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Torsten Leuschner
Ghent University
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Abstract:
1
highlight issues concerning zwar … aber for future research.
The basic thesis is that zwar … aber constitutes the
prototypical instantiation of an emergent discourse pattern
ZWAR … ABER, with other formal variants as peripheral
variants. Various statistical correlations which enable us to
regard zwar … aber as the core instantiation of the prototype
are analysed and discussed from the point of view of
grammaticalisation theory. Taken from a representative
subcorpus of the Deutsche Referenzkorpus (DeReKo), the
data consist of ca. 10.000 parsed occurrences of zwar.
1. Einleitung
2
Belege wie (1) und (2) vermitteln einen ersten Eindruck von
der Funktionsweise und Variationsbreite der zwar … aber-
Relation, u.a. im Hinblick auf die Topologie von zwar und
dessen unterschiedlichen „syntaktischen Bereich“ (zum
Begriff siehe HdK 2003, S. 58) im internen Konnekt. Hinzu
kommen zahlreiche alternative Realisierungsvarianten des
externen Konnekts, etwa wie hier mit jedoch und allerdings
anstelle von aber:
1
Hilfreiche Anmerkungen zu einer früheren Fassung verdanken wir den
anonymen Gutachtern von Deutsche Sprache.
3
Koordination eine zusätzliche „diskursive Hierarchisierung“
der Konnekte ermöglicht (ebd., S. 200). Unser
Hauptanliegen ist es, Fragen aufzuwerfen und z.T.
exemplarisch zu beantworten, denen sich die Forschung in
Zukunft im Hinblick auf die zwar … aber-Relation im
Deutschen (und verwandten Sprachen) widmen sollte.
Abgesehen von empirischen Problemen wie der
Überprüfung der vom HdK (2003, S. 509, 513) postulierten
Stellungsmöglichkeiten von zwar im internen Konnekt und
der Variation der Konnektoren im externen Konnekt
gehören dazu nicht zuletzt die Frage nach dem
synchronischen Status von zwar … aber als Kern eines
prototypenhaft organisierten Konstruktionsschemas ZWAR
… ABER, das auch abweichende Realisierungen zulässt,
sowie in diachronischer Perspektive das Problem, inwiefern
sich die Herausbildung dieses Prototyps als Folge der
Grammatikalisierung eines „salient discourse pattern“ im
Sinne von Ariel (2008) beschreiben lässt.
Vor diesem Hintergrund besprechen wir im
Folgenden zunächst eingehender die Funktion und Semantik
von zwar … aber, anfangs unter dem Aspekt der
protoypenhaften Realisierung eines Diskursmusters
(Abschnitt 2), dann als Variante der aber-Relation; dabei
gehen wir aus von der in der IDS-Grammatik (1997, S.
2403) vorgeschlagenen funktionalen Charakterisierung der
aber-Relation im Sinne von Fokusumlenkung einerseits und
argumentativer Gewichtung andererseits (Abschnitt 3).
Danach illustrieren wir den quantitativen Aspekt unseres
Ansatzes anhand der Variation im internen Konnekt
(Abschnitt 4), indem wir – nach einleitenden Erläuterungen
zur Methodologie – die topologischen
Stellungsmöglichkeiten von zwar und dessen syntaktischen
Bereich besprechen. Es folgt eine Diskussion der
Realisierungen des externen Konnekts (Abschnitt 5), wobei
wir zunächst die vorgefundenen Konnektoren behandeln
4
und anschließend verschiedene statistische Korrelationen
besprechen, die sich aus unseren Daten ergeben und die es
uns erlauben, den prototypischen Charakter der zwar …
aber-Relation schärfer zu umreißen. Schließlich werden
noch kurz diejenigen peripheren Fälle dokumentiert und
diskutiert, wo ein zwar-Konnekt ohne externen Konnektor
auftritt (Abschnitt 6). Ein Ausblick (Abschnitt 7) und das
Literaturverzeichnis runden den Beitrag ab.
5
zutrifft, wird weiter unten noch zu klären sein; vorläufig
muss ein sprachgeschichtlicher Hinweis genügen. Während
Sätze wie (5)-(7) (DWB online, Stw. zwar 1a bzw. 1b) im
Frühneuhochdeutschen anscheinend ohne weiteres
interpretierbar waren (nämlich im Sinne der einstelligen
Wahrheitsaffirmation, ggf. mit Verumfokus), gilt das im
Neuhochdeutschen nicht mehr oder wirken die betreffenden
Aussagen in ihrer augenscheinlichen Unvollständigkeit
zumindest irritierend:
6
Kombination). Da solche Konnektorenausdrücke nicht
automatisch als Synonyme bzw. Äquivalente von aber
betrachtet werden dürfen (Zifonun et al. 1997, S. 2412f. zu
jedoch), bedarf ihre Funktionsweise im Zusammenhang mit
zwar im Prinzip einer jeweils eigenen Analyse und
Erklärung. Entsprechendes gilt für das interne Konnekt, wo
anstelle von zwar gelegentlich Adverbien wie bestimmt,
freilich, gewiss, natürlich, schon, sicher(lich),
selbstverständlich, wohl, zweifellos usw. auftreten (Zifonun
et al. 1997, S. 2410f.; Di Meola 1997, S. 135; Rezat 2007,
S. 358), von denen einige wegen ihrer modalisierenden
Natur eine etwas andere Funktionsweise als zwar aufweisen
(siehe hierzu weiter unten).
