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Alltagsdeutsch
Heilpraktiker
Nicht immer können die Ärzte der "klassischen" Medizin helfen, und nicht immer
vertrauen Patienten ihren Methoden und Medikamenten - dann suchen die Kranken
den Heilpraktiker auf…
Sprecherin:
Immer mehr Deutsche suchen gerade bei Problemen mit Allergien, Hautkrankheiten und
Rückenschmerzen nach Alternativen zur Schulmedizin. Die Heilpraktiker haben, auch
wenn vieles noch nicht wissenschaftlich belegt werden kann, bei vielen Patienten die Lei-
den gelindert oder sie sogar davon befreit. Trotzdem stehen viele Menschen und Ärzte
den Heilpraktikern eher skeptisch gegenüber. Liliane Asbach-Gavenda ist die Fachfortbil-
dungsleiterin des Verbandes Deutscher Heilpraktiker und Leiterin der Heilpraktikerschule
des Verbandes in Köln.
Liliane Asbach-Gavenda:
"Ohne eine gründliche Ausbildung bekommt man überhaupt nicht die Zulassung als Heil-
praktikerin oder Heilpraktiker. Es setzt immer eine Amtsarztprüfung voraus, und der Amts-
arzt prüft anatomische, pathologische, physiologische Kenntnisse. Natürlich können die
nicht auf die Patienten losgelassen werden. Wenn ein Patient zu Ihnen kommt, müssen
Sie erst mal auch verstehen können, welche Behandlungen bis jetzt durchgeführt wurden.
Ich bin also selbst seit 25 Jahren dabei, und seit zwanzig Jahren habe ich eine eigene
Praxis. Ich bin also sozusagen ein alter Fuchs, aber trotzdem bilde ich mich noch weiter,
weil man lernt ja nie aus."
Sprecher:
Liliane spricht davon, dass Heilpraktiker nicht einfach so auf Patienten losgelassen wer-
den. Sie meint damit, dass die Heilpraktiker mindestens eine dreijährige Grundausbildung
und anschließend noch zwei Jahre Praktikum absolvieren müssen, bevor sie überhaupt
Patienten behandeln. Liliane ist bereits seit über 25 Jahren Heilpraktikerin und sagt, sie sei
ein alter Fuchs. Sie will ausdrücken, dass sie viele Jahre Erfahrung hat in diesem Beruf.
Ein alter Fuchs ist zudem ein gewitztes Tier, schlau und erfahren. Seine echte oder ver-
meintliche Klugheit, die den Fuchs als Herrn jeder Situation erscheinen lässt, verschaffte
ihm durch die Dichtung, zum Beispiel in Märchen und Fabeln, eine in der Volksmeinung
beispiellose Popularität.
Sprecherin:
Die erfahrene Heilpraktikerin Liliane hat sich vor allem auf Allergie- und Schmerzpatienten
spezialisiert. Ein Patient, der seit vielen Jahren unter Allergien leidet, ist der Geschäfts-
mann Alexander Calsolari. Der 35-jährige hoffte mit Hilfe eines Allergologen, einem auf
Allergien spezialisierten Arzt, von seinen Leiden befreit zu werden.
Alltagsdeutsch
Alexander Calsolari:
"Der klassische Weg ist natürlich, man geht zum Allergologen. Gelbe Seiten aufgeschla-
gen, wird ein Termin gemacht. Und bei dieser langwierigen und umständlichen Prozedur -
man muss sich das so vorstellen, man bekommt pro möglichen Allergiereizstoff eine Sprit-
ze in den Rücken gejagt. Das waren also bei mir rund 27 Spritzen, die ich schön verteilt
über den ganzen Rücken hatte. Die folgende Nacht konnte man sich vorstellen. Es wurde
mir angeraten, dann nach dem Sommer mit der so genannten Desensibilisierung anzu-
fangen; über einen Zeitraum von rund vier bis fünf Jahren müsste ich wöchentlich acht
Spritzen über mich ergehen lassen im Grunde genommen. Dafür braucht man natürlich
ein dickes Fell."
