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Skript zum virtuellen Kurs Markt – Macht – Moral
Fallstudie zu Kapitel 4: Der gesellschaftliche Auftrag des Unternehmens
Virtueller Kurs
Markt – Macht – Moral
Prof. Dr. Brigitte Nolopp
Hochschule Wilhelmshaven
Fallstudie zu Kapitel 4:
Der gesellschaftliche Auftrag des Unternehmens
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Fallstudie zu Kapitel 4: Der gesellschaftliche Auftrag des Unternehmens
Die Knute des Conservators (Bernau, Patrick: FAZ.NET vom 7.9. 2008 in
http://www.faz.net/s/RubEC1ACFE1EE274C81BCD3621EF555C83C/Doc~EAB138260E81B4D1890417
4692CD510E7~ATpl~Ecommon~Scontent.html?rss_aktuell)
Wenn die beiden Hypothekenbanken Fannie Mae und Freddie Mac in der kommenden Woche ver‐
staatlicht werden, dann haben sie viel gemein mit einer anderen berühmten Amerikanerin: mit Brit‐
ney Spears. Die ist nach einigen Alkoholexzessen Anfang des Jahres wieder unter die Vormundschaft
ihres Vaters gestellt worden.
Diese Vormundschaft heißt im amerikanischen Juristenenglisch "Conservatorship", und so heißt auch
das Arrangement, das Fannie und Freddie jetzt erwartet. Es funkti‐oniert ganz ähnlich: Die beiden
Hypothekenfinanzierer bekommen einen "Conservator", also einen staatlichen Vormund. Er kann
dann in den Firmen schalten und walten, wie er es für richtig hält, denn er hat die Macht von Vor‐
stand, Verwaltungsrat und Aktionären gleichzeitig. Die alten Chefs werden entlassen. Dass es so
kommt, soll offenbar spätestens am heutigen Sonntag verkündet werden.Die beiden Hypotheken‐
banken gehen dann aber nicht in den Staatsbesitz über, sondern gehören weiterhin ihren alten Akti‐
onären. Immerhin bekommen sie einen gewissen Schutz vor ihren Gläubigern, weil der Vormund
festlegen kann, dass von Fannie und Freddie 45 Tage lang kein Geld gepfändet werden darf. Wenn er
mit seiner Arbeit fertig ist, sollen Fannie und Freddie wieder allein im Privatbesitz überleben können.
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Die "Conservatorship" ist die mildeste Form der Verstaatlichung, die das amerikani‐sche Gesetz vor‐
sieht. Die Regierung wählt diese Variante mit Absicht ‐ schon allein, um dem Volkszorn zu entgehen.
Wenn sie die beiden Unternehmen ganz in den Staatsbesitz nehmen würde, wäre die Entrüstung der
Amerikaner wahrscheinlich groß gewesen. Banken im Staatsbesitz: Das hätte dann zu sehr nach dem
verhassten Sozialismus ausgesehen.
Außer der öffentlichen Meinung profitiert auch der amerikanische Staatshaushalt von dieser Varian‐
te, zumindest optisch. Bei einer schärferen Variante der Verstaatlichung wären nämlich die Kredite
von Fannie Mae und Freddie Mac zu Staatsschulden geworden, und das hätte den Schuldenstand der
amerikanischen Bundesregierung erheblich in die Höhe getrieben: Zu den aktuell neun Billionen Dol‐
lar wären weitere fünf Billionen hinzugekommen. Den meisten dieser fünf Billionen Dollar stehen
aber auch in dieser schweren Immobilienkrise ganz normale Hypothekenkredite gegenüber, deren
Schuldner ihre Raten regelmäßig bezahlen. Dafür muss die Regierung nun kein Geld in die Hand
nehmen. …
Am besten kommen nun wahrscheinlich die Gläubiger von Fannie und Freddie davon ‐ also diejeni‐
gen, die Anleihen gekauft haben. Für die Sicherheit ihres Geldes verbürgt sich jetzt der Staat.
...Das Vormundschafts‐Verfahren, das die Regierung jetzt verwendet, ist in dieser Form erst in den
vergangenen Wochen ins Gesetz geschrieben worden. Und es läuft ganz ähnlich ab wie das für die
Vormundschaft über Britney Spears: Erst muss klar sein, dass der Bevormundete nicht mehr auf sich
selbst aufpassen kann, das heißt, Fannies und Freddies Aufsichtsbehörde "Ofheo" muss formell fest‐
stellen, dass die beiden nicht mehr genug Geld haben: Sie müssen "massiv unterkapitalisiert" sein.