Statt die Zuordnungsfrage im Einzelnen zu
besprechen, beschränken wir uns hier auf den Hinweis, dass
die Kategorisierung von zwar … aber als
Korrelativkonnektor offenbar doch nicht so unproblematisch
ist, wie es auf den ersten Blick scheint. In dem vorliegenden
Beitrag wollen wir deshalb eine abweichende
Betrachtungsweise vorschlagen: Wir behandeln zwar …
aber als prototypischen Vertreter eines emergenten,
parataktisch realisierten Diskursmusters ZWAR … ABER, das
(trotz gewisser interner Unterschiede) eine relativ
einheitliche Gesamtfunktionsweise aufweist und in den
beteiligten Konnekten je eine Stelle hat, die mit zwar bzw.
aber besetzt sein kann, aber nicht muss. Diese von der
Prototypentheorie inspirierte, am Spannungsfeld ‚Variation
der Oberflächenrealisierung – Einheitlichkeit der
Funktionsweise’ ansetzende Sichtweise halten wir auch
deshalb für konsensfähig, weil Darstellungen, die auf die
Variante zwar … aber fokussieren, dies entweder durch
Hinweis auf die sonstigen Realisierungsformen relativieren
müssen (wie das die IDS-Grammatik und das HdK
richtigerweise tun) oder aber auf die DaF-Perspektive
ausweichen (wie Primatarova-Miltscheva 1986). Unter dem
7
Aspekt der didaktischen Reduktion mag die Konzentration
auf die Variante zwar … aber gerechtfertigt sein,
fachwissenschaftlich gesehen lenkt sie aber von manchen
weiterführenden Fragestellungen ab, auf die wir im
Folgenden aufmerksam machen wollen.
2
Das DWB (ebd.) dokumentiert insgesamt neun historisch nachweisbare
Verwendungweisen von zwar, von denen in der Gegenwartssprache nur
noch zwei übrig sind: die achte, die Gegenstand des vorliegenden
Beitrags ist, und die neunte, in der spezifizierenden Verbindung und
zwar, die wir hier beiseite lassen.
8
überhaupt verstehen – und somit als Frage nach jenem
Mehrwert von zwar, der zur Herausbildung der
entsprechenden Korrelativrelation und letztendlich zur
Grammatikalisierung des betreffenden Diskursmusters
geführt hat.
Bei der Beantwortung der Frage nach dem Mehrwert
von zwar hilft uns die IDS-Grammatik weiter, indem sie
zunächst die Funktion des einfachen aber beschreibt, und
zwar anhand eines Grundmusters aus „Fokusumlenkung und
Gewichtung […] auf der Folie von Diskontinuität“ (Zifonun
et al. 1997, S. 2408). Aber markiert demnach einen
faktischen oder möglichen „Wissens-Kontrast“ zwischen
den Konnekten und signalisiert zugleich, dass der Sprecher
den Inhalt des aber-Konnekts „gleichwohl für epistemisch
integrierbar hält“ (1997, S. 2403). Im jeweiligen
übergeordneten argumentativen (oder narrativen)
Zusammenhang vertritt aber somit eine „progressive
Orientierung“ (ebd.), wobei das im aber-Konnekt
Ausgesagte durch die Fokusumlenkung zugleich ein
besonderes Gewicht erhält – nämlich als dasjenige, was der
Sprecher vornehmlich und mit besonderem Nachdruck
assertieren will und worauf sich der Angesprochene
vorrangig einlassen soll (ebd.).
Vor diesem Hintergrund erscheint zwar … aber in
der IDS-Grammatik als prominentestes Beispiel von
„Kombinationen von Partikeln mit dem Konjunktor aber“
(1997, S. 2409) und wird folgendermaßen beschrieben
(ebd., S. 2410):
9
den Übergang vom ersten Konjunkt zum zweiten
erleichtern.
3
Anders als König suggeriert (1988: 154), ist zwar nicht aus einem Satz
(‚es ist wahr’) entstanden, sondern aus einer adverbialen Fügung (DWB,
Stw. zwar). Darin unterscheidet es sich von seinem niederländischen
Äquivalent weliswaar, einer Kontraktion des ursprünglich satzförmigen
wel is (het) waar dat ‚wohl ist (es) wahr, dass’.
10
kataphorisch-einräumende Funktion von zwar (die einen
weiten Skopus über beide Konnekte impliziert) zunehmend
in den Vordergrund tritt und semantisiert wird, während die
historisch primäre Wahrheitsaffirmation in den Hintergrund
gerät. Dieser Vorgang hat offenkundig bei zwar
stattgefunden, und das in einem solchen Ausmaß, dass die
einstellige Wahrheitsaffirmation bei zwar heute – wie oben
gezeigt – gar nicht mehr abrufbar ist.4
Indem wir hier die Funktion des zwar-Konnekts in
der zwar … aber-Relation als „Einräumung“ bezeichnen,
vermeiden wir bewusst den Begriff „Konzessivität“. Wie
u.a. Breindl betont, ist „Einräumung“ eine rhetorische Figur
und als solche lediglich ein Spezialfall der Konzessivität
(2004a, S. 18; ausführlich hierzu Rezat 2007, S. 59-92). Als
typischen Einräumungskontext nennt Breindl die
epistemische Satzverknüpfungsrelation wie im folgenden,
konstruierten Beleg (2004, S. 18):
4
Ein vielsagendes Indiz für diesen Wandel ist die Tatsache, dass zwar
gegenwartssprachlich obligatorisch akzentlos ist (Breindl 2003: 89).
Verumfokus mit betontem zwar wie in unserem historischen Beleg (5)
ist heute daher ausgeschlossen. Interessanterweise kann auch ndl.
weliswaar, das historisch ein klassisches Verumfokusmuster mit
topikalisierter Affirmativpartikel wel ‚(sehr) wohl’ darstellt, im heutigen
Sprachgebrauch nicht mehr den Verumfokus vertreten.
11
[Typ A: Fokusumlenkung von einem Prädikat / einer
Proposition auf einen parallel aufgebauten
Äußerungsteil, der dazu in einem epistemischen
Kontrastverhältnis steht]
12
Eine Sonderstellung hat Typ E, der ein dialogisches (d.h. an
zwei verschiedene, reale Sprecher gebundenes)
Diskursmuster unterstellt und insofern schwer mit einer im
Prinzip monologischen Struktur wie der zwar … aber-
Relation vereinbar ist. Dennoch finden sich gelegentlich
Spuren dieses Typs in unseren Daten, etwa in folgenden
Belegen, wo mit Hilfe von zwar … aber eine Art Dialog
samt wörtlichem Zitat in einem der Konnekte (nie beiden
zugleich) inszeniert wird. Das Zitat steht dabei einmal im
internen, einmal im externen Konnekt:
13
3.2. Argumentative Gewichtung
14
Allerdings sind solche Verknüpfungen ebenso wenig typisch
wie Verknüpfungen mit mehreren Kontrargumenten, also
einer mehrfachen Einräumung; Primatarova-Miltscheva
erwähnt und illustriert zwar … auch … aber und sogar zwar
… zwar … zwar … aber (1986, S. 133f.), in unseren Daten
finden sich solche Muster aber nicht. Wie typisch sind also
die beiden Hauptdiskursmuster, die Primatarova-Miltscheva
(1986, S. 135) für zwar … aber herausarbeitet? Ihr zufolge
wird zwar … aber im Diskurs vor allem verwendet,
15
Frage. Er kritisiert aber, die Konvention sei weder
durchsetzbar noch verifizierbar […]. Deshalb will er
den Beitritt der USA zu dem Vertrag verhindern.
