Allerdings sollte man trittsicher sein, da der Weg zwar erkennbar aber schmal ist und
manchmal etwas uneben und von Wurzeln der umstehenden alten Bäume durchzogen. Je
nach Kondition kann man entweder die 20-Minuten-Strecke bis zum Tempelchen und
wieder zurück wählen, die Wanderung bis zum Inselteich ausdehnen oder auch die große
Runde über kleinere und größere Hügel marschieren.
Alle diejenigen, die sich von meinen Vorbemerkungen nicht haben abschrecken lassen,
folgen mir also jetzt hinein in den Gutspark.
Nicht auf den Spuren Theodor Fontanes werden wir dieses Mal unterwegs sein, aber
jedenfalls ganz in Fontaneschem Sinne auf den Spuren preußischer Geschichte.
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Bei Theodor Fontane findet man den Landsitz und Geschichten um ihn nämlich nicht – der
Name Finck von Finckenstein taucht nur kurz im Zusammenhang mit der Katte-Tragödie
auf.
Will man Näheres über diese Familie und damit über das Landgut erfahren, wird man dafür
bei Günter de Bruyn (†4.10.2020) fündig, der in beinahe Fontanescher Manier und Akribie
dem Leben und Wirken der Finckensteins nachspürte und in seinem Buch „Die Fincken-
steins. Eine Familie im Dienste Preußens“ vergnüglich und tiefgründig über sie plaudert.
Alle nun folgenden Zitate stammen aus diesem seinem Buch (Siedler-Verlag Berlin, 1999).
Dort lesen wir u.a., dass Theodor Fontane durchaus Notiz von Madlitz genommen aber die
Spur am Ende nicht weiter verfolgt hat, anders, als bei Kunersdorf oder Steinhöfel,
Adelssitzen, die sich jeweils in der Nachbarschaft befinden und denen Fontane ein
Wanderungskapitel gewidmet hat.
„Madlitz, damals zum Kreis Lebus, heute zum Oder-Spree-Kreis gehörig, liegt
ostnordöstlich von Fürstenwalde auf der Barnim-Lebuser Hochfläche, die östlich des
Dorfes durch eine schmale Rinne von Seen unterbrochen wird. Das Land ist flach, mit nur
leichten Wellen; Äcker und Wiesen wechseln mit Wäldern, … und die wenigen Hügel, die
sich kaum merklich aus der Ebene erheben, werden großspurig Berge genannt. … Das
Straßendorf, das auf den Herrensitz zuläuft, hatte in den fünfziger Jahren des achtzehnten
Jahrhunderts mitsamt den zwei Vorwerken, zwei Forsthäusern und der Wassermühle,
etwa 100 Einwohner, vorwiegend Kossäten, aber auch einen Fischer, einen Müller, einen
Radmacher und einen Schmied.“ (ebenda, S.50)
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Am günstigsten gelangt man mit dem PKW über die A10, dann die A12 (Frankfurt/Oder),
Abfahrt Briesen nach Alt-Madlitz. Man fährt durch Briesen, biegt dann links ab und folgt der
L 38 Richtung Fürstenwalde bzw. Falkenberg. Nach Querung der Bahnschienen geht es
durch den Wald zum Abzweig Alt-Madlitz , weiter durch Wald und in Alt-Madlitz dann an
der Kirche vorbei bis zu den markanten alten Backsteingebäuden der Gutsbäckerei.
Parkmöglichkeiten bestehen an Café & Pension rechts der Straße und auf den Banketten
links der Straße direkt beim Eingang zum Park.
Aber auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln gelangt man nach Alt-Madlitz, z.B. 9.00 Uhr ab
Zeuthen mit der S8 (bzw. 9.28 mit der S46 und ab Adlershof mit der S 85) bis Berlin
Ostkreuz, hier umsteigen in der RE 1 Richtung Frankfurt/Oder (Abfahrt 10.09 ab Gleis 1) bis
Berkenbrück (an 10.42), hier umsteigen in den Bus Linie 434 Richtung Pillgram (Abfahrt
11.06) mit Ankunft in Alt-Madlitz 11.23 Uhr.