Dann kommt der neue Vormund. Anders als im Fall von Britney Spears wird bei Fan‐nie und Freddie
der Vormund aber wahrscheinlich derselbe sein wie der Richter: die Aufsichtsbehörde.
Das Fannie‐Freddie‐Billionendebakel (http://www.ftd.de/finanzen/maerkte/:kolumne‐tobias‐bayer‐
das‐fannie‐freddie‐billionendebakel/50006588.html?page=2, Financial Times Deutschland, FTD.de »
Finanzen » Aktien + Märk‐te » Tobias Bayer ‐ Das Fannie‐Freddie‐Billionendebakel vom 14.9.2009)
Der Jahrestag der Lehman‐Pleite lenkt vom eigentlichen Problem ab: den US‐Hypothekenfinanzierern
Fannie Mae und Freddie Mac. Sie erhöhen das US‐Budgetdefizit in diesem Jahr um knapp 290 Mrd. $.
Mickey und Minnie, Fix und Foxi, Hanni und Nanni, Fannie und Freddie haben eines gemein: Ihr Na‐
me lässt auf etwas Niedliches schließen. Doch das erweist sich zumindest in einem Fall als trügerisch.
Sitzt das letztgenannte Pärchen doch auf einem Schuldenberg von 5500 Mrd. $ und erhöht mit seiner
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Freigiebigkeit das amerikanische Budgetdefizit dieses Jahr voraussichtlich um knapp 290 Mrd. $. Die
Rettung der beiden US‐Hypothekenfinanzierer am 7. und 8. September 2008 liegt inzwischen genau
ein Jahr zurück. Doch das Datum ist in der Öffentlichkeit nahezu in Vergessenheit geraten. Es wird
vom Jubiläum der Lehman‐Brothers‐Pleite am 15. September überschattet. Völlig zu Unrecht. Wäh‐
rend Lehman Brothers aufgespalten sowie verkauft wurde und höchstens noch die Gerichte beschäf‐
tigt, geht die Fannie‐Freddie‐Saga munter weiter.
Das Finanzministerium pumpt in regelmäßigen Abständen Milliarden in die beiden Unternehmen.
Das Engagement Washingtons könnte sich schlimmstenfalls auf jeweils 200 Mrd. $ belaufen. Die
Notenbank Federal Reserve wiederum kauft Fannie‐und‐Freddie‐Wertpapiere im Umfang von 1450
Mrd. $ ‐ und erwägt, das Programm über das Jahr hinaus zu verlängern. Die putzigen Zwillinge hän‐
gen am Tropf des Staates, ihre Zukunft ist ungewiss. Erst im Februar 2010 will US‐Präsident Barack
Obama konkrete Pläne vorstellen. Das Fannie‐Freddie‐Abenteuer ist deshalb das eigentliche mah‐
nende Beispiel, an das er‐innert werden muss.
Wie so oft steht am Anfang eine gute Idee. Fannie und Freddie wurden geschaffen, um den Amerika‐
nern günstiges Wohneigentum zu ermöglichen. Durch Hypothekengarantien und das Kaufen, Bün‐
deln und Weiterreichen der Darlehensverträge in Form von Mortgage‐Backed Securities (MBS) schu‐
fen sie einen regen Sekundärmarkt und senkten die Zinslast für die Häuslebauer. Die Kehrseite of‐
fenbarte sich erst im Laufe der Zeit. Die Kombination aus politischem Auftrag und privater Gewinn‐
maximierung ermunterte zum Risiko ‐ und im neuen Jahrtausend zu einer Vorliebe für Subprime‐ und
Alt‐A‐Hypotheken, die sich durch einkommensschwache Schuldner und schlampige Dokumentation
auszeichneten.
Mit dem Hauspreisverfall verschlechterte sich die Situation von Fannie und Freddie 2007 und 2008
zusehends. Die Regierung schätzte die Lage lange falsch ein. Präsi‐dent George W. Bush und Finanz‐
minister Henry Paulson hofften anfangs sogar noch, dass die Hypothekenfinanzierer selbst andere
Institute in Schwierigkeiten übernehmen könnten. Danach versuchten sie es mit rhetorischer Sym‐
bolpolitik, um im September 2008 schließlich Fannie und Freddie mit einem "Conservatorship" aufzu‐
fangen. Und das nicht ohne Kollateralschaden: Der Einstieg Uncle Sams führte zu einem Kursverfall
der Vorzugsaktien, die vorwiegend in Portfolios von Regionalbanken liegen. Abschreibungen in der
Provinz folgten.