(A97/APR.00434 St. Galler Tagblatt, 24.04.1997)
16
Allerdings ist das zuletzt illustrierte Muster, bei dem das
externe Konnekt selbst das Argumentandum verbalisiert,
nicht das einzige Diskursmuster, das sich in unseren Daten
findet. Etwa ebenso häufig findet sich ein Muster, bei dem
die zwar … aber-Konnekte gemeinsam eine Nebenstruktur
realisieren, die ein separat verbalisiertes Argumentandum
untersützt. Eindeutig untypisch ist allerdings die von
Primatarova-Miltscheva privilegierte Variante, bei der die
zwar … aber-Relation zuerst steht und dann erst das
Argumentandum mit deshalb oder ähnlichen anaphorischen
Ausdrücken folgt. Gewöhnlich ist das Argumentandum
vielmehr schon im Prätext enthalten und wird zwar … aber
zu dessen Stützung nachgeschoben (eine Möglichkeit, auf
die Primatarova-Miltscheva 1986, S. 132 bereits hinweist).
Der obige Beleg (14) illustriert genau diese Struktur: Auf
das Argumentandum ‚keine Abstiegssorgen’ folgt zunächst
das zwar-Kontraargument und dann das doppelte
Proargument (mit aber bzw. außerdem). Hier ein weiterer,
etwas einfacherer und sehr klarer Beleg dieses Typs:
17
Becher fest, dass deutsche Übersetzer englischer
populärwissenschaftlicher Texte zunehmend dazu neigen,
englische although-Nebensätze nicht hypotaktisch mit
obwohl oder dgl. zu übersetzen, sondern parataktisch, u.a.
mit zwar … aber (ebd., S. 200):
18
nachweisbar ist. Bechers Interpretation der Verwendung von
zwar als Kompromiss zwischen widerstreitenden Strategien
der Diskursorganisation ist jedoch überzeugend und lässt
sich zudem leicht mit der Erklärung in Verbindung bringen,
die die IDS-Grammatik für die Verwendung
modalisierender Ausdrücke im internen Konnekt vorbringt
(Zifonun et al. 1997, S. 2411). Die Ausdrücke im interne
Konnekt erzielen den Kontrast zu bzw. die Integration mit
dem externen Konnekt demnach durch eine argumentative
Depotenzierung5 des internen Konnekts, und zwar auf je
eigene Art. Während zwar als ehemaliger Ausdruck der
Wahrheitsaffirmation inzwischen opak ist, ist die
Motivation bei Modalisierern wie vielleicht und sicher(lich)
weiterhin transparent: Diese depontenzieren das interne
Konnekt zu einer bloßen Vermutung oder Versicherung, so
dass die solchermaßen herabgestufte Proposition als
unwirksames Kontraargument in die Gesamtargumentation
integriert werden kann.
5
Zifonun et al. sprechen in diesem Zusammenhang von „illokutiver
Depotenzierung“ (1997: 2411). Den anonymen Gutachtern von
Deutsche Sprache verdanken wir den Hinweis, dass dies ein
unglücklicher Ausdruck ist, da das betreffende Konnekt ja weiterhin
eine Assertion ausdrückt. Mit der illokutiven Depotenzierung von
Haupt- zu Nebensätzen im Rahmen von Grammatikalisierungsprozessen
(Leuschner 2006, Van den Nest 2010) ist das hier Gemeinte zudem nicht
vergleichbar. Gemäß dem Gutachtervorschlag sprechen wir hier daher
lediglich von „argumentativer Depotenzierung“.
19
Perspektive. Den Ausgangspunkt dafür bildet das Archiv der
geschriebenen Sprache im Deutschen Referenzkorpus
(DeReKo) des IDS. Auf der Grundlage dieses Archivs, das
sich größtenteils aus Zeitungstexten zusammensetzt,6 wurde
ein repräsentatives Subkorpus definiert, das sich aus 45
Teilkorpora mit mehr als 177.000 Texten und insgesamt fast
40 Millionen Textwörtern zusammensetzt (siehe Übersicht
in der Anlage). Dieses Subkorpus hat den Vorteil, dass die
Anzahl der zwar-Belege in ihm fast genau mit der
Höchstanzahl der in Cosmas II herunterladbaren Belege
(10.000) übereinstimmt. Das Subkorpus ist also so
bemessen, dass es (nahezu) in seiner Gesamtheit
ausgewertet werden kann.
Für das Auffinden der Belege verwendeten wir die
Suchanfrage zwar %w-1 "und" in Cosmas II. Diese Anfrage
ergibt Treffer für alle Sätze, in denen zwar (klein- oder
großgeschrieben) vorkommt, während zugleich die Fügung
und zwar ausgeschlossen wird. Durchsucht man mit dieser
Anfrage das vollständige Archiv der geschriebenen Sprache,
enthält man 741.090 Treffer, d.h. mehr als das 74-Fache der
Beleganzahl, die überhaupt heruntergeladen werden kann.
Die Trefferzahl in unserem repräsentativen Subkorpus liegt
dagegen nur bei 10.754, also nur 754 Stück über der
maximal herunterladbaren Beleganzahl. Aus dieser
Ergebnismenge wurde eine Zufallsauswahl von 10.000
Belegen extrahiert, die als Ausgangspunkt unserer Analyse
der ZWAR … ABER-Relation diente.
Der nächste Schritt auf dem Weg zu unserer
empirischen Analyse ergab sich aus der Notwendigkeit der
syntaktischen Annotation. Zwar sind einige Korpora des
Archivs der geschriebenen Sprache mit
Wortarteninformationen versehen (z.B. LIMAS und das
6
Siehe http://www.ids-mannheim.de/kl/projekte/korpora/archiv.html
#Textorganisation (Zugriff am 10.03.2011).