Sprecher:
Alexander spricht von dem klassischen Weg: Er meint damit‚ einen Schulmediziner auf-
suchen, in seinem Fall den Allergologen. Die so genannten "Gelben Seiten" stehen für
das Branchenbuch der Telekom, der Telefongesellschaft, in dem auf gelben Seiten viele
Branchen, also unter anderem auch alle Ärzte einer Stadt, verzeichnet sind. Bei der Be-
handlung, die Alexander als langwierig und umständlich beschreibt, werden ihm 27 Sprit-
zen in den Rücken gejagt, also schnell verabreicht. Die Desensibilisierung ist ein Ver-
fahren, bei dem geringe Mengen des Allergie auslösenden Stoffes regelmäßig gespritzt
werden. Im Laufe der Jahre soll sich der Körper an diese Stoffe gewöhnen und letztendlich
nicht mehr allergisch darauf reagieren. Für diese Spritzen und den Zeitaufwand braucht
man ein dickes Fell, sagt Alexander. Er will damit ausdrücken, dass man viel aushalten
muss.
Sprecherin:
Lange Zeit ist Alexander ausschließlich von der Schulmedizin überzeugt. Nachdem seine
Allergien gegen Pollen und Gräser aber trotz der vielen Spritzen über mehrere Jahre nicht
besser werden und er im Frühjahr immer noch unter einer ständig laufenden Nase und
juckenden Augen leidet, hört er auf eine Freundin und will es nun auch einmal mit der na-
turheilkundlichen Methode einer Heilpraktikerin versuchen.
Alexander Calsolari:
"Ich hab‘ mich dann sehr misstrauisch dort auch angemeldet. Es fing zunächst mal an mit
einem sehr intensiven Gespräch über meine gesamte Krankheitsgeschichte, über meinen
allgemeinen Wohlbefindlichkeitszustand, das Ganze, was der klassische Mediziner halt
gar nicht hören wollte. Der klassische Allergologe, bei dem war das ein Schema F, ein
Fragebogen, da wurde also wenig auf individuelle Probleme oder Erfahrungen zurückge-
griffen, wohingegen die Heilpraktikerin also wirklich ein offenes Ohr hatte und ich das
Gefühl hatte, sie hört mir zu, stellt intelligente Fragen und sucht etwa eine passende The-
rapie für mich."
Alltagsdeutsch
Sprecher:
Alexander spricht bei der Methode des klassischen Allergologen vom "Schema F". Es
meint damit, dass auf einem Fragebogen jeder Patient die gleichen Fragen beantworten
soll, obwohl die meisten Menschen sicher nicht die gleiche Krankheitsgeschichte haben.
"Etwas nach Schema F erledigen" heißt, eine Sache gedankenlos, routinemäßig erledi-
gen. Die Redensart ist entstanden nach den beim preußischen Heer mit einem "F" ge-
kennzeichneten, nach einem bestimmten Muster aufzusetzenden Frontrapporten. Der Arzt
scheint auch nicht sonderlich an seiner Krankheitsgeschichte interessiert zu sein, berichtet
Alexander - im Gegensatz zu der Heilpraktikerin, die sich sehr viel Zeit nimmt für ihn und
zudem ein offenes Ohr hat, die ihm also aufmerksam zuhört. Der Geschäftsmann hat
anfangs noch Schwierigkeiten, sich auf die Methoden der Heilpraktikerin einzulassen.
Alexander Calsolari:
"Man muss sich das so vorstellen, also man liegt wirklich da, und ich hab‘ mich also wirk-
lich zunächst mal auf den Arm genommen gefühlt; wenn man sich selber betrachtet, wie
man da liegt, die komische Musik hört und sie ganz komische Sachen mit einem macht,
dann traut man dem ganzen Braten erst mal nicht so."
Sprecherin:
Die Heilpraktikerin erklärt dem skeptischen jungen Mann, dass sie mit der bioelektroni-
schen Funktionsdiagnostik und mit Kinesiologie, also per Muskeltest, herausfinden will,
gegen welche Stoffe oder Lebensmittel er allergisch reagiert. Dazu legt sie Glasampullen -
mit einem bestimmten Stoff gefüllt - in die Armbeuge des Patienten und beobachtet, ob
sich sein Arm leicht herunterdrücken lässt oder nicht. Der junge Mann erzählt, er habe sich
auf den Arm genommen gefühlt und will damit sagen, man nehme ihn nicht ernst. Einen
auf den Arm nehmen heißt: ihn verspotten, anführen, necken. Auf den Arm nimmt man
das kleine Kind; in übertragener Bedeutung wird also der Geneckte wie ein Kind behan-
delt.
