem Volumen V, konstanter Entropie S
und konstanter Gesamtstoffmenge können Gleichgewichtsbedingungen abgeleitet werden
(z.B. [PRAUSNITZ, 1999]). Danach definiert sich der Zustand des Gleichgewichts über die
Gleichheit der Temperaturen T ϕ , der Drücke P ϕ und der chemischen Potenziale µ ϕ aller
Komponenten i in allen Phasen ϕ .
In einem aus π Phasen und k Komponenten bestehenden System lauten die die Beziehungen
wie folgt:
T I = T II = ... = T ϕ = T π (2.29a)
P I = P II = ... = P ϕ = P π (2.29b)

µ i I = µ i II = ... = µ i ϕ = µ i π i = 1...k (2.29c)

Man spricht auch von thermischem, mechanischem und stofflichem Gleichgewicht.


Das chemische Potenzial einer Komponente, das gleich der partiellen molaren Gibbsschen
Enthalpie ist, über die Fugazität ausgedrückt werden.
fi
g i = µ i = µ 0i (T , P ) + RT ln (2.30)
f 0i

Daraus ergibt sich das Isofugazitätskriterium (Gl. 2.31), welches den vereinfachten
Ausgangspunkt für die Berechnung von Phasengleichgewichten bildet.
f i I = f i II = ... = f iϕ = f i n (2.31)
Bei Mischungen, die in π Phasen und k Komponenten vorliegen, legt die Gibbssche
Phasenregel die Zahl der vorzugebenden Größen fest:
F = 2 −π + k (2.32)
F Zahl der Freiheitsgrade
21

2.4.1 Aktivität und Aktivitätskoeffizient


Zur Beschreibung von realen flüssigen Mischungen wird die Aktivität ai eingeführt. Sie ist
definiert als Quotient aus der Fugazität fi einer Gemischkomponente und der
Standardfugazität f0i der gleichen Komponente.
fi
ai = (2.33)
f 0i

Der dimensionslose Aktivitätskoeffizient γi wird durch das Verhältnis aus Aktivität ai und
einem beliebigen Konzentrationsmaß, hier dem Molenbruch xi, beschrieben.
ai
γi = (2.34)
xi
Als Bezugszustand für die Mischung realer Flüssigkeiten wird der Zustand des reinen Stoffes
bei Systemtemperatur und Systemdruck verwendet. Unter diesen Bedingungen kann das
chemische Potenzial als Funktion des chemischen Potenzials des reinen realen Stoffes, der
Konzentration und des Aktivitätskoeffizienten dargestellt werden.
µ i = µ 0i (T , P ) + RT ln xi + RT ln γ i (2.35)

2.4.2 Phasengleichgewichtsbeziehung
Ausgangspunkt für die Phasengleichgewichtsberechnung ist das Isofugazitätskriterium (Gl.
2.31). Unter Verwendung des Fugazitätskoeffizienten ϕi, der als Quotient aus der Fugazität fi
und dem Partialdruck Pi der Komponente i definiert ist, wird die Fugazität f iV einer
Komponente i in der Dampfphase wie folgt beschrieben:
f iV = xiV ϕ iV P (2.36)
Für die Beschreibung einer Komponente in der flüssigen Phase wird der Aktivitätskoeffizient
γi sowie die Standardfugazität f0i verwendet, die mit Hilfe des Dampfdruckes P0LV
i , dem

Fugazitätskoeffizienten ϕ 0LVi des reinen Stoffes und dem Pointing-Faktor Π0i ausgedrückt

wird.
f i L = xiLγ i f 0i = xi γ i P0LV (2.37)
LV
i ϕ 0 i Π 0i

Wenn zwei Phasen im Gleichgewicht stehen, von denen die eine dampfförmig (V) und die
andere flüssig (F) ist, lautet die Phasengleichgewichtsbeziehung:
xiV ϕ iV P = xiLγ i P0LV (2.38)
LV
i ϕ 0i Π 0 i
22

Unter der Annahme gleicher Fugazitätskoeffizienten in der Mischung und im reinen Stoff und
einer Entfernung des Systemdrucks vom Dampfdruck von kleiner als 10bar vereinfacht sich
Gl. 2.38 zu
xiV P = xiL γ i P0LV
i (2.39)
Das Phasengleichgewicht eines Systems kann berechnet werden, wenn die
Aktivitätskoeffizienten und die Reinstoffdampfdrücke der beteiligten Komponenten bekannt
sind. Für Gemische, die über ausgeprägte Wechselwirkungen in der Dampfphase verfügen
wie zum Beispiel Systeme mit Säuren, muss der Fugazitätskoeffizient mit einer
Zustandsgleichung berechnet werden.
Stehen zwei flüssige Phasen I und II im Gleichgewicht, folgt aus Gl. 2.31 und Gl. 2.37 für die
Phasengleichgewichtsbeziehung:
xiI γ iI = xiII γ iII (2.40)
23

2.5 Eigenschaften und Phasenverhalten von hyperverzweigten Polymeren

Dendritische Polymere sind im Gegensatz zu linearen Polymeren stark verzweigte, mehr oder
weniger kugelförmige Makromoleküle, die sich entsprechend ihrer molekularen Struktur in
Dendrimere und hyperverzweigte Polymere unterscheiden lassen. Als Dendrimere werden
monodisperse Polymere bezeichnet, die eine perfekt verzweigte, kugelförmige Struktur mit
einer großen Anzahl funktioneller Gruppen an der Moleküloberfläche aufweisen. Im
Gegensatz dazu weisen hyperverzweigte Polymere in der dreidimensionale Molekülstruktur
Unregelmäßigkeiten auf, die durch den Syntheseprozess bedingt sind (siehe folgendes
Kapitel). Einen umfangreichen Überblick über stark verzweigte Polymere, deren molekularen
Aufbau und ihre Synthese geben Tomalia et al. [TOMALIA, 1990], Hult et al. [HULT, 1999]
und Seiler [SEILER, 2002b].
Für die Modellierung des Phasenverhaltens solcher hyperverzweigten Polymere existieren
gegenwärtig nur wenige Ansätze. Diese beruhen auf Molekularsimulationen [MANSFIELD,
1993] [LESCANEC, 1990; NAYLOR, 1989], wobei hier vor allem die regelmäßigen
Dendrimere untersucht werden, auf Gittermodellen [BAWENDI, 1987; DUDOWICZ, 1990;
FREED, 1989; FREED, 1992; FREED, 1996; JANG, 1999; JANG, 2002b; JANG, 2002a]
und auf Free-Volume Aktivitätskoeffizientenmodellen [KOUSKOUMVEKAKI, 2002;
SEILER, 2004c]. Aufgrund der komplexen dreidimensionalen Molekularstruktur der
hyperverzweigten Moleküle haben die aktuellen Ansätze zur Beschreibung
thermodynamischer Eigenschaften Struktureigenschaften noch nicht die gewünschte Güte und
Vorhersagekraft, insbesondere fehlt bei Molekularsimulationen von komplexen
dreidimensionalen Molekülen die Vorhersage des Phasengleichgewichts, bei Gittermodellen
sind viele experimentelle Daten zur Phasengleichgewichtsberechnung notwendig. In dieser
Arbeit wird der Ansatz verfolgt das COSMO-RS-Modell um einen Free-Volume-Term zu
erweitern und durch diese Kombination den Einfluss der verzweigten Struktur und der
funktionellen Gruppen auf das Phasengleichgewicht zu beschreiben. Damit ist es möglich
direkt aus der molekularen Struktur das Phasenverhalten vorherzusagen.
Zunächst werden in diesem Kapitel die Eigenschaften hyperverzweigter Polymere erläutert
und anschließend der Ansatz zur Modellierung des Phasenverhaltens vorgestellt.

2.5.1 Struktureller Aufbau und Eigenschaften hyperverzweigter Polymere

Dendrimere und hyperverzweigte Polymere werden durch Polymerisation aus Monomeren der
Struktur AnB (n ≥ 2) hergestellt. Dabei reagieren ausschließlich die Funktionalitäten A und B
miteinander. Die entstehende, hochverzweigte Polymerstruktur besitzt eine funktionelle
24

Gruppe B und viele endständige Funktionalitäten A (Abb. 2.1). Innerhalb des


Polymermoleküls treten drei sich wiederholende Einheiten auf, die ebenfalls in Abb. 2.1
dargestellt sind. Dendritische Einheiten (D) sind vollständig reagiert und ideal verzweigt, d.h.
alle Funktionalitäten des Monomers sind eine Bindung eingegangen. Lineare Einheiten (L)
besitzen eine nicht reagierte funktionelle Gruppe A, während in den endständigen terminalen
Einheiten (T) keine der Funktionalitäten A eine Bindung eingegangen ist [BURGATH, 1998].
A terminale
A Einheit (T)
dendritische Einheit (D) A
A

A A
Polymerisation A
B A
B

A A

A
A
lineare Einheit (L)

Abb. 2.2 Schematische Darstellung der Herstellung von hyperverzweigten Polymeren aus A2B -
Monomeren und der im Polymer vorliegenden dendritischen, linearen und terminalen Einheiten [HULT,
1999].
Der Verzweigungsgrad (engl.: Degree of Branching DB) sagt aus, wie stark verzweigt das
hyperverzweigte Polymer im Vergleich zu einem ideal verzweigten Dendrimer ist.
2D
DB = (2.41)
2D + L
D stellt den Anteil der dendritischen und L den Anteil der linearen Einheiten am
Polymermolekül dar. Beide Anteile können mittels NMR – Spektroskopie bestimmt werden
[BURGATH, 1998; HOELTER, 1997]. Der Verzweigungsgrad von Dendrimeren beträgt 1,
während lineare Moleküle einen Verzweigungsgrad von 0 besitzen. Hyperverzweigte
Polymere nehmen eine Stellung zwischen diesen beiden Grenzfällen ein.
Das Lösungsverhalten hyperverzweigter Polymere hängt sehr stark von der Art, der Anzahl
und der Orientierung der funktionellen Gruppen ab. Die Löslichkeit kann gezielt durch die
Auswahl der funktionellen Gruppen (z.B. hydrophob oder hydrophil) eingestellt werden.
Dabei ergibt sich die Orientierung der Endgruppen aus den Wechselwirkungen zwischen den
Endgruppen der Polymerketten und den Lösungsmittelmolekülen [SEILER, 2002b].
Insbesondere diese Eigenschaft macht hyperverzweigte Polymere zu interessanten
Zusatzstoffen in der thermischen Trenntechnik. Sie können einem engsiedenden oder
azeotropen Gemisch hinzu gegeben werden, um spezifische Wechselwirkungen mit einer der
Komponenten einzugehen [SEILER, 2002a].
25

2.5.2 Phasenverhalten von hyperverzweigten Polymerlösungen

Bei der Herstellung von Polymeren laufen zahlreiche Reaktionsschritte (Initialisierungs-,


Kettenwachstums- und Abbruchreaktionen) ab, die zu unterschiedlich großen Molekülen
führen. Polymere sind deshalb immer Mischungen zahlreicher Moleküle, die in Kettenlänge
und Kettenverzweigung statistisch verteilt vorliegen. Man bezeichnet diese Eigenschaft als
Polydispersität. Diese Eigenschaft lässt sich insbesondere an der Molmassenverteilung
demonstrieren.
Die Häufigkeit einer bestimmten Molmasse wird durch die Molmassenverteilung erfasst.
Lagemaßzahlen der Statistik kennzeichnen eine solche Verteilung der Molmasse. Allgemein
bezeichnet man sie auch als Momente einer Verteilung. Zur Kennzeichnung von Polymeren
haben sich das Zahlenmittel Mn, das Massenmittel Mw, das Zentrifugenmittel Mz und das
Viskositätsmittel Mη etabliert. Sie sind definiert als:
k k k
M n = ∑ ni M i ∑ ni = ∑ x i M i Zahlenmittel
i =1 i =1 i =1 (2.42)

Mn ist das 1. Moment oder auch der Mittelwert einer häufigkeitsgewichteten


Molmassenverteilung.

k k k
M w = ∑ mi M i ∑ mi = ∑ wi M i Massenmittel (2.43)
i =1 i =1 i =1

Mw ist das 1. Moment oder auch der Mittelwert einer massengewichteten


Molmassenverteilung.
Abb. 2.3 zeigt beispielhaft eine unsymmetrische Verteilungsfunktion der Molmasse und die
dazugehörenden Lagemaßzahlen. Die Häufigkeitswerte sind mit einer Hosemann-Schramek-
Verteilungsfunktion generiert (Parameter a=1,5; b=0,0003; c=1,5).
26

0.16
Mn
0.14
Mw
0.12

0.1 Mz
Häufigkeit

0.08

0.06

0.04

0.02

0
0 5000 10000 15000 20000 25000 30000
Molmasse Polymer

Abb. 2.3 Hosemann-Schramek-Verteilungsfunktion und ihre Lagemaßzahlen


Enthält ein Polymer viele verschieden große Moleküle, steigt die Breite der
Molmassenverteilung. Ein Maß für die Breite ist die Uneinheitlichkeit U. Sie ist definiert als:

U =   −1
Mw
M n  (2.44)

Aufgrund der strukturellen Eigenschaften der Polymere ergibt sich ein von niedermolekularen
Substanzen abweichendes Verhalten im Phasengleichgewicht. Zunächst wird ein
monodisperses Polymer betrachtet. Da Polymere ein gegenüber dem Lösungsmittel hohes
Molekulargewicht haben, wird in den Phasendiagrammen statt des Molenbruchs der
Massenbruch einer Komponente i aufgetragen. Er ist definiert als:

mi (2.45)
wi =
∑ mi

Dampf – Flüssig – Gleichgewicht in Polymer-Lösungsmittel-Systemen


Zwei Punkte bestimmen das Aussehen des Dampf – Flüssig – Gleichgewichtes (VLE):
• das Polymer besitzt einen Dampfdruck nahe Null und ist damit im Dampf praktisch
nicht vorhanden
und
• das Polymer löst sich fast nicht im Dampf.
Dies führt zu einer Verzerrung der Taulinie. Sie schmiegt sich eng an die Koordinatenlinien
und wird in der Regel nicht dargestellt. Abbildung 2.4 zeigt die Unterschiede zwischen
27

niedermolekularem (a) und hochmolekularem (b) System.

P P

L
L
LV LV
P1 PLM

LV
LV
P2
LV V

LV
PPolymer
0 w1 1 0 wPolymer 1
(a) (b)

Abb. 2.4: Dampf-Flüssig-Gleichgewicht eines niedermolekularen (a) und eines hochmolekularen Stoffes (b) mit
einem Lösungsmittel im P-w-Diagramm (schematisch)

Folglich vereinfacht sich Gleichung 2.39 zu:


L
P = x LM γ LM P0LV
, LM (2.46)
Der Druck kann bei Vorgabe der Temperatur und der Lösungsmittelkonzentration in der
flüssigen Polymerlösung direkt – ohne Iteration – berechnet werden.

2.5.3 Flüssig – Flüssig – Gleichgewicht


Bei hohen Drücken und insbesondere bei höheren Molmassen findet man neben dem VLE
häufig auch eine Flüssig-Flüssig-Entmischung (LLE) (Abb. 2.5).
28

Abb. 2.5: Flüssig-Flüssig-Phasengleichgewicht eines Polymer-Lösungsmittel-Systems im P-w-Diagramm


(schematisch)

Die Löslichkeit von Polymeren in Lösungsmitteln wird sowohl durch die chemische Struktur
des Polymers, als auch durch die chemische Struktur des Lösungsmittels bestimmt. Für die
Charakterisierung des Phasenverhaltens von Polymerlösungen müssen folgende drei
Einflussfaktoren betrachtet werden [RASMUSSEN, 1989]:
1. Wechselwirkungen zwischen den Gemischkomponenten:
Hier wird zwischen gerichteten und ungerichteten Wechselwirkungen
unterschieden. Dipolkräfte und Wasserstoffbrückenbindungen sind gerichtete
Wechselwirkungen, die über große Molekülabstände hinweg wirken. Ungerichtete
Wechselwirkungen beruhen auf Dispersionskräften. Diese Kräfte werden auch als
van-der-Waals Kräfte bezeichnet.
2. Molmasse der Polymere:
Kleine Moleküle lösen sich besser als große Moleküle, so dass eine Erhöhung der
Molmasse bei konstantem Polymergehalt und konstanter Temperatur zunächst zur
Entmischung der Lösung in zwei flüssige Phasen führt.
3. Unterschiede in den freien Volumina
Durch eine unterschiedliche, temperaturabhängige Dichteänderung von Polymer
und Lösungsmittel tritt bei hohen Temperaturen (und Drücken) eine Flüssig-
Flüssig Entmischung auf [PRAUSNITZ, 1999]. Allerdings konnte gezeigt werden,
29

dass die Berücksichtigung des Effekts, der auch als Free-Volume Effekt bezeichnet
bezeichnet wird. Bei Dampf-Flüssig-Phasengleichgewichten führt ein
entsprechender Term in der Modellierung zu einer spürbaren Verbesserung in der
Modellierung [IWAI, 1981; KOUSKOUMVEKAKI, 2002; SEILER, 2004c].

Free-Volume Term für die Erfassung der Unterschiede in den freie Volumina
Die bekanntesten Aktivitätskoeffizientenmodelle zur Berücksichtigung des Free-Volume
Effektes sind das von Oishi und Prausnitz [OISHI, 1978] vorgestellte UNIFAC-FV und das
durch Elbro [ELBRO, 1990] vorgeschlagene Entropic-FV Modell. Die Aktivitätskoeffizienten
für die Lösungsmittel in einem Polymer-Lösungsmittel System werden in diesen beiden
Modellen durch Terme beschrieben, die die enthalpischen und entropischen Effekte bei der
Mischung von unterschiedlichen Komponenten berücksichtigen.
Die Beschreibung der enthalpischen Effekte erfolgt durch den residuellen Term des
UNIQUAC Modells [ABRAMS, 1975; KIKIC, 1980]. Die entropischen Effekte werden durch
zwei Terme beschrieben, wobei der kombinatorische Term aus dem ursprünglichen UNIFAC
Modell [FREDENSLUND, 1975a; FREDENSLUND, 1989] übernommen wird. Der zweite
Term zur Beschreibung des „Free-Volume“- Effektes wurde von Oishi und Prausnitz aus der
Flory-Zustandsgleichung abgeleitet.
ln γ i = ln γ ires + ln γ ikomb + ln γ iFV (2.47)
In der Flory-Zustandsgleichung beschreibt der binäre Parameter χ12 die Unterschiede in den
Wechselwirkungen, die im UNIFAC Modell durch den residuellen Term berücksichtigt
werden. Mit χ12 = 0 ergibt sich der gesuchte Beitrag zum Lösungsmittelaktivitäts-
koeffizienten [OISHI, 1978].

 v~i1 / 3 − 1  v~ 1  
−1

ln γ i
FV
= 3ci ln  ~1 / 3  − ci  ~ − 11 − ~1 / 3  
i
(2.48)
 vm − 1  vm  vi  

Das reduzierte Volumen eines Lösungsmittels v%i wird aus dem spezifischen Volumen vi des
Lösungsmittels und dem van-der-Waals-Volumen vi,vdW des Lösungsmittels bestimmt.
vi
v~m = (2.49)
bvi ,vdW

Das reduzierte Volumen der Mischung ergibt sich unter Verwendung der Massenbrüche zu:
30

∑w v i i
v~m = i
(2.50)
b∑ w v i i ,vdW
i

Das van-der-Waals Volumen einer Komponente i berechnet sich aus einem von Abrams et al.
[ABRAMS, 1975] hergeleiteten Faktor und dem Molekülvolumen ri’.
vi ,vdW = 15,17ri' (2.51)
Das Molekülvolumen ergibt sich im UNIFAC Modell aus der Addition der relativen van-der-
Waals Gruppenvolumina Rk’ multipliziert mit der Häufigkeit der funktionellen Gruppe νk.
Hierbei steht der Index i für die betrachtete Komponente i und der Index k für funktionelle
Gruppen aus denen die Moleküle der Komponente i zusammengesetzt werden.
ri' = ∑ vk Rk' (2.52)
k

