Redaktion
F.Grehn · Würzburg
Low Vision –
Unter ständiger Mitarbeit von:
A.Kampik · München
Versorgung Sehbehinderter
H.Witschel · Freiburg
mit vergrößernden Sehhilfen
Die Beiträge der Rubrik „Weiter- und Fort-
bildung“ sollen dem Facharzt als Repetitorium
dienen und dem Wissenstand der Facharzt- Teil I: Physiologische und optische
prüfung für den Arzt in Weiterbildung
entsprechen.Die Rubrik beschränkt sich auf Grundlagen
gesicherte Aussagen zum Thema.
Trotz großer Fortschritte in der Ophthalmologie gibt es eine Reihe von Erkrankungen,
die zu dauerhaften, massiven Einschränkungen der Sehleistung führen. Da unsere
Umwelt weitgehend nach visuellen Aspekten organisiert ist, erfahren die betroffe-
nen Patienten erhebliche Beeinträchtigungen der Lebensqualität und der persön-
lichen Unabhängigkeit. Sind alle diagnostischen und therapeutischen Mittel ausge-
schöpft und ist keine Besserung des Sehens zu erwarten, muss der Patient einer qua-
lifizierten Rehabilitation mit vergrößernden Sehhilfen zugeführt werden. Neben der
Sehhilfenversorgung ist eine Beratung des Patienten bezüglich ergänzender Hilfsan-
gebote erforderlich.
© Springer-Verlag 2002
Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. (FH) Hans-Jürgen Grein
Fachhochschule Jena, Studiengang Augenoptik, Carl-Zeiss Promenade 2, 07745 Jena,
E-Mail: hans-juergen.grein@fh-jena.de
Epidemiologie
Versorgungsämter Die Zahl der Blinden im Sinne des Gesetzes wird von den Versorgungsämtern, bei
denen der Antrag auf Blindengeld zu stellen ist, erfasst und liegt bei 155.000 in
Schätzungen gehen von 500.000 Deutschland. Eine systematische Erfassung von Sehbehinderten gibt es nicht. Schät-
bis 1 Mio.Sehbehinderten in zungen gehen von 500.000 bis 1 Mio. Sehbehinderten und einer Inzidenz von 60.000
Deutschland aus bis 80.000 neuen Sehbehinderten pro Jahr in Deutschland aus.
Das Ursachenspektrum für Sehbehinderungen verändert sich mit zunehmen-
Diabetische Retinopathie dem Alter. In der Gruppe der 20- bis 65-Jährigen ist die diabetische Retinopathie
die häufigste Ursache für Erblindungen im Sinne des Gesetzes. Im höheren Alter do-
Makuladegeneration minieren Makuladegenerationen. Eine Auswertung der Akten von 1.339 sehbehin-
derten Patienten der Sehbehindertenambulanz der Universitäts-Augenklinik in Hei-
delberg aus dem Jahre 1999 [1] ergab die in Abb. 1 dargestellte Häufigkeitsverteilung
ophthalmologischer Diagnosen.
Physiologische Grundlagen
Physiologie des Lesevorgangs
Die Detailerkennung des visuellen Systems ist an die Funktion der Fovea centralis
der Netzhaut gekoppelt. Eine große Anzahl der Sehbehinderungen hat ihre Ursache
in der Störung des zentralen Sehens. Die Verteilung der erreichbaren Sehschärfe auf
der Netzhaut mit einem Maximum in einem winzigen zentralen Netzhautareal, der
Foveola Foveola, und steil nach peripher abfallenden Visuswerten erklärt die Bedeutung
Tabelle 2
Klassifizierung der Sehbehinderung nach Empfehlungen der DOG. (Zit. nach [2])
Bereits kleine Läsionen der Fovea des Netzhautzentrums. Bereits kleine Läsionen der Fovea können aufgrund der re-
können das zentrale Sehen massiv tinalen Visusverteilung das zentrale Sehen und damit den erreichbaren Visus massiv
reduzieren. reduzieren. Der Mindestvisus zum Erkennen von Zeitungsdruckbuchstaben in übli-
cher Leseentfernung beträgt etwa 0,4. Die Netzhautareale, die gerade noch diese oder
Der Mindestvisus zum Lesen von eine bessere Sehschärfe zulassen, liegen in einem kreisförmigen Areal etwa 2° um die
Zeitungsdruckbuchstaben beträgt 0,4 Foveola. Mindestens Teile dieser Zone müssen noch vorhanden sein, um einzelne
Buchstaben in Zeitungsdruckgröße in üblicher Leseentfernung erkennen zu können.