20
Mannheimer-Morgen-Korpus), aber auch dann fehlen eben
jene syntaktischen Annotationen, die für die Analyse der
Wortstellung im Rahmen der zwar … aber-Relation
notwendig sind (siehe 4.2). Deshalb haben wir unsere
10.000 Belege geparst, und zwar mittels des Stanford
Parser. Dieser analysiert Sätze, die ihm zugeführt werden,
automatisch auf ihre Phrasenstruktur und bildet diese in der
Form eines syntaktischen Baums ab; mehrere solcher
Bäume bilden zusammen eine sog. Baumbank. Unsere
10.000 zwar-Belege wurden in eine solche Baumbank
umgewandelt und anschließend auf das Vorkommen von
Doubletten abgeprüft. Ingesamt wurden 17 Belege, die
doppelt im Korpus vorkamen, entfernt, so dass sich die
Gesamtgröße unseres Korpus auf 9983 Tokens reduziert.
Diese Belege wurden in einem letzten Schritt in das
Datenbankprogramm FileMaker importiert, wo die Belege
mittels eines Konkordanzprogramms (in unserem Falle
CorpusSearch2) durchsucht und die Ergebnisse mit Hilfe
einer Statistiksoftware wie SPSS ausgewertet werden
konnten.
21
(22) [VF:] Zwar kassierte sie einen Treffer, warf
ihrerseits aber drei. (BRZ10/JAN.10461 Braunschw.
Z., 25.01.2010)
(23) [MF:] Alle summten zwar toll mit, aber das war's.
(BRZ10/JAN.09647 Braunschw. Z., 23.01.2010)
22
(25) [Inhaltssatz:] Die von externer Stelle durchgeführten
Untersuchungen ergaben laut Gemeindeammann
Norbert Senn, dass der fragliche Baum zwar
gewöhnliche Alterserscheinungen aufwies, aber
nicht in einer Art geschädigt war, dass er vorab hätte
gefällt werden müssen. (A10/JAN.01128 St. Galler
Tagbl., 07.01.2010, S. 37)
23
(29) Hier verdient keiner Geld, sondern wir betreiben das
nebenbei. Zwar [betreiben wir es] auf sehr hohem
Niveau, aber halt nebenbei, um Spaß zu haben", sagt
der Trainer. (BRZ10/JAN.09385 Braunschw. Z.,
22.01.2010)
7000 90,00%
76,31% 80,00%
6000
70,00%
5000
60,00%
4000 50,00%
3000 40,00%
23,67% 30,00%
2000
20,00%
1000 10,00%
0,01%
0 0,00%
MF VF Null
n=6118 n=1898 n=1
Figur 1: Topologische Stellungen von zwar in Hauptsätzen
24
Das sich abzeichnende Bild wird noch deutlicher, wenn wir
uns dem syntaktischen Bereich von zwar zuwenden (zum
Begriff siehe HdK 2003, S. 58 u.ö.). Dabei können wir uns
die syntaktischen Phrasenstruktur-Annotationen zu Nutze
machen, die mit Hilfe des Stanford Parsers erzeugt werden;
wo diese nicht ausreichten, wurde eine manuelle Analyse
durchgeführt. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, auf
welchem syntaktischen Bereich zwar operiert: auf einer
vollständigen Satzstruktur oder einer Teilkonstitutente. Im
Mittelpunkt der Betrachtung steht also die Differenz
zwischen der Trägerstruktur, in die zwar als Konnektor
integriert ist, und der (Teil)struktur, auf der es operiert. Im
Maximalfall sind beide deckungsgleich; dann verknüpft
zwar … aber zwei grammatisch selbständige Sätze, in deren
erstem zwar als Satzadverb fungiert. Hier zwei Belege zur
Illustration verschiedener syntaktischer Varianten dieses
Typs, den wir der Einfachheit halber “sentenzial” nennen:
25
der eine (mehr oder weniger umfangreiche) Konstituente
enthält, auf der zwar operiert. Diese Konstituente kann sehr
verschiedener Art sein:
26
(38) [NP:] Zwar kein Textilunternehmen, aber eine
Firma mit nationaler Bekanntheit, ist der
Küchenhersteller Elbau, der über 80 Mitarbeiter
beschäftigt. (A10/JAN.02953 St. Galler Tagbl.,
15.01.2010, S. 48)
27
10000 90,8% 100,0%
9000 90,0%
8000 80,0%
7000 70,0%
6000 60,0%
5000 50,0%
4000 40,0%
3000 30,0%
2000 20,0%
1000 3,3% 3,1% 2,0% 0,7% 0,2% 10,0%
0 0,0%
S ADJP PP NP VINF ADVP
n=9065 n=334 n=305 n=197 n=65 n=17
28
(31)’ Ich versuche meine Wahlkreisarbeit so
weiterzumachen, wie ich das in den vergangenen
acht Jahren gemacht habe. Ich bin auch weiterhin für
die Bürgerinnen und Bürger da, halte weiterhin
meine Sprechstunden ab. Zeitlich bin ich zwar mehr
in Berlin gebunden. Ich bin und bleibe aber mit
ganzem Herzen Koblenzer. (RHZ10/JAN.00287 RZ,
02.01.2010)
29
derjenigen Konnektoren aufgestellt, die in der einschlägigen
Literatur (v.a. Zifonun et al. 1997, Di Meola 1997, Rezat
2007) im Zusammenhang mit zwar … aber erwähnt werden.
Anschließend haben wir für jeden unserer Belege geprüft,
ob auf das interne Konnekt einer der in dieser Liste
vorkommenden Konnektoren folgt. Ausdrücke, die in den
Daten vorkamen, aber nicht in der Liste, wurden zusätzlich
in die Liste aufgenommen.