Die physikalischen Bedeutungen der Parameter b und c des UNIFAC-FV Modells werden in
der Literatur diskutiert. Der geometrische Faktor b ist von Oishi und Prausnitz [OISHI, 1978]
an experimentelle Daten angepasst worden und zu b =1,28 gesetzt. Tande et al. [TANDE,
2002] verwenden für den b Parameter Werte zwischen 1,28 und 1,66 für die Modellierung
von Polymer - Lösungsmittel Systemen. Sie schlagen vor, den b-Parameter als die Fähigkeit
der Lösungsmittelmoleküle anzusehen, in das Volumen des Polymermoleküls eindringen zu
können.
Der Parameter ci wird von Beret und Prausnitz [BERET, 1975] als die Anzahl der
Freiheitsgrade eines Moleküls beschrieben, die sich durch Rotation, Translation und Vibration
ergeben. Im UNIFAC-FV Modell wird er von Oishi et al. [OISHI, 1978] für verschiedene
Lösungsmittel zu ci =1,1 gesetzt. Zur Abschätzung von physikalisch sinnvollen ci-Parametern
wird von Kontogeorgis et al. [KONTOGEORGIS, 1993] der Quotient aus UNIFAC Volumen
ri und UNIFAC Oberfläche qi des Lösungsmittels vorgeschlagen:
ri
ci = (2.53)
qi
Eine Ausnahme stellt das technisch wichtige Lösungsmittel Wasser dar. Lindvig [LINDVIG,
2002] beschreibt, dass der „Free-Volume“-Effekt in Polymer-Wasser-Systemen klein ist, da
sich Wasser und Polymere bezüglich ihres freien Volumens ähnlich verhalten. Um den
zusätzlichen entropischen Anteil, der sich aus dem „Free-Volume“-Term ergibt, zu
vernachlässigen, wird der ci Parameter für Wasser auch in dieser Arbeit zu cWasser = 0 gesetzt.
31

2.5.4 Erweiterung des COSMO-RS Modells um einen Term für die Erfassung des Free-
Volume-Effektes

Wie im COSMO-RS Modell werden im ursprünglichen UNIFAC-Modell die


Aktivitätskoeffizienten durch einen residuellen und einen kombinatorischen Term
beschrieben. Beiden Modellen liegt ein Ensemble von paarweise wechselwirkenden
Oberflächeneinheiten zugrunde, so dass der Oberflächenanteil Θm im UNIFAC-Modell dem
σ-Profil im COSMO-RS-Modell entspricht1 [KLAMT, 2000]. Daraus ergeben sich Parallelen
zwischen dem UNIFAC-FV und dem COSMO-RS-Modell, wenn berücksichtigt wird, dass im
COSMO-RS-Modell kein Term zur Beschreibung des „Free-Volume“-Effekts vorgesehen ist.
Um aus dem „Free-Volume“-Effekt resultierende entropische Anteile an den
Aktivitätskoeffizienten beschreiben zu können, wird das COSMO-RS Modell um den im
UNIFAC-FV verwendeten FV-Term erweitert. Dazu werden die van-der-Waals-Volumina
durch die aus COSMO- Rechnungen ermittelten Molekülvolumina der Gemischkomponenten
ersetzt. Die reduzierten Volumina der Komponenten und der Mischung ergeben sich wie
folgt:
vi
v~i = (2.54)
bvi ,COSMO

∑w v i i
v~m = i
(2.55)
b∑ w v i i ,COSMO
i

Dieses Vorgehen ist möglich, da das COSMO-Volumen der Moleküle dem mit dem
geometrischen Faktor b multiplizierten van-der-Waals-Volumen aus dem UNIFAC-Modell
entspricht.
vCOSMO ≈ bvvdW (2.56)
Die Ergebnisse in Tab. 2.1 zeigen, dass dieser Zusammenhang für die betrachteten Polymere
gültig ist. Für die kleineren Moleküle Ethanol und Wasser stimmt dieser Zusammenhang
näherungsweise. Aufgrund der von Tande et al. [TANDE, 2002] vorgeschlagenen Werte des
b-Parameters, für die dieser Zusammenhang nicht gilt, wird nur das van-der-Waals-Volumen
durch das COSMO-Volumen ersetzt.

1
Das Integral des Sigmaprofils ergibt die Oberfläche des Moleküls.
32

Tab. 2.1: Vergleich der COSMO- Volumina und der van-der-Waals-Volumina mit b = 1,28

COSMO- van-der-Waals Volumen b*van-der-Waals-


Komponenten Volumen aus UNIFAC Volumen
3 3
[cm /g] [cm /g] [cm3/g]
Ethanol 0,912 0,848 1,086
Wasser 0,855 0,725 0,927
PEG400 0,753 0,589 0,754
PEG1000 0,724 0,582 0,745
PEG3400 0,714 0,556 0,711

Ähnliche Ergebnisse beschreiben Klamt und Eckert [KLAMT, 2000]. Ihre Vergleiche zeigen,
dass mit Ausnahme des Wasserstoffs der COSMO-Radius eines Elements etwa 17% größer
ist als der van-der-Waals-Radius desselben Elements. Dieses Ergebnis stimmt gut mit der
Beobachtung überein, dass die Radien in dielektrischen Kontinuumsolvensmodellen (CSM)
ebenfalls 20% größer sind als die van-der-Waals-Radien [KLAMT, 2000]. Die Unterschiede
ergeben sich daraus, dass van-der-Waals-Radien das Molekül beschreiben, während COSMO
und die Kontinuumsolvensmodelle den Radius einer Hülle im Dielektrikum benutzen. Diese
Differenz im Radius entspricht einem Volumenunterschied von ca. 30%, um den der b-
Parameter im COSMO-RS Modell im Vergleich zu den vorgeschlagenen Werten reduziert
wird [OISHI, 1978; TANDE, 2002].
33

2.6 Zustandsgleichungen und Mischungsregeln

Das COSMO-RS-Modell liefert zur Modellierung von Phasengleichgewichten in allererster


Linie den Aktivitätskoeffizienten einer Komponente in einer mehrkomponentigen flüssigen
Mischung. Diese Information ist ausreichend, um Flüssig-Flüssig oder Dampf-Flüssig
Phasengleichgewichte in unterkritischen Systemen zu berechnen (vgl. Kapitel 2.4). Für die
Berechnung von Hochdruckphasengleichgewichten und in Systemen mit überkritischen
Komponenten werden thermische Zustandsgleichungen zur Modellierung des
Phasenverhaltens angewendet. Für Aktivitätskoeffizientenmodelle ist es schwierig, einen
Standardzustand für überkritische Komponenten zu definieren.
Für die große Gruppe der kubischen Zustandsgleichungen soll im folgenden Abschnitt ein
Verfahren eingeführt werden, das es ermöglicht, die a-priori Fähigkeiten des COSMO-RS
Modells im Rahmen einer kubischen Zustandsgleichung zu nutzen.
Eine thermische Zustandsgleichung stellt den Zusammenhang zwischen den intensiven
Variablen Temperatur (T), Druck (P) und der bezogenen Dichte (v) in einem mathematischen
Zusammenhang für einen Reinstoff her. Unter der Vorraussetzung, dass dieselbe
Zustandsgleichung auch für die Mischung anwendbar ist, wurden Regeln eingeführt, die
Mischungsparameter liefern. Dieses Vorgehen wird als van-der-Waals Ein-Fluid Modell
bezeichnet. Eine Grenzbedingung für die Konzentrationsabhängigkeit der Parameter der
Zustandsgleichung lässt sich mit der Virialgleichung angeben. Die Virialgleichung kann mit
Hilfe der statistischen Mechanik abgeleitet werden und ist die einzige volltheoretische
Zustandsgleichung. Der Realgasfaktor Z wird als Reihenentwicklung in der Moldichte bzw.
dem spezifischem Volumen v angegeben:
Pv B C
= 1 + + 2 + ... (2.57)
RT v v
Die Virialkoeffizienten B, C,… sind nur von der Temperatur abhängig. Der Zusammenhang
gilt für reale Fluide allerdings nur für ein Polynom mit unendlich vielen Gliedern. Für einen
Reinstoff ist gemäß der Phasenregel der Druck von zwei Variablen abhängig, der Temperatur
und der Dichte. Im Fall der Mischung aus j Komponenten muss der Druck eine Funktion von
j+1 Variablen sein, der Temperatur T und den volumenbezogenen Stoffmengen der
jeweiligen Komponenten i ni/V. Bei konstanter Temperatur existiert eine Polynomdarstellung
des Druckes, die nur von den ni/V Variablen abhängig ist. Es ergibt sich folgende
Konzentrationsabhängigkeit der Virialkoeffizienten:
34

B = ∑∑ xi x j Bij
i j
(2.58)
C = ∑∑∑ xi x j xk Cijk
i j k

Wird die van der Waals Zustandsgleichung


RT a
P= − 2 (2.59)
v−b v
als Polynom in (b/v) dargestellt
Pv ∞
b a
= ∑  − (2.60)
RT n=0  v  RTv
erkennt man, der Virialgleichung folgend, dass die Grenzbedingung im Limit für P → 0 dem
quadratischen Zusammenhang in der Konzentration
a  a 
B = ∑∑ xi x j Bij = b − = ∑∑ xi x j  b −  (2.61)
i j RT i j  RT  ij

folgen muss. Dies gilt für alle zweiparametrigen Zustandsgleichungen der van-der-Waals-
Familie.
Im Allgemeinen haben sich die so genannten van-der-Waals Ein-Fluid-Mischungsregeln
Regeln durchgesetzt:
a = ∑∑ xi x j aij
i j
(2.62)
b = ∑∑ xi x j bij
i j

Um die Kreuzkoeffizienten aij und bij zu erhalten, werden die Reinstoffparameter wie folgt
kombiniert:

aij = aii a jj (1 − k ij )
(2.63a)
bii + b jj
bij = (1 − lij ) (2.63b)
2
Die Parameter kij und lij sind binäre Wechselwirkungsparameter und werden allgemein an
experimentelle Daten binärer VLE angepasst. Der Parameter lij wird üblicherweise zu Null
gesetzt, womit sich Gleichung 2.63b zu
b = ∑ xi bi (2.64)
i

vereinfacht. Der kij-Parameter ist für nahezu ideale Mischungen, wie z.B. Alkanmischungen
nahe Null, wohingegen er bei nichtidealen Mischungen größere Abweichungen von Null zeigt
und sich ebenfalls in Abhängigkeit von der Temperatur ändert. Zeigt eine Mischung ein
35

deutliches Abweichen vom idealen Mischungsverhalten, kann diese mit den van-der-Waals
Ein-Fluid Mischungsregeln nicht mehr beschrieben werden.
Abbildung 2.6 zeigt dieses stark nichtideale Verhalten für das System Aceton-Wasser bei
333.15K, berechnet mit der nach Stryjek und Vera modifizierten Zustandsgleichung
[STRYJEK, 1986a; STRYJEK, 1986b; STRYJEK, 1986c; STRYJEK, 1986d].

1.4

1.2

0.8
P / bar

0.6

0.4

0.2

0
0 0.2 0.4 0.6 0.8 1
x,yAceton

Abb. 2.6 Binäres Dampf-Flüssig Phasengleichgewicht Aceton-Wasser bei 333.15K


experimentelle Daten (Taylor,A.E., Vapor-Pressure Relations in Mixtures of Two Liquids. I., J. Phys. Chem.,
1900, 290-305)

Eine erfolgreiche Änderung der Mischungsregeln konnte erstmals durch Vidal [VIDAL,
1978] und später Huron und Vidal [HURON, 1979] vorgeschlagen werden. Die Beobachtung
zeigt, dass Aktivitätskoeffizientenmodelle eine gute Wiedergabe der Gibbsschen
Exzessenthalpie, also der Nichtidealität des Mischungsverhaltens, liefern. Dies gilt auch für
höhere Dichten, d.h. für hohe Drücke. Eine Grenzbedingung für das Limit für P → ∞ lautet
demzufolge:
g γE (T , P = ∞, x) = g ZGL
E
(T , P = ∞, x) (2.65)

gγE (T , P = ∞, x) und E
g ZGL (T , P = ∞, x) sind die Gibbsschen Exzessenthalpien des

Aktivitätskoeffizientenmodells und der Zustandsgleichung bei unendlichem Druck.


36

Mit der zusätzlichen Annahme, dass das Exzessvolumen vE bei unendlichem Druck gleich
Null ist, d.h. v E = 0 = b − ∑ xi bi , konnte folgende Mischungsregel abgeleitet werden:

a a 
g ∞E = − − ∑ xi ii  (2.66)
b i bii 

b = ∑ xi bi (2.67)
i

Damit gelang die Berechnung von nichtidealen Systemen wie Aceton-Wasser mit der Peng-
Robinson Zustandsgleichung [PENG, 1976]. Nachteilig wirkt sich die Bedingung des
unendlichen Druckes aus. Die Gibbssche Exzessenthalpie ist eine Funktion des Druckes und
nimmt bei unendlichem Druck einen anderen Wert an als bei niedrigen Drücken. Das ist der
Grund, weshalb es unmöglich ist, Parametertabellen von GE-Modellen, die bei niedrigen
Drücken angepasst worden sind zu verwenden. Da durch die Nebenbedingung des
verschwindenden Exzessvolumens, Gleichung 2.67 angewendet werden muss, kann kein lij-
Parameter herangezogen werden, um die Mischungsgrößen zu korrigieren. Darüber hinaus
wird die quadratische Mischungsgleichung für den zweiten Virialkoeffizienten als
Grenzbedingung für niedrige Dichten nicht erreicht. Diese Grenzbedingung ist zwar zunächst
eher von theoretischem Interesse, weil sie thermodynamische Inkonsistenzen widerspiegelt.
Betrachtet man die Berechnungsgleichung für den Fugazitätskoeffizienten an,

1  RT  ∂P  
V

RT ∞∫  V  ∂ni T ,V ,n 
ln ϕ i =  −   dV − ln z (2.68)
 j 

so fällt auf, dass die Konzentrationsabhängigkeit des Druckes bei allen Dichten – auch im
Grenzfall – den Fugazitätskoeffizienten beeinflusst. Diese Einschränkungen haben zur
Weiterentwicklung dieser so genannten GE-Mischungsregeln geführt, sowohl am unteren
Limit (P->0) als auch am oberen (P->∞) [HOLDERBAUM, 1991; MICHELSEN, 1990a;
MICHELSEN, 1990b; ORBEY, 1995a; PENELOUX, 1989; WONG, 1992b].
Wong und Sandler [WONG, 1992b; WONG, 1992a] haben eine Mischungsregel entwickelt,
die sowohl bei hohen als auch niedrigen Dichten das gewünschte Verhalten der
Zustandsgleichung ermöglicht und bestehende Parametertabellen von GE-Modellen nutzbar
macht. Sie gehen wie Huron und Vidal ebenfalls von der Gleichheit der Exzessenthalpien bei
unendlichem Druck aus, vermeiden aber deren Inkonsistenzen, indem sie ihre
Mischungsregeln zunächst in der freien Exzessenergie f E
formulieren und mit folgenden
Annahmen die Verknüpfung zur freien Exzessenthalpie gelangen:
Mit
37

g E = f E + Pv E (2.69)
kann man für kleine Drücke erkennen, dass:
g E (T , P1bar , x) ≈ f E (T , P1bar , x) (2.70)

da der PvE-Term sehr klein ist. Die freie Exzessenergie f E


ist im Bereich von flüssigen
Dichten relativ insensitiv gegenüber dem Druck
f E (T , P1bar , x) ≈ f E (T , P → ∞, x) (2.71)
und folglich
g E (T , P1bar , x) ≈ f E (T , P → ∞, x) . (2.72)
Für die Gruppe der zweiparametrigen kubischen Zustandsgleichungen ergibt sich am Limit
P → ∞ für die freie Exzessenergie:

f E (T , P → ∞, x) 1 a a 
=  − ∑ xi ii  . (2.73)
RT RT  b i bii 

Gegenüber der gleichen Formulierung in der Gibbsschen Exzessenthalpie

g E (T , P → ∞, x) 1 a a  P
=  − ∑ xi ii  + ∑ x (b − b ) .
i ii (2.74)
RT RT  b i bii  RT i

sieht man, dass die Annahme des verschwindenden Exzessvolumens im Falle der freien
Exzessenergie nicht getroffen werden muss und demzufolge auch der Freiheitsgrad in
Gleichung .6a erhalten bleibt. Für eine zweiparametrige kubische Zustandsgleichung ergibt
sich aus der Grenzbedingung für den zweiten Virialkoeffizienten (siehe Gleichung 2.61):
a  a 
b− = ∑ ∑ xi x j  b −  (2.75)
RT i j  RT ij

Der Ausdruck (b−a/(RT)) stellt den konzentrationsunabhängigen, zweiten


Kreuzvirialkoeffizienten dar, wobei der Kreuzterm durch

 a  1  aii   a jj 
b −  =  bii −
RT  ij 2 
 +  b jj −  1 − kij
RT 
( ) (2.76)
 RT  

gegeben ist und aus den Reinstoffparametern berechnet wird.


Es sei darauf hingewiesen, dass Gleichung 2.75 keine Vorschrift für die Mischungsparameter
a und b einzeln liefert, sondern diese in der Summe im Ausdruck auf der linken Seite der
Gleichung 2.75 zusammengefasst sind. Die notwendige zweite Gleichung ergibt sich aus der
Verknüpfung von Gl. 2.72 und Gl. 2.75 und gilt für ein beliebiges GE-Modell:

GγE a a
= − ∑ xi i (2.77)
CRT bRT i bi RT
38

Die Konstante C ist abhängig von der gewählten Zustandsgleichung.


In verschiedenen Untersuchungen [ORBEY, 1993; WONG, 1992a] ist der Einfluss des
binären Wechselwirkungsparameters untersucht worden und es zeigte sich, dass er durch
Umformulierung des Kreuztermes der Mischungsregel eliminiert werden kann. Eine andere
Forderung ist der stetige Übergang der Mischungsregel in die van-der-Waals Ein-Fluid-
Mischungsregel für Systeme bzw. binäre Paarungen innerhalb eines Systems, die sich ideal
mischen. Orbey und Sandler [ORBEY, 1995b] haben dafür den Kreuzterm Gl. 2.75 in der
folgenden Weise umformuliert:

 a  1 ai a j
b −  = (bi + bi ) − (1 − kij ) (2.78)
 RT  ij 2 RT

Zur Berechnung der Gibbsschen Exzessenthalpie verwenden sie das von Huron und Vidal
[HURON, 1979] modifizierte NRTL-Model:
 ∑ x j G jiτ ji 
GγE  j 
= ∑ xi  
RT i  ∑ xk Gki 
 k  (2.79)
und
G ji = b j exp(−ατ ji )

Der Unterschied zum ursprünglichen NRTL-Modell liegt in der Definition der lokalen
Zusammensetzung, welche zu der Einführung des Volumenparameters bj in der Berechnung
von Gij führt. bj ist der Volumenparameter der reinen Komponente j aus der verwendeten
kubischen Zustandsgleichung. Orbey und Sandler fanden, dass das Phasengleichgewicht mit
folgenden Annahmen und der Kenntnis des Aktivitätskoeffizienten bei unendlicher
Verdünnung vorhergesagt werden kann:
− der Parameter α wird mit einem konstanten Wert vorgegeben
− der binäre Wechselwirkungsparameter kij sei Null.
Damit ergibt sich folgende Bestimmungsgleichung für den Parameter der lokalen
Zusammensetzung τij:
b1
τ 21 = ln γ 12∞ − τ 12 exp(−ατ 12 ) (2.80)
b2

Für die in der chemischen Industrie weit verbreitete Peng-Robinson-Zustandsgleichung


[PENG, 1976]
RT a (T )
P= − (2.81)
v − b v (v − b ) + b (v + b )
39

gilt für C (siehe Gl. 2.77)


1
C= ln( 2 − 1) (2.82)
2
Genau wie die van-der-Waals-Gleichung enthält die Peng-Robinson-Zustandsgleichung neben
den Variablen der Temperatur, des Drucks und des bezogenen Volumens den Parameter a als
Maß für die anziehenden Kräfte und den Parameter b als Maß für die abstoßenden Kräfte
zwischen den Molekülen. Diese Parameter können aus den kritischen Daten der
Komponenten gewonnen werden. Für die in dieser Arbeit betrachteten nichtidealen System
wird auf die Modifikation nach Stryjek und Vera zurückgegriffen [STRYJEK, 1986a;
STRYJEK, 1986c]:
R 2TC2
a (T ) = 0.457235 α (T ) (2.83a)
PC

α (T ) = [1 + κ (1 − Tr0.5 )]
2
(2.83b)

κ = κ 0 + κ 1 (1 + TR0.5 )(0.7 − TR ) (2.83c)

κ 0 = 0.378893 + 1.4897153ω − 0.17131848ω 2 + 0.0196554ω 3 (2.83d)


RTC
b = 0.077796 (2.83e)
PC

TC ist die kritische Temperatur, PC der kritische Druck, ω der azentrische Faktor, κ1 ein
stoffspezifische Konstante und TR die reduzierte Temperatur.