Beim Lesen findet ein ständiger Wechsel Lesen ist aber weit mehr als das Erkennen einzelner Buchstaben. Beim flüssigen
von Fixation und Sakkaden statt. Lesen bewegt sich der Blick nicht etwa gleichmäßig über den Text, sondern springt
in einem ständigen Wechsel von Fixation und Sakkaden über mehrere Silben hin-
weg.Während der Fixationsphasen, die etwa 100–200 Millisekunden dauern, werden
ganze Silben oder Wörter erkannt (Blankenagel). Es kommt auch immer wieder zu
Regressionen Regressionen, d. h. Rücksprüngen im Text, insbesondere bei längeren Worten, die
nicht auf einmal zu erfassen sind. Nach Aulhorn [8] ist für flüssiges Lesen ein Min-
destgesichtsfeld von 4° Breite und 2° Höhe bei Zeitungsdruck erforderlich. Für einen
problemlosen Zeilenrücksprung werden noch größere Lesefelder gefordert [7]. Inner-
halb dieses Netzhautareals muss der Visus mindestens 0,4 betragen. Abhängig vom
Leseabstand und der Druckgröße werden so 7–12 Buchstaben gleichzeitig erfasst.
Wird dieses Lesefeld kleiner, reduziert sich der Lesevorgang auf ein buchstabieren-
des Zusammensetzen der Worte.
Zentralskotom Liegt ein Zentralskotom vor, muss der Patient eine gesunde Netzhautstelle am
Rand des Skotoms als neuen Fixationsort nutzen. Wegen des steilen Abfalles des Vi-
sus außerhalb der Netzhautmitte erreicht das exzentrische Fixationsareal oft nicht
den Mindestlesevisus von 0,4. Der Text muss so stark vergrößert werden, dass er mit
der exzentrischen Netzhautstelle aufgelöst werden kann. Die notwendige Mindest-
gesichtsfeldgröße zum Lesen wächst dabei proportional zum Vergrößerungsfaktor
(Abb. 2).
Für die Erkennung eines Landolt-Ringes der Visusstufe 0,4 genügt ein zentrales Netz-
Flüssiges Lesen erfordert ein zentrales hautareal von etwa 0,3° Durchmesser. Dagegen muss ein zentrales Netzhautareal von
Netzhautareal von 4 mal 2 Grad 4×2° intakt sein, um flüssiges Lesen zu ermöglichen. Aus diesem Vergleich wird klar,
dass der erreichbare Optotypenvisus stark von der Lesefähigkeit des Patienten ab-
weichen kann. Dies ist dann der Fall, wenn noch eine kleine zentrale Restgesichts-
feldinsel vorhanden ist, das zentrale Gesichtsfeld jedoch für den Lesevorgang zu klein
ist. Der Patient kann zwar einzelne Zahlen oder Buchstaben gut erkennen,Worte kann
er allenfalls mühsam buchstabieren, nicht jedoch flüssig lesen. Aus diesem Grund
Optotypenvisus und Lesefähigkeit müssen die beiden Sehfunktionen, Optotypenvisus und Lesefähigkeit, getrennt ge-
müssen getrennt geprüft werden prüft werden.
Das Ergebnis der Messung dieser beiden Sehfunktionsprüfungen ist auch unter-
schiedlich bezüglich des daraus berechneten Vergrößerungsbedarfs zu beurteilen.
Beim Optotypenvisus wird eine Beim Optotypenvisus wird eine Schwellenwertmessung durchgeführt. Die dargebo-
Schwellenwertmessung durchgeführt tenen Optotypen können mit Anstrengung und hoher Konzentration gerade noch
erkannt werden. Ein Teil darf sogar falsch erkannt sein, wenn das Abbruchkriterium
6 von 10 angewandt wird. Ein Text in dieser Größe, unabhängig von den Gesichts-
feldvoraussetzungen, kann nicht anstrengungsfrei über längere Zeit gelesen werden.