Aus der Analyse der Daten ergibt sich, dass das
externe Konnekt mindestens einen der folgenden 25
Konnektoren aufweisen kann: aber, allein, allerdings,
andererseits, auf der anderen Seite, bloß, dabei, dafür,
dagegen, dennoch, doch, einzig, freilich, gleichwohl,
hingegen, immerhin, indes, indessen, jedoch,
nichtsdestotrotz, nur, obwohl (tatsächlich ein Subjunktor –
siehe unten), sondern, trotzdem, wohl. Folgende Belege
veranschaulichen diese Konnektoren (zunächst ohne
obwohl):
30
tun sich dadurch Lücken auf. (NON07/JAN.12755
NÖN, 24.01.2007, S. 5)
31
(50) Zwar reagierte Baku heftig (25:14), doch die
Ostschweizer blieben ruhig, besannen sich ihrer
Stärken. (A10/JAN.03215 St. Galler Tagbl.,
15.01.2010, S. 53)
(53) Eine Mehrheit ist zwar nach wie vor von der
"Homo-Ehe" nicht begeistert, gleichwohl wird diese
inzwischen weitgehend akzeptiert. (M10/JAN.04268
Mannh. Morgen, 16. 01.2010, S.2)
(56) Der VfB spielte bislang zwar nicht immer gut, ist
auf Tabellenplatz zwei indes recht erfolgreich.
(BRZ05/SEP.14803 Braunschw. Z., 17.09.2005)
32
(57) Die Handlung war zwar von Molière, dessen
spezifisches Ambiente indessen trotz der
schmiegsamen Übersetzung von Arthur Luther nur
streckenweise spürbar. (A97/APR. 01102 St. Galler
Tagblatt, 29.04.1997)
33
Obwohl fällt aus der Reihe, weil es als einziger Ausdruck in
der Reihe ein Subjunktor ist:
34
indes 0,26 26 bloß 0,01 1
dagegen 0,15 15 nichtsdestotrotz+ 0,01 1
immerhin 0,09 9 wohl+ 0,01 1
andererseits 0,09 9 einzig 0,01 1
hingegen 0,09 9 jedoch+ 0,01 1
dafür+ 0,07 7 immerhin+ 0,01 1
gleichwohl 0,06 6 nichtsdestotrotz 0,01 1
sondern 0,05 5
doch+ 0,05 5 Rest 1,29 129
Tabelle 1: Konnektoren im externen Konnekt
35
einzig, jedoch+, immerhin+, und nichtsdestotrotz. In den
allermeisten Fällen (98,36% der Gesamtbelegzahl; n =
9819) wird das externe Konnekt durch einen einzigen
Konnektor mit dem internen Konnekt verknüpft, wie es in
den Belegen (40)-(62) der Fall ist. Es finden sich jedoch
auch Belege, deren externes Konnekt eine Kombination
zweier Konnektoren ist; ein Beispiel dafür ist (62), wo wohl
neben jedoch steht. Solche Belege mit doppeltem Konnektor
vertreten aber nur 0,65% der Belege (n = 66). Die Mehrheit
solcher Belege zeichnet sich dadurch aus, dass aber als
erster Konnektor benutzt wird (n = 45) wie in folgenden
Fällen:
36
mit einem bzw. zwei Konnektoren im externen Konnekt
finden sich in den Daten auch Belege, auf deren zwar-
Konnekt überhaupt kein Konnektor folgt. Solche
Konstruktionen, die 1,29% unserer Belege vertreten (n =
127), enthalten entweder ein externes Konnekt mit
Nullkonnektor oder sind anderweitig zu erklären; eine
ausführlichere Diskussion folgt hierzu weiter unten in
Abschnitt 6.
Konnektoren % n
aber doch 19,7 13
aber dennoch 16,7 11
aber trotzdem 13,6 9
aber immerhin 12,1 8
dafür aber 9,1 6
aber dafür 6,1 4
allerdings dennoch 1,5 1
dafür aber nur 1,5 1
aber einzig 1,5 1
aber nichtsdestotrotz 1,5 1
doch einzig 1,5 1
allerdings trotzdem 1,5 1
doch andererseits 1,5 1
doch immerhin 1,5 1
doch trotzdem 1,5 1
jedoch andererseits 1,5 1
trotzdem aber 1,5 1
37
wohl jedoch 1,5 1
doch nichtsdestotrotz 1,5 1
immerhin doch 1,5 1
nichtsdestotrotz aber 1,5 1
Tabelle 2: Konnektorenkombinationen
38
Fisher’s Exact Test und des Pearson Product-Moment
Correlation Coefficient Test.
Der erste Parameter, für den wir eine Korrelation mit
dem Vorkommen bzw. Nicht-Vorkommen von aber
untersuchen, ist der syntaktische Bereich von zwar. Wie in
4.3 erläutert, kann zwar, global betrachtet, auf zwei
unterschiedlichen syntaktischen Bereichen operieren: einer
vollständigen Satzstruktur oder einer (Teil-)Konstituente.
Ersteres ist, wie erwähnt, mit mehr als 90% der Belege bei
weitem am häufigsten. Wird in unseren Daten die
Verteilung der Kategorien „sentenzialer vs. subsentenzialer
Bereich“ über die beiden Konjunktorgruppen („aber„ vs.
„andere“) analysiert, ergibt sich Tabelle 3. Diese zeigt
zunächst einmal, dass sowohl sentenzialer als auch
subsentenzialer Bereich in einer Mehrheit der Fälle mit dem
Konnektor aber kookurriert; da aber jedoch ohnehin in zwei
Drittel der untersuchten Konstruktionen auftritt und
subsentenziale Gebrauchsweisen von zwar sehr selten sind,
ist dies an und für sich ein unerheblicher Befund.
Auffälliger ist, dass Realisierungen mit subsentenzialem
Bereich von zwar um 19% häufiger mit aber auftreten als
Belege, wo der Bereich von zwar sentenzial ist. Fisher’s
Exact Test ergibt, dass dies statistisch hochsignifikant ist:
Die Chance, dass der Unterschied dem Zufall zuzuschreiben
ist, ist niedriger als 0,01% (p < 0,0001). Anders
ausgedrückt: Aber ist nicht nur der prototypische externe
Konnektor zu zwar, das Auftreten von aber ist auch
signifikant wahrscheinlicher, je geringer der syntaktische
Bereich von zwar ist.
39
sentenzial 65 5925 35 3140
Total 67 6693 35 3290
Tabelle 3: Korrelation des syntaktischen Bereichs von zwar
mit aber und anderen externen Konnektoren
40
Semikolon, der Gedankenstrich und der Doppelpunkt
kommen vor:
41
realisiert ein Argumentandum. Wir erwähnen die Variante
mit Klammern hier der Vollständigkeit halber, aber es ist
offensichtlich, dass dies eine gänzlich untypische
Realisierungsform der zwar … aber-Relation ist.
