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Diese kurze Erzählung von Alfred Döblin gehört zur Bewegung des Expressionismus.
Der Kontext dieses Werkes ist die Epoche des Wilhelminismus und zwar die letzten
Jahren, bevor der erste Weltkrieg ausgebrochen ist. Die damalige Gesellschaft wurde
von einer raschen Industrialisierung geprägt, die die Unterschiede zwischen
Gesellschaftsschichten verstärkte. Es war die Zeit, in der ein Zuwachs des Proletariats
stattgefunden hat, in der die Technologie sich entwickelt hat und die
Kommunikationsverbindungen immer besser geworden sind. Die Städte sind somit
größer geworden.
Im Bezug auf die expressionistische Bewegung, der diese Erzählung gehört, ist es zu
erwähnen, dass sie eine Vorliebe für das Hässliche, Randgruppen und psychologische
Krankheiten hat. Die Expressionisten stellten sich der wilhelminischen Gesellschaft
entgegen, denn sie ihre alten bürgerlichen Werte nicht ertrugen (sie fanden diese spießig
und elitär). Durch ihre Werke haben sie diese Werte kritisiert. Der Ausdruck der
Gefühle war auch fundamental für die Expressionisten. Die Großstädte war ihnen
hektisch; often haben sie die Stadt als Moloch dargestellt. Dazu ist noch zu betonen,
dass die meisten Expressionisten gegen die Entmenschlichung der Arbeitskräfte waren.
Oft findet man in expressionistischen Werken einen Gebrauch von
kinematographischen Mitteln, die in der uns betreffenden Erzählung zu bemerken ist.
In dieser konkreter Erzählung geht es genau um die Unterschieden zwischen oberen und
unteren Schichten und die Ungerechtigkeiten, die die zweiten erleiden müssen. Herr
Michael Fischer, die Hauptfigur, ist ein alter, dicker Kaufsmann, der zum oberen
Bürgertum gehört. Er trägt die typischen spießigen Klammotten: eine schwarze Weste
mit einer Goldkette, einen steifen Hut, und geht mit einem Spazierstöckchen spazieren.
Während man die Erzählung liest, merkt man bald, dass Herr Fischer an einigen
psychologischen Pathologien leidet. Gründe dafür sind erstens die Tatsache, dass er
seine Schritte zählt, als ob er OCD bzw. eine Zwangsstörung hätte; zweitens, dass er
sich selbst von aussen sieht, was einer Episode von Dissoziation entsprechen könnte,
oder einfach nur einer Halluzination.
Die Geschichte, die uns erzählt wird, ist die von Herr Michael Fischer, der eines Tages
während einem Spaziergang eine Butterblume mit seinem Spazierstöckchen umbringt.
Priscilla Nheu
Als er sich selbst bei solcher Tat beobachtet, fängt er an, sich Sorgen zu machen.
Er fühlt sich daran schuldig und erst ein Jahr später versucht er, sein Verbrechen
irgendwie zu redimieren. Er nimmt eine andere Butterblume, um sich um sie zu
kümmern, als ob der Mord durch solche Kompensation verschwinden könnte. Als seine
Haushälterin zufällig den Blumentopf auf den Boden wirft, fühlt sich Herr Fischer von
diesem Verbrechen entlastet und schließlich ruhig.
Wenn man aber diese Handlung analysiert, merkt man, dass diese Butterblume etwas
symbolisiert. Sie könnte eine Person sein, wahrscheinlich eine Frau, vielleicht eine
Prostituierte oder vielleicht eine Arbeiterin. Auf jeden Fall, eine Person, die zu dem
unteren Schicht der Gesellschaft gehört. Um diese Idee zu behaupten, ist man von
bestimmten Zitate im Text ausgegangen, wie zum Beispiel, „Ihr ist alles versagt: das
Mondlicht, das Brautglück des Sommers, das ruhige Zusammenleben mit dem
Kuckuck, den Spaziergängern, den Kinderwagen“ (S. 142). Hier ist die Rede von aller
Dingen, die die Butterblume bzw. Frau nicht mehr empfinden oder tun wird, da sie von
Herr Fischer umgebracht worden ist. Die Tatsache, dass er einen Kinderwagen erwähnt,
lässt uns natürlich an eine Frau denken, die vielleicht sogar Mutter war.