Die Einbindung des COSMO-RS-Modells erfolgt auf zwei Arten:


1. a-priori Vorhersage der Gibbsschen Exzessenthalpie für die Ermittlung der
Mischungsparameter a und b nach Gleichungen Gl. 2.75 - 2.77.
Bei diesem Vorgehen wird der binäre Wechselwirkungsparameter als anpassbarer
Parameter behandelt.
2. a-priori Vorhersage der Aktivitätskoeffizienten ln γ ij∞ bei unendlicher Verdünnung für

die Ermittlung der Mischungsparameter a und b nach Gleichungen Gl. 2.78 - 2.80
Hier wird der Wert des α-Parameters des modifizierten NRTL-Modells vorgegeben –
für die Breite der hier untersuchten Werte hat sich heraus gestellt, dass α =0.45 die
experimentellen Daten am besten wiedergibt. Der binäre Wechselwirkungsparameter
kij wird bei diesem Vorgehen zu Null gesetzt (kij =0)
3 Anwendbarkeit des COSMO-RS Modells zur Vorhersage von
thermodynamischen Stoffdaten in Mischungen

3.1 Vorhersage von Dampf-Flüssig und Flüssig-Flüssig Phasengleichgewichten

Wie in Kapitel 2.1 erläutert, existiert gegenwärtig eine große Anzahl an thermodynamischen
Modellen, die Interpolation und Extrapolation von experimentellen
Phasengleichgewichtsdaten erlauben und dem Prozessingenieur eine sichere Auslegung von
Verfahren ermöglichen und es gestatten, Abschätzungen im Vorfeld vorzunehmen. Sind keine
experimentellen Daten bekannt oder handelt es sich um Screening-Versuche im Vorfeld einer
Auslegung, bietet das COSMO-RS Modell eine geeignete Methode, um beispielsweise den
Einfluss von Zusatzstoffen auf das Phasengleichgewicht und die Trennoperation
vorherzusagen.
Das folgende Kapitel gibt einen Überblick über die Möglichkeiten der Vorhersage von
Dampf-Flüssig-Phasengleichgewichten und deren Genauigkeit.

3.1.1 Vorgehen und betrachtete Systeme

Mit Gleichung 2.28 liefert COSMO-RS den Aktivitätskoeffizienten einer Komponente in


einer Mischung. Die Phasengleichgewichtsbeziehung für Dampf-Flüssig
Phasengleichgewichte wird in ihrer vereinfachten Form angewendet. Assoziationen in der
Dampfphase werden vernachlässigt, der Pointing Faktor und das Verhältnis der
Fugazitätskoeffizienten werden zu Eins gesetzt.
xiV P = xiL γ i P0LV
i (2.39)
Für Flüssig-Flüssig Phasengleichgewichte wird folgende Besziehung eingesetzt, wobei zu
beachten gilt, dass die komplette Gemischinformation vom Aktivitätskoeffizienten getragen
wird.
xiI γ iI = xiII γ iII (2.40)
41

In die Untersuchung der Einsetzbarkeit wurde ein breites Spektrum an Gemischen von
Komponenten betrachtet, die vor allem in der chemischen Verfahrenstechnik von Interesse
sind und einen Vergleich mit herkömmlichen Methoden zulassen. Das Hauptaugenmerk liegt
auf Mischungen der folgenden Stoffe:
• Alkane
• Alkene
• cyklische Alkane
• Alkohole
• Aromaten
• Ketone
• Ether
Thermodynamische Konsistenztests wurden für alle experimentellen Daten durchgeführt. Die
Methoden von Redlich und Kister [REDLICH, 1948] und Herrington [HERRINGTON, 1947]
sind dafür eingesetzt worden. Systeme, die diesen Konsistenztest nicht bestehen, sind nicht in
die Untersuchungen einbezogen. Die Reinstoffe sind nach Vorgabe einer Startstruktur mit der
Software HyperChem unter Anwendung der COSMO-Randbedingung mit der DFT-Methode
in der Software TURBOMOLE geometrieoptimiert (siehe auch Kapitel 3.1.2) worden.
Obwohl es möglich ist, mit dem COSMO-RS-Modell Dampfdrücke vorherzusagen, ist dieses
Vorgehen momentan noch zu ungenau und Gegenstandstand der Forschung (siehe Kapitel 1).
Da bei der Bewertung der Genauigkeit des COSMO-RS-Modells vor allem untersucht werden
soll, wie die Realität der flüssigen Phase beschrieben wird, werden für die Dampfdrücke der
reinen Komponenten sowohl experimentelle Daten als auch Korrelationen verwendet.
Experimentelle Daten werden immer dann verwendet, wenn sie durch die experimentellen
Daten vorgegeben sind und Korrelationen, falls keine experimentellen Daten vorliegen.
Tabelle 7.1 im Anhang 7.1 gibt einen Überblick über die verwendeten Systeme; die letzte
Spalte gibt Auskunft über das Vorhandensein von experimentellen Dampfdrücken.
Die Abweichung zwischen experimentellen und berechneten Drücken in Abhängigkeit von
Temperatur und Zusammensetzung, sowie die Abweichung zwischen experimentellem und
berechnetem K-Faktor wurde eingesetzt, um die Genauigkeit von COSMO-RS zu evaluieren.
Die Abweichungen sind dabei wie folgt gegeben:

P exp − P ber
ABW P [%] = ⋅100 (3.1)
P exp
42

K1exp − K1ber
ABW [%] =
K
⋅100 (3.2)
K1exp

Der K-Faktor wird ausgedrückt als:


y1
K1 = (3.3)
x1
wobei „1“ die leichter siedende Komponente im System darstellt.

3.1.2 Erstellung der Molekülgeometrien, Geometrieoptimierung und Berechnung der


Abschirmungsladungen

Alle in dieser Arbeit betrachteten Molekülstrukturen sind ausgehend von Startgeometrie unter
Nutzung der DFT Methode vollständig optimiert. Für das Erstellen der Startgeometrie wurde
die Molekülmodellierungssoftware HyperChem® Version 7 der Firma Hypercube Inc.
verwendet. Diese Software ermöglicht anhand einer zweidimensionalen Skizzenvorlage die
dreidimensionale Anordnung der Atome eines Moleküls mit Standardvorgaben für die
entsprechenden Atome von Bindungslänge, Bindungswinkel und Drehwinkel. So entsteht
zunächst eine angenäherte Geometrie, die mittels Geometrieoptimierung verfeinert wird. Für
die Geometrieoptimierung der angenäherten Struktur wurde in dieser Arbeit die
semiempirische Methode PM3 angewendet [STEWART, 1989a; STEWART, 1989b;
STEWART, 1991], die innerhalb von HyperChem arbeitet. Abb. 3.1 verdeutlicht dieses
Vorgehen.

Abb. 3.1 Erstellung von Molekülgeometrien mit HyperChem – links: zweidimensionale Skizzenvorlage, rechts:
PM3 optimierte dreidimensionale Struktur
43

Das Ergebnis der Molekülmodellierung mit HyperChem ist eine Koordinatentabelle, die die
Raumkoordinaten des betrachteten Moleküls enthält. Sie bilden die Grundlage für die
anschließende Geometrieoptimierung mit DFT. Die DFT Rechnungen wurden unter Nutzung
des Programmpakets TURBOMOLE [AHLRICHS, 1989] durchgeführt. Hierbei wurde die
die Coulomb-Wechselwirkungen berücksichtigende RI-DFT Variante [EICHKORN, 1995a;
EICHKORN, 1995b] verwendet. Eine Kombination des Austauschfunktionals von Becke
[BECKE, 1988] und dem Korrelationsfunktional nach Perdew [PERDEW, 1986],
üblicherweise als B-P Funktional bezeichnet, sind in allen Rechnungen zugrunde gelegt. Um
die Geometrien auf einem quantenmechanisch hohen Niveau zu optimieren, kam das Triple-
Zeta-Valence Potenzial (TZVP) [EICHKORN, 1997; SCHAFER, 1994] zum Einsatz. Die
Randbedingung des idealen Leiters wurde in der in TURBOMOLE implementierten Variante
von COSMO berücksichtigt [SCHAFER, 2000]. Damit werden simultan die
Abschirmungsladungen auf der Oberfläche des Moleküls zum Kontinuum, dem idealen
Leiter, berechnet.

3.1.3 Dampf-Flüssig Phasengleichgewichte

Die Ergebnisse der Vorhersagen der Dampf-Flüssig Phasengleichgewichte sind eingeteilt


nach der Art der Wechselwirkung der Moleküle bzw. Stoffe in der binären Mischung. Hier
treten nicht-assoziierende Systeme wie Alkan-Alkan Mischungen, selbst-assoziierende
Systeme wie Alkohol-Alkan Mischungen und kreuz-assoziierende Systeme wie Alkohol-
Alkohol Mischungen auf. Im Folgenden werden die Ergebnisse für jede dieser
Wechselwirkungsklasse dargestellt. Tabelle 3.1 gibt einen allgemeinen Überblick über die
berechneten Systeme, die Abweichung zu den experimentellen Daten in Prozent und die
Anzahl der zum Vergleich herangezogenen experimentellen Daten. Die mittleren
Abweichungen für alle Systeme liegen sowohl bzgl. des K-Faktors als auch bzgl. des Druckes
bei unter 4%. Abb. 3.2 zeigt die Abweichungen für Systeme mit mehr als drei Datensätzen
pro Gruppe, um einen allgemeinen Schluss ziehen zu dürfen. Die Abweichungen sind für
nicht-assoziierende kleiner als für assoziierende Systeme. Unpolare Moleküle und ihre
Mischungen zeigen eine Abweichung kleiner 4% (Alkane, Cykloalkane, Alkene, Ether). Das
Phasenverhalten wird dominiert von dispersiven Wechselwirkungen und die
Aktivitätskoeffizienten liegen im Bereich von Eins. Dieses Ergebnis könnte als trivial
bezeichnet werden, aber die Tatsache, dass in die Vorhersage des Aktivitätskoeffizienten nur
die atomare Struktur der Moleküle eingeht, hebt dieses Ergebnis als beachtlich hervor. Nicht-
assoziierende Systeme mit einer funktionellen Gruppe im Molekül zeigen eine höhere
44

Abweichung in Mischung mit unpolaren Molekülen. Die spezifischeren Wechselwirkungen


werden von COSMO-RS mit einer Abweichung von innerhalb 7% erfasst. Mischungen, die
selbst-assoziierende Moleküle enthalten, zeigen die höchsten Abweichungen in dieser
Untersuchung. Insbesondere das Phasenverhalten von Alkoholen in Mischung mit Ethern
kann nicht mit der gleichen Genauigkeit wie das der anderen Systeme vorhergesagt werden.
Als Grund kann die einfache, lineare Mischung der Sigmaprofile der Reinstoffe angesehen
werden, mit der die Mischung repräsentiert wird (vgl. Kapitel 2.3). In einem Ensemble, das
ehemals nur selbst-assoziierende und nur nicht-assoziierende Moleküle enthalten hat, führt die
lineare Mischung ohne Information von mehr oder weniger wahrscheinlichen
Wechselwirkungszentren der Oberflächenstücke offensichtlich zu Fehlinterpretationen der
Wechselwirkungsenergie.
Mischungen selbst-assoziierender Komponenten zeigen ein diversifiziertes Verhalten. Die
Aktivitätskoeffizienten in Alkohol-Alkohol Systemen sind nahe Eins. Dieses Verhalten wird
von COSMO-RS gut wiedergegeben und die Abweichung ist kleiner als 2%. Alkohole in
Mischung mit Ketonen weisen eine kreuz-assoziierende Wechselwirkung der Hydroxyl-
Gruppe mit der Keto-Gruppe auf. Das reale Verhalten zeigt höhere Aktivitätskoeffizienten als
COSMO-RS dies vorhersagt. Bei unendlicher Verdünnung führt dies zu Abweichungen von
größer als 10%. Klamt und Eckert berichten von einer Abweichung des vorhergesagten
chemischen Potenzials und des experimentellen im Bereich von etwa 1,7kJ/mol [KLAMT,
2000]. Im Bereich der unendlichen Verdünnung ist eine Evaluation möglich, da hier gilt:
γ i∞,COSMO − RS  ∆µ il 
= exp  (3.4)
γ i∞,exp  RT 
Die oben angegebene Abweichung von 10% führt damit zu Fehlern des
Aktivitätskoeffizienten bei unendlicher Verdünnung vom Faktor 2.
45

Tabelle 3.1 Vergleich der Abweichungen von Vorhersagen von Dampf-Flüssig-Phasengleichgewichten mit
COSMO-RS zu experimentellen Daten

Mittl. Mittl.
Abweichung K Abweichung P
System Anzahl der System [%] [%] Anzahl Datenpunkte

Nicht assoziierend
Alkane-Alkane 6 1.70 1.20 77
Alkane-Alkene 4 1.22 1.16 48
Alkane-Aromaten 11 3.16 4.52 342
Cycloalkane-Alkane 3 0.95 0.90 41
Cycloalkane-Aromaten 3 3.04 3.39 97
Alkane-Ketone 3 3.64 6.74 77
Alkane-Ether 2 0.50 3.99 81
Alkan-Aldehyde 3 4.14 4.02 78
Cycloalkane-Ether 2 1.53 0.91 94
Cycloalkane-Ketone 4 3.26 5.69 98
Cycloalkane-Aldehyde 1 6.58 4.33 17
Ketone- Aromaten 6 2.70 3.35 310
Ketone-Ether 1 4.19 5.21 30
Alkene-Ether 1 0.61 0.78 23
Aldehyde-Aromaten 1 0.72 0.86 12
Ketone-Aldehyde 1 1.21 0.51 14
Cycloalkane-Alkene 1 0.31 1.13 12

selbst- assoziierend
Alkane-Alkohole 29 4.14 7.39 1005
Cycloalkane-Alkohole 5 4.42 5.22 123
Alkohole- Aromaten 14 2.87 5.87 414
Alkohole-Ether 12 8.98 9.25 608

kreuz- assoziierend
Alkohole-Ketone 6 6.46 8.74 188
Alkohole-Alkohole 17 2.25 2.25 368

Summe 136 2.98 3.80 4157


46

10

9 K-Faktor
8 Druck
7
Abweichung [%]

0
n

yd

at
n
at

at
l

er

on

ol
n
at

l
n

ho
ka

ke

ho
to
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to
om

oh
m

th
om

et
ko
Ke
Al

Al

ko
Ke

de

ro

ro
Al

-E

lk
l-K
Ar
n-

n-

Ar

Al
A

Al
n-

l-A
Al
n-

l-A
n-

ho
n-

n-

ho
ka

ka

n-
n-

ka

n-
n-
lka

lka

ho

ho
ka

ko
to

ka

ko
Al

Al

lka

ka

lka
Al
a

ko
Ke
a

ko
Al

Al
Al

Al
lo

Al
a

lo

Al

Al
lo
yc

lo
yc
yc

yc
C

C
C

Abb. 3.2 Übersicht der Abweichungen für Mischungen


Im Folgenden wird näher auf die Spezifika der Wechselwirkungen und der Güte der
Vorhersagen für die einzelnen Systemklassen eingegangen.

Nicht assoziierende Mischungen


Mischungen von Alkanen zeigen ein nahezu ideales Phasenverhalten. Dies wird in allen
Fällen von COSMO-RS vorhergesagt. Mischungen von Alkanen mit Aromaten weisen eine
leichte Abweichung vom Roultschen Gesetz auf. Untersucht worden sind Mischungen mit
Benzol, Toluol, p-Xylol und Ethylbenzol, wobei die Kettenlänge der Alkane hierbei von C5
bis C10 variiert. Abb. 3.3 zeigt die Abweichungen in den untersuchten Systemen. Allgemein
ist zu erkennen, dass die Abweichung im Druck mit steigender Kettenlänge des Alkans
ebenfalls steigt. Eine Ausnahme bildet das Ethylbenzol. Bei konstanter Kettenlänge des
Alkans und unter gleichzeitigem Hinzufügen von Alkylresten zur aromatischen Struktur sinkt
die Abweichung zwischen Vorhersage und Experiment (vgl. Abb. 3.3 n-Heptan-Aromat). Der
Grund der Abweichung kann an den zu hoch vorhergesagten Aktivitätskoeffizienten beider
Komponenten in Mischung abgelesen werden. Abb. 3.4 zeigt beispielhaft die Verläufe der
Aktivitätskoeffizienten im System n-Heptan-Benzol bei 333,15K. Ähnliche Ergebnisse sind
für alle Mischungen dieser Art gefunden worden.
47

15

n-Pentan

n-Hexan
Abweichung im Druck [%]
n-Heptan
10
n-Octan

n-Decan

0
Benzol Toluol p-Xylol Ethylbenzol

Abb. 3.3 Abweichungen im Druck für Mischungen aus n-Alkanen und Aromaten

Benzol
n-Heptan
2.5
COSMO-RS
γ 1,2

1.5

1
0 0.2 0.4 0.6 0.8 1
xBe nzol

Abb. 3.4 Aktivitätskoeffizienten im System Benzol/n-Heptan bei 313,15 K (exp. Daten Ref. 40, Tab. 7.1,)
In der Klasse der Keton-Aromaten Mischungen weisen die Ketone eine polare Region
innerhalb des Moleküls auf. Abb. 3.5 zeigt die Ergebnisse der Untersuchung für vier
verschiedene Ketone und drei Aromaten. In Mischung mit Toluol wächst die Abweichung,
wenn der Alkylrest des Ketons steigt. Am Beispiel des Methylethylketons lässt sich erkennen,
dass die Abweichungen für verschiedene Aromaten im Bereich von 5% liegen. Die
Aktivitätskoeffizienten bei endlicher Verdünnung werden von COSMO-RS innerhalb einer
48

Genauigkeit von 10% vorhergesagt. Im Gegensatz zu Alkan-Aromaten Mischungen werden


die Aktivitätskoeffizienten bei den Keton-Aromaten Systemen niedriger vorhergesagt als die
experimentellen Daten vorgeben. Dies gilt für beide Komponenten der binären Mischung.
Während COSMO-RS Werte im Bereich 1,0 vorhersagt, sind die realen Werte, abgeleitet aus
experimentellen Daten, im Bereich von 1,2 bis 2,0. Berücksichtigt man den oben
angegebenen Genauigkeitsbereich, so liegen die vorhergesagten Werte innerhalb dieses
Bereiches.

6
Aceton
2-Butanon
5
2-pentanone
Abweichung im Druck [%]

4-Methyl-2-Pentanon
4

0
Benzol Toluol Ethylbenzol

Abb. 3.5 Abweichungen im Druck für Mischungen von Ketonen mit Aromaten

Selbst-assoziierende Mischungen
Alkohole in Mischung mit Alkanen zeigen ein stark nichtideales Verhalten. Die mittlere
Abweichung über alle betrachteten Systeme liegt bei 7,4% im Druck. Abb. 3.6 zeigt die
Ergebnisse für die verschiedenen Systeme. Die Unsicherheit in der Vorhersage des
Phasenverhaltens kann nicht generalisiert werden im Hinblick auf steigende oder fallende
Kettenlänge weder des Alkohols noch der Alkane. Einen besseren Einblick in das
Vorhersageverhalten von COSMO-RS bietet der Blick auf die Aktivitätskoeffizienten bei
unendlicher Verdünnung. Abb. 3.7 zeigt experimentelle und vorhergesagte Werte für fünf n-
Alkane in drei verschiedenen Alkoholen. Die Vorhersagen liegen durchgängig unterhalb der
experimentellen Werte. Der mittlere Fehler liegt bei 23%. Dieses Verhalten konnte in allen
49

untersuchten Alkohol-Alkan System gezeigt werden. Demgegenüber weisen die Vorhersagen


bei unendlicher Verdünnung für Alkohole in Alkanen immer größere Werte auf als die
experimentellen Daten indizieren. Abb. 3.8 zeigt dieses beispielhaft für Ethanol in vier
verschiedenen Alkanen. Die Abweichung gegenüber den experimentellen Werten liegt bei
durchschnittlich 44%. Diese Überschätzung führt zu den Abweichungen in den berechneten
Drücken der Phasengleichgewichte. Trotzdem ist die Vorhersage des engsiedenden,
azeotropen oder heteroazeotropen Verhaltens aller untersuchten Systeme gegeben.