Die Bestimmung der Lesefähigkeit ist Dagegen ist die Bestimmung der Lesefähigkeit mit speziellen Texttafeln ein über-
ein überschwelliger Test schwelliger Test. Es wird die kleinste Schriftgröße ermittelt, die noch ein fließendes
Lesen, zumindest jedoch das individuell beste Leseergebnis ermöglicht.Aus dem Er-
gebnis kann der Vergrößerungsbedarf direkt abgeleitet werden. Meistens ist mit der
nächstkleineren Schriftgröße auch noch ein zögerndes und teilweise ratendes Lesen
möglich. Diese Form des Lesens ist jedoch nicht Ziel der Versorgung mit vergrößern-
den Sehhilfen.
Vergrößerungsbedarf
Der reduzierte Visus eines Sehbehinderten kann durch Vergrößerung des betrachte-
ten Objektes zumindest teilweise kompensiert werden. Ziel der Testung des visuellen
Systems ist es, den Vergrößerungsbedarf zu ermitteln, der für die gewünschte Sehsi-
Eine vergrößernde Sehhilfe erlaubt tuation, meistens für das Lesen, erforderlich ist. Eine vergrößernde Sehhilfe mit der
wieder eine ausreichende Detailauf- entsprechenden Vergrößerung erlaubt wieder eine ausreichende Detailauflösung, um
lösung z. B. Buchstaben eines Textes erkennen zu können. Rein formal lässt sich der Vergrö-
ßerungsbedarf (V) aus dem ermittelten Visus nach folgender Formel berechen:
VisusSoll
Vergrößerungsbedarf (V)= (1)
VisusCC
Mindestvisus Zum Lesen üblicher Druckschrift wird ein Mindestvisus (VisusSoll) von 0,4 benö-
tigt. Deshalb gilt dann:
0,4
Vergrößerungsbedarf (V)= (2)
VisusCC
Ein Sehbehinderter mit einem Optotypenvisus von 0,1 bräuchte folglich eine 4fache
Vergrößerung, um den Sollvisus von 0,4 zu erreichen.Aufgrund der oben genannten
Optische Grundlagen
Vergrößerung
a0
V= (3)
a+ ē(1–a·D)
D
V= (4)
4dpt
V=Vergrößerung
D=Lupenbrechwert
Die Normalvergrößerung gilt nur für Die Normalvergrößerung gilt nur für 2 konkrete Anwendungssituationen:
2 konkrete Anwendungssituationen
● Der Abstand Lupe–Auge entspricht genau der (bildseitigen) Brennweite der Lupe
oder
● das Objekt befindet sich genau im objektseitigen Brennpunkt der Lupe.
Für diese Fälle vereinfacht sich Formel 3 zur Formel 4. Mit Kenntnis der D/4-Formel
lassen sich Brechwert und Brennweite der Lupe berechnen. Dies sei an einem konkre-
ten Beispiel gezeigt:
Eine Lupe habe eine Normalvergrößerung von 5fach. Aus der Formel (4) für die
Normalvergrößerung berechnet sich der Brechwert der Lupe mit
D=4dpt·5=20dpt.
Die Brennweite berechnet sich aus dem Kehrwert des Brechwertes, also
1/20dpt=0,05m=5cm.
Die angegebene Normalvergrößerung gilt bei dieser Lupe nur für folgende Spezialfälle:
Handelsvergrößerung
D
V= +1 (5)
4dpt
Der Brechwert und die auf der Lupe angegebene Vergrößerung entsprechen der Herstellerangabe. Die Lage des Lupenbildes (Bildschnittweite=Abstand vom augen-
seitigen Lupenscheitel) wurde gemessen. Das negative Vorzeichen zeigt an, dass das Lupenbild entgegen der Lichtrichtung liegt, also im Objektraum. In den mit s*
gekennzeichneten Spalten wurden die tatsächlich vorliegenden Vergrößerungen für 2 Arbeitsabstände (Auge–Tischebene, 20 cm bzw. 35 cm) angegeben.