Sprecher:
Dem Braten nicht trauen heißt, eine Sache für verdächtig halten. Diese Redensart kann
im Zusammenhang mit einer Fabel stehen: Ein Bauer lädt ein Tier zu sich ein, doch dieses
kehrt an der Tür um, weil es wittert, dass sein Gefährte bereits in der Pfanne des Bauern
schmort. Es traut also diesem Braten nicht und fürchtet, selbst das nächste Opfer zu
sein. Schon nach zwei Behandlungsterminen ist Alexander von seinen Allergien befreit,
und die Vorurteile gegenüber den Heilpraktikern hat er für immer verloren. Ein anderer
Patient hatte Rückenschmerzen und suchte nach vielen verschiedenen Ärzten, die ihm
nicht helfen konnten, schließlich einen Heilpraktiker und Osteopathen auf, Richard Gietz.
Richard Gietz:
"Es stellte sich dann in der Anamnese heraus, dass er mal einen schweren Bergunfall
hatte mit ‘ner Nierenquetschung. Nach mehrmaliger Behandlung von diesem Bereich Nie-
Alltagsdeutsch
re der umgebenden Muskulatur lockerte sich das nach und nach auf, und die Beschwer-
den sind dann nachhaltig verschwunden. Als Osteopath lernt man wahrscheinlich nie
aus, weil der Mensch ist so kompliziert, und es gibt immer wieder neue Fälle, die einen
ans Grübeln bringen."
Sprecherin:
Die Osteopathie gibt es schon seit über hundert Jahren. Sie beschäftigt sich mit dem Zu-
sammenspiel vom menschlichen Skelett und den inneren Organen. Nach der Grundaus-
bildung zum Heilpraktiker sind es noch weitere sechs Jahre Ausbildung, bis man als Oste-
opath tätig ist. In den USA ist die Osteopathie heute sehr bekannt und wird wie ein Medi-
zinstudium anerkannt. Der Weg nach Deutschland dagegen dauert lange und führt über
England, Frankreich, Belgien und die Niederlande.
Sprecher:
Vor Jahren haben in Deutschland die ersten zehn Osteopathen ihre sechsjährige Ausbil-
dung abgeschlossen. Richard Gietz ist einer davon. Er spricht von einer Anamnese und
meint damit ein mehrstündiges Gespräch mit dem Patienten, wobei er individuell auf ihn
eingeht und ihm die unterschiedlichsten Fragen stellt. Bei der Behandlung des Patienten
stellt Richard Gietz fest, dass der Muskelbereich um die Niere herum vollkommen ver-
spannt war. Nach regelmäßiger manueller Behandlung des Nierenbereiches haben auch
die Schmerzen im Rücken aufgehört. "Man lernt nie aus", erklärt Richard und will sagen,
dass er durch die verschiedenen Fälle der einzelnen Patienten jeden Tag Neues über das
Zusammenspiel des menschlichen Körpers dazu lernt. Ein weiterer Patient von Richard
Gietz ist Dirk Goliasch. Er hatte seit Jahren akute Rückenprobleme bis hin zum Band-
scheibenvorfall.
Dirk Goliasch:
"Irgendwann bin ich joggen gegangen und habe dann einen Hexenschuss bekommen,
ganz normal, und das hat sich dann über die Jahre immer wiederholt, wurde immer
schlimmer, immer Spritzen, immer Tabletten usw. Und bis dann eines Tages vor zwei Jah-
ren ich eine absolute Blockierung hatte, bin morgens aus dem Bett aufgestanden und
lag flach. Es ging überhaupt nichts mehr. Und man wusste damals also auch nicht mehr
ganz genau, was man dann machen sollte im Grunde genommen, weil mit 29 Jahren ei-
nen Bandscheibenvorfall gibt’s nur die Möglichkeiten: Operation oder die Zähne zu-
sammenbeißen. Und deswegen hab‘ ich also fürchterliche Panik bekommen, und tja, ist
es das jetzt mit der Operation, muss es jetzt sein, ist jetzt Fahrradfahren usw. vorbei, oder
kann man mir irgendwie noch anders helfen?"