20
18 Isobutan
n-Pentan
16
n-Hexan
14
n-Heptan
12 n-Oktan
∆P / %

10 2,2,4-Trimethylpentan
8
6
4
2
0
l

ol
ol
l

H ol
l

ol

ol

ol
ol

l
no

no

no

no
no

no

no

an
an

an
an

an

an
an
ha

ha

ta
ta

ta
pa

ta
ut

ex
nt

nt

nt

ut
op

u
Bu

Bu

Bu
et

Et

ro

ob

-b

-b
Pe

Pe

Pe
Pr
M

op

n-

2-

rt-

n-
l-1

l-1
Is

n-

2-

3-
n-

te
Is

hy

hy
et

et
M

M
2-

3-

Abb. 3.6 Abweichungen im Druck für Mischungen von Alkoholen mit Alkanen
50

20
Ethanol 322.15 K
16 1-Octanol 298.15 K
1-Butanol 293.15 K
γ ∞ Alkan 12

0
n-Pentan n-Hexan n-Heptan n-Octan n-Nonan
gelöster Stoff

Abb. 3.7 Aktivitätskoeffizienten bei unendlicher Verdünnung von Alkoholen in Alkanen; ausgefüllte Symbole:
experimentelle Daten (DECHEMA Chemistry Data Series Vol. 9, Activity Coefficients at infinite dilution, D.
Tiegs et al., Frankfurt a. Main, 1986), offene Symbole: Vorhersagen mit COSMO-RS

40

35

30

25
γ ∞ Ethanol

20

15

10
Ethanol (exp. Daten)
5 COSMO-RS

0
n-Hexan n-Heptan n-Nonan n-Decan
(333.95K) (333.15K) (333.85K) (338.65K)

Lösungsmittel

Abb. 3.8 Aktivitätskoeffizienten von Ethanol bei unendlicher Verdünnung in verschiedenen Alkanen; ausgefüllte
Symbole: experimentelle Daten (DECHEMA Chemistry Data Series Vol. 9, Activity Coefficients at infinite
dilution, D. Tiegs et al., Frankfurt a. Main, 1986), offene Symbole COSMO-RS

Ein ähnliches Verhalten wie in Alkohol/Alkan Mischungen kann in Alkohol/Aromaten


Mischungen gefunden werden. Während der Aktivitätskoeffizient der Alkohole überschätzt
51

wird, ist der der Aromaten zu klein vorhergesagt. Die Genauigkeit der
Phasengleichgewichtsberechnungen ergibt sich hier zu einer Abweichung von 3% im Druck
und beinhaltet bei allen Systemen das Erfassen des azeotropen Verhaltens sowie die Lage des
azeotropen Punktes. In Alkohol/Ether Systemen zeigt sich ein anderes Bild der Qualität der
Vorhersagen. Abb. 3.9 zeigt die Abweichungen im Druck bei der Berechnung aufgetragen
über den Etherverbindungen, wobei die Anzahl der C-Atome innerhalb der Etherverbindung
ansteigt. Di-Isopropylether und Methyl-tertbytylether (MTBE) sind Ether mit verzweigten
Ketten; alle anderen untersuchten Ether weisen eine lineare Struktur auf.

25
Methanol

Ethanol
20
n-Propanol

15 Isopropanol
∆ P [%]

2-Propanol

10 tert-Butanol

0
Diethyl- Methyl-n- n-butyl- Di-n-propyl- Di-n-butyl- Diisopropyl- MTBE (C5)
ether (C4) butyl-ether ethyl-ether ether (C6) ether (C8) ether (C6)
(C5) (C6)

Abb. 3.9 Abweichungen im Druck für Alkohol/Ether Mischungen

Die Abweichungen zwischen Experiment und Voraussage sinken mit steigender Kettenlänge
der linearen Ether. Die Aktivitätskoeffizienten bei unendlicher Verdünnung zeigen, dass
COSMO-RS im Vergleich zu den experimentellen Daten durchgängig zu niedrige Werte
sowohl für den Alkohol als auch für die Etherverbindungen vorhersagt.

Kreuz-assoziierende Mischungen
Wie bereits erwähnt, sagt COSMO-RS das Dampf-Flüssig Verhalten in Alkohol/Alkohol
Mischungen mit einem mittleren Fehler von 2% voraus. Abb. 3.10 gibt einen detaillierten
Überblick über die untersuchten Systeme. Im Allgemeinen streut die Abweichung bei der
Berechnung des Druckes um 3%. Es ist kein Trend in Abhängigkeit von der unterschiedlichen
Gestalt und Größe der Moleküle beobachtbar. Das Wechselwirkungsverhalten wird im
52

Rahmen der experimentellen Unsicherheit wiedergegeben und es kann gefolgert werden, dass
für diese Klasse von Mischungen zusammen mit dem bekannten Dampfdruck der Reinstoffe
COSMO-RS ein akkurates Phasenverhalten vorhersagt.

7 Ethanol 2-Propanol
2-Butanol tert-Butanol
6 2-Methyl-1-Propanol 3-Methyl-1-Butanol

5
∆P /%

0
l n ol l l l ol
a no a pa
no tan
o
tan
o
tan ta n ol
e th Et h Pr o - Bu - Bu u
-Bu
M n- n 2 te rt- B l - 1
et hy
3-M

Abb. 3.10 Abweichungen im Druck für Alkohol/ Alkohol Mischungen

Wie in den Alkohol/Ether Systemen sind die vorhergesagten Aktivitätskoeffizienten in


Alkohol/Keton Mischungen bei endlichen Konzentrationen durchgängig kleiner vorhergesagt,
als die experimentellen Daten es vorgeben. Abb. 3.11 zeigt die vorhergesagten und die
gemessenen Daten im System Aceton-Methanol bei 308,15K. Untersuchungen der
Aktivitätskoeffizienten bei unendlicher Verdünnung zeigen eine maximale Abweichung von
50%, was im Rahmen der angegebenen Genauigkeit von COSMO-RS liegt.
53

Aceton
Methanol
COSMO-RS
γ Aceton, Methanol

1.5

1
0 0.2 0.4 0.6 0.8 1
x Ace ton

Abb. 3.11 Aktivitätskoeffizienten im System Aceton-Methanol bei 308,15K(Exp. Daten Ref. 25, Tab. 7.1)

3.1.4 Flüssig-Flüssig Phasengleichgewichte

Wie in Kapitel 2.4 erläutert, trägt bei der Berechnung von Flüssig-Flüssig
Phasengleichgewichten und der Verwendung eines Aktivitätskoeffizientenmodells der
Aktivitätskoeffizient die gesamte thermodynamische Information. Eine genaue Beschreibung
der Gibbsschen Exzessenthalpie bzw. des chemischen Potenzials der Komponenten in der
Mischung ist damit Grundvoraussetzung für das erfolgreiche Modellieren des Auftretens
zweier flüssiger Phasen. Am Beispiel der gut untersuchten 1-Octanol-Wasser Mischungslücke
[ABABI, 1960; BUTLER, 1933; MAASSEN, 1996; SOMASUNDARA, 1961;
ZHURAVLEVA, 1977] soll die Vorhersagekraft des COSMO-RS Modells hier aufgezeigt
werden. Für das Molekül des 1-Octanols wurden 14 Konformationen berücksichtigt. Abb.
3.12 zeigt das Ergebnis der Vorhersage des Phasengleichgewichtes berechnet mit COSMO-
RS. Es ist zu erkennen, dass bei niedrigen Temperaturen die experimentellen bis auf die
Werte von Zhuravleva et al. [ZHURAVLEVA, 1977] gut wiedergegeben werden. Die
Verengung der Mischungslücke bei höheren Temperaturen wird von COSMO-RS nicht so
wiedergegeben, wie es die experimentellen Daten darstellen.
54

390 Maaßen 1995


Ababi et al. 1960
Zhuravleva et al. 1977
Butler et al. 1933
Somasundara et al. 1961
350 COSMO-RS
T/K

310

270
0 0.2 0.4 0.6 0.8 1

x Wasse r

Abb. 3.12 Flüssig-Flüssig-Phasengleichgewicht 1-Octanol/Wasser. Vergleich der Vorhersage mit COSMO-RS


und experimentellen Daten

390 Maaßen 1995

Ababi et al. 1960

Zhuravleva et al. 1977

Butler et al. 1933


350
Somasundara et al. 1961
T/K

COSMO-RS Konformerenraum

COSMO-RS Einzelkonformere
310

270
0 0.2 0.4 0.6 0.8 1
x W a sser

Abb. 3.13 Flüssig-Flüssig-Phasengleichgewicht 1-Octanol/Wasser. Vorhersage des Phasengleichgewichtes mit


COSMO-RS ohne Berücksichtigung einer Konformerenmischung für die verwendeten 14 Einzelkonformere
55

Abb. 3.13 zeigt die Vorhersage des Flüssig-Flüssig-Phasengleichgewichtes unter Verwendung


von jeweils nur einer Konformation. Es ist zu erkennen, dass die Ergebnisse innerhalb des
Konformerenraumes stark streuen. In dem hier gewählten Beispiel wird der Einfluss
besonders in der octanolreichen Phase ersichtlich. Er ist allerdings auch in der in der Abb.
3.12 nicht aufgelösten wasserreichen Phase vorhanden. Insbesondere bei Flüssig-Flüssig
Phasengleichgewichtsberechnungen ist die Berücksichtigung aller in der
Konformationsanalyse ermittelten Konformationen von großer Bedeutung.

Zusammenfassende Betrachtungen
Die Validierung von 136 Systemen hat gezeigt, dass COSMO-RS experimentelle Daten von
Dampf-Flüssig-Phasengleichgewichtsdaten unterschiedlicher Stoffklassen in guter
Übereinstimmung vorhersagen kann, wenn der Dampfdruck der Reinstoffe bekannt ist und
das Modell als Aktivitätskoeffizientenmodell verwendet wird. Die Abweichungen zwischen
den Vorhersagen und den gemessenen Daten liegen im Vergleich zu den experimentellen
Daten für viele Systeme bei 5%. Mischungen nicht-assoziierender Komponenten werden
nahezu exakt beschrieben. Mischungen, die ein spezifischeres Wechselwirkungsverhalten
aufweisen, können nicht mit der gleichen Genauigkeit vorhergesagt werden, jedoch wird das
nichtideale Verhalten gut reproduziert; auftretende azeotrope Punkte oder heteroazeotropes
Verhalten werden erfasst.
Die Vorhersage von Flüssig-Flüssig-Phasengleichgewichten zeigt, dass es möglich ist, auf
Basis der Molekülstruktur mit COSMO-RS eine Entmischung zu modellieren. Die Güte der
Vorhersage hängt stark von der verwendeten Konformation des Moleküls ab. Aufgrund der
modellbedingten Unsicherheiten bei der Vorhersage der Aktivitätskoeffizienten der
Komponenten in der Mischung, ist eine exakte Wiedergabe der experimentellen Daten nicht
möglich.
4 Erweiterung des COSMO-RS Modells zur Vorhersage von
Reinstoffeigenschaften und der Identifizierung von relevanten
Strukturkonformationen

In Kapitel 2.3 wird gezeigt, dass im gegenwärtigen Energiekonzept von COSMO-RS die
Änderung der freien Enthalpie der Lösung durch die Bildung einer Kavität im Lösungsmittel
nicht explizit enthalten ist. Größeneffekte, bzw. entropische Effekte werden durch einen
kombinatorischen Anteil im chemischen Potential modelliert, bei dem der Staverman-
Guggenheim-Term Verwendung findet [KLAMT, 2000]. Im Folgenden wird vorgestellt, wie
dieser kombinatorische Anteil durch ein Fluidmodell für harte Kugeln ersetzt wird. Dieser
Anteil wird in der vorliegenden Arbeit mit der Scaled-Particle-Theorie (SPT) [REISS, 1965]
berechnet. Die dieser Theorie zugrunde liegenden Annahmen, beruhen auf der Ermittlung der
notwendigen Arbeit des Einfügens einer harten Kugel in ein Fluid harter Kugeln. Es wird
zunächst kurz erläutert, wie die SPT genutzt werden kann, um die Terme ∆G*cav und ∆G*rep
zu beschreiben.
Die Scaled-Particle-Theorie für Harte Kugeln [PIEROTTI, 1976; REISS, 1959; REISS, 1971;
REISS, 1965; TULLY-SMITH, 1970] wird angewendet, um einen Ausdruck für die Terme
∆G*cav und ∆G*rep in das COSMO-RS-Modell zu implementieren. Mit diesen Änderungen
werden Dampfdrücke bei der Normalsiedetemperatur verschiedener Substanzen vorhergesagt.
Zusätzlich werden die Vorhersagen über den Reinstoff genutzt, die relevanten
Konformationen für Phasengleichgewichtsberechnungen in Mehrstoffsystemen zu
identifizieren.

4.1 Die Scaled-Particle-Theorie (SPT)

4.1.1 Grundlagen zur Scaled-Particle-Theorie

In einer Reihe von Artikeln haben Reiss, Frisch, Lebowitz und Tully-Smith eine Fluid-
Theorie [HARRIS, 1971; LEBOWITZ, 1965; REISS, 1959; REISS, 1961; REISS, 1971;
REISS, 1960; REISS, 1965] entwickelt, die auf den Eigenschaften einer exakten radialen
Verteilungsfunktion beruht. Diese Theorie führt zu einem Näherungsausdruck für die
reversible Arbeit, die notwendig ist, um ein sphärisches Teilchen in ein Fluid aus sphärischen
Teilchen einzubringen. Es wird dort ein System aus N Teilchen mit paarweise
wechselwirkendem Potential betrachtet, in das ein Teilchen mit demselben Potential eingefügt
wird.
57

Der Grundgedanke der SPT liegt darin, dass Arbeit erforderlich ist, um Mittelpunkte von
Molekülen von einem spezifizierten Bereich im Fluid auszuschließen. Es sei angenommen,
das betrachtete Fluid bestehe aus N sphärischen, symmetrischen Molekülen mit einem
Durchmesser σ1 und einem Harte-Kugel-Potential. Weiterhin wird angenommen, dass die
Mittelpunkte aller N Moleküle von einem sphärischen Bereich des Durchmessers r im
Volumen V ausgeschlossen seien. Dieser Bereich stellt die zu betrachtende Kavität dar. Die
Wahrscheinlichkeit, dass die Kavität existiert, wird mit p0(r,ρ) bezeichnet, wobei ρ die
Anzahldichte des Fluids (N/V) ist. Die Kavität wird durch statistische Schwankungen gebildet
und kann durch die Wahrscheinlichkeit des Auftretens solcher Schwankungen durch einen
Boltzmann-Term ausgedrückt werden:
p 0 (r , ρ ) = exp(−W (r , ρ ) / kT ) (4.1)
In diesem Ausdruck (Gl. 4.1) ist W(r,ρ) die reversible Arbeit, die notwendig ist, eine Kavität
vom Radius r im Fluid zu etablieren. Das chemische Potential der in das Fluid eingebrachten
sphärischen Teilchen ist gegeben durch:
µ
= − ln( p 0 (r , ρ )) (4.2)
kT
Mit der SPT wird p0(r,ρ) auf der Grundlage der statistischen Mechanik und geometrischen
Überlegungen bestimmt. Der Grundgedanke zielt darauf ab, mit einer Kavität vom
Durchmesser r=0 zu starten und auf den Radius r=rKavität zu skalieren.
Zur Berechnung von W(r,ρ) ist es instruktiv, die Wahrscheinlichkeit zu betrachten, mit der
man den Mittelpunkt eines Moleküls innerhalb einer „Fluid-Schale“ zwischen r und r+dr
findet. Diese Wahrscheinlichkeit ist durch 4πr²ρG(r,ρ)dr gegeben. Die Wahrscheinlichkeit,
keinen Molekülmittelpunkt in dieser Schale anzutreffen, ist durch 1-4πr²ρG(r,ρ)dr gegeben.
Die Größe G(r,ρ) kennzeichnet den Wert der radialen Verteilungsfunktion des Fluids am
Kontaktpunkt von Kavität und Molekül. Vergleicht man die Wahrscheinlichkeit, keinen
Molekülmittelpunkt im Bereich von r=0 bis r und von r bis r+dr anzutreffen, mit dem
Ausdruck für die Wahrscheinlichkeit der Bildung der Kavität durch statistische
Schwankungen, erhält man folgenden Beziehung zwischen der reversiblen Arbeit zur
Schaffung der Kavität und der Struktur des Fluids. Sie ist gegeben durch die radiale
Verteilungsfunktion:
r
W (r , ρ ) / kT = 4πρ ∫ r 2 G (r , ρ )dr (4.3)
0

Reiss, Frisch, Lebowitz und Tully-Smith haben gezeigt [REISS, 1959; TULLY-SMITH,
1970], dass der Ausdruck G(r,ρ) durch eine Summe in 1/r repräsentiert werden kann:
58

G (r , ρ ) = ∑ Gi ( ρ )(1 / r ) i (4.4)
i

Die Faktoren Gi(ρ) müssen an exakten Ausdrücken für G(r,ρ) bestimmt werden. Aus einer
Vielzahl solcher exakten Ausdrücke für verschiedene r haben Tully-Smith und Reiss
[TULLY-SMITH, 1970] die Faktoren bis einschließlich G5 bestimmt. Es hat sich gezeigt,
dass eine Entwicklung der Art
W (r , ρ ) = K 0 + K1 r + K 2 r 2 + K 3 r 3 (4.5)

eine gute Näherung für W(r,ρ) ist. Genau wie die Faktoren Gi können mit exakten
Ausdrücken die Faktoren Ki in Gleichung 4.15 ermittelt werden, was zu folgender Form der
reversiblen Arbeit führt, die für die Schaffung der Kavität erforderlich ist [BEN AMOTZ,
1993a; BEN AMOTZ, 1993b; BEN AMOTZ, 1993c; DE SOUZA, 1994]:
9 3
2 3 ηR 2 (2ηR + ) ηR (3 − R)
W(R, ρ) 2η R 2 + 2 (4.6)
= + + ηR 3 − ln(1 − η )
kt (1 − η ) 3 (1 − η ) 2
(1 − η )

wobei η=πρσ13/6 und R=σ2/σ1 ausdrückt. σ2 ist der Harte-Kugel-Durchmesser des gelösten
Moleküls und (σ1+σ2)/2 der Radius der Kavität. Die Größe W(r,ρ) ist gleich der partiellen
molaren freien Enthalpie g cav bzw. dem chemischen Potential der Komponente i im

Lösungsmittel S X
µ combS (siehe Gleichung 2.17). Damit kann nach Entfernen des
kombinatorischen Anteils, die Gleichung um diesen Term erweitert werden und wird zu
µ iS = ∆i − δAi + µ i (σ ) + g icav, SPT (4.7)

4.1.2 Kritikpunkte an der Scaled-Particle-Theorie und Aspekte ihrer Anwendung

Die SPT ist in der Vergangenheit oft zur Berechnung von freien Lösungsenthalpien ∆G*sol
angewendet worden [BEN NAIM, 1989a; BEN NAIM, 1989b; CROVETTO, 1982; LUCAS,
1976; MOREL-DESROSIERS, 1981; PIEROTTI, 1976; POSTMA, 1982; WILHELM, 1972].
Dies liegt nicht zuletzt an ihrem vergleichsweise einfachen Aufbau, der sich dadurch
auszeichnet, dass einzig die Radien der als harte Kugeln betrachteten Spezies und deren
Konzentration bekannt sein müssen. Obwohl die Ergebnisse in der Literatur für Vorhersagen
auf Basis der Molekülgröße sehr gute Ergebnisse liefern, gibt es Einschränkungen derer man
sich bewusst sein muss.
Die Güte der Beschreibung hängt von zwei Einflussgrößen ab: Zum einen vom Hart-Kugel-
Durchmesser der betrachteten Spezies und zum anderen von der Dichte des Lösungsmittels.
Dabei ist insbesondere zu beachten, dass die aus der SPT resultierende freie Lösungsenthalpie
59

∆G*sol sehr sensitiv auf den Radius reagiert [TANG, 2000] und gleichzeitig die Bestimmung
eines Harte-Kugel-Durchmessers für reale Moleküle nicht trivial ist [BEN AMOTZ, 1990;
BEN AMOTZ, 1993c; GOGONEA, 1998; PIEROTTI, 1965]. Harte-Kugel-Durchmesser für
reale Moleküle, die aus experimentellen Daten wie Gaslöslichkeiten [PIEROTTI, 1965],
Oberflächenspannungen [MAYER, 1963], Verdampfungsenthalpien [PIEROTTI, 1976] oder
Virialkoeffizienten und Viskositäten [HIRSCHFELDER, 1964] bestimmt werden, stellen
effektive Radien dar. Sie enthalten Wechselwirkungen zwischen Lösungsmittel und gelöstem
Stoff. Andere Methoden, die van der Waals-Radien berechnen, betrachten ein Molekül ohne
die Wechselwirkung mit einem umgebenden Lösungsmittel [BONDI, 1964; EDWARD, 1970;
GOGONEA, 1998]. Tabelle 4.1 listet für das Molekül Benzol die Werte des Harte-Kugel-
Durchmessers für die unterschiedlichen Bestimmungsverfahren auf.