Prinzip
Das Vergrößerungsprinzip der Lupe ist die Grundlage aller optisch vergrößernden
Sehhilfen für die Nähe. Ob erhöhter Nahzusatz, Hyperokular, Hand- oder Aufsetzlu-
Grundsätzlich macht die Position des pe, allen diesen Sehhilfen liegt das Lupenprinzip zugrunde. Grundsätzlich macht die
Objektes aus einer Sammellinse eine Position des Objektes aus einer Sammellinse eine Lupe. Immer wenn das Objekt in-
Lupe nerhalb der objektseitigen Brennweite liegt, also zwischen Lupe und objektseitigem
Brennpunkt, entsteht ein aufrechtes, virtuelles Bild hinter dem Objekt. Bei dieser Ab-
Lupenfall bildungssituation spricht man vom Lupenfall (Abb. 4). Durch Variation des Ab-
standes Lupe–Objekt kann man sowohl die Größe des Lupenbildes, als auch die Ent-
fernung des Bildes von der Lupe verändern.
Erhöhte Nahzusätze (Abb. 5), Hyperokulare oder Aplanate (Abb. 6) sind fest in
Lupenbrillen eine Brillenfassung eingebaute Lupen (Lupenbrillen). Der Abstand Auge–Lupe ist
vorgegeben. Der Patient bringt das Lesegut in den Bereich des objektseitigen Brenn-
punktes und kann ohne Akkommodation auf das im Unendlichen entstehende Bild
blicken. Je höher der Nahzusatz, desto kürzer ist die Brennweite der Linse, und desto
geringer ist der freie Arbeitsabstand. Hyperokulare können bis über 40 dpt verord-
net werden. Entsprechend schrumpft der Abstand zum Lesegut auf unter 2,5 cm.
Aufsetzlupen Etwas komplizierter ist die Situation beim Lesen mit Aufsetzlupen (Abb. 7) in Kom-
bination mit einer Lesebrille. Entscheidend für das Verständnis dieser Situation ist das
Wissen um die Lage des Lupenbildes. Ein Sehbehinderter, der mit einer Aufsetzlupe
liest, betrachtet nicht mehr seine Zeitung, sondern ein Bild dieser Zeitung. Dieses
Bild liegt hinter der Lupe, also im konkreten Fall, wenn der Patient seine Zeitung mit
Lupe auf dem Tisch liest,„unter dem Tisch“ (Abb. 8).
Wie weit das Lupenbild hinter der Lupe liegt, hängt vom Brechwert der Lupe und
deren Abstand zum Lesegut ab. Dieser kann nicht größer als die Brennweite der Lupe
sein, da sonst kein Lupenfall mehr vorliegt.
Bei handgehaltenen Lupen ist der Abstand zum Lesegut variabel. Die Lupe kann
direkt auf das Lesegut gelegt oder bis maximal der Lupenbrennweite angehoben wer-
den. Im 1. Fall liegt das Lupenbild fast am Ort des Lesegutes. Im 2. Fall liegt das Bild
im Unendlichen. Der Patient kann folglich, je nachdem ob er seine Fern- oder Nah-
brille trägt, das Lupenbild an den Ort bringen, an dem er es scharf sieht.
Aufsetzlupen haben einen durch die Aufsetzlupen haben einen durch die Fassung festgelegten Abstand zum Lesegut.
Fassung festgelegten Abstand zum Damit ist, wenn die Lupe aufgesetzt wird, die Lage des Lupenbildes vorgegeben. Lei-
Lesegut der machen die meisten Hersteller keine Angaben dazu, wo das Lupenbild entsteht.
Die Bilder handelsüblicher Aufsetzlupen liegen zwischen wenigen Zentimetern und
über einem Meter von der Lupe entfernt. Es gibt folglich keine einheitliche Lage der
Lupenbilder. Ganz entscheidend ist die Kenntnis der Lage des Lupenbildes bei der
Versorgung presbyoper Patienten. Es stellt sich nämlich die Frage, ob eine Lesebrille
zum Lesen mit Lupe getragen werden soll und welcher Nahzusatz dafür benötigt
wird.Aus den bisherigen Ausführungen wird klar, dass nicht der Abstand des Patien-
Entscheidend ist der Abstand zum ten zur Lupe oder zum Lesegut entscheidend ist, sondern der Abstand zum Lupenbild.
Lupenbild Nicht die Lupenfassung soll scharf gesehen werden, sondern das virtuelle Bild, das die
Lupe quasi „unter den Tisch“ projiziert.