Aus quantitativer Sicht wird der Gebrauch der
einzelnen Satzzeichen in Tabelle 4 zusammengefasst. Wie
sich zeigt, ist das Komma in unseren Daten mit fast drei
Vierteln das häufigste Satzzeichen zwischen internem und
externem Konnekt (71,5%, n = 7140), der Punkt das
zweithäufigste (23,99%, n = 2395). Von den übrigen gibt es
nur für den Gedankenstrich mehr als hundert Belege (3,1%,
n = 313), alle anderen machen jeweils weit unter ein Prozent
der Belege aus. Hinzu kommen laut Tabelle 4 noch 16
Belege des Typs „Ø” wie etwa folgender:
Satzzeichen % n Satzzeichen % n
Komma 71,52 7140 Ausrufezeichen 0,01 1
Punkt 23,99 2395 Ø 0,16 16
Gedankenstrich 3,14 313 Klammern 0,01 1
Semikolon 0,67 67 kein externes
0,26 26
Doppelpunkt 0,24 24 Konnekt
Tabelle 4: Satzzeichen
42
Analysieren wir nun anhand einer Kreuztabelle die
Interaktion zwischen Konnektoren- und
Satzzeichengebrauch, so ergibt sich Tabelle 5.
aber andere
% n % n
Punkt 60 1431 40 965
andere 70 5262 30 2299
Total 67 6693 33 3264
Tabelle 5: Korrelation der Satzzeichen mit aber und
anderen externen Konnektoren
43
oder einen anderen Konnektor markiert wird, kann mit Hilfe
des Pearson Product-Moment Correlation Co-efficient Test
festgestellt werden, ob die Konstruktionslänge mit dem
Konnektorengebrauch zusammenhängt. Das Ergebnis zeigt,
dass das in der Tat zutrifft, und zwar derart, dass die
Wahrscheinlichkeit, dass aber benutzt wird, mit steigender
Konstruktionslänge abnimmt: r (9839) = 0,59; p < 0,01.
Anders ausgedrückt: Je kürzer die Konstruktion, desto
signifikant wahrscheinlicher ist es, dass als externer
Konnektor aber verwendet wird.
44
Insgesamt zählten wir in unseren Daten 127 Belege (=
1,27%) ohne externen Konnektor. Weitaus die meisten
davon (n = 96) gehören dem Typ mit Nullkonnektor an. Der
Typ mit rekonstruierbarem Bezug zur zwar … aber-Relation
besteht aus Einschüben und anderen spezifischen
Konstruktionen, bei denen der Bezug zur zwar … aber-
Relation mehr oder weniger deutlich und rekonstruierbar ist
(n = 26). Übrig bleibt eine Handvoll Belege des dritten Typs
(n = 5); sie dürften mit redaktioneller Unachtsamkeit,
dichterischer Freiheit oder (bei wörtlichen Zitaten) mit
Performanzproblemen in der mündlichen Originaläußerung
zu erklären sein. Von einer einfachen einstelligen
Wahrheitsaffirmation wie im Frühneuhochdeutschen findet
sich keine Spur.
Im Folgenden illustrieren wir zunächst den Typ mit
Nullkonnektor im externen Konnekt, wobei wir den
rekonstruierbaren Konnektor jeweils in eckigen Klammern
hinzufügen:
45
(E96/JAN.00126 Zürcher Tagesanzeiger,
12.01.1996, S. 69)
46
(80) Das [irische] Bruttoinlandsprodukt (BIP) hat sich
zwar unkontinuierlich entwickelt. [3 komplexe Sätze
mit vielen Zahlen zur Stützung] Mit dem [für 1997]
erwarteten Plus von über 6,0 Prozent rennt Irland
führenden Industrienationen wie Japan (1,6),
Großbritannien (3,3), Frankreich (2,5) sowie den
USA und Deutschland (2,2) [jedoch] locker davon.
(L97/OKT.00153 Berliner Morgenpost, 19.10.1997,
S. 35)
47
(81)’ Zwar ist das nicht immer der Fall, aber wir wollen
davon ausgehen, daß spätestens, wenn jemand zu
reden beginnt, er auch weiß, was er sagen will.
7
Die Anregung, die funktionalen Besonderheiten von allerdings zu
besprechen, verdanken wir den anonymen Gutachtern von Deutsche
Sprache.
48
Stiers. Etwas westlich dieses «V» ist ein kleines
«Wölkchen» erkennbar: die Plejaden.
(A10/JAN.01893 St. Galler Tagbl., 09.01.2010, S.
41)
49
Relation erkennbar und durch Umstellung rekonstruierbar
ist:
50
einsehen, dass sie professionelle Hilfe brauchen,
wüssten oft nicht, an wen sie sich wenden können.
(NUZ10/JAN.01116 NZ, 14.01.2010, S. 4)
8
Man vergleiche den Subjunktor obzwar, der aus einem (konzessiv-)
konditionalen ob-Nebensatz mit eingefügter Faktivitätspartikel zwar
entstanden ist.
51
(89) Erfreulich auch: Während zwar die
Steuereinnahmen in Windhagen rückläufig sind,
trotzen Neustadt und Buchholz der Krise und weisen
ein relativ stabiles Niveau in ihren Kassen für
Gewerbesteuern auf. (RHZ10/JAN.10646 RZ,
27.01.2010)
52
Vielmehr muss in dieser Hinsicht zwischen der
semantischen und der syntaktischen Zweistelligkeit von
zwar unterscheiden werden: Während (oder gerade weil) die
semantische Zweistelligkeit von zwar in der
Gegenwartssprache unhintergehbar geworden ist, kann die
syntaktische Zweistelligkeit von zwar gelegentlich
modifiziert werden. In diesen peripheren Fällen liegt (mit
ganz wenigen, unklaren Ausnahmen) entweder ein externes
Konnekt mit Nullkonnektor vor, das in einer lexikalisch
markierten oder anderweitig impliziten
Adversativbeziehung zum zwar-Konnekt steht, oder wir
haben es mit spezifischen Verwendungsweisen von zwar zu
tun, deren Bezug zur zweistelligen zwar … aber-Relation
mehr oder weniger klar rekonstruierbar bleibt. Sie lassen
sich zumindest teilweise (nach dem Vorbild funktional
verwandter Ausdrücke wie allerdings und wenn auch) als
plausible Funktionserweiterungen von zwar deuten, deren
zukünftiges Schicksal vorläufig offen bleiben muss.