Tabelle 4.1 Harte-Kugeldurchmesser Benzol aus verschiedenen Bestimmungsverfahren


Durchmesser (Ǻ) Methode
5,00 Kompressibilitätsdaten [MAYER, 1963]
5,02 Oberflächenspannungen [MAYER, 1963]
5,24 Gaslöslichkeiten [PIEROTTI, 1965]
5,30 PVT-Daten [BEN AMOTZ, 1990]
5,36 van der Waals Radien [EDWARD, 1970]

Die zuverlässige Bestimmung des Hart-Kugeldurchmessers der betrachteten Stoffe ist


Voraussetzung für eine korrekte Beschreibung der freien Lösungsenthalpie ∆G*sol.

4.1.3 Dampfdruck aus der Freien Enthalpie des Lösungsvorganges

In dieser Arbeit wird die Erweiterung des Energiekonzeptes von COSMO-RS um einen
expliziten Kavitätsterm dazu verwendet, Dampfdrücke reiner Stoffe vorherzusagen. Es gibt
viele Ansätze die den Dampfdruck einer Komponente auf Basis von experimentellen Daten
interpolieren oder vorhersagen. Methoden wie die Clausius-Clapeyron-Gleichung oder
Gruppenbeitragsmethoden [POLING, 2001] benötigen in aller Regel zusätzliche Daten wie
den kritischen Druck, die kritische Temperatur oder den azentrischen Faktor und haben daher
einen limitierten Anwendungsbereich. Daneben existieren empirische Ansätze, die auf Basis
der Struktur eines Moleküls eine Beziehung zu den physikalischen Eigenschaften herstellen
(Quantitative Structure Property Relationship – QSPR). Dabei werden Dampfdrücke mittels
60

Deskriptoren von Struktureinheiten der Moleküle korreliert [BASAK, 1997; KATRITZKY,


1998; LIANG, 1998]. Um den Dampfdruck einer Komponente losgelöst von experimentellen
Daten wie den oben erwähnten vorherzusagen, soll in dieser Arbeit ein Ansatz verfolgt
werden, der den Unterschied des chemischen Potenzials eines Stoffes in der Gasphase und in
Flüssigphase auf Basis des um den Kavitätsterm der SPT erweiterten COSMO-RS-Modells
verwendet. Dabei wird auf die von Ben-Naim eingeführte Definition des Lösungsvorganges
eines Teilchens aus der Gasphase in eine kondensierte Phase zurückgegriffen (vgl. Kapitel
2.2.3).
Für reine Stoffe ist das chemische Potenzial definiert als:

 ∂G 
µ =  (4.8)
 ∂N T , P
Der Dampfdruck des Stoffes kann aus der Gleichheit der chemischen Potenziale in der
Gasphase und in der Flüssigphase bei konstanter Temperatur dargestellt werden:
µ iV (T , P0LV
i ) = µ i (T , P0 i )
L LV
(4.9)
Entsprechend der Lösungstheorie nach Ben-Naim [BEN NAIM, 1987] konnte das chemische
Potenzial eines Stoffes i formuliert werden als:
µ i = µ i* + kt ln ρ i Λ3i (2.9)

Ben-Naim definiert die freie Enthalpie des Lösungsvorganges als Differenz der
pseudochemischen Potenziale in Gas- und Flüssigphase:

∆Gisolv = µ i*, L − µ i*,V (4.10)

Zieht man auf beiden Seiten von Gleichung 4.9 den idealen Gasanteil des chemischen
Potenzials ab und setzt die Definition des chemischen Potenzials ein (Gleichung 2.9) erhält
man:

µ iV − µ iV ,iG = µ i*, L + kT ln ρ iL Λ3i − ( µ i*, IG + kT ln ρ iiG Λ3i (4.11)

 ρ iL 
µ iV − µ iV ,iG = µ i*, L − µ i*, IG + kT ln iG 
 (4.12)
 ρi 
Einsetzen von Gleichung 4.10 ergibt:
61

 ρ iL 
V
µ −µ
i
V ,iG
i = ∆Gi
solv
+ kT ln iG  (4.13)
 ρi 

Die Differenz des chemischen Potenzials von Gasphase und idealer Gasphase wird als
Fugazitätskoeffizient ausgedrückt:
 f (T , P0LV
i )

µ iV − µ iV ,iG = kT ln LV
 (4.14)
 P 0i 
damit folgt aus Gl. 4.13 und Gl. 4.14
 f (T , P0LV
i )
  P0LV 
kT ln LV

 = ∆Gi
solv
+ kT ln ρ i
L
− kT ln  i  (4.15)
 P 0i   kT 

und somit der Dampfdruck des Stoffes i:

∆Gisolv  f (T , P0LV
i )

ln P0LV
i = + ln kTρ iL − kT ln LV
 (4.16)
kT  P 0i 

Der letzte Term auf der rechten Seite von Gleichung 4.16 beschreibt die Nichtidealitäten der
Gasphase. In dieser Arbeit sollen die Dampfdrücke verschiedener Komponenten am
Normalsiedepunkt betrachtet werden. Daher kann dieser Term im Folgenden vernachlässigt
werden. Für die Berechnung des Dampfdruckes sind somit die aus COSMO-RS Rechnungen
unter expliziter Berücksichtung des Kavitätstermes der SPT und Dichten der flüssigen Phase
am Normalsiedepunkt nötig. Die Dichten der betrachteten Stoffe werden aus experimentellen
Daten bezogen [DAUBERT, 1989].

4.1.4 Effektive Harte-Kugel-Durchmesser aus COSMO-RS

In Kapitel 4.1.2 wurde erläutert, dass der Radius bzw. der Durchmesser eine sensitive Größe
in der Bestimmung der freien Lösungsenthalpie darstellt. In der Literatur finden sich
verschiedene Vorgehensweisen, die Harte-Kugel-Durchmesser aus experimentellen Daten
oder den van-der-Waals-Radien (vdW Radien) der Atome der Moleküle bestimmen. In dieser
Arbeit werden die Harte-Kugel-Durchmesser aus den quantenchemischen Rechnungen
abgeleitet. Bei Anwendung der COSMO-Randbedingung wird um die Atome der Moleküle
eine Kavität konstruiert, die 17% größer ist, als der vdW Radius. Das Volumen der aus den
quantenchemischen Rechnungen wird auf das vdW-Volumen umgerechnet und als
Kugeläquivalent betrachtet. Der Vorteil dieser Methode liegt darin begründet, dass so auch
62

Unterschiede im Volumen der einzelnen Konformationen berücksichtig werden kann, für die
keine der oben erwähnten Methoden geeignet ist.
Abb. 4.1 verdeutlicht das Vorgehen.

σhs=f(σcosmo)

σ
Abb. 4.1 Schema der Umrechnung von COSMO-Volumina in Hart-Kugel-Durchmesser

Experimentelle Untersuchungen und theoretische Abschätzungen haben gezeigt, dass der


effektive Harte-Kugel-Durchmesser eine Funktion der Temperatur ist [BEN AMOTZ, 1990;
BEN AMOTZ, 1993c]. Die Änderung des Durchmesser mit der Temperatur liegt im Bereich
∂σ / ∂T ≈ −1 ⋅10 −4 bis − 5 ⋅ 10 −4 , was einer Verringerung des Durchmessers um einige wenige
Prozent bei einem Temperaturanstieg von 100K entspricht [BEN AMOTZ, 1990]. In dieser
Arbeit wird der Temperaturabhängigkeit durch einen Ausdruck der Störungstheorie von
Barker und Henderson [BARKER, 1967] folgend wiedergegeben. Dabei wird das Ergebnis
der Auswertung dieser Störungstheorie an Square-Well-Potenzialen durch Chen und
Kreglewski [CHEN, 1977] verwendet, welches die Temperaturabhängigkeit wie folgt
beschreibt:
 − 3u 0 
σ (T ) = σ 0 (1 − 0,12 exp  (4.17)
 kT 
In dieser Gleichung ist u0 ein Energieparameter, welcher die Tiefe des Square-Well-
Potenzials beschreibt. Diese Temperaturabhängigkeit wurden in vielen Zustandsgleichungen,
die als Referenzfluid Harte Kugel oder Harte Ketten verwenden erfolgreich angewendet
[GROSS, 2000; GROSS, 2001b; HUANG, 1990; WOLBACH, 1997; WOLBACH, 1998]
In dieser Arbeit ist der Energieparameter auf einen konstanten Wert von 300J festgelegt.
5 Darstellung der Ergebnisse

5.1 Einfluss der Konformation von Molekülen auf die Berechnung der
thermodynamischen Eigenschaften

Die Konformation gibt die exakte räumliche Ausdehnung der Atome eines Moleküls an bei
vorgegebener Konstitution und Konfiguration. Hierbei bedeutet die Konstitution die Vorgabe
der Art und der Anzahl von Atomen eines Moleküls sowie deren Reihenfolge und
Verknüpfung. Auf diese Weise werden das Atomgerüst und alle Valenzbindungen
einschließlich der Bindungsanordnung beschrieben. Die Konfiguration eines Moleküls
definiert bei gegebener Konstitution die räumliche Anordnung von Atomen oder
Atomgruppen innerhalb einer Verbindung. Der Einfluss von Rotationen um
Einfachbindungen wird dabei nicht berücksichtigt. Dieser Einfluss führt zu den
unterschiedlichen Konformationen. In ihrer Gesamtheit bilden sie die Stereoisomere.
Konformationen eines Moleküls können durch Drehung um formale Einfachbindungen
theoretisch in unendlicher Anzahl existieren. Konformationen, die unterschiedlichen
Energieminima zugeordnet werden können, bezeichnet man als Konformere. Für eine
konstante Temperatur stellt sich zwischen den verschiedenen Konformeren ein Gleichgewicht
ein. Für eine gegenseitige Umwandlung ist ein Energieunterschied von etwa 16-20kJ
erforderlich [HOWLETT, 1955; WESTHEIMER, 1946].

5.1.1 Konformeranalyse

Ziel der Konformeranalyse ist die Identifizierung der Konformere die die Eigenschaften eines
Moleküls bestimmen. Die Analyse kann auf zwei grundsätzlich verschiedene Arten erfolgen:
1. Experimentelle Untersuchungen
2. Theoretische Betrachtungen unter Verwendung von quantenchemischen oder
molekular mechanischen Ansätzen
Aufgrund des hohen Aufwandes der experimentellen Techniken verwendet man diese heute
nur noch zur Validierung von theoretischen Ergebnissen. Sie sollen hier nur aufgezählt
werden. In [LAU, 1961] werden die Vor- und Nachteile, das jeweilige Anwendungsgebiet
und die erzielbaren Genauigkeiten erläutert. Hauptsächlich werden spektroskopische
Methoden angewendet wie Mikrowellen-, Infrarot-, Raman-, Ultraviolett- oder
Kernmagnetische Resonanz-Spektroskopie. Daneben werden Röntgenstrukturanalysen,
Elektronenbeugungsuntersuchen, die Bestimmung elektrischer Momente, z.B. das
Dipolmoment, Untersuchungen des optischen Drehvermögens, kalorische oder kinetische
64

Messungen angewendet.
Die deutliche Verbesserung der mathematischen Modelle (vgl. Kapitel 2.2) und die zur
Verfügung stehende Leistungsfähigkeit heutiger Computeranlagen ermöglicht eine Ermittlung
von Konformeren mit theoretischen Methoden. Dabei steht das Absuchen von Minima in der
Energiefläche der Konformationen im Mittelpunkt. Die folgenden Methoden haben sich
etabliert:
1. Systematische Suche innerhalb des Konformerenraumes: Durch Festlegen aller
möglichen Drehwinkel und Drehachsen einer Startstruktur resultieren mögliche
Stereoisomere und Konformere. Alle entstehenden Geometrien müssen
energieoptimiert werden und anschließend bzgl. ihrer Energien bewertet werden. Ein
Nachteil der Methode ist die enorme Anzahl an entstehenden Geometrien. Bei fünf
Bindungen und einem Drehwinkel von 30° liegt die Zahl der Strukturen bei etwa
300000; bei gleichem Drehwinkel und sieben Bindungen bei annähernd 36 Millionen.
Durch Verwendung von Molekülfragmenten kann die Zahl eingeschränkt werden.
2. Zufällige Suchmethoden: Hier werden zufällig neue Strukturen durch Verändern des
Drehwinkels rotierbarer Bindungen oder auch zufällige kartesische Koordinaten
generiert. Dabei springt man von einem Punkt auf der Energiefläche einer
Konstitution zum anderen. Jede neue Struktur wird mittels Energieminimierung
optimiert. Wurde sie in einem vorherigen Schritt noch nicht gefunden, wird sie
gespeichert.
3. Monte-Carlo- und Molekulardynamik-Methoden: Der Vorteil dieser Methoden liegt in
der Möglichkeit, Energiebarrieren zu überspringen, was mit den vorhergehenden
Methoden nicht möglich ist.
Einen ausführlichen Überblick über die unterschiedlichen Methoden und ihre bevorzugten
Anwendungsgebiete gibt Leach [LEACH, 2006].
In dieser Arbeit ist die Konformeranalyse der verwendeten Komponenten bzw.
Molekülstrukturen mit der kommerziellen Software HyperChem durchgeführt worden. Dabei
werden programmintern die folgenden Schritte durchgeführt:
1. Auswählen einer Startgeometrie,
2. Modifikation der Startgeometrie durch Variation von geometrischen Parametern,
3. Geometrieoptimierung der modifizierten Startgeometrie,
4. Vergleichen der aktuellen Geometrie mit denen der vorher gefundenen und Akzeptanz
falls die gefundene Geometrie einzigartig ist und ein bestimmtes Energiekriterium
erfüllt.
65

In Schritt 2., der Variation der Startgeometrie, wird die Geometrie systematisch geändert.
Dabei wird ein weiterentwickelter Monte Carlo Multiple Minimum [CHANG, 1989] Ansatz
angewendet [GOODMAN, 1991], der vor allem die Dimensionalität der systematischen
Suche reduziert, indem anfangs mit kleiner Auflösung die Energiefläche grob abgesucht wird.
Die gefundenen Variationen werden dann durch weitere systematische Geometrieänderungen
mit hoher Auflösung verfeinert. Ausgehend von einer Anfangsstruktur werden vom Benutzer
vorgegebene Drehwinkel geändert. Auf diese Weise neu gewonnene Strukturen werden
geometrieoptimiert und anschließend Auswahlkriterien unterworfen, die entweder zur
Akzeptanz oder zum Verwerfen einer Struktur führen. Dabei werden die zu vergleichenden
Strukturen überlagert und Drehwinkel sowie atomare Abstände verglichen. Ligen die Größen
innerhalb einer vorzugebenden Toleranz, wird die neue Struktur abgewiesen. Als Methode für
die Geometrieoptimierung wurde in dieser Arbeit die semiempirische Methode PM3 gewählt.
Im Folgenden soll am Beispiel des 2-Butanol Moleküls der Einfluss der Konformere auf das
Ergebnis der Modellierung mit COSMO-RS gezeigt werden.

5.1.2 Konformeranalyse und Phasengleichgewichtsberechnungen am Beispiel des 2-


Butanols

Die Startstruktur des 2-Butanolmoleküls wird mit der HyperChem-Software erstellt und
anschließend geometrieoptimiert. Wie auch bei der Geometrieoptimierung innerhalb der
Konformeranalyse wird hier die semiempirische Methode PM3 gewählt. Für diese optimierte
Struktur müssen alle zu verändernden Diederwinkel explizit definiert werden. Diese Winkel
werden dann der Konformeranalyse übergeben. Innerhalb der Konformeranalyse sind
Vorgabewerte für die Akzeptanzkriterien einer neuen Konformation zu definieren. Die
wichtigsten werden hier kurz erläutert:
• Globale Energiedifferenz: maximaler Wert in kcal/mol, der bestimmt, ob neue
Konformere relativ zum energieniedrigsten Konformer akzeptiert werden,
• Duplizitätstests:
o Minimalwert für Abstand in Angström zwischen ungebundenen Atomen,
o Winkelangabe in Grad zwischen den definierten Drehwinkeln,
o Energiedifferenz zwischen zwei Geometrien in kcal/mol,
o RMS-Fehler übereinandergelegter Atome in den zu vergleichenden
Konformationen in Angström
• Optionen für die Geometrieoptimierung:
o RMS-Energiegradient, Schwelle für Erreichen eines Energieminimums
66

o maximale Anzahl an Optimierungsschritten


Tabelle 5.1 enthält die für 2-Butanol verwendeten Werte der Optionen für die
Konformeranalyse.

Tabelle 5.1 Parameter der Konformeranalyse

globale Duplizitätstests Geometrieoptimierung


Energie-
differenz
Atomabstand Winkel Energiedifferenz RMS Fehler RMS Anzahl
Gradient Zyklen
[kcal/mol] [Å] [°] [kcal/mol] [Å] [-] [-]

10 0,5 15 0,5 0,9 0,01 1000

Insbesondere die Werte für die Energiedifferenz und die RMS Fehler innerhalb der
Duplizitätstests bestimmen die Anzahl der gefundenen Konformere.
Im Ergebnis der Konformeranalyse für das 2-Butanol liegen mit den gewählten Optionen die
in Abbildung 5.1 dargestellten zehn Molekülstrukturen vor.
67

Abb. 5.1 Konformere des 2-Butanols aus der Konformeranalyse mit HyperChem in der Fischer-Projektion

Diese gefundenen Konformationen werden als Startgeometrien für die Geometrieoptimierung


mittels DFT und der gleichzeitigen Berechnung der Abschirmungsladungen mit dem
COSMO-Modell verwendet (vgl. Kapitel 2.3). Anhand der COSMO-Energien, der Energie
des Moleküls unter der Randbedingung des idealen Leiters, lassen sich die Konformationen
vergleichen. Tabelle 5.2 und Abb. 5.2 verdeutlichen die Ergebnisse. Die lineare Struktur
Nummer 2 ist die energieärmste und Konformation 8 besitzt die höchste COSMO-Energie.
68

Tabelle 5.2 Energien der 2-Butanol Konformere in Atomaren Einheiten2 (au)


Konformer Energie (korrigiert)

1 -233.7717445921

2 -233.7722311095

3 -233.7706253648

4 -233.7722053291

5 -233.7718505132

6 -233.7720673333

7 -233.7709931612

8 -233.7705132890

9 -233.7720608924

10 -233.7722188571

-233.7695

-233.7700

-233.7705

-233.7710

-233.7715

-233.7720

-233.7725
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Konformernummer

Abb. 5.2 Energien der 2-Butanol Konformationen in Atomaren Einheiten (au)

2
Die Hartree-Energie (Eh) ist eine physikalische Konstante. In den atomaren Einheiten wird sie als Einheit der Energie benutzt.
Eh=4,359 743 81*10-18J
69

Für die Untersuchung des Einflusses der verschiedenen Konformationen auf die Modellierung
des Phasengleichgewichtes werden zwei verschiedene Systemklassen untersucht. Einerseits
das binäre System 2-Butanol/Wasser bei dem experimentelle Daten bei 298,15K und 323,15K
vorliegen und andererseits die binären Systeme 2-Butanol/n-Pentan und 2-Butanol/n-Hexan.
Das 2-Butanol/Wasser-System bildet bei den gewählten Temperaturen ein Hetereoazeotrop.
Die Güte der Vorhersage wurde durch die Betrachtung der Abweichung des berechneten
Systemdrucks von experimentell ermittelten Daten bewertet. Tabelle 5.3 zeigt für die zehn
Konformationen die Abweichungen im Druck des 2-Butanol/Wasser-Systems. Die
Komponente Wasser besitzt eine Konformation. Man erkennt, dass die Abweichung in diesem
Fall für die Energiemaximum-Konformation und die Energieminimum-Konformation gleich
sind. Die geringsten Abweichungen ergeben sich für die Konformation drei.