…Zwölf Monate später traut man seinen Augen nicht. Fannie und Freddie spielen eine noch wichtige‐
re Rolle als zuvor. Im ersten Quartal 2009 gewährten sie rund 73 Prozent aller neuen Hypotheken. Zu
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Hochzeiten des Immobilienbooms hatte ihr Marktanteil bei nur knapp 60 Prozent gelegen. Washing‐
ton kommt ohne sie nicht aus: Vier bis fünf Millionen Immobilienschuldner, die säumig sind, sollen
im Rahmen des "Home Affordable Refinance Program" durch Fannie und Freddie günstigere Konditi‐
onen erhalten ‐ und ihre vier Wände behalten dürfen.
Anderes bleibt der US‐Regierung auch nicht übrig. In der gesamten öffentlichen Im‐
mobilienarchitektur knirscht es gewaltig. Die zwölf Federal Home Loan Banks, die im vergangenen
Jahr noch die Privatbanken mit Liquidität versorgt hatten, ächzen inzwischen unter der Last von 64
Mrd. $ an MBS (MBS – Mortgage Backed Securities – Schuldscheine, die durch Hypotheken auf Im‐
mobilien, also direkt durch Immobilienbesitz versichert sind.)‐Papieren (Stand Ende März), die an
Wert verlieren. Nach Angaben der zuständigen Aufsicht schlug das in den ersten drei Monaten des
Jahres mit Abschreibungen von 5,2 Mrd. $ zu Buche…. Knapp acht Prozent aller Schuldner waren
Ende des zweiten Quartals mehr als 90 Tage im Rück‐stand. Setzt sich der Trend fort, wird der Kapi‐
talpuffer der FHA aufgezehrt ‐ und der Steuerzahler muss wieder einmal einspringen.…. Die Moral
von der Geschicht? …Das ist eine Lektion für all jene, die den Staatseinfluss auf die Banken dazu nut‐
zen wollen, der heimischen Wirtschaft mehr Kredite zuzuschustern.
Zwischen Versorgungsauftrag und Gewinnmaximierung lässt sich in der Praxis nur schwer vermitteln.
Fannie und Freddie sind zudem das Menetekel schlechthin für die "Too big to fail"‐Doktrin.
Wer Finanzinstitute implizit mit einer staatlichen Auffanggarantie ausstattet, darf sich nicht wundern,
wenn die so Begünstigten wachsen, wachsen und wachsen.
….Was Fannie und Freddie betrifft, dürften angesichts des letzten Willens keine Zweifel mehr beste‐
hen. Statt sie zu verstaatlichen und mit den Federal Home Loan Banks oder der FHA zu verschmelzen,
wie es einige Experten befürworten, sollten die Hypothekenfinanzierer geschrumpft und anschlie‐
ßend privatisiert werden. Sie sind in ihrer jetzigen Form eine Gefahr für die USA und die Weltwirt‐
schaft. …
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Weitere Weblinks
http://www.fanniemae.com/
http://www.handelsblatt.com/unternehmen/banken‐versicherungen/freddie‐mac‐und‐fannie‐mae‐
droht‐aufspaltung%3B2452111
http://money.cnn.com/magazines/fortune/fortune_archive/2005/01/24/8234040/index.htm
Video aus „The daily showly“ http://www.usnews.com/money/blogs/the‐
ticker/2009/01/16/bethany‐mclean‐on‐the‐daily‐show‐fannie‐mae.html vom 16.1.2009
Wer Lust hat… Bethany McLean gehörte zu den wenigen Journalisten, die schon ein Jahr vor dem
Zusammenbruch von ENRON deren Geschäftsmodell infrage stellte. Auch dazu gibt es ein DAILY
SHOW Interview… http://www.thedailyshow.com/watch/wed‐february‐20‐2002/bethany‐mclean
Ein Artikel zu Fannie Mae, der noch sehr viel tiefer ins Detail geht, für echte Fans
http://www.vanityfair.com/politics/features/2009/02/fannie‐and‐freddie200902 ...
“There is culpability somewhere,” says a former Fannie executive. “Whether it is a conspiracy or in‐
competence, I don’t know.” And in some ways, that sums up the entire story—on both sides.
Anhang: Aus den Jahresberichten von Fannie Mae (alle zum Download auf der Homepage, Stand
20.9.09)
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Fallstudie zu Kapitel 4: Der gesellschaftliche Auftrag des Unternehmens
http://www.fanniemae.com/ir/annualreport/index.jhtml;jsessionid=N5IGEBKQUDK0VJ2FQSISFGA?s=
Annual+Reports+%26+Proxy+Statements (vgl. auch
http://curiouscapitalist.blogs.time.com/2009/01/02/bethany‐mclean‐provides‐the‐definitive‐
account‐of‐the‐fanniefredderung/)
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Das Bild in 2008: (http://www.fanniemae.com/ir/pdf/earnings/2008/form10k_022609.pdf)
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