53
und zwar mit sentenzialem Bereich; zwar … aber hat auch
insofern einen privilegierten Status, als es auch die
bevorzugte Realisierungsform ist, wenn zwar
subsentenzialen Bereich hat. Hinzu kommt, dass die
prototypische zwar … aber-Realisierung ein Komma
zwischen den Konnekten zeigt (typographisch also als
Einheit präsentiert wird) und statistisch gesehen zudem
signifikant kürzer ist als Realisierungsformen mit einem
anderen Konnektor statt aber im externen Konnekt. Zu
seinen Rändern hin enthält ZWAR … ABER auch andere
Realisierungen, und zwar zunächst im externen Konnekt
(ggf. mit Nullkonnektor o.Ä.) und dann (noch peripherer)
mit Alternativen zu zwar im internen Konnekt. Mit
Ausnahme der zwar-Sätze ohne externen Konnektor waren
diese peripheren Realisierungen des Prototyps jedoch nicht
Gegenstand des vorliegenden Beitrags.
Als nächster empirischer Schritt bietet es sich daher
an, die Kern-Peripherie-Struktur der Realisierungen von
ZWAR … ABER eingehender zu untersuchen, und zwar
anhand der verschiedenen anderen Variationsmöglichkeiten.
Dies betrifft einerseits Korrelationsverhältnisse der
Konnektoren zu anderen Aspekten der Gesamtkonstruktion,
andererseits aber auch eher qualitative Fragestellungen wie
etwa die von Primatarova-Miltscheva vermutete funktionale
Spezialisierung bestimmter externer Konnektoren auf
bestimmte Argumentationsmuster (1986, S. 136). Laut
Primatarova-Miltscheva werden aber, jedoch, dafür,
immerhin, allerdings und manche
Konnektorenkombinationen vorwiegend verwendet, um
Proargumente zu verbalisieren, während doch, dennoch,
gleichwohl und trotzdem (allein oder in Kombination mit
aber) vorwiegend Argumentanda verbalisieren (ebd.). Um
dies ansatzweise zu überprüfen, haben wir aufgrund unserer
Daten ein nach dem Zufallsprinzips ausgewähltes
Subkorpus von je 100 Belegen mit aber bzw. doch als
54
externem Konnektor gebildet und für jeden Beleg einzeln
geprüft, welchen der beiden Diskursmuster er repräsentiert.
Das Ergebnis zeigt keinen klaren Trend: Aber-Konnekte
realisieren in 44% der Belege das Argumentandum und in
47% ein Proargument, doch-Konnekte nur in 35% der Fälle
das Argumentandum und in 51% ein Proargument (Rest:
unklare Belege). Von einer klaren Spezialisierung kann also
keine Rede sein, zudem ist das Verfahren aufwändig und die
Entscheidung nicht immer leicht zu fällen. Außer Frage
steht, dass sich eine weiterführende Studie den
verschiedenen Konnektoren im externen Konnekt (und den
Adverbien im internen Konnekt) einzeln widmen sollte, um
so zu einer funktionalen Differenzierung der ZWAR … ABER-
Relation zu gelangen. Dass dabei eine möglichst feinkörnige
Differenzierung der Gebrauchsvarianten von aber zu
Grunde zu legen ist (siehe hierzu neben Zifonun et al. 1997,
S. 2408f. auch Breindl 2004b und Stede 2004), spricht nach
dem hier gewählten Ansatz ebenfalls für sich.
Sinnvoll wäre in diesem Zusammenhang auch eine
Erweiterung der Datenbasis um mündliche Daten (vgl.
bereits Primatarova-Miltscheva 1986, die mündliche Daten
aus dem Freiburger Korpus verwendet). Dann könnten
zusätzliche pragmatische Aspekte der ZWAR … ABER-
Relation untersucht werden, u.a. solche, die mit dem
Informationsstatus der Konnektinhalte und ihrem Bezug zur
Dialogsituation zu tun haben. So weist die IDS-Grammatik
(Zifonun et al. 1997, S. 2410) darauf hin, dass der aber-
Relation in manchen Fällen eine dialogische
Argumentationsstruktur in dem Sinne zugrunde liegt, dass
das interne Konnekt eine explizite oder antizipierbare
Position des Opponenten aufgreift und als zulässig einräumt,
die anschließend durch Einführung des externen Konnekts
relativiert wird (ebd., S. 2407); auch hierbei könne zwar
hilfreich sein, denn mittels zwar könne „noch deutlicher
eine Argumentation vorweggenommen werden, in der dem
55
Proponenten des zweiten [gewichtigeren] Konjunkts das
erste entgegengehalten wird“ (ebd., S. 2410). Spuren einer
solchen kooperativen Integration der Adressatenperspektive
in die Argumentation des Sprechers (vgl. auch Rezat 2007,
S. 50, 84f. u.ö.) sind im Prinzip auch in schriftlichen
Belegen nachweisbar, in unserem Beitrag haben wir sie aber
beiseite gelassen.
Neben diesen eher vertiefend-differenzierenden
Aspekten sollte die ZWAR … ABER-Relation auch in breitere
Perspektiven eingeordnet werden. Denkbar wäre eine
gründliche empirisch-quantitative Untersuchung derjenigen
sprachlichen Mittel, die im Deutschen überhaupt zum
Einräumen verwendet werden. Im Gegensatz zu der
onomasiologisch angelegten Studie von Rezat (2007), die
sich auf ein beschränktes Korpus politischer Reden stützt,
wäre eine solche Untersuchung eher semasiologisch
angelegt und böte genauere Aufschlüsse über die
Verwendungsweisen und -varianten explizit konzedierender
Ausdrücke lexikalischer und grammatischer Art (siehe
Rezat 2007, S. 51), ggf. auch in sprachvergleichender und
diachronischer Hinsicht. Im Vergleich mit seinen
Schwester- und Nachbarsprachen war für das Deutsche vor
allem die ungewöhnlich frühe und gründliche
Lexikalisierung des Adverbs zwar folgenreich: Sie ist
zumindest teilweise für die herausgehobene Stellung von
zwar … aber verantwortlich, die die prototypenhafte
Struktur des Variantenspektrums im heutigen Deutsch
überhaupt erst ermöglicht. Was die Diachronie betrifft, wäre
u.a. zu klären, inwiefern sich die Emergenz des ZWAR …
ABER-Prototyps als Grammatikalisierung beschreiben lässt.