Tabelle 5.3 Vergleich der Abweichungen im Druck für VLLE


Phasengleichgewichtsrechnungen des Systems 2-Butanol/Wasser bei 298,15 und 323,15K
absolute Abweichung
Konformernummer
im Druck [%]
2 11.0
8 11.1
1 6.3
3 5.9
4 6.5
5 6.2
6 13.2
7 8.6
9 13.3
10 6.6

Weiterhin erkennt man, dass die Berechnung unter Verwendung der Konformation mit der
niedrigsten Energie und damit mit der höchsten Wahrscheinlichkeit des Auftretens dieser
Konformation nicht die geringsten Abweichungen bei der Phasengleichgewichtsberechnung
liefert. Eine Berechnung des Phasengleichgewichtes unter der Annahme, dass die reine
Komponente 2-Butanol aus einer Mischung der Konformationen dargestellt wird, bietet die
Möglichkeit den gesamten betrachteten Konformerenraum zu berücksichtigen. Die
Konformationen werden dabei hinsichtlich ihrer Energie gewichtet, wobei Konformationen
70

mit niedriger Energie wahrscheinlicher auftreten als Konformationen mit höherer Energie. Bei
Verwendung des COSMO-RS-Modells besteht die Möglichkeit, das Auftreten der
Konformere in folgender Weise zu berücksichtigen:
Die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Konformation wi ist über eine Boltzman-
Verteilung derart gegeben, dass die so genannte Total Free Energy (TFE) der Konformation
in der Mischung berechnet wird und in Relation zur TFE aller, durch die Konformeranalyse
erhaltenen, Konformationen gesetzt wird:
wc exp[−(TFEi − TFE min ) / RT ]
i
wi = Konformationen
(5.1)
∑[ wc
j
j exp[−(TFE j − TFE min ) / RT ]]

Der Faktor wc in Gleichung 5.1 kennzeichnet die Symmetrie, die ausdrückt, wie oft dieselbe
molekulare Struktur durch verschiedene Drehungen innerhalb der Bindung erhalten werden
kann. Die TFE wird auf folgende Weise berechnet:

TFE = ECOSMO + ∆E + µ i (5.2)

Wobei ECOSMO die quantenchemische Energie des Moleküls mit der Randbedingung des
idealen Leiters darstellt, ∆E die Korrektur der Abschirmungsladungen und µi das chemische
Potenzial der betrachteten Komponente (Konformation) in der Mischung sind. Die
Wahrscheinlichkeit wi muss für jede Konzentration von i in der Mischung neu berechnet
werden, da sich das chemische Potenzial konzentrationsabhängig ändert. In Abb. 5.3 ist das
Ergebnis der Phasengleichgewichtsberechnung für das System 2-Butanol/Wasser bei einer
Temperatur von 298,15K dargestellt. Neben dem Ergebnis für die Berechnung unter
Berücksichtigung aller Konformationen sind die Ergebnisse für die Konformation mit der
niedrigsten und der höchsten COSMO-Energie aufgezeigt sowie der Konformation, die die
geringste Abweichung von den experimentellen Daten zeigt.
71

Abb. 5.3 Binäres Dampf-Flüssig-Phasengleichgewicht 2-Butanol/Wasser bei 298,15 K, Vergleich der


Vorhersage des Phasengleichgewichts mit COSMO-RS bei Verwendung verschiedener 2-Butanol-
Konformationen mit experimentellen Daten (experimentelle Daten: Gaube,J., L.Krenzer, G.Olf and R.Wendel,
Fluid Phase Equilib., 35, 1987, 279)

Für die Systeme 2-Butanol/n-Pentan und 2-Butanol/n-Hexan ergibt sich hinsichtlich der
einzelnen Konformationen im Vergleich zum 2-Butanol/Wasser-System eine andere
Reihenfolge der Abweichungen im Druck. Abb. 5.4 zeigt die gemittelten Abweichungen aller
Messpunkte. Zur besseren Übersicht sind die Daten für 2-Butanol/n-Pentan auf der
Sekundärachse aufgetragen. Man erkennt, dass innerhalb der beiden 2-Butanol/n-Alkan-
Systeme die relativen Abweichungen einer jeden Konformation gleich sind. Konformation 5
zeigt die niedrigste Abweichung und Konformation 4 die höchste. Die
Energieminimumkonformation 2 zeigt eine höhere Abweichung als die
Energiemaximumkonformation. Zusätzlich zur binären Mischung mit Alkanen sind die
Ergebnisse für das 2-Butanol/Wasser-System in das Diagramm eingetragen. Aus diesen
Ergebnissen lässt sich schließen, dass im voraus keine Aussage darüber getroffen werden
kann, welche Konformation sich am Besten eignet, experimentelle Daten wiederzugeben. Es
muss vielmehr der Konformerenraum in der oben beschriebenen Weise analysiert und
berücksichtigt werden.
72

22 16
n-Pentan(Sekundärachse)
20 n-Hexan 14
Abweichungen im Druck / %

18 Wasser
16 12
14 10
12
8
10
8 6
6 4
4
2
2
0 0
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Konformernummer 2-Butanol

Abb. 5.4 Vergleich der Abweichungen im Druck zwischen experimentellen Daten und Berechnungen mit
COSMO-RS für die Systeme 2-Butanol/n-Pentan, 2-Butanol/n-Hexan und 2-Butanol/Wasser in Abhängigkeit
von der verwendeten Konformation (experimentelle Daten: 2-Butanol/Wasser Gaube,J., L.Krenzer, G.Olf and
R.Wendel, Fluid Phase Equilib., 35, 1987, 279; Shakhud, Z.N., Markuzin, N.P., Stroronkin, A.V., Khim., 10,
1972, 85; Fischer,K. and J.Gmehling, J.Chem.Eng.Data, 39, 1994, 309; 2-Butanol/n-Pentan: Ronc,M. and
G.R.Ratcliff, Can.J.Chem.Eng., 54, 1976, 326; Araujo,M.E., M.R.Maciel and A.Z.Francesconi,
J.Chem.Thermodyn., 25, 1993, 129)

5.2 Vorhersage des Phasenverhaltens von hyperverzweigten Polymeren

Für die Vorhersage des Phasengleichgewichtes von stark verzweigten Molekülen mit vielen
funktionellen Gruppen sind zwei Haupteinflusseingrößen und deren Wiedergabe durch das
gewählte Modell zunächst unabhängig voneinander zu validieren:
1. Einfluss der Verzweigung bzw. der Kettenlänge auf das Phasenverhalten
2. Einfluss der Anzahl der funktionellen Gruppen auf das Phasenverhalten.
In der vorliegenden Arbeit wurde ein verzweigtes Polyglycerin der Molmasse 1400g/mol mit
20 Hydroxylgruppen in der Molekülstruktur als Modellpolymer für die Untersuchungen
gewählt. Referenzdaten dieses Polymers in Lösung mit Wasser und Ethanol wurden der
Dissertation von Seiler entnommen [SEILER, 2004a].
Der Einfluss der Kettenlänge wird an einwertigen Alkoholen mit verschiedener Kettenlänge
und Verzweigungsstruktur untersucht, der Einfluss der Anzahl der funktionellen Gruppen an
Systemen mit ein- und höherwertigen Alkoholen. Die quantenchemische
73

Geometrieoptimierung des hyperverzweigten Polymers ist bei der verwendeten


Rechnerkonfiguration auf etwa 60 Atome pro Molekül limitiert. Das Modellpolymer besteht
aus 214 Atomen. Es wird ein Ansatz vorgestellt, der es ermöglicht, durch Zerlegung des
Moleküls in Fragmente das Sigmaprofil für das Modellpolymer zu bestimmen.

5.2.1 Einfluss der Verzweigung bzw. der Kettenlänge auf das Phasenverhalten

Im untersuchten Modellsystem Polyglycerin/Wasser/Ethanol ist die Hydroxylgruppe und ihre


Anordnung im Molekül wesentlich für das Wechselwirkungsverhalten verantwortlich.
Abschnitte im Polymer, die über wenige OH-Gruppen verfügen, werden eher unpolaren
Charakter aufweisen als solche mit vielen. Die Wiedergabe dieser prinzipiellen Eigenschaften
muss durch das verwendete Modell COMOS-RS sichergestellt werden. Zur Validierung
wurden dazu die Grenzaktivitätskoeffizienten von einwertigen Alkoholen der homologen
Reihe von Methanol bis 1-Decanol in Wasser herangezogen. Da es sich hier und auch in
Kapitel 5.2.2 um niedermolekulare Substanzen handelt, wurde der Free-Volume-Term an
dieser Stelle nicht verwendet. Abbildung 5.5 zeigt die mit COSMO-RS berechneten Verläufe
der Aktivitätskoeffizienten für verschiedene Temperaturen. Die Übereinstimmung mit den
experimentellen Daten ist gut, insbesondere wenn man die Abweichung bei den Messwerten
berücksichtigt und die Unsicherheit, mit der solche Daten gewonnen werden können. Neben
der Darstellung des Wechselwirkungsverhaltens bei unendlicher Verdünnung ist die korrekte
Beschreibung der Wechselwirkungen bei endlichen Konzentrationen wichtig. Abbildungen
5.6, 5.7 und 5.8 zeigen für die Systeme Ethanol/1-Propanol, Ethanol/Wasser und Wasser/1-
Butanol die Aktivitätskoeffizienten über den gesamten Konzentrationsbereich. Die
Vorhersage des Aktivitätskoeffizienten durch COSMO-RS gelingt für alle gezeigten Systeme
mit guter Genauigkeit. Im Alkohol/Alkohol-System ist die Abweichung der Vorhersage
gegenüber den experimentellen Daten sehr klein. Aufgrund der Ähnlichkeit der Moleküle
Ethanol und 1-Propanol in ihrer Größe und dem Wechselwirkungsverhalten ergeben sich
Aktivitätskoeffizienten nahe Eins. In den Alkohol/Wasser-System zeigt sich eine
systematische Abweichung des Aktivitätskoeffizienten des Alkohols bei hohen
Wasserkonzentrationen hin zu kleineren Werten. Dies bedeutet, dass COSMO-RS eine
weniger starke „Abneigung“ der Moleküle in der Mischung beschreibt.
74

14

12 1-Decanol

1-Nonanol
10
ln γ ο ο Alkohol in Wasser

1 Oktanol

8 1-Heptanol

1-Hexanol
6
1-Pentanol
1-Butanol
4
1-Propanol

2 Ethanol

Methanol
0
290 310 330 350 370 390
T/K

Abb. 5.5 Aktivitätskoeffizienten bei unendlicher Verdünnung von Alkoholen in Wasser bei verschiedenen
Temperaturen (T=298,15K für 1-Pentanol bis 1-Decanol); experimentelle Daten: Kojima, K.; Zhang, S.; Hiaki,
T.; Fluid Phase Equilibria, 1997, 131, 145-179

1.030

1.025
experimentell Ethanol

experimentell 1-Propanol
1.020
COSMO-RS

1.015
γι

1.010

1.005

1.000
0 0.2 0.4 0.6 0.8 1

x Ethanol

Abb. 5.6 Aktivitätskoeffizienten im System Ethanol/1-Propanol bei T=313,15K. Experimentelle Daten:


Zielkiewicz,J., J.Chem.Thermodyn., 25, 1077 (1993), Rechnungen COSMO-RS
75

10.000

9.000

8.000 experimentell Ethanol

experimentell Wasser
7.000
COSMO-RS

6.000
γι

5.000

4.000

3.000

2.000

1.000
0 0.2 0.4 0.6 0.8 1

x Ethanol

Abb. 5.7 Aktivitätskoeffizienten im System Ethanol/Wasser bei T=343,15K. Experimentelle Daten:


Pemberton,R.C. and C.J.Mash, J.Chem.Thermodyn., 10, 867 (1978), Rechnungen COSMO-RS

5.00

4.00 experimentell Wasser

experimentell 1-Butanol

COSMO-RS
3.00
ln γ ι

2.00

1.00

0.00
0 0.2 0.4 0.6 0.8 1

x W asser

Abb. 5.8 Aktivitätskoeffizienten im System Wasser/1-Butanol bei T=308,15K. Experimentelle Daten: Lyzlova
R.V et al.,Zh. Prikl. Khim., 52, 551 (1979), Rechnungen COSMO-RS
76

Der Einfluss der Verzweigung auf das Phasenverhalten und seine Beschreibung durch
COSMO-RS eines Moleküls mit konstanter Anzahl an Hydroxylgruppen wurde an
Aktivitätskoeffizienten des Modellmoleküls in einer Mischung Modellmolekül/Wasser
untersucht. Ein hypothetisches Polyol mit vier Hydroxylgruppen innerhalb der Struktur ist in
drei Varianten generiert worden – eine lineare, eine vollständig verzweigte, sternförmige mit
den OH-Gruppen innen angeordnet sowie eine vollständig verzweigte, sternförmige mit den
OH-Gruppen am Rand angeordnet. Die Summenformel des Modellmoleküls lautet
C21H40OH4, sein Molgewicht beträgt 360,58 g/mol. Abb. 5.9 a-c zeigt die chemische Struktur
der drei Varianten. Enstsprechend den Standardbindungslängen und –bindungswinkeln
zwischen den Atomen wurden Startstrukturen generiert und diese unter COSMO-
Randbedingungen mittels TURBOMOLE mit DFT-Rechnungen geometrieoptimiert. Das
Ergebnis der Sigmaprofile zeigt Abb. 5.10.

Abb. 5.9 Modellmolekül mit konstanter Anzahl an Hydroxylgruppen


77

80

70 OH-Gruppen außen

OH-Gruppen innen
60
Häufigkeit P( σ ) linear
50

40

30

20

10

0
-4 -2 0 2 4
2
σ / e/nm

Abb. 5.10 Sigmaprofile des Modellmoleküls zur Untersuchung des Verzweigungseinflusses auf das
Phasenverhalten
Man erkennt einen deutlichen Einfluss der unterschiedlichen Molekülgeometrien bei gleicher
Summenformel. Das Sigmaprofil des linearen Modellmoleküls zeigt einen deutlichen Peak im
Bereich neutraler Ladungen und zwei definierte Spitzen im Bereich positiver und negativer
Abschirmungsladungen (vgl. Abb. 5.10). Diese Peaks der OH-Gruppen sind, da sie nicht von
anderen Atomen abgeschirmt werden, wesentlich ausgeprägter als bei den sternförmigen
Varianten. Dort ist der Bereich der neutralen Segmente auf der Moleküloberfläche nicht so
stark definiert, sondern weist eine Schulter im Bereich positiver Abschirmungsladungen auf,
was einer negativen Ladung auf der Moleküloberfläche entspricht. Im Unterschied zur
Variante mit den außenliegenden OH-Gruppen, zeigt das Molekül mit den innenliegenden
OH-Gruppen kleinere Abschirmungsladungsdichten im Bereich der Abschirmungsladungen
der OH-Gruppen, da die funktionellen Gruppen hier von anderen Atomen verdeckt werden.
Dies wirkt sich direkt auf die Aktivitätskoeffizienten der Moleküle in Lösung aus. Abb. 5.11
zeigt die theoretischen Verläufe der Aktivitätskoeffizienten von Wasser in einer Mischung
Modellmolekül/Wasser.
78

10
linear
9 OH-Gruppen außen
OH-Gruppen innen
8

6
γ Wasser

1
0 0.2 0.4 0.6 0.8 1
x Polyol

Abb. 5.11 Verläufe der Aktivitätskoeffizienten des Modellmoleküls im System Modellmolekül/Wasser


Es ist zu erkennen, dass sich die Aktivitätskoeffizienten von Wasser in Mischung mit dem
verzweigten Molekül, bei dem die OH-Gruppen im Innern angeordnet und abgeschirmt sind,
deutlich von denen der Polyolstruktur unterscheiden, bei denen die OH-Gruppen nach außen
zeigen. Erwartungsgemäß läuft der Aktivitätskoeffizient hier bei unendlicher Verdünnung von
Wasser in Modellmolekül in einen Wert deutlich größer als Eins ein, da dieses Molekül einen
viel stärker unpolaren Charakter aufweist.

5.2.2 Einfluss der Anzahl der funktionellen Gruppen auf das Phasenverhalten

Im betrachteten System Wasser/Ethanol/hyperverzweigtes Polymer beeinflusst die Anzahl der


Hydroxylgruppen in der aliphatischen Struktur stark das Wechselwirkungsverhalten. Eine
hohe Anzahl Hydroxylgruppen führt zu einer Verminderung des unpolaren Charakters der C-
Kette. Die Aktivitätskoeffizienten werden mit steigender Anzahl der OH-Gruppen kleiner,
was einer verringerten Abweichung vom Roultschen Gesetz in der Mischung entspricht.
Abb. 5.12 zeigt Aktivitätskoeffizienten von 1-Propanol und 1,2-Propandiol in Wasser bei
unendlicher Verdünnung. Das Hinzufügen von einer zweiten Hydroxylgruppe bewirkt eine
starke Verringerung der Werte der Aktivitätskoeffizienten. Dieses Verhalten kann von
COSMO-RS gut wiedergegeben werden.
79

5
COSMO-RS
1-Propanol
4
1,2-Propandiol

3
ln γ ∞ Alkohol

0
250 300 350 400
T/K

Abb. 5.12 Aktivitätskoeffizienten bei unendlicher Verdünnung von 1-Propanol und 1,2-Propandiol in Wasser in
Abhängigkeit von der Temperatur. Vergleich experimenteller Daten (Kojima, K.; Zhang, S.; Hiaki, T.; Fluid
Phase Equilibria, 1997, 131, 145-179) und Berechnungen

Bei endlichen Konzentrationen zeigt sich im System Wasser/1,4-Butandiol eine wesentlich


bessere Mischbarkeit der Komponenten als im Wasser/1-Butanol-System. Das
heteroazeotrope Verhalten, welches im System mit nur einer OH-Gruppe auftritt,
verschwindet vollständig und die Komponenten sind über den gesamten
Konzentrationsbereich mischbar (vgl. Abb. 5.13). Die Vorhersage des Phasenverhaltens im
System mit zwei Hydroxylgruppen gelingt mit sehr guter Genauigkeit über den gesamten
Konzentrationsbereich für alle Temperaturen. In Abbildung 5.13 ist der Temperaturbereich
zwischen 333.2K und 368,2K dargestellt.
80

1
333,2K 338,2K
343,2K 348,2K
0.8 353,2K 358,2K
363,2K 368,2K
COSMO-RS
0.6
P [bar]

0.4

0.2

0
0 0.2 0.4 0.6 0.8 1
x,y Was s e r

Abb. 5.13 VLE Wasser/1,4-Butandiol bei Temperaturen zwischen T=333,2K und T=368,2K. Vergleich
experimenteller und berechneter Daten (experimentelle Daten aus Huang R., Zhang, D., Shiyou Huagong, 16
(1987), 497)
Erhöht man die Anzahl der Hydroxylgruppen weiter, so kann man am Beispiel des
Propantriols erkennen, dass im binären System mit Wasser kaum noch eine Abweichung vom
Roultschen Gesetz vorliegt. Die Aktivitätskoeffizienten der Komponenten bewegen sich um
den Wert Eins und führen zu einem nahezu idealen Mischungsverhalten. Der unpolare
Charakter einer C-3-Kette ohne funktionelle Gruppen wird aufgehoben. Die Vorhersagen
gelingen mit dem COSMO-RS Modell erneut mit guter Genauigkeit. Die mittlere
Abweichung zwischen experimentellen Daten der Drücke und den berechneten beträgt 8%.
81

0.5
323,2K
348,2K
0.4
COSMO-RS

0.3
P [ bar]

0.2

0.1

0
0 0.2 0.4 0.6 0.8 1
x,yW asser

Abb. 5.14 VLE Wasser/Propantriol bei Temperaturen von T=323,2K und T=348,2K. Vergleich experimenteller
und berechneter Daten (experimentelle Daten aus Dulitskaya, K.A.; Zh. Obshch. Khim.; 15, 9-21.1945)

In der thermischen Verfahrenstechnik kann zur Erfüllung einer Trennaufgabe das engsiedende
oder azeotrope Phasenverhalten durch Zugabe eines weiteren Stoffes selektiv geändert
werden. Ziel ist beispielsweise bei der Rektifikation, einen Zusatzstoff derart auszuwählen,
dass ein schwersiedendes Gemisch im Sumpf und eine leichtsiedende Komponente am Kopf
der Kolonne auftreten. Im System Ethanol/Wasser hat sich in der chemischen Industrie
Ethandiol als Zusatzstoff etabliert. Diese Komponente bildet mit Wasser ein schwersiedendes
binäres Gemisch. Hinsichtlich der jeweiligen Trennaufgabe sollte es möglich sein, durch
gezielte Anordnung funktioneller Gruppen innerhalb einer molekularen Struktur das
Phasenverhalten so einzustellen, dass die Trennaufgabe innerhalb der Spezifikationen erfüllt
werden kann. Die hyperverzweigten Polymere bieten hier eine hervorragende Basis, da
sowohl die Art und Anzahl der funktionellen Gruppen, als auch ihre Anordnung innerhalb der
molekularen Struktur nahezu beliebig eingestellt werden kann (vgl. [SEILER, 2004a]). Im
Hinblick auf das gewählte Testsystem und die spätere Untersuchung von verschiedenen
Polymerstrukturen gilt die Beschreibung des Systems Ethanol/Wasser/Ethandiol als
grundlegend. In Abb. 5.15 sind experimentelle Daten dieses ternären Systems dargestellt.
Aufgetragen ist die Ethanolkonzentration im Dampf und in der Flüssigkeit bei jeweils
konstanten Zugabekonzentrationen des Ethandiol. Man erkennt, dass eine Erhöhung der
Ethandiolkonzentration eine deutliche Vereinfachung der Trennaufgabe bewirkt, da das
engsiedende Verhalten aufgeweitet wird. Vorhersagen der Aktivitätskoeffizienten in diesem
82

ternären System mit COSMO-RS ergeben eine gute Wiedergabe der Messdaten. Bei hohen
Ethanolkonzentrationen erkennt man eine leichte Überschätzung der Dampfkonzentration. Da
das COSMO-RS-Modell mit seiner gegenwärtigen Genauigkeit allerdings nicht als Ersatz für
experimentelle Untersuchungen dient, sondern vielmehr einer Vorauswahl von möglichen
molekularen Strukturen im Rahmen von Screening-Untersuchungen eingesetzt werden soll,
ist diese Überschätzung der Dampfkonzentration als unproblematisch anzusehen.