Wer die Ruhe und Ungestörtheit beim Spazieren liebt, die man im Park derer von
Finckensteins auf alle Fälle findet, und neugierig ist auf Ziele jenseits des allseits
Bekannten, nimmt sicher auch eine zeitaufwändigere Anreise in Kauf.
Auch Führungen durch den mehr als 240 Jahre alten Park können vereinbart werden (s.u
und 0171-5340451 Frau Strehle).
Bevor es in den Park geht, noch einige Worte zum Schloss, das linker Hand vom Tor durch
die Bäume sichtbar wird.
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Auf der Informationstafel am Eingang ist dazu folgendes zu lesen:
Nun wenden wir uns nach rechts und folgen dem Pfad in den Landschaftspark.
Der Park des Schlossgutes Alt Madlitz atmet buchstäblich musische Luft. Denn hier trafen
sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bedeutende deutsche Denker und Dichter,
um im Schatten der Bäume über Kunst, Philosophie und Wissenschaft zu debattieren.
Erstmals im 13. Jahrhundert erwähnt, erwarben die Grafen Finck von Finckenstein (F.v.F.)
das Landgut im Jahr 1751.
Günter de Bruyn, der den etwas sehr abseitig gelegenen Landsitz und seine Schöpfer mit
einer seiner märkischen Literaturgeschichten vor dem Vergessenwerden bewahrte, fasst
es treffend wie folgt zusammen:
„An den drei Etappen der Entwicklung Preußens im achtzehnten Jahrhundert waren die
märkischen Finckensteins jeweils mit einer Persönlichkeit auf wichtigem Posten beteiligt: der
Feldmarschall bei der Festigung und Gesundung des Staates unter Friedrich Wilhelm I., der
Minister an der Erweiterung , Verteidigung und Behauptung Preußens unter Friedrich dem
Großen und der Sohn des Ministers, den wir der damaligen Titelsucht folgend, den
Präsidenten nennen, an der mit kultureller Verfeinerung einhergehenden
nachfriederizianischen Wandlung …“
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Graf Karl-Wilhelm F.v.F. (1740-1800), Kabinettsminister und Erzieher des Soldatenkönigs,
Friedrich Wilhelm I. und später auch dessen Sohnes, des späteren Friedrich des Großen,
hielt sich nicht oft auf dem Schlossgut auf. Erst sein Sohn Friedrich Ludwig Karl F.v.F.
(1745-1818) nutzte das Gut als ständigen Wohnsitz und baute es zu einem wahren
Musenhof aus. Beim „Präsidenten“, wie der Graf genannt wurde, kehrten regelmäßig
Berühmtheiten wie Ludwig Tieck, Achim von Arnim, Wilhelm von Humboldt, Clemens
Brentano ein.
Letzterem, Friedrich Ludwig Karl, verdankt „… Madlitz seine spätere Bedeutung für die
Kultur- und Kunstgeschichte der Mark …“. Er war selbst sehr an Landschaftsgestaltung
interessiert und entwickelte die Pläne für den ausgedehnten Park Alt Madlitz, der sich
direkt hinter dem Herrenhaus erstreckt und in dessen Gestaltung Karl auch seinen
literarischen Interessen Ausdruck verlieh. Geschickt angelegte Sichtachsen, die von
großen Eichen und Kastanien gesäumt wurden, bildeten das wunderbare Ensemble des
ältesten englischen Landschaftsgartens in Brandenburg, gegliedert in drei Abschnitte.
Das vom Haus aus linkerhand gelegene Areal mit sanften Anhöhen, künstlichen Bergen
und Schluchten widmete er dem von Jugend an geliebten „Frühling“ des Ewald von Kleist.