In Anlehnung an Hopper/Traugott (2003, S. 178; Näheres
bei Van den Nest 2010, Leuschner 2006) ist die
Grammatikalisierung von Satzgefügen minimal anhand
folgender Parameter zu charakterisieren:
56
• Paarbindung („bonding“) von Satz-Types in
rhetorisch-pragmatisch motivierten Diskursroutinen
und Vereinigung („unification“) der betreffenden
Satz-Tokens in (anfangs lockeren, die
Selbständigkeit der Sätze noch nicht antastenden)
Gefügen;
57
Herabstufung erscheint das Phänomen der argumentativen
Depotenzierung, das als Vorstufe der Desentenzialisierung
betrachtet werden kann. Eine Herabstufung des internen
Konnekts zum Nebensatz ist bei ZWAR … ABER allerdings
nicht zu erwarten, da die Einräumung ja eine Assertion
bleibt und die Motivation für den Verlust der illokutiven
Eigenständigkeit somit fehlt.
Insgesamt sieht es daher so aus, als ob wir es bei der
ZWAR … ABER-Relation mit einer jener langfristigen
„Grammatikalisierungsbaustellen“ zu tun haben, die wir in
mehreren Bereichen der Sprache antreffen (Begriff von
Nübling 2005).9 Dass es auf der Baustelle ZWAR … ABER
Arbeitsfortschritte gibt, erkennt man an der Existenz einer
prototypischen Realisierungsform (zwar … aber), die von
den Sprachbenutzern in mehrfacher Hinsicht vor anderen
privilegiert wird, aber eben nicht allein dasteht, sondern in
Arbeitsteilung potenzielle Konkurrenten (vor allem zwar …
doch) und andere, peripherere Varianten neben sich duldet.
Tatsächlich betrifft die Grammatikalisierung primär nicht
einen bestimmten Konnektor, sondern ein rhetorisch-
argumentativ motiviertes Satzverknüpfungsmuster, das so
oder auch anders realisiert werden kann. Ob es dennoch
einen historischen Trend zur zunehmenden Spezialisierung
der ZWAR … ABER-Relation auf eine bestimmte
Realisierungsform zum Nachteil aller anderen gibt oder ob
sich die Arbeiten an der ZWAR … ABER-Baustelle noch eine
Weile hinziehen werden, ist eine Frage für die Zukunft. Eine
diachronische Untersuchung könnte dafür immerhin
plausible Indizien ans Licht bringen.
9
Nübling (2005) bezieht sich auf Klitisierungen des bestimmten
Artikels an Präpositionen, Leuschner (2005, 2006) übernimmt den
Begriff der „Grammatikalisierungsbaustelle“ mit Bezug auf
Irrelvanzkonditionalen.
58
Literatur
59
[DWB =] Grimm, Jacob/Grimm, Wilhelm. Deutsches
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Software
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(http://nlp.stanford.edu/software/lex-parser.shtml)
CorpusSearch2. Entwickelt von Beth Randall.
(http://corpussearch.sourceforge.net/)
62
ANHANG: Liste der verwendeten Teilkorpora aus dem
DeReKo
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HAZ07/AUG Hannoversche 2416 509170
Allgemeine, August 2007
HAZ10/JAN Hannoversche 4669 1152000
Allgemeine, Januar 2010
HMP05/APR Hamburger Morgenpost, 1748 323976
April 2005
HMP10/JAN Hamburger Morgenpost, 2924 603352
Januar 2010
I96/JAN Tiroler Tageszeitung, Januar 4026 756312
1996
K96/AUG Kleine Zeitung, August 7231 1219608
1996
L97/OKT Berliner Morgenpost, 189 54345
Oktober 1997
LIM/LI1 Diverse Einzelausgaben, 387 825941
1970-1971
M10/JAN Mannheimer Morgen, Januar 6860 1566631
2010
M95/501 Mannheimer Morgen, Januar 90 28622
1995
MK1/LBC Heinrich Böll: Ansichten 1 74086
eines Clowns, [Roman], 1963
MLD/951 Lufthansa Bordbuch (dt.), 16 14979
Jan./Febr. 1995
N91/JUN Salzburger Nachrichten, Juni 2631 621887
1991
NON07/JAN Niederösterreichische 14748 2456614
Nachrichten, Januar 2007
64
NON10/JAN Niederösterreichische 10739 1830029
Nachrichten, Januar 2010
NUN10/JAN Nürnberger Nachrichten, 2856 838934
Januar 2010
NUN90/JAN Nürnberger Nachrichten, 2100 616930
Januar 1990
NUZ02/JUN Nürnberger Zeitung, Juni 433 88472
2002
NUZ10/JAN Nürnberger Zeitung, 2515 802826
Januar 2010
O94/JAN Neue Kronen-Zeitung, Januar 8987 1100223
1994
P91/SEP Die Presse, September 1991 2877 823431
R97/JAN Frankfurter Rundschau, 7979 2750796
Januar 1997
RHZ10/JAN Rhein-Zeitung, Januar 10326 2382450
2010
RHZ96/JAN Rhein-Zeitung, Januar 14405 3345285
1996
SOZ05/MAR Die Südostschweiz, März 4 1248
2005
SOZ10/JAN Die Südostschweiz, Januar 4924 1254651
2010
SPK/J97 spektrumdirekt, Jahrgang 162 80849
1997
V97/JAN Vorarlberger Nachrichten, 5670 912536
Januar 1997
VDI06/FEB VDI Nachrichten, Februar 511 174126
65
2006
VDI10/JAN VDI nachrichten, Januar 486 142609
2010
WAM/FKR Martin Walser: Finks 1 71409
Krieg, [Roman], (1996)
WPD/AAA Wikipedia, 13515 3309858
Anfangsbuchstabe A
X96/JAN Oberösterreichische 991 190466
Nachrichten, Januar 1996
66