1.0

0.8

0.6
y Ethanol

x(3) = 0,1
0.4 x(3) = 0,3
x(3) = 0,5
x(3) = 0,7
0.2 COSMO-RS
x=y

0.0
0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0
x Ethanol

Abb. 5.15 Ternäres VLE Ethanol/Wasser/Ethandiol bei T=363,15K; Abhängigkeit des Phasenverhaltens von der
Ethandiolkonzentration (experimentelle. Daten aus Schneider T., Neuartige Zusatzstoffe für die Trennung
azeotroper Gemische, Diplomarbeit, Berlin 2001)

5.2.3 Abbildung der molekularen Struktur der hyperverzweigten Polymere mit


quantenchemischen Methoden

Eine Geometrieoptimierung von Molekülen mit hohem Molekulargewicht ist mit DFT
Methoden nur begrenzt möglich. Beim gegenwärtigen Stand der Rechenleistung und der
Methoden der Quantenchemie lassen sich Moleküle mit 60 bis 80 Atomen problemlos
berechnen. Das entspricht bei der Beschränkung auf die Elemente Sauerstoff, Wasserstoff und
Kohlenstoff einer Molmasse von 400-800 g/mol. Das hier betrachtete hyperverzweigte
Polyglycerin besitzt ein Molekulargewicht von 1400g/mol. Eine Geometrieoptimierung oder
Konformationsanalyse ist mit vertretbarem Aufwand dafür nicht durchführbar. Abb. 5.16
zeigt eine mögliche Molekülstruktur, abgeleitet aus strukturaufklärenden Untersuchungen
(vgl. Kapitel 2.5 und [SEILER, 2004a])
83

HO OH
OH
OH
HO O
O OH

O O OH
O
O OH
O
OH
H3C O O O
O
O OH

O OH
O
OH O
O OH

HO
OH OH
O

HO
OH

Abb. 5.16 Molekülstruktur des hyperverzweigten Polyglycerins PG1400, abgeleitet aus experimentellen Daten

Mit NMR Untersuchungen ermittelt man den Anteil dendritischer, linearer und terminaler
Struktureinheiten, aus denen unter anderem der Verzweigungsgrad abgeleitet wird. Weiterhin
ist die Art, die Anzahl und die Lage der funktionellen Gruppen bekannt [BURGATH, 1998;
GELADE, 2001; HOELTER, 1997; VAN BENTHEM, 2001]. Die Lage der funktionellen
Gruppen und die Größe der Molekülstruktur wurden in experimentellen Untersuchungen
mittels Small-Angle-Neutron- und X-Ray-Scattering (SAXS, SANS) bestimmt [HEDDEN,
2003; SCHERRENBERG, 1998; TOPP, 1999c; TOPP, 1999a; TOPP, 1999b].

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es prinzipiell drei Möglichkeiten, die molekularen


Strukturen für die Berechnungen mit COSMO-RS bereitzustellen:
1. Zusammensetzen der Gesamtstruktur aus kleinen Einzelfragmenten. Entsprechend den
Ergebnissen der NMR-Untersuchungen werden Basisstruktureinheiten definiert. Diese
Basiseinheiten werden an den Rändern abgesättigt und einer Geometrieoptimierung
zugeführt. Durch Mehrfachgewichtung dieser optimierten Strukturen kann das
Sigmaprofil eines großen Moleküls erzeugt werden.
2. Zusammensetzen aus möglichst großen Substrukturen. Nach Ermittlung der möglichen
Topologie der Gesamtmolekülstruktur wird diese so in Unterstrukturen aufgeteilt, dass
Abschirmungseffekte innerhalb der Molekülstruktur erfasst werden und gleichzeitig
84

eine Geometrieoptimierung mit DFT-Methoden möglich ist. Mit diesen wenigen


Unterstrukturen wird ein Sigmaprofil des Gesamtmoleküls erzeugt.
3. Berechnung der Gesamtmolekülstruktur. Die nach den vorliegenden experimentellen
Daten erzeugte Topologie wird als gesamtes Molekül einmalig der Berechnung der
Abschirmungsladungsdichte zugeführt und somit das Sigmaprofil ermittelt.
Der Vorteil der ersten Variante ist die schnelle Generierung der einzelnen, kleinen und
gleichzeitig geometrieoptimierten Fragmente. Als großer Nachteil erweist sich aber, dass
keine Informationen über Abschirmungseffekte innerhalb einer großen Struktur in das
Sigmaprofil übertragen werden können. Je nach Art der Zerlegung kann dies z.T. durch
Einsatz der Variante zwei überwunden werden. In der dritten Variante können
Abschirmungseffekte explizit erfasst werden. Befindet sich beispielsweise eine
Hydroxylgruppe im Innern des Moleküls, wird sie keinen oder nur einen geringen Beitrag zu
Abschirmungsladung auf der Oberfläche des Moleküls liefern und nur diese
Abschirmungsladungen gehen in das Wechselwirkungsverhalten ein, welches mit COSMO-
RS modelliert wird.

Zusammensetzen der Gesamtstruktur aus kleinen Einzelfragmenten.


Die Molekülstruktur des hier betrachteten Polyglycerins wurde von Hoelter et al. untersucht
[HOELTER, 1997] und es treten vier sich wiederholende Einheiten auf, eine dendritische (D),
eine terminale (T), zwei lineare (L13, L14) Einheiten und eine Starteinheit (Abb. 5.17). Ihre
Eigenschaften sind in Tabelle 5.4 zusammengestellt. Die Bindung gibt hierbei an, ob durch
eine Einheit eine Verzweigungsmöglichkeit in Form einer Bindung hinzukommt (+1), wie es
bei der Starteinheit oder bei den dendritischen Einheiten der Fall ist, bzw. ob eine
Verzweigung durch eine terminale Einheit beendet wird (-1).

Tabelle 5.4: Eigenschaften der Struktureinheiten des hyperverzweigten Polyglycerins


Einheit Molmasse OH- Gruppen Bindungen
[g/mol] pro Einheit
Starteinheit 31,03 0 +1
Dendritisch D 73,07 0 +1
Linear L13 74,08 1 0
Linear L14 74,08 1 0
Terminal T 75,09 2 -1
85

O OH
H2C H2C

CH CH
O C O O C O
H2 H2

dendritisch D linear L13

OH
H2C OH

CH CH
O C OH O C C O
H2 H2 H2

terminal T linear L14

O
H3C

Starteinheit

Abb. 5.17 chemische Struktur der vier sich wiederholenden Struktureinheiten des untersuchten Polyglyzerins
Anhand der Anteile der verschiedenen Struktureinheiten und dem Molekulargewicht des
hyperverzweigten Polyglycerins kann die Anzahl der Einheiten im Molekül berechnet werden
(Tabelle 5.5). Das Ergebnis wird durch das berechnete Molekulargewicht, die Anzahl der OH-
Gruppen des Moleküls und durch die Anzahl der Bindungen überprüft. Die Anzahl der
Bindungen muss 0 ergeben, damit keine ungesättigten Bindungen im Molekül vorliegen.

Tabelle 5.5 Eigenschaften der vier sich wiederholenden Struktureinheiten des untersuchten
Polyglyzerins
Einheit Anteil Anzahl Molmasse Anzahl Bindungen
[%] [g/mol] OH- Gruppen
Starteinheit 5 1 31,034 0 +1
Dendritisch D 25 5 365,35 0 +5
Linear L13 10 2 148,16 2 0
Linear L14 30 6 444,47 6 0
Terminal T 30 6 450,52 12 -6
gesamt 100 20 1439,53 20 0

Da mit dem COSMO-RS-Modell, im Gegensatz zu dem in Seiler et al. [SEILER, 2004b]


vorgeschlagenem Verfahren Wechselwirkungsanteile einzelner Struktureinheiten nicht
86

ausgeblendet werden können, muss an den vorliegenden Phasengleichgewichtsdaten getestet


werden, ob eine Einteilung in größere Struktureinheiten sinnvoll ist.

Zusammensetzen der Gesamtstruktur aus möglichst großen Substrukturen


Die Molekülfragmente sind so gewählt, dass sie einerseits vollständig mit DFT-Methoden
geometrieoptimiert werden können und andererseits sterische Effekte, hervorgerufen durch
Verzweigungen, berücksichtigt werden. Für dieses Vorgehen wurde das Gesamtmolekül in
vier Subeinheiten zerlegt (vgl. Abb. 5.18). Die Zusammensetzung und die Molmassen dieser
vier Subeinheiten können Tabelle 5.6 entnommen werden.

HO OH
OH
OH T T
HO O
O OH
L 14 L 13 Sub1
O O OH
O D
O OH Sub2
T
O D L14
OH
Starter D
H 3C O O O L 14 T
O
O OH D D
O OH
O L 14 L14
OH O
OH Sub3 T
O
HO
L 13 Sub4
OH OH
O
A L14
B
HO T
OH

Abb. 5.18 Molekülstruktur des hyperverzweigten Polyglycerins; A: Strukturformel des hyperverzweigten


Polyglycerins; B: Zusammensetzung des hyperverzweigten Polyglycerins aus dendritischen, linearen und
terminalen Einheiten und Zusammenfassung in große Subeinheiten zur Geometrieoptimierung

Tabelle 5.6 Zusammensetzung und Molmasse der Subeinheiten des hyperverzweigten


Polymers
Einheit S D L13 L14 T Molmasse
Sub 1 0 1 1 1 2 371,40
Sub 2 1 2 0 1 1 326,34
Sub 3 0 1 1 2 1 370,39
Sub 4 0 1 0 2 2 371,40
1 5 2 6 6
gesamt 1439,53
20

Die Geometrien der vier Subeinheiten werden als vollständige Moleküle optimiert. Bei der
Optimierung muss darauf geachtet werden, dass jede Schnittstelle ausreichend abgesättigt ist.
87

Im Fall des verzweigten Polyglycerins wird diese Forderung erfüllt, indem die Schnittstellen
der Subeinheiten durch OCH2CH2OH-Gruppen oder durch CH2CH2OH-Gruppen abgesättigt
werden. Durch die Verwendung dieser zwei Endgruppen ist sichergestellt, dass jede
Schnittstelle der Subeinheiten durch eine Estergruppe (C-O-C), wie sie im hyperverzweigten
Polyglycerin vorliegt, abgesättigt wird und der Schnitt zur Erstellung der Fragmente trotz der
hohen Polarität an dieser Stelle möglich ist. Nach der Molekülgeometrieoptimierung bilden
die Subeinheiten die Grundlage für die Beschreibung des hyperverzweigten Polyglycerins.
Hierzu werden die für die Geometrieoptimierung zugefügten Gruppen ausgeblendet und
gehen nicht in die Erstellung des Sigmaprofils des hyperverzweigten Polyglycerins ein.

Berechnung der Gesamtmolekülstruktur


Eine Geometrieoptimierung ist wie oben ausgeführt für diese Molekülgröße mit der DFT
nicht möglich. Ausgehend von der Molekülstruktur nach Abb. 5.16 wurde eine Geometrie
erzeugt, die mit der semiempirischen Methode AM1 (vgl. Kap 2.2.1) optimiert worden ist.
Für diese optimierte Struktur ist in einer Single-Point-Rechnung das Sigmaprofil bestimmt
worden.

Abb. 5.19 zeigt die drei verschiedenen Sigmaprofile für die unterschiedlichen
Lösungsansätze. Die Sigmaprofile des hyperverzweigten Polyglycerins, erzeugt mit der
Zusammensetzung aus kleinen Einzelfragmenten und aus Subeinheiten, weisen einen hohen
Anteil an schwach positiv geladenen Oberflächensegmenten auf. Der Unterschied liegt in der
Anzahl der stark geladenen Segmente. Der Grund dafür ist, dass sich im Falle der
Einzelfragmente alle funktionellen Gruppen an der Moleküloberfläche befinden. Bei der
Verwendung von Subeinheiten werden einige Hydroxylgruppen abgeschirmt, was zu einer
Verringerung der Oberflächensegmente mit entsprechender Ladung führt. Aus diesem Grund
werden bei der Erstellung des Sigmaprofils des hyperverzweigten Polyglycerins mehr
Ladungen berücksichtigt als im realen Molekül einen Einfluss auf die
Ladungsdichteverteilung auf der Oberfläche haben. Das spiegelt das Sigmaprofil des
Gesamtmoleküls wider. Die Zahl der Oberflächensegmente mit positiver oder negativer
Abschirmungsladung ist deutlich reduziert. Trotz dieses Unterschiedes ist im Rahmen dieser
Arbeit die Entscheidung zugunsten einer Verwendung des Sigmaprofils aus Subeinheiten
gefallen. Die Tastsache, dass es sich um ein nicht vollständig DFT-optimiertes Molekül
handelt und dass die reale, in Lösung auftretende Struktur sich von der im Vakuum mit AM1-
optimierten unterscheiden wird, haben diese Entscheidung herbeigeführt.
88

200

Subeinheiten

Häufigkeit P( σ) 150 Einzelfragm ente

Ges am tm olekül

100

50

0
-3 -2 -1 0 1 2 3
Ladungsdichte σ

Abb. 5.19 Vergleich der Sigmaprofile von PG1400, beruhend auf unterschiedlichen Arten der
Molekülmodellierung

5.2.4 Binäre Gemische mit hyperverzweigtem Polyglycerin

Abb. 5.20 zeigt die Variation der Parameter b und c des Free-Volume-Terms im binären
System Ethanol/hyperverzweigtes Polyglycerin bei T = 393,15K. Die experimentellen Daten
werden gut beschrieben, sofern der Free-Volume-Term (FV-Term) bei der Vorhersage nicht
berücksichtigt wird. Die Variation der Parameter b und c zeigt, dass eine sinnvolle
Vorhersage des Phasenverhaltens mit b = 1 und cEthanol = 1,1 möglich ist, da diese kein
Überschwingverhalten zeigen. Die Verwendung dieser Parameter im FV- Term führt dazu,
dass höhere Drücke größer wiedergegeben werden als experimentell ermittelt.
89

14
exp
ohne FV
12
mit FV : c=1,1; b=1
mit FV : c=2; b=1
10
mit FV : c=1,1; b=1,1

P [bar] 8

0
0.70 0.75 0.80 0.85 0.90 0.95 1.00
whyperv erzw eigtes Polyglyzerin

Abb. 5.20 Binäres VLE Ethanol/verzweigtes PG bei T = 393,15K; Berechnungen mit COSMO-RS (+ FV Term),
Variation der Parameter b und c; cPolymer = 0; experimentelle Daten entnommen aus [SEILER, 2004a]

Ein ähnliches Verhalten zeigt sich im binären System Wasser/hpyerverzweigtes Polymer.


Abb. 5.21 zeigt das mit COSMO-RS berechnete Phasenverhalten im Vergleich zu den
experimentellen Daten. Auch hier werden die Drücke im Vergleich zu den experimentellen
Daten zu hoch bestimmt. Die Aktivitätskoeffizienten werden in diesem System ausschließlich
durch das COSMO-RS Modell berechnet, da der c-Parameter des FV- Terms zu Null gesetzt
ist (vgl. Kap. 2.5.4).

2.5

1.5
P [bar]

0.5 exp. Daten


COSMO-RS
0
0.85 0.90 0.95 1.00
whyperv erzw eiges Polyglyzerin

Abb. 5.21 Binäres VLE Wasser/verzweigtes PG bei T = 393,15K; Vergleich der COSMO-RS Berechnungen mit
experimentellen Daten aus [SEILER, 2004a]
90

5.2.5 Das ternäre System Ethanol/Wasser/hyperverzweigtes Polyglycerin

Abb. 5.22 zeigt das ternäre System Ethanol/Wasser/hyperverzweigtes Polymer bei einer
Temperatur von 363,15K für verschiedene Massenanteile an Polymer. Der Anteil des
Polymers variiert von wPolymer = 0,2 bis wPolymer = 0,7 dargestellt. In Kombination mit dem
Free-Volume und der Parameterkombination b = 1 und cEthanol = 1,1 kann das so erweiterte
COSMO-RS Modell die experimentellen Daten sehr gut wiedergeben. Die Abbildung zeigt
die Dampfkonzentration an Ethanol über der Flüssigkonzentration von Ethanol im System.
Die mit der Konzentration des hyperverzweigten Polyglycerins steigende Abnahme der
Ethanolkonzentration im Dampf bei hohen Wasseranteilen in der flüssigen Phase wird durch
die modellierten Daten sehr gut wiedergegeben, ebenso die Anreichung des Ethanols in der
Dampfphase mit steigendem Ethanolgehalt in der Flüssigkeit. Der Schnittpunkt der drei
Polymerkonzentrationen bei dem die Ethanolabnahme im Dampf in eine Anreicherung
übergeht wird, sehr gut vorhergesagt.
Zu groß gewählte b und c Parameter können dazu führen, dass sich die Kurve abflacht.