Das Verhalten, dass dieser Mann gegenüber diese Frau hatte, wird in folgendem Zitat
beschrieben: „Zwischendurch behandelte er sie erbittert, wegwerfend, drängte sie mit
einem raschen Anlauf an die Wand. Er betrog sie in kleinen Dingen, stieß hastig, wie
unabsichtlich, ihren Napf um, verrechnete sich zu ihrem Nachteil, behandelte sie
manchmal listig, wie einen Geschäftskonkurrenten.“(S. 142-143). Die Misshandlung,
die sie ertragen musste, ist hier augenscheinlich. Die Annahme, dass sie vielleicht eine
Prostituierte wäre, geht von dem Bezug auf die Verrechnung zu ihrem Nachteil. Es
könnte aber, wie schon gesagt, um eine Arbeiterin gehen.
Die Erzählung entlang, merkt der Leserin, dass Herr Fischer sich nur Sorgen darum
macht, dass niemand über seinen Mord etwas erfährt. Der Mord an sich ist ihm egal,
diese Person ist ihm egal, denn, wie schon erwähnt, sie gehört zu einem unteren Schicht
und Herr Fischer kann von den Ungerechtigkeiten gegenüber diese Menschen straflos
ausgehen. Die Verachtung, die die Hauptfigur für diese Menschen empfindet, wird in
folgendem Zitat deutlich, wo plötzlich die Blume als Unkraut gehalten wird: „Die
Blume, denkt er hinterlistig, kann ja auf dem Wege stehen bleiben, wo sie steht. Es gibt
genug solch toten Unkrauts in der Welt.“ (S.140).
Priscilla Nheu
Der Erzähler dieser Geschichte ist allwissend und auktorial, er fokussiert sich darauf,
was Herr Fischer sieht, denkt und empfindet. Er nimmt Elemente der Rede der
Hauptfigur in seinem Diskurs auf, wie man in folgenden Beispiele bemerken kann:
„Man würde es sehen. Er lasse sich nicht auf der Nase herumtanzen, von
niemandem.“ (S. 141) und „Er zerknäulte es im Lesen; es war etwas geschehen, es
war etwas geschehen.“ (S.141)
In der Erzählung gibt es sowohl direkte Rede („Nun saß er ganz blöde in seinem
Schlafzimmer, sagte laut vor sich hin: »Da sitz ich, da sitz ich,«“ S.141) als auch
indirekte Rede („[...] erklärte ihm seine Wirtschafterin gleich an der Tür gelassen, dass
das Tischchen beim Reinemachen umgestürzt [...]“ S.144).
Die Sprache in der Erzählung ist gepflegt und enthält viele Adjektive, um die
zahlreichen Beschreibungen richtig vollzuziehen. Außerdem sind rethorische Mitteln im
Werk zu finden, wie zum Beispiel, die Personifizierung „die verwachsenen Blumen“ (S.
133), „der Baum weint“ (S. 140), oder den Vergleich „wie einem Gelähmten, dem der
Speichel aus dem Mundwinkel läuft“ (S. 135); hier geht es gleichzeitig um ein Bezug
auf das Hässliche.
Schließlich fällt die Einführung von Elemente der Kinematographie in dieser Erzählung
besonders auf. In folgendem Zitat spielt er mit einer Vogel- sogar Überkopfperspektive
und einer Froschperspektive: „Plump sank jetzt der gelöste Pflanzenkopf und wühlte
sich in das Gras (...) in den Boden hinein. (...) Und von oben, aus dem Körperstumpf,
tropfte es (...)“.(S.134-135) Diese beschreibenden schriftlichen Bilder-„Über den Weg
flogen Stiele und Blätter.“ (S. 133) und „Die Bäume schritten rasch an ihm vorbei“ (S.
133)- sind auch sehr filmisch, indem man sich diese Szenen perfekt vorstellen kann.
Man sieht wie die Blätter in die Luft springen, oder die rasche Bewegung der Bäume,
wenn man rennt oder mit dem Auto fährt. Es gibt sogar ein Beispiel von Parataxe, die
zu einer Erfahrung der Geschwindigkeit der Bewegungen Herr Fischers dient: „Das
hebt sich lebendig, rinnt auf ihn zu, gerade auf Herrn Michael zu, will ihn ersäufen,
strömt klatschend gegen seinen Leib an, spritzt an seine Nase. Er springt, hüpft nur noch
auf den Zehen.“ (S. 136)