Dies sei an einem Beispiel erläutert: Ein hochgradiger Presbyop (es sei keine Ak-
kommodationsfähigkeit mehr vorhanden) benötigt eine Aufsetzlupe. Er besitzt eine
Lesebrille mit einem Nahzusatz von +2,5 dpt. In der vom Patienten bevorzugten Le-
sehaltung beträgt der Abstand Auge–Lupe 15 cm. Mit seiner Lesebrille hat er in der
Nähe in 40 cm Abstand (1/2,5 dpt=0,4 m) ein scharfes Netzhautbild. Die Kombinati-
on Lupe–Nahbrille funktioniert nur, wenn sich die beiden Abstände Lupenbild–Lupe
und Lupe–Auge auf 40 cm addieren. Unter der Vorgabe eines Abstandes zur Lupe von
15 cm sieht der Proband nur scharf, wenn das Lupenbild 25 cm hinter der Lupe ent-
steht.
Ohne Informationen über die Lage des Lupenbildes kann die Erprobung einer
Aufsetzlupe an der falschen Kombination von Lupe mit Lesebrille scheitern. Auf den
Meist existiert keine Angabe über die Aufsetzlupen der meisten Hersteller gibt es keine Angabe über die Lupenbildlage. Le-
Lupenbildlage diglich ein Hersteller (Fa. Eschenbach) gibt die Entfernung Auge–Lupe an, die man
einhalten muss, um mit einer Brille mit Nahzusatz +2,5 dpt das Lupenbild scharf er-
kennen zu können. Der Aufdruck 180 bedeutet folglich, dass der Abstand Auge–Lupe
18 cm betragen muss, um mit einem Nahzusatz von +2,5 dpt ein scharfes Netzhaut-
bild zu erhalten. Den Abstand Lupe–Lupenbild von 22 cm kann man errechnen, da der
Gesamtabstand Auge–Lupenbild 1/2,5 dpt=40 cm beträgt.
Informationen über die Lupenbildlagen der Aufsetzlupen der verschiedenen Her-
steller sind teilweise auch auf Anfrage nicht zu bekommen. Durch Messungen wur-
den deshalb die entsprechenden Werte der einzelnen Lupen ermittelt [15, 17]. In Ta-
belle 2 sind die Lupenbildlagen (Bildschnittweiten) der meisten in Deutschland er-
Bildschnittweite hältlichen Aufsetzlupen ersichtlich. Die Bildschnittweite s'b gibt den Abstand des
Lupenbildes vom bildseitigen Scheitel der Lupe an.Addiert mit dem Abstand des Au-
ges zur Lupe ergibt sich die Einstellentfernung des Auges. Zusätzlich sind Vergröße-
rungsangaben zu 2 verschiedenen Arbeitsabständen aufgeführt.
Sehfeldgröße
Neben der Vergrößerung ist die Sehfeldgröße für die Nutzbarkeit einer vergrößern-
den Sehhilfe entscheidend. Ein großes Sehfeld erlaubt einen größeren Überblick über
das Lesegut. Sind weniger als 5–7 Buchstaben gleichzeitig zu erkennen, ist kein flie-
Die Lesegeschwindigkeit sinkt bei ßendes Lesen mehr zu erreichen. Die Lesegeschwindigkeit sinkt, und die Zeilenfüh-
reduzierter Sehfeldgröße rung wird schwieriger. Grundsätzlich gilt der Zusammenhang: je höher die Vergrö-
ßerung, desto kleiner das nutzbare Sehfeld.
Der Einblick in eine Aufsetzlupe wird von der Lupenfassung begrenzt. Je näher
sich das Auge der Lupe annähert, desto größer wird das überschaubare Sehfeld
Schlüssellocheffekt (Schlüssellocheffekt).Andererseits nimmt bei zunehmender Vergrößerung das ma-
ximal mögliche geometrisch-optische Sehfeld ab. Deshalb empfiehlt sich bei stärke-
ren Lupen eine größere Annäherung, um das ohnehin kleine Sehfeld optimal zu nut-
Fernrohrtypen
Es gibt 2 Fernrohrsysteme, die auch Grundsätzlich gibt es 2 Fernrohrsysteme, die auch als vergrößernde Sehhilfen einge-
als vergrößernde Sehhilfen eingesetzt setzt werden.
werden
Galilei-System. Es besteht aus einer Zer-
streuungslinse als Okular und einer
Sammellinse als Objektiv. Sein Vorteil ist
die kurze Baulänge, da kein Bildum-
kehrsystem nötig ist. Nachteilig ist die
unscharfe Bildbegrenzung und damit
die maximale Vergrößerung von ca.