1.0

0.8

0.6
y E thanol

0.4 x=y

w_polymer=0.2

0.2 w_polymer=0.6

w_polymer=0.7

COSMO-RS + FV
0.0
0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0

x Ethanol

Abb. 5.22 VLE Ethanol/Wasser/verzweigtes PG bei T = 363,15K; Vergleich von Berechnungen mit COSMO-
RS + FV-Term; cEthanol = 1,1, cWasser = cPolymer = 0, b=1; experimentelle Daten entnommen aus [SEILER, 2004a]
91

5.2.6 Zusammenfassende Bemerkungen

Die Untersuchungen zum Phasenverhalten hyperverzweigter Polymere haben gezeigt, dass es


möglich ist, das Wechselwirkungsverhalten von stark verzweigten Molekülen großer
Molmasse in Lösung mit dem COSMO-RS-Modell vorherzusagen. Bei der Erstellung der
Molekülgeometrie der verzweigten Moleküle müssen mehrere Gesichtspunkte beachtet
werden. Insbesondere zu berücksichtigen ist, dass es bei starker Verzweigung zu
intramolekularen Abschirmungseffekten kommen kann.
Der in dieser Arbeit verfolgte Weg beinhaltet keine Analyse stabiler konformerer Strukturen
der Moleküle. Weiterhin wird der intermolekulare Einfluss des Lösungsmittels vernachlässigt,
da die Molekülstrukturen im Vakuum erstellt werden und durch die COSMO-Randbedingung
im idealen Leiter geometrieoptimiert werden. Ein Ansatz den Lösungsmitteleffekt zu
berücksichtigen, ist, die Molekülstruktur durch Molekularsimulationen direkt in Anwesenheit
des oder der Lösungsmittel zu generieren. Dabei wird genau wie oben beschrieben zuerst auf
experimentelle Daten über die Struktur zurückgegriffen (Verzweigungsgrad, Anzahl
funktioneller Gruppen, etc.) und eine allgemeine zweidimensionale Topologie erstellt. Hierzu
werden alle Anordnungsmöglichkeiten der dendritischen, linearen und terminalen
Strukturgruppen, die die Strukturvorgaben wiedergeben, ermittelt. Eine jeder dieser
Topologien wird mit einem Sketchingprogramm (HyperChem, Cerius2) [ACCELRYS INC.,
2005; HYPERCUBE INC., 2005] in eine dreidimensionale Molekülstruktur übertragen. Diese
Startgeometrien werden anschließend mit der Molekularmechanik-Methode
geometrieoptimiert. Hierzu werden die MM3- und MM4-Kraftfelder verwendet [ALLINGER,
1989; ALLINGER, 1996; ALLINGER, 2003; LII, 1989a; LII, 1989b]. In der Literatur wird
auch die Anwendung anderer Kraftfelder auf stark verzweigte Polymere diskutiert (PCCF
[ORTIZ, 2004], DREIDING [CAGIN, 1999; CAGIN, 2000; ORTIZ, 2004], CHARMM
[NAIDOO, 1999]). Um die elektrostatischen Energien angemessen zu berücksichtigen,
müssten jedem Atom Punktladungen zugewiesen werden, deren Stärke mit ab initio oder DFT
Rechnungen bestimmt wird. Die elektrostatische Energie ergibt sich dann als Summe der
Dipol-Dipol Wechselwirkungen. Dieser Ansatz ist in den MM3- und MM4- Kraftfeldern
integriert und parametrisiert. Als Ergebnis dieser Geometrieoptimierung liegt ein „educated
guess“ für jede der Startstrukturen vor. Um aus diesem „educated guess“ eine Geometrie zu
bestimmen, in der die elektrostatischen Wechselwirkungen der funktionellen Gruppen
angemessener berücksichtigt sind, schließt sich eine quantenmechanische
Geometrieoptimierung auf ab initio Niveau an (MP2/6-31G*). Für die Molekülstrukturen,
92

deren Größe eine ab initio Rechnung nicht zulässt, wird eine Geometrieoptimierung auf DFT
Niveau durchgeführt. Ein Vergleich der möglichen Genauigkeiten findet sich in [MONEV,
2005]. Aus quantenmechanischen Rechnung werden mittels „restrained electrostatic potential
(RESP)“- Ansatz [BAYLY, 1993; WANG, 2000] die Parameter für die atomzentrierten
Punktladungen zur Beschreibung der Coulombkräfte bestimmt. Die Molekülgeometrien
werden nun mit bekannten Parametern für die Coulomb Atom-Atom-Wechselwirkungen
mittels MM3/MM4 nochmals geometrieoptimiert, um Molekülstrukturen für die
anschließende Konformerensuche bereitzustellen.
Der Konformerenraum wird für die optimierten Startgeometrien mittels statistischer
Methoden („Conformational Space Annealing“ CSA und „Monte Carlo with minimization“
MCM) abgesucht [KIM, 2003; LEE, 1999; LEE, 2004; NAYEEM, 1991; PILLARDY, 2000;
TROSSET, 1998]. Die Suche wird unter Verwendung der zuvor benutzten MM3/MM4
Kraftfelder unter Berücksichtigung der Coulombkräfte mit dem Programmpaket TINKER
[PONDER, 2005] durchgeführt. Die gefundenen Konformationen werden im Anschluss
einem „Energieclustering“ unterzogen, um die Anzahl der Konformationen zu reduzieren und
die Rechnung mit wenigen relevanten Struktur- und Energievertretern fortzuführen. Die
Geometrie dieser Vertreter wird erneut optimiert (MM3/MM4).
Bis zu diesem Punkt sind alle Rechnungen in der Gasphase durchgeführt worden. Um den
Einfluss eines Lösemittels auf die Molekülgeometrien zu untersuchen, werden mit den
gefundenen Konformationen Molekulardynamikrechnungen durchgeführt, die das
Lösungsmittel explizit berücksichtigen. Diese Optimierungen werden ebenfalls mit
Kraftfeldern MM3/MM4 und den entsprechenden Parametersätzen für die Lösungsmittel
ausgeführt. Für die optimierten Strukturen werden die Gyrationsradien und die
hydrodynamischen Radien berechnet und mit den experimentellen Daten verglichen. Abb.
5.23 verdeutlicht das Vorgehen schematisch.
93

Strukturdaten aus Experimenten,


Syntheseprozess

zweidimensionale Topologie

Anordnungsmöglichkeiten der
Struktureinheiten ermitteln

Übertragen der Topologien in eine


dreidimensionale Struktur
(HyperChem, Cerius2)

Molekularmechanische
Gasphase

Optimierung der Startgeometrien


MM3/MM4 (Bindungsdipole)
educated guess

quantenmechanische
Geometrieoptimierung (MP2, DFT),
Bestimmung der Parameter für
Punktladungen Parameter für
Coulomb WW

Molekularmechanische
Optimierung der Startgeometrien
Molekülgeometrien, Berücksichtigung
MM3/MM4 (Coulomb Atom-Atom
von allen elektrostatischen Atom-
Wechselwirkungen)
Atomm WW

Konformerensuche (CSA, MCM),


Energieclustering,
Geometrieoptimierung (MM3/MM4)
Konformere in Gasphase
Lösungsmittel

MD-Simulationen mit Lösungsmittel

Konformere in Lösungsmittel

Abb. 5.23 Vorgehensschema zur Ermittlung von Molekülstrukturen mittels Molekularsimulationen


94

Eine vereinfachte Untersuchung, bei der das hypothetische Molekül aus Kapitel 5.2.1
verwendet worden ist, verdeutlicht den Einfluss des Lösungsmittels auf das Sigmaprofil. Abb.
5.9a zeigt die Sigmaprofile des sternförmigen Moleküls mit vier innen angeordneten OH-
Gruppen. Dabei wurde einerseits die Struktur im mittels DFT-Rechnungen und COSMO-
Randbedingung geometrieoptimiert und andererseits für die gleiche Startstruktur eine
Molekulardynamikrechnung in Anwesenheit von Wasser unter Anwendung des AMBER
Kraftfeldes durchgeführt. Die Rechnungen wurden mit der Simulationssoftware Hyperchem
durchgeführt. Das Sigmaprofil ist in einer Single-Point-Rechnung bestimmt worden.

60
Molekularsimulation
DFT optimiert
Häufigkeit P( σ)

40

20

0
-3 -2 -1 0 1 2 3
Abschirmungsladungsdichte σ

Abb. 5.24 Sigmaprofile eines im idealen Leiter geometrieoptimierten Moleküls und eines in Anwesenheit eines
Lösungsmittels erzeugten Struktur

Man erkennt deutlich, dass die Struktur aus der Molekularsimulation an der Oberfläche mehr
geladene Elemente aufweist. Dies ist auf ein Ausrichten der Hydroxylgruppen nach Außen in
Anwesenheit von Wasser zurückzuführen. Es ist zu erwarten, dass in den anschließenden
Phasengleichgewichtsberechnungen dieser Effekt deutlich zum Tragen kommt.
95

5.3 Verknüpfung des COSMO-RS-Modells mit Zustandsgleichungen

Die Kombination von COSMO-RS mit kubischen Zustandsgleichungen erfolgt auf zwei
Arten. Dabei werden die Mischungsparameter für das Ein-Fluid-Modell durch die
Anwendung der Wong-Sandler Mischungsregeln (siehe Kapitel 2.6) berechnet. Das COSMO-
RS-Modell wird genutzt, um die Gibbssche Exzessenthalpie zu berechnen.
Bei der Methode der Korrelation eines binären Wechselwirkungsparameters wird dieser an
experimentelle Phasengleichgewichtsdaten angepasst. Dabei wird das in Kapitel 2.6
beschriebene, von Huron und Vidal vorgestellte modifizierte NRTL-Modell als GE-Modell
genutzt und der Parameter τij über Gleichung 2.80 durch die Vorhersage des
Aktivitätskoeffizienten bei unendlicher Verdünnung mittels COSMO-RS berechnet.
Für die Untersuchungen zur Güte der Vorhersagbarkeit und der Korrelation bei Verwendung
des COSMO-RS-Modells wurden die in Tabelle 5.7 angegebenen Systeme betrachtet. In der
Tabelle sind weiterhin die angepassten binären Wechselwirkungsparameter für den jeweiligen
Temperaturbereich und der verwendete Alpha-Wert des NRTL-Modells vermerkt.

Tabelle 5.7 Betrachtete Systeme bei der Kombination von Peng-Robinson Zustandsgleichung und COSMO-RS;
Systemübersicht, betrachtete Temperaturbereiche, angepasste binäre Wechselwirkungsparameter und α-Wert

System Temperaturbereich kij α


[K]

Methanol-Benzol 308,15 – 363,15 0,20 -


Ethanol-Wasser 323,15 – 363,15 0,35 0,4
523,15 0,25 0,4
598,15 0 0,4
Aceton-Wasser 373,15 – 423,15 0,23 0,4
523,15 0,18 0,4
Methanol-Wasser 298,15 – 333,15 0,2 0,4
573,15 0 0,4
96

Tabelle 5.8 Verwendete kritische Daten, azentrischer Faktor und stoffspezifische Konstante in der Peng-Robinson
Zustandsgleichung nach Stryjek und Vera

kritische Temperatur kritischer Druck azentrischer Faktor


Komponente Tkr [K] Pkr [bar] ω κ1
Wasser 647,29 220,90 0,3438 -0,06635
Aceton 508,10 46,96 0,30667 -0,0888
Methanol 512,64 80,97 0,56533 -0,16816
Ethanol 513,92 61,48 0,64439 -0,03374
Benzol 561,80 48,90 0,20923 -0,07019

Das COSMO-RS-Modell liefert mit


E
GCOSMO − RS = RT ∑ xi ln γ i (5.1)
i

die Gibbssche Exzessenthalpie. Am Beispiel des Systems Aceton/Wasser bei 333,15K zeigt
sich, dass COSMO-RS annähernd die gleichen Werte für die Gibbssche Exzessenthalpie
liefert, wie das NRTL-Modell (vgl. Abb. 5.25). Dieses Verhalten konnte für alle im Rahmen
dieser Arbeit betrachteten Systeme verifiziert werden.

1400
NRTL
1200 COSMO-RS

1000
gE [kJ/mol]

800

600

400

200

0
0.00 0.20 0.40 0.60 0.80 1.00
xAceton

Abb. 5.25 Gibbssche Exzessenthalpie für das System Aceton/Wasser bei einer Temperatur von 333.15K,
berechnet mit dem NRTL-Modell und dem COSMO-RS Modell
97

Abb. 5.26 zeigt das binäre dampf-flüssig Phasengleichgewicht des Systems Methanol/Benzol
bei verschiedenen Temperaturen, wobei keine der beiden Komponenten überkritisch vorliegt.
Für dieses System kann der gesamte Temperaturbereich mit einem konstanten binären
Wechselwirkungsparameter kij=0,2 abgedeckt werden.

3.5

2.5

2 363.15K
P / bar

328.15K
1.5 308.15K
PR + COSMO-RS

0.5

0
0 0.2 0.4 0.6 0.8 1
x Methanol

Abb. 5.26 Flüssig-Dampf Gleichgewicht des Systems Methanol/Benzol bei verschiedenen Temperaturen. Die
Symbole sind experimentelle Daten (J. Gmehling, U. Onken, Vapor-Liquid Equilibrium Data Collection, Vol.I
Part 2a, 1977, Dechema, Frankfurt a.M.). Die gestrichelten Linien sind Berechnungen mit der PR-ZGL der
Wong-Sandler Mischungsregel und COSMO-RS als Modell für die Gibbssche Exzessenthalpie. Der binären
Mischungsparameter kij ist an die experimentellen Daten angepasst (kij =0,2).

Im System Aceton/Wasser (Abb. 5.27) sind neben den unterkritischen auch überkritische
Isothermen betrachtet worden. Hier zeigt sich, dass für eine gute Beschreibung des
Phasenverhaltens der binäre Wechselwirkungsparameter mit steigender Temperatur kleinere
Werte annehmen muss. Er bewegt sich um Werte, die für die klassischen van-der-Waals Ein-
Fluid-Mischungsregeln außergewöhnlich hoch sind. Dem Wert wird hierbei allerdings keine
physikalische Bedeutung beigemessen, er ist vielmehr ein Parameter, der Unzulänglichkeiten
bei der Kombination der Reinstoffparameter korrigiert. In Abbildung 5.27 sind ebenfalls die
Ergebnisse für die Vorhersage des Phasenverhaltens enthalten. Die Vorhersagen auf Basis des
Aktivitätskoeffizienten bei unendlicher Verdünnung aus dem COSMO-RS-Modell gelingen
98

für alle Temperaturen mit einem konstanten Alpha-Wert von α=0,4.

80

70

60

473.15K
50
373.15K
423.15K
523.15K
P / bar

40 PR-EOS, WS+COSMO-RS mit gamma_inf


PR-EOS, WS+COSMO-RS korrel. kij

30

20

10

0
0.00 0.20 0.40 0.60 0.80 1.00
x,yAzeton

Abb. 5.27 Flüssig-Dampf Gleichgewicht des Systems Aceton/Wasser bei verschiedenen Temperaturen. Die
Symbole sind experimentelle Daten (Griswold,J.;Wong,S.Y.; Chem. Eng. Progr. Symp. Ser., 40 (1952), 18-34).
Die gestrichelten Linien sind Berechnungen mit der PR-ZGL der Wong-Sandler Mischungsregel und COSMO-
RS als Modell für die Gibbssche Exzessenthalpie. Der binären Mischungsparameter kij ist an die experimentellen
Daten angepasst (kij =0,23 für T=373,15K-473,15K und kij =0,18 für T=523,15K). Die durchgezogenen Linien
sind Vorhersagen auf Grundlage der vorhergesagten Aktivitätskoeffizienten bei unendlicher Verdünnung mit
COSMO-RS.

Für das binäre System Ethanol/Wasser sowie für das System Methanol/Wasser können im
Wesentlichen die gleichen Aussagen getroffen werden, wie schon beim Aceton/Wasser-
System. Die Ergebnisse der Berechnungen finden sich in den Abb 5.28, 5.29 und 5.30. Bei
den berechneten überkritischen Isothermen in den dargestellten Ergebnissen ist die Rechnung
jeweils bei einem maximalen Druck, der den experimentellen Daten entspricht, abgebrochen
worden. Es ist im Falle der Korrelationen ein temperaturabhängiger binärer
Wechselwirkungsparameter kij notwendig, der bei niedrigen Temperaturen nahezu konstant ist
und für höhere Temperaturen kleinere Werte annimmt. Eine Besonderheit gibt es in diesen
99

Systemen zu bemerken. Für die Temperatur von 598,15K im Ethanol/Wasser-System und für
573,15K im Methanol/Wasser-System ergibt sich ein Wert von kij=0. Dies ist bemerkenswert
wenn die Erklärung in einer physikalischen Natur gesucht wird. Wie oben jedoch erwähnt soll
dem binären Wechselwirkungsparameter keine physikalische Bedeutung beigemessen
werden.

1000

100

PR+COSMO-WS

PR+COSMO-inf
P / bar

523.15K
10
598.15K

323.15K

363.15K

343.15K

0.1
0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0
x,yEthanol

Abb. 5.28 Flüssig-Dampf Gleichgewicht des Systems Ethanol/Wasser bei verschiedenen Temperaturen. Die
Symbole sind experimentelle Daten (Hall,D.J. et al., NPL Report Chem (United Kingdom, National Physical
Laboratory, Division of Chemical Standards), 95 (1979), 32; Hall,D.J. et al., NPL-Chem-95,(1979),36;
Kurihara,K. et al., J.Chem.Eng.Data, 40, (1995), 679 ). Die gestrichelten Linien sind Berechnungen mit der PR-
ZGL der Wong-Sandler Mischungsregel und COSMO-RS als Modell für die Gibbssche Exzessenthalpie. Der
binären Mischungsparameter kij ist an die experimentellen Daten angepasst (kij =0,35 für T=323,15K-363,15K;
kij =0,25 für T=523,15K und kij =0 für T=598,15K). Die durchgezogenen Linien sind Vorhersagen auf Grundlage
der vorhergesagten Aktivitätskoeffizienten bei unendlicher Verdünnung mit COSMO-RS.
100

120

100

80

PR EOS + COSMO-RS (correlations)


60 298.15K
313.15K
333.15K
573.15K
0.8
P/bar

0.6

0.4

0.2

0.0
0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0

xMethanol

Abb. 5.29 Flüssig-Dampf Gleichgewicht des Systems Methanol/Wasser bei verschiedenen Temperaturen. Die
Symbole sind experimentelle Daten (298,15K: Kooner, Z.S., Phutela, R.C., Fenby, D.V., Aust.J.Chem.1980, 33,
9; 313,15K: Wrewsky, M. Z.Phys.Chem.,1913, 81, 1; 333,15K: Kurihara,K., T.Minoura, K.Takeda and
K.Kojima, J.Chem.Eng.Data, 1995, 40, 679; 573,15K: Pryanikova,R.O.;Efremova,G.D., Fiz. Khim. Rastvorov,
1972, 228-233). Die Linien sind Berechnungen mit der PR-ZGL der Wong-Sandler Mischungsregel
und COSMO-RS als Modell für die Gibbssche Exzessenthalpie. Der binären Mischungsparameter kij ist an die
experimentellen Daten angepasst (kij =0,2 für T=298,15K-333,15K und kij =0 für T=573,15K).
101

120

100

80 PR EOS + COSMO-RS (predictions)


298.15K
313.15K
60
333.15K
573.15K
P/bar

0.8

0.6

0.4

0.2

0.0
0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0

xMethanol

Abb. 5.30 Flüssig-Dampf Gleichgewicht des Systems Methanol/Wasser bei verschiedenen Temperaturen. Die
Symbole sind experimentelle Daten (Referenzen siehe Abb. 5.29). Die Linien sind Vorhersagen auf Grundlage
der vorhergesagten Aktivitätskoeffizienten bei unendlicher Verdünnung mit COSMO-RS zusammen mit der PR-
ZGL der Wong-Sandler Mischungsregel.

Zusammenfassende Bemerkungen
Die Ergebnisse zeigen, dass die Kombination der Zustandsgleichung mit COSMO-RS
Vorhersagen auf Basis der Atomstruktur der Moleküle und der kritischen Daten bis weit in
den überkritischen Bereich zulässt. Die Beschreibung des nichtidealen Verhaltens mit Hilfe
der Gibbsschen Exzessenthalpie unter Verwendung des Vorhersagemodells COSMO-RS
erlaubt die Ermittlung von Mischungsgrößen in Systemen, die mit den einfachen van der
Waals Mischungs- und Kombinationsregeln nicht zuverlässig betrachtet werden können. Die
Stärke gerade dieser hier betrachteten Kombination liegt darin begründet, dass das COSMO-
RS-Modell Mischungseigenschaften nichtidealer Systeme vorhersagen kann, ohne dass auf
Parametertabellen von einschlägigen GE-Modellen zurückgegriffen werden muss. Damit ist es
möglich, für Systeme in denen bspw. UNIFAC keine Exzessenthalpie liefern kann, oder nur
durch Bestimmung experimenteller Daten, das Mischungsverhalten auch im
Hochdruckbereich zu modellieren und vorherzusagen. Dazu bedarf es lediglich der Kenntnis
der Reinstoffeigenschaften in Gestalt der kritischen Daten und des azentrischen Faktors.
102

5.4 Vorhersage von Reinstoffeigenschaften mit dem erweiterten COSMO-RS-Modell

5.4.1 Harte-Kugel-Durchmesser

Wie in Kapitel 4.1.4 beschrieben, werden die Harte-Kugel-Durchmesser aus den Volumina,
die im Ergebnis der quantenchemischen Rechnungen unter der COSMO-Randbedingung