Sprecherin:
Dirk Goliasch sagt, er hatte einen Hexenschuss, eine absolute Blockierung. Einen He-
xenschuss haben heißt, plötzliche und heftige Schmerzen im Rücken empfinden. Die
Redensart bewahrt die Vorstellung, dass Krankheiten mit Pfeilen auf die Menschen abge-
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schossen werden. Mit absoluter Blockierung ist gemeint, dass Dirks gesamter Rücken
so voller Schmerzen war, dass er sich nicht mehr bewegen konnte; er war blockiert. Das
führte dazu, dass er flach lag, also nicht aufstehen konnte. "Es ging nichts mehr", sagte
der junge Mann, denn seine Schmerzen seien bei der kleinsten Bewegung so stark ge-
worden, dass er auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen war.
Dirk Goliasch hatte einen Bandscheibenvorfall. Eine Bandscheibe ist eine knorpelige,
zwischen je zwei Wirbelkörpern liegende Scheibe mit weichem, gallertartigen Kern. Durch
Verletzungen der festeren Hülle und Austritt des Kerns mit Druckwirkung auf das Rü-
ckenmark und austretende Nervenwurzeln kommt es zum so genannten Bandscheiben-
vorfall, der - wie bei Dirk - mit großen Schmerzen verbunden ist. Die Ärzte sahen nur zwei
Möglichkeiten für Dirk Goliasch: entweder eine Operation, bei der zwei Wirbel versteift
werden, dann würde Dirk weitgehend auf Sport verzichten müssen, oder er müsste die
Zähne zusammenbeißen. Dies würde bedeuten, der Patient muss mit Schmerzen leben,
und durch Spritzen und Massagen bekommt er eine kleine Linderung. In seiner Verzweif-
lung hört Dirk von einer Kollegin, dass es Osteopathen gibt, die gerade in solchen Fällen
helfen können, und er geht zu Richard Gietz.
Dirk Goliasch:
"Ich bin dann mal hin, weil ich einfach verzweifelt war. Ich glaube an solche Sachen ei-
gentlich gar nicht - so mit Akupunktur und Nadeln usw. und dachte, der renkt mich jetzt so
richtig ein. Das kracht jetzt einmal, entweder es ist danach gut oder es ist schlecht. Und
bin also mit ziemlich flauem Gefühl dahin gegangen und war also absolut überrascht,
dass man also ... mit ganz sanften Bewegungen wurde ich wieder gerade gemacht. Ich
hab‘ selber nicht dran geglaubt."
Sprecher:
Dirk geht mit einem flauen Gefühl zu dem Osteopathen Richard Gietz. Ein flaues Gefühl
haben heißt, sich nicht wohlfühlen, Kreislaufbeschwerden zu bekommen. Dieses Gefühl
hat man zum Beispiel dann, wenn man Stunden nichts gegessen hat, aber schwer arbeitet
und viel Energien verbraucht. Dirk will damit ausdrücken, dass er ein bisschen Angst hat-
te, weil er nicht wusste, wie die Behandlung bei dem Osteopathen genau vonstatten geht.
Richard Gietz behandelt den Patienten mehrmals, befreit ihn von seinen Schmerzen, aber
er rät ihm auch dazu, seine Lebensumstände zu ändern, damit es nicht wieder zu einem
solchen Bandscheibenvorfall kommen kann. An seinem Arbeitsplatz sitzt der Flughafen-
angestellte Dirk Goliasch über acht Stunden täglich am Computer, was seinen Band-
scheibenvorfall im Lendenbereich natürlich negativ beeinflusst hat. Richard Gietz rät ihm,
in Zukunft alle Telefonate an einem Stehschreibtisch zu führen und öfter kleine Pausen zu
machen. Zudem erlernt er in einer Krankengymnastik, welche Bewegungen schlecht sind
für seinen Rücken und was er vermeiden soll. Dirk Goliasch zieht Bilanz über seine vielen
Besuche bei mehr als fünf verschiedenen Ärzten und Orthopäden. Keiner hat auch nur
Alltagsdeutsch
erwähnt, dass es die alternative Möglichkeit gibt, einen Heilpraktiker und Osteopathen
aufzusuchen, der ihm helfen könnte.
Heike Köppen
Arbeitsauftrag:
Erstellen Sie eine Liste von Fachärzten (Orthopäde, Radiologe, Kardiologe usw.) und las-
sen Sie diese von Ihrem Nachbarn erklären.