Finckenstein liebte seinen Park so sehr, dass er sein Herz dort begraben ließ, umrandet
von dreizehn Feldsteinen, die die Zahl seiner Kinder symbolisieren.
Der zwischen 1780 und 1800 geschaffene Park war eine besonders gelungene Gestaltung,
die sich in ihrem Anspruch mit vielen bedeutenden Landschaftsgärten in Deutschland
messen konnte.
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… dieser grüne herrliche Raum schmückt wahrhaftig die dortige Erde, von ihm umfangen
vergißt man das unfreundliche Land und wähnt in lieblichen Thälern und göttergeweihten
Hainen des Altertums zu wandeln…, lässt Günter de Bruyn u.a. Ludwig Tieck zu Wort
kommen.(ebenda, S. 77/78)
1990 wurde mit der Wiederherstellung des Parks begonnen: Beseitigung von Wildwuchs
und umgestürzten Bäumen, Öffnung von Ausblicken, Restaurierung der Gebäude,
Sanierung der Parkgewässer, Wiederherstellung von Wegen und Neupflanzungen nach der
Parkbeschreibung seines Schöpfers in verständnisvollem Zusammenwirken von
Gemeinde, Landesamt für Denkmalpflege, zahlreichen Helfern und dank dem finanziellen
Einsatz der dem Park als Kulturgut sich verpflichtet fühlenden Besitzerfamilie.
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Der Landschaftsgarten gehörte über zwei Jahrzehnte (1779-1800)zu einem der damals sich
entwickelnden märkischen Musenhöfe.
„ … es waren zwei unterschiedliche Typen, die Fontane unter dem Begriff Dichterhöfe
zusammenfaßte, nämlich der von Wiepersdorf und Nennhausen, wo der Gutsherr selbst
dichtete, und der von Kunersdorf und Ziebingen-Madlitz, wo kunstliebende Adlige als
Mäzen auftraten, indem sie Dichtern Unterkunft und Unterhalt boten oder sie durch ein
gastliches Haus mit anderen Künstlern, Kunstliebhabern und einflußreichen Leuten
zusammenführten. Beide pflegten Geselligkeiten, die sich von denen der anderen
Landadligen dadurch unterschieden, daß an ihnen nicht nur Standesgenossen teilnahmen
und sie nicht in erster Linie der Repräsentation, dem Spiel und der Jagd dienten, sondern
dem niveauvollen Gespräch … Die Berliner Salons, die in dieser Zeit aufblühten, hatten in
ihnen ihre Entsprechung auf dem Lande. Mancher, der bei Rahel Levin und Henriette Herz
verkehrte, war auch in Nennhausen, Kunersdorf oder Madlitz zu Gast.“ (ebenda, S. 86/87)
“Diese märkischen Musenhöfe … waren, wie schon Fontane bemerkte, eine zeitlich
begrenzte Erscheinung … Es war ein gegenseitiges Geben und Nehmen, das die für das
neunzehnte Jahrhundert typische konfliktreiche Vermischung von bürgerlich-nationaler
Entwicklung und allmählich sich abschwächender adliger Machterhaltung vorbereiten
half.“ (ebenda, S. 97/98)
Damit beschließe ich meine Empfehlung eines Spaziergangs durch den – wenn man darum
weiß – so geschichtsträchtigen Madlitzer Landschaftsgarten, empfehle auch wärmstens
Günter de Bruyns „Finckensteins …“ zur vertiefenden Lektüre, nicht ohne noch zu
erwähnen, dass sich der Ausflug in das östliche Brandenburg bei Anreise mit dem PKW
noch mit einem kurzen Abstecher zum Gut Klostermühle am Altmadlitzer See abrunden
ließe, zu dem man von Alt-Madlitz aus über die Mühlenstraße gelangt. Auch ein Abstecher
nach Steinhöfel würde sich anbieten, für diejenigen von uns, die gut zu Fuß sind.