2,5fach (Abb. 9).
Fernrohre ohne Fokussierung sind in der Fernrohre ohne Fokussierung sind in der Regel auf unendlich eingestellt, d. h., Ob-
Regel auf unendlich eingestellt jekte in größerer Entfernung (einige Meter) können scharf gesehen werden. Möchte
man nahe Objekte betrachten, so ist das selbst bei noch guter Akkommodationsfähig-
keit kaum möglich. Der Grund dafür liegt im Akkommodationserfolg beim Blick
durch optische Instrumente. Dies sei im Folgenden etwas näher betrachtet: Ohne
Fernrohr vor dem Auge entspricht der Akkommodationsaufwand (Brechwertzuwachs
durch Änderung der Linsenradien und der Linsenposition) im Auge beim Rechtsich-
tigen näherungsweise dem Akkommodationserfolg (Abstand des Nahpunktes) vor
dem Auge.
Beispiel: Eine Akkommodation von 5 dpt ermöglicht einem Emmetropen ein
scharfes Sehen in etwa 20 cm Entfernung (1/5 dpt=0,20 m). Möchte man durch ein op-
tisches Instrument akkommodieren, muss man um das Quadrat der Vergrößerung
mehr Akkommodationsaufwand betreiben. Um durch ein auf unendlich scharf ge-
stelltes Fernrohrsystem mit 3facher Vergrößerung in 20 cm scharf zu sehen, müsste
man also um den Faktor 32=9 mehr akkommodieren, also 9·5 dpt=45 dpt. Das ist na-
türlich nicht möglich.
VGes=VLupe·VFernrohr=(D/4)·3=(5dtp/4)·3=3,75fach.
Freier Arbeitsabstand
Freier Arbeitsabstand: maximale Ein wichtiges Kennzeichen einer Fernrohrlupenbrille ist ihr freier Arbeitsabstand,
Entfernung vom Objektiv zum Objekt also die maximale Entfernung vom Objektiv zum Objekt. Ein Musiker beispielswei-
se, der mit dieser Sehhilfe Noten erkennen möchte, kann sich je nach Instrument den
Noten nicht beliebig annähern. Durch geschickte Kombination von Fernrohrsystem
und Lupe ist der freie Arbeitsabstand beeinflussbar. Dies sei an einem Beispiel ver-
deutlicht:
Sehfeldgröße
Fließendes Lesen wird durch ein zu kleines Sehfeld limitiert. Aufgrund des oben er-
Die Vergrößerung sollte nicht höher als wähnten Zusammenhanges zwischen Vergrößerung und Sehfeld, sollte die Vergrö-
notwendig sein ßerung nicht höher als notwendig sein. Bei hohen Vergrößerungen werden zusätz-
liche Effekte wie Scheinbewegungen des Bildes bei Kopfunruhe störend. Die maxi-
malen Sehfeldgrößen können konstruktionsbedingt bei unterschiedlichen Herstel-
lern differieren. Die Sehfeldgrößen in bestimmten Abständen werden von den Her-
stellern angegeben (z. B. 1,1 m/5 m, d. h. Sehfelddurchmesser 1,1 m in 5 m Entfer-
Galilei-Systeme haben keine scharfe nung). Galilei-Systeme haben im Gegensatz zum Kepler-System grundsätzliche kei-
Sehfeldbegrenzung ne scharfe Sehfeldbegrenzung, d. h., das Bild wird zum Rand kontinuierlich dunk-
ler.
Die Schärfentiefe eines optischen Systems hängt im Wesentlichen von der Vergröße-
rung des Systems, von der Akkommodationsfähigkeit des Probanden sowie vom Ar-
beitsabstand ab. Sie liegt bei optisch vergrößernden Sehhilfen für die Nähe im Zen-
timeterbereich, bei hoher Vergrößerung und presbyopen Probanden sogar darunter.
Der Arbeitsabstand eines Fernrohrsystems muss folglich sehr exakt eingehalten wer-
den.
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